Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
'^^^ÄAB^"^
\
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
9 r V/
D£B
DEUTSCHEN SPMCHE Md
LITERATM
HERAUSGEGEBEN
VON
HERMANN PAUL und WILHELM BRAUNE.
V.BAND.
HALLE VS.
MAX NIEMEYER.
1878.
v-5
INHALT.
Seit«
Ueber die conditionalsätze bei Wolfram von Escbenbach von M. Erbe l
Ueber die subBtantivische anwendung der bildungen mit -lih in der
bedeutung *jeder' bis zum 11. jahrh. von Ernst Henrici . . 51
Zur accent- und lautlehre der germanischen sprachen von E. Sievers
IL Die behandlung unbetonter vocale 63
III. Zum vocalischen auslautsgesetz 101
Zur metrik des Heiland von C. K. Hörn 164
Nachtrag (zu IV, s. 198f.) von B. Symons 192
Notiz von H. Paul 192
Unser vrouwen klage von G. Milchsack.
I. Text 193
II. Die Überlieferung 282
1. Die handschriften 283
2. Die lateinische quelle 291
3. Die lesarten 313
4. Der dichter 348
Conjunctionen mit mehrfacher bedeutung. Ein beitrag zur lehre
vom Satzgefüge von L. Tobler 358
Das märchen vom schlaraffen lande von J. Poeschel 389
Nibelungenfrage und philologische methode von H. Paul . . . . 428
Zu Walther von der Vogelweide von H. Paul 447
Beiträge zur Skaldenmetrik von Eduard Sievers 449
Kleine beitrage zur deutschen grammatik von demselben.
IV. Das nominalsuffix tra im germanischen 519
Zu Friedrich von Sonnen bürg von demselben 539
Mhd. selprvege von demselben 544
Der sßle cranz von G. Milchsack 548
Die skaldischen versmasse und ihr Verhältnis zur keltischen (iri-
schen) verskunst von A. Edzardi 570
Nachtrag (zu IV. 144—152) von demselben 590
INHALT.
8«lte
lieber die conditionalsätze bei Wolfram von Kschenbach von M. Erbe l
Ueber die subBtaDtivische anwendung der bildungen mit -Hh in der
bedeatung 'jeder' bis zum 11. jahrh. von Ernst Henrici . . 51
Zur accent- und lautlehre der germanischen sprachen von E. Sievers
II. Die behandlnDg unbetonter vocale 63
III. Zum vocalischen anslautsgesetz 101
Zur metrik des Heliand von C. R. Hörn 164
Nachtrag (zu IV, 8. I98f.) von B. Symons 192
Notiz von H. Paul 192
Unser vronwen klage von G. Milchsack.
I. Text 193
U. Die Überlieferung 282
1. Die handschriften 283
2. Die lateinische quelle 291
3. Die lesarten 313
4. Der dichter 348
Conjunctionen mit mehrfacher bedeutung. Ein beitrag zur lehre
vom Satzgefüge von L. Tobler 358
Das märchen vom schlaraffen lande von J. Poeschel 389
Nibelungenfrage und philologische methode von H. Paul . . . . 428
Zu Walther von der Vogelweide von H. Paul 447
Beiträge zur Skaldenmetrik von Eduard Sievers 449
Kleine beitrage zur deutschen grammatik von demselben.
IV. Das nominalsuffix tra im germanischen 519
Zu Friedrich von Sonnenburg von demselben 539
Mhd. selpwege von demselben 544
Der sdle cranz von G. Milchsack 548
Die skaldischen versmasse und ihr Verhältnis zur keltischen (iri-
schen) verskunst von A. Edzardi 570
Nachtrag (zu IV. 144—152) von demselben 590
UEBER DIE CONDITIONALSAETZE BEI
WOLFRAM VON ESCHENBACH.
ueit der herausgäbe des vierten teils von Grimms gram-
matik 'verb und nomen im einfachen satz' im jähre 1837 lag
die behandlung der ahd. und mhd. syntax, speciell die der
zusammengesetzten sätze, bis vor kurzem darnieder. Auch
Grimm selbst erfüllte sein in der einleituug des genannten
Werkes gegebenes versprechen nicht, in drei weiteren abschnitten
den mehrfachen satz, die verbindende conjunction und endlich
die Wortfolge zu erörtern. Erst vor ungefähr einem jahrzelmt
liat man wider angefangen in einzelforsehuugen eine grund-
lage für ein späteres umfassendes handbuch der zusammen-
gesetzten deutschen syntax in ihrer historischen entwickeluug
zu schaflFen. So sind in dieser bezichung, um aller tlbrigen zu
geschweigen, die Untersuchungen über die syntax der spräche
des Otfrid, Halle 1874 und 1876*), von Erdmann zu er-
wähnen. Einen ähnlichen zweck verfolgen auch vorliegende
blättcr, die eine art von nebensätzen bei dem dichter behan-
deln, der, weil am freisten von gelehrter bildung, als der un-
verfälschteste repräsentant echt deutscher spräche gelten kann.
Bevor ich aber an ihn selbst gehe, sei es mir verstattet,
zunächst eine kurze definition des begriifes * conditionalsatz '
vorauszusenden.
*) ein buch, das der methode wie der ansarbeituDg nach als muster
dasteht und das besser als worte das urteil Miklosichs widerlegen kann,
wenn er (vergleichende grammatik der sla vischen sprachen IV, 769)
sagt: es sei nicht richtig, den zusammengesetzten satz in einem eigenen
hauptteil zu behandeln. Vielmehr müsse das, worauf es im zusammmen-
gesetzten satz ankomme, in verschiedenen teilen einer syntax dargelegt
werden. Eine trennung der lehre hindere die Übersicht und rufe die
Vorstellung hervor, als ob die modi in dem nebensatz andere bedeutun^
hätten als im hauptsatz.
OcitrÜgc snr getchiohte der deaUchen gpraohe. V. |
2 ERBE
§ 1.0
Die conditionale periode drückt das Verhältnis einer im
nebensatze (dem Vordersätze, der protasis) ausgesprochenen
bedingung zu einem im hauptsatze (dem nachsatze, der apo-
dosis) angeführten, bedingten aus. Das conditionale Verhältnis
ist ebenso ein causales wie das des grundes zur folge, nur
wird die bedingung nicht als wirklicher, sondern als ange-
nommener oder möglicher grund gedacht Das Verhältnis der
bedingenden aussage zu der Überzeugung des redenden kann
ein dreifaches sein:
1) entweder er fasst sie als etwas gewisses, wirkliches,
dann steht sie meist im ind.;
2) oder als verneinte Wirklichkeit, über deren nicht-
Wirklichkeit oder nichtmöglichkeit bereits entschieden ist ;
dann steht sie meist im conj. praet. oder plusquampf.;
3) die bedingende aussage wird als Vorstellung aufge-
stellt, in welchem falle jeder modus und jedes tempus
zulässig ist
Anmerkung 1. In einzelnen fällen wird nicht der ganze
hauptsatz, sondem nur ein teil desselben eingeschränkt So
fuhrt Uoltheuer^) ein beispiel aus Iweiu (1153) an, wo nur
das einem Substantiv verbundene attribut negiert wird. In
P. (K)9, 2; weit ir daz ze liebe ttion iwer /riundin, ob ez diu
Ut, HO iHt se ein übele mögt .... wird das eine object der
protaMiH eingescliränkt (Cf. Wh. 45, 1 f.)
Anmerkung 2. Mit dem grammatischen Verhältnis
ist nicht zu verwechseln das logische, das nicht selten in
directem widers])ruch mit jenem steht Denn da für das
conditionale, causale, temporale und comparative Verhältnis
die spräche nicht wie für die Wunschsätze eine besondere ver-
balform ausgebildet hat, so finden wir die grammatischen
darstellungen dieser Verhältnisse oft in einander übergehend.
Und gerade bei Wolfram, dem unerschöpflich reichen, in sub-
jectiven und humoristischen Wendungen sich gefallenden dieh-
0 Cf. Kühner ausführliches haiidbuch der griech. spräche ^ Um-
nover 1872. § 569 flf. (11, 2, 963 ff.).
') Der conjunctiv in Uartmanns Iwein in Zachers Zeitschrift, suppie-
mentband, Halle 1874, p. 172.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 3
ter, tritt das logische Verhältnis nicht selten vor einer anders
gearteten grammatischen fassuug zui'ück. Von conditional-
sätzen, bei denen die grammatische ausdrucksform conditional
ist, deren Inhalt aber logisch entweder nicht conditional ist
oder doch nicht conditional gedacht werden muss, begegnen,
bei Wolfram hauptsächlich folgende arten:
1) die conditionale fassung ist nur eine höflichkeits*
form; es wird das eintreten eines ereignisses als von der
gnade und dem willen des angeredeten abhängig dargestellt,
obgleich dies unbezweifelt eintreten wird. Zum teil finden
sich hier formelhafte redensarten;
2) es wird aus einer in den conditionalsatz gestellten und
mit ie verallgemeinerten anzahl von fällen einer als besonders
hervorragend herausgehoben, wobei leicht Vermischung mit 4)
eintritt;
3) der bedingungssatz ist erweiterter Vertreter eines Sub-
stantivs;
4) der bedingungssatz ist Vertreter eines beteuerungs-
satzes;
5) der bedingungssatz ist Vertreter eines concessivsatzes,
in welchem falle meist halt im nebensatz mit ob (a.) oder
doch (b.), iedoch (c), dmiwch (d.) im hauptsatz eingefügt wird;
6) der bedingungssatz ist Vertreter eines temporal-
satzes;
7) der bedingungssatz ist Vertreter eines causalsatzes,
8) der bedingungssatz ist Vertreter einer vergleichuug
oder eines relativen Verhältnisses;
9) das grammatische Verhältnis des bedingenden und be-
dingten Satzes ist die umkehrung des logischen:
ad 1) P. 270, l ruoIU irs, si sol unsckuldec sin, P.369, 13. 2t)3,3(».
20, 3. P. 59, 27 gebiet ir, so ist ez war P. 47, 22. P. G95, 7 weit hs
jehen, deist Parziväl P. 535, 13. 359, 28. P. (i49, 21 jäy herre, ob ir
wellet, zer iTeude er sich gesellet, Wh. 15, 4 ob ir 9mers geloubet, so
ml ich zieren diz maere mit den vieren. Walth. 48, 22. 74, 2(». P. 082,
17 cf. Wilmanns ku Walth. 82, 16.
ad 2) P. 054, 10 ob riters pris gewan ie kraft, die lenge und
ouch die breite Ireit iwer pris die kröne. P. 308, 28. 514, 4. Wh.
^) Das» ob 'halt aber nicht atets conceasiven flinn hat, zeigt P.
373, 30 ich gib dir duz du in gewerslj ob dich halt dine muoter lieze.
4 ERBG
255, 16 oh der minne ie mennischtichez rts gehlüet, daz was sin liehter
schin.
ad 3) P. 403, 26 was si schoen, daz stuont ir wol für : * ihre Schön-
heit stand ihr gut.' P. 599, 15. 478, 29. 810, 18. Wh. 178, 3 het ich
bürge oder lant, die siint in Terramires hant für: meine bürgen hat T.
erobert 252, 18. 248, 4.
ad 4) P. 216, 9 oh ich in niht gelogen hän, von Dianazdrün der
plan muose Zeltstangen wonen mir, dann in spehteshart si ronen.
Wh. 135, 28 iwer kumher sol mich riuwen, ob ich hän toußaeren sin
tlir: *80 wahr ich ein christ bin.' 42, 8. 132, 24.
ad 5 a) P. 537, 27 ez waeren muede zwSne smide, oh si halt
heten starke lide. P. 152, 17. 504, 25. 555, 6. 594, 12. Wh. 315, 18
ob halt diu naht uns nähet, ich vinde iedoch wol iwer spor, — b.) P. 206,
28 wirt mir din meister nimmer holt, drns amts du doch geniezen soll.
P. 84, 14. 137. 29. 259, 8. 302, 27. 369, 14. 523, 27. 524, 7. 594, 12.
638, 17. T. 85, 1 wird immer tjost mit hurte von sperbrechens krache
üz stner hant durch Schilde brächt, sin Hp ist zuo dem ungcmache
doch ze kranc. Wh. 268, 15; mit vorausgehendem hauptsatz : P. 532, 23
er ist doch äne schände, lit er inminnen bände. 137,18. — c.) P. 420, 6
hin ich gein dem strite laz, ich vreische iedoch die maere wol, 413, S.
114, 22. Wh. 302, 9 swer si des lasters noch wil manen, da geschach
iedoch ein widervart, — d.) P. 94, 7 ob ich der änewaei'e, dennoch
west ich ein maere. T. 48, 3 ob daz alter minnen sich geloubet, d an-
no ch diu jugent wont in der minne hant. Wh. 434, 23. Aber auch ohne
diese partikeln: P. 424, 24 soll ich nu drumbe sterbeti, so muoz ich
leisten Sicherheit. P. 19, 2S. 9S, 5. 415, 26. 419, 16. 420, 25. 424, 24.
643, 22.
ad 6) P. 454, 26 ob die ir unschult wider zdch, sit muoz sin pflegn
getouftiu fruht für: * nachdem die engel in den himmel gekehrt waren.'
ad 7) P. 527, 4 waere er ze rihtaere erkant, daz er denne rihtc
ir swaere. Wh. 181, 13 ob ie fürste wart min man, an dem hat er
missetän für: ^da mein mann ein fürst war.'
ad 8) P. 593, 14 ist die nieswurz in der nasn draete unde strenge,
durch sm herzen enge kom alsus diu herzogin. Wh. 178 14 ob J\o3
in der arke grözen kumber ie gewan, denselben mac Gyburc wol hän.
Wh. 76, 16. 317, 1.
ad 9) P. 405, 8 wirt iu kurze wile gemiret, daz muoz an iwenn
geböte stn für: *wenn ihr befehlt, wird man euch die zeit vertreiben.'
L TEIL.
Die einfacheren formen des bedingungssatzes.
§2.
'Schon in der frühesten zeit der spräche, in der periode
des einfachen satzes, vor der entstehung des relativums und
der conjunctionen, gab es haupt und nebengedanken , also
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 5
auch haupt- und uebensätze.' ^) 'So lange aber der mensch
aaf der untersten stufe seiner geistigen entwiekelung steht,
spricht er seine gedanken in einzelnen Sätzen nach einander
aus, unbekümmert, den innern zusammenliang und die wechsel-
seitige bezieh ung der gedanken auch äusserlich in der form
darzustellen'^). Das einzige zeichen für haupt- und nebensatz
ist die Satzbetonung.
Während das ahd. dergleichen hypothetische satzgeflige
noch ziemlich vielfach kennt, wenn es den imperativ in con-
ditionaler bcdcutung verwenden und an ihn den bedingten satz
in gerader Wortfolge anschliessen kann^), so finden wir Über-
reste dieser ersten stufe der Sprachentwicklung im Wolfram
nur noch in sehr geringer anzahL Als solche rechne ich
nämlich die bedingungssätze, in denen das conditionale durch
den imperat von lä7i ausgedrückt ist, an den sich dann der
hier stets nachfolgende hauptsatz anschliesst und zwar entweder
1) im conj. praet., als gienge das verb. finit. im couj. praet.
voraus, oder 2) im ind. praes. mit grösserer rücksichtnahme
auf den impv. Jedenfalls aber werden, wie die bedeutung von
Idn in diesem falle, 'annehmen', schon ergibt, nur § 1. sub 2
erwähnte bedingungeu auf diese art eingeführt, über deren
niehtwirklichkeit man bereits unterrichtet ist
ad 1) Wh. 300, 13 nu lät in sin min lanttnan, ich woU im doch
sicherliche helfen, P. 355, II. In P. 4, 2 nti lät min eines rvesen drt,
. . därzuo gehörte wilder funt, op si tu gerne taeten kunt, daz ich in
eine künden tvil ist der conj. im hauptsatz auch durch den andern, nach-
folgenden nebensatz bewirkt.
ad 2) Wh. ISO, 23 7iu lät se alle Juden sin, die . . . iwer lant ze
Werne sint verlorn, wart ie triwe an iu geborn, ir stdt durch triwe
klagen sie. V, 204, 25 nu lät in sin ze töde erslagen, suln durch daz
zwei her verzagen? cf. Wilmanns zu Walth. 87, 13, der also darnach zu
modificieren.
§3.
Den coordinierten Sätzen am nächsten und zwischen ihnen
und den subordinierten stehen die conditionalperioden, deren
protasis die spräche, einen schritt weiter gehend in der unter-
*) Windiscli u. Delbrück, syntaktische forschungen I. Halle 1871,
9b f.
3) Kühner a.a. o. $ 517 (p. 777).
3) Erdmann a. a. o. § 168— lb7, zumal S 170.
0 EBBE
Scheidung von haupt- und nebensätzen , durch die Wortstellung:
gekennzeichnet hat und deren apodosis ohne partikel odicr
l)raiiom6n in regebnäBsigev Wortfolge der hauptsätze gebildet i^t«.
I. Die gewöhnliche und regelmässige wortsteUung im
neben s atze i^t folgende: subject, prädicat, copula. Jede
abweichung von dieser wortsteUung im nebensatz ist daher
für ihn als versetzte Wortfolge oder Inversion zu betrach-
ten, die dann entweder notwendig und wesentlich, oder
willkürlich ist
1) Die wortfdge nun, die das einzige zeichen des con-
ditionalen Verhältnisses bei den eonjunctionslosen bedinguiigs-
sätzeu ist, (die sonst dem fragesatz angehörigc cop. subj.
praed.), ist aus diesem gründe hier notwendig und wesent-
lich (a) und kann nur mit der willkürlichen Stellung : copula,
prädicat, subject vertauscht werden (b), die aber auch not-
wendig wird, wenn das subject von einem satz gebildet
wird (c).
2) Dieselbe Inversion hat, um hier gleich die woi-tstellung
der conditioualsätze in allen fällen zu besprechen, mit weni-
gen ausnahmen unde nach sich.
3) Die übrigen mit conjunctionen eingeführten conditio-
nalen nebensätze, hier gewöhnlich mit der regelmässigen
Wortfolge des ncbensatzes, haben notwendig die inversion:
praed., copüIa, subject, wenn ein satzglied wegen besonderer
hervorhebung an die spitze (a) oder das subject aus dem-
selben gründe an das ende des satzes (b) gesetzt worden
ist. Daneben kann willkürlich die Stellung des erkenntnis-
satzes mit nebeninversion d. i. Verstellung der ncbenbestim-
muiig stehen (c).
4) Die negativen excipierenden bedingungssätze (§ 4)
haben die gerade Wortfolge des erkenntnissatzes , wenn das
an die spitze tretende pronomen das subject ist (a), dagegen
die Stellung: pronomen, prädicat, subject, wenn ein in ob-
jectivem Verhältnis zum verbum des bedingungssatzes stehen-
des Personalpronomen den nebensatz beginnt (b). Die nega-
tion ne steht hier stets vor dem haupt- oder hilfsverbum.^)
0 Cf. Dittmar 4iber die altdeutsche negation ne in abhängigen
Sätzen' in Zachers zeitscbr«, ergänsungsband 1S74, $ 15— -19.
CONDITIONALSABraB BEI WOLFRAM. 7
IL Während im nhd. regol ht, dass ein vorangOBtellter
adverbialsatz die Wortfolge des hauptsatzes in die dem
fragesatz sonst angehorige Stellung: copula, subject, prädicat
umwandle, finden wir im mhd. noch die gewöhnliche Wortfolge
des erkenntnissatzeSy falls nicht (und diese regeln gelten auch
ftlr die vorangestellten hauptsätze)
1) conjunctionaladverbien, die noch den Charakter von
coi\junctionen tragen, an der spitze des satzes stehen, oder
2) wegen besonderer hervorhebung ein satzteil an die
spitze oder das subject an das ende des satzes gestellt wer-
den soll, oder
3) ein interrogatives pronomen im casus obliquus oder
ein Pronominaladverb an die spitze des satzes tritt, in wel-
chen fällen sich meist die Wortfolge des fragesatzes findet.
ad I. 1 a.) statt vieler beispiele nur eins: P. t8ü, 12 . . Siegels Urkunde
lac da äne mäze vU, suki gröze ronen sün Siegels ziU)
ad I. Ib.) P. 81, 8 waere worden der turnei, so voaere verswendet
der walt. Wh. 160, 4 mirt nu nihi von ir geklagt diu dürren herze-
baeren sir, ir sol getrüwen niemer man, P. 170, 23. 337, 2. 359, 28.
356, 23. Wh. 277, 22. 220, 1.
ad I. Ic.) Wh. 224, 14 wil mhier manheit ruochen der durch uns
an dem krhize was, swar Gyburc verty dar kSr ouch ich.
ad I. 2.) P. 298, 21 ich taete ouch noch, und soltez sin. Wh. 306, 16
daz öezzer got in beiden an mir und si ich schuldic dran. P. 645, 16.
163, 3. Wh. 232, 11 nnd vielleicht 251, 19. Vgl. Gudr. 227, 3. 298, 1.
0 Z. 14 tibersetzt Simrock: ^wenn für schlegel knorren gelten* und
gibt in der anmerkung zu der stelle an, dass 4n einigen gegenden
Deutschlands noch jetzt gefallene bäume schlegel heissen ' und ihm fol-
gend Übersetzt Bartsch: *wenn umgefallene bäume die axt vorstellen
sollen.* Doch wäre nach dieser erklärung ^zeugnis (denn dies ist Ur-
kunde z. 12) des Siegels nicht zu verstehen. Daher übersetzt das
mhd. wb. III 883b 46 *wenn grosse ronen die bahn sind, auf der man
schlegel findet', wofür wol genauer zu sagen wäre *wenn grosse ronen
das ziel des schlegels sind d. h. wenn der hammer, dessen man sich zum
eintreiben der keüe bedient, seine natürliche anwendung findet bei um-
gestürzten baumstämmen, die gespalten werden sollen.* Doch hat wol
San Marte recht, wenn er übersetzt: Mässt als arbeitsziel der axt man
grosse Stämme gelten.* — * Zeugnisse von siegelarbeit*, sagt der dichter,
'lagen da viel, und wenn man nur zugibt, dass liegende baumstämme
auf eine arbeit mit dem spaltenden keile schliessen lassen, so wird man
wol auch glauben dürfen, dass der sieget, mit dem die keile in den
stamm hineingetrieben werden, nicht weit war.*
S ERBE
Iw. 5S27. 6369. a. Heinr. 102S. Walth. 33, 33. S2, U. 22, 37. 149, 25.
MSF. 46, 2. 152, 20. Trist. 212. 222. 2376. 6062. 1S600. Weitere bei-
spiele im mhd. wb. III, 184 cf. Beneke zu Iw. 5827 zu Wigal. p. 729
und LUbben. wb. z. d. Nib. II. aufl. 177 a. Beispiele für tmde ohne Inver-
sion des subjects mit der gewöhnlichen satzfolge des von einer cou-
junction abhängigen nebensatzes gibt Haupt zu Gottfried von Neifen
S 17. 0
ad I. 3 a.) P. 252, 3 ob wendic ist sm vreise, rvol dich der saelden
reise! u. ö.
ad I. 3 b.) P. 525, 6 sich füegei paz, ob weint ein kint, denn ein
bartohter man. 259, 15. 214, 13 u. ö.
ad I. 3c.) Wh. 150, IS ob der werde kunec Tybalt nf dxnerinarke
Vit mit her^ man sol mich bi dir sehen ze wer,
ad I. 4 a.) P. 725. 7 ern welle nnschulde rechen, sus muoser hin
z^ir sprechen u. ö.
ad I. 4b.) Wh. 30, 28. der wirt ouch drumbe vil verlorn, ez en-
wend der in diu herze siht,
ad II. 1.) P. 59, 27 gebiet ir, so ist ez war, P. 302, 27 vinde ich
nimmer von iu strtt, doch sint diu lani so wit, ich mac da arbeit
holen. P. 735, 12 sage ich des mdre denne genuoc, dennoch mac
ichs iu nur wol sagen, P. 276, 27 ouch het ichs dö genozzen, wesser,
wie si mich bestdt. In P. 5s5, 5 frou minne weit ir pris bejagn, möht
ir iu doch läzen sagn hat wul der wünschende Inhalt die Stellung des
fragesatzes herbcigetührt, denn *doch' steht nicht an der spitze des
Satzes und vgl. damit P. 206, 28. 137, 18. 532, 23. Ueber ein und
hinaus invertiert so in Wh. 1, 6 öA diu von mir vertrtbet gedanc die
gar flustic sint, so bis tu vater und bin ich kint. Eine ausnähme
bildet Wh. 299, 2s bin ich so frum, dar nach ich muoz uf Alischanz
nu werben, cf. P. 398, 11. 561, 20.
ad II. 2.) P. 50, 14 het er den pris behalten do^ für zuck er
gaezen in diu wip. P. 56, 29 ml er wider wenden, schiere sol ichz
enden\ jedoch auch P. 7, 28 het ich dar inne m3r getan, etswn
man min gedachte, und P. 510, 25 het ich iuch swä ich wolte, den
wünsch ich gerne dolte.
ad II. 3.) P. 32, 6 waz hülfe in dan sm vrechiu ger? P, 504, IS
op si sich strits gein mir bewigt, wie sol ich mich ir danne wern?
§4.
Die mehrzahl der mhd. bedingungssätze zeigt die forni^
die die spräche in ihrer weitem entwieklung zur scharfem
begrenzuiig der godanken stets wählt, die Subordination; die
protasis wird der apodosis untergeordnet. Die mittel, dies zu
bezeichnen, sind aber mannigfaltig und ihrer entstehungsart
*) Cf. die anmerkung am Schlüsse der abhandlung.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 9
und -zeit nach verschieden. Hier sollen sie in der reihenfolge
aufgeführt werden, in der wir sie uns von der spräche gebildet
zu denken haben.
Den ersten platz in dieser reihe nehmen die conjunctiviseh
beschränkenden conditionalsätze ein, in denen die abhangig-
keit lediglich durch den modus bezeichnet wird.^) Während
die mit oh-niht oder blossem niht bei gleichzeitig invertierter
Wortfolge gebildeten conditionalsätze eine in der Wirklichkeit
vorhandene oder vorhanden gewesene bedingung einführen, die
in die position übersetzt in die angäbe von grund und Ursache
verwandelt wird, bringt die mit ^le gebildete subjunctive structur
nur eine gedachte, angenommene bedingung, die — und darauf
ist das hauptgewicht zu legen — die zugleich die einzig mög-
liche sein will. Ueberträgt man die ganze negation in die
Position, so kann der hauptsatz nur unter der gesetzten be-
dingung wahr und erfüllt werden. Das Verhältnis bleibt also
auch dann stets '^) conditioual.
I. Der ausdruck für die Vorstellung der aussage des ncbeii-
satzes ist der conjunctiv. Ihm entspricht im hauptsatz, ent-
gegen der sonst gerade in bedingungssätzen beliebten concinni-
tät, meist der indicativ, weil sich ja die annähme nicht auf
die apodosis mehr erstreckt, und zwar steht
1) bei conj. praes. des nebensatzes, der übrigens bei
Wolfram gerade hier ungemein oft vom hilfszeitwort wellen
c. inf. mit futurischer bedeutung gebildet wird, im hauptsatz
a) der ind. et) der regel nach praes., ß) ausnahmsweise
praet., b) der conj. praes., aber mit optativischer be-
deutung.
2) bei conj. praet. im nebensatz a) der ind. a) der
regel nach praet. /?) ausnahmsweise entspricht der conj.
praet., wol im afifect der rede, durch lebendigere äusserung
des gedankens heiTOrgerufen dem ind. praes. b) conj.
l)raet., der aber seinen grund hat a) im ausruf. Iß) in der
*) üeber sie und zum tolgenden vgl. Dittmars genannten treff-
lichen aufsatz in Zachers zeitschr. ergänzungsband 1S74. § 1—28, auf
dem das hier gesagte vollständig fusst.
^ So kann ich mit Wackernagel (Fundgruben 1. 269—306, § 5-
anm. a.) trotz Dittmar a. a. 0. % 24 sagen, denn Wolfram wenigstens
kennt historische conditionalsätze mit ne nicht.
10 £BB£
lebhaften frage. 7) in der abhängigkeit der conditionalen
poriode von einem praeteritalen bauptsatz.
IL 1) Bei Wolfram wird gleich häufig dem, wenn auch
nur dem sinne nach, negativen wie dem positiven hauptsatz
der hypothetische nebensatz mit ne angeschlosBen. 2) Seltener
steht im Parzival der positive, oder 3) der negative hauptsatz
an zweiter stelle, während mir im Wh. gar kein derartiges
beispiel aufgestossen ist.
III. Die negation des bedingungssatzes, die nicht mit
Wackernagel 0 aIb eine fortwirkung der hauptnegation auf den
subordinierten satz angesehen werden darf, sondern der eine
selbständigere bedeutung, eine freiere Stellung zuzusprechen
ist, wird öfter 1) durch da)im verstärkt, eine partikel, die
'eigentlich eine explanative conjunction, zur bezeichnung einer
ausnehmenden adversativbestimmimg gebraucht wird, um an-
zuzeigen, dass die aussage der apodosis verwirklicht werden
nmss oder soll, falls die der protasis nicht in erftlllung geht.'
— Von einer er Setzung der negation durch dmine, die später
so allgemein herschend wird, findet sich bei Wolfram noch
nichts; 2) die negation wird durch miders verstärkt. *Es be-
sagt, dass der aussage eines satzes die eines andern in be-
dingender ausnähme entgegensteht'; 3) die negation fällt
aus, bei Wolfram aber meist nur nach einem n.
IV. Ueber die Wortfolge in diesen sätzen vgl. § 3. I, 4.
Hier möge nur noch einmal betont werden, dass stets ein pro-
nomen an die spitze des nebensatzes tritt, sei es dass dies
1) der nom. eines pron. pers., wozu auch man gerechnet wer-
den möge, alno das subject des satzes, oder 2) der cas. obli-
quus eines pronomens, oder 3) ein pronominalverb sei, oder
dai!^s 4) das aus einem Substantiv oder einem satz bestehende
subject des nebensatzes dui*ch das neutrum ez vorausgenommen
werde. Der grund dafür ist wol der, dass die negation gern
dem vorausgehenden pronomen incliniert.
ad I. 1. Fast ein viertel der von mir verzeichneten einschränken-
den 8Htie aus Iw. Nib. imd Pars, hat diese Umschreibung, kh enwelle
F. 747, 6. man enwelle Iw. 250, er enwelle P. 740, 15. 725, 7. 485, 4.
got enwelle Iw. 7415, ir enwelt P. 47, Ib. 133, 30. 645, 10. Iw, 1490.
1824. Nib. 2123, 1. sine wellen P. 738, 11.
') a. a. o. p. 276.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 1 1
ad I. 1 a. a) P. 78S, 4 so nacht ez iwerm volle, irn lät mich von
in scheiden ii. ö. — ß) P. 224, 26 mich enhdbe diu äveniiure heirogn, sin
reise was grdz mit einer gewissen breviloquenz , eigentlich: 'so ist es
wahr, dass seine reise gross war/ P. 725, 7 ern weüe uttschulde rechen,
sus muoser hin zir sprechen mit anwendung des praes. bist, im ncben-
satze, wie sie Wolfram liebt.
ad I. Ib.) P. 516, 5 niemen sich verspreche, ern wizze i, waz
er reche.
ad I. 2a. a) P. 151, 13 diu enlachie decheinen wis, sine saehe in,.
P. 152, 27. 188, 16. 753, 23. 19, 11. 110, 5. 118, 14. 280, 24. Wh.
185, 10.
ad I. 2 a. ^) P. 607, 17 ir sU hie sirttes ledec gar, ezn tvaer dan
gr oezer iwer schar, P. 443, 18. 692, 20. 410, 17.
ad I. 2b. a) P. 737, 18 . . daz ez diu rvip solden lohn, sine wolien
dan durch Idsheit lohn, — ß) P. 692, 27 waz prlss möht ich an dir bejagn,
ine hört dich baz gein krefien sagn, — y) Wh. 339, 14 si jähn, in waere
unmaere ir lehn, sine geraechen ^ den schaden baz.
ad II. 1) P. HC, 5 er empfienc nie w^bes minnen teil, ei'n waere
al ir vröuden geil u. ö. Wh. 30 , 2b der wirt ouch drumbe vil verlorn^
cz enwend der in diu herze siht u. ö. — 2) P. 614, 19 frouwe, esn wende
mich der tot, ich Ure den künec söthe not. 224, 25. 725, 7. — 3) P. 740,
15 ern welle an minne denken, sone mag er niht entwenken, P. 410,
17. 226, 16.
ad III. 1) P. 348, 10 vor den mac Lyppaut wol genesn, ez ensi
dan mm herre alein, Wh. 127, 30. P. 362, 13. 607, 18. 737, 18. 639, 1.—
2) P. 747, 6 al dm werlicher lisl mac dich vor töde niht bewarn, ine
well dich anders gerne sporn. — 3) P. 638, 21 man welle itn unrehtes
jehen, sd habt ir selten i gesehen decheinen wirt so freuden rieh,
P. 241, 19, aber Wh. 270, 10 daz kunder wol vermiden, er wurde t
drüf gereizet,
ad IV. 1) P. 265, 22 /im bistu der verlorne, dune tätest sie dm
hulde hän, P. 740, 15. 725, 7. 226, 16. 410, 17. 737, 18. 692, 27.
151, 14. 152, 27. 188, 16 u. (5. Wh. 337, 29. 392, 21. 421, 17. 339, 15.
185, 10. P. 241, 19. — 2) P. 485, 5 ich mac uns selbe niht gespisen, esne
welle uns got bewUen, P. 712, 17. 362, 12. 224, 25. 614, 19.— 3) P.
731, 29 dem muoz gein sorgen wesen gäch, dane reiche w\be helfe
nach 19, 11. — 4) P. 118, 14 erne künde niht gesorgen, ez enwaere ob
im der vogelsanc,^) P. 443, 16. 607, 17. >
*) nicht gehört, wie man nach San Martes Übersetzung meinen
könnte, zu diesem paragraphen: Wh. 3, 12 ein iesUch rtter st gewis
der siner helfe in angest gert, daz er der niemer wirt entwert, 1 5 ern
sage die selben not vor gote\ vielmehr ist z. 15 von entweiht abhängig,
der satz also ein ergänzungssatz und er (z. 15) ist Willehalm, der ja als
heiliger die pflicht hat, gott die gebete der menschen vorzutragen.
1 2 ERBE
§ 5.
'Allmählicb, als mit dem weiteren fortscbi eiten des geisti-
gen lebens dem menschen der innere Zusammenhang seiner
gedanken vor die seelc zu treten begann, schuf sich die spräche
in besondern Wörtern zeichen und hebel der Satzbetonung,
Die tätigsten helfer bei dieser arbeit waren die pronomina, die
zunächst nur deiktisch, dann aucli anaphorisch wurden,' So
werden denn das relative und das substantivische wie das ad-
jectivische indefinite pronomen zu kennzeichen der conditio-
nalen sätze sowol mit als ohne auf sie bezügliches pronomen
demoustrativum im hauptsatz und zwar finden wir:
1) a) vom pronomen relativum der wenigstens bei Wolf-
ram wie im Iwein (anders ist es im Walther) nur den nom.
masc. sing., zu übersetzen durch Svenn jemand,' b) vom pron.
indefiuitum adjectivum swelcher nur den nom. sing., zu über-
setzen mit ^wenn ein, eine' etc. c) vom substantivischen pron.
indef swer auch die casus obliqui, zu übersetzen durch ^wenn
jemand, jemandes' etc. in conditionaler bedeutung, und end-
lich begegnet d) auch das indefinite Pronominaladverb swä im
bedingungssatz, zu übersetzen durch *wenn wo';
2) durch die genannten pronomina können bedingungen
eingeführt werden, die entweder a) als wirklich gesetzt wer-
den sollen und sie stehen im ind. praes. oder praet, oder die
b) als bloss möglich bezeichnet werden sollen. Sie treten in
den conj. piaet.
ad 1 a.) P. 761, 29 r^(?r dergein leit al die terre, ez waereni gelle
verre, P. 6b, 14. 201, 22. Ct". Wb. zu Iwein von Beneke 1. ausgäbe
p. 73, aber Walt her 1)2, 3:i dei' blic gevrörvet ein herze gar, den min-
neclkh ein tmp an siht, zu welcher stelle (69, 26 seiner ausgäbe) Wil-
inanns zu vergleichen ist.^) — b.) W. 1. 4, 3 swelch schiltaere entwtirfe
daz, des waere ouch dem genuoc, P. 578, 27. — c.) P. 427, 2 srvem si
güelliche ir küssen hol, des muose swenden sich der wall mit maneger
tjost ungezall. T. 91, 2. 63, I. P. 250, 29. — d.) P. 539, 15 swä vrei-
sehet man ode wip, daz überkomen ist min Itp, so stit mir baz eith
sterben vor, P. 468, 29. 242, 8.
0 Es ist selu* zweifelhaft^ ob Wilmanns anffassung richtig ist, da
die obliquen casus von der in dieser Verwendung sonst überhaupt nicht
nachzuweisen sind. Wir haben wol den auf bUc zu beziehen als acc.
des inliaUs. Andernfalls mtisteu wir eine ungenaue beziehung des rela-
tivums auf herze annehmen. P.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 13
ad 2 a) P. 241, 17 swei" den bogen gespannen siht, der sene-
wen er der slehte giht. P. 427, 2. 539, 15. 420, 18. 12, 27. 24, 2().
2^0, 28. — b.) P. 406, () min triwe ein l()t an dem orte fürbaz rvaege^
der uns tvegens ze rehte pflaege. P. 2b7, 2. 232, 14. Wh. 133, 2S. 62,
13. Ans andern Schriftstellern vgl. Wal tli. 85, 27. Iw. 10. 58. 95. Walth.
41, 23 107, 9. Nib. 329, 3 und Ltibben wb. z. d. Nib. (Oldenb. 1865.)
1 63a. an». 161 b. 162b. Kndr. 295, 3 und Martin zu 358, 2, endlich
Beneke a. a. o. 424 und 425, wo auch swedei^ als conditional ange-
geben ist.
§ 6.
Im vorigen paragrapheu lernten wir als ein mittel, die
Unterordnung der sätze zu bezeichnen, das pronomen kennen.
'Welcher art aber die Verbindung der beiden sätze sei, davon
enthält das pronomen nichts.' ^Es drückt nur aus, dai^s die
Landlung des relativsatzes das posterius oder das prius zum
hauptsatze bilde.' * Ein versuch, auch die feinern, sich notwen-
dig einstellenden gedankeuverhältnisse zum ausdruck zu bringen,
liegt in den conjunctionen vor.'*) Wir erblicken also, um mit
Miklosich^) zu reden, in der maierei der spräche jetzt schritt
für schritt mehr die perspective, die die gegenstände für das
äuge aus einem nebeneinander in ein hintereinander umwan-
delt: den gedanken im isatzgefüge nicht mehr ihren platz neben,
sondern unter einander anweist.
Nach Herling •*) sollen die bedingenden conjunctionen aller
sprachen — und ihrer gibt es im mhd. vier oder je nachdem
man will, sechs: unde, daz, (wandaz) so, {swenne)j und oh —
casus inten-ogativer pronomina sein. So gut aber diese an-
nähme auch zu dem fragenden und ungewissen Charakter der
conditionalperioden stimmen würde, und so sehr sie von dem
gebrauch von ob, tl und si in indirecten, wann in directen
fragen unterstützt zu werden scheint, so spricht die abstam-
mung von so, das mit Bezzenberger *) wol sicher von dem
reflexivum sva herzuleiten ist, und, wenn auch nur indirect.
0 Windisch u. Delbrück a. a. o. p. 99 und p. 35.
*) Vergleichende grammatik der slav. sprachen. Wien 1868 und
1870. IV. 76.
3) Die syntax der deutschen spräche. Frankfurt 1830. I. § 133 b.
Note k.
*) Untersuchungen über die gotischen adverbien und partikeln.
Halle 1873. p. 56 ff.
14 ERBE
der umstand, dass das indefinite swenne früher einen bedin-
gungssatz einleitete als unser nhd. wefwi, zu entschieden gegen
die behauptung Herlings. Auch ob wird, wie wir weiter unten
sehen weixlen, wahrscheinlicher nicht von einem pronomen ab-
geleitet.
§ 7.
Am wenigsten streng conditionalen Charakter trägt von
den genannten conjunctionen das an mannigfaltigkeit des ge-
brauchs so reiche iinde. Den relativischen gebrauch dieser
conjunction ftihi*t Tobler ^) auf ihre abstammung von einem
demonstrativen stamm zurflck, indem er so schliesst: demon-
strativa können verallgemeinernde bedeutung haben, ein ver-
allgemeinernder satz aber impliciere stets einen relativsatz.
Ueberhaupt verrichte ja das pronomen demonstrativum teils
ursprünglich, teils später den dienst des relativpronomens.^)
Auffallend aber, bemerkt Tobler mit recht, bleibt, dass unde,
welches im gotischen gar nicht vorkommt, im ahd. nur bei-
geordnete Sätze verbindet und dass aL»o ein nachgeftthl jenes
Zusammenhangs mit dem relativum erst im mhd. so deutliche
spuren treibe. Daher sind wir denn wol berechtigt 3) , in dem
U7ide ursprünglich nur eine copula zu sehen, die haupt- und
nebensatz als eng zusammengehörig bezeichnen soll.
1) Die conditionale Verwendung von unde nun erstreckt
sich sowol a) auf conditionalsätze die eine Voraussetzung;
als die b) eine annähme enthalten. Im ei*sten falle braucht
Wolfram ausserdem auch gern im nebensatz den conj. praes.,
ja die einzige indicativische form kann auch conj. sein« Im
zweiten fall steht der conj. praet.
2) Ueber die woi*tfolge in den mit wide eingeleiteten con-
ditionalsätzen vgl. § 3. L 2).
3) Während wuie bei allen andern Schriftstellern auch
den positiven wie negativen anfangenden conditionalsatz
*) In Kahns zeitschritlt für vergleichende Sprachforschung VII. 1S53.
353 ff. *über den relativischen ^brauch des deutschen unde mit ver-
gleichung verwanter Bpracherscheimmg««.*
*) Vgl. anch Cartins im VI. band derselben zeitschr. 92 und Win-
disch in Curtius Studien II, 2U3 ff.
3) Vgl. anch Kölbing in Zachers zeitschr. IV, 347.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 1 5
einfbhiii, kennt Wolfram es nur im nachstehenden posi-
tiven bedingungssatz.
ad t a.) P. 645, 16 frouwe er enbiui iu mire^ daz nr mit werden
freudeii lebe, und vreischer iwers trdstes gehe, P. 163, 3 sU ir durh
räies schulde her komen, iwer hulde müezt ir mir durch raten Idn,
und weit ir rätes volge häuy wo z. 6 dem sinne nach eine ausfiihrung
von durch raten z. 5 ist. Wh. 306, 16 daz bezzer got in beideti an mir,
und si ich schuldec dran, — b.) P. 298, 21 ich taete ouch noch, und
soltez stn, Wh, 232, U deti knappen hete gar bevilt, und het er sich
versunnen, wie daz ors wart gewunnen,^)
Beispiele zu 2) and zu dem bei andern schnftstellera auftretenden
conditionalen unde siehe § 3. I, 2.
§ 8.
Eine von den conjunctionen , die wie die eben behandelte
zur einfllhrung aller möglichen arten von nebenstitiien dienen,
eigentlich also keine andere bestimmung hal)en, als den von
ihnen eingeleiteten satz als nebensatz zu kennzeichnen, ist das
ursprüngliche neutrum des relativpronomens, das also auch
conditionale bedeutung annehmen kanU; daz.
daz bedeutet nun im conditionalen sinne entweder
1) ^falls' und kann dann a) eine Voraussetzung im ind.
oder b) eine annähme im conj. praet einführen, oder
2) mit finalem anklang ^unier der bedingung dass'
mit conj., so dass ah»o die erfUllung der bedingung zugleich
als absieht des subjects des hauptsatzes oder des sprechenden
angesehen wird.
Der bedingungssatz kann vorausgehen oder folgen, nega-
tiven oder positiven sinn haben.
ad 1 a) P. 609, H, ,so ist se ein übele rnagt, daz sie den site an iu
niht klagt, Walth. 121, 25 genuoge kunnen deste haz gereden, daz si
bi Hebe sint, Cf. Biter 604. Bai-tsch liederdichf. 87, 145. - b.) MSF. 184,
21 daz mir der schoenen würde ein teil, daz diuhte mich ein michel
heil. Waitli. 46, 28 owi der mich da weleu hieze deich daz eine durch
daz ander lieze. Aus Wolfram kenne ich für diesen fall kein iKiispiel.
*) Diese beispiele werden genügen, l'oblers ansieht von der con-
ditionalen bedeutung unserer conjunetion zu bestärken und es zu ver-
vollständigen, wenn er Germ. XIII, 99 f. sagt, dass er nui* die möglich-
keit einer solchen auf grund der vergleichung mit andern sprachen
aufrecht erhalten möchte.
16 ERBE
51(1 2) P. 26G, 25 der nim dir, swederz du wellest , daz du mich
iöi niht vellest , wo das mhd. wb. I, 321 b. 30 fälschlich rein finale be-
deutung annimmt. P. 219, 30 . . diu not ich niht verspraeche, daz Bro-
barzaere frouwen lip mit ir hulden rvaer min nnp cf. Walth. 115, b.
§9.
Eine erwähnung yerdient im auschluss an daz das aus
ihm und der ausschliessenden, bis jetzt etymologisch noch un-
sichern partikel rvan zusammengesetzte tvan daz, eine con-
junction, die zwar nicht eigentlich bedingliche bedeutung hat^
jedoch nhd. conditional übersetzt werden kann. Genau genom-
men mllste man tibersetzen 'nur, dass', 'ausser, dass', d. h.
nur das hindert[e] ,das8' oder kurz 'doch*.
Mit wan daz wird nämlich ein factum eingeführt, das den
hau])tsatz aufhebend, zugleich nicht den möglichen, sondern
den wirklichen grund für diese negierung angibt.
1 a) Da im nebensatz ein factum, im hauptsatz eine an-
nähme gegen die Wirklichkeit eingeführt wird, so steht meist
im erstem der ind., im letzteren der conj., und zwar enthält
a) der satz mit rvan daz den ind. praes. und der haupt-
satz den conj. praet., falls sich der inhalt der periode auf
gegenwart oder zukunft bezieht.
ß) Wenn das ausgesagte sich auf einen fall in der Ver-
gangenheit beziehen soll, so kann das verb des hauptsatzes
im conj. plusqu. stehen, aber auch im conj. praet, der im
mhd. den gleichen sinn haben kann; der satz mit tvan daz
muss den ind. praet enthalten.
b) Nur ausnahmsweise erscheint der ind. praes. im haupt-
satz neben
a) ind. praes. im nebensatz bei praesen tisch em inhalt;
ß) ind. praet im nebensatz. Hier ist 1) entweder das
praet des nebensatzes nur eine andere ausdrucksweise für
einen praesentischen begriff, oder 2) das praes. im haupt-
satze ist ein historisches und aus ihm verfällt der dichter
im nebensatz in die gewöhnliche erzählungsform , das praet
c) Der von Beneke^) und Lachmann 2) geleugnete, im
*) Wörterbuch zu Iw. s. v. rvan p. 529.
^) Anmerk. zu Iw. 2908, woselbst es heisst: bei rvan daz kann wol
der conj. stehen, aber dann bedeutet daz den zweck.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 17
Wolfram aber an ein paar stellen nachweisbare conj. praet
im bedingungssatz mit wandaz begegnet nur, wenn der Inhalt
des nebensatzes im Verhältnis zum hauptsatz zeitlich das
posterius ist.
2) Der satz mit rvan daz folgt zwar meist dem haupt-
satZy aber nicht ausnahmslos.
3) Wie in der protasis des einschränkenden conditional-
Satzes kann hier anders im hauptsatze, zur stärkern hervor-
hebung der bedingung, eintreten.
ad*l. a. d) Wh. 189, 35 ick maeze iu dinges dar genuoc, wandeiz
in von im smähet. P. 150, 23. 366, 20. 422, 5. 605, 27. Wh. 213, 14.
158, 15. T. 52, 4. — ß) P. 84, 16 wandaz gröz jämer undersluoc die
hoehe an siner vreude breit, sin minne waer ir vil bereit. P. 169, 10.
214,13. 314,26. 688, 11. 97, 29. Wh. 153, 25. 418, 13. Cf. Nib. 1805,
3. 1452, 1.
ad 1. b. d) Walth. 42, 20 gegen den vinstern tagen hau ich not,
wandaz ich mich rihte nach der heide. — ß) {) F. 643, 3 ich sage vil
tiht, waz da geschach, wan daz man dem un/uoge ie jach, der vei'-
holniu maere machte breit, wo ie jach nicht viel anderes ist als giht.
Ebenso ist P. 549, 18, wo wandaz manz iu von hove entbdt ziemlich so
viel bedeutet als wan daz ir daz gebot von hove hat. 2) Wh. 269, 16
Gyburc ist vtentUcher not erlöst, wan daz se et jämer twattc.
ad 1. c) P. 323, 29 ungerne wolle ich dir versagn, wandaz ich
müesez laster tragen lässt sich umschreiben: ^denn dann, wenn ich
nämlich nicht versagen , also wenn ich dich kämpfen lassen wollte, mUste
ich das laster klagen*, so dass also Iw. 2968 er hete geweint benamn,
wandaz er sich müese schamn wol denkbar und ohne zagen in den text
autzunehmen wäre, wäre diese lesart nicht nur von B gegenüber AE
bezeugt.
ad 2) Ausnahmen sind: Wh. 418, 30 wan daz des Sturmes urhap
des tages von siner hant geschach, si heten groezer ungemach dise
äht von im gwunnen. P. 84, 16. 97, 2. 549, 18. Wh. 213, 14. Walth.
95, 6. Nib. 1805, 3.
ad 3) P. 97, 29 wan daz ich schilt von ir gewan, ez waer noch
anders ungetan.
Anmerkung. In derselben bedeutung gebrauchen die
Nib. niwandaz. (a.) — Bei diesem aber wie bei wandaz ist die
bloss beschränkende (b) von der aufhebenden bedeutung wol
zu unterscheiden. Nur die letztere kann conditional übersetzt
werden. In ersterer hat der hauptsatz stets den ind. Ueber
ein ähnliches blosses wan spricht Lachmann zu Iw. 670. Doch
gehört hierher von den dort herangezogenen stellen nur
eine (c).
Beitrüge zur goschiohte der dcntscheu spräche. V. 2
18 ERBE
a. Nib. 1059, 1 doch enwurdez nimmer (jetän, niwan duz wir übele
da verlorn hän ... die guoten iarnhüt. 813. 1. 2081, 2.
b. Walth. 8, 38 sam tuont die vögele wider in, wandaz si hahent
einen sin. 63, 35. Er. 193.
c. 'Itirheim Wilh. 245 a ein rise söUier siege pflaCj daz er waere
ufigenern, wan der herre Messias mit im in dem strlte was.
§ 10.
Fast ebenso mannigfaltig, wie der gebrauch von daz ist
die anwendung von so im mhd. Denn während das got. noch
zwei demselben stamm angehörige Pronominaladverbien at«
adv. dem. und sve adv. rel. hat, deren letzteres mit seiner in-
strumentalen endung von dem reflexiven sva wol ebenso ab-
geleitet ist als pe und hve von la und Aa*), finden wir beide
im ahd. und mhd. in das eine so zusammengeschmolzen, das
nun relative wie demonstrative function zu erfüllen hat und
also ebensowol den hauptsatz als den nebensatz einführen
kann. Es dient im mhd., speziell bei Wolfram sowol zur ana-
phorischen Zurückweisung auf einzelne bestiudteilo desselben
Satzes als auch zur einftihrung des nebensatzes, ebenso zur
hinweisung auf den subordinierten nachsatz, als zur auknUpfung
ganzer sätze an einen vorausgegangenen nebensatz.
So führt es denn unter andern, wenngleich im ganzen
selten, auch conditionale nebensutze ein, die man jedoch nicht
mit den von derselben partikel in der bedeutung ^sobald als
eingeleiteten, reinen temporalsätzen verwechseln darf. Der
meist voranstehende nebensatz wird gern durch ein correspon-
dierendes an die spitze des hauptsatzes tretendes so mit diesem
verbunden.
1) In Übereinstimmung mit der vergleichenden bedeutung
des s6 'wie das eine — so das andere' sind diese sätze meist
temporal- conditional, drücken eine widerholung der bedinguni;
aus und können dann nhd. durch 'so oft als', 'allemal wenn
. . .' übersetzt werden. Daraus ist erklärlich, dass :
a. so, weil kein angenommenes ereignis einleitend, hier
nur mit dem ind. a) praes. verbunden wird zur bezeich-
*) Vgl. Bezzenberger : * Untersuchimgen über die j?ot. adv. und
part.', Halle 1^73. 5G ff. und Fick: *Indog. würterb.' 3. aiifl. (iüttiiij?en
1874—70. 3, 300.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 19
nung eines sich noch zur zeit öfter widerholenden ereig-
nisseS; dagegen ß) mit mit dem ind, praet, wenn von einem
vollständig der Vergangenheit angehörigen fall die rede ist.
b. Ebenso geht aus der widerholung der bedingung her-
vor, dass so nur positive bedingungen einführt, wie denn
überhaupt nach einer bemerkung Dittmars 1) in der guten zeit
der mhd. spräche nftchst den sog. einschränkenden bedin-
gungssätzen, die mit ob-nihi und die mit niht bei Inversion
gebildeten mit geringen ausnahmen die einzigen negativen
conditionalsätze sind.
2) Als eine weitere entwicklung der conjunction ist es zu
betrachten, wenn sie
a. einen einmalig vorausgesetzten fall einfuhrt oder
b. mit der negation verbunden auftritt,
ad 1. a. d) Wh. 243, 26 mir wirt halt sus enblanden, so ich un-
gewäpent wip grifan, ob ich mit iren scheide dan. — /?) P. 1 59, 1 1 si
reichten vaste unz üf die hant, so mans zem spers her baut, F. 490, 5.
ad 2 a) W. 73, 11 ^^ man die zungen nennet gar, ir nement niht
zrvelve des toufes war, Cf. Walth. 101, 3. — b. Walth. 91, 21 ganzer
fröifle hast du niht, so man die werdekeit von wibe an dir niht sihi.
Anmerkung. Ein temporalconditionales aus derselben vergleichen-
den bedeatung wie das einfache so hervorgegangenes ^ah\ wie es zumal
Walth. kennt, findet sich bei Wolfram nicht. Doch vgl. Walth. 41, 37
als ich mit gedanken itre var, so rvil mir maneger sprechen zuo, *8o
oft ich*; 'allemal wenn ich meine gedanken wo anders habe, redet mich
an * . . . Cf. Iw. 3267, fllr das ans z. 3283 die widerholung der bedingung
hervorgeht.
§ 11.
Häufiger als sd findet sich mit ihm zusammengesetzt und
ihm in dieser Zusammensetzung, anwendung wie bedeutung
nach, sehr ähnlich wenue (also nun ahd. sö-wenne, mlid.
g'wenne genau = si quaudo), eine conjunction, die nach
Weigand*^) allein erst im nhd.^) als bedingende conjunction
vorkommt
Wie sich aus der temporalen bedeutung, die swenne ur-
sprünglich hatte, die conditionale entwickelt hat, ist leicht er-
0 a. a. o. p. 203.
*) Schmidthennors deutsches wb. 3 aufl. II, 2, 1056.
^) 1 537 führt er als erstes nachweisbares jähr an.
20 EBBE
klärlich; denn von ^dann, waun du dorthiu kommst, wirst du
sehen' zu ^falls du dorthin kommst, wirst du sehen' ist kein
grosser sprung; wie denn überhaupt locale und temporale an-
schauungen und — was dasselbe sagen will — ausdrucks-
formen, die ältesten sind. Sie werden später auf causales und
damit zugleich auf conditionales übertragen.
Für srvmnej das sich übrigens im Willehalm genau doppelt
so oft findet als in dem fast noch einmal so langen Parzival,
gelten, wie schon angedeutet wurde, dieselben regeln, die oben
für so aufgestellt wurden. So steht bei widerholter bedingung
1) hier wie dort regelmässig der ind. und zwar:
a. ind. praes. zur bezeichnung eines noch zur zeit
öfter widerholten ereignisses,
b. ind. praet., wenn von einem schon gänzlich der
Vergangenheit angehörigen falle die rede ist. — Ebenso
findet sich
2) auch hier der entwickeltere gebrauch von swenne,
wenn es
a. eine einmalig vorausgesetzte und
b. eine angenommene bedingung einleitet. Dagegen
in einem negativen satz findet es sich mit conditionaler be-
deutung nie.
ad 1 a.) P. 171, 3 srvenn ir dem tuoi kumbers buoz, so nähet tu
de7' gotes gruoz, Wh. 435, 14. 400, 23- 49, 12. 194, 21. 268, 13. —
b.) P. 129, 25 den man drüber ziehen solle, immer swenne ez re-
genen wolte, P. 57, 13. Wh. 282, 25. 377, 29. 40, 16. 176, 13. 428,
11. 2, 28.
ad 2 a.) P. 141, 27 swenne ich daz mac gerechen, daz wü ich
gerne zechen.* P. 172, 26. 330, 14. 19, 28. Wh. 163, 5. Und einmal
bei conj. praes.. Wh. 7, 18 swenne der nu verderbe, da Itt doch m^r
Sünden an, denne almuosens dort gewan an sinem toten Heimrtch, —
b. Wh. 447, 30 sölhe herberge künde ich lobn, swenne ichz gerne
taete da ich fnnde alsölh geraete,
Anmerkung. Aehnlich wie wenne wird auch wie und
wä mit so zu swie und srvä verbunden und conditional ver-
wendet. Für den ersten gebrauch bietet ein beispiel Hartm.
Büchl. 1, 897, für den zweiten hat die belege gesammelt Haupt
z. Engelh. 6336, denen sich Silv. 5081 und Walth. Marienleben
37, 10 anschliesst.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 21
§ 12.
Doch die spräche begnügt sich nicht mit solchen con-
junctionen, die den nebensatz nur als solchen kennzeichnen,
ohne eigentlich näher zu bestimmen, welcher art das subordi-
nierte Verhältnis sei. Mehr und mehr zeigt sich das bestreben,
den einzelnen coujunctionen ihre feste bedeutung zu geben,
ihren genau begrenzten Wirkungskreis anzuweisen und den ein-
zelnen Satzarten ihre bestimmte conjunetion zuzuerteilen.
Die eigentliche conditionale, daneben nur zur einleitung
der indirecten fragen verwante und darum die bei weitem
häufigste conditionale conjunetion, ist ob, ein wörtchen, über
dessen Ursprung die meinungen sehr auseinander gehen. Zuerst
regte die frage J. Grimm an, der im zweiten teil seiner gram-
matik p. 50, 988, im dritten p. 110, 284 und 760 darübör
handelt. Nach ihm ist das ahd. ibu, aus dem sich später opa
und tibi 1) u. a. entwickelte, der dat. sing, eines bei Notker '^)
ein paar mal noch als nomen vorkommenden stf. iba *bedin-
gung, Zweifel', eines Substantivs, das als stn. (if) und swf. {ifi)
und in zahlreichen secundärbildungen im altn. gar häufig vor-
kommt. Alle formen unserer conjunetion haben im ahd. con-
ditionale wie fragende bedeutung, und so haben wir wol auch
für das gotische, wo iba nur fragen , jabai nur bedingungssätze
einleitet, eine ältere stufe der spräche anzunehmen, in der, wie
von dem negativen niba, beide functionen von 6inem wort
verrichtet wurden.
Grimm stimmen Wackernagel 3) u.Fick^) bei, welcher letztere
aber Jabai von ob trennt und aus einem relativpronomen ent-
standen sein lässt. Ihnen gegenüber traten Diofl*enbach*),Benfeyß),
*) denn die all/.nkühne ansieht, dass bei derselben bedeutung und
der so grossen ähnlichkeit der laute diese von jenem zu trennen, wird
von ihrem eigenen Urheber Erdmann (a. a. o. § 122 anmerkung t) be-
anstandet.
') Boethius 154 mit ibo 'bedingungsweise' und 267 äne iba 'ohne
zweifei.'
3) Glossar zum altdeutschen leseb. 1889. p. 297.
*) a. a. 0. II, 439. 301.
*) Wörterb. der got. spr. 113 u. 190 ff.
«J Griech. wnrzellexic. I, 401.
22 ERBE
Graff*), Bopp2), Scberer^), Leo Meyer 4) und Curtius^) auf,
die alle unsere conjunction von einem entweder demonstra-
tiven oder relativen*) pronominalstamm mit einem, ttbrigens
dunkeln und von jedem der genannten männer anders aufge-
fassten -ha, -hu, -hat ableiten.
Da wir indess das substantivum, dessen erstarrter easus
form wie bedeutung naeh oh sebr wol sein kann, noch nach-
weisen können, so scheint mir mit Bezzenberger'') Grimms
ansieht die wahrscheinlichste, ungeachtet eines noch nicht
widerlegten einwurfs von Uppström^). Freilich ist ebenso-
wenig zu übersehen, dass dieselbe Verschiedenheit des anlauts
bei zwei coujunctionen , nach unserer annähme zwar nicht
desselben Stammes, aber doch der gleichen bedeutung, sich im
sanscr. findet, wo, wie Bopp a. a. o. nachweist, yadi und ita
'wenn' heissen.
Zu dem mhd., speciell dem wolframianischen gebrauch
0 Sprachschatz I. 75. Berl. 1834—46.
2) Vergleichende grammat. 2. aufl. § 3b3. 992. Berl. 1857—61 und
Ueber einige pronominalstämme. Berlin 1830. p. 15.
3) Zur geschichte der deutschen spräche. Berlin 1868. 278. 305.
^) Die got. spräche. Berlin 1869. 68. 392. 500. 377.
*) Grundzüge der etym. Leipzig 1873. 389. no. 606.
®) Eine Unterscheidung, die seit Windisohs forschungen für die
ältesten zeitcn jetzt nicht mehr gemacht wird. Denn dieser weist Curt.
stud II, 213 ff. nach, dass jedes pron. rel. früher demonstrativ oder
interrogativ war.
'') a. a. o. p. 90.
*) Zu Joh. 11, 25 seiner ausgäbe des cod. argent. Upsala 1855. 4'\
woselbst er darauf aufmerksam macht, dass im got. sonst stets a-i in ;,
nicht, wie Grimm bei jahai aus ja-ibai annimmt, in a tibergeht.
— Wenn K. Hildebrand in seiner (Leipziger) disscrtation von 1871:
'Heber die conditionalsätze und ihre conjunctionen in der altern
Edda' p. 14 meinte, eine oontraction Yon ja- ibai in jabai neben patist
aus pata-ist erklären zu können durch analogio von sah, svah, hvah aus
sa-uh, sva-uh, hva-uh neben panuh slvls pana-uh, so irrte er; denn wäh'
rend in sa-uh allerdings der ton auf dem a liegt, muste ja in ja-ibai der
hauptton auf dem die bedeutung des compositums ausmachenden zweiten
Worte , d. h. dem i ruhen , und dies hätte also bei der zusammenziehung
eigentlich entschieden den sieg davontragen sollen. Der bedeutung
aber wie der ähnlichen form nach scheint die got. conditionaloonjunction
doch unmöglich, wie Uck tat (cf. oben), vom ahd. oba getrennt wer-
den zu können.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 23
von oh ftbergehend, habe ich eben nur zu bemerken, dass es
sich bei der darstellnng jedes bedingliehen verhältnisseB ange-
want findet und dasp es also, sowol bei vorausgehendem als
folgendem hauptsatz,
I. eben so gut einen positiven satz, und zwar
1) mit wirklichem,
2) mit angenommenem,
3) mit vorausgesetztem fall
einfuhrt (wonach sich dann, wie schon § 1 bemerkt wurde,
der modus des nebensatzes bestimmt), als
IL einen negativen nebensatz^) einleiten kann, der dann,
im gegensatz zu den § 5 behandelten einschränkenden Sätzen
mit ne bei gerader Wortfolge, gerade so wie die mit Inversion
und blossem niht gebildeten negativen conditionalperioden eine
in der Wirklichkeit vorhandene oder vorhanden gewesene be-
dingung, eine historische condition enthält, die bei der Um-
setzung in die position in die angäbe von grund und Ursache
lind Wirkung verwandelt wird. Während daher die einschrän-
kenden sätxe das verb. regens im conjunctiv, dem modus der
annähme, haben, findet sich auch hier
1) der indicativ, der modus der Wirklichkeit, der dann
den grund als faetisch von unserm denken vomusgesetzt an-
iribt, — und zwar meist der ind. praes. — Daneben steht
aber au(?h
2) der conj. und zwar
a. der sogenannte conj. negativus praet., in dem
die bedingende aussage vom sprechenden in form der ver-
neinten Wirklichkeit aufgestellt wird, von deren nichtexist^nz
er aber im voraus überzeugt ist. Die folgerung dieser hypo-
thcse tritt natürlich, weil nur auf einer gedachten Voraus-
setzung beruhend, gleichfalls in den conjunctiv;
b. der conj. praes. oder praet, wenn die protasis als
durch die obwaltenden umstände bedingt, dargestellt wird,
so dass ihre Verwirklichung weder als schlechthin gewis
noch als schlechthin unmöglich erkannt wird. In der apo-
dosis steht dann meist auch der conjunctiv. Dieser fall
findet statt
') Vgl. hierzu Dittinar a. a. o. $ 'h) ff. u. Wackern. a. a. u. § 5 anm. a.
24 ERBE
a) in höflichkeitswendungen, wenn der sprechende
die ausfühmng einer handlang seinerseits vom wünsch und
willen des angeredeten abhängig sein lassen will; ß) auch
in andern fällen zur bezeichnung einer bloss möglichen ,
unbestimmt genommenen hypothese. Hier entspricht 1) dem
conj. praet. im nebensatz derselbe modus im hauptsatz,
2) dem conj. praes. im nebensatz ein andei*er modus.
NB. Ueber ob -halt und seine bedeutung vergl. oben § l.
anm. II. 5 a. mit der note.
Bei der grossen menge der beispiele, die sich flir fast
jeden einzelnen fall bieten, gebe ich im folgenden meist nur
je eins.
ad I. 1) P. 614, l Hirre, ob ich tu leide sprach, von den schul-
den daz geschach, daz ich versuochen rvolde, ob ich iu minne solde
bieten, und für den ind. praes. P. 419, lö ob ir fürsten, minre genoze,
der edelste und der höchste birt, ich pin ouch hirre und landeswirt. -
2) P. 124, 12 ob die hirze trüegen sus ir vel, so verrvunt ir nihi min
gabyldt. — 3) P. 127, 21 Op dich ein grä wise man zuht wil Um, als er
wol kan, dem sollu gerne volgen. Für den conj. praes. P. 139, 7 ob
ich in müge ernten, ich wil gerne mit im strtten. Für den ind. praet.
P. 702, 14 ob dem iht riemen gebrach, daz hiez er wol bereiten» Für
den conj. praet. P. 226, 20 ob si suochten elliu her sine gaeben für
die selben not, ze drizec jären niht ein brot,
ad II. 1) P. 149, 17 daz tuon ich gerne,,., ob werdekeit mich
niht verbirt,
ad 2. a.) Wh. 191, 16 geSret waer daz selbe wip, diu in zer werlde
brähte, op der touf im niht versmähte. — b. a) P. 554, 26 . . . wolt iuch
des null betragen, daz ir mirz geruochet sagn. cf. P. 584, 6. 556, 6.
ß) I) P. 425, h . . , ob ichs gräls erwürbe niht, daz ich ir koeme, der
man giht der krön ze Pelrapeire. — 2) P. 239, 28 nu stt dennit ergetzet,
ob man iwer hie niht wol enpflege,
Anmerkung. Eine Umschreibung für ob -niht ist ez en-
wacre oh, ähnlich wie für oft, zumal bei Walther, ist daz
begegnet.
P. 280, 20 beide arme und rtche lobten Artäses haut, daz si
durch ir gelübde kraft deheine tjost entaeten, ez enwaere ob si in
baetcn. Vgl. Dittiuar a. a. o. p. 215. Wh. 177, 24 ist daz er helfe mir
gelobt, die fiirsten diuhte, da waere getobt, ob er die gelübde braeche.
Vgl. Wilmanns zu Waltb. 24, 25.
§ 13.
Doch die spräche hat es verstanden, die beiden glieder
der conditionalperiode noch näher, als durch die conjunctionen
CONDITIONALSAETZE BBI WOLFRAM. 25
geschieht, an einander zu ketten. Zu diesem zwecke bedient
sie sich der demonstrativpronomina, -Pronominaladverbien und
-Partikeln. Steht nämlich
A. der bedingungssatz an der ersten stelle, so treten zwar
nicht notwendig, aber doch oft
I. entweder formen des pron. dem. der diu daz
1) an die spitze des nachfolgenden hauptsatzes, um
entweder a) den ganzen voraufgehenden conditionalsatz oder
b) einen Satzteil desselben aufzunehmen, und zwar a) das
subject, ß) das object, y) ein anderes Satzglied, und führen
dadurch, falls sie nicht selbst subject des hauptsatzes sind,
Inversion herbei.
2) Seltener erscheinen sie a) an dem ihnen von rechts-
wegen zukommenden platze im satz oder treten b) hinter
ein anderes wort des satzes. — Oder
II. der hauptsatz wird von einem Substantiv mit dem, de-
monstrative kraft erhaltenden, artikel begonnen, um 1) ein
Substantiv des voraufgehenden nebensatzes wider aufzunehmen,
oder 2) den Inhalt des Vordersatzes zusammenzufassen.
B. Seltener wird im vorausgehenden hauptsatz auf
den nachfolgenden durch eine form des pron. dem. der diu daz
hingewiesen.
C. An andern stellen erwarten wir im nhd. das pron. dem.
im hauptsatz, wo sein die mhd. spräche nicht bedarf.
ad A. I. 1 a.) P. 230, 28 sazte €uch verre dort hin dan, daz
waere tu alze gastGch und so sehr oft. — b. a) F. 428, 8 wan dienden alle
krdne mir, der stüetid ich ab durch dtn gehdt, (Auch hier wie zu den
meisten folgenden lallen gebe ich aus einer gössen menge von beispielen
— bloss der Vollständigkeit halber — nur eins.) — ß) P. 573, 10 gervan er
ie kraft od sin die warn im beid empfüeret, y) P. 827, 29 ist daz
durch ein wtp geschehen, die muoz mir süezer tvorte jehen. Wh. 293,
12. P. 3, 12. 123,8. 532,17. 99,19. 366,16. 634,5. 674,7. 436,15.
2 a.) P. 812, 6 ob ich ie pris er war p mit sper, wan waer daz
gar durch sie geschehen, wo die wünschende, wie P. 103, 12 die fra-
gende furm auf die Wortstellung von einfluss gewesen ist; aber auch
P. 468, 29 swä si kumbr od pris bejagent, für ir sünde si daz tra-
gent, Wh. 252, 8. — b.) P. 614, 1 ob ich iu leide sprach, von den
schulden daz geschach.
II. 1) P. 452, 1 ist gotes kraft so fier, daz si bediu ors unde
der uni die Hut mac wtsen, stn kraft wil ich im prisen. P. 642,
17 ob der helfe an iu ger, iwerr helfe habt ir ire. Wenigstens ähn-
lich ist Wh. ISO, 26. P. 249, 29. P. 654, 10. — 2) lied. 8, 1 sol er von
2G ERBE
mir scheiden nuo, min friuni, diu sorge ist mir ze üruo. P. 713, 8.
47S, 29. 510, 20. Ö35, fi. 589, 16. Wh. 158, 22. 163, 2.
ad B. Wh. 8, 19 von gelucke si daz nämen, haut fremde (gen.)
noch den sämen der Franzoyser künne, P. 598, 25. 609, 12. 787, 16.
Wh. 158, 16. 193, 22.
ad C. P. 609, 27 ich sol für sm lasters not, hän ich werdecltchez
leben, [seil, dies] üf kämpf für in ze gisel gehen.
§ 14.
Dem nhd. gebrauch näher kommt die ankniipfung
1. des nachfolgenden hauptsatzes 1) durch die demonstra-
tiven Pronominaladverbien — a) da und zwar «) mit, ß) ohne
adverbialpräpositionen. — b) danne'^
2) durch die adversativen adverbialconjunctionen a) doch,
b) iedoch, c) dennoch j die, wie § 1 anm. IL 5. b — d bemerkt
wurde, der periode concessiven sinn geben;
3) (und dies ist das häufigste) durch soj das a) gewöhn-
lich, bei Wolfram immer, allein, b) in einem falle bei Waltlicr
mit danne verbunden auftritt, aber hier wie dort Inversion
herbeifiihrt (cf. § 3. II, 1). i)
II. Sehr selten steht doch im voraufgehenden hauptsatze.
ad I. 1. a. a) P. 368, 28 geleil ie ritter not durch ein sus wdnec
frouwelin, da soll ich durch iuch inne sm u. ö. oder temporal P. 286, 5
fvirt hie ein tjost von dir getan, darnach wil manc ander man, daz
ich in läze riten u. ö. oder es tritt ein satzteii noch vor: P. 511, 9 ob ir
mich hinnen füeret, gröz sorge iu darnach rüeret u. ö. — ß) P. 436, 4
ob si worden waer sin wip, da heie sich frouwe LunHc gesümet.
660, 1. 747, 17 u. ö. — b.) P. 373, 21 hän ich im niht ze gebenne tvaz
long ich dan ze lebenne? P. 448, 3 u. ö.
2. a.— c.) vgl. S l. anm. II, ö. b.— d. — 3a) P. 564, 9 weit ir
nach äventiure gen, so lät daz ors al stille stin und fast auf jeder
öcite. — b.) Walth. HO, 9 endet sich min ungemach, so weiz ich von
wärheit danne, daz nie manne an liebe baz geschach,
ad II. P. 137, 17 ich bestüende in doch durch äventiur, ob sin
fitem gcebe fiur.
>) Wenn Ditimai* iu dem augettihrtcn aut'satze meint, in einem falle
P. 725, ^ stehe nach einschränkendem satze mit ne bei gerader Wort-
folge sus * sonst', so irrt er, denn sus )>ezieht sich wol auf die folgende
zeile = so: sin dienst nach juinnen bieten = minnedienst ihr an-
bieten; die Worte: et^n welle unschulde rechen, sus muoser hin zir
sprechen, sin dienst nach minnen bieten wären dann zu tibersetzen:
* wollte er nicht räche nehmen für ein verhalten, in welchem keine schuld,
so muste er so zu ihr sprechen, dass er ihr minnedienst anbot.'
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 27
§ 15.*
Während die inversion und die conjunctiouen im nebeu-
satz die bedingungssätze im allgemeinen als solche charakteri-
sieren, liegen die mittel, die Schattierungen des conditionalen
Verhältnisses, möglichkeit oder Unmöglichkeit, Wirklichkeit oder
unWahrscheinlichkeit des eintretens eines ereignisses auszu-
drücken im deutschen wie in den übrigen sprachen in der
walil von tempus und modus. Denn weder in jenem noch in
diesen wird der modus durch conjunctiouen bestimmt. Beides,
conjunction wie modus, sind vielmehr gleichberechtigte merk-
male und kennzeichen, wie von perioden aller art, so auch
von conditionalen Satzgefügen. Dieser, der modus, ist, um
mit K. Hildebrand in seiner oben angezogenen dissertation zu
reden, der ausdruck des innem Verhältnisses, in dem ein ge-
danke zum andeni steht, jene, die conjunction, der des äussern.
Da nun die conditionalen perioden immer nur einen mög-
lichen grund begreifen, so sollte man eben hier immer den
conjunctiv erwarten. Dem ist aber nicht so. Vielmehr richtet
sich, wie schon § 1 angedeutet wurde, die wähl des modus
im allgemeinen nur darnach, ob auf die möglichkeit einer
Voraussetzung und die Wirklichkeit einer bedingung besonderes
gewicht gelegt werden soll, und zwar steht der conjunctiv zur
bezeichnung einer blossen annähme oder wenn ein mehr
oder weniger starker zweifei an der möglichkeit einer bedin-
gnng ausgesprochen, der indicativ, wenn etwas als Wirklichkeit
oder als Vorstellung ausgesagt werden soll.
Die aussage des Vordersatzes bestimmt in der regel die
des nachsatzes und damit auch das tempus und vor allen den
modus desselben: durch den parallelismus der beiden glieder
in der form soll die beziehung des Inhalts angedeutet werden
— eine regel, von der die an freiheiten und kühnen Wen-
dungen aller art so reiche spräche Wolframs nicht gar selten
abweicht. Oft genug wird, wie wir unten im einzelnen sehen
werden, der nachsatz in einer dem Vordersatz nicht entsprechen-
den form ausgedrückt. In der regel wird aber der parallelis-
mus von tempus und modus auch festgehalten, wenn, wie
nicht selten, der hauptsatz fragende form hat oder in einem
ausruf besteht.
28 ERBE
Im folgenden werden nur die moden des praesens und
des praeteritum einzeln besprochen werden, da *das perfect
sich ohne missgriff unter das praesens, das plusquamperfectum
unter das praeteritum bringen lässt.*
§ 16.
Ein wirkliches ereignis der gegenwart oder eine bedingung,
auf deren Wirklichkeit, möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit
absolut keine rücksicht genommen werden soll, wird
I. im bedingungssatz durch den ind. praes. einge-
führt, das sowol zur bezeichnung
1) eines gegenwärtigen, als
2) eines zukünftigen ereignisses dient.
II. Ist der hauptsatz
1) ein erkenntnissatz, ein fragesatz oder besteht er in
einem ausruf, so steht er der regel nach
a) in demselben modus und a) demselben tempus (ind.
praes.). Da jedoch 0 eine bedingung, die jetzt er-
füllt wird, wenigstens für die beurteilung eines ver-
gangenen ereignisses noch von einfluss sein kann,
oder oft 2) der ind. praet. nur eine andere form
ist, um etwas gegenwärtiges auszudrücken, so kann
auch ß) ein anderes tempus (ind. praet.) eintreten.
b) oder es steht, anakolnthisch, ein anderer modus und
ein anderes tempus (conj. praet.), wobei also dieselbe
eigenschaft dieser verbalform sich .zeigt, 'ohne alle
beziehung auf etwas vergangenes ein ungewis gegen-
wärtiges oder zukünftiges auszudrücken', die wir
im § 19 zu besprechen haben werden. Bemer-
kenswert erscheint, dass ausser bei den mit wandaz
eingeführten bedingungssätzen (über diese vgl. § 9)
in sämmtlichen hierher gehörigen fällen entweder
a) das verb des hauptsatzes das hilfszeitwort möhte
ist, oder ß) die verbalform des nebensatzes zugleich
conj. praes. sein kann.
2) Ist der hauptsatz ein Wunschsatz, so steht er im
conj. praes.,
3) enthält er einen befehl, im imp.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 29
ad I. 1) unum pro multis P. 195, 27 ... ist Kingrün Franzoys
od Bertün . . , mit mtner haut ir sit gewert. — 2) P. 226, 3 kumt ir
rehie dar, ich nim irver hint selbe war,
ad II. 1. a. a) auf jeder seite z. b. P. 396, 5 nu habt ir mir misse-
tän sol min riter sm ein koufmati, — ^) 1) P. 263, 30 ruoht ir, si täten
strites schtn. P. 210, 16. 826, 22. Wh. 15, 16. 35, 27. 188, 5. 202, 28. —
2) Wh. 179, 6 weU irz niht sneUedtche tuon, sd wurdet ir nie Karies
suon = *8o seid ihr nicht Karls söhn'; ähnlich P. 436, 15 dem wart an
ir der wünsch gegeben' = *der hat an ir den w.' Wh. 8, 19. P. 679, 1
so vorht ich smer ire nie sd sire = sd vürhte ich siner Sre, wie noch
nie.* Wh. 71, 16. P. 568, 3 den der helfe nie verdröz = *den der
stets hilft'. P.601, 27. 560, 1. Wh. 158, 22.
1. b. d) P. 520, 17 hirre, sit ir von riters arty so möht irz
gerne hän bewart. Vgl. P. 710, 28. 510, 3. Wh. 122, 15. 292, 30. —
ß) P. 562, IS ob ir nu gerne hoeret, wie, deste gemer ichz iu verjaehe.
Vgl. P. 614, 27. 809, 15. Andere zu keiner der beiden arten gehörige
beispiele bringt Wilmanns Walth. 11, 17.
2) P. 417, 5 ist nun hirre wert bekant, daz riht alhie sm hant.
P. 602, 1. 448, 13. 711, 28. 109, 30. Wh. 210, 7.
3) P. 812, 1 Sol diu magt iur swester sin, sd gebt mir umb ir
mmne rät. Wh. 81, 10. 201, 16. 337, 8 u. ö.
§ 17.
Der ind. praet. steht im nebensatz, wenn das mögliche ein-
treten eines ereignisses in die Vergangenheit verlegt wird und
leitet nur Voraussetzungen, nie annahmen ein. Die mögliche folge
kann natürlich entweder schon in der Vergangenheit eingetre-
ten sein oder erst in der gegenwart zur erscheinung kommen.
Demnach steht
1) im erkenntnissatz und in der ft'age entweder
a) derselbe modus und d) dasselbe tempus oder ß)
verschiedenes tempus (ind. praes.);
b) anderer modus und anderes tempus (conj. praet.)
steht a) regelmässig in den mit wandaz eingeleiteten bedin-
gungssätzen; über diese vgl § 9; ß) anakoluthisch auch in
vereinzelten andern föllen, doch nur möhie oder solte\
2) Ist der hauptsatz ein Wunschsatz, so tritt er in den
conj. praet.
ad 1 a. a) P. 614, 1 ob ich iu leide sprach, von den schulden
daz geschach u.o. — /?) P. 633, 12 hiez iur vater Lot, sd sit irz diu
4T meinet o« ö.
30 ERBE
b. a) vgl. oben § 9. — (i) Wh. 43, 14 was daz ir freudeliaft gewin,
daz möht ein trären undeivarn. Vgl. Wli. ^92, 22. P. 36S, 28 geleit ie
riter not . . . da soll ich durch iiich inne sm.
i\d 2) P. 812, (> oh ich ie pris erwarp, wan waer daz durch sie
I
geschehen*
§ 18.
Der conjunctiv ist der modus der annähme; daher finden
^vir den conj. praes. im nebensatz
1) bei den beschrankenden Sätzen mit ne bei gerader
Wortfolge. Im hauptsatz entspricht der ind. praes, Cf. § 4;
2) bei bedingungen, deren möglichkeit oder Wahrschein-
lichkeit mehr oder weniger stark in zweifei gezogen werden
soll, eine nUance, die wir im nhd. durch unser conditionales
^sollte* geben. Im hauptsatz correspondiert der ind. praes.;
3) bei Voraussetzungen entspricht dem conj. praes. im
nebensatz entweder a) der ind. praes. oder b) seltener der
ind. praet.
4) Zugleich ist aber der conj. auch modus des Wunsches;
daher steht der conj. pi*aes. im bedingungssatz (zumal in den
mit oh eingeleiteten, fUr die er in all den drei letztgenannten
fällen eine besondere Vorliebe hat), wenn damit zugleich be-
zeichnet werden soll, dass der eintritt der bedingung ein
wünsch des sprechenden sei. Der hauptsatz tritt
a) in den ind. praes.,
b) (und dies besonders häufig) in den imperat, eine erschei-
nung, die, wie Holtheuer (^der conj. in Hartmanns Iwein' in
Zachers Zeitschrift für deutsche philoL, supplementbd. 1874
p. 166) wol mit recht bemerkt, darin ihren grund hat, dass
hierbei auflösung des bedingenden satzes in einen hauptsatz,
dieser dann die gestalt eines Wunschsatzes annehmen würde,
welcher mit dem wünsch zugleich eine annähme ausdrückt;
c. oder im hauptsatz steht endlich der conj. praes. mit
optat bedeutung.
ad 1) vgl. § 4.
ad 2) P. 55S, \h oh daz got erzeige y daz ir tiihi sii veige, so
wen ir lurre diss landes. 239, 2S. 269, Ib. Wh. \b\, 3(K 159, 25.
ad 3. a.) P. 139, 7 ob ich in müge erriten, ich wil gerne viii im
strUen. 777, 2. G42, lü. Wh. 2S8, 18. 27, 2. 3Ül, 4. 378, 1. 385, 12.
CONDITIONALSÄETZE BEE WOLFRÄRf. 31
— b.) P. 203, N oh ichz in sagen müeze, er vant daz nähe süeze,
liier wie 24S, 14 ißt wol der Vordersatz als ohne genau grammatisch
entsprechenden nachsatz geblieben zu betiachten.
ad 4. a.) P. 5ö, 2s werde unsei^ zweier kindeün annie antlülze
einan man gelich, deis war der wirt eüens rieh. — b.) P. SO.'J, 9 komer
imh- an mannes kraft, dar leistet im geselleschafl. P. 53b, 2u. 550, G.
57b, 20. 715, 24. 051, 22. 051, 20. 322, 23. 522, l. 39, 5. 154, 10.
239, 2«. Wh.so,0. in, 30. 298, 29. 459,25. T. 124,4 u, ö. — c.) P. 204,
20 der heidiu krump unde sieht gescuof, küniier scheiden, so fvender
daz an beiden. P. 743, 12 ob im nicht gehelßn megen Condtvirainurs
noch der gräl, so müezest einen trost doch habn. P. 333, 21. 209,
IS. 204, 27. W. 341, 2.
§ 19.
I. Im mhd. conj. praet. ist die zeitsphüre der Vergangenheit
iant ganz verwischt. Er kauu im iiebeusatz der eouditioual-
Periode ebensowol
1) ein vergangenes (und dann ist er im nhd. durch den
c<mj. plusquampf. widerzugeben), als
2) ein gegenwärtiges (nhd. ebenfalls conj. praet.), als
3) ein zukünftiges ereiguis einführen (nhd. Umschreibung
des verb. finitum durch * würde' mit inf. praes. oder blosser
conj. praes.);
4) im ersten fall kann auch conj. plusquampf. eintreten.
IL Der conj. praet. im nebensatz des conditionalen Satz-
gefüges steht zur bezeichnung
1) einer annähme gegen die Wirklichkeit a) in positiven
Sätzen, b) in negativen Sätzen: sog. conj. negativus, wenn die
bedingende aussage vom sprechenden in form verneinter Wirk-
lichkeit aufgestellt wird, von deren nichtexistenz er im voraus
überzeugt ist, cf. § 12. II. 2a.
2) einer Voraussetzung, über deren Wirklichkeit oder mög-
lichkeit sich der redende des Urteils enthält.
III. Im hauptsatz entspricht dem conj. praet. des conditio-
nalen nebensatzes
1) derselbe modus und a) dasselbe tempus (conj. praet.) in
den meisten fällen, der hauptregel gemäss, b) anderes tempus
(conj. praes.) mit optativer bedeutung in einem Wunschsätze;
2) anderer modus und a) dasselbe tempus (ind. praet.):
a) stets in excipierenden Sätzen, worüber § 4 vgl.; Iß) aus-
32 ERBE
nahmsweise anakoluthisch, wenn der moduswechsel als eine
folge des aftects der rede oder der lebendigem äusseruug des
gedankens anzusehen ist; b) anderes tompus (ind. praes.)^
wenn die unwirklichkeit des nebensatzes besonders betont und
der Wirklichkeit des hauptsatzes gegenübergestellt wird, auch
sonst hie und da, wo dieser erklärungsgrund nicht ausreicht
ad I. 1) P. 555, 19 der liez ez äne zürnen gar, oh die maget
wol gevar ihts da rvaere hetrvungen , und oh da was gerungen , nnd
so unendlich oft, z. b. 777, 12, 84, 14. 18. 159, 9. 191, 13. 197, 19.
245, 14. 555, 19. Wh. 197, 16. 169, 25. — 2) F. 202, 13 oh ich
nu gites gerie, untriwe es für mich werte u. ö. — 3) P. 226, 20 oh
si suohten eltiu her, sine gaehen nicht ein hrdt 511, 5, 483, 22 a. ö. —
4) P. 139, 15 het er gelernt stns vater site, diu hucket waere gehurtet
baz u. ö.
ad II. 1. a.) P. 428, 8 dienden alle kröne mir, der stüende ich
ab durch din gebot, — b.) 422, 26 waert ir niht genesn, des heten scha-
den elliu lant u. ö. — 2) P. 395, 7 künde ez iu niht versmähen, mit
küsse iuch wolt enpfähen iwer altiu friwendtn u. (5.
ad III. l.a.) Der Vollständigkeit kalller sei auch hier ein beispiel
angeführt: P. 461, 13 künde gotes kraft mit helfe str», waz ankers waer
diu freude mm ? — b. P. 486, 28 der gotes gruoz mir verre, ob mich ie
baz gezaemCf swes ich von wirte naeme, — 2. a. d) vgl. $ 4, 1. 2. a. a). —
ß) P. 407, 7 da nach was ein dinc geschehe?^, hetens ühele ougen niht
ersehen, *) Cf. P. 555, 19. Anderer art ist P. 679, 18 do vorhter die
schände, op stn der künec da hete erbitn\ hier steht nämlich die
schände tür den hauptsatz = *er hätte schände', ähnlich wie 527, 26
an al min Sre wesen für * dass ich ohne ehre wäre.' — b) P. 98, 5 ob mir
alle kröne waem bereit, ich hän nach ir mm höchste leit, W. 262, 14.
P. 137, 29. 424, 24. 536, 28. — In P. 607, 17 ir sit hie strttes ledec gar
ezn waer dan groezer iwer schar ist ausserdem die negation des neben
Satzes bei der Übersetzung in den hauptsatz zu bringen. Jedoch auch
P. 373, 30 Sit du dietis von im gerst ich gib dir daz du in gewer st ob
dich halt din muoter Ueze, ohne dass ein besonderes bedenken an der
erlaubnis der mutter ausgesprochen werden soll. Cf. P. 577, 5.
§ 20.
I. Ist die conditionale periode von einem andern satze
abhängig, so richtet sich, wie in allen subordinierten sätzeu,
>) Die analogie des Schillerschen ausdrucks: ^mit diesem zweiten
pfeil durchschoss ich euch, wenn ich mein liebes kind getroffen hätte'
macht Dittmars erklärungsversuch , der ind. praet. stehe, ähnlich dem
lat. impf, hexpaene und j^rope, hier wegen des adv. nach * beinahe' (a.a.O.
p. 224) zum mindesten nicht sicherer.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 33
die wähl des tempus und modus im conditionalen satzgefbge
nach dem tempus des hauptsatzes. Nämlich
1) fällt das ereignis des hauptsatzes, von dem die pe-
riode abhängt, in die gegenwart, so bleibt
a) der conj. praet. in den bedingungssätzen stehen, wenn
der conditionalsatz auch in unabhängiger rede den conj.
praet haben würde;
b) die beiden glieder des conditionalen satzgefUges treten
im falle der abhängigkeit von einem praesentischen haupt-
satz in den conj. praes., wenn sie in unabhängiger rede im
ind. praes. stünden;
c) die beiden glieder der conditionalen periode bleiben
dagegen ungeändert, wenn sie in unabhängiger rede in den
ind praet. träten.
2) Fällt das ereignis des hauptsatzes, von dem die be-
dingungssätze abhängig sind, in die Vergangenheit, so steht in
jedem falle der conj. praet., sei es dass die bedingung, unab-
hängig ausgesprochen,
a) praesentisch,
b) praeterital wäre.
II. Tritt ein anderer satz in das abhängigkeitsverhältnis
zu einem bedingungssatz
1) der im praes. steht, so tritt ersterer in den conj. praes.;
2) steht der bedingungssatz im praet., so steht
a) der von diesem abhängige satz im ind., wenn darin
ein logisch vom bedingungssatz unabhängiges factum aus-
gesprochen wird;
b) wird aber das eintreten des im abhängigen satz aus-
gesagten ereignisses als logisch abhängig vom eintreten der
bedingung gedacht, so wird es in den conj. praet gesetzt
ad I. 1 a.) P. 713, 28 seht denne, tvaz ich raeche an näner frou-
wen, ob si sie aisus saehen weinen hie, Wh. 83, 6.
b.) Wh. 130, 2 hesUezet vaste zuo die tür, ob er üzen
klopfe dran, daz man in wise iedoch hin dan. P. 701, 28. P. 194, 13.
Cf. zu a.) und b.) Wh. 196, 23.
c) P. 2, 22 sm triwe hat sd kurzen zagel, daz sie den dritten biz
niht galt, vuor sie mit bremen in den walt,
2 a.) Wh. 33, 8 mange rotte sin vater dar im sande, daz sie nae-
men war sm, swenn er nach prise strite, P. 774, 23. 217, 1. 425, 2.
415, 14. 528, 12.
Beitrige inr gefobiohte der d«ot»oh«n ipraohe. V. 3
34 EBBE
b.) Wb. 134, 5 in äükU er keU äran getobt ob er ikt ueze mir
tvm brot. Ct P. 22&, «. Wk 17b, 2<i. 21, 21. 72, 9. 17, 1h.
ad li. 1) Wh. 15V, 24 ii4tb lernen hie van wnr vemametL, iä wände!
H&ch gehoere, so ergW ic/i wich, Wh- 42, 17. 27, 4.
2 a.) P. 27t>^ 27 Qch hei ieiis da geuozzen, wtssery wie si tnich kesUL
Wh. Ibl, «. V. 4-4t), 4. Wh. 159, h,
b.) Wh. 1-17, b omwi, wie wine uns denne beiibe, so watr ich
ä'irsie die er vertribe. WL 5b, 20. Mi, 30.
§21.
Da das bediugende (ab bewirkendes, als g^und oder Ur-
sache) dem bediugten (als dem bewirkten, dem gefolgerten),
der wxi nach vorangeht, so sollte man erwarten, dass auch
in der spräche der nebensatz, welcher die bedingung enthält,
dem das bedingte enthaltenden hauptsatze vorangehen, dass
der nebensatz zugleich den Vordersatz, der hauptsatz zugleich
den nachsatz Inlden müsse; aber die spräche hat sieh in der
aufeinanderfolge dieser beiden sätze eine weit grössere freiheit
gewahrt, sofern der bedingende satz dem bedingten voran-
gehen, nachfolgen oder eingeschoben werden kann, und zwar
fluden wir
i) bei den mit coi^junctionen eingeleiteten bedingungs-
sätseu eben so viele vorstehende als nachfolgende nebensätze,
ja t^\ die
*i) nur durch iuverslon gekennzeichneten conjunctionslosen
coudltioualsätxe ist es sogai* das häufigste, dass die bedingen-
den uebensätjie vorstehen;
3) dass der positive hauptsatz eines mit ne einschränken-
den eiuvJuncUviseheu bedingungssaties selten, der negative im
Par&, gar nicht, im Wh. so gut wie gar nicht au erster stelle
stehe, wuixle § 4. U. bemerkt.
4) Auch dartiber wunie oben (§ 2) schon gesprochen,
dabs die bedingenden sätse, deren beiliuguug dureh 16h einge-
leitet weiHle, stets die perio<Ie beginnen.
5) Sehen ist, wie im ahiL, dass der bedingende satz ein-
geschoben wird In diesem falle tritt er dann meist unmittel-
bar an den teil des satzes, der bedingungslos eine unbeab-
sichtigte tr^weite hätte, d. u gewi^hnlieh an das verb. finitum.
t>) Selbst in couditienalsätien , deren abhängigkeit roa
einem vorhergehenden satze durch daz oder ein diese eonse-
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 35
cutive bedeutung vertieteudes pron. dem. gekennzeichuet ist,
wird der bedingende satz nicht wie nhd. nach daz oder dem
pronomen eingeschoben, sondern tritt, falls er dem bedingten
voraufgeht, auch noch vor conjunction resp. pronomen, oder
ist, wie P. 425, 2, daz doch schon voraufgegangen, so wird
dies noch einmal widerholt.
7) Ferner ist zu bemerken, dass, wie im nhd., auf den
conditionalen nebensatz nicht immer der conditionale haupt-
satz unmittelbar folgt, sondern oft ein satz oder ein verb ein-
geschoben wird, unabhängig von der hypothetischen Zeitfolge,
von dem die apodosis erst abhängig wird — eine construction,
an der kein anstoss zu nehmen wäre, wenn die protasis hinter
die apodosis träte.
Beispiele sind zu 1 — 4 nicht nötig.
ad 5) P. 538, 20 helt, nu gich, ivellestu genesen Sicherheit y aber
auch 660, 23 nu sol ein iesUch saelic wlp, ob sie wii tragn werden lip,
erhietenz werden Ihtten wol. Cf. P. 682, 17. 609, 27. 623, 25. T. 108, 1.
Wh. 88, 8. 45, 17. 149, 17. 165, 13. 206, 21.
6) P. 225, 9 der het an im sölh gewant, ob im dienden elUu lani,
daz ez mht bezzer möhte sm. Cf. 337, 1. 415, 15. 528, 12. Wh. 72, 9.
S3, 9, 130, 2. 196,23. 26. Wh. 10, 18 da wart sölh rUerschaft getan,
sol man ir geben rehtez wort, diu mac für war wol heizen mort. P.
425, 2 der helt gebot mir dennoch mir, daz ich an arge Ust, ob ichs
gräls erwürbe niht, daz ich ir koeme,
7) P. 532, 19 hülfen mme sinne iemen iht für minne, hSrn Gä-
wän bin ich wol so holt, dem wolt ich dienen äne soll. Cf. P. 49, 10
flf. 326, 20. 317, 1. Wh. 40, 8. 239, 27. 348, 16. 390, 17. P. 294, 28
liez in iwer vreise, ich waen, sich werte dirre gast. 543,21. 320,20.
Anmerkung!. Da unsere spräche keiner eigenen form
fdr das futm- fähig ist, so bedient sie sich an seiner stelle
entweder eines andem tempus oder umschreibt es.
Da das futur der ausdruck für etwas noch nicht in der
Wirklichkeit vorhandenes und daher von bedingungen abhän-
giges ist, so findet es sich oft genug in conditionalsätzen ver-
wendet. Am häufigsten wird es durch a) suln und webi, die
zuweilen beide in einem Satzgefüge auftreten, in allen per-
sonen ^), seltener durch b) müezen und c) mugen umschrieben.
^) Denn so richtig es für den erkenn tnissatz ist, wenn Grimm, gr. IV,
181 sagt: *£& leuchtet ein, dass ahd. und mhd. diese Umschreibung
eigentlich auf die erste person beschränkt ist, denn nur, wer von sich
selbst redet, ist seine» entschlusses und willens so gewis, dass er eine
3»
30 ERBE
2) Daneben wird aber auch der conj. praet durch den
gleichen modus der genannten verben, verbunden mit dem Inf.
des verbum finitum, umschrieben, um dadurch den Inhalt des
bedingungssatzes noch mehr ins gebiet des ungewissen zu ziehen.
3) Auch andere modale beziehungen werden durch hilfs-
Wörter ausgedrückt, ohne dass isie einen futurischen sinn haben.
ad 1 a.) P. 327, b ob ich an freuden sol genesen^ so helft mir,
daz si Sre sich, P. 360, 26 mülslege sult ir empfähen, weit ir mir
fürhaz nähen u. s. o. — b.) P. 517, 25 wä sol ich nu troesten holn,
tnuoz ich sölhe riuwe doln u. ö. — c.) P. 86, 15 von dem sol er ledcc
sin, mac nän hir Brandelideün ledic sin von diner hant.
2) P. 209, 9 wolt[-et] ir hie ligen noch einjär, sie behielten iuch.
P. 524, b solt ich diens geniezen, iuch möhte spots verdriezen. P. 355,
24 möht ir unschult genozzen hän, ez waer niht komn an disiu ziL
Auch künde findet sich so: P. 395, 7 künde ez iuch niht versmähen,
mit küsse iuch wold empfähen irver altiu ftiwendin. P. 224, 17 den
müeser gar verloren hän^ waerz niht ein herzehafter man,
3) P. 812, 1 sol diu magl iur s wester sin — so gebt mir umb ir
minne rät = 4st es wahr, dass dies eure Schwester ist' etc.
Anmerkung IL Koch einer partikel und ihrer Zu-
sammensetzungen möchte ich hier gedenken, da ihr gebrauch
im bedingungssatz von dem conditionalen Verhältnis der glieder
desselben abhängt: ie, iemer, nie niemer, über die Lachmann
in seinen anmerkungen zum Iwein zuerst gründlich gehandelt
hat Nach ihm verhält sich die sache so:
Während bei Otfrid die regel noch so lautet, dass iamer
bei futur, io bei pmesens und praet seine stelle hat, finden
wir sie im mhd., speciell bei Wolfram, bedeutend complicierter.
Hier steht nämlich
A. L im indicativischen hauptsatz
1) imer resp. nimmir, wenn a) von einer beginnenden
oder zukünftigen tutigkeit die rede ist, b) wenn von einem
vergangenen ereignis die rede ist, hier jedoch nur a) in der
bedeutung 'jedesmal' resp. 'allemal nicht'; ß) in der bedeu-
tung 'seitdem jederzeit* resp. 'von da an nicht mehr';
künftige handlang zu melden vermag, von der zweiten und dritten per-
son gebraucht bleibt 'wollen' bei dem blossen ausdruck des willens
stehen n. s. w.*, ebenso natürlich ist es, dass im conditionalsatz, wo der
wiUe eines andern als bedingung gesetzt oder ans gewissen umständen
gefolgert werden kann, sich die zweite and dritte person in derselben
aasdehnung wie die erste finden.
CONDTTIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 37
2) ie resp. nie nie bei der bezeichnung der zukunft.
IL Im conjunctivischen hauptsatz:
1) iemer resp. niemery a) wenn das tempus praet., b) wenn
das tempus plusquamperf., doch auch
2) ie resp. nie selten und nur bei plusquamperf.;
3) iemer mer einmal im Wolfram beim praet.
B. Enthält der hypothetische nebensatz
I. den ind. praes., so steht iemer, niemer,
n. den ind. praet., so steht ie resp. nie,
III. den conj. praes., so steht iemer, niemer,
IV. den conj. praet., so riTjhtet sich die wähl nach dem
inhalt des bedingungssatzes. Bezeichnet dieser nämlich
1) etwas gegenwärtiges oder zukünftiges, so steht iemer
resp. niemer,
2) wenn er sich durch ein praet. auflösen lässt, a) der
regel nach ie resp. nie, b) bei den verbcn, die notwendig einen
infinitiv bei sich flihren {möhte , künde, solte), iemer und
niemer,
ad A. I. 1 a.) P. 310, 21 kom ich imer in iwer hüs, eins dinges
ich iuch ölten wil.
b. a) P. 129, 25 den man drüber ziehen solte, immer swenne
ez regenen walte. — /?) P. 812, 28 Jupiter mime gote wil ich iemmSr
hazzen tragn, ern wende mir diz starke leit. Wh. 160, 6 wirt nu nihi
von ir geklagt diu dürren herzebaeren sSr, ir sol getrüwen
niemer man,
2) P. 599, 1 ^ ob iwer helfe kan gezemn daz ir min dienst ruochet
nemn, sd wart nie ndt sd hart erkant u. s. o.
II. l) a.) Wh. 303, 4 swer in dar nmbe baete, dem solt er nimer
werden holt, P. 55, 25 waer din orden in miner t, sd waer mir
immer nach dir wL
b) P. 559, 27 het ir selbe vrägens niht erdäht, nimmer waert irs
innen brächt.
2) Wh. 153, 26 Tybalde ich Gyburge nie het enpfuort, wan daz
ich räch, daz unserem künege hie geschach.
3) Wh. 13, 24 ich waer iemer mSr ein gans, ob mich des niht
wolle riwen,
ad B. I. P. 795, 3 ich hän unsanfte erbiten, wir de ich iemer
von iu vrd.
II. P. 573, 10 gewan er ie kraft od sin, die warn im beide
empfüeret.
III. P. 803, 9 kom er imer an mannes kraft, dar leistet im ge-
seüeschaft.
38 ERBE
ad IV. l) P. 634, 15 er keie schiere daz vernomn, möht ich
iemmer für haz komn, P. 53G, 2S ob mir halt nimmer würde ir gruoz
diu mich diss strttes hat gewert ^ ich gib im strtt, ob er des gert.
2 a.) P. 486, 28 der goies gruoz mir trerre, ob mich ie baz ge-
zaeme, swes ich von wirte naeme. P. 422, 26 waert ir nie genesn,
des heten schaden elUu lant.
b. P. 634, \h er hete schiere daz vernomn, möhte ich iemer für-
baz komn.
IL TEIL.
Besondere eigentämlichkeiten der couditionalperiode.
§ 22.
Nicht selten ist, wie man sieh bei der kühnen und zwang-
losen spräche Wolfiams schon denken kann, die conditional-
periode bei ihm nicht so klar wie in den bisher besprochenen
fallen. Seine liebhaberei für anakoluthe auf der einen, ge-
dankensprünge auf der andern seite tritt oft genug auch hier
zu tage und zerstört dann die durchsichtigkeit des Verhält-
nisses. Und auch die spräche an sich hat mitunter hier, um
nicht selbstverständliches zu sagen, einen satz unterdrückt,
dort, um möglichst deutlich zu werden, einem gliede der pe-
riode zwei sätze zugewiesen.
Im allgemeinen lassen sich nämlich diese arten von
Sätzen in zwei klassen teilen, deren erste perioden enthält,
von denen das eine glied durch mehrere sätzc gebildet wird,
deren andere solche, von denen ein glied verkürzt erscheint,
oder fehlt und zu ergänzen ist.
Im ersten falle ist bei WolA*am das häufigste, dass der
bedingende teil aus zwei bedingungen besteht und gleich
hier stossen wir auf eine eigentümlichkeit unseres dichters,
der ich mich nicht entsinnen kann bei andern mhd. schrift-
stelleni begegnet zu sein. Verhältnismässig oft nämlich (ich habe
im ganzen 17 fälle, 11 im Parz., 6 im Wh. verzeichnet) wird
1) eine bedingung zweimal ausgesprochen, so dass die
erste durch die zweite umschrieben oder erläutert und specia-
lisiert wird, sei es dass sie mit ihr durch unde verbunden ist
oder nicht.
CONDITIONALSAETZB BEI WOLFRAM. 39
a) Die bedingungssätze sind dann
a) entweder beide ohne oder
ß) beide mit 06 eingeleitet.
Im ersten falle steht aber neben dem nur durch die in-
Version gekennzeichneten bedingungssatze der conditionale
relativsatz, ja einmal entspricht ihm auch ein mit wandaz ge-
bildeter bedingungssatz.
b) Die bedingungssatze stehen entweder
a) beide vor oder
ß) beide nach dem bedingten satze, fälle , in denen
der erste satz meist ftir einen objectssatz steht oder der
zweite die stelle eines oonsecutivsatzes vertritt — , oder
7) der bedingte satz steht, djto xoivov zu beiden
nebensätzen gehörig, zwischen ihnen.
2) Sogar drei bedingungen, deren Inhalt im gründe der-
selbe ist, können mit einer apodosis verbunden werden. Hier
stehen mit ob gebildete bedingungssatze auch neben anders
charakterisierten.
ad 1. a. cc) P. 338, 25 swem ist ze söUien werkai gäch, da misse-
wende hoeret nach, pMihi werder Hp an den gewin, daz muoz in liren
kranker sin n. ö.
ß) P. 8, 12 ob ich dar nach dienen muoz (*dart*)^ und ob ich
des wirdec bin, so raetei mir mtn bester 5m, daz ichs mit rehten
triwen phlege u. ö.
b. a) P. 517, 13 Ht Logroys sd nähen, mac i'n dervor ergähen,
so muoz er antwurten mir = 4Bt Logroys so nahe, dass ich ihn noch
davor einholen kann, so . . / u. ö.
ß) Wh. 160, 29 der wirt nu vil zefüeret, kan iemen golt enpfAhen,
swem das niht wil verstnähen = *wenn das einem nicht schmachvoll
dünken will, gold zu nehmen'.
/) Wh. 290, 28 möht ez mit dinen htUden sin, sd vrägt ich wann
du waerst erborn, woltst duz läzen äne zorn n. ö.
2) P. 588, 13 oh kumber sich geliche dem, swelch minnaer
den an sich genem, der werde, alrirst wol gesunt, mit pftlen alsus
sire wunt, daz tuot im lihte als wi, als sin minnen kumber S
= *wenn ein knmmer dem gleich ist und ein liebender ihn auf sich
nimmt und, obwol früher gesund, jetzt mit pfeilen verwundet wird,
00 hat er mögliclierweise nicht geringere schmerzen als früher von
seiner minne.' — Wh. 449, 18 tr werder got Apolle, woU er zürnen
unde ir admirät des heten dise guoten rät, swenne si ir hulde en-
baeren, ob si in ir hazze waeren.
40 ERBE
§23.
Oder das eintreten eines ereignisses ist in der tat an zwei
1) zunächst yon einander unabhängige bedingungen geknüpft,
die dann
a. «) durch die copula unde verbunden, ß) oder un-
verbunden,
b. a) zugleich vor dem bedingten ereignis stehen oder
dasselbe (und. dies ist das gewöhnlichste) ß) ein-
schliessen und
c. ebenso wol a) (was das regelmässige) dieselbe, als
ß) verschiedene form (d. i. moden und con-
junctionen) haben können.
2) Damit nicht zu verwechseln ist der fall, dass
a) die erste protasis als möglicher grund oder als be-
dingung zur zweiten angesehen wird, in welchem falle die
beiden nebensätze voraufgehen.
b) Die zweite protasis bildet die protasis zur ersten,
auch hier ist es regel, dass «) die beiden nebensätze vorauf-
gehen, und nur in je einem falle ß) stehen sie nach dem
hauptsatz, oder /) nehmen diesen in ihre mitte. In einem
andern hierher gehörigen falle sind d) die beiden nachfol-
genden bedingungssätze in einander geschoben.
c) Der eine Vordersatz hängt ab von der durch den
hauptsatz mit dem andern Vordersatz gebildeten periode.
Auch hier treten entweder a) die bedingenden sätze beide
vor den hauptsatz, oder ß) folgen ihm, oder /) schliessen
ihn ein, oder ö) der den hauptsatz zunächst bedingende
nebeusatz wird in diesen eingeschoben.
d) In einem falle ist eine bedingung im Verhältnis zu
einer zweiten die protasis, zu einer dritten die apodosis.
e) Die formen 1) und 2 b.) sind mit einander vereint
in einem falle. ^
ad l a. d) Wh. 48, 6 ob ich der tritve ir rehi wil ttion, und ist
min munt sd wise, ich sag daz maere erkennecUch, Wh. 66, 30 habe
ich mit Sünde helfe dtn Gedient [vergolten] daz si der sSle leit und
ob ich zagetichen streit. P. 431, 6.-/9) Wh. 410, 6 solt ich se iu alte
0 Ueber ähnliche erscheinangen im lat. und griech. cf. Heindorf zu
Cic. de nat. de. 1, 10 und zu Plato Phaedo 67, E.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 4 1
mcahen kunt wer da tdt wart gevalt . . . solt ich ir sunderstriten he-
scheiderüichen nennen, sd müese tV vU bekennen und sehr oft.
b. a) P. 115, 15 oh ich guotes wtbes minne ger, mag ich mit
Schilde und mit sper, verdienen niht ir minne solt, aldar nach si sie
mir holt, 372, 5. Wh. 410, 6. — ß) P. 413, 4 oh iu daz nicht ze her-
zen gSt, sU iuch pSde ein muoter truoc, sd gedenket, hSrre, oh ir sit
kluoc, ir sandet in der maget her. n. e. o.
c. a) P. 322, 26 erwirht er iwer hulde, ir höht . . . von im ge-
sagt, daz iwern pris krenket, sint diu Hute wts u. s. 0. — /9) P. 154,
12 hat Ärtüses haut dir mm hamasch. gegehn, dSs war daz taeter
ouch min lehn, mähtest u mirz an gewinnen, P. 254, 9. 342, 21.
372, 5. 450, 1. 293, 14. Wh. 66, 30. 5, 28. P. 163, 5. 767, 20. 766, 3.
nnd 80 oft.
2. a.) P. 87, 6 wird ich der heider hie gewert, sol iu daz pris
verkrenken, so lät mich fürhaz wenken, P. 115, 12. Wh. 157, 15. P.
372, 5. 115, 15. 475, 22.
b. a) P. 453, 2 swer drumhe mit mir hägte, ob ichs niht
sagte, unprU der hejagte, P. 583, 1. 607, 25. 171, 27. — ß) P. 598, 24
wir müezen iuch hi vröuden län, sU ir des der geile, ob Lit marveile
so klein sich hat gerochen. — y) P. 504, 21 wil si die lenge ringen, si
mac mich nider bringen, ich erwerbe s haz od gruoz, sol da ein tjost
ergin ze fuoz. — S) Wh. 348, 9 ez stSt wol diner kröne, oh du nach
der gote Idne, ob dichs diu minne wise, noch hiute kumher dolst,
c. a) P. 416, 11 erhoerent die Gäwänes not hän ich pris dir st
denne tdt. — /?) P. 116, 2 ich waere S nacket äne tuoch, sd ich in dem
bade saeze, ob ichs questen nicht vergaeze, — y) P. 560, 1 weit ir niht
erwinden, mir und minen kinden geschach so rehte leide nie, oh ir
den Up verlies et hie, — 6) F. 722, 20 op si mir mir genäde tuon, dl ir-
dischiu richeit, op d'erde waer noch also breit, da für naem ich si
einen.
d) P. 619, 15 hän ich daran missetän, weit ir mich daz wizzen
län, ob ich durch mtne herzenöt, dem werden riter minne bot, so
krenket sich min minne.
e) P. 609, 2 weit ir daz ze liebe tuon iwer friwendin, oh ez
diu ist, daz ir sus valschlichen list von ir vater kunnet sagn, , . so
ist se ein übel mögt, daz si den site an iu niht klagt.
Anmerkung. 1) Die in den beiden letzten paragraphen
erwähnten formen werden wol auch mit einander verbunden,
und man erhält das eintreten eines ereignisses nur unter drei
bis vier bedingungen zugestanden, die zum teil a) entweder
identisch, oder b) einander untergeordnet sind.
2) Daneben finden sich auch a) drei oder b) vier von ein-
ander verschiedene und von einander unabhängige bedingungen,
die sich erfüllen müssen, ehe ein ereignis eintreten kann;
42 ERBE
3) aber auch drei bedingungen, von denen immer eine
der mögliche grund der folgenden ist.
ad 1. a) P. 419, 2 swä ich kum zuome strite, hän ich da vehtens
phlihte, od fluht mit ungeschihte, bin ich verzagetltche ein zage, ode
oh ich pris aldä he jage, des danket ir. Hier sind (ähnlich wie 177, 19)
neben der ersten von ihnen unabhängigen bedingung (z. 2) die zweite
und dritte (z. 3 und 5) identisch. Ebenso wird in P. 563, 27 £f. z. 27
nur durch z. 28 näher erklärt, wenn es da heisst: habt ir den prts an
iuch genomn, sU ir durch äventiure komn her, sol tu gelingen, tihte
ir megt gedingen um mich, Cf. P. 504, 25. — b.) Wh. 384, 26 der
als manec lamp gebunden für in trüege, oh ers eins tags erslüege,
so waer stn strU harte snely ob halt beschorn waer ir vel Hier ist
die erste bedingung protasis der zweiten. Daneben steht als dritte dem
sinne nach von jenen unabhängige z. 30. — Verbunden ist 1 a. mit 1 b. in
Wh. 376, 22 ob im von guotem wlhe, sölh zimierde wart gesant, oh
daz gediende niht sin hant, heter ir minne künde, da mite ertvarp er
Sünde, tet er durh si niht sölhe tat, die man noch für hdhez eilen
hat. Hier ist die zweite bedingung die protasis der ersten, zugleich
aber auch so ziemlich desselben Inhalts, wie die vierte.
ad 2. a.) Wh. 171, 25 unde ob ich ge dienet hän inder so ge-
triwen man, daz ich in nu gemanen mac, oh ie stn trdst an mir gelac,
des wirstu innen sol ich leben, ich wil ouch üz fürsten henden
gehen, kann zugleich als beispiel für $ 24 gelten, da z. 29 und 30, gram-
matisch wenigstens, die beiden condidonalen hauptsätze sind. Cf. P.
409, 12. — b.) P. 451, 15 rvart ab er ie ritter holt, gedient ie ritter
slnen soll, ode mac schilt unde swert siner helfe stn sd wert, und
rehtiu manltchiu wer, ist hiut sin helfltcher tac, so helfe, er ob er
helfen mac.
ad 3) Wh. 445, 24 het ich einen hirren, vor shne hazze selten vn,
ob ich im stürme waer däbt, da er sinen lip verlüre, oh man mich
saehe in Jämers küre, des müese ich trügltche jehen.
NB. Bei diesen wie bei den beispielen zu den vorigen paragraphen
ist öfter verschiedene auffassung möglich.
§ 24.
Umgekehrt kann auch die apodosis aus zwei sätzen be-
stehen, und das eintreten einer bedingung wenigstens formal
zwei ereignisse im gefolge haben, die dann, was das h;lufig8te,
a) entweder die cmo xoivov gebrauchte bedingung einschliessen,
oder b) ihr beide voraufgehen, oder c) ihr beide folgen.
Aber auch hier finden wir ähnlich wie oben in § 22 bei
den conditionalen nebensätzen, dass die bedingten sätze oft,
ja meist einander dem inhalt nach gleich sind oder der zweite
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 43
nur zur erkUrung oder nähern beBtimmung des erstem hinzu-
gefügt wird.
Anmerkung. Ein dem sub a) erwähnten wenigstens
ähnliches ajio xoivov ist es, wenn ob im Verhältnis zum einen
satz 'wenn', zum andern 'ob' bedeutet.
ad a) P. 487, 6 man möhte mit mir beizen, waer ich für veder-
spü erkant, ich srvunge algernde von der hant, Cf. P. 16t, 20. 1\% 18.
602, 2. Wh. 149. 10. 251, 16.
b) P. 418, 1 da rvaer von mtnen handen in kreize bestanden
Gätvän der etlentha/te degen, des hete ich mich gein im bewegen^ daz
der kam^f waere alhie getan, woU es nun herre gestattet h&n.
c) P. 127, 21 op dich ein grä wise man zuht mit lim, als er wol
kan, dem soltu gerne volgen, und wis im nicht erbolgen, wo zugleich
die yerBchiedene form und die anknüpfung der beiden sätze durch unde
zu bemerken ist. Vgl. P. 47, 22. 290, 20. 33, 24. Wh. 179, 24.
Zur anmerkung. P. 304, 30 diz läz ich an dich, Gätvän, op
daz si der selbe man, der mir hat laster vor gezilt, so rit ich mit dir,
swar du wilt.
§ 25.
Wie schon oben bemerkt wurde, kann aber auch ein
glied der periode unvoUstäüdig sein, sei es dass es in verkürzter
gestalt auftritt, oder ganz ausgelassen wii'd. Dass wir beiden
arten bei Wolfram nicht selten begegnen, werden wir erklär-
lich finden, wenn wir bedenken, dass es einem dichter nicht
darauf ankam, zu belehren oder durch beweisgrttnde zu über-
zeugen, sondern vei*stand und phantasie zu beschäftigen, dass
ihm also gedankensprünge und satzverkUrzungeu sogar ein
künstlerisches mittel waren, die phantasie seiner leser zu be-
leben und seiaer darstellung reizvolle abwechselung zu ver-
leihen.
Die Verkürzung wandelt nach Heyse ^) einen satz vollstän-
dig um, während bei der form der ellipse ein satz entweder
vollständig ausgelassen wird, oder nur ein fragment eines
Satzes erhalten bleibt zu dem, wenn der im satz oder Satz-
gefüge ausgedrückte gedanke vollständig vorgestellt werden
soll, notwendig ganze Satzteile ergänzt werden müssen.
Beim bedingenden nebensatz, um von seinen Verstüm-
melungen zunächst zu reden, ist die gewöhnlichste art der
*) Lehrb. der deutschen spr. II, 679.
44 ERBE
Verkürzung diejenige, die auch andern Schriftstellern nicht
fremd ist, und die eintritt, wenn
1) wan oder nirvan vor den nominativ,
2) sunder und
3) äne vor den accusativ eines suhstantivs tritt, dessen
existeuz als der grund fllr die nichtwirklichkeit des im haupt-
satz ausgesagten ereignisses dargestellt wird. Im hauptsatz
steht hier stets der eonj. praet., in dem, als in einer relativen
zeit, zugleich die notwendigkeit der ergänzung liegt Denn
steht, wie an einer stelle des Parzival, der in(L, so ist die
protasis nicht verkürzt, sondern nur elliptisch.
4) Eine Verkürzung liegt nach der oben gegebenen defini-
tion auch in den fällen vor, in denen man ein wort oder einen
ausdruck der apodosis zu einem hy))otheti8cheu Vordersätze
erweitern könnte.
ad 1) P. S12, 21 wan rntn kursU Salamander, aspindd min schilt
da* ander, ich wacr verbrunnen an der tjost, und eiogeschobcn : Wh.
453, 15 iesltch min helfaere, wandu verlorn waere. Vgl. F. 356, 15.
65«, 2. 788, 14, 327, 13. Wh. 226, 7. 430, l. 453, 13. 456, 20. — F.
82, 10 niwan der künec von Ascalün^ durch die snüere in waere ge-
rant. Bei andern Schriftstellern begegnet auch wan vor dem subject
des zu ergänzenden satzes mit durchs so: Nib. 2257, 4 wan durch
min gelückcy in waer noch vrömdc der tdt. Cf. Wilm. zuWalth. 45, 12.
ad 2) F. 643, \2 er waer immer unerneri, s und er amien.
ad 3) Wh. 261, 13 äne Terrameres gehüt het es im geholfen kein
sin got F. 54, 11 daz velt herherge stuont al bldz, wan ein gezelt, daz
was vU grdz heisst: Mas velt war frei, nur ein zeit stand darauf* oder
dgl., *da8 war gar gross*.
ad 4) F. 677, 12 es waere eim andern man ze vU steht filr: * würde
man das einem andeiii manne auftragen , das wäre ihm zu viel.* Wh.
152, 1 dri starke karräsche unde ein wagen möhtenz wazzer niht ge-
tragn, 'wollte man drei wagen anspannen, sie würden die tränen der
ritter nicht fortschaffen können, und sehr oft, z. b. Wh. 22, 6. 40, 5.
51, 13. 51, 16. 52, 30. 57, 25. 81, 2. 133, .30 u. 8. w. Zumal ist es
der fall, wenn ein eraignis oder ein gegenständ durch vergleichung mit
einem andern, wie oben in beiden beispielen, nach grosse oder wert be-
stimmt werden soll. In welcher art der bedingende sat^ zu ergänzen
ist, zeigen mehrere stellen, in denen die protasis gesetzt ist. So vergl.
F. 563, 4 derz mit gelte wider waege, der baruc von Baldac vergtUte
nicht daz drinne lac, und F. 561, 26 waere daz dargegen geleit, damit
ez waere vergalten mcht mit F. 735, 15 swaz diende Artüses hont, daz
vergulte niht die steine, die mit edelem arte reine lägen ikf des heldes
wäpenroc. Cf. F. 761, 30.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 45
§ 26.
Die ellipse des bedingenden nebensatzes ist zu verzeichnen:
I. bei conjunetivischen Wunschsätzen zumal mit gerne
oder ungeme. Zu ergänzen ist 'wenn es möglich wäre*,
* wenn es angienge ' oder dgl. Zu ihnen gehören im gründe auch
II. die Sätze mit solte, in denen sich eine Unzufriedenheit
mit etwas gegen recht und gerechtigkeit bestehendem aus-
spricht und die wir meist durch ein eingeschobenes 'eigentlich'
charakterisieren. Zu ergänzen ist 'wenn es nach recht gienge',
'wenn es wäre wies sein sollte' u. dgL
Je nach dem Zusammenhang gestaltet sich der inhalt des
zu ergänzenden bedingungssatzes^ wenn
III. 1) dieser vertreten ist durch einen voraufgehenden a)
aussage-, b) wünsch-, c) frage-, d) auflforderungs-, e) conditio-
nalen nebeusatz.
2) Dass der bedingende satz aus dem vorhergehenden zu
ergänzen ist, wird a) entweder nicht besonders angezeigt, oder
es tritt b) so^ c) da, d) danne an die spitze des satzes, wenn
aus dem vorhergehenden satz eine positive, e) anders, seltener
f) söj wenn a) aus dem negativen vorhergehenden satz eine
positive, ß) oder aus dem positiven satz eine negative protasis
ergänzt werden soll.
In einem falle steht anders noch neben dem dem vor-
hergehenden satz entgegengesetzten nebensatz; sm in der be-
deutung 'sonst' findet sich bei Wolfram aber nicht
IV. Sätze mit Hhie 'beinahe' negieren die Wirklichkeit,
sprechen aber aus, dass an dem eintreten dieses gegenteils die
Wirklichkeit wenig gefehlt habe, dass es eingetreten sein würde,
wenn die sache noch einen schritt weiter gegangen wäre oder
dergleichen, und stehen im conj. praet. oder plusquamperf.
V. Die bedingung ist weder aus dem vorhergehenden satz
noch aus einem bestimmten wort der apodosis zu entnehmen,
sondern kann nur aus dem Zusammenhang ergänzt werden.
VI. In einem falle ist der nebcnsatz zwar ausgelassen,
aber an seiner stelle steht ein aussagesatz, wie wir im nhd.
an den eine verneinte Wirklichkeit ausdrückenden hauptsatz
im conj. praet. statt der protasis einen mit 'aber', 'doch',
'allein' u. dgl. eingeleiteten hauptsatz anreihen können.
4(3 £RB£j
Anmerkung. In einer stelle sind die formen von § 24
und diesem paragraph vereint.
ad 1. P. 22, 10 daz het ich gerne erfunden ^ vgl. Wh. 118, 15. 15, 29.
US, 7. 419, 30. 356, 17. 342, 17. P. 167, 27. 132, 14 502, 20. 260,2.
Wh. 13, 10 W hetenz ungerne län vgl. Wh. 43, 11. 390, 17. P. 286, 20.
Wie ungefähr der za ergänzeude satz lauten musB, kann lied 8, 5 zeigen,
wo die protasis neben dem satz mit gerne steht: 1. 8, 3 diu sorge ist mir
ze vruo, ich weiz vil rvol daz ist auch ime, den ich in minen ougen
gerne bürge, möhie ich in also behalten.
ad II. Wh. II 4, 9 es soll diu stat laster hän, daz si gern dem
einen man des gerueftes sich enbarten. Vgl. 113, 7. 88, 2. 338, 22.
Bemerkenswert ist der Wechsel der form in Wh. 166, 28 frouwe, ez
soll auch iu sin leit, daz ich pin trürens unreldst, und gaebet mir
etslichen trdst 'und ihr solltet mich eigentlich trösten.*
ad III. 1 a.) P. 226, 3 komt ir rehte dar, ich nim iwer hhii
selbe war, so danket als man iwer pflege. Zu ergänzen ist: Masse ich
euch verpflegen.* Vgl. Wh. 301, 25. P. 258, 17. 294, 8. 665, 29.
b.) P. 120, 18 wan wolt et nu der tiufel komn, den bestüend ich
sichet liehe. Vgl. P. 812, 25. Wh. 141, 22.
c.) Wh. 139, 5 waz ob sich krenket al mtn werben? sd muoz
diu helfe gar verderben. Vgl. Wh. 225, 6. P. 147, 8. 359, 20.
d.) P. 710, 8 werbt gevuog, sd tuot ir wol. Wh. 147, 5. P. 198, 18:
beim Wechsel der personen P. 244, 20.
e.) Wh. 174, 30 des laster s wurde ich nimmer vri, soldestu
nacket bi mir gin. bruoder, kanstu dich vcrsthi, tviez dine genöze
meinden? = *was deine freunde dazu sagen würden, wenn ich dich
^nacket' Hesse.'
2 a.) P. 812, 25 dwi, het mich gesendet dar iwei* swester
minneclich gevar! ich waer gein strite noch ir böte. Vgl. P. 120, 18.
742, 20. — b.) P. 294, 8 ich bringe iuch doch betwungen dar, so nimt
man iwer unsanfte war und sehr ott, z. b. P. 665, 29. 226, 3. 359, 20.
Wh. 139, 5 u. ö. — c.) P. 248, 22 ruohten sis, so waei'e ir rinc mit mir
fuht verkrenket, dane wurde niht gewenket . . . seil.: *wenn ich mit
ihnen reiten dürfte.* — d) danne und so stehen kurz nach einander Wh.
147, 5: daz kirt mit fuoge an iwern getvin. dwi wie winc uns denne
belibe, so waer ich d'Srste die er vertribe.
e.) P. 143, 28 das läzen sich durch zuht gezemn, anders iwer
frouwe Enide und ir muoter Karsnafide wer den t durch die mül ge-
zücket. Vgl. P. 147, 8. 453, 18.
f. a) AVh. 301, 25 unser mage ich niht für geste hän, so het diu
Sippe missetän. Vgl. P. 258, 17. — ß) P. 244, 20 tat mich bt witzen,
so waert ir diens ungewert, als m\n her für iuch ist gegert. Cf. noch
unten.
Zur bemerkung noch T. 61, 3 anders du kanst dich versanden,
ob du gtrst, daz ich dir kutnber wende. Ueber sus vgl. noch g 14, 3. anm.
CONDITIONALSAETZE BEI WOLFRAM. 47
ad IV. P. 50, 1 1 mir rvaere ouch tihie alsam geschehen,
ad V. Wh. 10, 29 den man doch tiure het erlöst, seil.: *wenB er
ihn freigegeben hätte.' Vgl. Wh. 217, 18. P. 8, 13 u. ö.
Zuranmerkung. P. 456, 12 sit ir äne sirit helihen? so stüende
tu haz ein ander tvät, liez iuch höchferie rät Denn ergänzt man, so
muBS es heissen : ' wäret ihr ohne streit geblieben, so hättet ihr statt des
kriegerischen hämisches besser ein anderes der heiligen zeit angemesse-
neres kleid anziehen können, wenn ihr nicht hochmütig wärt.'
§27.
Oder endlich — und damit komme ich zum letzten punkte
meiner abhandlung — das bedingte ereignis tritt in verkürzter
gestalt auf oder ist ganz zu ergänzen.
1) Die apodosis ist verkürzt
a) in den mit waz danne ob, tvaz oh eingeleiteten fragen,
die vollständig lauten müsten: 'was sagst du dazu, wenn',
*was soll dann geschehen, wenn*;
b) in einzelnen andern föUen.
2) Die apodosis ist unterdrückt
a) bei Wunschsätzen im conj. praet.; zu ergänzen ist
'so würde ich mich freuen', 'so wäre es gut' oder dgl.;
b) bei den so ungemein häufigen, mit alsj als oby als der
eingeleiteten vergleichungssätzen , in denen ein wirkliches
ereignis mit einem angenommenen und daher (mit 6iner aus-
nähme) im conj. stehenden verglichen und dadurch erläu-
tert wird.
c) In andern fällen, in denen der hauptsatz leicht aus
dem zusammenhange zu ergänzen ist. So ist zumal meist
bei persönlichen (höflichen, beteuernden oder andeni) condi-
tional gefassten bemerkungen des dichters die apodosis, weil
selbstverständlich, verschwiegen.
ad 1 a.) Wh. 139, 5 waz ob sich krenket al mm werben? Wh.
225, 6 waz danne op groezer ist ir kraft? P. 433, 4 waz denne,
bettbe ich küme vgl. P. 239, 14. 451, 13. 517, 10. 714, 4 u. ö. 301, 22.
b) P. 95, 24 iwer reht ist gein mir laz, niwan iwer gemeiner gruoz
[seil.: 'gebührt mir*], ob ich den von iu haben muoz. P. 195, 13
frouwe, hilft iuch iemens tröst? Ja, Mrre , ob ich wurde erlöst *ja,
tröst (= beistand) hilft mir, falls ich . . .*
ad 2 a.) P. 22, 9 öwi, wan taete im daz niht wtt *wenn ihm das
nur nicht weh täte, so wäre schon alles gut* und sehr oft.
b.) Tit. 96, 3 si zöch dich als si dich gebaere, P. 598, 29 iu ist
doch der schilt zebroehen^ als ob iu strtt sül wesen kunt, P. 571, 1
48 £fiBE
dd härter ein gehrummen als der wol ztveinzec irummen slüege hie ze
tanze = 'wie das brummen sein würde, wenn jemand zwanzig trommeln
schlüge* und unzählig oft in der ganzen mhd. literatnr. P. 213, 11 dh^
lant ist erloeset als der sm schif er o es et,
c.) P. 612, 10 oh ich so sprechen mac, [so will ich es sagen],
swer mich der bl hat gesehn, dei' muoz mir riterschefte jehen,
P. 752, 7 wil ich der wärheit grifeti zuo, [so muss ich sagen], bcidiu
mhi vater unde ouch duo, tmd ich, wir wären gar al ein. Vgl. P. 16,
tb. 511, 13. 363, 28. Gleichsam als ersatz für den ausfall ninmit ein
nachtolgender Ton dem zu ergänzenden als abhängig zu denkender satz
die form der apodosis an. P. 458, 2 het irz niht für eüieti ruom, sd
trüege ich flucht noch magetuom für *so würde ich euch sagen, dass ich
nie trug . . .' s. mhd. wb. 2, 3. Vgl. P. 472, 1.
Anmerkung zu s.S.
Haupts auffassung der angeführten stellen ist nicht ganz richtig.
Trist 13879 halte ich für wahrscheinlich, dass zu interpungieren ist:
'schoene', sprach er, *nu ist mir niht herzeliche Uep wan ir, und ich von
iu nu scheiden sol. daz weiz got von himele wol, daz nimet mir nunc
sinne.' Wenn aber der satz mit und zum folgenden zu ziehen wäre, so
wäre und richtig im mhd. wb. als Vertreter für daz aufgefasst; denn er
kann nach dem zusammenhange nicht als bedingung, sondern nur als
feststehende tatsache ausgesprochen sein. Die meisten beispiele sind
aus Heinrichs Tristan. An keiner einzigen unter diesen lässt sich und
hypothetisch fassen, überall ist es temporal, synonym mit nu ebenso wie
an den folgenden beiden von Haupt nicht aufgeführten: 326 und in be-
gunde twingen diu minne vaste unde genuoc die er zuo der magede truoc,
er gedäht an Kaedhien\ 367 und er Tristandes ernest sach, gar sinnec-
Uch er jach. Ein solches temporales unde finde ich noch bei Wolfram
Wh. 58, 13 den marcräven dähte gröz ir kraft, und er si reht ersach
{und hat zwar nur K, aber das sinnlose wan, wand Imnt gegen do op
muss wol aus und entstellt sein.) Mit diesem seltenen gebrauche von
und ist durchaus nicht zu vermengen die allgemein im mhd. übliche Ver-
wendung desselben als ersatz für relative pronomina sowol wie adver-
bia, wobei immer das entsprechende demonstrativum wirklich ausge-
drückt werden und zwar vorangehen muss, z. b. dar nach und er also
gesaz Boner 91, 23, vgl. die beispiele im mhd. wb. III, 185. Temporal
ist und auch aufzufassen an der von Haupt angeführten stelle ans dem
Tanhauser MS. 2, 60», wenn es nicht vielleicht noch anders zu nehmen
ist. Es hcisst dort: dd ich die schoene Srest sach, si dÜhte mich sd
minnenclich daz ich mich ir für eigen jach ; und ich ir also nähe kam
daz ich ir bot den nunen gruoz und si mm rehte war genam, dd wart
mir aller sorgen buoz. Man könnte vielleicht und als einfache copula
anknüpfend an den Vordersatz mit dd auffassen; tür das dazwischen-
treten eines hauptsatzes, wie es dann statthaben würde, finden sich auch
sonst beispiele. Es bleiben nur drei stellen übrig, in denen und als
CONDITIONALSAEITJE BEI WOLFRAM. 49
bedingungspartikel gefasst werden kann^ und auch an diesen ist diese
auffassang nicht völlig sicher. Aehnlich wie in der stelle beim Tan-
hanser könnte und als copola getasst werden Gottfr. v. Neif 8^ 14 ff.:
rvolde mir diu hire sende sorge ritig en, daz naeme ich für der vögele
sanc und für der bluomen schin; und si nach miner Ure mochte fröide
bringen mir, sd waer min trüren kranc und wolte in fröiden sin. Gottfr.
y. Neif. 22, 29 und MSH. 3, 27 verdient Haupts construction jedenfalls
von Seiten des sinnes den Vorzug vor einer andern allenfalls denkbaren.
Es ist somit der gebrauch von und als temporaler wie als hypothetischer
conjnnction ein sehr eingeschränkter. Da wo und die Wortfolge der
frage nach sich hat, ist das hypothetische Verhältnis eben durch diese
folge ausgedrückt, nicht durch die conjnnction, die hiertür unwesentlich
ist, was sich am klarsten daraus erkennen lässt, dass sie auch vor be-
dingungssätzen , die mit oh eingeleitet sind, steht, vgl. mhd. wb. III,
t84i>. 38. Es hätten daher 1 und 2 in eins zusammengezogen werden
können mit aussonderung der wenigen zuletzt angeführten falle. Beide
sind aus der directen frage hervorgegangen. Danach werden des Ver-
fassers ausführungen in $ 7 zu modificieren sein. H. Paul.
INDEX.
lieber den begriff * conditionalperiode' und die trenn ung
des logischen Verhältnisses vom grammatischen . § 1.
I.
Die einfacheren formen des bedingungssatzes .'.•§§ 2—19.
A. Verhältnis der sfitze zu einander §§ 2—14.
1) a. Apodosis und protasis werden einander bei-
geordnet § 2.
b. die Wortfolge das erste mittel den nebensatz
zu bezeichnen § 3.
2) Die protasis wird der apodosis untergeordnet . . §§ 4 — 14.
Die Unterordnung wird gekennzeichnet
a. nur durch den modus (conj.) mit der negation § 4.
b. durch das relativum § 5.
c. durch conjunctionen §§6—12.
a. unde . . . . , § 7.
ß. daz § 8.
y, wandaz § 9.
ö. so § 10.
e, sfvenne § lt.
IC,, oh § 12.
d. die nähere Zusammengehörigkeit der beiden
teile der conditionalperiode wird bezeichnet
a. durch das an die spitze des hauptsatzes
tretende pronomen demonstrativ. § 13.
ß. durch Partikeln und conjunctionen § 14.
Beltr^e nur ^cäuhiulite der dcutkohen spräche. V. 4
50 EBBE -^ OONDITIONALSAETZE BEI WOLt'RAM.
B. Tempora und modi § t5.
1) Im bedingungssatz steht
a. der ind. praes § t6.
b. der ind. praet • § 17.
c. conj. praes § 18.
d. conj. praet § 19.
2) consecntio temporum bei abhängigem Verhältnis . § 20.
C. Stellunsr der sitze zu einander § 21.
n.
Besondere eigentttmlichkeiten der conditionalen periode.
A. Ein glied der periode enthält mehrere sätze
1) der bedingende teil:
a. formal § 22.
b. auch dem Inhalt nach § 23.
2) der bedingte satz § 24.
B. Ein glied der periode ist verkürzt oder fehlt
und ist zu ergänzen
1) der bedingende satz ist
a. verkürzt § 25.
b. ausgelassen § 26.
2) der bedingte teil ist verkürzt oder zu ergänzen § 27.
HALLE. M. ERBE.
/
UEBER DIE SUBSTANTIVISCHE ANWENDUNG
DER BILDUNGEN MIT -Ith IN DER BEDEUTUNG
'JEDER' BIS ZUM 11. JAHRH.
iJrimm hat in der d. gr. II, 569 und III, 53 über die
construction der mit tih zusammengesetzten wöi*ter nicht er-
schöpfend gehandelt, auch gibt er über diesen gegenständ nicht
durchaus richtiges. Erdmann, Unters, über die syntax d. spr.
Otfr. II, 154, beschränkt sich darauf, auf Grimm zu verweisen.
Die folgende Untersuchung stellt sich zur aufgäbe, die ange-
gebene construction nach allen selten hin zu erläutern.
Da der adjectivische gebrauch sich nicht von dem anderer
adjective unterscheidet, so werde ich im folgenden nur die
substantivischen bildungen mit Jxh behandeln.
Das einfache ^h in der bedeutung 'jeder' ist nicht denk-
bar; wo es dennoch vorzukommen scheint, müssen wir uns
nach einer andern erklärung umsehen; es wird weiter unten
YL davon die rede sein. Die einfachste vorkommende form
ist getih^ allein ich bemerke im voraus, dass diese form nur
iu Verbindung mit einem genetiv vorkommt, während es allein-
stehend eine Weiterbildung durch den zusatz eo verlangt. Die
übrigen bildungen mit tih stimmen in der construction mit
geJüh überein, und deshalb sind sie in der nachfolgenden
Sammlung in gleiche reihe mit getih gestellt, jedoch sind die
citate ftlr das letztere durch einen ^ ausgezeichnet
Es ergeben sich nun folgende sieben constructionen von
geJih und seinen compositis:
L ohne abhängigen genetiv;
IL ohne abhängigen genetiv, mit folgendem relativ;
4*
52 HENRICI
III. mit abli. gen. eines pronomen;
IV. mit abh. gen. eines substantivum;
V. im plural mit abh. gen. eines plural;
VI. uneigentlicbe composition mit -ßÄ;
VII. adverbiale bestimmungen des ortes und der zeit, ge-
bildet mit geiih,
L Obne abhängigen genetiv.
A. masc:
Ich l'isse zunächst die belege folgen:
a) nom.: m drostet iuih in thiu thing , thaz iageHh ist
ediling. Otfr. I, 23, 45 (Kelle); I, 23, 58; I, 24, 3; II, 2,
10; II, 3, 66; II, 8, 25; II, 8, 32; II, 9, 22; II, 23, 25; III,
5, 8; III, 15, 51; III, 17, 42; III, 17, 44; III, 17, 45; III,
17, 47; III, 22, 40; IV, 6, 39; IV, 15, 52; IV, 16, 54; V,
4, 11; V, 4, 57; V, 6, 33; V, 9, 53; V, 11, 44; V, 11, 49;
V, 20, 109; V, 23, 294; Psalm (Heinzcl u. Scherer) XI, 3;
XXVIII, 9; Symb. apost. (Heinz, u. Scher.) 1; Summa theol.
29, 9; Capell. (Haltern.) 351b; 370 a; Weissenb. cat; Tat.
(Siever^) 119, 13; Notk. cat.; Boeth. (Graff nach selten) 6;
12; 102; 103; Beow. (Grein) 874; 987; 984; 1165.
b) acc: enen gewiltken nd. glaube (MüUenhoflf) ; Otfr. I,
27, 50; UI, 6, 23.
c) dat.: vone diu gihit tiu natura iogeRchemo Boeth. 153;
220; Psalm XXII, 15; XXXVI, 6; CHI, 16.
Die o))liquen casus des masc. treten an zahl auffällig
gegen den nom. zurück. Dieser hat bei Otfr. unter 27 fällen
23 mal keine ilexionsendung, während sich in den übrigen
Schriften das Verhältnis umkehrt: flectiert zu unflectiert verhält
sich ungefähr wie 10:4. Zu Tatian 119, 13 inti uuartta io-
giuuetih in sin hüs et reversi sunt unusquisquc in domum suam
bemerke ich, dans unusquisque sonst häufig durch das zusam-
mengesetzte ei7iero giuueiiJi ausgedrückt wird. Mit dem aiiikel
ein findet sich der nom. nur in der summa, der acc. im nd.
gL, der dat. zweimal in den Psalmen. Der gen. kommt allein-
stehend gar nicht vor. Es sind noch zwei fälle hinzuzufügen,
wo iogelih im plural steht: Capell. 294b iogeltche durh sih
BILDUNGEN MIT -ßÄ, 53
sunder igo sdzen und Wessobr. gl. u. b. (Denkm. XCV) iegeJüchen
als dat. Die beschränkte anwendung des plur. erklärt sich
daraus ; dass schon die form des sing, eine mehrheit in sich
schliesst
Eine eigentümliche eigenschaft der bildungen mit Wi ist
ihre fähigkeit, einero und allero als Verstärkung zu sich zu
nehmen. Tat 80, 3 thaz iro einero ghiueUh] 99, 5; 176, 3;
95, 5; 67, 15; 90, 6. Dass hier nur eine Verstärkung vor-
liegt — und so erklärt es Graflf ahd. spr. II, 109 a und Sievers
im glossar zu Tat. — geht klar hervor aus allero giuuelih /on
iu Tat. 67, 15. Wenn gelih mit dem zusatz allero * jeder von
allen' bedeutete, so könnte nicht /bw iu hinzugefügt virerdeil.
Vielleicht ist llbrigens die tatianische Verstärkung durch einero
bei giuuelih vireiter nichts, als eine nachahmung des ags. änra
gehwylc (Grein, Sprachsch. I, 31, Lye s. v. änra).
B. nentr.:
a) nom.: xarfjy. (Hatt.) 404 b uuanda man zeigdn mag
uuar iogeRchez liget.
b) dat : Notk. v. d. mus. (Hatt) 587 b daz an iogelichemo
(L e. aiphabet) si diapason,
c) nom. plur.: Tat. 240, 1 oha thiu alliu giscribaniu vvur-
din suniringon giuueRchiu,
d) verstärkt durch einero: Tat. 45, 4 thar uuärim steinmu
uuazarfaz sehsu giseziiu afier sübernesse thero lüdedno thiu bi-
haben mohtun einero giuuelih zuei mez odo ihriu.
In Tat 240, 1 ist suniringon giuueHchiu die Übersetzung
von per singula, und so der plur. als nachahmung des lat er-
klärlich.
C. fem.:
a) nom.: Capell. 344b iogeHchiu dia andara.
b) acc: Bas. rec. (Denkm.) zuä flasgün umnes, deo uurzi
ana zi ribanne: eogiuuelihha suntringün.
Das fem., nur zweimal im nom. und acc. vorkommend,
hat die flexion bewahrt Das erste beispiel iogeHchiu dia andara
zeigt ein reciprokes verhältüis, wie gr. aXXrjXov, Das zweite,
eogiuuelihha suntringün, bedeutet unam quamque per se.
54 HENRIGI
IL Ohne abhängigen gen., mit folgendem relativ.
a) nom. masc: thaz iogiuuelxh, ther sih gibtlgh zi stnemo
briioder, ther- ist sculdig duomes Tat. 26, 2; 28, 1; 42, 1;
87, 4; 118, 3; 135, 15: 143,3; 171,3; 194,7; Psalm CXVIII,
U 153; CXVin, ß 135.
b) dat. masc: iogiüchemo, ihemo Tat. 108, 6; 149, 8.
c) neutr.: Tat 167, 1 iogiuuelikaz, thaz,
d) verstärkt durch allero: allero giuueHh, ihie hitit inphä-
hit Tat 40, 5; 43, 1; 43, 2; 44, 21; 131, 14; 198, 1; VU
Matth. XIII, 7 (Endl. u. Hoffmann 2. aufl.).
Es findet sich in dieser classe nur das masc. und neutr.
Der nom. sing. masc. ist zweimal in den Psalmen mit dem
unbestimmten artikel versehen. Verstärkung durch cdlero hat
nur im Tat und einmal im Matth. statt
IIL Mit abhäng. gen. eines pronomen.
Wenn geüh mit dem genetiv eines pronomen oder substan-
tivum verbunden ist, so nimmt es stets das genus des ab-
hängigen gen. an.
A. masc: dero iogelih habet mm kenermida Notk. cat; Boeth.
8; 133; Otfr. IV, 7, 45; V, 25, 65; Tat 29, 2; 151, 4; Psalm
CXI, 5; CXXXVIII, 19; Tat 103, 4. Es kommen vor die
abhängigen genetive dero^ iuer, iro, sulichero, und zwar vor-
gestellt; jedoch bei dem durch einero verstärkten giuuetih Tat
103, 4 ist iuuar nachgestellt
B. neutr.: also ouh an den liden sunderhigiu geba ist
iro iogeUches Psalm XXXII, 15; Boeth. 166; 131; 216. Der
abhängige gen. ist stets vorgestellt.
G. fem. : dar iogelichiu iro (i. e. musarum) rarta hechndia
GapelL 285 b; Boeth. 8; Capell. 276 b. Zu bemerken ist das
erste beispiel, welches ausnahmsweise einen nachgestellten
gen. zeigt
IV. Mit abhäng. gen. eines substantivum.
A. masc.
1) a. nom : scal manno giHh fona deru moltu arsten *Musp.
81; *Rithm. teut 50; Otfr. II, 8, 47; AUerh. (Denkm. LXX);
Hei. 2593; 2733; 3875; 4589; 4597; Beow. 9; 1104; 2887;
266; 985; 1166; 1673; 2215; 2233; Otfr. U, 19, 12.
BILDUNGEN MIT M. 55
b, acc; iogeRchen dero uerlornon Boeth. 26; Hei. 352;
3189; Beow. 936; 2250; 2516; 148.
c dat: unde iogelichemo sifiero keloübegen Psalm CI, 1;
HeL 907; 1700; 1714; 1750; 1963; 2036; 2490; 4378; 4775;
Beow. 3057; 1050; 2891; 412; 768; 784 u. ö.
d. gen: Isid. (Holzm.) 43 , 22 in isaies buohhum eo cht-
Tiuueliihhes dero heideo sundric tindarscheit] Hei. 2880; 3200;
4116; Beow. 2053; 2224; 732; 1396.
e. nom. masc. mit abhäng. gen. sing: ihat mitie menebos
manhmnies gehtvilik Hei. 1505; 4050.
2) verstärkt durch allero.
a. nom: ni allero manno kiHh ze demo mahale sculi Musp. 34;
Freis. pater nost; Ezzo 5, 1; exhort. ad pleb. ehr.; Hei. 1418;
1537; 1754; 2050; 2065; 2616; 2618; 3216; 4250; 4377.
b. dat: pi diu ist dürft mihhil allero manno uuelihhemo
Musp. 18; Freis. pat. nost
Auffällig zahlreich bieten sich die beispiele aus Hei. Nur
einmal, bei Otfr., ist der nom. fleotiert. Der abhängige gen.
ist überwiegend vorgestellt, etwa im Verhältnis von 6:1.
Bemerkenswert sind die beiden stellen aus HeL, wo gehtvilik
mit dem gen. sing, verbunden ist, das zweite auch deshalb
noch, weil das verbum dem sinne nach construiert im plur.
steht. Verstärkung durch allaro findet sich besonders oft im
Hei. Auf Grimms falsche erklärung von thegeno geHhy Rithm.
teut, weist schon Graff ahd. ahd. spr. II, 112, hin.
B. neutr.
dara scal queman chunno kiUhhaz *Musp. 32; Beow. 2433;
*de Heinrico; *Otfr. I, 18, 5; Hei. 5255; Beow. 2608; HeL 1343;
Beow. 2094; HeL 1463; 4155; Beow. 98; 1090. Verstärkt durch
allero: Musp. 92; HeL 975; 1412; 3852; VIIIMatth.l7; HeL1690.
Der gen. ist hier stets vorgestellt Zu chunno kiUhhaz
Musp. 32 bemerke ich folgendes: es ist mir kein beispiel in
der altdeutschen literatur vorgekommen, wo der abhängige
genetiv von geHh getrennt ist Die Umstellung Denkm. III,
dara scal chunno queman io kiHhhaz, wo io conjectur ist, er-
gibt sich also als eine syntactische Unmöglichkeit, besonders,
da durch die cäsur eine noch stärkere trennung hervorgebracht
wird. Dichterische lioenz kann ebenfalls nicht zugegeben
56 HENIUCI
werden, da sich auch im Hei. und Beow. kein analogon da-
ftir findet
C. fem.
a. acc. daz er rahhöno uuetihha rehio arteile Musp. 64 ;
69; Hei. 56; Beow. 1705.
b. dat: mi dero mAzon iogelichero sint zuei frontes Gapell.
322 b; de vocat. gent.; Beow. 806.
c. Verstärkt durch allaro: tho let hi thai tverod thanan an
alloro haWa gehrvillka HeL 1987.
Das fem. tritt äusserst selten in der angegebenen con-
struction auf; der abhäng. gen. ist stets vorgestellt. Das citat
aus dem Heliand halte ich für hierhergehörig, da ich nicht den
grund einsehe, aus welchem Heyne im gloss. zu Hei. gihwilika
als acc. plur. auffassen will.
Ich komme hier nochmals auf die von Sievers angeregte,
von Emil Henrici, z. gesch. d. mhd. lyrik s. 63 aufgenommene
und im anz. f. d. alt. II, 147 kritisierte frage über Denkm. VIH
zurück. Einfaches giRh mit abhäng. gen. kommt vor: Musp. 81 :
scal mamw gilih fona dem moltu arsten\ Rithm. teut. 50: ihär
faht ihegeno gelih nichein soso Hluduxg\ Musp. 34: m allere
manno kilih ze demo mähale sculi\ Musp. 32: dara scal quetnan
chunno kilxhhaz ; de Heinr : cid non fecisset Heinrich allere rehto
gilih] Otfr. I, 18, 5: Thoh mir megi lidolth sprechan uuorto
giUh. Für den acc. fem. habe ich keine belege aufgefunden,
wir müssen daher die andern composita bei der fraglichen Über-
setzung zu rate ziehen; und da zeigt sich denn acc. fem.
-lihha: rahhöno uuelihha, thiodö gehwilika, peöda gehwylce,
erdno gilih ist also tatsächlich unmöglich, da gelih stets das
genus des abhängigen gen. hat, und da der acc. sing. fem. der
pronominalen declination im ahd. durchaus flectirt ist erdno
gilih als compositum hinzustellen ist auch nicht möglich, da
auch bei der composition mit -lih, wo dieselbe bei femininis
vorkommt, die flexionsendung des acc. erhalten ist, so gloss.
Ker. 160b: in /erd)iolihha, 200 a: in feranolihha. Die alte
spräche scheint überhaupt vor der Verbindung eines fem. mit
gelih eine scheu gehabt zu haben; denn erst bei Notk. und
in der Bamb. beichte findet sich dieselbe einige male wider
(siehe unten) , so jedoch, dass die genetivendung verstümmelt
und stets die Verstärkung allere hinzugefügt ist Eine ausnähme
BILDUNGEN MIT -Ith. 57
bilden nur einige adverbiale bestimmungen der zeit und des
ortes, z. b. in ziteHh, in aller stetegelich, bei welchen das be-
wustsein für das ursprüngliche genus leicht verschwinden
konnte (siehe unten). Das im anz. f. d. alt aao. angezogene
in zitelih oder gar ein mhd. citat ist daher nicht geeignet, die
richtigkeit von eröno gilih zu beweisen. Es kann vielmehr
nicht geleugnet werden, dass Haupt einen grammatischen
fehler gemacht hat, und dass somit Denkm. YIII nicht in die
ahd. literatur gehört. Wenn Steinmeyer etwa noch ein neu-
trum erönolih an der fraglichen stelle vorschlagen wollte, so
wäre es seine sache, dafür aus dem 8. jh. belege zu finden;
ich kann solche nicht nachweisen, halte aber das schon auf-
geführte in ferdnoHhka für einen positiven gegenbeweis.
Y. Im plural mit abhäng. gen. eines plural.
a. acc. plur. neutr.: xar. 411b tero sibin quantitatum ioge-
Rcho chii man ebenmichel unde uneben michel.
b. dat. plur. masc: kuningo gihwilikun hemsitteandiun Hei.
342; 1008; 1020; 1113; 1618. Der plural findet sich also im
HeL ziemlich häufig, selten im hd., wegen der schon oben be-
tonten pluralbedeutung des sing, yongetih. In den xar. 411b
muss iogelxcho als neutr. plur. genommen werden, wenn man
nicht etwa einen Schreibfehler statt iogeHcha annehmen will. —
Der gen. ist stets vorgestellt
VI. Uneigentliche composition mit -Ith.
Der umstand, dass bei einigen der composita -lihy bei
andern gelih den zweiten bestandteil bildet, gewährt uns einen
fingerzeig, wie man sich diese Wörter entstanden denken muss.
Sievers bemerkt mir: ^Hh in der bedeutung von gallh existiert
nur in der einbildung älterer lexicographen und grammatiker.
lih heisst nur 'körper*, 'äusseres*, und gaHh also Masselbe
äussere habend*; das ga ist unbedingt notwendig ftir das Zu-
standekommen des adjectivbegriffes, (s. Zimmer, NominalsufiP. a
und d S. 231 f.). Auch die scheinbaren composita sind also
als gelih mit vorhergehendem genetiv zu betrachten. Bei der
Verschmelzung der beiden bestandteile ist jedoch schon früh-
zeitig Verstümmelung eingetreten: bald ist die vorsilbe gi ge-
schwuuden, bald die genetivendung verstümmelt, bald auch bei-
58 HENRICI
des ciTigetreten. So begegnen nebeneinander die formen
mannogelih^ mannigühy mannilih u. 8. w.
A. masc. und nentr:
1 . mannolih.
maymolih^ mannilih, mannicRhy mannelih, mannaRhy mennisgKh^
mangelih »ind die vorkommenden formen.
a) nom.: mannolih Paalm CIII, 23; Otfr. I, 6, 15; I, 23,
12; m{ii fp/i.495b; 496a; 519b; 525b; Boöth. 88; 109; 113
mannilih: Otfr. prol. ad. Lud. 31; I, 3, 40; I, 23, 8; I, 23, 59
II, 2, 9; II, 4, 76; II, 17, 24; II, 18, 15; HI, 6, 44; III, 9, 7
III, 21, 23; IV, 13, 9; V, 1, 18; V 1, 24; V, 1, 29; V, 1, 36
V, 1, 41; V, l, 47; V, 12, 19; V, 19,51; mannicRh: NotL cat
Psalm II, 12; L, 19; CXII, 1; CVIII, C, 20; CXVIII, G, 55
CXLIV, 21; mannelih: Notk. cat; mammHh: Otfr. V, 7, 54
momisglxh: Bamb. gl. u, b.; iro mannolih: Boeth. 102; ailer
metmisglth Bamb. gl. u. b.; aller mangelih Alem. gl. u. b.
1)) aco.: mamiolichen Boeth, \\%\ HO; 192; manniRchan:
Otfr. II, 12, 16; mamüctichen: Psalm CXVIII, E, 39; mannigR-
chon psalm IX, 9.
c) gen.: mamioRches: Boeth. 08; 78; 269; manniliches:
(Hfr. I, 18, 31; III, 20,39; mannigliches: Psalm XL VIII,
20; manniclichcs : Psalm CXLV, 2.
d) dat: mannolkhemo: Boeth. 206; 217; 254; Capell. 340a;
manniilichemo: Psalm VII, 12; CXIV, 5; CXVIII, A3; CXXVII,
3; CXXIX, 3; ma^menchemo: Cai)ell. 304 b.
Das wort mannolih ist ganz übergegangen zu der bedeu-
tung von iogeiihy wie Boeth. 102 zeigt, wo dem mamwHh ein
abhängiger gen. iro vorgesetzt ist Otfrid gebraucht überwie-
gend die form mannilihy einmal mannaiihy sonst auch mannolih]
die psalmon haben fnamucHh^ nur einmal fnannolih. Ausser
der vi>oalauuhnelung zu / findet sieh Schwächung zu e bei
Notker« einmal die form map^geHh Alem. gl. u. b., wo die silbe
-no ausgefallen ist Verstärkung durch ailero findet nur im
nom. statt Die form fnennisglih Bamb. gl u. b. ist entstanden
aus ursprünglichem mirfmis^cono-gelth. und man hat als zwischen-
fornu analog dem mtMgriih. ein meHiüsca-geÜh anzunehmen, aus
wolohom nach al>ormaligem ausfall des o unsere form ent-
fttandeu ist
BILDUNGEN MIT 4th. 59
Was Grimms bemerkung a. a. o. betriflft, nach welcher
die obliquen casus nur selten auftreten, so gibt die Zusammen-
stellung doch ziemlich zahlreiche belege, auch führt Grimm die
form mannicRch nicht auf. Ich will noch erwähnen Otfr. proL
ad Lud. 9 mannogiRh, wo die aneinanderfligung der bestand-
teile noch kaum composition genannt werden kann. Sämmt-
liche obliquen casus haben ihre flexionsendung bewahrt
2) dingolth, dingelth, tingolth.
a) nom.: Boeth. 216; 286; :jteQl tgii. 475b; xar.
449 a; 379 b.
b) acc.: CapelL 340a; Boeth. 105; 152; 213; 219;
245; 252.
c) gen.: Boeth. 148.
d) dat.: xegl sq/i. 470b; 523 a.
Verstärkt durch allero:
a) nom.: Boeth. 107; 154; 210.
b) acc: Boeth. 151; 264; xar. 391a; 403a.
c) gen.: Boeth. 72; 81; 93; 156.
dingolth kommt nur bei Notker vor, überwiegend im Boeth.
Zweimal in den xar. ist das o zm e geschwächt. Auch hier
sind, entgegen Grimms aufstellung, die casus zahlreich ver-
treten. Die Verstärkung durch allero ist fast ebenso häufig,
wie das einfache dingolih. Die flexion der casus ist mit aus-
nähme des acc. erhalten.
3) guotelth
und guaiigilich. Das wort findet sich ohne Verstärkung bei
Otfr. II, 7, 47; durch allero verstärkt xegl bq/i. 525 b und
psalm XLIX, 7. Die flexion ist mit ausnähme des acc
erhalten.
4) friuntillh
begegnet nur bei Otfr. V, 1, 30; V, 1, 35; V, 1, 42; V, 1, 48;
y, 4, 3, und auch hier nur im nom.
5) rehtollh.
Notk. v. d. vern. 543 b allero rehtoHh zimig. Hierher kann
man auch, falls man es als compositum auffassen will, de
Heinr. cui non fecisset Heinrich allero rehio gilich rechnen.
60 HENRICI
Die vorstehende stelle aus Notk. zeigt übrigens, dass -Hh in
der bedeutung durchaus mit al synonym ist; es geht dies her-
vor aus den gleich folgenden werten a. a. o. 546 a: omne
iustum honestum: alliz reht zimiiih] omne iustum bonum, allez
reht cuot.
6) strltollh. — Capell. 339 a verstärkt durch allero.
7) teilelih. — Boeth. 135 und 256.
8) uuegellh — Psalm XXXV, 5 im dat.
9) dieticllh — Psalm CXLVII, 20 im dat.
10) gotellh. — Capell. 370 b verstärkt durch allero,
11) boumelih — Boeth. 153; Psalm CIV, 33 boumegHh.
12) criutelih. — Boeth. 153.
13) rossellh — Psalm XXXI, 9.
14) wewigellh. — Himm. u. höU. 156 verstärkt durch aller.
15) sangollh. — Notk. v. d. mus. 587 b.
16) leidogillh. — Otfr. V, 23, 218.
17) tierllh. — Boeth. 206 verstärkt durch allero.
18) lidoUh. — Otfr. I, 18, 15.
19) ubelolih. — Boeth. 226 verstärkt durch allero.
Von den gegebenen stellen sind:
nom 64
acc. 24
gen 15
dat 14
Die obliquen casus zusammen kommen an zahl also dem
nom. annähernd gleich. Verstärkung durch allero findet im
Verhältnis von 1 : 5 statt; mannoHh hat nie ein allero bei sich.
B. fem.:
1) säldolth.
Boeth. 231 und 229, beide male durch allero verstärkt
Der erste der angeführten belege bietet eine Schwierigkeit.
Dass Notk. säldolth gemäss seiner Zusammensetzung als fem.
behandelt, geht aus dem zweiten citat hervor: allero säldoRh
vuunesämiu. Boeth. 231 zeigt nun die widergabe eines latei-
nischen accusativus cum infinitivo, wir sollten also als subject
in demselben allero säldoHhha erwarten. Dass Notker trotz-
dem säldolth schreibt, findet nur darin seine erklärung, dass
BILDUNGEN MIT M. 61
der acc. c. inf. keine geläufige deutsche construction ist; das
Torliegende säldoHh ist nom., die ganze construction ein nomi-
natiYus cum infinitivo.
2) skandigellh.
Himm. u. höU. 152 verstärkt durch aller,
3) egisillh.
Himm. u. höll. 172 verstärkt durch aller,
4) uutbilih.
Otfr. IV, 26, 35 thaz uuibilih fon im qidt.
Das fem., nur selten vorkommend, zeigt meist die Verstär-
kung durch allero. Ich habe hier noch eine ganz vereinzelt
dastehende anwenduug zu erwähnen ßoeth. 256 unde daz knö-
tesia uueiz st, teileHchen neutieiz si] und ebenda: nioman ne
ist so gehuhtig, daz er alles teileltches sd uuola gehuge, so des
knötesien, ieilelih bezeichnet hier, wie aus dem Zusammen-
hang hervorgeht, ^singula*. Notker gebraucht es also wie ein
substantivum und vergisst bei der widergabe von 'omnium
singulorum*, dass der begriff *omnium* schon in ieilelih ent-
halten ist.
VII. Adverbiale bestimmungen des ortes und der zeit
gebildet mit -Hh.
Sie gehören der form nach zu den compositis ; es empfiehlt
sich jedoch, sie allein zu behandeln, da sie bis zum aufgeben
der flexion formelhaft geworden sind.
1) 'überall hin'
ist ausgedrückt durch in allero endegHh Psalm CIV, 31; im
Bamb. gl. u. b. in aller stetegeUch,
2) 'nach allen selten'
wird ausgedrückt durch in ferönolihha gloss. Ker. 160b, 200 a
(Hattem.).
3) 'alle tage'
wird ausgedrückt: a) durch den genetiv von geHh mit vor-
gestelltem abhängigen genetiv dago Weissenb. cat.; Hei. 954;
1593; 1609; 1672; 2284; 3337; 3629; b) durch den gen. von
geRh mit abhängigem gen. dago^ verstärkt durch allero. Diese
62 HENBICI - BILDUNGEN MIT -Wl
Verbindung findet sich nur im Hei 1217; 1254; 1916; 2168;
2346; 3333; 3499; 3781; c) dago xmdgeHches sind zu öinem
werte verbunden, wobei die übliche Verstümmelung zu tago-
Rhes, dagolihesj iageHhes stattfindet Diese ausd^cksweise
kommt nur bei Notker vor: Boeth. 43; 49; 77; 109; Capell.
275a; 301b; Psalm VI, 8; VII, 12; XXIV, 11; XLI, 4; XLI,
11; CXXXV, 11; CXLIV, 2. Graff, ahd, sprs. sagt: UagaRh
stebt nur adjectivisch mit folgendem substantivum', ebenso
Grimm a. a. o. Diese bemerkung ist, wie das vorkommen
der adverbialen genetive zeigt, nicht zutreffend. Aus dem
substantivum tagaHh hat sich erst das adjectivum iagatihher
gebildet, wie es z. b. in der oratio dominica vorkommt
4) 'für alle zeit'
wird ausgedrückt: a) durch in mit compositum: m zitegeHh,
in zltellh jttQl tQiL 486 b; 488b; 492 b; Psalm XXXIII, 2;
b) im ags. durch iustrumentalis mit vorgestelltem abhängigen
genetiv: mcela gehrvyice ßeow. 2057.
5) 4n jedem jähre'
wird ausgedrückt durch den geu. von geltch mit vorgestelltem
abhängigen gen. jaro geliches Capell. 310a; HeL 3812.
6) 'an jedem morgen'
wird ausgedrückt: a) durch genetiv von gelih mit vorgestelltem
abhiingigeu gen. morgno gehw Ulkes Hei. 601; b) durch instru-
mentalis von gelih mit vorgestelltem abhängigen gen.: tnoma
gehtvylce ßeow. 2450.
7) 'in jeder nacht'
wird ausgedrückt durch nahiegelkhes Psalm VI, 7. Man sollte
erwarten nahtegelicher\ die form nahtegeliches ist wol nach
analogie von tagelichcs gebildet, beweist aber immerhin, wie
leicht bei den adverbialen bestimmungen, aber nur bei diesen,
das ursprüngliche genus des hauptbestandteils vergessen wurde.
BERLIN. ERNST HENRICL
ZUR ACCENT- UND LAUTLEHRE DER
GERMANISCHEN SPRACHEN.
IL Die behandlang unbetonter yocale.
In unserer ersten Untersuchung (Beitr. IV, s. 522 ff.) waren
vocalsyncopierungen einstweilen nur als ein kriterlum für
einstige unbetontheit der betreffenden silben verwertet worden.
Es genügte dort, nachzuweisen, dass überhaupt einmal irgend-
wo syncope eingetreten sei. Fragen wir aber nicht nur nach
den gesetzen des accentes, die es dort zu bestimmen galt, son-
dern nach der geschichte des vocalismus der ableitungs- und
endsilben überhaupt, so bedarf das Mher gegebene material
noch einer wesentlichen ergänzung und einer sichtung zum
behüf genauerer zeitlicher und örtlicher abgrenzung; namentlich
müssen auch die vocale unbetonter silben nach kurzer
Wurzelsilbe nun mit herangezogen werden, die oben ganz
ausser acht gelassen wurden, weil sie für die frage nach dem
tiefton nicht direct in betracht kamen.
Es wird vielleicht am geratensten sein, im anschluss an
das im vorigen entwickelte zunächst die geschicke der zwi-
schen hochton und tiefton stehenden vocale ins äuge
zu fassen, weil deren unbetontheit ohne weiteres gesichert ist.
Daran würden sich die vocale der endsilben, namentlich zwei-
silbiger Wörter, anzuschliessen haben, die nach dem oben (Beitr.
IV, s. 526 ff.) entwickelten in den meisten fällen ebenfalls für
unbetont zu gelten haben. Endlich wird auch die behandlung
ursprünglich dreisilbiger Wörter zu besprechen sein, welche
nach dem vocalischen auslautsgesetz ihren schlussvocal trotz
seiner ursprünglichen tieftonigkeit syncopieren.
64 SlEVEßS
Wir beginnen mit einer kurzen betraclitung derjenigen
Sprache, welche am stärksten mit den ableituugs- und eudungs-
vocalen aufgeräumt hat, des nordischen.
I. Altnordisch.
Hier gilt zunächst die regel, dass jeder ursprünglich
kurze (früh verkürzte? s. nachher) unbetonte mittel-
vocal in offener silbe unmittelbar vor dem tiefton
schwindet, und zwar zunächst ohne rücksicht auf die quan-
tität der hochtonigen silbe. Beispiele (nach dem folgenden
consonanten geordnet):
I. Es ist nur ein mittelvocal vorhanden gewesen i):
a) vor /: stur-ia, hynd-la C. 32 b-, yng-lingar, öb-Iingr C 32»;
die casus obliqui der substantiva und adjectiva auf -all,
-ill, -Uli mit vocalischer endung, C. 32 a. 33 b, W. § 37.
80: pimi'li, eng-li, kai-li, jok-li] gam-lir, lit-lir] neutra wie
öb-il, dat. zu oö«/; verba auf -la, wie hnup-la, grip-la,
C. 24 a.
b) vor r: die comparative mit /: dyp-ri, frem-ri, W. § 86;
die r -casus der adjectiva: blind-rar, hlhid-ri, blind-ra,
mib-rar, mib-ri, mib-ra] Wörter auf -arr und -wrr, C. 32»,
W. § 37: ham-rar, fjoi-rar\ neutra wie sum-ri^ verba auf
-ra, wie klif-ra, C. 24 a.
c) vor n: verba auf -na aus -inön, -andn, wie IwUna, C.
34 a (zusammengefallen mit den neutropassivis auf -wa);
Wörter auf -ann, -inn, -unn, C. 32 a^ W. § 37. 80: apt-ni,
drött'Hij him-7ü] morg-ni, jot-ni\ neutra mag-^ii^)] adjectiva
und participia heiö-tiir, op-nir, gef-iür^ lyg-ixir^ feminina
auf -ning wie hluttek-ning C. 31b,
d) vor s: feminina auf -^a, heil-sa, C. 32 b; desgl. verba,
hug-sa, hrein-sa, C. 24 a.
e) vor Ö: feminina auf Ö, d, t aus -iöa :dyp'b, maeg-Ö, C.32b;
neutrum hof-bi] sämmtliche schwachen praeterita der
*) Mit C. verweise ich im folgenden auf die reichhaltigen zasammen-
stellungen der Oatlines of grammar bei Cleasby-Vigfüsson, mit W. auf
Wimmers altn. grammatik.
^) Entsprechende feminina, wie ahd. lugina^ sind im nordischen
nicht von den Verbalsubstantiven auf -ni- zu unterscheiden (vgl. C. 31 ^
unten).
ZUR AGCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 65
ya-classe: tam-ba, äcßm-tSa nebst den entsprechenden
participien, tam-tSr, dosm-br (über talibr etc. s. unten 67).
f) vor ^: adjectiva auf -agr, -igr (früh verkürzt aus -igr'i\
'icffr, C. 36 b, W. § 80 B ; heilagr — hel-gir nebst subst
helgi, verb. helga etc., nautf-gir, hgf-gir] dazu die abs-
tracta auf -gi, C. 18 b, W. § 74, wie ggf-gi, grceb-gi, und
die verba auf -^a, C. 24», wie bl6b-ga, synd-ga] ferner
feb-gin, feti-gar, mcetf-gin, mceti-gur, syst-kin.
Femer ist die Verkürzung obligatorisch bei allen ur-
sprünglich kurzen vocalen in position, wenn alle
folgenden consonanten zur folgenden silbe gezogen
werden können. Dies gilt von allen mit s beginnenden
endungen; so den neutris auf -sl vfio pt/ng-sl, C. 33» und den
zahlreichen femininis auf -sla wie kenn-sla^ geym-sla, C. 31b;
den neutris auf 'Sn{i) Vfierosk-sn, fi/ig-snif C. 33»; den mascu-
linis auf -str, die sich an verba derya-dasse anlehnen, wie
lem-sir nebst deren ableitungen (lemstra verb.); endlich den
adjectivis auf germ. -iska-, nord. skr, wie Ban-skr, -lendskr,
heim-skr C. 34 » und deren ableitungen , namentlich abstracten
femininis wie gceti-ska, C. 32 b (über -neskja s. unten). In allen
übrigen fällen schützt position vor dem ausfall, d. h. überall
da wo das erste glied ein sonorer laut ist; es bleiben also
nicht nur die, wie wir oben gesehen haben, wol sicher tief-
tonigen vocale der bildung auf -m^, -ung nebst ihren verschie-
denen weiteren ableitungen, sondern auch die unbetonten
vocale der Wörter auf -^/« wie reykelsi^) (aus *reykisti, vgL
Beitr. IV, 532, und die eben genannten parallelbildungen mit
erhaltung der ursprünglichen lautfolge sl), C. 33»; auf -aldi,
'ildi wie digr-aldi m., pykkildi f., C. 32b. 33»; auf -am, wie
isam, akam, utidmn, ü. 33»; die sämmtlichen participia
praesentis und die ähnlichen bildungen auf -endi wie örendi,
und 'indi wie sannindi (ohne umlaut), C. 33»; die feminina auf
-yr^ja wie vargynja.
Die adjectiva 2Mi -dttr aus -oht (C. 33 b) scheinen den tief-
ton auf dieser silbe gehabt zu haben (daher auch im mhd.
0 Wenn nicht diese form, worauf das e vielleicht hinweist, erst ans
*reyk'Sli entstanden ist, d. h. el ursprünglich nur silbenbildendes / war.
BeltrMice sur getohlclite d«r deutkoheii ipnohe. V. 5
66 SIEVERS
noch oft erhaltung des o). Sie fallen also nicht mehr unter
unsere kategorie.
Ursprünglich lange oder doch erst spät ver-
kürzte vocale scheinen zu bleiben; in betracht kommt
aber eigentlich nur 6, das sich teils als o, teils als o, u erhält;
zum ersten gehören die substantiva auf -abr und -naör wie
mänabr, hünatir, C. 31b und die praeterita und participia
praeteriti der verba auf d, kallaba, kallatir\ die comparative
und Superlative auf -ari und -astr und die feminina auf -an,
C. 31 a; zum zweiten die feminina wie orrosta, pjdmista, C.
32 b. Durchbrochen wird diese regel allerdings durch die grosse
masse der schwachen genitive pluralis wie tung-na. Da die-
selbe anomalie auch im ags. (und alts. ?) vorliegt (ags. sealfode
:tung{e)na), so wäre es nicht undenkbar, dass in diesen
sprachen, abweichend vom hochdeutschen (Beitr. IV, 531)
das 6 tieftonig gewesen wäre. Dann wäre vielmehr der aus-
fall in offener silbe auch bei ursprünglicher länge das regu-
läre, und wir gewönnen voUkommnere Übereinstimmung mit
der entwicklung der unbetonten t, deren frühere Verkürzung,
die oben s. 65 zweifelnd angenommen wurde, an und für
sich nicht erklärlich erscheint Die legel hätte dann so zu
lauten, dass auch ursprüngliche länge in offener silbe
stets ausfällt, in positiou stets bleibt (also auch vor
st). Am schwierigsten sind die comparative auf -ari] nach
ags. beorhtra etc. ist man geneigt, bei diesen gemeingerma-
nische Schlussbetonung anzusetzen, und das hätte im nordi-
schen einfaches -ri ergeben. Es bliebe noch der ausweg
übrig, beeinflussung durch den Superlativ, oder speciell nor-
dische betouung des o auch hier anzunehmen, aber fdr keine
von beiden deutungen weiss ich im augenblick eine absolute
Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, und es ist geratener, diese
frage lieber in suspenso zu lassen, und das um so mehr, als
der einzige diphthong, der unter die eben behandelte kate-
gorie fällt, das di der schwachen verba, ebenfalls keine be-
friedigende auskunft gibt. An seiner stelle erscheint nur in
den participien ein vocal, vakai etc., das praeteritum vaktfa ist
von einem der ya-classe nicht zu unterscheiden. Ob hier rein
lautliehe entwicklung vorliegt oder anlehnungen an die Ja- und
blasse vorgenommen sind, wird schwer zu entscheiden sein.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 67
*
Als grössero ausnahmen von diesen regeln erscheinen so-
dann auf den ersten blick 1. die kurzsilbigen participia prae-
teriti wie ialibr] 2. Wörter wie ai^ili, heimili] 3. die nomina
agentis auf -eri, jünger -ari (W. § 64, anm. 2); 4. die ad-
jectiva auf -neskr nebst den zugehörigen femininis vMi-neskjcL
Aber auch diese lassen sich wol entfernen. Die erstaufgeführ-
ten formen sind jünger als die nebenher gehenden wie taltiry
das } ist ^nicht der alte ableitungsvocal, sondern erst später
Zusatz; das zeigt vor allem der mangel des umlauts in der
Stammsilbe. Das unter 2. und 3. aufgeführte gehört vielleicht
zusammen. Von den nominibus auf -eri ist es an sich zweifel-
haft, ob sie auf älteres -ari oder -äri zurückgehen; möglich
auch, dass der vocal a hier tieftonig war (vgl. Beitr. IV, 529).
Doch ist das fttr uns gleichgültig, wenn die regel über den
ausfall der längen in der form wie sie zuletzt gegeben ist, zu-
trifft. Der eigentliche grund für die conservierung ist dann ein
anderer. Alle jene Wörter sind ursprünglich stamme auf -ja
oder 'Jan {W. a. a. o. und § 66) ; das J des Suffixes half hier
mit Position bilden, wie bei den femininis auf -i/rya, oben s. 65.
Was endlich das -neskr, -neskja betrifft, so ist es möglich, dass
diese ursprünglich nicht zu unserer reihe gehörten, sondern
tieftoniges sufiix hatten; denn mit ausnähme von manneskja
und fomeskja (bei denen der mangel des umlauts, namentlich
bei dem ersteren worte, dem mennska f. zur seite steht, den
verdacht jüngerer bildung erweckt) stand das suffix wol stets
ursprünglich in dritter silbe: viUneskja etc. Wir hätten dann
eine analogie zu der verschiedenen behandlung des gen. pL
auf 'ono bei Otfrid, der Beitr. IV, s. 537 erwähnt ist. Hier-
fftr spricht namentlich eine bildung wie him-neskr aus *himi-
niskazy aus dem ohne anstoss ein *himinskr hätte werden
können (nach der unten zu erörternden regel über die behand-
lung unbetonter doppelsilben), wenn die betonung -niskhz ge-
wesen wäre. Will man das nicht zugeben, so darf man die
erhaltung des vocals der vorausgehenden schweren consonant-
gruppe zuschreiben; dies ist aber an sich weniger wahrschein-
lich, da doch formen wie fiflska, fegrsir gebildet werden. ^)
*) Uebrigens können diese bildungen gewis im ganzen kein hohes
alter beanspruchen; sie müssen meist nach der analogie weniger worte
5*
68 SIEVEBS
Es bleiben ahdann nur noch ganz vereinzelte ausnahmen
übrig, für die ich keine erklärung weiss. So die Wörter
arfuni, sifuni, Beimuni, die C. 32 a aufgeführt und die mir ety-
mologisch nicht klar genug sind, um über die ursprüngliche
Quantität des mittelyocals urteilen zu können; sodann das
adjectiy heimill oder heimoll, welches nicht zusammengezogen
wird (W. § 80 A, anm. 1 ; die etymologischen versuche bei C.
250 a- b machen die ausnähme noch nicht erklärlich) und einige
schwankende adjectiva, wie heilagr, vesall und ymiss (W. § 80
B; A anm. 1), deren längere formen nach Cleasby - Vigfiisson
s. vv. zum teil speciell moderneren gebrauchs sind ; ferner was
W. § 37 anm. 4 gibt, etc.
IL Es sind zwei mittlere silben vorhanden gewesen.
Hier gilt als regel, dass der vocal der zweiten silbe syn-
copiert wird; ich ftihre, da sich die oben sub 1. gegebenen
fälle einfach der reihe nach wenn auch in sehr beschränktem
umfange widerholen, nur wenige foimen an: mit /; gamcU-lar,
'li, 'la, gamal-i] mit n: heibin-nar etc., heibi-t für *AeiÖm-/;
mit g : gg/ug-rar etc. , gg/ug-t u. s. f. Die comparativformen,
die unter 1. ein beträchtliches contingent stellten, fallen hier
fast ganz fort, da neben einzelnen Wörtern wie gjgfull und
svipally welche zum teil gjgful-U, svipuNi bilden (W. § 88 c,
C. 20») die meisten zweisilbigen adjectiva ihre Steigerungs-
formen auf -ari bilden, d. h. unter classe 1 gehören, wenn in
gebildet sein, denen das n stammhaft zukam, wie etwa himn-eskr ; solche
wie jartineskry goineskr müssen trotz nebenher gehender an-stämme
schon spätere biidungen sein (cf. ahd. irdisc, frenkisc etc.)« Man kann sich
übrigens schwer der vermutnng entschlagen, dass jene abstracta anf
-neskja ihr dasein einer Vermischung zweier suffixe verdanken. Die im
got. und westgermanischen so stark entwickelte endung -nassus, ahd.
-nessi, ags. nes fehlt im nordischen gänzlich (gramm. II, 326). Sollte
sie nicht in jenen -neskja mit aufgegangen sein (man denke an parallel-
bildungen wie alts. hithinussia und adj. hithinisc; got fraußnassus and
ahd. frdnisc\ doch ist das letztere wol erst spätere bildung). Es be-
durfte nur eines mit an lehnung an die schwache declination gebildeten
*'nessja (vgl. das alts. hSthinussia etc.) neben adjectiven auf -(«)<?5/rr, um
die Vermischung sehr nahe zu legen. Damit wäre auch die Schwierig-
keit wegen des vocals gehoben, da wir dann nicht nur tieftoniges suffix
(Beitr. IV, s. 529), sondern noch dazu vocal vor ss^ d. h. in absolut
schützender position, bekämen.
ZÜB ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 69
der tat hier das a tieftonig war. Die adjectiva auf -ligr, die
zum teil im comparativ -lig-ri haben {maklig-ri W. § 87),
können doch als composita nicht eigentlich hierher gezogen
werden.
Es sind also überhaupt nur wenige unbetonte mittel-
vocale, welche sich im nordischen erhalten, eigentlich nur die
vor liquida oder nasal -f consonant (s. 65) und die zuletzt be-
sprochenen. Wie sich aus den angeführten beispielen ergibt,
geschah der ausfall sowol nach kurzer wie nach langer Stamm-
silbe ; aber es findet, wie sich alsbald zeigt, ein chronologischer
unterschied bezüglich der syncope statt Voraus gieng die der
mittelvocale nach kurzer Stammsilbe; sie fällt zum teil
vor den eintritt des i-umlauts, denn ein an dieser stelle ge-
schwundenes } hinterlässt meist keine einwirkung auf den
vorhergehenden vocal, während lange silbe stets umlaut er-
fordert. Diese regel triflFt überall zu bei den kurzsilbigen
verbis der ja - classe (ial-Öa etc.) , aber auch in vielen andern
fällen; man vergleiche z. b. Stur-la : hynd-la; ketillj kat-li ;
lykillj luk'lar; megin, mag-ni; regln, rag-na etc. (W. § 37 anm.
1. 2): kyndill, kyndlar; engill, englar; von adjectiven dan-skr,
val-skr (jünger, wegen der gebrochenen vocale, sind skot-skr,
hret-skr) gegen islend-skr, scen-skr etc. (freilich auch gaut-skr
u. ä.). Umlaute kurzer Wurzelsilben scheinen nur vor guttu-
ralen regelmässiger einzutreten, vgl. geg-num^ heg-la, fek-ning]
das vergleicht sich dem dat. degi und den participiis wie
tekinn, W. § 121. Alles zusammengefasst wird man wenig-
stens zugeben dürfen, dass die regel vom früheren ausfall des
} nach kurzer silbe noch an hinlänglich vielen stellen erkennt-
lich ist; freilich ist, namentlich auf dem gebiete der nominal-
bildung und nominalflexion , vieles durch ausgleichung und
analogiebildungen verwischt worden.
Ein wesentlich anderes bild gewähren die westgerma-
nischen sprachen. Diese haben nicht nur eine menge ur-
sprünglicher mittelvocale erhalten, sondern die anzahl dersel-
ben noch durch die entwicklung zahlreicher 'irrationaler' vocale
(svarabhakti oder wie man sie sonst nennen will) aus früher
silbenbildendem Sonorlaute wesentlich gesteigert. ^) In vielen
*) Ob wirklich entwicklung eines vocals anzunehmen ist oder das
70 SIEVERS
bcziebtiDgen werden diese neuen laute mit den ursprfinglichen
kfirzen gleich behandelt; ein ags. wocres ist z. b. im typus
einem dtires yoUkommen gleich^ obwol wdcar neuen, Sber alten
Toeal hat. Doch soll hiermit nicht gesagt sein, dass etwa
wdcres aus *w6cores gedeutet werden müsse; im g^enteil, es
ist am wahrscheinlichsten, dass es directe fortsetzung der alt-
german. form *wdkres ist; aber praktisch lässt sieh die zu-
sammenbehandlung beider reihen durch den gewinn rechtfer-
tigen, den die bequemere Übersicht gewährt
IL Angelsächsisch.
Das angelsächsische hat seine unbetonten mittdvocale
unter den westgermanischen sprachen am consequentesten be-
handelt, wenn wir von der spräche der ältesten denkmäler
abseben, in denen die später waltenden gesetze noch nicht
völlig zum durchbruch gelangt sind. Indem ich diese ältesten
denkmäler, schon wegen der unzugänglichkeit eines grossen
teiles des materials, einer andern Specialuntersuchung über-
lassen muss, beschränken sich meine angaben im folgenden im
wesentlichen auf den in Greins bibliothek gegebenen stoflf, der
indessen mehr als ausreichend ist, um die nötigen regeln zu
abstrahieren. Innerhalb dieses gebietes gelten nun folgende
bestimmungen :
I. Einzelner mittelvocal (vgl. s. 64).
A. Nach langer Wurzelsilbe.
1. Jeder nicht durch position geschützte ur-
sprünglich kurze vocal wird (stets vor /, r, weniger regel-
mässig vor nasalen und anderen consonanten) syncopiert
und es tritt nie irrationaler vocal ein. Beispiele:
a) mit /: Ät-la^ Hrcbd-la, atimed-la, ofer^ed-laj mänfbrdcbd-la,
genW-la, predn^d-la, gettht-la^ gescirp-Ia] me6w-le\ atrend-lian,
nist'lan] ferner die mehrsilbigen formen und ableitungen
von ^) a) eöel, Hrei5el, tdely middel; enget, grindel, grendel,
geschriebene vocalzeichen eventuell nur silbcnbildende function des
sonorlants anzeigen soll) soll hier nicht untersucht werden.
*) Ich bezeichne im folgenden mit a) die Wörter mit sicher altem,
mit b) die mit neuem oder zweifelhaftem mittelvocal.
ZÜEACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 71
swingel, symbel^), wyrpel, pistel] deöfol] b) ädl (adle), nä:dl,
widl, spätl (spätlian)] dpgol, cndsl, hüsl, süsl] säwol\ eaxl, tvrixl
{gewrixle, gewrixlan)] äppel, cumhol, iempel, Engle^ iungel, pancol,
Wenälas {WendleT), turtle \ ich habe an belegten formen
ohne mittelvocale (nur im nom. bei Grein belegte werte, wie
fengel, gangol, pengel sind nicht aufgezählt) bei Grein ca. 570
gefunden; an ausnahmen 13, nämlich Stiele Gen. 63. Sat. 108.
GfithL 248. Pß. 68,23; dedfoles Crist 1537; /ifela Wald. 2, 10;
idele Hymn. 7, 108; särvele B. 1742; stapele Aelfr. tod 19;
endlich Grendeles B. 2006. 2118. 2139. 2353 (alle bei dem
zweiten Schreiber, der nlir zwei mal Grendle{s) setzt, 2002 und
2521 ; der erste hat ausschliesslich, 19 mal, die letztere form).
Die fremd Wörter apostolas Sat. 571. Men. 122, circule, Men. 67
bilden nicht eigentliche ausnahmen.
b) mit r: die r- casus der adjectiva und die umlautenden
comparative; die neutra pl. auf rw, wie lambru, cildru'^)] ferner
die casus obliqui und ableitungen von a) edwer, incer, uncer,
6ber{?y fyr'bran, b) &dr, cbdre^), hlcbder, ncbdre, /ödor, hädor
(hcbdre), bröbor, hroÖor, hledtior, hreöer ^), prireÖre^ ätor {cetren),
bitter, h^üttor, snoitor, tuddor] dogor, gedcor, rvöcor\ geömor\
äfor^), dbfre^ noefre, ^fre, s^fre, frofor (frefran), bfor\ ealdor,
gealdor, scuidre, wuldor] gieridran, sundor, wandrian, wundrian\
beorbor, corÖor, morÖor] tealtrian, winier\ dohtor, hleahior,
leahtor, suhiriga\ ceaster, clüstor^ eästor, geoslra, p{r)edstre,
bolsier, heolstor, winster, mynster\ finger, gingra, hunger, lufigre,
ancor] brember, lambor, timber, clympre, heolfor, seolfor. Hier
zählte ich mit ausschluss der r- casus der adjectiva und com-
parative bei Grein ca. 1670 mal ausstossung des vocals; an
ausnahmen fanden sich vereinzelt ^fere Wr. gloss. 50, geömore
^) Alts, sumbal, wie Heyne ansetzt, ist falsch, es mass sumbil
heissen oder wir haben einen neutralen t-stamm * sumbli- an/.aset%en.
') In hrytieru, das seinen vocai meist bewahrt, scheint Verkürzung
der Stammsilbe eingetreten zu sein; sonst wäre auch die nebenform
kru75er, welche Lye mehrfach belegt, nicht wol erklärlich.
^) Nicht (ßdre, hre75er, wie gewöhnlich angesetzt wird; kurzsilbige
Wörter dieser form müsten bei der häufigkeit ihres Vorkommens neben-
formen wie *cedere, *hret5eres aufweisen, wie sich unten ergeben wird.
*) Nicht afory wie Grein ansetzt; das wort ist doch gleich ahd.
eibar Graff I, 100; ebenso hlcbder = ahd. hleilra.
72 SIEVERS
B. 151, geomuru B. 1075, mynsterum Guthl. 387, btiere Gen.
1805. Andr. 689, sylfore Rats. 15, 2; fedtvere Rats. 37, 3, rvtä-
dores Sal. 112; ferner 16 mal ddgores etc. gegen 11 mal
ddgresy 19 mal bitere{s) und 10 mal snoteres etc. {snyteru).
Was es mit dem auflFälligen dogor für eine bewantnis hat, ver-
mag ich nicht zu sagen; erklärlich sind die ausnahmen bei
bitter und snottor, die ja ursprünglich kurze Wurzelsilbe haben.
Im ganzen also bleiben 9 eigentliche ausnahmen, denn das
regelmässige cäsere ist als fremdwort auszuschliessen«
c) mit m: cbdm, hösm, mdbum, hldstm {bldstma), breahtm, tveesim,
wcesma (zu ahd. uuahsamo). Stets ausgenommen ist fultum, das
überall unversehi-tes u zeigt, auch in der ableitung fliUumian
(weil das u tieftonig war?); schwanken herscht bei den Super-
lativen auf -ema, -emest : nort5mestan Metra 9, 43, rvestmest ib.
16, 11, ^ttnest Guthl. 414. Metra 10, 25; aber hindema B. 2049.
2517, ^temest Güthl. 1140. Crist 880 (viele andere beispiele
dafür gibt Lye s. vv.);
d) mitw: Hier finden sich grössere Unregelmässigkeiten. Die
regel, dass nie irrationaler vocal eintrete, trifft zwar hier stets
zu: vgl. bei Grein bedceuy fäcen nebst fcbcne, fr Seen und frScne,
gcbsne, l^gnan, täcen mit täcnian und tcecnan, w(^pen, rvolcen,
tvräsn, tvrcbsnan, fiersti] unter diesen finde ich ausnahmsweise
nur gesine Ex. 528; regelmässig erscheinen ohne mittelvocal
die verba SLut -nian, mögen sie auf germ. -inon oder -andn zu-
rückgehen oder den ostgerm. SLuf -fiati gleichkommen (Zimmer,
Haupts zs. XIX, 416 f.), vgl. ägniauy bäsnian, brytnian, costnian,
eristnian, drohinian, edcnian^ einian, fcestnianj hceftnan, hyrcnian,
läcnian, molsnian, onhohs7iian, wäcnian nebst wcecnan, mtnian\
femer unterliegen der regel die Wörter dryhten (ausser Gen. 17.
Sat 44. 164. Ps. 68, 37. Hymn. 7, 98. 9, 30), eilen, pedden]
B,\ich fckmne darf wol hierhergestellt werden; dagegen schwanken
die substantiva cefen, morgen 9, cristen {neten mit urspr. endung
-m?), forsten n., die participialadjectiva dgen^ edcen (sowie hcbben)
und alle participia praetenti, welche namentlich in jüngeren
denkmälern die erhaltung des e vorziehen; aber ältere sorg-
0 (Bfen und morgen schwanken auch nach der analogie der
feminina auf -en aus -tn/a, wie ftesten, gymen, Uncten, mergen, wSsten,
fvyfgen, haben also nn in den casus obliqai.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 73
fältige hsa, z. b. die der Cura pastoralis, lassen auch hier das
gesetz erkennen. Der spätere zustand ist wider das product
einer ausgleichung. (Die adjectiya auf -en aus 4n s. weiter
unten.) Die acc. sg. m. der adjectiva haben regelmäßsig -ne,
blmd-ne etc.
e) mit^: Die regel ist durchgeführt: bRt^-s, mild-s, ^Al-sa]
verba hledrsian, htib-sian, clcen-sian, fckl-sian, ^tsian, häl-sian,
mtkr-sian, mild-sian, min-sian, ric-sian, sum-sian, yr-sian,
f) mit p: die feminina auf -Ö(m) aus -ipa, belege s. Beitr.
I, 501; unregelmässig eahtotia =- got ahtuda^)\
g) mit d: heäfod, mied (nicht heafod, celed, ygl. s. 71 anm. 3
und Schubert, de Anglosax. arte metrica p. 30 f.) und alle
praeterita und flectierten participia praet. der langsilbigen verba
der ya-classe. Von diesen sind meist ausgenommen diejenigen
verba, die auf muta + Sonorlaut ausgehen: frifredest Ps. 85,
17, afrefrede nom; pl. pari Ps. 125, 1, Ipgnedan Crist 1120,
atydrede desgL El. 1279, efhede Dan. 183. El. 713. Ps. 98, 8,
arefnede Ps. 68, 21 neben häufigem e/hrfe, refnde^ s. auch Bege-
mann, schw. praet. 126. — Subst ausnähme hobmede{s) Metr.
18, 2. 10, iceppedu Lye.
h) mit t finde ich nur das beispiel yl/'etu, ylfete (mit erhal-
tung des mittelvocals), denn bei den verbis auf -etan aus ur-
sprünglichem -atjan (gr. II, 218) und Substantiven wie tijfite (gr.
n, 214. 220) waren die mittelvocale durch position geschützt
(daher auch noch oft genug formen mit ti, das freilich meistens
durch die accentlosigkeit seiner silbe zur einfachen tenuis
herabgesunken ist, s. Beitr. IV, s. 537).
i) mit g gehören hierher die adjectiva auf ursprüngliches
-ag, denen die auf -xg im ags. gleich behandelt werden. Bei
beiden classen stehen volle und gekürzte formen in nicht sehr
verschiedener anzahl einander gegenüber, doch so dass die län-
geren formen noch das übergewicht behaupten. Die abgelei-
teten verba auf -bn ziehen dagegen wie es scheint die gekürz-
ten formen vor, indem die schwere endung mit grösserer ent-
schiedenheit den tiefton auf sich zog als die adjectivischen
*) Hier mag teils die consonanthäufang schützend mitgewirkt haben,
teils streben nach dentlichkeit, denn da iti im ags. einfaches t ergibt,
wäre bei syncope des mittelvocals die Ordinalzahl mit der cardinalform
eahia zusammengefallen.
74 SIEVERS
flexionsendungen: Halfan, ^emcktgian, gemebgian, mödgian, mynd-
gian, särgian, wiigian] an ausDahmen habe ich aus Grein nur
notiert oriRbigian Sal. 256, ofermddigan Ps. Th. 9, 11. Metra
17, 16 {mtigati Dan. 480?) — üebrigens ist es hier sehr
schwer zu sagen, ob ig hier wirklich vocal + cons. oder nur
den cons. j ausdrücken soll.
2. Position schützt im allgemeinen gegen den
ausfall; so bleiben unversehrt die adjectiva auf -isc wie
entisCy mennisc (mehrsilbig eotonisc] in der poesie sind übrigens
diese adjectiva nicht häufig); dazu subst mennisc, cewisce, htwisce
Lye; die meisten Superlative auf -est(a)f wie okresta, yldestOy
sirengesta, bei denen syncope erst spät eintritt; doch stets
h^hsta, n^hsta] ferner immer unverkürzt eomest, htBrfest, hm-
gesty schwankend öfost nebst efstan (dies regelmässig so) und
okfest, merkwürdigerweise stets verkürzt fylst und fylstan, ob-
wol hier alte länge vorzuliegen scheint (ahd. folieist, doch auch
alts. fullist. Unbedingt schützt wie im nordischen (s. 65) Ver-
bindung von Sonorlaut + consonant: fcereld, pyrscwold] fcbtels,
wrigels (vgl. auch bridels\ die übrigen gr. II , 334 angeführten
Worte nur bei Lye belegt); ferner die part. praes. und flec-
tierten infinitive, sowie die feminina auf -el, -en, gen. -eile,
-enne, wie condei, rcbdelle, hyrben, -rceden, mergen (Beitr. I, 492).
3. Auch alte länge wird in offener silbe öfter
syncopiert. Hierher fallen die bereits erwähnten adjectiva
auf 'ig aus -ig, die auf en aus -in : cbren, f^ren, hcbrven, hmlen,
Ickmen, stcbnen (syncope belegt durch /pmwm Crist 733. Panth. 60.
Andr. 1380 hmlnan Walf. 87, sicenne acc. sg. f. Crist 641);
desgl. subst. moegden (sync. mcegdnes Jul. 608); ticcen Lye.
Auch im schwachen gen. pl. ist ausfall gestattet: ärna, läma,
edrna, Seaxna, wisna, sorgna, edgna, Francna, Myrcna, Heatio-
heardna (also besonders nach r, s und gutturalen?) In den
adjectiven eds lerne, nor^erne, sütieme, westeme aus -oni ist ent-
weder ebenfalls syncope oder metathese eingetreten. Altes -oö
schwankt in m6nati\ von folgotiy innab, langob, earfot5 {earfetie)
finde ich nur volle formen, ebenso bei denen auf -noti, gr. II,
254 f., und änad, huntod, sowie den verbis der o-classe und
den Superlativen auf -ost. Hier mag die conservierung ihren
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 75
grund vielleicht in der tieftonigkeit des vocals haben (s. 66);
aber auch sonst scheint die syncope auf solche fälle beschränkt,
wo nur sehr einfache consonantgruppen durch sie erzeugt
werden.
B. Nach kurzer Wurzelsilbe.
1. Ursprünglicher^) mittelvocal wird erhalten:
a) vor /: in Amuling, geedeling; adela, FUela, gerela, heafola,
neafola, hyrele, pecele; in den mehrsilbigen formen von atoi,
Eatul, esoly fetel (gafol), gamol, hamol (in hamelian), stabolj sta-
pol {sotol, swat5ol, stveobol, srveotol), srvicol, regol, tigol (nebst
iigele), yfel an ca. 440 stellen. Doch schwankt zur syncope
von diesen yfel (47 mal mit, 34 mal ohne vocal, wahrschein-
lich wegen des /; s. unten s. 77 flF.), und byrele] einmal steht
gesTveotlad Rats. 81, 18; tigla Wr. gl. 38. Stets syncopieren
lytel und bridel, nur Dom. 8 steht einmal lyiulu; aber ahd.
luzzil und hrittil (häufiger als hritil, Graflf III, 209) weisen hier
auf geschärften consonanten hin, der positionsbildend wirkte;
femer micel ausser Men. 124. Ps. 67, 18. 111, 6. Hymn. 7, 94
(alles junge quellen), ysle 6 mal, mynle 1 mal, neorvol 16 mal
{neowles und nedles, also etwa neörvol anzusetzen) und acol, das
gewöhnlich mit kurzem a angesetzt wird, dem man aber eher
ä zuschreiben darf, u. s. w. Das fremd wort tcefle halte ich nicht
für eine ausnähme, da es jedenfalls aus einer bereits verkürz-
ten vulgärform * i^at;/a herübergenommen ist; *t(wula hätte not-
wendig *teafol{e) ergeben müssen. Ueber zweifelhaftes s.
unten.
b) vor r: eafora, higora, u/era, genitferian, smicere{?), Wede-
ras, ferner ceafor, eodor^ eofor, fetor, hamor, heat5or, rodor,
Tvelor{as); nicor; sigor, salor, teapor, zusammen gegen 300 mal;
ausnahmen eafrum Gen. 399; feire 6n. ex. 76, heatfre Rats.
6ö, 3 (?), geheabrod El. 1276, homra Jul. 237, nicras B. 1427,
*) Die ursprünglichkeit derBelben ergibt sich 1) aus dem auftreten
zweisilbiger nom. m. mit vocal in der scblusssilbe im got. und nord., wie
aiaü\ 2) ans dem auftreten von ahd. alt«, t^ u in der ableitungssiibe, wie
in fezzily zugleich am eintritt des t-umlants im ags. ersichtlich; 3) ans
dem eintritt der ti- umlaute im ags. oder der beibehaltung der a. Oben
sind diejenigen worte in klammer gesetzt, flfr welche Zeugnisse ans den
verwanten sprachen nicht zur band sind.
7f, SIEVEBS
rftdr^M Metra 28, 3* Rät«. 14, 7, za9ammea 8. Eine ganz sin-
IpttUre KtcUung nimmt diesen g^^iflber kma^fer nebet seinen
eftmffimliiä und dem ady. kwc^ere ein; man sollte hier nach
$4^, hvapar conM^uent dreisilbige formen erwarten, nnd doch be-
leih Oreln zweisilbige formen an 70 stellen, dreisilbige, aller-
dings nicht ganz Tolktändig, an 26 stellen. Eine begrflndete
erkilirung fXix diese erscheinung kann hier noch nicht gegeben
werdiE^o, doch mag schon jetzt darauf hingedeutet werden, dass
man vielleicht das got -or f&r speciell ostgerm. form halten
darf, zumal a doch nicht regelmässiger yertreter des hier zu
recht bestehenden europ. t (xatsQog) sein kann. Dann fiele
hnfwtier zu der classe der worte mit irrationalem vocal, und
damit wäre zugleich der auffällige vocal (e erklärt Diese auf-
faiwuog wird ausserdem durch das verhalten von ahd. ander,
alts, ötiar bestätigt, worüber weiter unten das nähere. — Eine
wirkliche ausnähme bilden die r- casus der adjectiva und die
Gomparative, die beide übrigens nicht sehr häufig sind; bei
Grein finde ich nur gromra, tmseedre, tilra, blacra (Crist 897,
das a zu beachten), doch auch blacere SaL 27; für den comp.
gladra, hreedra, hwceira, wcerra, dazu aus Lye Icetra und
tleacra; nur hetera wechselt mit hetra ab (s. Superlativ). Da
sich dieselbe Unregelmässigkeit auch im acc. sg. hl widerholt
(bei Grein sind belegt gkedne, hildescedne, iilne), so darf man
wol an einen einfluss der überwältigenden masse der langsilbi-
gen adjectiva denken.^
c) vor m : meodum, watium, watiuma, sodann die Superlative
nitiemest, yfemesl bei Grein, dazu .aus Lye leetemest, medema,
medemest nebst den ableitungen medemian, medemung, und tveo-
ioma\ nur einmal yfmesi Metra 24, 20.
d) vor n: %\\h^i.gamen; Heodeningas, Bryteti, Eotenas, eoton,
geofon, hiofon; cylene, q/men (Lye), firen, gyren, Hageiia, pecen
{pigefi, lufen)^)\ adj. open, recen nebst dem adv. recene, dazu
nlgon, seofon; verba gedafenian, hafenian, glitinian, opeman,
gerecenian, ieo/enian, gepawenian, rvarenian (letztere geschieden
0 f^ive und dryge^ von denen nivne, nivra und drygne vorkommen^
sind wegen der ansicheren quantiült des warzelvocals ausser acht
gelassen.
') iyg^^ ist nicht echt ags.» s. meine sohrift: Der Hei. and die ags.
Genesis s. 11. 35.
ZÜB ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 77
Yon den verbis auf einfaches na^ b. unten); zusammen ca.
240 mal belegt-, dazu kommen noch alle kurzsilbigen par-
ticipla praet. der starken verba, die als nichts beweisend
(s. 72) hier übergangen werden können. An ausnahmen finde
ich fimum Sat 128. 435, dafnati Wr. gl. 40 (dass hier der aus-
fall nicht alt ist, zeigt das a der Wurzelsilbe), {and)leofne Gren.
933. Phon. 243. Andr. 1125, wenn dies wort = got libams ist,
endlich 28 mal heofnes etc.; nämlich 17 mal in der Genesis
(und zwar fallen 13 stellen in das von mir als ursprünglich
deutsch ausgeschiedene stück B, das nur etwa 600 verse um-
fasst), 7 mal im Satan; sodann in der späten hs. B des Sal.
37. 40 und Crist 778. Zweifelhaft bin ich über die Stellung
von fm^en (nebst fce^nian etc.) und meegen, welche meist das e
nicht zeigen; dazu treten ^e^ in tdgegnes u. s. w., regnian,
renian = got. raginön und segne = lat sagena, welche nie
ein e aufweisen. Nach got. faginbn^ altn. fegirm, altn. ahd.
megin, altn. gegn, ahd. -gegin mit umlaut u. s. w. sollte man
hier ursprünglichen vocal und also conservierung erwarten.
Wenn dies richtig ist (was freilich bei der noch sehr zweifel-
haften geschichte der ersten beiden worte noch keineswegs für
ausgemacht gelten kann, s. unten 8.79 anm. 2), so müssen
diese formen wol nach der analogie der praeterita legde, scegde
beurteilt werden, welche ebenfalls unregelmässig ihren vocal
nach g ausstossen (s. auch unten g). ^) Im schwachen £:en. pl.
finde ich nur -ena, nicht -^na wie teilweise bei den langsilbigen
(s. 74): hanena, rvilcvmena, dropena, Gotena, gumena, wcerlogona,
rvelena, tvitena; carena, /remena, gifena u. s. w. (vgl. Beitr.
I, 489); ausnähme Fresna.
e) vor s: adesa, egesa, segese, yfese (Leo 69. 465), cyfes Lye
und die mehrsilbigen formen von ides nach der regel, doch
auch oft egsa, egsian Grein I, 221 f. (wider mit g). Von verbis
fallen hierher die neubildungen gemeisian und tvansian, das ich
nur mit einer stelle bei Lye belegt finde (altes -ison hätte um-
laut hervorrufen müssen), welchen sicher langsilbige typen zum
muster gedient haben; hlynsian und svinsian dagegen scheinen
wirkliche ausnahmen zu sein (wenn sie nicht urspr. 7in hatten).
^) Die auBnahmen beschränken sich also im wesentlichen auf das
zusammentreffen des n mit den tönenden Spiranten f und g ; beide Ver-
bindungen sind auch sonst im ags. häufig, s. unten s. 80.
78 SIEVERS
f) vor p: Heerebas, pfetie, h(eleb; nlgot5a, seofoba, äugob,
geogob] daroö, eafdtiy faroti, fracoti, oraiS, seoloÖ, seonoti, sweo-
lob (also nicht swedlotS, das wort gehört zu stvelan), waroö ;
ausgenommen drei beispiele von gekürztem oraö (darunter eins
im nom.), die Grein II, 357 aus prosaquellen anführt und das
schwankende mcegeb mit tiberwiegen der gekürzten formen und
Gefbas; hier scheinen abermals die g und / massgebend ge-
wesen zu sein ; ferner die substantiva /rymb, genuegb (? , poten-
tia Lye, einmal), selb, gesihb, tilb ^) (das letztere nur 2 mal bei
Lye belegt). Diese sind nach analogie der kurzsilbigen ad-
jectiva (s. 76) als anlehnungen an die zahlreichen langsilbigen
feminina auf -b{u) zu betrachten. Die geringe zahl dieser aus-
nahmen schmilzt aber noch mehr zusammen, wenn man er-
wägt, dass selb nur einmal in dem deutschen stück der Gene-
sis, V. 785, das gleichbedeutende geselb nur einmal in den
Metra bezeugt ist, die wir nur aus späten abschriften des ver-
lorenen Originals kennen, und den verdacht erweckt, dass es
nur fehlerhafte Überlieferung für geseid sei, welches neben dem
reichbelegten seid und ableitungen nicht auffallen kann. Von
gesihb hat bereits J. Grimm gr. II, 233 bemerkt, dass es fehler-
hafte Schreibung für ht habe, da eine germ. bildung auf -ipa
hier fehle; wir werden diesen ausspruch nur dahin zu modi-
ficieren haben, dass lesihb für *gesiht eine anlehnung an die
&- feminina sei. '
g) vor d: eced, rceced, nacod, meotodj tveorod, Winedas {forod,
witod pai-ticipia? Grein I, 329. II, 726 s. v. vitian) stets nach
der regel'); ebenso die schwachen praeterita, ausser legde,
sceide, deren anomalie bereits besprochen ist, und mehrere
verba auf k, t, d, l, welche ihr praeteritum nach art der lang-
silbigen bilden, wie reccan reahte, settan seile, treddan tredde,
tellan tealde, s. gr. I, 904. Begemann, schw. praet. 125 ff. und
unten lU, I, B und IV.
h) vor t: eo/bt, ganot, oret, srveofot, monetian; das fremdwort
mynet nebst mynetian, mynetere in zahlreichen beispielen bei
0 hygtSy das gr. II, 245 angeführt wird, finde ich nicht in den
lexicis, die nur hygd = got -hugds kennen.
*) fremde = got. fr amaps dagegen weist ein e nur äusserst selten
auf, Ps. 80, 9. Sal. A 34.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 79
Lye, alle nach der regel {myntan Grein II, 271 'es auf etwas
gemünzt haben' gehört nicht zu mynet und überhaupt nicht
hierher); nur heorot zeigt wie im nom. so auch in den mehr-
silbigen casus öfter kürzung, Grein II, 69. 787.
i) vor g: Hier sind die erscheinungen ebensowenig sicher
abgegrenzt wie bei den langsilbigen worten (oben s, 73); die er-
haltung überwiegt. Ich stelle zur Übersicht einfach die verhält-
niszahlen einer reihe von Worten nach Grein hierher; die erste
zahl gilt dabei den volleren formen : hysii 1 0 : 26, dysi^ 15:2,
hefig 13:1, hunig 6 : 0, lytig 2 : 0, monig 81:18, menigo 46 : 23,
fvelig 9 : 2, wütig 42 : 0, gemynegian 1:0, gemetigian meditari
9:1, gemetgian temporäre 0 : 7, fVidga 2 : 2.
k) vor k nur wenige beispiele : geoleca, 5ifica, Sifeca, heafoc,
mtmec nach der regel, daneben cirice, meoluc, seoluc mit
schwankendem vocal.
1) vor st ist mir nur hetsta etc. mit consequenter kürzung
zur band; für andere fälle von position mangeln mir ebenfalls
belege.
2. Es kann irrationaler vocal eintreten. Dies hängt
aber von den umgebenden consonanten ab. Er erscheint:
a) vor / fast nie, meist auch nicht in endungslosen formen :
8. botl (nebst hytla und bytlian), seil, friclan (oder dies, wegen
des nicht 'gebrochenen' i zur vorhergehenden abteilung als aus-
nähme bei micel s. 75 einzuschalten?), egl (egle, eglcai), hcegl,
krcegl, nwgl, segl, srvegl {sigleT)\ nifol, srvefl, gesyßan, tcefl (s.
oben 75), rvefl, fcesl, mcet5l {mceblan), rvoedl^ simle ca. 300 mal
.bei Grein belegt; hierzu kommen noch 13 formen von geagl,
ceaflas, geaflas, meagol, wenn diese worte hierher gehören 9,
und 33 von fugol; an ausnahmen habe ich notiert 1 mal /r/-
coio bei Grein I, 347 aus Wanley*s Cat, hcegelas Rats. 43, 11 2)
*) Der einfluss des anlautenden gutturales genügt, um die gestalt
des wurzelvocals bei den drei ersten Wörtern zu erklären, vgl. geaf,
ceaf etc.; ^magla- ergäbe aber nur *moegl\ meagol ist deswegen ent-
weder auf ^magula- zurtickzuftlhren oder wahrscheinlicher als meagol
anzusetzen.
') Es scheint, dass von alters her bei diesem worte doppelstämme
bestanden haben, vgl. hagol und hcegl, altn. Baff all und hagl. Mög-
licherweise gilt das auch von mcegen^ vgl. altn. magn und megm, Wimmei
80 SIEYEBS
und 13 formen Yon fu^ol, endlich heisst es stets ^ 44 mal,
mai5oiiany eine ausnähme gegenüber dem ebenso consequenten
nueblan, die ich nicht zu erklären weiss. Es scheint allerdings
fast, als ob eine lautumgebung mit dunklem timbre den eintritt
des vocals begünstige.
b) vor r erscheint er häufig als mittelvocal nach dentalen
und gutturalen und stets in den endungslosen formen (nom.
acc.); vgl. ceder, feeder, weder y gewidor; tvceter, fetier, sweörian,
cecer, /ceger, leger, punor nebst ihren ableitungen bei Grein.
Yon labialen finde ich nur geongewifre, tvcefre und die obliquen
casus von tiber {H/res etc.), stets ohne mittelvocal; von ieo/rian
ist mir nicht sicher, ob es hierher gehört ; lyt5re und wii5re be-
legt Grein nur in dieser form ; da aber die worte nicht gerade
oft vorkommen, so wird es schwer sein zu entscheiden, ob
dies nur zufällig ist oder darauf beruht, dass hier keine
endungslosen formen zur seite standen, welche den eintritt des
mittelvocals begünstigen konnten.
c) vor m erscheint kein mittelvocal : botm, unfliime, unhUtme,
fcetim, hoi5ma, drysmian, prosm, aprysman nebst ableitungen;
nur einmal aprysemodon aus Oros. angeführt bei Grein I, 46.
d) vor n in der regel kein mittelvocal, fh wechselt mit
mn; gn verliert oft das g mit hinter lassung von dehnung, bei-
des anzeichen daftir, dass beide consonantgruppen nie durch
einen vocal getrennt waren. Beispiele: woecnan, wcecnian;
brcesne (prcemeT), brosnian, bysn, esne, glisnian, hlomianj lisne,
andrysne, gerysne, forrvisnian; genamne, nemnan, samnian, sem-
ninga, ymn; efn, efnan, efne, hrcefn, nefne, refnan^ stefn, stef-
nan, srvefn; frigwm, regn, segn, pegn, pignen, wcegn. Nur in
endungslosen formen dringt bisweilen e ein, bysen Andr. 973.
Guthl. 146. Metra 12, 7; e/en öfter, Grein I, 218 f., gefrcegen
B. 1011. Ind. 7. Sat. 225, hrefen El. 52. segen B. 47. 1021., El.
124; swefen Dan. 129. 148. 159. 165. 496. 529. 553. 654; pegen
Sat. 388. 485. Dan. 443. Andr. 528. Byrhtn. 294, und von hier
aus wird es ganz selten auch in die formen mit vocalischer
endung eingeschleppt; bysene etc. Gen. B 651. 680. GuthL499;
pegem{s) Metra 9, 56. Bychtn. 205. 230. 232.
§ 37, anm. t (die freilich auch eine ganz andere deutnng zulassen), ahd.
magan und megin.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 8 1
Andere consonanten kommen hier nicht in betracht, es sei
denn dass man die einschiebung eines vocals vor ableitendem
ja und va hierher rechnen wolle, die sich bekanntlich ebenfalls
auf kurzsilbige Wörter beschränkt: her{i)ges, ner{i)gean, we-
fiCjgean; heal(p)rves, feal{e)we, geoi{u)tve (Lye), swalerve (alter
Yocal in widewe); hear{o)we, gear(p)we, near{p)rve, sear{u)rve;
bead{u)tve, sceadewigean u. s. w. ^)
II. Zwei mittelvocale.
Regel: Es wird (wie im nordischen) der zweite syn-
copiert, ohne rücksicht auf die Quantität der Wurzel-
silbe; es erscheint vor dem verkürzten sufGx der rest des
Wortes in derselben form wie unflectiert. Es fallen hierher
fast nur die comparative und starken casus mit ursprünglich
zweisilbiger endung von adjectiven mit ableitendem -l, -r, -n,
'ig, 'd, 'isc, z. b. acc. sg. m. idelne, degolne : eatolne, swiculne,
y feine , neotvulne; eöweme, gedcome, {hyge)j,eömome , hlütteme,
(forb)snotteme , unceme, fcegerne, hwceöeme] ägenne, Atirenne,
edcenne, f^renne, hcböenne, hwAtenne, trenne, stcenenne und die
accusative der starken part. praet.; (cel)mihtigne ; dreörigne,
hdligfie, synnigne etc.: dysigne, hefigne, manigne, wlitigne, nacodne
Lye, weoiodne und die acc. der schwachen part praet; men-
niscne u. s. f. 2) ; gen. dat. sg. f. und gen. pl. idelra, gearu-, hige-
pancolre, searoponcolra : gomelra, sweotulra; geomorre, döerre,
6Öerra, forbsnotterra ; hcebenra, fricenra (-en- aus silbenbilden-
dem n); eddigra, häiigre, -a, mödigre, -a etc.: dysigra, manigre,
-a; witodre u. s. f.; comparative wie snoierra, fcegerra, fcegenra,
hefigra, wlitigra etc. Beim zusammentreffen zweier r treten
hier oft Verkürzungen ein: in adjectivcasus z. b. eötvere Guthl.
679; dtiere Gen. 1694, öt5era Gen. 1338, snoiera Ps. 106, 42.
Seel. Ex. 128. Cräftas 41; eöwra B. 634, incre Gen. 557; 6t5re
Gen. 1868. Rats. 22, 10, ötSra RunenL 7. Metra 26, 90, snotra
Hymn. 3, 16. Seel. Verc. 128; lybra Ps. 126, 5; beim compa-
rativ rcedsnoteran Andr. 473, f(ßg{e)ra 5 mal, Grein I, 270.
*) Von langsilbigen wird sich schwerlich viel mehr finden als rcbstva,
^) Auch die ya-stämme auf zwei consonanten verlieren das mittlere
e im acc, so heorogi ferne mit irrationalem vocal vor dem r, ans
g1fr'ne\ femer mit Verkürzung der beiden n f ebene, fricne, gisne,
sütSeme (Byrhtn. 134) gleich den nominativen, s. Grein s. vv.
UottrlKe sar geMhiohie der deutschen spräche. V. (i
82 SIEVEKS
Ausgenommen sind natürlich alle silben, deren Yocal nach
8. 74 f. überhaupt nicht syncopiert werden kann oder die
als tieftonig anzusehen sind, namentlich die schwachen prae-
terita und participia srnf -ode, -od und die Superlative aut-ost,
-esta (vgl. auch s. 66 f.).
Als principien des ags. Verfahrens ergeben sich hiermit:
erhaltung des unbetonten mittelvocals nach kurzer,
tilgung desselben nach langer Wurzelsilbe; irrationale
vocale erscheinen, übereinstimmend hiermit, vor sonoren meist
nur in unflectierten formen (d. h. da wo der Sonorlaut in folge
des vocalischen auslautsgesetzes als silbenbildner auftreten
muss, wie in cecer, ftnger aus *akraz, *fingraz)\ in flectierten
formen sind sie in beschränktem masse nach kurzer Wurzel-
silbe gestattet
III. Alt sächsisch.
Das altsächsische unterscheidet sich wie das althoch-
deutsche von den beiden bisher behandelten sprachen durch
die umfönglichere erhaltung unbetonter vocale. Wo wir dort
consequente tilgung fanden, dürfen wir hier im allgemeinen
nur auf ein gelegentliches schwanken zwischen syncope und
erhaltung rechnen; aber dies schwanken folgt denselben ge-
setzen wie im angelsächsischen die syncope.
L Einzelner mittelvocal.
A. Nach langer Wurzelsilbe.
1. a) Nicht durch position geschützte kürze kann
ausfallen; b) irrationaler vocal erscheint nur in den
unflectierten formen (in diesen aber regelmässig, während
im ags. wenigstens l, m, n häufig als silbenbildner ohne vooal
st^en). Beispiele :
a) mit /: von a) schwankend nur diutal : äiubules M, diutales
C HeL 1366, diobole{s) Sachs, beichte, diuuilo Hom. (MSD. lXX,
Heyne v) ; aber diublas, diuhlun etc. Hei. 2279. 4442 ^ ; stets
bleibt altes % und u, in engil, xdil, Mtil, fillulös, murmulon (öthil
*) Einfache zablencitate im folgenden beziehen sich stets auf den
Heliand, Die Psalmen sind als nicht s&chsisch natürlich ansgesohlosaen.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 83
nur unflectiert); zahlreichere beispiele in den gl. Prud. (Zs. f.
d. alt XV, 517 flf.), thrembilös 204 (vgl. 670), friuthilo 246,
spinnilun 251, stengila 268, thiathili 389, ginestilod (jSS. Von b)
finden sich unflectiert cumhal, dögal- gl. Prud. 444. 531. 545,
fercal, tungal, uuehsal, doch auch uuesl M 3738; flectiert cnösles
etc., sumble, tungiun, -as; dazu ahsla, nädlun, tuifli nebst ab-
leitungen, uuandlod etc. gl. Arg. Psalmencomm., uuehslörij gislös
gl. Prud. 675, thislun 716 f., handlon 369. 641.
b) mit r: die r-casus der adjectiva syncopieren nicht, ausser
einmal hingro für *lmigrero C, während M fälschlich iungaro
hat, 1247, und einmal mahtigro C, -oro M 2262, ein fall der
eigentlich erst unter II zur spräche zu bringen ist. Die com-
paratiye schwanken, s. das Verzeichnis bei Schmeller II, 178
und unten s. 86. Die Wörter auf -ari, -eri, Schm. II, 174a
behalten stets ihren vocal, ebenso kesur; honero Frek.. martiro
Hom., aber meira(s) zu *meiur Frek., eiro Frek. 124. 361. 425,
preströs Conf., sostra sextarios Ess. ; im Hei. schwankend mor-
gano C, morgno M 601; stets syncopiert öiher in der flexion,
Schm. II, 86, ausser ödaru CM 3208, ödara M 3228, letzteres
fehlerhaft für ödran C ^). — Von b) unflectiert aldar, bitiar,
clüstar-, duncar, embar, ettar (gL Prud. 605), hlüttar, hungar,
iämar, lastar, maldar , sundar, timbar, udther, uuintar, uundar,
flectiert aldres^^), bittres, clüstron, fingru, hSdra, -dn, hlüttres,
hungres, lungres, smultro, sütreas, sundron, gitimbrid, uuestron,
uuintro, uundres, -on; dazu ädro (s. 71, anm. 3), frdfra, -ean,
gambra, nädra, (hiustri. An Schwankungen sind zu verzeichnen
accare, -o 2567 C (fehlt M), 2592 CM und hlütterm C 898.
1719; hlütturu C 1935, hlüttaron M 4449 neben vielen formen
ohne vocal, Schm. II, 58; sodann aldares C 3485, lastares C,
-eres M 5229 und brodarun M 3391; hederun Comm., hunderod,
ästeron Frek., nädara gl. Prud. 367 (gegen 258), blddarun 308,
Sttaraga 624.
c) mit m: die dative sg. m. n. der adjectiva haben stets
-umu {-amo, -omo, -emu) oder daraus durch verlust des schluss-
vocals gekürzte formen, niemals -mu als endung; vielleicht
*) Vgl. das s. 76 über ags. htvce^er bemerkte und unten s. 89.
>) Ich gebe der kürze halber in der regel nur eine casuBform als
beleg an, auch wo mehrere casus bezeugt sind.
6*
84 SIEVERS
deutet dieser umstand noch auf die einstige schützende gemi-
nation des m zurück. Sonst findet sich alter vocal vor m wol
nur in uuänam, -um, auch in der flexion. Irrationaler vocal in
äthom, methom-, uuastum, dazu flectiert bdsme, brahtmu, meth-
mos, uuastmes (auch fehmia).
d) mit n: einsilbige adjectiva auf -0 (resp. zweisilbige ja-
jlfo^ Stämme, nom. -/) haben im acc. sg. nur -ayi: allan, äldan, bR-
Jkrt'l'^ll thian, enan, godan, grötan, hSlan, hetan, hohan, holdan, huötian,
^ iuuuan, langan, lethan, lioban, inärian, middian, mildian, mxnan,
rikian, sinan, seWaUj spähan, starcan, suäran, ihriddeofi, üsan,
Utadan, uuisan, uuissan, dazu auch hlüttran (über öihran und
die mehrsilbigen adjectiva s. s. 88f.); ausnahmen erma 33 mal
gegen 8 enauj wenn man die fälle beider hss. zusammenzählt;
antlangana MC 4225; mödspäha^ia M, -hna C 1192; gödene
M 4775, mlldiene M 3861, scirana C 2008, vgl. 2908; uuidana
MC 2289, umdene M 2881. Altes a bleibt ferner stets im star-
ken part. praeteriti : gibolgane, gibundane, drunkane, giuuaJisanes,
giuunnanes Hei., farlätanero Conf., begangmm Hom., giscethanes
Frek., giuurmigana gl. Prud. 226 und in den ortsadverbien
ferrana, ösimia, uuestana; ebenso euuana C 1302 (euuiga M);
aber thiodne{s) C 4956. 4962. 5045. 5151, wo M thiodane{s) hat
und C 2549. 3283. 3996. 4693. 4737. 5369, wo M fehlt, gegen
einmaliges thiodene C, theodone M 3056. Altes t erscheint in
hethina(n) 3238. M 4167 und drohtine{s) 140 etc., wenn Paul,
Beitr. lY, s. 427 recht hat, hier ursprüngliche kürze anzu-
setzen ^) ; geschwunden ist es in uuitnön (s. auch gl. Prud. 654.
660), fastnön, alamosna M (doch C elimdsind) und läcno gL
Prud, 368. — Zu b) finden sich die unflectierten formen
böcan, tecan, tiuäpan-, uuolca^i, die flectierten bocyies, fecnes,
tecnes, uuäpne, uuolcnes nebst segisna, anbusni, fecni, lihni,
fersna, fröcni, lögna, lögnian, giuuäpni')^ ^öcwww^a gl. Prud. 382.
665, soctieri 555. 747, griicsniun 763.
e) mit s liegen wol nur vor ecso 2404, minsön und bRdzea,
bMzean^ regelmässig gekürzt.
0 Das rein ags. drihines C 264 bleibt natürlich hier ausser betracht
') Dass hier niemals eine trennung des vorausgehenden consonanten
von dem n bestand, lehren namentlich die erweichungen von c zu g-,
bdgno, -e M 373. 545, Ugno C 2076 (vgl. 405), ßgnes C 5652, vgl. Schm.
II, 185a.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 85
f) mit th: die abstracta auf -itha und verwantes, häufig
gekürzt: diurtha 490. 2140. 4439. 4765. M 4514, hondun 722,
märthu 950. 5674, gimenihon 862, sältha 872. 1327; dagegen
im Heliand diuritha 4338. 4414. 4647. C 4514, märitha 4 C.
2165, spähiiha 3454 C (M fehlt); dazu kommen gihdriihano,
uuihethon Conf., meltethi Frek., äruithi gl. Arg., ungiögitha gl.
Prud. 3, bigengitha 92, 360, ßlitha 313, selfsuhtitha 412, gthä-
ritha 441, hönitha 507, cüskUha 599.
g) mit d: ausser dem unflectierten eorid- 4141 an Substan-
tiven nur hdbid, welches stets in der flexion syncopiert , Schm.
58. Von langsilbigen verbis auf -ja syncopieren in der regel
die auf einfachen consonanten im praeteritum, s. Heyne, kl.
alts. gr. 54 f. und Begemann, schwach, praet. s. 120 ff., deren
Verzeichnissen noch aus gl. Prud. giscerpta 463, thomda 465,
nddda 678 hinzuzufügen sind; ausnahmen diuridun G 83. 3584.
3722: diurdu7i CM 2966, M 3584. 3722; ddpida C 954. 3046,
märidin C 5883, 7iähida 3671. C 5394, näthidun 2910, uuihida
4633, M 5974 (fehlt C), 2854 (uuihda C), gihelida Exorc. Von
verbis auf zwei oder mehr consonanten syncopieren meist nur
die, deren schlussconsonant ein dental ist (s. Heyne a. a. o.
55 und dazu liuhta, menndun G 4109 (wenn dies nicht fttr
mendiodun, wie M liest, verschrieben ist), rihta, trdsta und die
auf geminata, vgl. gifulda, merda Gonf. ; ausnahmsweise beldida
4791, lestidun C 2857, thursiidi G 5642 (fehlt M). Die übrigen,
namentlich alle, deren schlussconsonant ein Sonorlaut ist {l, n\
bewahren das i, s. Heyne und Begemann a. a. o. — Die lang-
silbigen participia praeteriti bewahren ihr i im Heliand stets^
vgl gidiuride 3319, bineglida G 5693, ginemnida 1318, gidgida
G 5673, giuuendidan G 5811, mengidamo gL Arg. 116; aber die
Merseburger glossen gewähren irvegde, idömde, der Werdener
psalmencommentar gifulda (Heyne a. a. o.) ; häufiger sind diese
formen in den gl. Prud.: gemeddan 377, ÜUdsdaru 384, gescerp-
tun 482, alösdan 511, ferköpion 570 neben gihäuideru 167,
gilubbibemo 186, ütgeinnäthridimo 399, antervidio 573, gimusidun
780 (kurzsübig?).
h) mit t finde ich nur raskitdda gl. Prud. 467.
i) mit g fallen hierher die adjectiva auf -a^, die zwar ihr a
zum teil zu i schwächen (s. öchmeller unter craftag , Snag,
86 SIEVERS
mödag, dthuudrag)y aber ausfall nur sehr selten eintreten lassen:
hilgost C 5739, helgoda C 4634 {helagode M); vgl dazu un-
giuuitgon C, ungeuuitigon M 1818.
k) mit k viele eigennamen auf -ako, - iko, -ikin wie Abbiko,
Aldako, AldikOj Alvikin etc. (s. Heyne, altniederd. Eigenn. passim),
mit be Wahrung des vocals.
2. Alte natur- und positionslänge schützen im
ganzen vor dem ausfall. So sind stets unversehrt (natür-
lich abgesehen von kürzungen und qualitativen Veränderungen
des vocals) die gen. pl. auf -ono {-ano, -uno, -eno)] die mehr-
silbigen formen der adjectiva auf -in, 4g ; die praeterita auf
'6da, bildungen wie coppöd, beuuod, arbedi, mänutha gl. Prud.
355, die Superlative auf -dsi\ ferner die ableitungen auf -and-,
-und' (wie äband, ärundi) einschliesslich der part. praes.; die
mit -ung, -ing , -unnia, 'innia (letztere wegen des tieftons, s.
Beitr. IV, 529), sowie die auf -sli und -slo {hurgisli [gl. Lips.],
döpisU, herdisli, mendislo, wegislo, errislo gl. Prud. 1. 453, gur-
disla 388, Jdnislon 499, rädislon 152); die adjectiva auf -isc
und verwantes (wie hiuuiski, gumiski, gl. Prud. 684. 799, ab-
disca)j die Superlative auf -ist(o)j ambaht u. ä. Auffallend
weichen die comparative ab. Trotz des ursprünglichen -dro
findet sich in C (wie im ags. regelmässig) iungro (so stets),
lethro 323, leobrun 1683, iämorlicra 735, craftigron 610,
säligron 611 neben vollen formen auf -oro, -aro, -ero\ M kennt
diese kürzung nicht; auch von den comparativen auf-/ro wendet
es die gekürzten formen in grösserem umfang nur bei den sub-
stantivierten Wörtern aldron, furthron, herro und dem ebenfalls
nicht mehr comparativisch gefühlten suithro (185. 5976) an;
ausserdem steht nur einmal lengron M 170, während C noch
lengro 170. 1106. 2246, stilrun 2255 (fehlt M) hat, neben altem
-iro, -ero, — Ausstossung von positionslänge finde ich nur in
dfstUco 5935: öbastRco 5896, beide nur in C überliefert; Heynes
lesung mennscemo für menniscemo im Werdener psalmencom-
mentar wird durch Scherer zu Denkm. LXXI, 42 ausdrücklich
als unrichtig verworfen.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 87
B. Nach kurzer Stammsilbe.
1. Alle mittelyocale bleiben erhalten:
a) vor /; abales, eöili, gigamdlöd\ himilesy mikile, slutilas,
uiiles Schm., sekila, skipilina gl Prud. 581. 542; hatuio Hei.
3596, steculi gl. Prud. 281. b) vor r: abaro, bikera, ederös,
/eieros, hamuron, hauoro, huethares, radure, sicora, -dn, kamara
gl. Prud. 504. c) vor m: kein beispiel ausser degmo aus deci-
mus, das vielleicht ohne mittel vocal entlehnt wurde, wie tafla
etc. (s. s. 88). d) vor n: /aganon, hebanes, lacanes, opana, -dn,
regano-] femer die kurzsilbigen participia praet der starken
verba; mit altem i: firina, licgina, eicena (Frek.), rethin6n] vgl
nigunu e) vor s: egiso, felisos, idisi. f) vor th: scauathon
gl. Prud. 620; gibithi(g), fremiihi, haneihi, helithds, inguthi, vgl.
tegotho, niguiho und magath (von dem nur diese form belegt
ist), g) vor d: die schwachen praeterita und pari praet. s. bei
Begemann a. a. o. 120 f., sodann (ecid), nimidas, metodes, ra-
cude, uiterodes. h) vor t: munita gl. Prud. 558. 579, muniteriös,
gimunitdd Hei., vgl. erito pisorum Ess. Frek. (Heyne s. 109).
i) vor g: honegas, manages, luhigo, uuUtige. k) vor k: {kelik\
kerika, milukas gl. Prud. 342 und eigennamen auf -ako, -ikiny
'Uko etc. wie Alaka, Adiko, Abuko n. s. f.
Als ausnahmen von dieser regel erscheinen eine reihe
kurzsilbiger verba ohne mittelvocal im praeteritum und parti-
cipium praeteriti: hogda, lagda (legdd) , sagda; latta {leitet),
satta (settä); quedda; habda, Ubda, uuähta (neben utcekida);
salda, talda (Begemann, schw. praet 120, oben s. 78 und unten
unter IV). Sonst treffen wir nur vereinzelte Überschreitungen
der regel ; so in lefna acc. sg. m. Hei. 2096. 2308, bezt(o) und
lezi{o), lazt{o) (freilich den einzigen beispielen eines acc. sg. m.
oder Superlativs kurzsilbiger adjectiva); femer stets tegegnes,
gegnungo (wie ags., s. oben 77, aber abweichend von diesem
megine 5043; unflectiert megin wie angegin) und schwankend
seltia neben selitka, Schm. 11^ 95. 96.
2. Irrationaler vocal erscheint stets in den un-
flectierten formen, in den flectierten nur vereinzelt,
namentlich vor r; vgl mahal, neial, gagal gl. Pmd. 745, segel,
fagar, legar, uuedar , eban, gaman, sueban, thegan mit bodlös,
88 SIEVERS
fugles, hruslos (s. auch gl. Prud. 314), kaflon, mahle, -ian, nagios,
sedle, gisidli, stadlo, tansiuthlio gl. Piud. 373, uuehsitafhm (gl.
Prud. 825, s. oben s. 87), thrufla gl. Prud. 273, suigli, simla;
dodro ; bödme, fadmia (?), fathmos, wagnos gl. Prud. 280 ; drucno,
-ian, efno^ -nissi, hofno, suefne, trahni, segnoda, thegnes, nemnian,
atsamne, samnon, stamne, stemna, simnon, tolna; an einsohie-
bungen habe ich gefunden suebanös M 688 {suefnos C, und
suuefne MC 701); nehulo M 2910 (neflu C 2910 und 5749),
negilid C 5704 {neglid 1186 und C 5552, hineglida C 5693);
agaleto M, agleto C 3008; vor r regelmässig in f agares, legares,
uuedares, ungiuuidereon, uuatares (alter vocal?), uueiharo, fethe-
run, hierher auch wol stamaröd gl. Prud. 232, litharin 703,
lutharun (?) 356, vgl. auch gifagiritha 202. Zweifelhaft ist mir
das Verhältnis von gidrusindt C zu gitrumdd M Hei. 154.
II. Zwei mittelvocale.
Es scheint dass hier dasselbe gesetz von der tilgung des
zweiten vocales gilt wie im ags. und altn. (s. 68. 81), natürlich
mit der einschränkung, die durch die grössere festigkeit der
vocale des alts. geboten wird. Alle endungen, die unmittelbar
nach langer Stammsilbe festen vocal haben, bewahren ihn auch
in dritter silbe; so die genetive pl. auf -ono wie iungorano,
hiligonoy gihörithafio^)] die r- casus der adjectiva, craftigaro,
Snigaro {/agarero), helagaro, mahtigoro, managaro, mödigaro und
der gen. pl. der substantivierten participien wie neriendero etc.
(Heyne 87 f.), nomina agentis auf -eri, wie muniteriös, die da-
tive sg. m. n. der adjectiva, emgumu, managumu, ödagumu,
thur/tigumu. Aber deutlich wirkt das gesetz in den accusa-
tiven sg. m. der adjectiva. Oben s. 84 wurde gezeigt, dass
alle einsilbigen adjectiva mit wenigen ausnahmen hier die
endung -an hatten; ganz anders gestaltet sich das Verhältnis
der formen bei den zweisilbigen. Zunächst zwar ttberrascht
die auffallend grosse anzahl von formen mit bewahrung der
vollständigen endung: craftigana M 2S04, helagana M 1129,
mikilana M 2317, unsundigana GM 2722, zu denen auch die
0 FormeD wie aidrono, herrono, hilgode beweisen nach dem 8. 86
gesagten nichts gegen die geltang unseres gesetzes, obwol hier der erste
mittelvocal ausgefallen ist
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 89
componierten adjectiva zu rechnen sind: langsamana M 2700,
G 4527, nmdsamana C 224, antlangana MC 4225, modspähana
M 1192, aber bei weitem am häufigsten ist -na als endung,
vgl. craftagna {crafiagne M, crafü{g)na C) CM 2674. 3130.
3607. 3618. 4223. 4831. 5508; C 2986; M 5252; Ulagim ca.
24 mal in beiden hss., Schm. II, 53 a, Mtüna 381, mahtigna ca.
20 mal in beiden hss., Schm. II, 75 a, modagyia 550. 686, säligna
587, sculdigna 3086. 4592; dazu langsamjia M 4527, C 2700;
niudsamna M 224, mddspälma C 1192. Die form auf -an tritt
dagegen zurück : wir finden regelmässig enigan (zu enag) 9 mal,
huetheran 1 mal, huilican 6 mal, managan 6 mal, sicoran 2 mal,
sodann vereinzelt craßagan M 2986* enigan C 1003 (fehlt M),
helagan C 1129 (-anaM; die übrigen formen, die Schm. II, 53
aufiführt, gehören der schwachen declination an), liggeandean
2331, mahtigan C 5919* mikilan C 2317, odagan 3337* sali-
gan C, säligRcan M 468, ubilan 5185, von denen die besternten
möglicherweise schwache formen sein können, da der artikel
vorausgeht. So bleibt noch der accusativ von öbar, der in
jeder beziehung singulär ist; es findet sich nämlich ddrana
(dthrana) M, obema (odama) C 223. 1434. 1438. 2471, obarna
M, obema C 1446, dann aber in beiden hss. dbran etc. 683.
695. 718. 724. 1263. 1468. 2698. 4819. 5374, und C 3228.
Nach analogie des ags. und des oben gesagten wäre überall
öbama, dbema zu erwarten gewesen (vgl. ags. dberne), wenn
eben der vocal der zweiten silbe des wertes wirklich ursprüng-
lich ist, wogegen sich namentlich auch von selten des ahd. gewich-
tige bedenken erheben (s. s. 93 f.). — Unbegreiflich ist mir,
warum enig u. s. w. ausschliesslich sich der -an-form bedienen.
Alles zusammengefas^t ergibt sich also auch für das alt-
sächsische eine stärkere neigung zur syncope nach
langer, als nach kurzer Wurzelsilbe; damit übereinstim-
mend gestattet nur kurze Wurzelsilbe gelegentliche einschiebung
eines irrationalen vocals vor vocalischer endung.
IV. Althochdeutsch.
Eine vollständige Untersuchung der einschlägigen ahd.
Verhältnisse würde mehr räum und zeit beanspruchen als sie
mir jetzt zu geböte stehen. Es wird aber auch für unsere
90 SIEVERS
zwecke genügen, wenn wir nur insoweit eine Charakteristik
einzelner hervorragender denkmäler geben, als sie zur erkennt-
nis der dort waltenden gesetze erforderlich ist
Was bei der betrachtung der ahd. denkmäler auch in be-
Ziehung auf unsere frage besonders in die äugen fallt, ist die
ausserordentliche divergenz der einzelnen stQcke je nach dem
ort und, was besonders hier gilt, nach der zeit Es ist des-
halb besser, den bisher eingeschlagenen weg der betrachtung
einzelner lautgruppen zu verlassen, zumal ja auch durch das
vorangegangene bereits ein hinlänglicher überblick in dieser
richtung gegeben ist
Will man zu einem einigermassen klaren Überblick über
den überall entgegenstehenden Wirrwarr gelangen, so hat man
von einem recoustruierbaren, idealen, ältesten ahd. auszugehen.
Für dieses gilt als erste regel, dass ausser dem t im prae-
teritum und participium praetoriti schwacher verba
kein ursprünglicher mittelvocal syncopiert war. In
dieser beziehung stimmen alle älteren denkmäler noch überein.
Bekannt ist die sache für alle ursprünglichen längen und die
t und u] für e kommen die adjectivcasus auf -era, -ero, -eru,
-emu in betracht, ebenfalls ohne ausnähme. Etwas schwieriger
liegt die sache bei a, weil sich dieses vielfach auch als secun-
därvocal aus silbenbildendem Sonorlaut entwickelt Dieses
secundär-a erscheint wie im alts. regelmässig da, wo nach dem
vocalischen auslautsgesetz ^) ursprünglich consonantischer sonor-
laut nach einem andern consonanten in den auslaut tritt, es
sei denn, dass beide zusammen im silbenauslaut stehen können
(lautphys. s. 11 1 f.), also zeichan, hittar, tougal, aber wechselnd
aram, halam und arm, halm etc.
Es dringt aber, und dadurch unterscheidet sich das ahd.
wesentlich vom altsächsischen, dies secundär-a auch in das
innere des wertes ein und zwar nach kurzer Stammsilbe
bereits im allgemeinen regelmässig in jenem ältesten
ahd., soweit ich sehe mit nur 6iner consequenten ausnähme,
der lautgruppe mn in yiemnan und stimna und verwanten, die
bereits frühzeitig oft; zu nemman und stimma assimiliert werden;
aber nicht in den ableitungen von sam{a)n, wie zi samane,
0 Wie dieser ausdrack zu verstehen sei, darüber weiter unten.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 91
samanön etc. Ich führe dies gleich von vornherein an, weil
diese tatsache wol geeignet ist, uns dies auftreten jenes a im
inlaut überhaupt verständlich zu machen. Allerdings muss bei
dieser erscheinung auch ein lautgesetzliches moment mitgewirkt
haben, da die quantität der Stammsilben dabei stets als be-
dingender factor erscheint, aber zum andern teil haben wir
es auch offenbar mit analogiebildungen zu tun, mit einer Ver-
schleppung der secundär-a der schlusssilben in das innere des
Wortes, sobald dasselbe einen Zuwachs am ende bekommt. Bis
zu einem gewissen grade ist also der eintritt des irrationalen
mittelvocals an die existenz naheliegender typen mit eben-
solchen schlussvocalen gebunden; daher beisst es wol samanön
nach saman, aber zu nemnan, stimna fehlt die parallele.*)
Eine weitere folge dieses gleichmachungstriebes ist das
allmählige eindringen solcher irrationaler a nach
langer Stammsilbe, das lautgesetzlich nicht wol erklärt wer-
den kann. Hierin gehen aber die einzelnen denkmäler viel-
fach auseinander, und es ist demnach eine etwas genauere
darlegung der sachlichen Verhältnisse notwendig.
Es gibt vielleicht kein einziges ahd. denkmal von einigem
umfange, welches ganz auf dem Standpunkte des erwähnten
idealahd. stünde; aber bei einigen sind doch die ab weichungen
noch verschwindend gering.
Am nächsten kommt dem Urzustand noch Isidor. Das ge-
setz, dass auch nach langer silbe alter vocal nicht sjncopiert
werde , ist in voller giltigkeit. Man vgl. z. b. (abgesehen von
den nicht auf Sonorlaut ausgehenden endungen, wie ag und
den nomin. agentis auf -ari, -eri, die wir zunächst ausser acht
lassen können) die flectierten formen der participien chiscaffanes,
chihorgonun, uuordanan, aruuorpanan, bigunnenun, chiheizssenin,
-un, chihuorua7xe nebst offono (3), chioffonöt , chioffayiödom,
heidheno; sodann hifangolode , aridalida^) (2); uuazsserum (2),
femer an fremdwörtern chimariorddan, chimartirdt, martyrunga,
0 Dass saman nieht etwa alten vocal hat. beweisen alts. tdsamne.
samndn, ags. tdsomne, somnian.
^ Die orsprünglichkeit des vocals vor / erweist die durchgängige
conserviemng desselben im ahd. und die alts. nebenform tdil.
92 SIEVERS
offerunc; dagegen mangelt ein vocal regelmässig in frcna,
frchno, {chi)zeihnU , zeihne, zeihnum, iisnine, bauhnit, bauhnida,
bauhnunc etc. (14), aloosnhi] ädhmot (2); unzuuiflo, simbles (2),
lumblo; hiüttror, sundric, aftristo, fingro, -um (4), sculdrdm (4),
ghelstro, lastrdnt, zimbrendi, zimbrit, fordhro (s. unten), nädra,
-Ü7i, Nach kurzer Wurzelsilbe treffen wir secundären vocal in
regonoda 9, 14. 15, fatere 35, 20, faterun 35, 16. 22; aber er
fehlt noch in chisamnoda 11, 19, samnunghe 25, 20 (trotz öfterem
samant) und hohseili, -e 17, 30. 33, 22. 24. 35, 12.»)
Demnächst wäre die Benedictinerregel aufzuführen.
Ueber sie geben die Zusammenstellungen von Seiler, ßeitr. I,
432 f. ein ganz falsches bild; ich bin also auch hier genötigt,
das material mehr in extenso vorzuführen.
Es wird zunächst niemals der vocal der zahlreichen pari
praet. auf -ayi nebst eigan, off an und deren ableitungen , und
den adverbien auf -an« syncopiert; diese stehen, wie überhaupt
hier ein für allemal bemjerkt werden mag, im ahd. fest. Regel-
recht ist auch der vocal in morknne 99 und in keleisinit 52,
leisanonti 53, keleisanit 77. Es bleibt ferner das a der adj.
auf -a/ = altn. -all, -ull : ezzalan 43 , -eer 80 , suuigali etc.
48 (2). 55. 88. 93, äkezzalH 50, zunkaler 56, släfalero 72, ubar-
äzalii 89 (3), truabaler 80. 121 nebst Ualiv 44 und stiagalum
116; vor r in untiri 53, üzordsto 55, innarorun 55 (darüber
weiter unten), aber fremd Wörter syncopieren hier; es heisst
nicht nur stets meisires etc. (7) nach analogie von magistri u, s. f.,
sondern auch fministre(s\ monastre{s)j munistrilih etwa 13 mal,
katemprot 58, ketemproe 91, ketemprdt 92. 102, letztere gewis
im anschluss an vulgäre ausspräche des lateinischen. Regel-
mässig ohne vocaleinschub nach langer silbe erscheinen kipauh-
nit 110; {n)eonaldre 14 mal, aldre 89, altres 119, altrum 87,
luustreniem 31, ßistrii 31, pruadrä, -o, -um 32 (2). 40. 58. 81,
kezimbrota 33, zimbroe 92, kizimbrii 98, kezimbri 122, chorires
40 (2), hlahire 44, uuntrum 49, hleitra 50, achre 56, -o, -um
91, fordroron 61, suntrigem 63, kisuntrot 68, suntrigo 94. 105,
suntricHhchiu 102. 108 (2), ooström 65, -un 91, lüttras 71, Httri
0 Hiernach ist die formulierung des betreffenden abschnittes bei
Weinhold, Isidor s. 61 etwas zu modificieren. — Ueber einige der hier
nicht aufgeführten formen mit r s. unten.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 93
102, hlüiremv 119, unsühro 82, caugrot etc. 94. 100. 101. 105.
125, wmtre 107; mit / simblum, ausserordentlich häufig. Nach
kurzer silbe consequenter einschub resp. keine syucope in
fremdwörtem: fateres 30. 38. 47. \^%fatere h^^fatare {Ifatera)
70, duuidaro (?) 30. 42. 47. 62. 93 (2). 99. 102, samanunga etc.
31. 34. 35. 41. 45. 46. 63. 80 (2). 81. 84. 97, samanönne 99,
ouanes 35, ebanostin 42, ebano 62. 69. 71. 102, ebanemu 81. 120,
zaharin 44, sedaM 59, sumares 62. 90. 91, sumere, vuidardt(a)
95. 116, rosomon 121, scamelü 61, chamara 105, cucalün 107.
Diesen 46 beispielen steht keine einzige ausnähme gegenüber,
\¥ol aber beginnt die erste regel, bezüglich der langsilbigen,
bereits durchbrochen zu werden. Für sie sind oben etwa 80
belege beigebracht, wozu nach oberflächlicher Schätzung viel-
leicht noch 20 — 30 simblum kommen; dem gegenüber habe
ich ca. 20 ausnahmen notiert: pruadcre 41 (2), lahtere 56 (2),
sinbulü 56, uuintares 62, zuumalunga 70, ahsalöm 11, chortare
11, uuehsalum 82. 88, vuehsale 95, zaichanungu 84, zeichanes 88,
zaichane 100, uuacharum 99, smecharem 101, altere 113; aber
pruadar lOU i^x fratribus des lat. textes darf man nicht ohne
weiteres hierherziehen; auch ätnme HO ist unsicherer, da wir
hier es nicht mit dem gewöhnlichen a zu tun haben.
— Bei diesen Zählungen sind absichtlich zwei resp. drei föUe
übergangen worden, welche die regel scheinbar in grösserem
massstabe durchbrechen. Zunächst die formen zimbirrono 48,
zimberre 88, zimberren 88, denen sich von kurzsilbigen noch
kaganne 106, kagannani 119, nidarremees 48 u.dgl. zur seite
Btelle. In den drei ersten formen fällt der secundäre mittel-
vocal auf (vgl. got. timrjan und ahd. zimbrön, das ja auch in
der ßenedictinerregel vorkommt). Aber sie erklären sich sehr
einfach lautlich. Nach dem was lautphys. s. 111 f. über die zu
eiugang einer silbe möglichen consonantgruppen erörtert wor-
den ist, begreift es sich leicht, dass r -f halbvocal j in dieser
Stellung mit einander in conflict gerieten und dass schliesslich
das r vor dem folgenden consonanten sonantische geltung be-
kam, d. h. sich im ahd. in die hierfür übliche lautgruppe ar
umsetzte. Unsere formen sind also zunächst mit solchen wie
zimbarta, zeichanta u. dgl. zusammenzustellen.
Die andere wichtigere ausnähme bctriflft eine reihe von
werten, denen man insbesondere, gestützt auf die ostgerm.
94 SIEVERS
formen, ursprüngliches -ar als endung zuzuschreiben pflegt, d, h.
die pronomina unsar , iurvar, huedar und andar. Die beiden
ersten geben in den bisher besprochenen beiden denkmälem
keinerlei anstoss, indem sie der allgemeinen regel folgend den
vocal der schlusssilbe auch als mittelvocal behalten; woniurver
kommen überhaupt keine gekürzten formen im ahd. vor, was
wegen der lautgestalt des wertes ohne weiteres begreiflich ist,
und uyiser verkürzt sich in älterer zeit nur in einigen streng
bairischen denkmälern, so namentlich im Freisinger paternoster,
welches die formen unsraz 18, misro 19. 26, umrem 25 auf-
weist, ferner nach Graff bei Otloh, den Monseer glossen und
Münchener glossen zu Gregors homilien (Gh. 4). Nur Hymn.
25, 8, 3 und dann erst bei Notker taucht auch alem. imsriu
vereinzelt auf. Man wird deswegen wol kein bedenken tragen
dürfen, hier wirklich primären vocal anzusetzen. Anders liegt
die Sache bei ander] dieses entbehrt des vocales regelmässig
auch in den denkmälern, welche secundären vocal nach langer
Silbe nicht haben, aber primäre mittelvocale unangetastet lassen:
so bei Isidor und in der Beuedictiuerregel ; der erstere hat
andres, andremu, andrem, andra, andrem zusammen 11 mal
(Weinhold s. lOOb), die letztere ayidrer 38. 63, andriu 38, an-
draz 34. 92. 95. 100, andres 34. 49. 96, aiidrera 39. 119, an-
dremu 59. 89. 95, andrem 48. 53. 121, andran 43. 54. 119,
andra 95. 101, ayidre 38. 60. 61 (2). 62. 63. 68. 100. 116. 118,
andro 69, andrero 98, andreem 37. 38. 63. 64. 67 (2). 91. 92,
zusammen 43 mal ; nur 5 mal habe ich formen mit mittelvocal
gefunden, nämlich aiideres 63, andares 63, andera 79, andaran
99, andere 122. Es ist das ein beträchtlich kleinerer procent-
satz von ausnahmen, als man eigentlich erwarten sollte. Auch
in den kleineren denkmälern, die auf demselben altertümlichen
Standpunkt stehen wie Is. und Ben.^ findet sich dasselbe Ver-
hältnis wider. Die Exhort. hat unsar es 23, aber andran 13. 14,
der Weissenb. kat. unser az 2. 16, unsere 3, unserem 4. 20, im-
seran 44, unsera 95, aber andhremo 23; die Fragm, theot. un-
sere 27, 8, unseres 30, 22, uyiseremo 33, 5, unsar ero 36, 27
(ohne die nicht vollständig überlieferten formen), aber andres,
andremo , andra, andre, andro, andriu 13 mal (Massmann
s. 26 a) u. d. f. Hält man dies mit dem zusammen, was oben
8. 89 über die Schwierigkeiten bemerkt wurde, gewisse for-
ZUR ACCENT. ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 95
men von alts. öt^ar aus einer grundform mit primärem vocal
abzuleiten, so darf man wol ohne allzu grosse kühnheit den
satz aussprechen, dass für beide sprachen, alts. und ahd., der
vocal dieses wertes nicht als ursprünglich anzusetzen sei. Es
bleibt dann von unserer wortgruppe noch huedar übrig, das
freilieh so wenig im ahd. wie im alts. anstoss gibt oder zu be-
stimmten Schlüssen berechtigt Hier dürfen wir aber mit dem
ags. combinieren, und nun wol mit grösserer Zuversicht als
dies oben s. 76 geschehen konnte, auch diesem werte ur-
sprünglichen endungsvocal für das westgermanische absprechen.
Dann stehen got hvapar, anpar und altn. annarr als repräsen-
tanten einer neu zu registrierenden differenz zwischen ost- und
westgermanisch da. Wie diese entstanden sei, darüber wage
ich einstweilen nicht zu entscheiden.
Eine ähnliche Schwierigkeit bieten die comparativ- und
Superlativbildungen von ortsadverbien ; wir haben bei Isidor
afiristo 17, l, fordhrom 35, 4, in den Fragm. theot. aftrun 5,
17. 11, 5. 12, 13, aftrbsiin 11, 2, fordrbno 16, 9, aber in Pa.
aftardsim 194, untarostin 194, hintarosto 218, üzzarösto 218,
innaröm 251 ; in der Benedictinerregel üzorosto 55, iyiiiardrmi
55, 9ihtr fordröron 61 u. s. f. Der consequente mangel des vocals
in den beispielen aus Isid.und Fragm. scheint ebenso sicher gegen,
wie sein auftreten in den übrigen denkmälern für seine ur-
sprttnglichkeit zu sprechen. Aber es ist ein deutlicher unter-
schied zwischen jenen werten, und dieser erklärt alles; aftro,
fordhro sind alte comparative mit suffix -tara, europ. -iera,
welche wie das besprochene ander aus an-iara den suffixvocal
bereits in ältester zeit, vor dem eintritt der geltung unserer
gesetze, syncopierten. Die übrigen aber sind moderne bil-
dungen, anlehnungen an die adverbien widar, hindar, ütar,
innar, und so haben sie natürlich den vocal dieser Vorbilder
als festen mittelvocal erhalten.
Doch ich kehre nach dieser notwendigen abschweifung
wider zu den ahd. denkmälern zurück und notiere nur noch,
dass durch hinzuziehung der beispiele von ander die verhältnis-
zahlen für nichteinschiebung resp. einschiebung secundären
mittelvocals für die Benedictinerregel sich zu etwa 1 50 : 25
umgestalten.
96 SIEVERS
Dem Stande des Isidor schliessen sich die Fragmenta
theotisca noch genau an; auch sie zeigen namentlich noch
inlautendes mn in kasamnotun 13, 23, samnot 17, 1, kasamndt
17, 10, kasamndt e 19, 19, kasamn{o)to Isid. Weinh. 51, 5 und
dl in höhsedle 15, 14, ja sie gehen über ihn noch hinaus durch
gaf acuta ^) 3, 10, ganidrit 5, 8. 21, 18, besmon 5, 14, tehmdt 15,
16. Beispiele des einschubes nach kurzer silbe sind fateres
8, 8. 23, 13, sumere 11 y 14, eventuell huuedaran 22, 29. Als
analogon der zahlreichen langsilbigen beispiele notiere ich nur
noch silabres 21, 29.
Der Vocabularius S. Galli gehört zu den in dieser
beziehung altertümlichsten denkmälern, freilich ist sein umfang
so gering, dass das zurücktreten von ausnahmen nicht eben
viel beweist. Wir finden drisgufli'SX, ganasira A6y (uuint)scüfla
74. 75, ädra 192, ahsla 197, dinstri 233, mundri 399, aber
camara 26, pesamo 73, epani 82, lebara 207, reganöt 222,
hoxiarehti 345.
Auch die Pariser glossen Pa. sind noch recht altertüm-
lich; fehlen des secundärvocals nach kurzer silbe habe ich
nicht gefunden; nach laugor silbe traf ich ihn in antharönti,
antharari, antharöm, aiitharöta, anthara, antharunga Diut I, 144
{anirön gl. K. etc.), anderem 168, hlütardstun Hb, pittari 200,
urlastere 218, suepfari 243, duncali 177, {ca)uuantalöt 190. 229,
famuihsalit 190, zmfalöndi 178, zuifaH 194, zuifaldt 226, ziAfa-
lii 230, zuifalön 238, zmfaläri 239; faihanic 203, uuolchanum
217, einzeihaner 242, also 23 mal, während ich sein fehlen in
ca. 70 fallen coustatierte.
Von hier ab nimmt das eindringen der secundärvocale in
langsilbige wurter rasch zu; die Reichenauer glossen Ra.
haben etwa 18 sichere beispiele gegen einige 50 belege für die
älteren kürzeren formen. In den buchstaben A — I der ke ro-
nischen glossen stellt sich das Verhältnis bereits wie ca.
40 : 50 (die jüngeren formen beginnen erst bei Hatt. 151» mit
zaihinit, bis dahin stehen 26 formen ohne secundärvocal, fast
die hälfte der überhaupt in jenem stücke belegten). Auch das
gesetz der kurzsilbigen wird öfter verletzt: fomdnüg 142»,
0 oder ist dies anszuschliessen wie achoTj wegen der westgerm.
yerscbärfung vor /?
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 97
eocattuedramu 149», flogröndi 150», kicresmöt 159b, crismdta
159b, flokrondi 160b etc. Die Murbacher hymnen haben
kambaro, heitarir etc., heiiarit, laugenmte, reisanum, simbulu,
sleffara, -%, suntardnH, tauganiu, tunchaR, vuäfomum, uua?isamo,
tiuacharSr, uuatarit, zusammen 26 mal gegen 24 formen der
kürzeren art In den sonst sehr altertümlichen Reichen au er
glossen Rb. sind die älteren formen bereits eine Seltenheit ge-
worden: senaadra 492 b. 522 b. 531», senädrdno 500», utcasmegi
500», uuasmigiu 501 », uuahsmiki 530 b, unsübridu 493», kazimbri
499», Uttiristun bOS % altre 518», ri/rÄn 530» gegenüber ca. 45
formen mit secundärvocal, wobei zweifelhafte fälle nicht ein-
mal mitgezählt sind. Aehnlich ist das Verhältnis auch in den
fränkischen denkmälem des 9. Jahrhunderts; im Tatian
stehen nur die beiden Schreiber yd^ noch häufiger auf dem
älteren Standpunkt, s. meine ausgäbe s. 35; f&r Otfrid fehlen
mir eigene sammluogen; ich finde bei Kelle angemerkt nur
hruadron, mitres, andremo, umnistre, uuimstrun, finstremo Kelle
II, 436, gizimbri ib. 441, zimbrdt, fordröno ib. 452, zusammen
13 stellen, in denen nicht einmal die hss. übereinstimmen. Nur
n hat sich besser erhalten, indem die ableitungen von dougan
sowie lougnen und bouhnen ohne mittelvocal erscheinen, wenige
ausnahmen abgerechnet, s. Kelle II, 435. 449. Was endlich
Notker anlangt, so steht dieser, was nach seiner zeitlichen
Stellung auch kaum anders erwartet werden kann, den übrigen
in beziehung auf consequenz der einschaltung der mittelrocale
▼oraus. Ohne ausnahmen ist er natürlich auch nicht, aber sie
sind sehr spärlich ; in den zwei ersten büchem des Boethius,
die bei Hattemer etwa 80 selten umfassen, fand ich nur zwei
r^;elmässige ausnahmen, uinstri 19 b. 20». 22». 37 b. 44 a (aber
finsterSr 22 b, uinstere 51b) und meistra (fem.) 22 b. 30 b. 63»,
ausserdem einmal kalstre 34». Man darf also wol sagen, daes
man als grundlage für die entwickelung der mhd. formen (ich
spreche zunächst nur von den oberdeutschen, die man gemein-
hin als mhd. zu bezeichnen pflegt) einen sprachzustand anzn-
sehen hat, in dem der ursprüngliche auf quantitätsYerschieden-
heit der Stammsilben beruhende unterschied der behandlung
innerer consonantengruppen völlig ausgeglichen war.
Es ist bereits oben s. 90 bemerkt worden, dass das Yoraug
B«itrlg« sar geaohiohu der deoUolMn ■pnohe. V. 7
98 SIEVERS
zusetzende älteste ahd. syncope ursprünglicher vocale
nicht kennt, ausser im schwachen verbum. Die neigung zur
syncope tritt auch im verlaufe der ahd. periode erst sehr all-
mählich auf. Die ältesten denkmäler haben noch fast intakten
vocalismus; nur ganz gelegentlich begegnet neben dem öfter
auftretenden herro einmal unsriu etc. (s. 94), oder urstödR Pa.
241, Ra. 274 a^ das man doch zu den adjectivis auf -al mit
festem a stellen möchte, oder geislun Tat. 117, 2 (vgl. s. 33 f.);
andere fälle wie therra, therro , therm Tat. etc. für therera
u. s. w. sind durch die eigentümliche lautumgebung bedingt.
Eine bestimmte regel, die sich an die für das ags. und alts.
ermittelten bestimmungen anschlösse, lässt sich für die ältere
zeit wegen zu grosser spärlichkeit des materials schwerlich
gewinnen. Erst bei Notker beginnt das niaterial etwas reich-
licher zu werden. Aber die alte regel erscheint doch nicht in
ihrer reinheit. Es macht sich, wie hernach im mhd., bereits
der einflus gewisser consonanten, / und r geltend; nach ihnen
erfährt auch ursprünglicher mittelvocal nach kurzer Stamm-
silbe bereits syncope. Aus dem Boethius habe ich z. b. notiert
gemdlnemo 27 » pildoton 27 a, eniärner 30 *>, uerldmdn 36 », ge-
chömer 60 a (2), kehdmes 63 a, uerldniez 73 a, ferldmiu 75 b^
ferldmes 93 a. Einen besonders wichtigen fall bilden die ab-
stracta auf -eda; die auf ursprüngliches -lida und -rida nach
langer Stammsilbe syncopieren das e fast stets: sälda, sdldä
Boeth. 16 a. 25 b (3). 48 a. 64 a. 67 b (2). 68 a. 75 b. 92 a, säldön
35 b. 43 b. 45 a. 60 a 62 b (2). 63 a.b. 64 a.b. 92 a, saldo 45 a. 82 b,
ünsälda 45a. 63 b. 92 a, üngebärda 25 b, ütigebärdon 69 b, ürteildo '
31b, ürteilda 33 b. 39b, zierdä 14&, zierdo Ih^, aber auch
uuiderechereda 57 b, irredo m. 75 a, tiureda 76 b. Sonst bleiben
die e nach langer silbe, auch nach m und n, beniimedo 31a,
geurönedo 34 a, bemiineda 55 b, bechinnedo 92 b. Von kurz-
silbigen hat sich selida regelmässig zu silda verkürzt, z. b.
22 b. 35 a. 46 a, aber es heisst noch kireda 34 b. 84 a, glredo
73 b. — Verkürzung tritt übrigens, wie mau sieht, stets nur da
ein, wo durch sie articulationsverwante lautgruppen zusam-
mentreten.
Auch der fall, dass zwei unbetonte mittelvocale im
innern eines wertes zusammentreffen, gestattet erst bei ISfotker
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 99
einigermassen eine erörterung, da in den älteren denkmälern
beide unbeanstandet bleiben. Bei Notker scheint dasselbe
gesetz zu gelten, das sich auch im ags. und alts. fand, nämlich
dass der zweite getilgt wird, wenn überhaupt syncope eintritt;
darum heisst es stets anderro Boeth. 15 b. 20». 29 b. 38 b. 41a.
55 b. 75 a etc., dndermo 20 a. 29 a. 34 a. 54 a. 56 b. 70 b. 81a.b etc.,
ünsermo 11% ünserro 65 b^ iuuerro 71b, 73 b. 74a.b etc. Nach
andern consonanten als r habe ich in dem bezeichneten stücke
des Boeth ius kürzung nicht gefunden; es heisst mdnegero 67a,
Hzzelero 85 a etc.
Das eigentliche syncopierungsgebiet liefern also im ahd.
bloss die schwachen verba. Aber auch hier liegen die sachen
nicht so einfach als man gemeinhin anzunehmen geneigt ist.
Hierauf nachdrücklich aufmerksam gemacht zu haben ist das
verdienst von Begemann, schw. praet. 120 ff., dessen ausein-
andersetzungen bisher wenig beachtet zu sein scheinen. Mit
der annähme einer unabhängigen rein lautlichen entwickelung
der formen der einzelnen westgerm. sprachen aus einer grund-
form 'ida kommt man nicht durch. Die schlagende Überein-
stimmung Yon praeteritis wie:
ags.
iegde
sse^de
hogde
haefde
Ufde
leUe
sealde
tealde, telede
weahte
oder unflectierten par
geseald, geseleG
geteald, geteled
und anderer, auf welche Begemann hinweist, tut die existenz
einer praeteritalbildung ohne i bei kurzsilbigen verbis für die
westgerm. Spracheinheit unumstösslich dar. Die oben cursiy
gesetzten formen müssen als modernere anlehnungen an prae-
terita wie alts. nerida, ahd. nerita gefasst werden (das ags. hat
noch am wenigsten neues, nur in einzelnen formen hat es den
alts.
ahd.
lagda, legda
— , legita
sagda
— , segiia
hogda, hugda
hocta, hugita
babda
hapta, hebita
libda
latta, letta
lazta, leziia
salda
salta, selita
talda
zaAt&y zelita
unahta
unahta, uvekida
dpien wie:
gisald
glsalt, geseUt
gitald
gizalt, gizelit
100 SIE VERS
umgelauteten praesensvocal durchgeführt [legde, leite], wie auch
das alts. in legda, hugda, letta ; das ahd. lässt die alten formen
hocia, hapta sehr bald aussterben). Denn man darf diese
verba keineswegs wegen der secundären gemination des wurzel-
auslauteuden consonanten in gewissen formen des praesens-
Stammes zu den langsilbigen stellen, vgl. z. b. ags. fremman —
fremeäe, alts. frummian — frumiäa etc. , in denen ja dasselbe
stattfindet, oder ahd. parallelen wie seien — salta bei Tatian
u. dgl. Ob man mit Begemann diese bildungsweise bereits der
germanischen grundspradie zuzuschreiben hat ^) (wofür nament-
lich die ht in ags. tveahte, peahte etc. sprechen), mag hier un-
entschieden bleiben; jedenfalls existierte sie vor der trennung
der westgermanischen sprachen.
Die eigentümliche Sonderstellung, die die praeterita und
participia in beziehung auf die syncope im ahd. einnehmen,
würde es nahe legen, die kürzeren formen ebenfalls schon der
westgerm. sprachperiode zuzuschreiben. Ich möchte dies aber
deswegen doch nicht flir richtig halten, weil wir dann auf die
neue Schwierigkeit stossen zu erklären, warum jene praeterita
kurzsilbiger yerba mit wenigen ausnahmen den zu erwarten-
den unumgelauteten vocal haben, während die langsilbigen
ganz consequent umlaut zeigen (h^rde, demde etc.). Es wird
also richtiger sein, die anomalie dem ahd. zuzuschieben, das
ja so wie so in vielen beziehungen inconsequenter verfährt als
die übrigen westgerm. sprachen, namentlich als das ags. Diese
inconsequenz muss ich freilich einstweilen unerklärt lassen; es
ist nicht unmöglich, dass hier genauere accentuntersuchungen
noch licht verschaffen (eine andeutung s. weiter unten beim
auslautsgesetz für -a).
Fassen wir das gesammtresultat für das ahd. zusammen,
80 ergibt sieh: in einem grossen teile der schwachen verba
zeigt sich dasselbe syncopieruugsgesetz, welches das ags. und
alts. beherscht Andere formen werden durch dasselbe noch
nicht angetastet Ihm tritt frühzeitig eine neigung zur ein-
0 Diese annähme involviert natürlich für das gotische die weitere
ansetzung einer grossen reihe von formUbertragungen ; die nord. formen
sind vielleicht nicht beweisend.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 101
sehiebung secundärer mittelvocale entgegen ^ viel stärker als
sie in den andern sprachen waltet; eine zeit lang wirkte auch
hier das ursprüngliche gesetz noch nach, insofern nur nach
kurzer silbe einschub gestattet ist (d. h. da wo ags. alts. nicht
syncopieren) , bis allmählich auch dieser unterschied fortfällt.
Im ahd. ist .die grundlage jener syncopierungserscheinungen,
das alte westgermanische accentgesetz ^ am ersten und am
stärksten in verfall geraten.
Dieser letztere satz ist von ziemlicher Wichtigkeit fUr das
Verständnis des Verhaltens des ahd. in bezug auf die behand-
lung der germanischen endsilbenvocale, zu denen ich nun
übergehe.
III. Zum vocalischen anslantsgesetz.
Die bisherigen versuche, ein bestimmtes gesetz für die be-
handlung der schlusssilbenvocale im germanischen zu formu-
lieren, legten in den wesentlichsten punkten die gotische laut-
gestalt zu gründe. Das gilt namentlich bezüglich der ursprüng-
lich kurzen vocale der endsilben. Trotz mehrfacher versuche,
von Seite der skandinavischen sprachen aus das aus dem goti-
schen gewonnene gesetz zu durchbrechen (so namentlich in
arbeiten von Wimmer, die später zu nennen sein werden), darf
man wol sagen, dass die formulierung des gesetzes wie sie
Westphal-Scherer gegeben haben, in Deutschland wenigstens noch
als die herschende angesehen wird. ^ Sie lautet bekanntlich, dass
wie im gotischen jedes kurze a und t einer schlusssilbe mehr-
silbiger Wörter bereits gemeingermanisch ausgefallen sei, dass
aber kurzes u sich erhalten habe: so got. dag-s, gast-s : survus,
ags. dce^, ^iest : sunu, alts. dag, gast : simu, ahd. tac, gast:sunu.
Alles übrige wird der entwickelung der einzelsprachen zu-
geschoben.
Scherer hat bekanntlich eine erklärung dieser erscheinung
gegeben, die fast allgemeinen beifall gefunden hat. Die vocale
1) Von den Deutschen hat, soweit ich sehe, nar Heinzel den satz
auszusprechen gewagt, ^dass auch nach der Scheidung von den Ostger-
manen suffixale a in germ. endsilbe noch vorhanden waren', Niederfränk.
geschäftsspr. 53 ; dagegen aber alsbald Zimmer, Anz. f. d. altert. I, 98 ff.
102 SIEVERS
a, i mit dem hohen eigentoDe sollen in Widerspruch getreten
sein mit dem princip des germanischen accentes, die Stamm-
silben durch tonerhöhung hervorzuheben. Die in der musika-
lischen seala tiefer liegende endsilbe erträgt nicht jene vocale,
wol aber das dumpfe u^ dessen eigenton gleichfalls ein tiefer
ist (z. GDS. 135 f.).
Ich glaube, dass weder diese erklärung, so ansprechend
sie auf den ersten blick ist, sich halten läist, noch dass über-
haupt ein vocalisches auslautsgesetz in dem bisher angenom-
menen umfange existiert. Für die längen hat neuerdings ins-
besondere Paul in diesen Beiträgen IV, 315 flF. diese ansieht
eingehender durchgeführt, ich hoffe hier zeigen zu können,
dass auch der schwund ursprünglich kurzer / und a
der endsilben meist erst dem einzelleben der ger-
manischen sprachen angehört. Auf die geschichte ur-
sprünglicher längen werden wir nur gelegentlich einzugehen
haben.
Um das wesen dessen, was man 'auslautsgesetz* zu nennen
pflegt, richtig zu verstehen, muss man vor allem öinen gesichts-
punkt fortwährend im äuge behalten. Das wort verändert
sich nicht an sich allein, sondern sein wandel ist stets
durch seine Stellung im satze bedingt. Dieser gesichts-
punkt ist, wenn ich nichts übersehen habe, zuerst von
H. Schuchardt in seinem im jähre 1872 auf der Leipziger
Philologen Versammlung gehaltenen vertrag 'über syntaktische
modificationen anlautender consonanten im mittel- und süd-
italienischen* klar und deutlich hervorgehoben.^) Im anschluss
an ihn habe ich sodann in der Jenaer literaturzeitung 1874
s. 146 b die gestaltung des franz. wortauslautes unter diesem
gesichtspunkte zu erklären gesucht Vor allem hat aber
neuestens Georg Curtius in seiner abhandlung über die griech.
auslautsgesetze, Studien X, 205 ff., die ganze frage einer prin-
cipiellen erörterung unterzogen. Indem ich mich auf diese
ausftthrungen stütze, glaube ich an die spitze unserer betrach-
tung der auslautsgesetze den satz stellen zu dürfen: Die form
eines jeden wertes, welche sich als die normalform dem be-
*) S. die berichte über die verbandlnngen dieser versaminlnng s. 208,
femer Zs. f. deutsche pbil. IV, 241. Germ. XVII, 383.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 103
wustsein des sprechenden einprägte (und demnach auch in den
meisten fallen diejenige ist, welche zu graphischer darstellung
gebracht wird, wo nicht wie im sanskrit nur satzschrift, nicht
wortschnft besteht), ist diejenige, welche im zusammenhange
der rede durchschnittlich am häufigsten vorkommt. Dies gilt
nun namentlich da, wo es sich um ausstossung ganzer silben
handelt. Die betrachtung einer ganz beliebigen modernen
spräche zeigt ja alsbald, dass im innern des satzes die neigung
zu Verkürzungen viel stärker ist, als am satzschluss; in der
regel hat die clausel des satzes ein grösseres gewicht, nament-
lich pflegt sich das tempo, in dem die einzelnen silben ge-
sprochen werden, wesentlich zu verlangsamen. Insofern kann
man die clausel als ein conservatives dement in der entwick-
lung der wortform betrachten, welche als correctiv für die
rascher fortschreitende Verstümmelung der Wörter im satzinnem
dienen kann. Beide factoren werden vielfach in widerstreit
mit einander liegen, und auch bei der gesprochenen spräche
wird allmählig eine ausgleichung eintreten, sobald die differen-
zen zwischen satzinlaut und -auslaut dem sprachbewustsein
deutlicher gegentibertreten ; und da die entwicklung der spräche
in den meisten fällen zur kürzung und Vereinfachung führt, so
wird auch die pausalform schliesslich der in der entwicklung
vorgeschrittenem form des satzinnern sich anbequemen müssen,
und so fort in beständigem flusse. Es ist gerade dies wider
ein gebiet, bei dem das walten der analogiebildungen und
ausgleichungen aufs deutlichste sichtbar wird.
Wir ziehen aus derartigen erwägungen die principielle
lehre, dass wir uns zunächst zu fragen haben: in welcher
Satzumgebung traten altgerm. formen wie *dagaz, *gastiz etc.
am gewöhnlichsten auf, und wie ist danach ihre Verkürzung
in dags, gasts etc. zu beurteilen. Die antwort ist ziemlich
einfach. Nach dem neuen germanischen accentgesetz ist der
häufigste fall der, dass das folgende wort mit einem hochton
beginnt (ausnahmen machen ja nur gewisse en- und procliticae) ;
für die endsilbe eines beliebigen wertes lässt sich also im all-
gemeinen die Charakteristik festsetzen : sie steht zwischen zwei
höher accentuierten silben und zwar unmittelbar vor der
zweiten von diesen. Von dieser Stellung muss also auch
ihr geschick hauptsächlich abhängen. Um die sache auf eine
104 8IEVEBS
einfaehe fonnel zu bringen, können wir sag«^: wir dfirfen
iags, gasts nicht aus der ßlaaselform *dagaz | , *gastiz | ab-
leiten, sondern aus formeln wie *ddgaz ist (. . .) | , *gdstiz
ift (• . OB ^^
Wir haben also hier Ar unsere werte das acoentschema
w^^ (. . .)• ^ leuchtet, denke ich, ohne weiteres ein, dass
dieses den in der bisherigen Untersuchung so vielfach verwan-
ten Schemen www und r ^ ^ ^ ähnlich ist wie nur mög-
lich. Der unterschied kann nur ein gradueller sein; ob der
folgende accent ein hochton oder tiefton ist, bleibt sich im
wesentlichen gleich. Ist dies richtig, so muss die consequenz
sein, dass auch jene werte unter der einwirkung derselben
gesetze yerkttrzt sind, welche die syncope inlautender vocale
bei dreisilbigen Wörtern bedingten.
Wie stimmen nun die sprachlichen tatsachcn mit
diesen erwägungen? Durchaus nicht, wenn wir die bis-
herige formulierung des auslautsgesetzes dazu halten, sie stim-
men vollkommen, wenn wir das sprachliche material richtig
ordnen. ^)
1. Der auslaut zweisilbiger Wörter.
Vor allem muss für die betrachtung der auslautsgesetze
das verhalten des westgermanischen massgebend sein, da
in diesem das accentprincip mit allen seinen folgen am klar-
sten hervortrat Wir wenden uns dabei zunächst an die ein-
fachsten wortformen, die zweisilbigen Wörter. Widerum ist
mit einem speciellen falle die Untersuchung zu eröffiien, der
betrachtung des ^^, weil wir dabei von dem allgemein zuge-
standenen salze ausgehen können, dass die erhaltung des u
die trennung der germanischen sprachen überdauerte.
Hier gilt nun ohne weiteres die regel: Germanisches
u bleibt westgermanisch nur nach kurzer silbe, es
schwindet nach langer. Man vergleiche die beispiele:
0 Ich habe hier diesen theoretischen teil voransgestellt, um für die
benrteilung der folgenden tatsachen von vornherein eine fandiernng zu
haben; doch will ich ansdrUcklich bemerken, dass der gang meiner
Untersuchung genau der umgekehrte gewesen ist, dass erst die factische
regel gefunden wurde, nachher sich die erklärung ergab. Es ist viel-
leicht nicht unnötig, dies hervorzuheben.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 105
knrzsilbige:
got
faihu
fila
haiinB
li>aB
magas
sidoB
skados
BUnUB
ÜmB
dkVLpUB
fairhvuB
flödUB
(fdtUB
h^idoB
hühroB
leipns
loftaB
laBtUB
maibBtOB
skildiiB
tunf'us
J^aÄrnoB
yaddjoB
vahstus
vairdoB
vifroB
Hierzu ist zu bemerken, erstens, dass auch alle übrigen
westgerm. als u- stamme durch die endung -u belegten Wörter
kurzsilbig sind, z. b. ags. fred^u, meoäu, lagu, nmduy alts. fritSu,
ahd. fridu, sign, hugu^) u.dgl.; %,weitens dass genau dasselbe
Verhältnis sich auch bei der composition zeigt, welche natür-
lich unter denselben gesetzen sieht, da wir es bei ihr mit ex-
quisit festen accentuierungsformen zu tun haben, ja dass in
einigen fällen die composita den lautgesetzen getreuer ge-
wesen sind als die simplicia; so heisst es ags. alts. ahd. z. b.
ausser der composition stets lit5 resp. lid^ in der composition
agB.
altfl.
ahd.
feo{h)
feha
fiha
feoU
filu
filu
heom-
heru-
leoCa-,
Ut5 liöu-, lit5
lida-, Ui
maga
maga
—
Bida
Bida
situ
Bceada
(skado)
Bcatn
Buna
Buna
langsilbige :
Bona
&r
[6r]
—
deAS
dö8
töd
feorh
ferah
(ferah)
flöd
flöd
flnot
f5t
föt
fuoz)
häd
hdd
heit
hunjor
hungar
hungar
1«5
I«5
Itd
(lyft)
luft
luft
—
[inst]
last
mist?
—
mist
Bcyld
[skild]
skilt
tdt$
[tand]
Kaii(d)
'pom
[thom]
dorn
wag
[w6g]
unahBt
—
unirt
—
auidar.
*) Ob dieae werte arsprUngliche m- stamme waren, oder etwa erst
durch die wirkang des consonantischen auBlaatsgeBetzes dazu geworden
Bind, ist natürlich hier gleichgültig.
106
SIEVERS
erscheint aber nur leot^n-, Ut5U', lidii-. Was diese kürzeren
formen, wie ags. feoh, frit5, Hb, ahd. lid betriflFt, so sind sie
gewis dem muster der viel zahlreicheren langsilbigen Wörter
gefolgt. Was diese selbst anlangt, so braucht kaum darauf
noch ausdrücklich hingewiesen zu werden, dass mit dem Ver-
luste des charakteristischen kennzeichens ti massenhafte Über-
tritte in andere declinationsreihen, geschlechtswechsel etc. ver-
bunden gewesen sind.
Dieselbe doppelheit weisen nun im westgerma-
nischen diejenigen Wörter auf, welche gotischen etc.
/-stammen gegenüberstehen; alle kurzsilbigen zeigen, ins-
besondere auch in der composition, ein / resp. e am wortende,
welches bei den langsilbigen fehlt. >) Ich brauche hier wol nur
die kurzsilbigen herzusetzen:
got
ags.
alts.
ahd.
baür
byre
—
hugs
hyge
hugi
hugi
mats
mete
med
(rnaz)y mezzi
mans
luyue
miini-
Muni-
qams
cyme
cumi
chumi
slahs
siege
slegi
(slagl ßlegi-
8ta}?8
stede
stedi»)
(siai)
vins
wine
uuini
uuini
vlits wlite uuliti —
Im angelsächsischen ist die zahl der hierher gehörigen
Wörter sehr gross; ich nenne z. b. die masculina bere, bite,
hryce, brt/)ie, crvide, q/re, drepe, drype, e^e, flyge, gryre, hryre,
lyge, lyre, ryfie, scyte, sele, stepe etc., ferner alle abstracta auf
'scipe = alts. -scepi, altn. -skapr, Feminina und neutra
scheinen im ags. zu fehlen; für alts. siedi f. erscheint mascu-
*) Dies hat zuerst gesehen Schlüter, über die mit dem suffix ja ge-
bildeten deutschen nomina 33. 206 u. ö. ; aber er hat die erscheinung
ganz misverstanden oder nicht die nötigen consequenzen gezogen, indem
er einen Versuch eines jungem Übertrittes in die ya-declination' darin
sieht, obwol er anderwärts, s. 209 bemerkt, dass das alts. in der erhal-
tung dieser älteren declinationsweise das got übertreffe.
') Gegenüber der mit grosser hartnäckigkeit festgehaltenen an-
setzung eines alts. nom. stad locus bemerke ich ausdrücklich, dass nir-
gends eine andere form als siedi für diesen casus belegt und dass auch
keine andere möglich ist.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 107
lines siede, welches offenbar auf jüngerem Wechsel des ge-
schlechts beruht Ebenso bei den neutris. Man lehrt ge-
wöhnlich, dass im germ. die neutralen /-stamme bereits er-
loschen seien ; aber tatsächlich existiert noch ein wort, das ur-
sprünglich ein solcher stamm, ganz nach art der oben berühr-
ten Wörter flectiert, nämlich ahd. meri] dies ist wider im ags.
masc. geworden, wie im nord. marr, im alts. aber fem. meri
(wie got. marei). Auch dem alts. ueutrum meni steht ein ags.
mene m. gegenüber, bei diesem ist aber das ursprüngliche ger-
manische geschlecht zweifelhaft (skr. mani m., ahd. menni n.
ist /a- form). Aber man darf doch sagen, dass die -i, -e in
meri, mere etc. derselben beurteilung unterliegen müssen wie
die der übrigen angeführten Wörter, zumal sich meri, mere so-
wol im ahd. wie im ags. von der flexion der /a-stämme deut-
lich unterscheidet fs. meine paradigmen, ergänzungsblatt s. VI).
Femer gibt es auch noch einige hierher gehörige adjectiva,
nämlich bryce zerbrechlich, und cyme lieblich (vgl. engl, comely).
Von letzterem ist zwar der nom. nicht belegt, aber es kann
kein zweifei sein, dass hier nicht ya- stamme vorliegen, weil
der endconsonant der Wurzelsilbe sich der gemination entzieht
Für das altsächsische lässt sich nicht so viel zusammen-
bringen. Ausser dem bereits in der tabelle gegebenen und
den abstractis auf -scepi haben wir noch an masculinis hiti,
fluti^) gl. Prud. 744, gruri , heti, selfkxiri Psalmencomm. 67
(nach der evidenten Verbesserung von Heinzel, Denkm. ^ 546,
nach ahd. selbchuri und ags. cyre), qniäi, seU, suiri, uurisi (in
uurisi'iic), auch wol flugi^) nach dem dat. flugia gl. Prud. 521
= ags. bite, gryre, hete, cyre, crvide, sele, stvire, fly^e. An
femininis haben wir sicher stedi und wol auch beki, das oft in
Ortsnamen als zweites glied erscheint, und das neue meri, das
man nicht als meri anzusetzen braucht; endlich spuri in spuri-
helti Denkm. IV, 4. Auch scheint ein adj. drugi {:luggi) trüge-
risch zu existieren Hei. 264, wenn man dort nicht etwa ein
compositum drugithing ansetzen will, welches mir aber keine
rechte Wahrscheinlichkeit hat
Das althochdeutsche hat wider besonders stark auf-
*) Heyne setzt im glossar zur zweiten ausgäbe der kl. altniederd.
denkm. fluii und flvgi ohne ersichtlichen grund als neutra an.
108 SI£VEBS
geräumt Es bestehen noch sicher alte formen von utäni und
risi, von neutris meri, von femininis turi, das erst aus der oon-
sonantischen declination hierher übergetreten ist, und kuri, mhd.
tür und kür] hier beweisen die Kotkerischen formen ture und
kicre (GrafiF V, 445. IV, 519), dass man nicht etwa, wie öfker
geschehen ist, *tun und* kuri ansetzen darf, Braune, Beitr. II,
137). Hierzu kommt aus der coiiiposition noch sptiri- in spuri-
holz, spuri'huni (Denkm. IV, 4 und anm. 1, Graff IV, 977).
Gewis ist aber noch manches andere, das man bisher nur mit
mühe anders untergebracht hat, hier einzureihen. So ist quiii,
das Graff IV, 647 als f. und n. ansetzt, offenbar masculinum
= ags. cwide] der dat. sg. üfchume Pa. gl K. zu üfchwm origo
Graff IV, 673 sichert diesem werte ebenfalls männliches ge-
schlecht, im verein mit ags. q^me, alts. cumi, und darnach wer-
den auch die übrigen werte auf -quimi, -quemi etc. bei Graff
1. c. zu beurteilen sein (so auch schon Schlüter a. a. o.). In
der hauptsache aber sind die nominatiye der kurzsilbigen
denen der langsilbigen gleich gemacht Bei einigen, wie
brüh, duz, haz , maz, nuz , scuzj staph, könnte man an einen
einfluss der lautverschiebung denken, welche die quantität der
Stammsilben veränderte, aber für andere, wie flug , sal, slag,
stat, scrit , mit bleibt doch nur die annähme einer formüber-
tragung möglich (näheres darüber s. bei Paul, Beitr. IV, 397 f.).
In der composition tritt aber das t wider mehrfach auf, wo es
im Simplex geschwunden ist, so in saiihüs gl. K. 141a, i^
scritimäl (neben scritamäl), scritimez Graff II, 716. 895 zm scrit,
slegifedara Graff III, 448 zu slag\ fluge-gerta, -ras, -scuoh Graff
IV, 258. 1180. VI, 419 zu ßig (so auch wol die zahlreichen
formen mit trugi, wie trugilih, trugiheit, trugihilidi etc. Graff
V, 508): selbst bei langsilbigen findet sich dies noch, nämlich
in mezzimuos Graff II, 870 und mezzi-rahs neben mazsahs ib.
VI, 90, brüiigomo, brütiboto, truhtigomo, nahtigala, J. Grimm,
gr. II, 419, neben brütbetti, brütkamara, nahtlob etc. ib. II, 420.
Was ist nun jenes i, das im nom. acc sg. und in der
composition erscheint? Um diese frage dreht sich alles. Man
hatte bisher alle diese Wörter der ya- declination zugewiesen,
soweit masculina und neutra in betracht kamen, der declina-
tion der abstracta auf -t, was von femininis vorlag. Hiergegen
ZÜB ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 1 09
hat aber Schlüter mit recht eingewant, dass dann der wurzel-
auslautende consonant wie bei den /a- stammen geminiert sein
müste und dass im ags. der nom. nicht auf -e auslauten könnte,
vgl, z. b. hyge mit hrycg, myne , tvine mit cynn, wlite mit flett
u. dgL (s. auch weiter unten bei den ya-stämmen). Man kann
dazu noch fügen, dass auch die flexion gar nicht überein-
stimmt; wir finden im ags. für den plural als regel die endung
-e gegen -as der ja - stamme, im Heliand noch mehrere plurale
auf 'iy so cumi, quidi, uuini gegen das -iös bei den ya-stämmen
(nur einmal angeglichen seliös G 3686), im dat. sg. massenhaft
die endung -i, uuordquidi, hugi, seit, meti neben dem ange-
glichenen 'ie, welches bei den ya-stämmen allein herscht
Ebensowenig wie aus der /a-declination kann das -i des
nom. acc sg. aus dem plural oder einem andern singularcasus
hergeleitet werden, denn dann begriffe sich durchaus nicht die
consequenz, mit der nur kurzsilbige Wörter diese ^Umbildung*
erfahren hätten. Dazu halte man nun den yollkommenen
parallelismus der u- stamme, und man wird nicht mehr zwei-
feln dürfen, dass dieses-/ der alte stammauslaut ist^ und
dass daher ron einem gemeingermanischen ausfall des t in
zweisilbigen nominibus so wenig die rede sein kann wie von
einem des u. Ein gegenbeweis gegen diese aus der nominal-
flexion gewonnenen resultate lässt sich aus dem verbum nicht
f&hren; denn dieses kennt im ganzen nur ursprünglich drei-
silbige formen; die beiden einzigen ursprünglich zweisilbigen
formenreihen, die sich im germanischen erhalten haben, im, is,
ist, sind und dorn, dds, döb, danb (die reduplication des letzteren
Wortes war schon gemeingerm. geschwunden) sind ja zugleich
langsilbig und fügen sich der regel. Die möglichkeit ist aller-
dings nicht ausgeschlossen, dass die ursprünglich auslautenden
t dieser Wörter anders behandelt wurden, als die gedeckten t
der nom. und die vielleicht ebenso durch den ursprünglich da-
hinter stehenden nasal m wie durch den systemzwang ge-
schützte i des acc. der nomina. ^) Anstössig ist nur eine form,
0 Ag8. dSs, dStf kann nicht als zeugnis für die erhaltang des -t in
ags. zeit gefasst werden, denn das verbum ddn ist im ags. ganz zur con-
jogation der verba mit thematischem yocal übergetreten. Sonst mUsste
es ja aach ic * dim und in der 3. pl. * diti heissen. — Für arsprUnglich
110 SIE VERS
das at»:8. alts. comparativadverb bet, ahd. baz, für das man
*bete, *beU erwarten sollte, wenn diese formen «» got. baiis
mit gemeingerm. / sind. Aber diese form unterliegt selbst
einer reihe von bedenken, s. unten s. 1 1 1 u. ö. lieber die ad-
verbien und praepositionen umbi und in etc. kann erst weiter
unten gehandelt werden.
Es knüpfen sich hieran alsbald die weiteren fragen: darf
man die durchführung dieses abfallsgesetzes in den westger-
manischen sprachen als einen gemeinschaftlichen akt derselben
bezeichnen, und wie stellt sich das ostgermanische dazu?
Auf die erste frage lautet die antwort mit entschiedenheit nein.
Wir sind glücklicherweise noch im besitze zweier ags. formen,
welche die sache definitiv erledigen. Auf dem Cleiinonter
runenkästchen (Stephens, the old northern runic monuments I,
470 ff, C. Hofmann, Sitzungsber. der Münchener Akad. 1871,
s. 665 ff.) steht der nom. sg. flodu, auf dem kreuz von Bew-
castle (Stephens I, 398 ff.) der nom. olrvfwolpu^) (beide formen
hat schon Sweet [on prehistoric forms and dialects of old
english s. 6.] hervorgehoben). Aus ihnen sowie aus der tatsache,
dass / bei langsilbigen im ags. noch umlaut erzeugt (s. gleich
nachher), nicht aber im ahd. und alts., folgt, dass der Schwund
des u und i nach langeu silben erst in das einzelleben der
westgerm. sprachen fällt, dass in der westgerm. einheit beide
vocale noch ebenso intakt erhalten waren wie es das u im
gotischen ist. Kur das accentgesetz, welches die verschiedene
behandlung der kurz- und langsilbigen Wörter bedingte, ist ge-
meinsam gewesen. — Eine besondere bestätigung hieifttr bietet
übrigens die behandlung der consonantischen declina-
tion. Bei den langsilbigen i- stammen könnte man zweifeln
wollen, ob der umlaut im nom. acc. sg. (z. b. giest, tvyrm, tvylm,
die feminina s. Beitr. I, 496 f.) lautgesetzlich oder durch
form Übertragung zu erklären sei; diese formen lassen sich des-
halb nicht mit völliger bestimmtheit zur festsetzung der chro-
anslautendes u fehlen verbalbelege. Man vgl. Übrigens was unten über
Worte wie in,, umbi gesagt ist.
0 Die inschrift lautet soweit sie hier in betracht kommt: pis sige-
becn pun {-bScun?) setton hwcetred mopgar olwfwolpv aft alcfripu ean
kyning eac oswiung \ gebid heo sinna sorvhula.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 1 1 1
nologie des vocalschwundes benutzen; wol aber lassen formen
wie ags. fei, mys etc. im dat.-loc sg. und nom. (-acc) pl. keinen
zweifei übrig; sie stehen für */dii, ^müsi resp. */o'^/z, "^mü'siz
{-iz aus europ. -es, s. Paul, Beitr. IV, 418, vgl. auch altn.
dohirir auf dem stein von Tune). Der ausfall des vocals
i ist also jünger als der eintritt des umlauts im
angelsächsischen.^) Im ahd. und alts. fehlt dagegen der
umlaut wie bei den entsprechenden langsilbigen alten /-stam-
men ganz der regel entsprechend, da diese beiden sprachen
den umlaut erst relativ später eintreten Hessen. 2)
Was das verhalten des ostgermanischen betrifft, so
hat das gotische bekanntlich alle / in zweiter siibe getilgt,
ausser in den comparativadverbien auf -is wie haiis, neben
solchen wie mins, vairs , pmiaseips, swis, Paul hat Beitr. IV,
414 anm. bereits richtig bemerkt, dass die vollere form aus
dem adjectivum eingedrungen ist. Wider anders das nor-
dische. Dieses erschwert zwar den einblick in den gang
seiner lautentwicklung über die massen durch die ausserordent-
liche Zerrüttung seiner /-declination, die mit allen übrigen decli-
nationen durcheinander geworfen ist. Aber ich meine doch,
dass eine art resultat zu erreichen ist, wenn man zunächst die
sicher vergleichbaren /-stamme des nordischen und der übrigen
germ. sprachen zusammenstellt. Dies gibt folgendes bild:
*) Abd. und alts. haben nur wenige deutliche reste der cons. decli-
nation einsilbiger stamme bewahrt Interessant ist die behandlung des
abstufenden Stammes dhvar , dhur (vgl. Osthofif, Beitr. III, 49. 74 fif.);
dieser ergab nach ausgleichung der stammabstufung und eintritt des um,
un für nasalis sonans die flexion ^(dur?)^ * duras , *duri, * durum, pl.
*duriz, *duräm, *durums, *duruns, Nom. sg. und gen. pl. lieferten das
neutr. got. daür etc., acc. sg., dat. und acc. pl. das ags. duru, loc. sg.
und nom. pl. das ahd. turi. Dies zur ergänzung von Brugman, Studien
IX, 395.
*) Hier macht wider nur das alts. adverb leng für *langiz eine
Schwierigkeit; wir haben darin jedenfalls ein beispiel eines analogischen
umlauts zu sehen, wie in nord. hetr, bezt, s. unten und Braune, Beitr. IV,
542 £F.
112
SIEVERS
kurzsilbige :
langsilbige:
altn. burr —
ags. byre
altn
. bekkr —
ahd. bano
Danr
Dene pl.
belgr
balg
halr
hsßle
drykkr
trunc
hugr
hyxe
F
1
ermr f.
got arms (t-st).
marr
mere
fengr
ahd. fang
matr
mete
floBÖr f.
flaot
manr
myne
gestr
gast
D^r
ud, gotnauB
leygr
loug,ag8.1Öj,ltx
salr
sele
reykr
Fonh, ags. r6c
skapr
-scipe
serkr
sarc (?)
slagr
siege
strengr
Strang
pMiT
\>y\e
BOBgr
ags. sw8g
vinr
wine
Diese tabelle lehrt, dass bei den langsilbigen umlaut ein-
tritty dass er aber bei den kurzsilbigen fehlt. Nun halte man
hierzu die sicher vergleichbaren ya-stämme, die in der flexion
grossenteils mit jenen t- stammen zusammengefallen sind and
von den grammatikern in der regel nicht streng yon ihnen
getrennt werden.^) Wir finden da an kurzsilbigen, auf die
allein es hier ankommt:
^ mascnlina:
bet$r = ags. bedd n.
dynr dynn
herr bere
hryggr hrycj
vefr webb n.
prymT )>rymm
Also regelmässig umlaut, wie bei den langsilbigen t-
(und ja-) Stämmen. Danach muss man schliessen, dass die un-
umgelauteten nominativformen ') der kurzsilbigen t-stämme die
neutra:
feminina:
flet =
: ags. flett
ben
-- ags. benn
kyn
cynn
egg
ecg
lyf
ahd. Inppi
hei
hell
net
ags. nett
nyt
nytt
vetJ
ahd. wetti
skel
scell
*) Auch nicht von Wimmer (auf dessen vortrefflichen sammlimgeii
altn. gr. § 40 ff. Übrigens meine obigen Zusammenstellungen beruhen),
fttr den Standpunkt seiner grammatik mit recht Wimmer macht auch,
besonders in der schwedischen ausgäbe § 43, anm. 3 auf die grosse rolle
aufmerksam, welche die quantitätsunterschiede der wnrselsilben bei der
nord. f- und ^a-declination spielen.
*) Es ist selbstverständlich, dass nur nom. acc. sg. der t-stämme
unserem gesetze unterlagen ; für die Übrigen casus, namentlich nom. acc
pl., welche eigentlich umlaut haben sollten, wie im ahd. alts., ist die
form des sg. massgebend geworden, s. Scberer z. GDS. 420. — Fttr die
praktische grammatik des nordischen gewinnen wir die regel, alle kurz-
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 113
rein lautlich entwickelten fortsetzungen der urgerni. *buriz etc.
sind, mit andern wovten : das i der kurzsilbigen i-stämme
fiel im nordischen vor, das der langsilbigen erst
nach dem eintritte des i-umlautes aus. Dies stimmt
vortrefflich zu dem , was früher (oben s. 69) tlber die syncope
des inneren l beobachtet wurde, deren gesetze sich am deut-
lichsten in den praeteritis der schwachen verba ausprägen:
barba, dvalba, valba, aber hre^ida, dcemba, heyrtia etc. Das
hier geltende syncopierungsgesetz ist genau das gegenteil von
dem, welches die westgermanischen sprachen beherscht.
Ganz ohne ausnahmen scheint allerdings die regel nicht
aufgehen zu sollen, aber alle diese lassen sich durch richtige
erklärung so ziemlich beseitigen. Zunächst haben die lang-
silbigen feminina der /-stamme, wie äst, ddb, hüb, väti, sdtt etc.
meist keinen umlaut: nur du und cett, hon und hcm, kvdn und
kvcen, sdtt und scett schwanken (Wimmer § 48 anm. 3). Wie
aber hier schon der mangel des nominativ-r zeigt, sind diese
werte ausserordentlich frühzeitig im sing, zur bildung der ä-
stämme übergetreten, deren u-umlaut sie sogar im nom. sg. be-
kommen, z. b. alt ost, dot5, Wimmer § 48 anm. 2. Nur zwei
Wörter scheinen den typus der alten flexion zu tragen, flcetir
flut , gegen got. flödus, ags. fldd{u\ und das weiblich gewordene
ermr ärmel (wenn man dieses direct zu got. arms m. [i-stamm]
stellen darf), und beide haben den umlaut Von den unum-
gelauteten femininis mit r im nom., die ihrer flexion nach
hier in betracht kämen, ist das eine, gunnr (flectiert wie heiter,
acc pl. heitiar, Wimmer § 41. 42) ^a- stamm und verdankt
seinen unumgelauteten vocal der einwirkung eines nebenher-
gehenden a- Stammes, der auch im ags. gütS, ahd. Gunda- in
eigennamen wie Gunda-hari neben güdea Hild. vorliegt; das
silbigen Wörter ohne umlaut, welche nach art der t- oder ^a- stamme
flectiert werden, als t-stämme^ alle desgl. umgelauteten als ja- (und Ju-)
Stämme anzusetzen. Beide declinationsformen ganz auseinanderzuwirren
wird wol unmöglich sein, da der allein entscheidende acc. pl. (-t oder
-ja) nicht von allen Wörtern, die hierher gehören (und diese sind sehr
zahlreich), belegbar sein wird. — Den zahlreichen formübertragungen,
die hierbei in betracht kommen, weiter nachzagehen kann hier nicht
meine aufgäbe sein.
Bcltrig« s«r gesobiohte der deatMben spnolM. V. 8
1 1 4 SIEVERS
andere; brübr sclieiut eine wirkliche ausnähme zu bilden (über
die flexion s. Wimmer § 42, anm. 3).
Als I- stamme werden sodann eine anzahl langsilbiger
masculina ohne umlaut angesetzt: hurt^r, kostr, sant^r, skurbr,
siulbr, sulir, purbr, Wimmer § 44. 45. Ausser saubr, welches
als sichere ausnähme bleibt (vgl. got. saudlm Marc. 12, 33) sind
jene Wörter verbalsubstantiva, die zum teil sehr wol Ursprung*
lieh w-stümme gewesen sein können (suffix-Zw); y^\, ^oi. kustus
= altn. kosfr (ucc. pl. aucli noch koslu), lushis, vahsius und
die auf -odus, auhjödus, gabaürjdpus, mannlskodtis, vrat&dus\ in
die auaiogie dieser mUssen dann fimdr und sultr (zu finpan
und sfveltan) vermöge ihrer bedeutungsiihnlichkeit übergetreten
sein ; ureprünglich mögen sie /-strimmo gewesen sein, vgl. mhd.
vunt, vünde, ags. swylt, aber auch got. svultavairpja Luc. 7, 2.
Sodann finde ich ein umgelautetes kurzsilbiges wort,
w*elclies einem sonstigem /-stamm zu entsprechen scheint, näm-
lich pytr Wimmer § 41 B, = ahd. duz, got. in put-hcaim]
dies mag sich an die vielen umgelauteten verbalsubstantiva
angelehnt haben, welche Wimmer a. a, o. aufzählt, wie dykr,
fnykr, glyrnr, gnyf>r, gyss , hlymr^ hrytr, rymr, styrr, ylr, yss,
prymr etc., die man nach sicheren beispielen wie prymr =
ags. prym, dat. pl. pryninnim^ flir /a- stamme oder, wenn man
altn. drynr \)\, zw got dru7yiis vergleicht für /w- stamme halten
muss. Es widerholte sich dann die eben bei fimdr, sultr be-
sprochene erscheinung.
Femer ist die consonantische declination hier zu erwähnen.
Die meisten Wörter derselben sind laiigsilbig, also ist der um-
laut gerechtfertigt (masc. /(Pfr, menn, iiegl, fem. hendr, rcetr,
mysa etc., Winmier § 53 — 59); kurzsilbig nur hnot , stob mit
den pluralen hufitr, hnetr\ stobr, stetSr und das pL t. dyrr.
Von diesen sind die plurale der beiden ersten sicher analogie-
bildungen nach den langsilbigen, denn sonst müste der umlaut
von 0 vielmehr y sein {*hnytr, da das wort zu einer ?<-wurzel
gehört, vgl. ahd. h7ii(z), und dasselbe wird man dann auch von
dyrr annehmen dUrfen; der umgelautete plural muss sich zu
einer zeit herausgebildet haben, wo noch ein (unumgelauteter)
sing, bestand.
Endlich bleiben noch einige comparativ- (und Superlativ-)
aiiverbien wie betr, frernr, skenir und bezt, fremst, skemst\ diese
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER OERM. SPRACHEN. 1 15
stehen wie die entsprechenden adjectiyischen formen betri,
fremri etc. unter dem eiuflasse der regelrecht umlautenden
langsilbigen, sie haben analogischen, nicht etymologischen oder
lautgesetzlichen umlaut; neben heztry bezt kommt übrigens das
zu erwartende baztr, bazt wirklich vor, und zwar als ältere
form bis zum ende des 12. Jahrhunderts fast ausschliesslich; s.
Cleasby-Vigfüsson s. 61 f.
Ein zeitlicher unterschied in der behandlung unbetonter
f und u in gleicher Stellung (d. h. entweder beide nach kurzer
oder beide nach langer silbe) Hess sich für das westgerma-
nische nicht constatieren. Für das nordische besteht ein
solcher; das u hat auch bei kurzsilbigen umlaut rcsp. brechung
hinterlassen; es heisst mggr, prgmr, Hobr, kjglr, nygbr^) eben-
so wie bei inlautendem u, z. b. joklar, jgtnar, /jgtrar. Wir
finden hier dieselbe regelmässigkeit wie in den reihen stabr,
matr, munr und katlar, luklar, Agli oder bart^a, vaktSa, spurba
u. s. w. Diese erscheinung ist, wie ich glaube, von Edzardi,
Beiträge IV, 160 f. richtig dahin gedeutet, dass die syncope
des u einer späteren zeit angehöre als die des i. Wir können
hier vielleicht noch den weiteren schluss ziehen, dass das
nordische hierin sich mit dem gotischen näher berühre, inso-
fern dieses ebenfalls mit dem u conservativ verfährt. Natür-
lich soll hiermit nicht etwa ein historischer Zusammenhang
der syncopierung des i für gotisch -nordisch behauptet werden,
aber wol darf man annehmen, dass ebenso in der ostgerma-
nischen einheit ein für uns noch nicht näher bestimmbares
etwas in der articulation vorhanden gewesen ist, welches die
frühere syncope des i nach der trennung in beide sprachzweige
unabhängig von einander bedingte, wie wir für das westger-
manische ein gemeinsames accentprincip fanden, das schliess-
lich zu einem übereinstimmenden syncopierungssystem führte.
Wir kommen nun zu dem weitaus schwierigsten teile der
ganzen Untersuchung, nämlich der frage nach dem alter und
I) Aber wamm heisst es limr, litTj sWr (kvitfr)? Ags. lim ist a-
stamm, got. vlits t- stamm, hier erklärt die Übertragung in eine andere
declination die sache; aber si9r = got. sidus'i Altn. valr = got vdlus
ist zur t- declination tibergetreten.
116 SIE VERS
den gesetzen der syncopierung des a. Dieses ist von
allen germanisclien sprachen in weit grösserem umfange ver-
drängt als die beiden anderen grundvocale u und /. Es liegen
zwei möglichkeiteu der erklärung vor. Erstens: die sacbe hat
einen rein physiologischen grund. Dafür spricht, dass dieselbe
erscheinung auch andere sprachen zeigen, wie etwa das
litauische. Die ältere spräche hat noch alle drei vocale in
den endungen, die moderne syncopiert das a im nom. sg. der
rt-stämme, nicht aber die entsprechenden i und u: pöns, vUks,
aber dalgis , äntis, turgus etc. (doch freilich auch ponänis aus
pdnamus etc., wobei aber die mehrsilbigkeit mit in anschlag
gebracht werden muss, vielleicht auch qualitative unterschiede
des w). Die erklärung liegt meines erachtens darin, dass a
als derjenige vocal, welcher der indiffcrenzlage am nächsten
liegt and also die umgebenden consonanten am wenigsten be-
eintiusst, am leichtesten ausfallen kann, ohne Weiterungen zu
veranlassen; / und u dagegen wirken stark auf ihre nachbar-
schaft ein, sie rufen namentlich bei vorausgehenden lauten
mouillierung rcsp. labialisierung hervor (deren Vorhandensein
im germanischen die umlaute bezeugen). Bei schwacher aus-
spraciie des vocales werden also die umgebenden laute doch
stets /- oder //-haltigen klang haben, also die erinnemng an
den vocal /, n stets wider dem hörer oder Sprecher wach-
rufen. Ausserdem erfordern / und u grössere articulations-
bewegungen von der indiflferenzlage aus gerechnet, und der
allgemeine satz, dass eine articulation sich um so stärker dem
Sprachgefühle einpräge und in folge dessen um so weniger
leicht verändert oder in Wegfall gebracht werde, je energischere
oder ausgedehntere tätigkeit des Sprachorgans sie erfordert,
gilt auch hier.
Die z\yeite möglichkeit ist diese: Die /- und u- stamme
sind im indogerm. ursprünglich in überwiegender mehrzahl
oxytona gewesen, die a- stamme barytona. Wenn die
Beitr. IV, 538 anm. angedeutete auftassung der germ. accent-
verschiebung richtig ist, so musten die /- und u- stamme noch
längere zeit einen nebenton auf ihrem schlussvocal haben, der
den a-stämmen abgieng. Urgerm. *gdsCiz^ *sdtiz, *sunuz ver-
halten sich zu *dägaz, *tv6rda{m) etc. etwa wie serb. nom.
vüdä zum acc vödu (Masing, serb.-kroat. aeceut, vgl. auch
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 117
Beitr. IV, 526 anm.). Dann kann die frühere und consequen-
tere syncope der a nicht auffallen (vgl namentlich auch
unten s. 121 f.).
Angenommen nun, dass wirklich alle germanischen
sprachen sämmtliche kurzen a der schlusssilben getilgt hätten,
dürfen wir aus diesem factum den schluss ziehen, dass sie
diesen act gemeinschaftlich vor ihrer trennung vollzogen haben ?
Mit Sicherheit gewis nicht Ich brauche nur an das verhalten
des got.-nord. bezüglich des i zu erinnern. Auch dieses fehlt
ja (mit einer hernach zu erwähnenden ausnähme, über die
man leicht hinwegzugehen pflegt, den runenformen) in beiden,
und doch zeigte eine genauere Untersuchung, dass das i im
nord. relativ sehr langen bestand hatte. Noch näher liegt das
beispiel des litauisch -lettischen. Wenn man hier bloss die
modernsten ausläufer vergleichen wollte, so könnte man als
gemeinsame endung der a- stamme im nom. sg. blosses -s er-
schliessen, aber man braucht nicht weit zurückzugehen, um
das scheinbar gemeinsam syncopiorte a im lit. noch in vollem
umfange anzutreffen. Was hier bewiesen ist, dessen mög-
lichkeit muss man doch von vornherein auch für die ger-
manischen sprachen zugestehen, und das um so eher, als die
betreffende syncopierungserscheinung, wie eben gezeigt wurde,
von derartiger physiologischer beschaflfenlieit ist, dass sie unter
ähnlichen bedingungen in den verschiedensten sprachen mit
gröster leichtigkeit spontan auftreten kann.
Die besprochene möglichkeit gestaltet sich alsbald zur
gewisheit, wenn man ohne Voreingenommenheit die sprach-
formen der ältesten nordischen runeninschriften durchmustert.
Es kommen hier besonders in betracht die inschriti; des gol-
denen homs ek hlervagastiR holtingaR homa tawidOy die des
Steines von Tune ek wirvuR after woduride rvitadahalaiban rvo-
rahto runoR und arbinga singostCR arhiiigmi opUngoR dohtriR
dalidun {afte)r woduride siaina, des von Varnum ubar hite hara-
banaR (vi)t jah ek eriluR runoR rvaritu, des von Berga saligasüR
und die des von Tan um prawingan haitinaR was, über deren
deutung im einzelnen die bei Möbius in Kuhns zeitschr. XVIII,
153 ff. und XIX, 208 ff. angeführte literatur zu vergleichen
ist Man hat sich in Deutschland vielfach daran gewöhnt,
118 SIEVERS
dem urteil von Glslason (s. a. a. o.) folgend die hier hervor-
tretenden vocale der schlusssilben für 'epenthetische und para-
gogische hülfsvocale' zu erklären und sie dann mit gutem ge-
wissen zu ignorieren, weil in späteren Inschriften Verwirrung
eintritt (so z. b. i für a auf dem Istabystein , der schon durch
die a der formen runaR paian als jünger gekennzeichnet ist^
in der form haeru rvulafin neben hapuwulafn). Dem gegenüber
brauche ich nur auf die eingehenden auseinandersetzungen
über diese frage von Wimmer, Navneordenes böjning s. 40 ff.
(dessen frühere abhandlung, de seldste nordiske runeindskrifter,
in den Aarböger 1867, 1 — 64 ist mir im augenblick nicht zu-
gänglich) zu verweisen. Wimmer hat dort für jeden der
sehen will den vollgültigen beweis geliefert, dass eben so gut
wie die i in hlervagasÜR und saligasÜR noch die alten stamm-
auslaute von gasti' und sali- repräsentieren, deren teil weises
hineinreichen in weit spätere zeit wir oben aus anderen grün-
den folgerten, so auch die a der nominative holüngaR, wiwaR,
harabanüR, erilaR und der accusative homa, staitia (und einiger
anderer hier nicht widerholter formen) alte thematische vocale
sind. Ein weiteres argument für diese auffiassung bieten so-
dann die von Thomson ausführlich behandelten germanischen
lehnwörter der Finnen und Lappen, welche die a-, i-, u-stämme
noch deutlich unterscheiden lassen. Namentlich rücksichtlich
der Lappen kann es kaum zweifelhaft sein, dass diese aus
einer schon specifisch nordischen spräche entlehnten, nicht
etwa aus einem gemeinsamen urgermanisch (Thomsen, s. 119
der Übersetzung).
Wir constatieren also als ersten festen punkt: die er-
haltung des thematischen a im nom. acc sg. von
nominibus überdauerte die abzweigung des nordi-
schen von den übrigen germanischen sprachen. Ich
spreche dabei absichtlich in so bedingter form, denn man
muss beachten, dass alle belegten formen lang- oder mehrsil-
bigen substantivis angehören und dass auch die ältesten ixt-
Schriften bereits eine sicher gekürzte form bieten, das pro-
nomen ek, welches für den repräsen tauten der nordischen
entwickelung der kurzsilbigen Wörter dienen könnte. Auch
kann man geltend machen, dass die westgerm. Uc resp. ih
im vergleich mit nominalformen wie weg etc. die annähme
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 119
begünstigen, dass der wegfall des auslautenden vocales, der
jedenfalls ein a oder ein ihm nahestehender dunkler yocal war,
in die gemeinsame periode falle, obschon natürlich zu einem
stricten beweise dies argument nicht hinreicht (ygl. altn. mik,
pik, sik und ags. meCj pec). Aber es kann uns doch veran-
lassen, die frage zu stellen, ob nicht doch für einige Wie be-
reits gemeingermanischer schwund des a angenommen wer-
den müsse.
Einen solchen fall bietet nun wol die verbalflexion der
1. person plur. des perfectums. Eine form wie bitum
ist doch aller wahrscheinliohkeit gemeingermanisch. Sie ent-
stand^ wie Brugman überzeugend nachgewiesen, zunächst aus
*bitm mit ^m sonans' (Brugman, nasalis sonans in der indog.
grundprache, in Curtius' Studien IX, 287 flf., speciell s. 327),
wie die 3. person biiun aus *bitji] weiterhin stehen diese for-
men ftlr * {bi)bitmd resp. {bi)bitme ^) und * (hi)bitn\t) ; m sonans
tritt in der ersteren ein, sobald das a abfällt. Nun ist die
entwickelung einer nasalis oder liquida sonans zu um, un, uri,
vr, ul auf die gemeingermanische periode beschränkt (ihr haupt-
gebiet bilden bekanntlich die Stammsilben der praeterita und
participia wie bundum, bundans etc.) Darauf beruht z. b. der
weiter unten genauer zu erörternde unterschied zwischen for-
men wie got. bitun : rign, altn. bitu : regn, ags. biton : re^n, alts.
bitun : regan, ahd. bizzun : regan. Was hier vom n gilt, muss
doch auch für m gelten, d. h. jenes vorausgesetzte * bitm muss
bereits gemeingermanisch vorhanden gewesen sein.^) — Diese
*) Man darf nicht etwa ein *bhihhidfn als indog. ansetzen (dessen
endnng m ja auch wol mit recht für die 1. sg. in ansprnch genommen
wird, s. 120); dem widersprechen von seite des deutschen die zahlwOrter
sibun^ niun, taihun, welche fUr * sa^pm, * na^vm, * da^k^m stehen (Brug-
man 8. 327) nnd deren ursprünglich auslautendes m sonans oder -um wie
das m i^on tarn, *f>am in n verwandelt wurde (got. pan-a etc.). üebri-
gens erklärt sich der ausfall des t in sibun erst jetzt durch Brngmans
hypothese (in folge des Zusammentreffens von ptm).
*) In der 2. pL got. bundup etc. beruht das u natürlich auf Über-
tragung aus der 1. und 3. person. Auch diese Übertragung scheint
gemein germanisch gewesen zu sein, ein anzcichen mehr für den frühen
schwand des a, e in der ersten person.
120 SIEVERS
-um, "un entziehen sich (der deutlichkeit zu liebe?) den
späteren syncopierungsgesetzen.
Eine ähnliche entscheidung geben, wenn auch nicht mit
gleich grosser Wahrscheinlichkeit, die 2. sg. des imperativs
und die 1. 3. sg. iud. des starken praeteritums. Auch
hier haben wir als europäische endung unbetontes -e anzusetzen
(wenn die Brugman-Paulsche auflfassung, Beitr. IV, 464 richtig
ist, welche das a in skr. veda, gr. oUa aus m sonans hervor-
gehen lässt, so muss für das germ. perfect eine angleich ung
der 1. an die 3. person angenommen werden; denn sonauti-
sches m im auslaut hätte zu -un werden müssen, wie in got
sibun, niun, taihmi, s. oben s. 119 anm. 1, oder das sonantische n
in der 3. pl. perf. bitun etc.). Dass dieses e früher abfiel als
das der endung -ez, -iz im nom. pl. einsilbiger consonan tischer
Stämme (oben s. 111) oder das ursprünglich betonte i des loa
sg. derselben stamme (ags. fei, bec, menn für * manni etc.) zeigt
der durchgängige mangel des umlauts im altn. und ags., und
die einsilbigkeit der kurzsilbigen Imperativformen im westger-
manischen (man sollte ja sonst *nimi etc. erwarten). Insbe-
sondere aber beweist wider, wie beim plural des praeteritums,
die verschiedene behandlung des wortausganges bei nominibus
und verbis im altnordischen. Während aus den nominalformen
^bända-m, *gdnga-z im altn. band, gang-r wird, entwickeln sich
* binde, *{be)bdnde, * gange {^ gegange) zu bitl, batt, gakk (gekk)
u. s. f. Dies lässt sich doch kaum anders auffassen als so,
dass man annimmt, umordisch bereits auslautende media sei
zur tenuis geworden, die erst später in den auslaut tretende
habe sich gehalten, ebenso wie z. b. umordisch auslautendes
n abfallt, später erst auslautendes bleibt (bitu, nema : son, apian
acc. etc.). Dass sich die erscheinung in irgend einer anderen
weise, z. b. durch annähme einer reihe von formübertragungen
oder schützender ein Wirkungen des 'systemzwanges' erklären
Hesse, halte ich nicht für wahrscheinlich. Man gerät bei jedem
neuen versuche nur in immer weitere complicationen und un-
begreiflichkeiten, während alles sich einfach ordnet, sobald man
von der annähme ausgeht, dass das a, e jener verbalformen
vor dem der nomina abgefallen sei.
Hieran schliessen sich sodann eine anzahl ursprünglich
zweisilbiger adverbia und präpositionen an, wie an »= gr.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 121
opdy af = gr. oMo, in = gr. Ivl u. dgl. lieber sie hat zuletzt
Paul, Beitr. IV, 468 flf. gehandelt. Ob alles dort vorgebrachte
richtig ist, mag ich hier nicht entscheiden; aber ich denke
die bemerkung über altn. ä aus ana trifft zu, dass nämlich
diese form nach dem erwähnten auslautsgesetz für das Vor-
handensein einer germ. form an neben ana zeuge; dasselbe
darf man auch wol für altn. af neben ahd. aha = gr. ano
behaupten; denn wäre die form direct auf germ. *a^a zurück-
zuführen, so hätten wir eher ein *o/* aus *o^u erwarten
müssen. Was von d gilt, muss sodann auch auf altn. i zu-
treffen, d. h. wir müssen eine germ. grundform *in ansetzen.
Diese scheint dem auslautsgesetze zu widersprechen, denn
griech. oxytoniertes ivl lässt westgerm. *ini erwarten. Eben-
so streitet ahd. alts. umbi, ags. ymbe, altn. umb, um gegen dieses
gesetz; nach unserer fassung sollten die formen ahd. alts. *umb,
ags. ymb, altn. *ymb, *ym heissen (wie ahd. alts. mann, ags.
alts. menn aus * mannt), aber nur ags. ymb kommt wirklich
vor. Nord, um verlangt eine gemeingerm. form umb, eine
zweite form umbi wird durch die übrigen germ. sprachen ge-
sichert Welche doppelformen sollen nun diesen ursprünglich
zu gründe liegen? Einen erklärungsversuch will ich hier
wenigstens andeuten. Ich knüpfe dabei au die bemerkung
Pauls a. a. o. an, dass im ganzen die kürzeren werte als prä-
positionen, die längeren als adverbien gebraucht werden. Nun
sind jene werte, wie auch speciell die deutsche lautgestalt
beweist (vgl. z. b. inlautendes b = indog. p in aba, oba, s.
Vemer bei Kuhn XXIII, 97 ff.) ursprünglich meist oxytona
gewesen. Wäre es nun undenkbar, dass sie als adverbia, wie
gewisse pronominalformen im ahd. (Beitr. IV, 536 anm. 3), die
oxytonißrung über die kritische periode der vocalsyncopie-
rungen hinaus bewahrt und dadurch ihren schlussvocal nicht
nur gemeingermanisch, sondern sogar innerhalb der einzel-
sprachen gerettet hätten? Dies erklärte die form umbi] denn
woher sollte eine form *umbt erschlossen werden, die nach
den gewöhnlichen auslautsregeln diesem ahd. alts. umbi zu
gründe liegen müste? Als präpositionen aber verlieren jene
Wörter durch die enklise regelrecht ihren accent, sie unter-
liegen also den auslautsgesetzen; umbi wird also germ. zu umb
(— altn. um*, um), wie *dd'mi, *dosi, *dotSi, *dd'nti zu germ.
122 sieat:rs
dorn, dos, döb, *d^ib (oben 8. 109); ebenso wird *ini zu in,
*mitii zu mid^). Sollte diese eiklärung sich nicht möglicher-
weise auch auf einzelne a ausdehnen lassen (freilich haben
wir auch griech. doppelformen wie ava und ap(o etc.)? Wir
hätten dann ursprüngliche parallelen von adverbien und prä-
positioneu in der urgeim. form imbi:umb, abd:aib, and : arij
uM : ui, mibi : *ml(^, forä : for, furi : far etc. Später wären
die unterschiede der beiden classen wider verwischt*) Doch
möchte ich dies letztere für nicht mehr als eine hingeworfene
Vermutung angeselien wissen.
Aus den bisher erörterten fällen dürfen wir wol den satz
abstrahieren: dass ursprünglich auslautendes unbe-
tontes a, ty i (filr u fehlen belege) bereits in der germa-
nischen grundsprache abgefallen sei Hiervon ausgenom-
men sind die voc. sg. der a- stamme , welche wenigstens im
nordischen das zeichen des germ. abfalles, die Veränderung
der auslautenden consonanten^ nicht zeigen. Es ist diese aus-
nähme übrigens durch den systemzwang leicht erklärlich.
Ganz anders stellt sich die behandlung des wortauslauten-
den Gj um das gleich hier zu erledigen, im innern eines
comp 0 situ ms. Hier bleibt es gleich den i und u in der
germaniBcIien grundsprache unangefochten. Die im gotischen
erst beginnende syncopierung (die beispiele s. bei den Alten-
burgem II, 2, 129 f. und J. Grimm, gr. II, 412 ff.) wird von
den Skandinaviern und Angelsachsen bis zur völligen tilgung
der a fortgesetzt (gr. II, 421 f.), bei den Deutschen, deren
neigung zur kürzung überhaupt erst später wirkt, treten noch
verschiedene a in der composition auf, aber unter dem ein-
flusse des quantitätsgesetzes nur nach kurzer silbe (s. J. .Grimm,
*) Man kann auch daran denken, dass die schlasssilben dieser
Wörter ursprünglich mindestens in dritter silbe vom hochton ab ge-
rechnet standen und daher nach den gesetzen mehrsilbiger Wörter be-
handelt wurden, über die unten näheres folgt
') Man begreift unter dieser voraassetzung auch leichter die erhal-
tnng des a gegenüber sonstigem nord.-westgerm. -u hier und in den
schwachen praeteritis, die offenbar starken nebenton hatten, wie nun
schon von verschiedenen selten hervorgehoben ist (Ob dieser nebenton
auch die anomalie der ahd. schwachen praeterita, oben 8. 90, erkUbren
hUft?)
ZÜE ACCENT- ü. LAU'IXEHRE DER GERM. SPRACHEN. 123
gr. 11^ 414; wenn man von den altfränkiHchen namen wie
lundoberctus o. dgl. absieht, die J. Grimm a. a. o. nebst einer
reichen beispielsammlung anführt (vgl. auch die nachtrage
gr. IL 1006 f.). Im Heliand ist das a schon ziemlich erloschen,
wenn auch nicht so völlig wie J. Grimm gr. II, 420 f. an-
geben muste, da ihm der ganze text noch nicht vorlag; es
finden sich die composita ala- (oder alO')hel, -hutt, -iung,
-mäht ig, -ihioda, -uualdo, -uualtand und baraRco neben solchen
mit a/- und bar-, s. Schmeller II, 5. 10; in den gl. Prud.
steht dagethingo 588.
Mit den ursprünglich auslautenden a, e, i ist wie ich
glaube die reihe der bereits im germanischen syncope erfah-
renden vocale zweisilbiger Wörter erschöpft. Für den nom.
und acc. sg. der a- stamme stellen die nordischen runenformen
die Sache ausser zweifei. Doch lassen sich auch von seite der
übrigen sprachen Zeugnisse dafür beibringen, dass das gedeckte
a der nomina das ursprünglich auslautende überdauerte, näm-
lich aus den stammen mit consonant + liquida oder nasal
vor dem a und aus den ya- stammen.
Was die ersteren anlangt, so handelt es sich um formen
wie ags. ncegl, foetim, hrcefn u. s. w. aus *naglaz, ^fabniaz,
*hratnaz verglichen mit solchen wie ags. stapol , eoton etc.,
altn. nagl, fätimr, hrafn : stgpull, jgiunn etc. Wie der erste teil
unserer Untersuchung gezeigt hat, sind auch in den westger-
manischen sprachen die woi*treihen fast ebenso deutlich ge-
schieden wie in den ostgermanischen sprachen. Die begrün-
dun;; dieses Unterschiedes ruht darin, dass in der zweiten reihe
der iquida resp. dem nasal ein u vorausgieng, in der ersten
ein consonant. Wäre nun z. b. in *fabmaz, *hräbnaz das a
schon urgermanisch ausgefallen, so hätte *fabumz, *hra^unz
herauskommen müssen (wie bitum, bitun Sius*bitma, bitfi), d. h.
altn.^/gbmr, * hrgfii{*hrgfunn?), SigB,* feaSim,* hr(e)a/'on, formen,
welche solchen wie ^stapulz, ^elunz2M% '^stapulaz etc. auf ein
haar ähnlich sehen. Nun scheint es mir doch undenkbar, beide
sprachen hätten alle die zahlreichen formen mit secundärem u, die
auf diese weise entstanden, durch die analogie der übrigen casus
wider ausgeglichen, ohne dabei jemals einen fehlgriff zu machen.
Allenfalls könnte man das noch für das ags. zugeben, in dessen
124 SIEVERS
forn: eurahmen ein System wie * feabutn gen. f<ß6fms etc. nicht
passte^ aber für das nordische, das abwechselung von a und ^
im stamme massenhaft kennt und nicht im geringsten antaste^
wäre die annähme doch zu wunderbar. Wir müssen also die
syucope des a einer zeit zuschreiben, wo die m, n, l, r nicht
mehr so prägnantes u-timbre halten, dass sie als sonanten
mit notwendigkeit ein u vor sich entwickelten. Dass dieses
facultatiy dennoch bisweilen auftritt, wie in ahd. buosum, fadum,
ätum, aphul, snabul u. dgl. neben entsprechenden formen mit a,
ist natürlich kein gegenbeweis.
Dies widerspricht nun freilich den ausichten, welche Paul,
Beitr. IV, 415 über gewisse entwickelungen der alten o^-stämme
aufgestellt hat. Es soll nämlich ahd. sign- und ähnliches durch
*sigur, * sigr auf älteres "^sigz zurückgeführt werden, für
welches gemeingerm. ausfall des a^ angenommen wird. Ich
halte dies für nicht richtig. Wenn man von ags. alts. sidu
absieht, das durch got sidtis wie Paul selbst bemerkt, aus der
gemeinschafl der übrigen ausgeschieden wird, so bleiben nur
die ahd. sign und eventuell hugu als ?/- formen an stelle alter
o^-stämmo übrig. Sonst hat das westgerm., wo es sich nicht
der flexion der ra- stamme zugewant -hat, nur i-fomien an
deren stelle treten lassen (alts. sigi, seli, heti, ags. sige, sele,
bete, berCf ege etc.). Ein gemeingerm. nominativ * sigur Hesse
doch auch für alts. ags. einmal die eine oder die andere u-
form erwarten. Ags. sigor beweist auch eher das gegenteil
alz was es beweisen soll. Wäre das o hier = germ. u, so
müste es doch wol *seogor heissen, und altn. *sjggr, wie ags,
meoloc, altn. mjolk, mjgbr, kjglr, es heisst aber eben dort sigor,
hier sigr,^) Dann bleibt noch das gemeingerm. ^fah-s-a-^ das
zu gr. jtixog gestellt wird (Zimmer, nom.-suff. a und ä s.218);
aber der vocal stimmt nicht ohne weiteres {fa?is steht vielmehr
auf der stufe von jtoxo-g), und ich kann es nicht für bewiesen
ansehen, dass die verkürzte form notwendig auf den nom. acc
sg. zurückgehen müsse, dass nicht auch in den flectierten for-
men schon gelegentlich urgermanisch eine syncope des mittel-
*) Bei ags. eofor, ahd. ebur, altn. jpfurr zu lat apro-t ksl. vepn
denke ich an gemeingerm. svarabhaktientwickelnng. Als sengnis für
gemeingerm. syncope des gedeckten a wird man dies wort doch nicht
verwenden können.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 125
vocals eintreten könnte, wie sie bei der flexion der abstufen-
den Stämme auf -an und -ar sicher und in grösserer ausdeh-
nung vorliegt In seiner Vereinzelung kann jedenfalls fahs
nicht viel beweisen. — Wenn also ahd. sign wirklich die von
Paul angenommene entwickelung haben sollte, so könnte ich
doch darin nur eine speciell ahd. bildung sehen, vergleichbar
jenen vereinzelten fadum, ätum u. s. w. (oben s. 124), nur viel-
leicht älter als diese. Es ist ja möglicli, sogar sehr wahr-
scheinlich, dass die ausfälle nach äinem consonanten früher
eingetreten sind als die nach mehreren, wie man z. b. im
litauischen zwar pons, aber noch iikras, nicht ttkrs spricht.
Einen weiteren grund gegen die annähme gemeingerma-
nischer syncope des a entnehme ich der flexion Aer ja-
stamme. Um hier alles klar zu legen, muss ich aber etwas
weiter ausholen.
Es handelt sich um die erklärung der lautgruppen -ji und
-ei in harjis, hairdeis und den entsprechenden verbalfoiinen
nasjis, sokeis] Über diese sind zu vergleichen Scherer, z. GDS.
113 f., Zimmer, zs. f. deutsches altert XIX, 419. Amelung,
ebenda XXI, 230 f., Osthoö; zs. f. vgl. sprachf. XXII, 89 f.
Scherer, dessen ansieht sich Zimmer und Amelung an-
schliessen, lässt bekanntlich harjis und hairdeis aus *harijas
und *hairdi/as durch syncope des a entstehen; die letzteren
formen interpretieren Zimmer und Amelung a. a. o. gewis im
sinne Scherers als hdr{/äs, hairdijas. Dies setzt widerum die
göltigkeit des mhd. tieftongesetzes voraus, welche ich für die
germanische grundsprache zurückgewiesen zu haben glaube;
ich kann nach den Beitr. IV, 522 ff. dargelegten grundsätzen
nicht anders als annehmen, das^ jene formen, die dreisilbig-
keit vorausgesetzt, gleichmässig hdrijas, hairdijas betont ge-
wesen seien. Warum sollten beide nicht auch gleichmässig zu
harjis, * hairdjis entwickelt sein , wie ja die lautgruppe j'i im
gen. sg. ntr. in reikjis, kunpjis etc. oder in faimj'in etc. unge-
stört fortbesteht; oder warum sollte es nicht ebensogut *hareis
wie hairdeis heissen, nach analogie von naveis und gast eis aus
*navijiz und *gastyiz^^) Hierzu kommt noch ein starkes phy-
I) - iz als endong ergibt sich aus fLgB.fit, altn./<B^s=: *fdtiz, oben 8.111.
126 SIEVEßS
Biologisches bedenken, den angenommenen ausfall des vocales
a zwischen den consonanten j und s betreffend, das ich hier
indessen nicht zu sehr urgiereu möchte, da die deshalb nötige
ercirterung doch wenig beifall finden dürfte.
Noch weniger als mit dieser auffassung, die man wol
die vulgatausicht nennen könnte, und der man die anerken-
nung zugestehen muss, dass sie von ihrem Standpunkt aus
consequent und folgerichtig vorgegangen ist, kann ich mich mit
der ansieht Osthoffs befreunden. Eine entwickelung von
* hairdjas, * harjas durch * hairdjs und * harjs zu * hairdjis und
harjis vermöge der entwickelung eines hülfsvocales aus den j
lässt sich zwar graphisch darstellen, aber nicht für die ge-
sprochene spräche glaubhaft machen. Fiel dies a nach dem
j wirklich aus, so muste dies nach den Lautphys. § 22 ent-
wickelten gesetzen zum vocal i werden, wir bekämen nur
*halrdis, *haris. Wollte man zu der Zuflucht greifen, das >
sei nicht halb vocal, sondern spirant, geräuschlaut gewesen, so
begriffe sich weder die entwickelung eines hülfs-i, noch dessen
contraction mit einem durchaus nicht homogenen laute. Der
einwand endlich, Scherers hypothese erfordere notwendig die
dativform *ha%rdij(i, hält nicht besser stich, da die entwicke-
lung eines inlautenden ija zu ja durch sökja und consorten
ausser zweifei steht.
Geben nun harjis und hairdeis als gemeingermauische
formen so vielfachen anstoss, so darf man billig fragen, ob sie
überhaupt einen anspruch auf dieses prädicat haben. Das
nordische spielt hierbei keine entscheidende rolle ; seine formen
nibr, hirSir = got 7upjis, hairdeis verhalten sich lautlich
ebenso wie altn. biör, scekir = got. bidjis, sdkeis ; hiröir, scekir
aber sind durch analogieen wie ästir, noemir = got ansieis,
nSmeis gerechtfertigt, deren J für die germanische zeit sicher
steht Im nordischen hindert also kein lautgesetz, hirSir auf
jenes got hairdeis direct zurückzuführen.
Ganz anders im westgermanischen. Das ältere angel-
sächsische, altsächsische und althochdeutsche weisen in den
kurzsilbigen schwachen verbis statt des got ji stets nur i, e
ohne Verschärfung des vorausgehenden consonanten auf. Man
vgl z. b. aus dem alten kentischen psalter (ed. Stevenson,
London und Edinburgh 1844) reces 2, 9, sel^ 7, 8 etc.., seles
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 127
15, 10 etc., cweceö 7, 13, ft^eft 7, 13, sUes 7, 4 etc., swereb
14, 4, gesetes 17, 44 etc., segeö 18, 2 (vgl. J. Grimm, gr. I*,
822 f.); altsächs. fremis, frumid, habis, hatid, hugis, hugid,
leiidy sagis, sagitS, telid\ ahd. beispiele s. gr. I*, 788.^) Das j
ist hier überall iu sehr früher zeit, nämlich vor dem eintritt
der consonantenverschärfung mit dem durch seine umlaut-
Wirkung beim starken verbum als gemeingermanisch erwie-
senen t der verbalendung zum einfachen vocal verschmolzen.
Anders bei den nominibus. Hier haben wir nomiuative und
accusative wie ags. hrycg, mecg, slecg, tvecg, prymm, neutral
qp^7^, webh, bedd, nett, fleit, altsächs. hruggi, ntr. bed, flet{ti),
net(ti), stukki, hinni, tvebbi, ahd. hrukki, ntr. kunni, tenni, sttikki,
giuuiggij äuuiggi, sluppi, uueppi, betti, antlutti, nezzi, uuizzi etc.;
ferner adjectiva wie ags. nytt, gesibb, alts. middi, thriddi, luggi,
ahd. liiggi, ftuggi, äuuiggi, sibbi, nuzzi, also überall Verschär-
fung des cousonanten vor der endung. Ich denke, diese be-
weist ihrerseits, dass im westgermanischen vor dem schluss-
vocal noch ein j vorhanden war, und da die analogie des
verbums uns eben gezeigt hat, dass ß im westgerm. sich nicht
vertrugen, so muss der schlussvocal ein anderer als t gewesen
sein. Woher soll dieser fragliche vocal nun anders stammen
als aus dem thematischen a? Als letzte gemeingermanische
grundform der kurzsilbigen dUrfen wir also nicht harjis, kiini,
sondern nur * harj9z, *kunj9 ansetzen, wobei 9 den nicht be-
stimmt zu fixierenden vocallaut bezeichnen mag, der sich unter
dem einfluss des j aus dem thematischen vocale a^ allmählich
entwickelte. Aber auch für die langsilbigen müssen noch un-
verkürzte formen mit ia oder i9 angesetzt werden. Denn hätte
die germ. grundform der neutra z. b. riki oder selbst * n/ri ge-
lautet, so hätte das i im ags. und altnord. ebenso abfallen
müssen wie in den imperativen ags. sec, altn. scek = got.
sökei oder in den femininis ags. bend, hokti, altn. heib-r (mit
unursprtinglichem r) = got bandi, haipi, worüber unten
*) Im ahd. ist dies gaset/, wie so manches andere früh durch die
lantverBchiebung durchbrochen. Die form des Inf., des plor. und conj.
praes. wird überall durchgeführt, wo zu starke Verschiedenheit des lautes
hervorträte; also sezzis, deckis, wie sazta^ xAQ\it*sez,z,%s, *dechis etc. ==
ags. seies, peces.
128 SIE VERS
näheres. ^ — Durch aualogiebildung kann keine der be-
sprochenen formen erklärt werden, da nirgends ein typus
ausser ihnen selbst besteht, an den sie sich hätten anlehnen
können. Es besteht eine scharfe dreiteilung: kurz gebliebene
ya-stämme mit e im nom. acc, here und das fremdwort ele^
lang gewordene (durch consonantverschärfung) ohne vocalische
endung, hryc^y cynn, alte langsilbige mit e\ hyrde, rice.
Zu ähnlichen resultaten bezüglich der unursprtinglichkeit
der gotischen formen führt eine betrachtung des genitivus
sing, der /a- stamme. Denn man muss, um hairdeis als ge-
meinsame form festzuhalten, zunächst zu der sehr bedenklichen
annähme einer urgermanischen contraction von ie zu t in
paenultima greifen (während das e des genetivs sonst nicht
zu i geworden ist, nicht umlautet), sodann aber wider sämmt-
liehe westgerm. formen für neubilduugen erklären {AgB.hyrdes,
rices, alts. hirdies, rikies, ahd. hirtes, riches). Nur das nord.
hirbis, rikls schliesst sich wider leidlich an das got. an. Soll
man da nicht lieber zugeben, dass das got. hairdeis seine ent-
stehung erst der spccifisch gotischen abneigung gegen den
laut e verdankt , mit welcher sich vermutlich noch eine einwir-
kung vom nominativ aus verband? So kommen auch erst die
neutra mit ihren tiberwiegenden genetiven auf -Jis, nämlich
kunpjis , relkjls, falrgunjis , andbahtjis, valdufiijis, gavairpjis
neben andbahteis, valdufneis, gcwairpeis, trausteis, fauramapleis
(s. die aufzählung bei Heyne, ülf. § 23) zu ihrem rechte. Der
^) Einen weiteren beweis für die unursprünglichkeit des t im nom.
der neutra gibt das altn. hey = got. havi. Wäre havi urgermanisch, so
hätte das i im nord. nach kurzer silbe abfallen müssen ohne umlaut zu
erzeugen. Urgerm. *naviz ergab regelrecht altn. wa-r, wie *favaz fdr
oder wie, um auch eine analofi^ie für den inlaut zu geben, den verbis
*haujan, ^ praujan = altn. hey ja (ags. hi^ah), preyja die praeterita
^havitia, *pravi^a d. h. altn. hdtfa, prätSa regelrecht zur seite stehen.
Altn. hey kann also nur für germ. *hauja, *hauj9 stehen (vgl. läpp.
avje, Thomson 131). Die analogie von mcer, py = urnord. *mavi'r^
*pivi = got. mavi, pivi darf man dagegen nicht anführen, denn diesen
formen kommt, wie sich später ergeben wird, wirklich germ. 4 als endung
zu. Aber die flexion mcer, meyjar kann uns davor warnen, vorschnell
den nom. acc. hey etwa als analogiebildung zu den übrigen casus auf-
zufassen.
ZUR ACCENT- Ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. f29
mangel einer ähnlich lautenden nominativform half hier die
älteren formen erhalten.
Also: das i in got. harßs ist ein rest des thematischen a,
nicht aus dem ableitenden i oder j hervorgegangen , sondern
nur in seiner farbung durch diese bedingt. Derselbe rest steckt
auch in hairdeis, das wir zunächst in ein vorausgegangenes
dreisilbiges *hert5iiz oder *hertiijiz aufzulösen haben, dessen
behandlung vollkommen der von naveis, ansieis entspricht
(s. 125). Got naveis ist besonders willkommen als beleg da-
für, dass die contraction nichts mit der Quantität oder einem
davon abhängigen accentgesetz zu tun hat, was wir ja schon
oben ablehnen musten. Für die spräche ist es ja auch ziem-
lich einerlei, welcher von zwei gleichen contrahierten vocalen
den accent hatte; ich brauche da wol nur an die allbekannten
schulregeln der griech. grammatik zu erinnern.
Der unterschied der kurz- und langsilbigen ya-stämme be-
ruht also lediglich darauf, und das hat Scherer richtig heraus
erkannt, wenn auch meiner ansieht nach nicht richtig begründet,
dass die ersteren consonantisches j, die letzteren vocalisches,
d. h. silbenbildendes^ i in ihrem suffixe hatten.
Aber woher nun diese Unterscheidung, wenn sie nicht von
dem tieftongesetz abhängen kann? Ein früheres, gemeingerma-
nisches bestehen dieses gesetzes in der Lachmann'schen fassung
und eine spätere völlige umkehr speciell im westgermanischen
wird man doch nicht ohne weiteres conjicieren wollen. Worauf
sollte man sich dabei stützen? Wir werden also weiter zurück
gehen und uns an die indogermanische grundsprache
halten müssen.
Wenn man den Untersuchungen von Benfey (Abhandl. der
Götting. gesellsch. der wiss. XVI (1871) 91 flF.) trauen dürfte,
so würde im veda das sufSx ia sowol ein- als zweisilbig pro-
miscue gebraucht Sieht man aber genauer zu, so ergibt sich
als ganz bestimmtes gesetz: unbetontes (nicht svari-
tiertes).i oder u vor einem vocal ist consonant nach
kurzer, vocal nach langer silbe ohne rücksicht auf
die sonstige accentlage des wertes. Man vergleiche
beispiele wie:
Beilrlgo aar gMohichte der dunUohca »praohe. V. 9
130 SIE VERS
ajaryi : asürii
ary& kävü
anishavy^ taugriä
kavyi pürviä
gayyä bhävii
diYjk a^sii
&yya : m&rtia
-büdhya ayasia
-avadhya irdhia
ibhya agmäsia
g&yya ä^via
m&dhya aria
u. s. w. ^) Ausgenommen sind die mit einem consonanten an-
lautenden Suffixe, wie -bhyas, -hhijäm, -tva, insofern diese (wie
wortanlautende consonanten + y, v überhaupt) nach langer silbe
promiscue gebraucht werden (nach kurzer nur mit consonan-
tischem y, Vj d.h. einsilbig); ferner gewisse kurzsilbige ad-
jectiva, speciell verbaladjectiva (Grassmanns Part. IV) mit
zweisilbigem suffix: gadhia, guhia, gopayätia, carkriia, tißijia,
däbhia, drpia {mädia, yujia'i)^ cdsia, crütia, hdvia (während
z. b. das Suffix der sog. ^/^-classe oder des passivs der
regel folgt).
Dieselben gesetze hat nun, wie ich mitteilen darf, neuer-
lich Hübschmann von anderen gesichtspunkten ausgehend
fbr das altbaktrische constatiert, so dass nun bereits drei
sprachen gegenseitig als zeugen für das hohe alter der er-
scheinung aufgerufen werden können. In den übrigen sprachen
scheint sieh der alte unterschied frühzeitig ausgeglichen zu
haben, wenigstens zeigt keine derselben eine derartig augen-
fällige durchftthrung des gesetzes wie die drei genannten.
Aber es wird ohne zweifei gelingen, in einzelheiten noch reste
der regel aufzufinden. Auf einen solchen möchte ich die auf-
merksamkeit noch hinlenken, ich meine die griech. adjectiva
0 Die belege s. bei Grassmann. Ich muss es mir hier versagen,
den nach weis für obigen satz in extenso zu führen oder die vorkommen-
den regelmässigen ausnahmen und die Verstösse gegen denselben, welche
zum teil nicht unwichtige kriterien für die altersbestimmung vedischer
lieder sind, zu erörtern. Hier sei nur noch bepuerkt, dass jener satz nur
ein glied eines weitgreifenden rhythmischen gesetzes insbesondere über
das Verhältnis der vocale i, u und der halbvocale y, v im ältesten sans-
krit resp. indogermanischen sind, für dessen darstellung das material
bereits vor jähren von mir gesammelt ist. Nicht nur der metrik , son-
dern auch der Specialgrammatik erwächst aus der genauem Verfolgung
dieser principien nutzen. £s ergibt sich z. b. dass die dehnungen vor
r -h cons. der lebendigen vedensprache noch fremd waren, dass ür,
ir stets durch r hindurchgegangen sind, u. dgl. mehr.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 131
ayiog und öTvyiog, die sich zu a^ofiai d. h. *aY/ofiai und ähn-
lichen genau so verhalten wie die skr. verbaladjectiva zu den
entsprechenden verbis.
Am allgemeinsten kann man das hier aufgedeckte gesetz
vielleicht so formulieren: der vocal einer ableitungssilbe ist
und bleibt schwerer nach vorausgehender länge als nach vor- j
ausgehender kürze (daher bleiben ia, ua im ersten falle zwei- i
silbig y im zweiten werden sie einsilbig). Man darf daraus
weiterhin den satz ableiten, dass andere vocale als v, i in der
Stellung nach kürzen leichter der Schwächung und syncope an-
heimgefallen sein werden, als in der nach längen. Man muss
dies im äuge behalten, um das deutsche schwache verbum zu
verstehen. Ags. peccan : secan und die entsprechenden formen
der übrigen sprachen setzen bereits gemeingeim. pakjan,
*^dA:ia» voraus. Die Vorstufen -ejan (aus -a^ya^), -ijan müssen
sich also bereits in sehr früher zeit im germanischen unter
dem einfiusse unseres gesetzes zu -jan und -ijan, -tan gespalten
haben. Dadurch trat der parallelismus mit den altüberlieferten
sufQxformen 'ja- und -ia- beim nomen ein, und nun erfolgt
natürlich bei beiden gleichartige entwickelung. Warum eine
analoge Verkürzung bei kurzsilbigen i- stammen im nom. pl.
nicht eingetreten ist (got. iiaveis, altu. soUir, ags. tvine, alts. ahd.
uuini am» *navejez, * navi/iz qIg.), mag einstweilen dahingestellt
bleiben. Hält man die imperativi nasei, sökei dsizu, so möchte
man fast an eine einwirkung der ursprünglichen viersilbigkeit
der verbalformen gegenüber diesen dreisilbigen denken.
Man sieht ohne weiteres, dass unsere allgemeine formu-
lierung des gesetzes im wesentlichen mit dem syncopierungs-
gesetze des nordischen übereinstimmt, aber dem westgerma-
nischen schnurstracks widerspricht. Beide principien musten
notwendig in widerstreit treten, und in der tat hat schliesslich
das westgerm. kürzungsprincip den sieg davon getragen. Das
i des langsilbigen st ^rikia- ist im ags. ricu, ricum etc. ge-
schwunden, das y des kurzsilbigen *fiarja hat sich erhalten
in herigea{s), herigum etc.; ebenso ^ecan*), beian, siboT /erigean,
nerigean u. dgl. Man darf aber daraus nicht schliessen, dass
^) In sicean und ähnlichen formen bezeichnet das e nur die pala-
tale ausspräche des k, wie in sceolde a. s. w.
9*
132 SIEVERS
nun etwa das got.-nord. unterscheidungsprincip, das wir eben
als ein gemeinsam indogermanisches nachzuweisen versuchten,
doch nur ein speciell ostgermanisches gewesen sei, dass die
Westgermanen ihrerseits von anfang an unabhängig von einem
noch undifferenzierten ja oder ia ausgegangen seien. Vielmehr
lässt sich die relativ lange geltung der got.-nord. regel auch
im westgerm. deutlich nachweisen, zwar nicht am ahd. und
alts., die bis auf wenige spuren (alts. hedy flet^ net neben fletti,
netti und kunni, uuehbi u. s. w. u. ä.) den unterschied zwischen
beiden olassen so frühzeitig verwischt haben, dass wir den ver-
lauf der betreffenden entwickelung nicht mehr überblicken
können, aber sehr deutlich am angelsächsischen.
Hier sind es zwei casus, welche uns den weg zeigen,
nom. acc. sg. der masc. und neutra und nom. acc. pL der neutra.
Ueber den ersteren ist bereits gelegentlich oben s. 128 das
notwendigste angedeutet worden. Ich widerhole hier, dass
folgende entwickelungsreihe anzusetzen ist:
urgerm. *hrugj9z : *hrygj9, *hrycg9, hrycg
*ku7y9 : *kyiy'9, *kynn9, cyrm
*herÖi9z : *herdi9, hyrdi, -e
*r%ki9: *riki9, riet, -e.
Wir befinden uns dabei in vollkommener Übereinstimmung mit
den ags. auslautsgesetzeu , welche schliesslichen abfall des 9
oder a verlangen. Ein anderer weg der erklärung bleibt zwar
für das masc. hyrde offen. Wenn man trotz allem was bisher
vorgebracht ist, an der grundforra *hert5iz stehen bleiben
wollte, so könnte man sich auf die lautliche analogie von
mahteis : ags. mihte berufen. Das trifft aber nicht zu fbr die
neutra (und den acc. sg. m.), deren themavocal nicht mehr
durch einen consonanten gedeckt war. Für solche fälle lautet
die entwickelungsreihe vielmehr:
got.- urgerm. nasei : urags. neri : ags. nere
sökei : „ *soeki: „ sasc, sie
urgerm. bandf: „ *bendi: „ bend^)
(got. bandi).
Es stehen hier die bereits im urags. verkürzten i bezflg-
*) Ueber die Unmöglichkeit, diese form anders als ans bandf abzu-
leiten, etwa aus *bandja, *bandju s. weiter unten.
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 133
lieh des spätem abfalles unter genau demselben gesetze wie
die ursprünglichen kürzen, nicht minder die aus germ. d west-
germ. gekürzten o^ u. Die letztere erscheinung ist allgemein
bekannt, doch erfordert sie hier ein etwas ausführlicheres ein-
gehen , da sie zu erklärung der plurale der langsilbigen ja-
neutra wie ricu allein den Schlüssel gibt.
Es darf jetzt wol als allgemein anerkannt gelten, dass
ursprüngliches ä auch am wortende sich germ. zu d umge-
staltete. Dieses d spaltet sich später in gekürztes a einer- und
0, u andererseits, was die Vermutung nahe legt, dass mög-
licherweise das urgermanische zwei verschiedene d, ein offenes
d 2 und ein geschlossenes 8 ^ (nach nordischer bezeichnung g
und 6) unterschied. Das got hat, wo überhaupt gekürzt
wurde, den unterschied aufgehoben , in den übrigen sprachen
erscheiAit g als a oder dessen Schwächung 6, aber 6 als o, u,
welches, wie bemerkt, je nach der Quantität der Stammsilbe
verschiedene spätere Schicksale hat Es kommen fbr ^Mn
betracht 1) der nom. sg. f. der d-stämme, 2) der nom. acc. pl.
der neutralen a- stamme, 3) die 1. sg. ind. praes. der verba
auf -a und ja. Betrachten wir deren entwickelung im ags.
zunächst mit ausschluss der /a- stamme, so ergibt sich fol
gende tabelle:
kurzsilbige :
langsilbige :
mehrsilbige :
nrags.
agfl.
uragB.
ags.
arags.
ags.
. 1 3e«o
Xifu
läro
lar
firino
ftren
^ 1 3lado
^ladn
36do
XÖd
stren^l'o
hälejo
stren^l^a
haii^n
rfato
^ l Xlado
fata
wordo
Word
he&^odo
hedfda
gladn
jddo
XÖd
hälego
häli^
3 nemo
nima 0
binde
hindu^)
Hier haben wir, wie allgemein bekannt, erhaltung des u in
zweiter silbe nach kürze oder in dritter silbe ohne rücksicht
auf die Quantität der Stammsilbe, ausfall in zweiter silbe nach
länge. Nur das verbum bindu und die feminina wie firen
machen eine ausnähme; man sollte bind, firenu erwarten. Hier
liegen bestimmt wider analogiewirkungen vor; besonders im
*) Dies oder nimo, bindo sind die einzigen altags. formen im ken-
tischen (Stevensons psalter) and northnmbrischen ; nur das westsächsische
hat e eintreten lassen , doch steht noch in der Cura past 397, 27 ic
ewe9o, Sweet XXXIU. Zar bearteilang vgl. Panl, Beitr. IV, 451.
134 SIE VERS
verbuni können sie um so weniger bedenken erregen, als ja
der ganze bau des verbums, in beziehung auf tempusbildung
wie flexioDsendungen, voll davon ist. Auch das ahd. und alts.
haben ja hier wie im plural des praeteritums das u überall
erhalten, während das nomen im alts. noch der regel folgt
{fahl : utiord), soweit nicht andere einwirkungen das u ver-
drängt haben (ersetzung des nom. durch acc gef^a etc.). Was
die mehrsilbigen feminina betrifft, so haben bekanntlich die
abstracta auf -pu die der regel entsprechende form noch
grossenteils bewahrt, formen wie strengp aus strenipu^) sind
wol sicher als anlehnungen an die langsilbigen zu betrachten,
die nach der syncope des inneren i unausbleiblich waren (vgl.
dazu Beitr. I, 500 f.). Dasselbe gilt auch von den übrigen
femininis wie firen u. s. f. Auch die mehrsilbigen neutra und
der nom. sg. f. der adjectiva verlieren ja mit der zeit, und
zwar eher als die entsprechenden formen der kurzsilbigen, ihr
auslautendes Uj ein satz, den ich hier freilich nicht mehr ins
einzelne beweisen kann, so interessant eine genauere ausfüh-
rung desselben sein würde.
Als grund der andersartigen behandlung des u der mehr-
silbigen dürfen wir wol die einwirkung des nebentones an-
sehen, der regelmässig das u traf: sirengipü, hedf>odü, mdnigü
etc., s. Beitr. IV, 529 ff. 2)
Bei den ya- Stämmen haben wir nun folgendes Verhältnis:
kurzsilbige : langsilbige.
got.
ags.
got
ags.
1 midja
sibb
h4iH
hib\^
?
vil^i
wilda
1 kunja
^ ] midja
cynü
reikja
rtcu
?
viljya
wilda
[3 nasja
neria
BÖkja
scecn]
0 Ich bemerke beiläufig, dass das p hier phonetisch, als tonloser
Spirant, gemeint ist. Die tonlosigkeit des inlautenden ags. p bis über
die zeit der syncope der mittelvocale hinaus lehren formen wie ^esyntu,
gesceniUy ofermittu etc. » ahd. gasuniida etc., welche die stufen * gesyn-
dipUy ^gesyndpUf * gesyntfm voraussetzen (vgl. pcette aus p<Bt pe\ s. auch
Beitr. I, 501, anm. 2.
*) Diese ansieht wird namentlich auch durch eine ausnähme von
der gewöhnlichen regel bekräftigt: die mit -Uc (und -sum) zusammen-
gesetzten adjectiva bewahren bekanntlich das u : dryhtlicuy lan^sumu etc.,
ZÜB ACCENT- U. LAUTLEHEIE DER GERM. SPRACHEN, 135
Das verbum ist aus dem bekannten gründe wider auszu-
schliessen. Dann bleibt die bekannte regel, dass die langsilbig
gewordenen das u abwerfen, die von jeher langsilbig gewesenen
es behalten. Das ist nun absolut nicht zu begreifen , wenn
man nicht diese erscheinung mit der zuletzt besprochenen und
dem früher für das germ. nachgewiesenen satz über den ein-
tritt des i nach langer silbe combiniert und davon ausgeht,
dass die formen mit erhaltenem u zur zeit der Wir-
kung der syncopierungsgesetze noch dreisilbig
waren. Dann aber bekommen wir die ganz parallelen
reihen :
*Bibjo, *8ibba, sibb /
•kynjo, *kynnu, cynn } *^^^^^» *^^'d^' ^«^^
Die entwickelung von ricu aus *rikiu ist weiter nicht auf-
fallend, wenn man im äuge behält, dass 4asi» das westgerm.
syncopierungsgesetz das i nach langer silbe bald zum j er-
leichtem und dann ganz verschwinden lassen muste.
Im altsächsischen ist, um auch das mit einem werte
zu berühren, das ursprüngliche Verhältnis nur noch bei den
substantivischen neutris rein bewahrt, fatu : ward] von ja-
Stämmen findet sich nur vereinzelt netiiu HeL 1 1 86 M (netti C),
sonst nur i; von adjectiven kommt vor managu, mnu, bithiu,
daneben häufiger formen ohne u (nur nicht bei bithiu) oder
solche auf -a, das aus dem masc-fem. übertragen ist, s. Heyne,
alts. gr. s. 86. Der nom. sg. der feminina hat im adj. sein u
stets verloren, im subst. ist er, wie allgemein zugestanden,
durch den acc. ersetzt. Das verbum endlich hat wie im ags.
das u auch bei langsilbigen gewahrt. Im althochdeutschen
endlich ist auch der unterschied der zwischen alts. fatu und
ward noch bestand, ausgeglichen; es bleiben die u nur, ver-
allgemeinert, im verbum, und hie und da in der neutralen Ja-
declination, ebenfalls ohne rücksicht auf die Quantität: bettiu,
giscuokiu (s. MüUenhoflF, Denkm.^ XV). Ueber die adjectiv-
formen blinty blintu, bliniiu s. Braune, Beitr. II, 164. Ab-
offenbar weil man dryhtlicü betonte; vgl. hierzu Beitr. IV, 537, wo das
über die neuags. ambildangen gesagte entsprechend zu modificieren ist.
136 SIEVERS
weichend vom ags. haben aber alts. und ahd. noch einen u-
casus mit yerallgemeinertem u, den instrumental, dem im ags.
eine form auf -e gegenübersteht, die ihm nicht lautlich ent-
sprechen kann, zumal ältere formen auf -a daneben vorkommen.
Ich hoffe später einmal zeigen zu können, dass in dem west-
germ. sogenannten instrumental zwei casus zusammengefallen
sind, der ablativ (welchen Paul allein darin findet, Beitr. II,
339 ff.) und ein instrumental, der ursprünglich mit dem m-suffix
gebildet war, dessen Paul, Beitr. IV, 391 erwähnung tut. Die
form des letzteren repräsentiert das ags. -e, die des ersteren
das alts.- ahd. -u,
2. Excurs über die feminina auf urgerm. t.
Der nachweis des vocalischen i bei langsilbigen /a- Stäm-
men lässt sich nun noch zu einigen weiteren folgerungen be-
nutzen. Wir lernen z. b. daraus, dass got. bandi oder viel-
mehr dessen Vorstufe * bandi auch für das westgermanische
als grundform angesetzt werden muss^; denn *bandid, -o aus
*bandiä hätte zu *bendu werden müssen, wie "^rikiä zu ricuy
oder wie es im weiblichen adjectiv heisst tvildu, das gegen-
über dem got. vilpi jedenfalls auf ein früheres, sei es ur-
sprüngliches oder angeglichenes *vilpid, -io zurückgeht
Ich bin hiermit auf einen in der letzten zeit viel bestiit-.
tenen gegenständ gekommen, die entwickelung eines % im ger-
manischen aus ia oder Ja, Da die frage wie mir scheint, mit
dem accent zusammenhängt, so gestatte ich mir hier excurs-
weise auf einige punkte derselben einzugehen und ohne jetzt
im Stande zu sein, eine definitivere entscheidung zu geben,
einige gesichtspunkte hervorzuheben, die man, wie ich glaube,
nicht genügend gewürdigt hat. Ich verweise dabei, nament-
lich auch hinsichtlich des materiales , im allgemeinen auf die
erörterungen von Scherer, z. GDS. 117 f. 431, J.Schmidt, ver-
wantschaftsverh. 6 f., Zs. f. vergl. sprachf. XIX, 293 ff.,
0 Für das nordische beweist sie z. b. mcßr d. h. *mafflf -t + r, in
seinem gcgensatz zu hey d.h. germ. haujp etc., oben s. 128 anm. Das
r kann die gestalt des vocals nicht bedingt haben, vgl. peyr =
* paußz ü. ä.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 137
Schlüter, sufSx ja 118 fif., Zimmer, ostgerm. und westgerm. 26.
28 fif., Leskien, Decl. im slav.-lit. und germ. 8 — 12. 93 flf., die
ich als bekannt voraussetze, um unnötige widerholungen zu
vermeiden,
Auszuschliessen sind von der Untersuchung die gemein-
germanischen % in got. ansieis aus *anstejez, da in diesen auf
keinen fall contraction aus -ja vorliegt; ebenso die der impe-
rative got nasei, sökeij von denen wol das gleiche gilt; endlich
die von got. hairdeis etc., weil hier specielle, abweichende laut-
gesetze in frage kommen. Ich schliesse ferner aus die % in den
Suffixen 'iga-, Ani, got, mahteigsj daupeins, über die ich nichts
anderes vorzubringen weiss als dass sie sicher gemeingerma-
nisch sind, und die i der Optative, got. bireis, beri etc., weil
über diese eine Untersuchung von OsthofiF zu erwarten steht;
so beschränkt sich die folgende darlegung auf die feminin-
bildungen mit i, d. h. solche wie got. bandi und managei.
Es wird geraten sein die Untersuchung nicht bei den germ.
sptj^ilM^hen zu begannen, wie man meist getan hat, sondern erst
deii •:ti^b98^pd der j übrigen sprachen zu constatieren.
ImisaiTskrit finden wir feminina 9mS -yä und 4 im nom.
neben einander. Dje ersteren sind bekanntlich feminina zu
... . ^*a-stämmen (das suffix^ist also nicht eigentlich -ja, -iä)] das -i
'^-^'Äber bildet als selbiÄändiges suffix feminina zu consonan-
tischen, a-, i- und wrelämmen (Misteli, Zs. f. ve:l. sprachf. XVII,
161 flF., wo auch weitere literatur verzeichnet ist). Es erscheint
also vornehmlich, um von einzelnen Worten abzusehen, bei den
Stämmen auf -as, -vas, -ant, -an, -tar, -u als regelmässige be-
gleiterin ; so im comparativ ndmyas : nämyasi, beim participium
vidvän : vidüsfd , tuddn : tudatx, bei den nom. agentis räjan
:räjf&, jdnitar : jdnitri , bei den w-adjectivis svädü : svddm ,
Insbesondere bildet es auch abstracta aus a- stammen, wie
drushi morgenröte, zu arushd rot, idvishi stärke, zu tavishd stark,
tapam glut, zu tdpana brennend etc. Die singularcasus haben
'jd-, 'iä- je nach der Quantität der vorausgehenden silbe (gen.
-ydsy dat -ydi etc.), nur der acc. hat -im analog dem nom. —
Das % hatte ursprünglich stets den ton; dies geht u. a. daraus
hervor, dass abstufende suffixe vor ihm stets in schwacher
form erscheinen (Verner, Zs. f. vgl. sprachf. XXIII, 120 flF.).
Ebenso liegen die Verhältnisse imzend. Im litauischen
138 SIEVERS
treffen wir -i als femininendung 1) in den einzelnen werten
paü, marti, veszni\ 2) in den pronominibus yi , szi, kuri\ 3) in
den participien äuganti, äugusi, 4) in den adjectiv. u-stämmen
kartus : kartt] ebenso im lettischen, Leskien s. 11 ; es fehlen also
von den hauptclassen der coniparativ, der wegen seiner ganz
abweichenden bildung {geresräs, gerisne) gar nicht verglichen
werden kann, und die ebenfalls lit. ausgestorbenen moyierten
feminina der nomina agentis auf -an und -tar.
Im slavi sehen haben wir, von einzelnen werten auf -(;i
abgesehen, die endung i (d. h. t) 1 ) im pron. si — lit. sz% ; 2) in
den participien pekcfsti, peküsi, 3) im comparativ dobrSßii,
4) in den movierten femininis, bogyni] es fehlen die adjecti-
vischen 2^- stamme und die feminina zu tar, welches ganz zur
ya-declination übergetreten ist {datelfi etc.; feminina fehlen,
Leskien s. 94). Im acc. erscheint lituslavisch iäm als grund-
form: \it duganczif, bIsly. pekqstq.
Das lateinische hat die doppelbildung nicht, da es seine
consonantischen stamme im femininum nicht verändert und
die ^^- Stämme in die f-declination übergeführt hat Abstracta
auf ia wie gloria, duritia u. s. w.; doch halte man st vic-tri-ci
zu viC'ior etc.
Das griechische kennt keine endung -t, hat aber die
doppelbildung, indem dem skr. i stets ia resp. -ä mit modifi-
cation vorausgehender laute entspricht, dem skr. -yä aber iä.
Wir finden das kurze a z. b. in den participien, tpigovöa, sl-
övUx, in den nominibus agentis wie rixtaiva, ccoxeiQa, bei den
t<-stämmen riöela, ßaaUeiüy bei einzelnen adjectivis wie xlcov
jtleiQa = skr. p% van, ptvari, fiiXag fiiXaiva] es fehlt der com-
parativ, welcher die distinction des femininums vom masc. auf-
gegeben hat; abstracta auf -da, 0oq)la zu 0oq>6g,
Im germanischen endlich erscheint ein i 1) im pro-
nomen got si aus st^ 2) im femininum langsilbiger /a- stamme,
got haipi, altn. heiter, vom acc. ban^fa wie im lituslavischen
unterschieden; 3) mit schwacher flexion im comparativ, blin-
ddzei^Bltn. blindri, und participium praes. got gibandei, altn.
ge/andi, 4) ebenfalls in schwacher flexion in abstractis, die zu
allen arten von adjectivstämmen gehören, wie got managei.
Das part. perf. ist bis auf das uns gleichgültige berusjds ge-
schwunden; movierte feminina sind im got nicht belegt, nur
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERIL SPRACHEN. 139
* frijöndi ist aus frijdndjös Luc. 15, 9 zu erschliessen , im nor-
dischen sind sie zur schwachen declination übergetreten, dsynja,
apynja ^) u, s. w. Ueberhaupt ist die ganze Unterscheidung wie
man gewöhnlich annimmt dem ostgermanischen eigentümlich;
nur die abstracta greifen deutlich auch in das westgerma-
nische hinein, ahd. menigi.
Hiemach muss die doppelheit der bildung als indogerma-
nisches eigentum beansprucht werden, und ich kann nicht um-
hin dasselbe auch für die specielle form der zweiten, den
nom, sg. auf -i, zu tun. Wäre das griechische nicht, so würden
dieser behauptung überhaupt kaum ernstlich schwerwiegende
gründe gegenüberstehen. So aber stehen wir vor dem dilemma:
entweder lautete der nominativ indog. 4ä und das griechische
hat das relativ ursprünglichere bewahrt: dann bleibt nicht nur
die Verkürzung des a im griechischen rätselhaft, sondern man
muss es auch für einen zufall erklären, dass fünf sprach-
Stämme, indisch, iranisch, slavisch, litauisch, deutsch auf die-
selbe contraction des iä zu t verfallen wären, die sonst laut-
gesetzlich für jede einzelne nicht begründet werden kann 2);
oder der nom. lautete indog. bereits 4, dann bleibt zwar das
griech. ä ebenso unerklärt wie im ersten falle, aber die übri-
gen Schwierigkeiten fallen fort Kann es zweifelhaft sein, dass
man sich billiger weise für die letztere ansieht zu entschei-
den hat?
Man wird hiergegen einwenden, wie es schon Leskien ge-
tan hat, dass sich keineswegs völlige formengleichheit finde
und dass sich auch die einzelnen kategorieen nicht völlig
decken. So soll nach Leskien slav. pekqsti aus "^pekqtja ent-
standen sein, wegen des st] ich sehe aber keine Schwierigkeit
darin, das it des nom. für übertragen aus den übrigen casus
zu halten; gegen Leskiens deutung aus -(;i spricht deutlich
das lit. -/i, für welches auch, wie flir das slavische, erst ein
besonderes lautgesetz, nämlich die Wandlung von -JA in 4, an-
genommen werden muss. Sodann nimmt Leskien daran an-
0 Doch hlötfyn, sigyn, foldyn, Fjgrgyn, Bjgrgyn etc., J. Grimm,
gr. II*, 167.
*) Speciell ist dabei wider die scheidnng des nom. und acc. im lit.-
ßlav. und germ. zu nrgieron: paü päcz^\ pekqsti peke^iq, bandi bandja.
140 SIEVEBS
stoss, dass im germ. der eintritt des t (natttriich abgesehen
von den in schwacher flexion erscheinenden t) durch das ge-
setz geregelt ist, dass eine lange oder mehrere silben vorher-
gehen müssen, woTon im slavisch- litauischen sich keine spur
zeigt Aber die Übereinstimmung im pronomen, participium
und comparativ kann doch Leskien nicht ableugnen, und wir
werden später sehen, dass die Umsetzung der alten regel in
die neue ihre guten erklärungsgründe hat.
Andere Schwierigkeiten hat man aus dem formenbestande
des deutschen herbeigezogen, namentlich fällt der mangel ohne
weiteres ersichtlicher t-bildungen im westgermanischen auf,
und das einzige augenfällige beispiel, die abstracta auf got
-ei, ist von Scherer u. a. geradezu für eine Specialbildung der
einzelsprachen erklärt worden. Sehen wir etwas genauer zu
wie die sachen stehen.
Zunächst glaube ich für das ursprüngliche Vorhandensein
der t- formen auch im westgermanischen einige Zeugnisse bei-
bringen zu können. Voran steht ags. bend, über das s. 136
gehandelt ist. Daf&r haben wir freilich alts. sundia, ahd. sunt{e)a
etc. Da diese aber das zeichen ihres späten Ursprungs, das a
im nominativ statt des etwa zu erwartenden u, an der stim
tragen, so können sie nicht gegen ein germ. *bandi, *sundi
ins feld geführt werden. Ich wüste auch nicht, dass jemand
ernstlich hieran gezweifelt hätte (so namentlich nicht Scherer,
z. GDS. 118).
Dann ist femer unzweifelhaft alts. ihiui = got pivij altn.
f^^ Hei. 4956 C, verkürzt ihm Hei. 285. 4956 M, mit übertritt
in die schwache declination ihiutm 285 C.
Undeutlicher, aber doch im zusanmienhang mitbeweisend,
sind andere spuren. Dazu rechne ich z. b. die abstracta auf
ahd. -nassij -nessi, -nissi, -nussij -nissa, alts. -ne5^/(a), 'nussi{a),
ags. -nes = got. -ncissas (nordisch fehlen sie). Diese formen
sind kaum anders zu vereinigen, als wenn man von einer ge-
meinsamen westgerm. nominativform -ncLs^ nach dem muster
von *bandi ausgeht, welche an stelle der got u-torm getreten
war. Dann bekommen wir nämlich folgende einfache ent-
wickelung:
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 141
gr und form:
-nasBt
-nesBi
-nassi, -nusBi
*-naBBi, -nussi
-nes
-nassi -nasst
-nessi*) -nesst -nessi -nesst
-nissi -nisst -nissia -nissi -nisst
-nassi -nussia -nusbi -nusst
«. f, f. n, /.
-nissa
/■•
■^
alts.
■ ^*
ahd.
Mit Worten ausgedrückt, heisst dies so viel als dass die
Überführung in die i-form bereits gemeinsam westgermanisch
war; für diese zeit ist noch langes 4 als endung anzusetzen,
da die Verkürzung erst den einzelsprachen zufällt. Mit den
abstractis auf 4 sind damals wol noch keine berührungen
eingetreten, da das ags. vollkommen reinen typus zeigt. Nach
der trennung der einzelsprachen tritt die Verkürzung des i
lautgesetzlich ein, und es beginnt die Vernichtung der i-form
bei Wörtern wie bandi im alts. und ahd., sich bald auch auf
unsere abstracta erstreckend; wir sehen die drei hauptvertreter
der abstracta an dieser Vertilgung teilnehmen: die feminina
auf -ä mit ihrem selbst schon neugebildeten nom. auf -a (alts.
-nissia, -nussia, ahd. -nissa), die abstracta auf 4 (alts. ahd. -nessi
etc., endlich die starken neutra auf 4 (alts. ahd. -nesst etc.).
Von der weiteren Vermischung der ahd. abstracta auf -i mit
den verbalsubstantivis auf 4ni-, got. daupeins, ahd. iou/t(n)
haben sich übrigens die auf -nessi freigehalten ; was Schlüter
s. 137 bei Isidor beobachtete, dass er zwar 5, 15 dhiu he-
rahinissi und 23, 23 dhiu aboha ubarhiaupnissi sage (daneben
auch uuootnissa 9, 9, idalnissa 25, 16, folnissa 37, 17, aber
kein neutrum), aber die abstracta stets auf 4n bilde, gilt auch
im weiterem umfang; ein -nessin etc. ist mir überhaupt nicht
bekannt.
Sodann glaube ich die movierten feminina und ihre ver-
wanten hierherziehen zu dürfen. Ihre geschichte innerhalb
des ahd. hat erst Henning, Sanctgall. sprachd. 91 ff. richtig
dargestellt, über die Vorgeschichte u. a. handelt Zimmer, Ostg.
>) gilAcnette dat Hei. 987 C, farlegamisse dal Hei. 3843 C.
i
142 SIEVEBS
u. westg. 38 f. Ich bemerke, groBsenteils im anschluBs an
diese, nur das folgende. Der nom. der betreffenden Wörter
geht in der ältesten zeit aus auf -in, -un, daraus erwachsen
allmählich die angeglichenen formen -imw und -in. Im alt-
sächs. finden sich als casus obliqui burthimua, henginnia,
fastunnia, uuostunnia, für den nom. und speciell für die mov.
fem. fehlen mir belege; das ags. hat gyden, wyrgen oder
byröeriy fcüsteny robden etc., gen. -erme. Die ostgerm. formen
s. 139. Die ags. foimen können allenfalls auch auf ^-inju
zurückgeführt werden, nach analogie der mehrsilbigen wie
fireii aus *ftrenu, oder wenn man will nach der von sihb aus
*sibjUy da unsere worte den nebenton auf der penultima hatten
(Beitr. IV, s. 529); gegen eine form -ini, -ini ist aber auch
nichts einzuwenden. Ob aber ahd. mägin ohne weiteres aus
*mäginju hergeleitet werden kann? der abfall des u geht sonst
dem schwinden des innern i, j voraus, aus "^mäginju sollten
wir *mägin7ii erwarten, wie cunni, rieht aus ^cimju, richiu.
Da ist mir denn eine entwickelungsreihe "^rnäghn, *mägim,
mägin viel wahrscheinlicher. Für diese classe träte also wider
Übereinstimmung mit der indog. bildungsweise hervor.
So bleiben noch diejenigen woi-tclasseu übrig, wriche ganz
oder teilweise aus der t-form zur schwachen declination über-
getreten sind. Was zunächst die participia anlangt, so ist
die schwache flexion nur ostgermanisch (got. gibandeiy altn.
gefandi)\ dagegen ist das ostgerm. particip insofern altertüm-
licher als das westgermanische ^ als es masc und neutr. noch
von dem einflusse der yd -formen des femininums frei gehalten
hat (got. giband-an- etc.). Nachdem das westgerm. die über-
fUhrung des ganzen particips zur ya-declination vollzogen hatte,
wurde das fem. natürlich wie die feminina der /a- classe be-
handelt; neben der uuflectierten form -aridi etc. entsteht die
adjectivische auf -iu, ags. -o, -u (unsnAciendo Ex. 424, wuniendo
Keiml. 26). Im gemeingermanischen muss die flexion der
participia praes. noch rein gewesen sein. Bei den compa-
rativen scheint dagegen der eintritt der schwachen flexion
gemeingermanisch gewesen zu sein; die t-form des nominativs,
deren % noch unverkürzt war, wurde auch in die schwach
flectierten casus hinübergenommen. Das westgermanische,
welches sich aller i- formen im a^ectivum entledigte und in
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 143
dem nach dem gesammttl bertritt der participia zur ya-declina-
tion der parallelismus ron t -formen im fem. und consonanti-
sehen formen ohne den charakteristiBchen t-laut in gleichen
wortkategorieen verloren gegangen war, Hess für die in -form
die gewöhnliche femininale ^-form eintreten.
Endlich die abstracta wie got. managet, Sie bilden
noch einen cardinalpunkt der frage wegen der vielen zweifei,
die sich au ihre form geknUpft haben; ich verweise speciell
auf Scherer s. 431, Zimmer s. 33 ff., Leskien s. 95 ff. Die
beiden erst^nanuten behaupten getrennte entstehung der
ähnlichen formen zur ostgerm. einerseits und ahd.-alt8. anderer-
seits, Leskien setzt, hierin der früheren vulgatansicht folgend,
der auch ich mich auschliesse, gemeingermanischen Ursprung
an. Sehen wir zunächst die gründe, welche für die letztei*e
annähme sprechen.
1) Es ist durchaus wahrscheinlich, dass zwischen den skr.
abstractis auf -% zu adjecti vi sehen a-stämmen, tävisht stärke zu
iavishd, und den germ. abstractis ein directer Zusammenhang
besteht Ist dieses richtig, so müssen die abstracta im deut-
schen von jeher auf seite der i-form gestanden haben, deren
indogerm. Ursprung mindestens höchst wahrscheinlich ist. Doch
verkenne ich nicht, dass die griech. abstractbildung la wie in
öog)la hiergegen angeführt werden könnte ; vor der band kann
ich diesem einwurf aber keine unbedingte gültigkeit beilegen,
ehe die bildung der griech. feminina auf -{i)ä, -lä genauer er-
foncht ist.
2) Im ostgerm. sind die abstracta deutlich zur schwachen
declination übergetreten; für das nordische ist dieser Vorgang
aus der erhaltung des -i zu folgern, das nur aus An erklärt
werden kann {sokei : scek) ; ahd. haben wir sicher langes i,
während sich sonst auslautende % verkürzt haben (Braune,
Beitr. II, s. 137 ff.), die alts. formen auf -i haben unsichere Quan-
tität, aber doch wahrscheinlich ebenfalls länge. Es ist nicht
glaublich, dass dieser übertritt spontaner akt der einzel-
-sprachen gewesen sei ; deshalb ist die erste berührung mit den
Verbalsubstantiven auf Ani-, deren einfluss, wie Leskien für
mich überzeugend bewiesen hat, der übertritt zur schwachen
declination veranlasste, als bereits gemeingermanisch auzu-
144 SIEVERS
sehen. Eine solche beruh rung ist aber nur unter der Voraus-
setzung denkbar, dass der nom. bereits auf -i ausgieng.
3) Wenige nachher zu besprechende ausnahmen aus dem
alts. abgerechnet, sind die abstracta im westgermanischen im
Singular indecliuabel , ohne dass wie im nordischen ein laut-
gesetz die gleichmachung veranlasste. Ist es wahrscheinlich,
dass alle sprachzweige des westgermanischen dieselbe Verall-
gemeinerung einer nominativform (darüber später) unabhängig
von einander durchgeführt haben? Wenn nicht, so darf nach
ahd. alts. 4 auch für das ags. eine verloren gegangene form
auf -t vorausgesetzt werden; man muss dabei allerdings an-
nehmen, dass die ahd. -m-form erst aus der specifisch ahd.
Vermischung mit den stammen auf -hii- entstanden ist, gegen
welche annähme meines wissens kein anstand vorliegt
Die gegenteilige ansieht stützt sich auf eine anzahl west-
germanischer formen, welche nicht die reine i-fotm zeigen.
Scherer führt aus dem ahd. an einen nom. sg. maneghiu Isid.
15, 21 W., dazu fügt Zimmer s. 35, z. t. nach J.Schmidt und
Kelle noch eine reihe anderer belege. Von diesen ist das bei-
spiel hrumü'brunnia brünne, auszuschliessen, da das wort gar
nicht zu den abstractis gehört, die übrigen sind helU dat. sg.
neben gewöhnlichem hellia, das ebenfalls nicht hierher gehört,
und ausserdem den Diut. II, 119 fi'. abgedruckten homilien des
11. — 12. Jahrhunderts entnommen ist; von wirklichen abstractis
mendislo exultatio aus Cod. Aug. 111 sec. X (wozu ich noch
umgialo afflictio ebenda, füge), uuassiu aus Münchener Pruden-
tiusglossen des 11. jahrh. (Steinmeyers M *, zs. f. deutsches
altert. XVI, 4), :jiUuuiu aus £mmeramer bibelglossen, ebenfalls
11. jahrh., endlich slaf/iu aus den Augsburger glossen vom
ende des 10. jahrh. nach dem Braunschen abdruck; aber
Holder gibt Germ. XXI, 7 h z. 4 igtmuia slaffux. Neben den
tausenden von formen auf -t(/i) können diesen späten formen^
die übrigens zum teil auch noch genauerer constatierung be-
dürfen, wol keine besondere glaub Würdigkeit oder beweiskraft
beanspruchen. Nur das beispiel aus dem alten Isidor und die
beiden auf -islo können in betracht kommen. Aber ich glaube,
auch sie müssen fallen.
Bei Isidor 15, 16 wird per plwraliiatem persanarum durch
dhurah dhero heideo mcoieghin übersetzt; darauf folgen 15, 21
ZÜE ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 145
die Worte ipsa pluralitas personarum widergegeben durch Mu
selha maneghiu chinomidiu. Zur richtigeu beurteilung dieser
Worte mu88 man erwägen, dass bei Isidor 17 abstracta auf -tn
Yorkommen, darunter drei nominative, guotlihhin 19, 10, ddhtn
25, 15, resti7i 41, 2, zusammen wenn ich recht gezählt habe
an 31 stellen, zu denen noch ein dat. pL anireidim kommt;
wichtig sind darunter ghilauUn und daufin = got. galaubeins,
daupelns] da duri acc. pl. 7, 9, berahtnissi und ubarhlaupnüsi,
wie s. 108 und 141 gezeigt wurde, nicht zu unserer klasse ge-
hören, so muss -m als die einzige isidorische form der ab-
stracta angesehen werden. Dies beweist, d'Cnke ich, dass zur
zeit Isidors nicht nur die contraction, sondern auch bereits die
rerschmelzung mit den Verbalsubstantiven vorhanden war. Wie
soll da ein nominativ auf -iu erklärt werden? zumal wenige
Zeilen vorher erst maneghin steht. Die werte erlauben ausser-
dem noch eine ganz andere deutung. Ich kann nicht umhin,
völlig zu unterschreiben was Weinhold s. 120 über unsere stelle
bemerkt: Mch halte maneghiu für stark flectiertes attribut (über
starke und schwache flexion zweier vorgestellter attribute vgl.
Grimm gr. IV, 537) und chinomidiu verschrieben für chinomidin,
der schwachen nebenform von "^ chinomida = ganemnida per-
sona GraflFII, 1086', nur wird chindmidin (nach uLnoemen) zu
schreiben und formell eher ahd. namiti benenn ung, Graff II,
1082, zu vergleichen sein. Der scli reibfehler nach dem vor-
ausgehenden maneghiu ist leicht erklärlich.
Mendislo und uuegislo (zu ahd. uueigen, GraflF I, 703)
kommen nur in dem Diut. I, 289 veröffentlichten glossar vor.
Sie erregen nicht nur durch das o bedenken, sondern schon
durch ihr weibliches geschlecht, da femininbildungeu auf -seli
im ahd. sehr selten sind, gr. 11^ 103. Prüfen wir daher unsere
quelle etwas genauer. Die glossen finden sich in -einer lat.
'exhortatio ducum et ullatü exercitus', in dem Cod. Aug. 111,
der von älterer band z. b. auch das glossar Ka. enthält; die-
selbe exhortatio und ein teil dieser ca. 50 glossen findet sich
wider im Cod. Sangall. 141, s. Hattemer I, 313, und einer
Frankfurter hs., aus der Graft* I, xxxiv proben gibt. Unsere
beiden glossen stehen nur in R (Reichenauer hs.); ebenso
fehlen in den andern die glossen kreg zu pertinaciae, gehruafti
n. zu clamor, gerstl zu rancor, alles ixjia^ Xtyofieva im ahd.
BeltrÜKfl sor geschichte der deutbchen spräche. V. 10
146 SIEVERS
Der sprachliche typus der glossen ist sehr auffällig: voll-
kommene ungeregeltheit in den diphthongeu: kreg, uueihmdtt,
ttnoatscahi, muaisleuui, muatplinti, höhmtiaii, gehruafti, hniom]
neben den wie es scheint alem. tia steht unalemannisches ge-
dreog fallacia (Braune, Beitr. IV, 557 fl'.), der consonantis-
mus ist im ganzen fränkisch, dann aber begegnen wider keflos
neben ungezunfi, gehruafti, gedreog^ ungeuuerida, ferner unmez-
cähx, cotes] muatplinti] dann aber gar un verschobenes p in
gelp gloria, unverschobeues d in gedreog und über verschobenes
t in meineiti periuria. Rechnet man nun zusammen, dass -slo
eine im altsächsischen öfter vorkommende form ist, dass die
in den beiden andern hss. fehlenden Wörter zum teil nieder-
deutsches gepräge tragen (namentlich mendislo selbst, das im
Hei. vorkommt), dass utiegislo und kreg im e, uueihmöti im 6,
gedreog in d und gelp im p niederdeutschen lautstand zeigen,
so darf man wol getrost behaupten, dass mendislo und uuegislo
auf rechnung einer altsächsischen vorläge zu setzen sind, aus
der sie als unverstandene formen von dem oberdeutschen
Schreiber herübergenommen sind.
Das ahd. kennt also keine andere beglaubigte
form als -t oder -in.
Im altsächsischen begegnen zunächst mehrere formen
auf 'Slo: mendislo Hei. 402, herdislo 4965 M, -sH C, errislo gl.
Prud. 1. 453, dazu kommen die eben besprochenen mendislo,
uuegislo und ein menigo Hei. 10 im Cottonianus, der auch for-
men wie drihten, steorra u. dgl. hat. Es wird also gestattet
sein, diese form als echt alts. so lange anzuzweifeln, bis
andere belege als die auf -slo beigebracht sein werden. Diese
letzteren nämlich beweisen gar nichts. Einmal ist an ihnen
durchaus unerklärlich, warum hier das i, j i*egelmässig ge-
schwunden sein sollte, das im alts. niemals fehlt Da nun die
endungen -sli n. und -sR f. unbestritten auf ein ursprüngliches
'Sla- zurückgehen, so wird man auch -slo darauf zurückführen.
Dann kann -slo natürlich nur nom. sg. eines schwachen masc
sein, und weiter ist es auch nichts, wie uns die glücklich in
den Prudentiusglossen aufbewahrten pluralformen rädislon
aenigmata 152 und Idnislon rimas 499 lehren. >) Gegen diese
*) Heyne erklärt sie, altn.dkm.^ gloss.fttrdat.pl. zu /a-st. gegen dentext
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 147
Zeugnisse kann die einzige stelle, wo -slo als fem. belegt zu
sein scheint, nicht aufkommen, nämlich Hei. 4965, wo G ihiu
herdisH, M. aber thea herdislo schreibt; man sieht, dass der
Schreiber von M mit seinem ihea für thiu zwischen herdisR
f. und herdislo m. schwankt; es sollte thS herdislo heissen. —
Wir haben also folgende Verzweigung des suflfixes -sla: 1) neu-
traler a- stamm, ahd. -isal, alts. in gurdisla dat. sg. gL Prud.
388, wenn dies nicht für gurdislea steht; 2) männlicher n-
stamm, alts. mendislo etc.; 3) neutraler /a-stamm , alts. ddpisli,
dat. 'Slea Hei. 1025 M (C fehlt); 4) fem. auf 4, herdisli HeL
4965 C, ahd. -seit, gi*. I^, 103. Die Stufenfolge ist ganz wie
in ahd. -id m., -ido m., -idi n., -idi f., wozu noch -ida f. tritt
Nach abzug dieser worte bleiben an ausnahmen von der
t-form im Hei. ein nominativ megtnstrengiu 4354 M, der zwi-
schen zwei thiu in der mitte steht und so den verdacht eines
Schreibfehlers erweckt, wie er gerade in den Heliandhss. öfter
vorkommt, s. meine anmerkung zu Hei. 106 verdächtig ist
besonders schon die endung -u, da das alts. ausser dem pro-
nomen siu, thiu keinen nom. sg. auf -u mehr kennt; denn das
vor meginstrengiu stehende mikilo wird man doch nicht mit
Zimmer s. 34 als starke form nach dem artikel auffassen : man
denke, welche absonderlichkeiten sich hier in den zwei werten
häufen würden); ein nom. auf -ia, blindia 3636 M, ein dativ
an eldiu 194 M, also bisher alles nur in M, C hat stets -t;
gemeinschaftlich ist ein gen. pl. huldio 5014, endlich steht ein
dat. pl. huldion in der sächsischen beichte; also in summa
4 mal ein überschwanken in die >ä-declination (denn der gen.
pL huldio konnte ja kaum anders gebildet werden als so);
und das wird man getrost als neubildung aufifassen dürfen.
Unanfechtbar ist natürlich das bestehen der angelsäch-
sischen abstracta auf -u, -o, aber ihre erklärung ist streitig.
Vor allem ist nicht richtig was Zimmer s. 33 f. über sie sagt
Die vollständige gleichheit der singularcasus von ags. menigu,
-0 veranlasst ihn zu der bemerkung: 'in der tat so regelmässig
als man sich etwas denken kann. Aus den germ. grundformen
manag ja, managjäs, manag jäi, manag jäm konnten lautgesetzlich
die westgerm. formen managja, managja, maiiagja, managja ent-
stehen. Wie nun westgerm. geha durch ags. gifu reflectiert
wird, so kann der stamm managja im ganzen singular nur die
10»
148 SIE VERS
belegten formen zeigen.' Wenn Zimmer nur zugleich auch nur
einen einzigen beleg daflir gebracht hätte, dass je anderwärts
ein anderes ä als das des nom. sg. bei den ä- stammen im
ags. zu 0, u geworden wäre ! Warum flectierten denn die nicht
abstracten yd -stamme so ganz anders: befid, bende, bende, bende,
ganz entsprechend den einfachen 4 -stammen? Meni^, oder
um bei den einfacheren zweisilbigen stehen zu bleiben, yldu
kann nur eine nomiuativform sein, die sich auf die übrigen
casus ausdehnte, wie bereits oben s. 144 bemerkt wurde. Für
die casus obliqui besteht übrigens noch eine form auf -e, s.
Beitr. I, 500 f. und unten s. 151. Die grundform selbst muss
nach den früher entwickelten gesetzen ursprünglich dreisilbig,
*eldiu, gewesen sein. Nun ist widerum nicht abzusehen,
warum die abstracta, die sonst überall auf seite der i- formen
stehen, sich allein hier der uucontrahierten form bedient haben
sollen, während die nicht-abstracta wie bend die i-form zeigen.
Ferner ist die Übertragung einer so deutlich kennbaren nomi-
nativform, wie die auf -u es ist, auf die casus obliqui durch-
aus nicht wahrscheinlich, ausser wenn wir annehmen, dass
bereits vorher eine gleiche form aller casus bestand, die
sonstiger aualogieen in der flexion entbehrte; ist doch sonst
das u des nom. ganz sauber von allen casus obliqui geschie-
den geblieben. Wir werden also immer wider auf das alts.-
ahd. stereotype -i des ganzen Singulars zurückgewiesen, vor-
ausgesetzt, dass eine möglichkeit besteht, beide lautlich zu
vereinigen; diese ist gegeben, sobald man dieselbe Übertragung
des fem. -u annimmt, wie sie in westgerm. siUj ags. sed =
got. si, urgeim. *si stattgefunden hat (vgl. die lit.-slav. prono-
mina oben s. 138); aus *eldi + u erwuchs *eldiu und daraus
eldu, yldu^) wie ricu aus "^rikiu (s. 135).
£s erübrigt nun noch zu untersuchen, ob die soweit ich
sehe nicht als gemeingermanisch angezweifelte Scheidung zwi-
schen kurzsilbigen und langsilbigen femininis der yä-dcclina-
*) In den grammatiken pflegen meist die fonuen auf -o, menigo,
yldo für diese abstracta angesetzt zu werden, während man dalu, rtcu
etc. schreibt. Die älteren quellen kennen gar keinen unterschied,
höchstens überwiegt in beiden fallen -u; später scheint sich allerdings
das -o für die abstracta fester zu setzen, aber auch bei den andern
wortclassen ist es sehr häufig.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 149
tion, got sibja : bandi, hvoftuU sich der erklärung entzieht. Vor
allem kommt es wider auf genaues festhalten am ifatbestand
an. Wir haben da zunächst zwei entschieden kurzsilbige
fem. auf -/, nämlich got. pivi, mavi, Ersteres ist moviertes
fem. zu pius, st. petva- (vgl. runisch petvaR ) ; daraus folgt, dass
wir als Urformen gerra. *pewaz m. und "^pem fem. ansetzen
mfissen, s. s. 137 ff.; mavi steht ebenso zu magus, es muss also
von jeher ebenfalls zum i-typus gehört haben; die formentwick-
lung ist ganz regelmässig, urform "^magüs m., "^magwi f. Das
g des letzteren muste nach einem lautgesetze, das ich ein
anderes mal näher zu begründen gedenke , in unbetonter silbe
vor w schon urgermanisch ausfallen, wie in got. naus fär
*nawis aus *nagwis] altn. ey, ags. e, eg, ig (vgl. ags. heg, hig
= altn. hey, got. havi\ ahd. ouua d. i. *a«^ (oder *awjä wegen
altn. mcer == *mawi*f s. 128. 136) aus "^agwi , "^agtviä, zu ähva
au8*dÄw(2; got.^/wn^ etc., st.*^mw/- 2m^* sigwni' (betont wie skr.
agni), zu * sehrvan (vgl. Bugge, Zs. f. vgl. spracht XIX, 403 f.),
germ. grundform * hweulä- rad aus * hwegwld- = skr. cakrd, gr.
xvxko- fär *xvxX6', *x/bxX6-] endlich die praet. und part.
alts. säuum, giseuuan, ags. sdwon, gesewen etc. zu '^sehrvan
u. s. w.^ — Von mehrsilbigen liegen im got. vor * frijbndi,
htilundi, püsundi, laühmuni, *vundu/hi, */raistubni, hvdftnU,
aqizi, ^jukuzi und das fremdwort ^mrahi (aus gr. OQyyjKJi,
J. Schmidt, Zs. f. vgl. sprachf. XIX, 276); die besternten for-
men sind im nom. nicht belegt. Von diesen ist fr'ijbndi unbe-
stritten moviertes fem. eines n^- Stammes, es gehört also von
0 Nur nach conBonanten bleibt das g^ vgl. got siggvan, altn.
syngva, westgenn. singan und verwantes; dass nicht nur der nasal
schützte, zeigen altn. ylgr aus * tvolgwi = skr. vrki (Vemer, Zs. f. vgl.
sprachf. XXIII, 121), got. fairguni, altn. Fjgrgyn{n) zu skr. parjdnya,
lit. PerkünaSy Zimmer, Zs. f. d. alt. XIX, 164 ff. Hierdurch tritt bezüg-
lich einer von Vemer a. a. o. 105 noch unerklärten ' differenzierungs-
form ' des hv wider vollkommene consequenz zu tage. — Uebrigens
hängen noch verschiedene andere auffällige erscheinungen , namentlich
assimilationen, mit ursprünglicher suffix- oder endungsbetonung zusam-
men; z. b. höchst wahrscheinlich die von nv zu nn in verbis wie rinnan
zu mvdnii (darüber zuletzt Vemer, Zs. f. deutsches altert XXI, 417),
aber' st. m^lwa-, bälwa- etc. ; die von In zu II in got. fults, vuUa = skr.
pürnä, ürnä'j und manches andere, was ich hier nicht weiter aus-
führen kann.
r ' V
|f>0 SIE VERS
r(M*htH wcgou zur (classo, huiundi und püsuyidi tragen ebeufalls
ilou tvpuH der participien ^) , aqizi und jukuzi lassen auf ab-
Icituugou au8 (1^- Stämmen schliessen, laähmuni, /rcusiubni,
vututu/m stellen sich zu suff. -man'^), hvdftuli wie hvilftri zu
HUtV, 'tra, es kann also ebenfalls dircete femininbildung sein,
d\K*h ist darauf kein zu grosses gewicht zu legen, da ja einige
der vorhanden gewesenen Wörter sich immerhin nach andern
boroohtigtcn mustern der t-gruppe gerichtet haben können.
Uibt man mm zu, dass ausser den abstractis auch eine
auKahl anderer feminina des i-typus bereits im germanischen
existierten, so ist es wol denkbar, dass sie allmählich auch die
nicht übermässig zahlreichen ^(2- formen attrahierten. Dass
nur die langsilbigen davon betroffen wurden, hat seinen grund
vermutlich darin, dass sie im nom. silbenbildendes { hatten,
die kurzsilbigen aber consonantisches y; man vgl. die voraus-
zusetzenden grundformen wie:
♦si^ja ♦bandiä •hvilftrt
•ei^jöz ♦bandiöz ♦hvilftriöz
* si^j ai * bandiai * h vilf triai
•Bi«^jä(in) •bandia(m) * hvilftria(m)
u, s. w.
Das resultat dieser ])etrachtung wäre also zusammengefasst
dieses :
*) Sie sind wol, wie andere ähnliche bildangen, wie nihvundjay als
reste der seh wachen form des participialsuf fixes zu betrachten: germ.
'Und' «— skr. -at-, indog. -n^.
') So auch die neatra fastuhni, valdufni, vitubni. Die Verschieden-
heit der saffixform (-muni und bm, -fni fUr -mnt; -ttüi und -tri) ist
vielleicht so zu erklären, dass -mm , -tti , -tri die eigentlichen nomina-
tivformen waren, da das abstufende suffix (-man, -tar) hier in schwacher
form erscheinen muste. In vielen fallen entwickelte sich aus dem durch
seine lautumfcebung zu sonantischer geltung gebrachten m ein tim; dies
liegt eventuell vor in vundufni, fraistubni etc.; danach sollte man auch
*lohumni erwarten; hier aber scheint die form der casus obliqni mass-
gebend gewesen zu sein ; aus einer form * lohmnidz konnte durch rollen-
tausch des n und t *lohmnjdz d. h. *lohmunjdz entstehen (vgl. ahd.
f€tiro aus *fat%rjo flir *fatrio)y ebenso hvdftuljds aus *hvdflUdz u. s. f.
Im einen fall wurde die nominativform, im andern die form der casus
obliqui verallgemeinert. Vielleicht ist auch die doppelform der fem. auf
-unnia und -innia so zu erklären, die von den movierten femininis mit suffix
•itl (vgl. skr. rä'Jfü, takshnX) ihren ausgang genommen haben müste.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 151
1) Es gab ursprünglich im geim. kurzsilbige feminina auf
-jä^ laugsilbigo auf -iä, daneben solche auf A ohne rUcksicht
auf die quantität.
2) Bereits gemeingeimanisch attrahierten die letzteren die
iä- Stämme.
3) Noch vor dem eintritt einer Verkürzung des -i geriet
ein teil der t- formen, nämlich die abstracta, kraft ihrer bedeu-
tung unter den einfluss der verbalsubstantiva auf Ani' und
wird dadurch zu einer besonderen form der schwachen
declination umgestaltet; ihnen schliessen sich im got. einige
wenige nichtabstracta an (got äipei [sicher ein moviertes fem.]^
kilpei, pramstei, hvairnei, marei, Leskien s. 95) ; auch die par-
ticipia und comparative schliessen sich im ostgerm. an diese
neue form an.
4) Das nicht durch den übertritt zur schwachen declina-
tion geschützte -i verkürzt sich resp. schwindet im got, altn.,
ags.; ahd. und alts., welche im allgemeinen keine alten nomi-
nativformen beim fem. subst. haben, lassen neubildungen auf -ia,
-ea, -a dafllr eintreten. Nur spuren des älteren zustandes
zeigen sich noch.
5) Das westgerm. verallgemeinert bei den abstractis die
nominativform -i für alle casus (ausser eventuell gen. dat pL).
Hierzu tritt im ahd. als zweite form An, d. h. der regelrechte
nom. der völlig zu den abstractis übergetretenen verbalsubstan-
tiva auf Ani'. Das alts. macht ganz vereinzelte versuche,
durch antritt der casusendungen der (i- stamme wider eine
flexion herzustellen. Das ags. hängte das nom. -u derselben
^-Stämme zunächst wol an den nom., dann aber an die gleich-
lautenden formen der übrigen casus an; gelegentlich trifft man
auch noch nominative ohne endung wie yld, nach dem typus
von bend und dem entsprechend casus obliqui auf -e an, die
nicht aus dem A direct erklärt werden können (got. sokei =
ags. S6SC, sec). Diese sind wol, wie Beitr. I, 500 ff. vermutet
wurde, als anlehnungen an die abstracta auf ags. -pu, got
Apa anzusehen, welche letzteren durch ihre allmähliche Ver-
mischung mit den abstractis auf A eine sehr schöne illustra-
tion der Wirkungen der analogie in zwei bedeutungsverwanten
wortclassen liefern.
152 SIE VERS
3. Der auslalit mehrsilbiger Wörter.
Die vorausgehenden Untersuchungen haben das uns eigent-
lich gesteckte ziel mehrfach überschritten; es wurden gelegent-
lieh die Schicksale ursprünglicher längen erörtert, namentlich
insofern sie in folge von Verkürzungen später einer syncope
unterlagen. In dieser beziehung berührte sich die darstellung
vielfach mit den Untersuchungen Pauls über die geschichte der
langen endungsvocalo. Ich darf wol aus beiden abhandlungen
als resum6 den satz ziehen, dass alle indogerm. längen sich
bis ins einzelleben der germ. sprachen erhalten haben; dass
ebenso wie Braune es für das ahd. nachgewiesen hat, in den
einzelsprachen auslautende längen früh verkürzt (resp. diph-
thonge monophthongisiert) wurden und eventuell der syncope
unterlagen, während eonsonantisch gedeckte längen (nasal-
vocale?) diese scliicksale erst in weit späteren perioden er-
litten. Dies3r satz ist für die betrachtung der mehrsilbigen
Wörter von fundamentaler bedeutung.
Was diese letzteren anbetrifft, so wurde die Untersuchung
bereits au verscliiedenen stellen notwendig darauf hingefährt,
sie gleiclizeitig mit zweisilbigen zu besprechen, namentlich bei
der geschichte der ya- stamme war dies wegen der verschie-
denen silbenzahl dieses suffixes unvermeidlich. Wir haben
dabei gesehen, dass die silbenzahl eines wertes allerdings
unter umständen für die Schicksale seines auslautes mass-
gebend sein kann, ich erinnere z. b. nur an ags. hrycg : rice,
pl. cy7m : ricti, f. lär : stren^pu u. dgl. Eine einfache theore-
tische erwägung lässt auch die bedingenden gründe leicht er-
kennen. Drei und mehrsilbige Wörter haben stets einen neben-
accent, nach dem germanischen accentgesetz , wie wir ßeitr.
IV, s. 528 ff. gesehen haben , in der regel auf der sehlusssiibe
des Wortes, Diese kann also nicht ohne weiteres der unbe-
tonten Schlusssilbe eines zweisilbigen wertes gleichgestellt
werden, da ja das ganze auslautsgesetz vom accente bedingt
ist. Natürlich kann es daneben nicht ausbleiben, dass sich
ausgleichende analogie Wirkungen einstellen, deren möglichkeiten
für jeden fall einzeln zu erwägen sind. >) Im allgemeinen
*) Doch darf dies schwerlich in der weise geschehen wie Zimmer, ostg.
und westg. 27 es tut, welcher berechnet, dass das got. 50 drei- und
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 1 53
darf man wol sagen, dass analogiewirkungen um so eher und
stärker auftreten werden, je deutlicher durch bestimmte suffix-
formen mit ausgeprägter bedeutung (die vom sprechenden als
lebendige suffixe empfunden werden, vgl. Paul, Beitr. IV, 413
anm. 2) bestimmte parallelen zwischen wortreihen hervortreten.
Beim nomen trifft dies meist wortbildungssuffixe, beim verbum
hauptsächlich auch die üexionsendungen.
Es ist bekannt, dass der nebenton die letzte silbe eines
dreisilbigen wertes nicht vor vocalsyncope schützt; es heisst
z. b. got. mikils, altn. mikill etc., obschon gewis einmal *miki'
Ihz bestand. Auch diese Schwierigkeit löst sich einfach, wenn
man die gesetze der satzaccentuatiou einer neueren spräche
beobachtet Die nebentöne auf schlusssilben treten wie über-
haupt alle accente kräftig in pausa hervor, aber sobald das
wort aus der pause in das innere des satzes tritt, rückt ein
teil des accentgewichtes des ganzen wertes auf das nächste
wort über, besonders aber wird der nebenton von einem fol-
genden hochton mehr oder weniger absorbiert. Man kann
diese erscheinung überall am besten in stark 'singenden'
dialecten beobachten; z. b. im thüringischen besteht ein ganz
bestimmt ausgeprägter accentwandel je nach der Stellung der
Wörter im satze, der besonders gegen das satzende hin und
bei emphatischer Sprechweise für jeden unverkennbar ist, der
einmal darauf zu achten versucht hat ^) Wir haben also in
Wirklichkeit für dreisilbige Wörter im satze sehr häufig die
accentstellung ^ :^ ^ | ^ . . . . || , oder um ein beispiel zu geben,
got mikils muss beurteilt werden nach formein wie *mikilaz
ist Es entsprechen solche der accentstellung v^ ^ ^ w bei vier-
silbigen Wörtern, die wir Beitr. IV, 530 ff. kennen gelernt und
deren syncopierungsverhältnisse oben s. 68 ff. 81 ff. besprochen
sind. Wie dort, wird auch im Satzzusammenhang der un-
mehrsilbige feminina auf -a hat gegen 6ß zweisilbige. Von den 50 bei-
spielen fallen etwa 35 auf die abstract« auf -ipa, -pva. Wie viele von
diesen werden zu der zeit wo sich die flexion des got. definitiv fest-
stellte, im lebendigen gebrauche gewesen sein?
*) Nur muss man dabei die vorsieht brauchen, sich an leutel'zu
halten, die nicht zu sehr unter dem einfluss des rhetorischen accentes
der schale stehen, der ganz besonders diese dinge gefährdet, und na-
mentlich die circumflexe auszurotten bemüht ist
1 54 SIEVERS
mittolbar vor einer betonteren silbe stehende syncopierungR-
fahige vocal syncopiert, d. b. es tritt im allgemeinen dasselbe
ein, was nach einer langen silbe gepchieht; nur scheint es
denkbar ; dass nach dem principe, dass die spräche über die
einzelnen silben eines wertes um so rascher hinweggeht, je
grösser seine silbenzahl im Verhältnis zum bedeutungsinhalt
ist und dass daher bei mehrsilbigen Wörtern leichter Verstüm-
melungen eintreten als bei kürzeren, die gesetze der syncopie-
rung bei den dreisilbigen etwas früher eingetreten seien als bei
den zweisilbigen.
Im einzelnen entzieht sich der auslaut der mehrsilbigen
viel mehr der beobachtung, da die kriterien des umlauts
u. s. w. meistens wegfallen. Uebrigens sind es der in betracht
kommenden fälle so sehr viele nicht.
Auslautendes (ursprünglich tonloses?) -a in dritter silbe
stand 1) im gen. sg. der a- stamme; got. dagis, altn. dags, ags.
dwges, alts. dages , ahd. tag es aus *dagesja, *dagessa\ gegen
die annähme gemeingermanischen Schwundes lässt sich soviel
ich sehe kein zwingender grund geltend machen; die regel
wäre wie bei der 1. pl. praet. auf -um aus -ma, s. 119; —
2) nach eintritt des consonantischen auslautsgesetzes im acc.
sg. m. und nom. acc. sg. n. mehrsilbiger a- stamme, z. b. *peu'
tSanüy * heröia, * bökaria, * mikila = got. piudan, hcdrdi, (hdkari),
mikil\ im flectierten nomen ist kein unterschied von den zwei-
silbigen zu bemerken, die analogie hält die wortformen zu-
sammen. Nur wo eiue solclie directe analogiewirkung nicht
vorliegt, scheint auch dies a schon germanisch abgefallen zu
sein; das wäre der fall im infinit iv, germ. neman aus •n^-
manaf *7iemanwi, *netnanam] got. niman etc.; altn. iiema ohne
auslautenden nasal (aber acc. aptan, drdtihi, jotun etc.); 3) in
der compositiou; hier schwindet das a regelmässig in den ia-
Stämmen, got andilaus , arhinumjaj so auch püsundifaps zu st.
andia-, arbia-, püsimdia-] ^hev /rapjamarzeins etc. (Ulf. Altenb.
ausg. II, 2, 129); desgleichen ohne a piudangardi und midjunr
gards (wenn letzterem ein a- stamm zu gründe liegt), an ad-
jectivcn aglaUgastalds , anparleiks , nxanagfalps, ubilvaürds, ubil-
töjis, mikilpühts\ aber viele substantiva mit a, himhiakunds,
alevdbagms , kaisaragild etc. Das letztere bei spiel kann uns
warnen, sämmtliche hierher gehörige formen als rein lautge-
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 1 55
setzlich entwickelte zu betrachten; 4) unbewiesen sind die von
Scherer u. a. angenommenen grundformen "^tasj^'a, "^gebäja
für got pizai, gibai etc., doch würde vom Standpunkt der aus-
lautsgesetze kaum etwas dagegen einzuwenden sein.
Europäisches unbetontes -e in dritter resp. vierter silbe
haben wir anzusetzen in der 2. plur. praes. der verl)a: got.
nimip für *nimeÖe, im vocativ der mehrsilbigen a-stämme, got.
pmdan fttr *peübane, endlich im imperativ der schwachen
verba, got. s6kei aus *sökeje, * sökije, Ueber erstere lässt
sich nichts bestimmtes sagen; die imperative sind noch immer
rätselhaft; gemeingermanisch sind die got. formen nasei, sokei
gewesen, da sie den syncopierungsgesetzen auslautender ger-
manischer längen unterliegen (ags. nere : scec). Sollte länger
gebliebene suffixbeton ung im spiele sein {*nasi, *sdki aus
*nasiji, *sdkifi contrahiert) ? Dass sich bei den starken verbis
keine analoga (erhaltene -i) finden, wtlrde sich daraus er-
klären, dass das starke deutsche verbum nur wurzelbetonte
verba hat; got. bidei zu bidjan mttste nach dem muster von
nasjan : nasei gemacht sein.
Auslautende unbetonte i stehen in der 2. 3. sg. und der
3. pl. ind. der verba got. nimis, nimip, nimand fttr "^nimisi,
*nimibi, *nemanbi, Gemeingerm, abfall wird durch altn. nema
3. pL für germ. *nemanb, *neman wahrscheinlich gemacht,
wenn man nicht etwa frühzeitige beeinflussung von seite des
conj. annehmen will Auch lässt sich wol geltend machen,
dass in den dritten personen (und das bezöge sich auch auf
die 2. pl.) das germ. b im ags. spirans blieb, nimet^, nimo^,
während das ags. den westgerm. Übergang von germ. (tönen-
dem) Ö zu J im in laute mit durchgemacht hat. Ueber -i als
casusendung bei i-, u- und consonantischen stammen {*a)is(aji,
*sun(wi) s. nachher; vgl. auch oben s. 121.
Auslautendes u steht nur im acc. von noniinibus auf got.
'Odus, -assus und fremdwörtern wie asilitSy aggilus, ulbandus (?),
im got. überall erhalten, sonst geschwunden wie überhaupt u
nach langsilbigen, doch sind die meisten dieser substantiva zu
anderen declinationen übergetreten.
Das res ultat wäre: unbetonte auslautende a^ e, i, die
nicht durch den systemzwang gehalten werden,
fallen bereits gemeingermanisch in dritter silbe ab.
1 56 SIEVERS
Für u liegen keine entscheidenden beispiele vor, da die mehr-
silbigen nomina dem systemzwange unterliegen.
Gedecktes a lag vor 1) im nom. (acc.) sg. dreisilbiger a-
stämme, welche Überwiegend adjectiva und participia praet.
waren; das a blieb, zum teil vielleicht unter dem einflusse des
Systemzwanges ; als sicherer beleg kann altn. holtingan auf dem
goldenen hom gelten, selbst wenn man haitinan auf dem Tannm-
steine anfechten will. Die ya -stamme schliessen sich Überall
an die langsilbigen an, got -eis, altn. -/r, ags. -e etc.; 2) im
gen. sg. consonantischer stamme; es kommen in betracht die
substantivierten pai-ticipia praesentis und die n-stämme ; erstere
haben im got. und westgerm. die form der a-declination an-
genommen, gen. 7iasjandis , ahd. heilantes etc., altn. sind sie im
sg. zur schwachen declination tibergetreten, altn. büandi, gen.
büanda. Got. namiiis , ahd. nemin, später namin verhalten sich
so wie etwa got. aigins zu ahd. eigin (neben eigan), gruudform
*naminas, *aiginas, die formen des alts. sind teilweise, die des
ags. und nordischen gar nicht direct vergleichbar, da sich die
accusativform in die stelle der übrigen casus eingedrängt hat
Für diesen muss, wegen nord.hana, got hanmi als bereits ge-
meinschaftliche form aufgefasst werden. Die genetive der
stamme auf -tar können nicht herbeigezogen werden, da im
nordischen die form des accusativs, im westgerm. die des nomi-
nativs bestimmend eingewirkt hat (altn. /oftwr, ags. feeder, alts.
fader y ahd. /ater, aber got /'adrs aus ^fatSräs wie dat. fadr
aus */aÖn); 3) wird -as als endung des gen. sg. der i- und
2^-stämme angesetzt, z. b. von Scherer ; got anstais, sunaus aus
^anstajas, *sunava$ (so zuletzt wider von Bechtel, Anz. fftr
deutsches alt III , 222 f.). i) Es ist wirklich fast überflüssig,
*) Einen teil der von Bechtel dort gegen Lcskinn vorgebrachten
gründe gestehe ich nicht zu begreifen, wenn nicht in dem satze 'einem
gr. noXiog kann daher nur germ. ansiias parallel gehen, daraas ist aber
eben ahd. ensti nicht abzuleiten, somit bleibt nur anstajas, anstijas zur
Verfügung' ein druckfehler, anstias für ansijas, anzunehmen ist Uebri-
gens ist Bechtels hauptgrund, im germ. sei zweisilbige ausspräche des
Suffix ia nicht anzunehmen, durch unsere Untersuchung wol bereits hin-
länglich widerlegt. Nicht die auslautsgesetze streiten gegen eine grand-
form * anstajas j sondern die gesetze über den inneren vocalismus. Wer
nicht die ezistenz eines eoropäischen e überhaupt a limine abweist, and
ZUR ACCENT- ü. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 1 57
noch einmal darauf hinzuweisen, dass gar kein ersichtlicher
grund vorliegt die got. formen (sowie die des loc-dat. sunau,
anstai) von den skr. kavh, sunös resp. sunä'u {^koüä'i^ dafür
durch tlbertragung kavSfu), zend. patöts, paceus, khratdo, vanhäu,
altpers. Bäbirauv, lit. akes, äkei, sunaüs, ksl. pqii, synu etc. zu
trennen, da diese formen, auch abgesehen von der vocalquali-
tat, in den einzelsprachen nicht lautgesetzlich aus -avas, -ajas
erklärt werden können. Dass germ. ai in schlusssilben zweisil-
biger Wörter nicht bleiben könne, sollte man doch endlich auf-
hören zu behaupten: denn einen andern grund dafür als die
hergebrachte gewohnheit dieser behauptung gibt es schwerlich;
4) ob für die 2. dual -as oder -es anzusetzen ist, und wann
der vocal syncopiert wurde, lassen die got formen auf -is
nicht erkennen; 5) über den dat. pl. s. unter i.
Gedecktes europäisches e stand ursprünglich 1) im nom.
pl. der I- und t^- stamme, 2) im nom. pl. der consouantischen
Stämme, 3) in der 1. pl. ind. praes. der verba. Da europ. e
ausserhalb der wurzel stets umlaut wirkt, ausser wo es wie
im imp. wahrscheinlich bereits in germanischer zeit syncopiert
wurde (vgl. altn. fostr, yxn, febr, doeir = *ßiiz, ^ohmiz,
^fatSriz, * dohiriz, vgl. dohtriR auf dem stein von Tuuc), so ist
auch hier überall bereits germanisches i anzusetzen.^) Dadurch
bekommen wir für 1) die gvwxüMovm^xi* anstijiz,* suniviz, daraus
entstand die germ. form *anst%z (wahrscheinlich durch frühe
contraction wie "^nazi, got. nasei , aus *naziji) = got ansteis,
altn. ästir, westg. *ans(i, ahd. ensti etc. 2) Ob got sunjiis be-
reits als germ. form anzusetzen ist, bleibt zweifelhaft; altn.
synir lässt sich wahrscheinlich nicht lautlich damit verbinden,
die analogie der kurzsilbigen /a- stamme Hesse dafür "^synr
erwarten, vgl. z. b. dynr = germ. *duiy9Zy obwol sich wie
wir sahen das u im nordischen länger gehalten zu haben
das wird ja auch doch B. nicht wollen, kann logischer weise gar nicht
eine germ. grnndform -ajaSy sondern nur -ejas, -ijas ansetzen.
0 Ueberhaupt kann man wol die regel aufstellen, dass alle europ. e
ausserhalb der Wurzelsilbe germ. zu t geworden waren.
<) Von einem schwinden des letzten t und nachhcriger contraction
des ersten t mit dem aus j entstehenden kann man physiologisch nicht
wol sprechen, das j als contractionsfähiger laut in solcher lautnmgebung
ist eine rein fictive grosse.
158 SIE VERS
scheint als dasa; man müste ein Wirkung der langsilbigen wie
vellir aus *velliiiz annehmen, oder glauben dass germ. auch
* suniuz noch dreisilbig gewesen und im got tu ohne rücksicht
auf die quantität zu ßi geworden sei, wie in harja, hairdja,
nasja, sdkja etc. ^)
Hier muss also die sache unentschieden bleiben. Ein
sichereres resultat gibt der zweite fall ; got. hanans für * hana-
nez, 'iz ; vergleicht man hiermit alts. ahd. hanun, -on, ags. honan
in ihrem gegensatz zu got. piudans, alts. thiodan, ags. pedden
für germ. * peubanaz , so wird man mit bestimmtheit auf eine
germ. grundform *hananz geführt, da wie es scheint nur in
germanisch letzter silbe stehendes an westgermanisch zu -an,
-im wird. Ältn. hanar ist dabei auszuschliessen als neubildung ;
es kann weder = germ. *hananiz noch = germ. *hananz
sein, da ersteres *hanann, letzteres *hana ergeben hätte, was
als accusativform vorliegt Die n^- stamme müssen dagegen
das / länger gehalten haben, vgl. altn. gefendr zu gefaixdi, aus
* geSandiz. ^)
Was den dritten fall anlangt, so scheint die Übereinstim-
mung der germ. sprachen in der abwerfung des -^, das doch
allem ermessen nach einmal vorhanden war, die gemeinschaft-
lichkeit der gekürzten form wie yiemam aus *nemamiz, ^nemamz
zu verbürgen, die ebenso wie die dat. pl. zu beurteilen sein
0 Der Übergang von iuz zu ir wird für das nordische als möglich
bewiesen durch eyrir^ das doch wol = lat. aureus ist (als lehnwort).
Möglicherweise bestanden wirklich einmal düppelformen der u-declina-
tion^ von denen die kürzeren gelegentlich übertritt zur cons. doclination
veranlassten (altn. hendr = got. handjus). MerkwUidig stimmt altn.
drynr f. pl. zu got. drunjus\ steht es für *drunjiviZy ^drunimz, * drun-
juz, oder ist einfach die singularform fälschlich als pl. gefasst?
^) Die betreftenden casus der verwantschaftsnamcn gehören nicht
hierher, sondern zu den zweisilbigen, weil überall die kürzesten saffix-
formen durchgeführt sind; so staht der altn. dat. sg. fetSr für ^/Vid'rt (so
auch ags. brSper etc. für ^hrd'Jyri), der gleichlautende nom, pl. ftlr
* fatSriZy denn *fatiiriz oder dgl. hätte * fehirr und ähnliche formen er-
geben; nur der acc. sg. zeigt noch starke suffixform; fotiur weist auf
* fat5aru{m) d. h. *faMrm mit m sonans (wie z. b. gpmul für *gatnalu
steht). Diese form hat allmählich den dat. und noch frUher den gen.
(dessen eigentliche form *fat5rs aus *fat5räs wäre) verdrängt, vgl. Wimmer
§ 61. Die nebenform -fotir wie in Allfgtir geht möglicherweise auf einen
acc. mit schwacher suffixform, * fatirüm aus *fatirm zurück.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 159
dürfte (ob auf den abfall des s in ältester zeit die analogio
des opt. und praet. einwirkte, lasse ich dahingestellt), dabei
fällt allerdings die abweichende behaudlung des -atn im ahd.
auf (altn. nemum wie dggum, aber ahd. 7iemam : taguni).
Gedecktes indog. i stand in den nom. sg. mehrsilbiger i-
stämme, wie daupini-s, got. daupeins etc. Die analogie der
mehrsilbigen a- und i^- stumme macht es wahrscheinlich, dass
imter dem einflusse des systemzvvanges die / in die einzel-
sprachen übernommen wurden. — Sodann gehört hierher der
germanische dat. pl., den mau gemeinhin wol dem skr. dat.
auf 'bhyas gleichstellt Wenn die gleichsetzung des hh und m
zuträfe, so könnte doch die ganze endung -jas oder -ias nicht
abgefallen sein; der ausfall desy, den man eventuell statuieren
müste, wäre schwer zu erklären, er fände höchstens in der
behaudlung der -asja im gen. sg. ein zweifelhaftes analogen;
got. dagam etc. ist mit Zimmer 9, ostg. und westg. 8 f. als Ver-
treter von * dagamiz zu betrachten, der form des Instrumentalis.
Man vergleiche die 1. pl. des verbums, die doch ebenfalls -miz,
wenn auch mit secundärem i, als endung voraussetzt. Bei ein-
silbigem stamm sollte freilich die endung -iz länger geblieben
sein, und ich glaube sie ist es, vgl. nord. iveimif), primr ; dass
sie speciell i enthielt, glaube ich aus den Sig»,pcem, ttvcbm für
*paimiz, *twaimiz folgern zu mtlssen, welche formen dem
älteren ags. fast ausschliesslich eigen sind; erst später treten
unter dem einflusse von pä, pära (d. h. beim artikel nom. gen.
und acc. aller geschlechter des plurals) und twä die nicht um-
gelauteten formen päm, twäm auf. In den übrigen fällen muss
die masse der mehrsilbigen die wenigen zweisilbigen formen
überwältigt haben (wie beim verbum dorn = ahd. tuom für
*dd'miz'i, doch fehlen dafür entscheidende belege).
Was endlich die Vertretung von auslautender nasalis
sonans mehrsilbiger betrifft, so ist darüber schwer ein festes
0 Vorausgesetzt Dämlich, dass Zimmer mit den Worten ^dem dat.
pl. mis entspricht' etc. wirklich die eigentliche instrumentulendung, und
nicht ein nach Scherers ansieht, z. GDS. 277, durch -bjis aus dem dativ-
Suffix hei*yorgegangenes -mis meint. Wozu man diesen lautgesetzlich
höchst problematischen um weg über den dat. machen soll, wenn die
lautlich correct entsprechende form sonst als gut indogermanisch bezeugt
ist, sehe ich nicht ein.
160 SIEVERS
urteil zu gewinnen: fobur etc., die kaum etwas anderes als die
eigentlichen accusativformen sein können, weisen wie bemerkt
wol auf /aftdrw(m) mit erhaltenem w, das später getilgt wurde
(auch im gotischen, gegen das beispiel der abstracta auf -tdus^
-assus). Aber für got. hanayi trifft diese deutung nicht zu
wegen altn. hana, da ein *h(mmium zu ^honu(n) geführt hätte.
Darf man vielleicht daran denken, dass sich aus *hananm zu-
nächst Qm^hanänn entwickelt hätte, dessen doppel-n die syn-
cope des a verhinderte?
Das gesammtresultat der Untersuchung lässt sich nun in
folgende sätze zusammenfassen:
1) Ein vocalisches auslautsgesetz in dem sinne und um-
fange wie es Westphal und Scherer angenommen haben, d. h.
ein allgemeines gesetz für gemeingermanische syncope kurzer
vocale in schlusssilben, besteht nicht
2) Wie es von anderer seite bereits nachgewiesen ist, dass
alle indog. längen in schlusssilben in den germanischen einzel-
sprachen noch bestanden, so wurde oben zu zeigen versucht,
dass diese auch noch im besitze der ursprünglichen kürzen
gewesen seien.
3) Ausgenommen hiervon sind bei zweisilbigen Wörtern
gewisse ursprünglich auslautende kürzen, so das a oder e der
1. pl. perf., des imperativs, vielleicht das / der 2. und 3. sg.
ind. der wurzeln dhä und as\ bei drei- und mehrsilbigen Wör-
tern die ursprünglich auslautenden und die durch nicht mehr
als äinen consonanten gedeckten kürzen, wo nicht die macht
der das flexionssystem regulierenden analogie längere conser-
vierung veranlasste. Diese conservierung tritt namentlich in
der declination der vocalischen stamme hervor, weil wesentlich
auf den ^ndvocalen die Unterscheidung der casus beruhte; da-
gegen trat bei einem teile der consonantischen stamme, den
n- Stämmen, die Stammabstufung des sufSxes noch als ein
Unterscheidungsmerkmal der casus hervor, und die Wirkung
der lautgesetze überwog. — Es ist nicht unwichtig zu betonen,
dass in der tat die gemeinschaftliche syncopierung in mehr-
silbigen Wörtern weiter gegangen ist als in zweisilbigen (Braune,
Beitr. II, s. 162 ff.; Zimmer, ostg. und westg. s. 26 f.).
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 161
4) An die stelle des allgemeiuen syncopierungsgesetzes
tritt eine reihe von specialgesetzeu. Vor allem zweigen sich
wider die westgermanischen sprachen von den ostgermanischen,
richtiger vielleicht vom nordischen ab. Bei der syncopierung
spielt die Quantität der Stammsilben die wichtigste rolle, genau
entsprechend dem einflusse, den dieselbe bei der syncope
innerer unbetonter vocale hat. Der gegensatz zwischen nor-'
disch und westgermanisch besteht darin, dass das erstere den
vocal nach langer silbe länger bestehen lässt^ das zweite ihn'
nach einer kUrze besser consert^iert. ;
5) Das übereintreffen der westgermanischen sprachen im'
factischen der syncopierung beweist nicht, dass diese gemein-
schaftlich vollzogen wurde (s. HO); vielmehr kann nur ein ge-
meinschaftliches treibendes princip angenommen werden, das
aus gleichen physiologischen grundlagen gleiche resultate er-
zielte. Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir dieses princip
in einer bestimmten weise der accentnierung suchen, da von
dem verschiedenen accentgewicht einer silbe deren relative
neignng zur Schwächung abhängt. Da das westgerm. princip
sich in widerstreit befindet mit der als gemeingermanisch fest-
stehenden scheidul}g des suftixes ja in ja und ia, so ergibt
sich, dass dasselbe gegenüber dem durch das nordische ver-
tretenen als das jüngere betrachtet werden muss.
6) Zwischen der westgerm. syncope nach langer silbe und
der stärkeren germ. neigung zur syncope in dritter und vierter
silbe als in zweiter muss doch wol ein ursächlicher Zusammen-
hang angenommen werden. Von diesem Standpunkt aus muss
die erklärung des phänomens versucht werden; und hierzu
will ich wenigstens zum Schlüsse noch eine andeutung geben.
Das beispiel vornehmlich des ahd. mit seiner diphthongierung
der ^, b zu ea, oa etc. zeigt deutlich an, dass circumflectie-
rende betonung bestand (Lautphys. 131). Auf denselben
factor muss auch die westgermanische gemination
vory, TV, r, l zurückgeführt werden; bei einer positions-
langen silbe wie akja, alja kann eben circumflectierende be-
tonung nur so angebracht werden, dass der zweite teil des
accentes in den eingang des auf den vocal folgenden conso-
nanten fällt, und diesen selbst verlängert; der ausgang des
consonanten aber wird nach wie vor zur folgenden silbe ge-
Beitrlf« lar getohlohU der deotfohen tpraohe. V. \\
1 02 SIEVERS
zogen, und ro entsteht der eindruck der geminata (Lautphys.
98 ff,). Da das ostgermanische an diesen erscheiuungen keinen
anteil hat, so dürfen wir den circuniflex wol als einen wesent-
lichen bestandteil der jüngeren westgermanischen accentuierungs-
weise betrachten. Da der circumflex nur auf langen silben
erscheinen kann, so gewinnen wir folgende parallelen zwischen
der westgermanischen und der germanischen syucopierung (ich
bezeichne unbetonte silben durch ", den eintritt eines neuen
accentes durch I ).
winlz I , Bunüz | =: Jiizi\Sk,
fdtiz I d. h. f6öttz I ( ...... K .,x Ti^'
flödüz I , d. h. flöödüz |} = ^^""^1^^ ^- ^- ^^^^^\^^'
nemämiz | , bindamiz | , d4gamlz | = ahd. hnäffazTjta.
Als gemeinschaftliches rcsultat der entwickelungsreihe er-
gibt sich dadurch, dass der durch eine unbetonte silbe oder
ein analogon derselben vom hochton (acut) getrennte vocal
föllt, der unmittelber nach dem hochton (acut) stehende bleibt
Dass die syncope in zweisilbigen Wörtern mit langer Stamm-
silbe (und ebenso die in ähnlichen dreisilbigen Wörtern mit
nebenaccent auf der dritten) erst später auftritt als die in ur-
sprünglich dreisilbigen, ist durch den relativ späten eintritt des
circumflexes der Stammsilben bedingt. Auch die entwickelung
der viersilbigen Wörter beui-teilt sich leicht von diesen gesichts-
punkten aus, die wenigstens eine möglichkeit andeuten, die
masse der syncopierungserscheinungen einem einheitlichen prin-
cip unterzuordnen, wenn ich auch gern zugebe, dass die theo-
retische erörterung noch viel zweifelhaftes im Zusammenhang
zu erwägen haben wird, ehe man mit grösserer Zuversicht
hierüber ein bleibendes urteil wird fällen können. Das factische
dieser erscheinungen aber hoffe ich in seinen wesentlichsten
Zügen ausser zweifei gestellt zu haben.
NACHTRAG.
Als ich die vorstehenden ausführungen niederschrieb, war
mir entgangen, dass sich aus dem von Thomsen gesammelten
materiale germanischer lehnwörter in den finnisch - lappischen
sprachen noch einige weitere bestätigungen für die vorgetra-
genen aufstellungen gewinnen lassen. So erweist sich z. b.
ZUR ACCENT- U. LAUTLEHRE DER GERM. SPRACHEN. 163
Altn, styrr ausser durch seiue lautform (umlaut, 8.114) auch durch
die vergleich ung von lapp.sturje als alter ya - stamm, Thomsen
8. 93. Zu 8. 128 aum. sind läpp. avjCy duögje =^ got. havi, tdui
nachzutragen; auch diese sind nur auf eine germ. nominativ-
form *hatga, *i6{v)fa zurückzuführen. Sodann aber zeigt sich
der oben theoretisch angesetzte unterschied der suffixe ja und
ia tatsächlich in den lehnwörtem; vgl. finn. agjo = altn. egg,
finn. patja = altn. bebr, finn. teljo = altn. pilja, finn, varjo
= altn. verja, finn. viija = altn. viö, läpp, sivjug = altn. sif-
jungr, läpp, siurje = altn. siyrr\ aber finn. autia = got aups^
hariio = altn. herbar, finn. kallio = altn. hella, finn. kaliio =
altn. kelda, finn. kammio = altn. skemma, finn. lantio = altn.
iend, finn. tunkio = altn. dyngja, finn. vartia ^^ got. vardja]
nach vocalen erscheint natürlich y.- läpp, avje = altn. ä^,
läpp, dtwgje = got, ^dwi, läpp, uvje == altn. ä^; freilich heisst
es auch ausnahmsweise finn. akkio = altn. ekja (von Thomsen
8. 129 nicht als sichere vergleich ung angesehen), lattiOy laattia
= altn. flet, und kirkko = altn. kirkja, Thomsen folgert
hieraus selbst s. 93 anm. 2 bereits vermutungsweise, ^dass
vielleicht der unterschied im germanischen einmal ein ähn-
licher gewesen sei wie im finnischen, nämlich dass der stamm-
auslaut nur nach einer kurzen Wurzelsilbe -ja- war, sonst aber
-la-.' Hiernach scheint es allerdings, als ob die betreffende
Scheidung im finnischen nicht volle beweiskraft habe, da sie
eventuell durch speciell finnische lautgesetze erklärt werden
kann; aber im Zusammenhang wird man doch das argument
mit herbeiziehen dürfen. Vielleicht darf man auf die aus-
nähme kirkko == altn. kirkja gewicht legen. Dies wort mnss
ja relativ spät entlehnt sein; damals war vielleicht kir/g'a be-
reits zweisilbig , und das j fiel nach langer Stammsilbe resp.
nach zwei consonanten aus , da das finnische ein j in solcher
Stellung nicht duldet Wenn diese Vermutung richtig ist, so
gewinnen natürlich die wirklich alten entlehnungen erhöhte
bedeutung.
JENA. E. SIEVERS.
ir
ZUR METRIK DES HELIAND.
Jjie nachstehenden bemerkuugen zur metrik des Heliaud
sind ausschnitte aus einer umfönglicheren, bereits vor dem er-
scheinen der Untersuchungen Kiegers (alt- und angelsächsische
verskunst, Halle 1876 = Zs. f. deutsche phil. VII, 1 flf.) unter-
nommenen arbeit y die im wesentlichen in ihren resultaten mit
denen Riegers übereinstimmte, dessen grundanschauung der
Verfasser auch für die einzige das wesen der alliterations-
diehtung richtig erfassende anerkennen muss. Nur in einigen
punkten glaubte der Verfasser den aufstellungen Riegers oder
seiner Vorgänger nicht beitreten oder sie erweitem zu können,
und insofern mögen die folgenden mitteilungen aus der sonst
überflüssig gewordenen arbeit gerechtfertigt sein.
I. Abweichungen vom grundschema.
Der alliterierende vers besteht, wie jetzt wol allgemein
zugegeben wird, aus vier stabwörtern (d.h. gehobenen Wör-
tern, welche den logischen accent tragen) und deren füllungen.
Drei der stabwörter werden gewöhnlich durch die alliteration
gebunden. Diese zahl kann nicht überschritten, wol aber auf
zwei verringert werden (im Heliand habe ich z. b. auf die
5985 Zeilen der Heyneschen Zählung 3621 mit drei und 2364
mit zwei reimstäben gefunden). Das dritte stabwort, d. h. das
erste des zweiten halbverses, ist hauptstab, als grundschema
der alliterierenden langzeile ergibt sich also, wenn wir die
Stabwörter durch — bezeichnen , » <?> | « || . Die zur aus-
füllung dieses Schemas hinzutretenden flillsilben sind, und ick
glaube diesen satz besonders betonen zu müssen^ für den vers,
namentlich auch bezüglich der alliteration, absolut gleichgültig,
HÖRN — ZUK METRIK DES HEU AND. 165
nur dass ihre zahl und der oi-t ihres erscheinens gewissen be-
schränkenden regeln unterliegt.
Rieger s. 4 flf. und Vetter , zum Muspilli und zur germ.
allitcrationspoesie, Wien 1872, s. 52 nehmen zunächst eine Stei-
gerung des grundschemas an, indem sie behaupten, dass auch
die zweite hebung des zweiten halbrerses am Stabreim teil-
nehmen dürfe, aber nur mittelst eines zweiten reimes, der in
der einen mit dem hauptstab nicht reimenden hebung des
ersten halbverses widerklingt. Als erstes Schema dieser 'über-
schlagenden reime' finden wir ^ 1 | « 1 || , z. b.:
Beow. 1 hwaet wd ^eär^ena | in ^eär^agum
Hei. 41 himii endi ^rtha | endi al that sea biAlidan ^gun
58 Aelmgi/rosteon | sätoD iro heritogou.
Rieger will solcher beispiele im ßeowulf auf 3183 verse einige
sechszig, in der Genesis auf 2935 verse einige dreissig, in der
Judith auf 350 verse 8 gezählt haben. Im Heliand habe ich
auf die nahezu 6000 verse dieser fälle 60 gefunden, also etwa
ebensoviel als in dem fast um die hälfte kürzeren Beowulf.
Es sind, ausser den beiden bereits genannten die folgenden ') :
t63 ^elbo giMuirkean | ef hie ^5 uueldi
182 nahor mikiln | uuas im niud mikil
227 that hie uuord ^odes | tiuendan biginnc
335 all te ^uldi ^odes | ^§lagna ^est
481 ^erno ^iddean | nü ik aus gi^amolod Mon
686 muodagna cnDing | thuo uuarth morgan niinan
756 an A'gypto /and | erlös a/8ddun
1058 farütar manennnies uuiht \ mahtig uukri
1068 ni mugun eldiu 6arn | ^nuualdes ^rödes
1079 that hie umbi is craft mikil | costön mösti
1198 ^area medmos | endi uuart im üses ^rohtines man
1379 nnirthit aWon (hsLU \ trmin Miodon
1697 that hie t^nreht gimet | <$5ron manne
1725 thia iuuaa Aelag uuord \ ^örean ni t/t/illiat
1785 an that ^uuiga lif \ erlös /ßdie
1819 an ^ande uuili \ ^elihüs MMirkean
1917 thia aueliiat allero ^ago gi^uilikes | te ^rohtine ^nigan
ferner 1929. 2072. 2073. 2099. 2278. 2287. 2388. 2490. 2532.
2598. 2758. 2829. 2868. 2912. 3150. 3189. 3244. 3260. 3269.
') Ich eitlere nach der ausgäbe von Sievers, deren aushängebogen
mir bereits während des druckcs zu geböte 8ta.nden, und zwar um der
äusseren gleichmäs&igkeit willen in der regel nach dem Cott.
166 HOBN
3412. 3422. 3520. 3655. 3692. 3907. 3993. 4085. 4099. 4157.
4639. 4898. 4905. 5009. 5234. 5236. 5462. 5770. 5821.
Schon die geringe zahl der fälle legt die Vermutung nahe,
dass die ganze sache nur auf einem zufall beruhe und dass
vom dichter diese form niemals mit bewustsein angewant
wurde. Als eigentliche kunstform kann sie zudem kaum je-
mals recht aufgefasst worden sein, da sie vollkommen gegen
das wesen der alliteration verstösst. Im alliterierenden vers
gibt das dritte stabwort die entscheidung, der vierte stab wird
ja daneben sonst auch nie hervorgehoben, er steht immer ohne
alliteration. Warum soll ungleiche alliteration aller vier stäbe
gestattet sein, aber niemals gleiche? Ausserdem finden wir
an vierter stelle des verses vielfach Wörter, die ganz ohne
logisches gewicht sind. Man vgl. nur die oben gegebenen bei-
spiele, oder aus den beispielen bei Vetter:
Musp. 94 dar nist eo so fistic man | der dar iouuiht ar^ugan megi
Hild. 9 /t>h^m woTtum \ haer sin /ater wkn
7 J^iltibraht gimahalta | her was Aeroro man ,
24 /ateres mtnes | dat was sd /rinntlaos man.
Wir finden hier, wie man sieht, zum teil formelhafte Verbin-
dungen, die logisch und grammatisch so zu sagen nur ein
wort bilden und, wie sich weiter unten ergeben wird, auch
metrisch die geltung nur öines wertes haben (vgl. z. b. an uuas
im anst godes | Hei. 784, gi^iodan 6arn godes | ib. 895).
Noch bedenklicher erscheint mir die annähme eines
Schemas A iL ( _*»_ A durch Vetter und Rieger. Letzterer hat im
Beowulf 18 derartige fälle gefunden, z.b.:
2976 ac he Aine ^ewyrpte \ peih pQ him wund hrine
2982 p'X w^TOik monige | \>e his m^^ writSon,
Im Ueliand sind es solcher falle im ganzen 11, nämlich:
146 than f/tiarnn uuit nü at^anine | antfibunta MMintro
308 so Auilik so thär an tinreht | tdis giAtanada
573 huand im Aabda for^nnan | Audio Acrro
594 huann 6r sea gi^äuuin t/stana | tipp sithiön
719 Nidssa that sia im that <)rnndi | ^ft ni titieldun
1075 thuo bi^an oft ninsön | endi naher ^cng
2253 te Auf sind gt sd /orhta | nis iu noh /ast hngi
2573 /aton it thär Aälöian | Aeta /dgna
2726 utnssun ina so ^nodan | endi ^ode uuerthan
ZUR METRIK DES HELIAND. 167
3815 sia f/Moldun that hie it ant^tiäthi | than mohta hie thoh
ant/rennian uuel
3827 sia qmthnn that it uukn \ t/Merold/resares.*)
Hier gilt noch in verstärktem masse was soeben flber das
Schema ± * j il. * bemerkt wurde. Es wird sich zudem zeigen, dass
alle diese falle sich leicht einer unten zu behandelnden kate-
gorie unterordnen; man muss nämlich in diesem falle nur 6in
Stab wort im ersten halbvers annehmen; fällt somit das angeb-
lich erste stabwort aus der reihe der stab Wörter aus, so ist
nach dem vorangestellten satze von der gleichgültigkeit alles
ausserhalb derselben stehenden für die alliteration , der aus-
schluss des Schemas «» « | « «» selbstverständlich.
Als weitere abweichung von dem grundschema wird von
Vetter und Rieger die erscheinung aufgefasst, dass der haupt-
stab an letzter stelle des verses steht. Rieger s. 5 for-
muliert die regel so: 'statt der ersten allitericii; die zweite
hebung des zweiten halbverses*, Vetter s. 46 sagt: 'hauptstab
ist der dritte reimstab des verspaares, ausnahmsweise, wenn
jener nicht reimt, der vierte''^). Im Beowulf hat Rieger keinen
solchen fall gefunden, im Heiland emendiert er einige stellen,
andere sind bereits von Grein, Germ. XI, 209 flf. und Sievers,
Haupts zs. XIX, 49 flf. geändert. Die hauptmenge der schein-
bar hierher gehörigen fälle aus dem Heliand übergeht Rieger,
wol weil er sich in bezug darauf der ansieht von Schmeller
und Sievers (a. a. o. s. 46 anm.) anschliesst, welche diese fälle
bereits teilweise erwähnt haben. Der letztere hat darauf hin-
gewiesen, dass die Wörter, welche in der eigenschaft von reim-
stäben an dieser stelle des verses stehen, nicht nur dreisilbig,
sondern von der form ^ sein müssen. (Zu seinen bei-
spielen kommen noch hinzu Bethaniu, -ia 4188. 5972, gadulingas
3171, hedröragan 5510, löhannes 2774, säligna 587, sudröslun
1215, herösten 2883, uuisdstun 4467, sldpandia 4797, henginna
5167.) Ueberblickt man die stellen im zusammenhange, so er-
gibt sich sehr häufig der fall, dass dem dreisilbigen stabwort
*) Rieger führt unter den beispielcn auch 941 an: sd mikilu is hie
hetera than ik \ nis ihes bodo gimaco ; hier ist aber wol hetera als erstes
und ik als zweites stabwort zu fassen.
^) Soll wol heissen ' stab ', da von einem vierten reimstab nicht die
rede sein kann.
168 HÖRN
ganz gewichtslose wörtchen, wie partikeln u. dgl. vorausgehen,
die doch unmöglich als Vertreter des hauptstabes angesehen
werden können; so that unirsista 2058, te herdsten 2883, an
Beihaniu 5972, oder auch thd iyia Satmiases 2273, uuit5 s6 craf-
tigna 3130, that um so thurftiges 2304 u.dgl. Wie soll man
sich solche halbverse vorgetragen denken? lieber die Schwie-
rigkeit, ein wörtchen wie that oder te als stabwort gebührend
hervorzuheben, helfen gewis die discretesten mittel des Vor-
trages nicht hinweg. Hält man diese bedenken zusammen mit
der consequenz, welche der dichter in der benutzung nur drei-
silbiger Worte von bestimmter form oder mehrsilbiger zeigt,
so kann man nicht anders als Schmeller zustimmen, welcher
das dreisilbige etc. wort als drittes stabwort, also als regel-
rechten hauptstab betrachtete. Dann erklärt sich auch jene
beschränkung bezüglich der länge der verwendbaren Wörter.
Das wort muss voll ausklingen, den fehlenden vierten stab
durch längeres aushalten ersetzen können, damit dem verse
sein recht geschehe.
Ueber die stellen, an denen ein kürzeres wort als einziges
stabwort des zweiten halbverses im Heliand zu stehen scheint,
gehe ich hinweg, da ich zu dem was Grein, Rieger und öievers
dazu bemerkt haben, nichts positives hinzuzufügen habe, um
noch mit einem werte auf Vetters annähme einzugehen , dass
im ahd. alliterierenden verse auch zweisilbiges 'viertes* stab-
wort als hauptstab genüge. Wie wir unten öfehen werden, ent-
halten die ahd. dichtungen in bezug auf alliterations- und be-
tonungsgesetze viele ausnahmen , im vergleich zum ags. und
alts. fehler. So gerade auch z. b. die beispiele , welche Vetter
aus Musp. und Uild. anführt, so Musp. 16 thär tust neoman
siuh II (was Müllenhoif durch die Umstellung zu siuh neoman
ändert, bei der die ungewöhnlichkeit der Wortstellung anstoss
erregt); ebenso Musp. 58. 59, wo allaz die alliteration tragen
müste; desgl. Hild. 40. 60. Diese beispiele können also für
die beurteilung des ursprünglichen Versbaues gar nicht in be-
tracht kommen, sie sind nur als anzeichen einer verfallenden
kunst zu betrachten.
Vetter bemerkt ausserdem s. 49, dass in der mehrzahl
der fälle, wo nach ihm der vierte stab hauptstab ist^ der erste
halbvers zwei reime habe, weil der mangelnde anfang des
ZUR METRIK DES HELIAND. 169
zweiten halbverses eine desto grössere Vollständigkeit des
ersten hätte erwtinschen lassen. Zwingend ist aber diese regel,
wenn man sie überhaupt so nennen darf, nicht. Unter den
48 fällen, die im Heliand vorkommen, habe ich 12 gefunden,
welche dieser bedingung nicht entsprechen.
Wenn wir nun den ersten halbvers von den hier ge-
gebenen gesichtspunkten aus prüfen, so ergibt sich eine reihe
augenfälliger Übereinstimmungen, die man bisher unbeachtet
gelassen hat. Auch hier kommt in vielen fällen der erste und
einzige reimstab an das ende des halbverses zu stehen. Die
gewöhnliche ansieht hierüber ist (vgl. Vetter s. 30), dass in
diesen fällen noch ein wenn auch untergeordnetes stabwort
vorhergehe: 'nicht nur hülfsverba, sondern auch blosse form-
wörter, aber sehr selten.* Wie es mit dieser Seltenheit steht,
davon nachher, es liegt auch ausserdem ein Widerspruch in
diesen werten. Stabwörter können eben unbetonte Wörter nicht
sein. Entweder ist ein einem stabwoi-t vorausgehendes wort
betont, und dann muss es nach der allgemeinen regel allite-
rieren (Rieger s. 18 ff.), oder es ist unbetont, dann ist es nicht
Stabwort und alliteriert selbstverständlich nicht; ein drittes
gibt es nicht. Sollten nun erste halbverse mit nur öinem stab-
worte undenkbar sein, wenn für den im allgemeinen viel
strenger gebauten zweiten halbvers diese ausnähme gestattet
ist? Ich glaube, nein. Es wird dies urteil bedeutend an
nachdruck gewinnen, wenn man die einzelnen beispicle von
Vetter ins äuge fasst. Da sollen ahd. sea, enti, vona, alts.
under,jak^ that , ihea, an, ina, is, te etc. als stabwörter er-
scheinen an einer stelle des verses, die sonst dem höchstbe-
tonten, notwendig alliterierenden ersten stabwort vorbehalten
ist, und es sind alles Wörter ohne eigenen accent.^) Alles dies
ist nicht glaublich. Endlich lassen sich auch, wie ich meine,
zum beweise dafür, dass wir es, wie beim zweiten halbvers
so auch hier, mit dem bewusten mangel eines stabwortes zu
tun haben, bestimmte regeln für diese erscheinung fixieren,
wenn dieselben auch, wie an sich natürlich ist, nicht dieselbe
strenge zeigen wie die für den ausgang der langzeile.
*) Die einzige ansnabrae des natürlichen betoniingsgeBetzcs im Hei.
ist 235 thuo narn hie thia huok an hand \ endi an is huge thähta.
170 HÖRN
1) Zunächst sind viersilbige Wörter ohne weiteres ge-
stattet; wir finden im Heiland z. b. that sia ina te Hierusaiem
452; that thär te U. 788; thär te H. 791, thatmi fan H, 893,
that hie an IL 1081, fayi {an) H, 4016. 4126; thär te Bethania
951; Wider Israheles 2126, that uuas Satanase 5435, huilik that
so mahtigoro M (tnahtigro C) 2262, an farlegarnisse 3843. 3852,
that hie im thero costöndero 4741, an them paradyse 5606; an
flinfsilbigen fand ich hiet ök Bartholomeus{e) 1270^ that sia than
evangelium 12 (oder evangeljum zu lesen?).
2) Auch das Schema _ ^ y ist sehr häufig; ich hebe dar-
aus zunächst hervor die flectierten Infinitive mit te: te giful-
lia)ine 976, te githiononne 1188, te antfähaime 1467, ge te seg-
gianne 1838, te gihörienne 2377. 4027. 5830, te bidenüenne
2433, te githenkeamie 2531, te giuuimunDie 1023. 3407, te bim-
danne 3803. 4687, te gifrummienne 3903, te astatidoftne 4055,
sd thik te spildeanne 5346, te adelianne 4291 (dazu kommt mit
kurzer erster silbe te githoHanne 5531). Bei diesen wird man
am wenigsten geneigt sein, dem te die geltung eines stab-
wortes einzuräumen; man sieht deutlich, dass es lediglich zur
fiillung des verses dient. ^) Von anderen halbversausgängen
führe ich noch an:
a) Schema ^ uuarun so gihöriga 82, so ik tm&niti that
ina th gegnungo 213, scal thi fan them hohöston 278, an them
höhoston 419, allero spAhoston 613, that man is näistofi 1448,
that is mendislo 402, aftar themu dopislea 1025, that siu bia so
heiagna M {helagiico C) 448, huilic sia äruyidi 553, hiet that sia
that drundi 638, mdssa that sia im that ärundi 719, hiet that
Hut im folgodin 596, thär an Egypti 768, that hie thär te Jösepe
769, thaji uuas im Johannes 859, an thero uuostinniu 864, that
M EiDcn interessanten beleg für die notwendigkeit solcher fUllung
bilden die mehrfach in ähnlicher Stellung erscheinenden adverbien auf
'Iko, die als composita natürlich beide stabsilben in sich vereinigen
können. Viersilbige adverbia der art können allein einen halbvers bil-
den: hilagUco 328 (so nach Sievcrs). h^Uy säligilco 2I5S, hriuuigüco 3690.
474S (ebenso im zweiten halbvers firiumtUco 815. 2771. 2839. 3553. 5276,
säligVico 48, ardidüco 3462), aber dreisilbige bekommen stets ein füllendes
suUho : suUho spähtico 238, suUho niudVtco 353, suttho uuärtico 398,
suUho uuerthüco 417, smtho hardttco 640 etc. — Zur fiillung dient wol
anch das gi der oben genannten Infinitive: sobald ausser te noch eine
zweite fUlIsilbe hinzutritt, fehlt es.
ZUR METRIK DES HELIAND. 171
sia mid fastunniu 876, tm Sna iiuostinnea 1026, an fasiunnea
1053, ihat gi so libbeandi 1013, uuas im ih&r an thero enodi,
that ina higan hi thero menniski 1060, uuas im ambahteo 1193f
tliat sia üses drohdnes 1229 u. 8. f.
b) Schema — ^^ y_ that sea habda giocaria 294, thia fan them
kisure 351, so quathe that ostana 589, huann er sea gisduuin
ostana 594, ira seWaro 877, iuuar seWaro 850. 884, is engilon
1087 (zweifelhaft Elias 920, Lazarus 3390 il ä.) u. s, f. Diese
form ist wie man sieht seltener als die vorige, ob durch zufall
oder durch absieht?
3) Das Schema ^ ^ ^ ist abermals seltener als die bei-
den vorigen, doch findet es sich immerhin an einer ziemlichen
reihe von stellen, die ich diesmal durch das ganze gedieht hin
belege: undar theru menigi 10. 4468, that sia im thär an thero
m. 1224, undar thesaro m. 5194, quat that hie thesaro uueroldes
585, samnod in an himile 1647, uuithar ihiu ti gebanne 1794,
ni cumad thia älla te himile 1915, siu uuas iru uuiduuua 2187,
hi huilicon bilithon 2415, them dt5ron scal man he hilithon 2438,
ac uuerthat thär so farlorana 2450, l&ton it thär halöian 2573,
lätit thia forgriponun 2639, so uuas it 6c them cuninge 2778,
that hie ina thuo gineridi 2949, te hui hie thuo gituehodi 2953,
that hie than gimanodi 3189, habdun im farseuuana 5746, thuo
uuurthun thär giscerida 5763 u. a, m.
4) Das Schema _ ^ und ^ ^ erscheint unter allen am
häufigsten, das letztere allerdings nur an einer verhältnismässig
kleinen zahl von stellen, ohne dass man es aber deswegen an-
zufechten brauchte. Belege:
a) Schema _ ~ that sea fan Kristes 34, huand hie simhlon
gemo 11^ so scolda hie at them uuihe 90, hiet that ik thi (höh
sagdi 129, scerida im thtco te uuitie 164, hihui hie thär so lango
176, ni gihu ik that ti räda 226, hud hie sia sd farlieti 303,
that iro an them sithe 369, kiet that im Ihia uuardos 396, hehheat
that te tecne 405, endi them te härme 498, endi an iro hrioston
614, er than hie ina selho 858, nü cumis (hü te minero döpi
971, uuest thü that üs so girisid 975, uuolda is thär lätan costön
1030, mid thinon fbion 1090, endi all sulic odas 1099 u. s. f.
b) Schema ^^ "^ nur that gi sd ni uurecan 1533, so hues
so thü mi bidis 2756, that hie it thi sän fargibit 4038, mid mi
samat 5605, hud sia eft te them grabe 5745.
172 HÖRN
5) Einsilbige Wörter sind in dieser Verwendung nicht ge-
stattet.
Alles in allem mögen diese fälle sich auf etwa 400 — 500
belaufen, während die zweiten halbverse nur etwa 50 mal auf
ein Stabwort beschränkt waren. Es stimmt dies ganz zu der
allgemeinen erfahrung über den strengeren bau der zweiten
vershälfte. — Die beurteilung der fälle im einzelnen ist nicht
ganz leicht. Man wird von vornherein geneigt sein, einem
verbum etwa, das dem reimstab vorausgeht, wie hiet 123. 128,
scerida 164, gif}u 226 etc., geltung als stabwort zuzuschreiben;
aber ich meine, wenn einmal durch andere fälle, z, b, die
flectierten Infinitive mit te, die notwendigkeit gegeben ist, verse
mit nur einem stabworte anzuerkennen, so müssen coneequenter
weise auch die übrigen fälle nach diesem princip beui-teilt
werden. Das ganze gebäude der alliteration durchdringt, wie
Rieger gezeigt hat, das gesetz, den ersten stab der langzeile
alliterieren zu lassen; sollte nun dies gesetz hier so gänzlich
und in so auffälliger weise durchbrochen sein?
Dieselbe erscheinung findet sich übrigens im angelsächsi-
schen ungefähr in gleicher häufigkeit wie im Heliand ; ich habe
z. b. in den ersten 500 versen des Beowulf 33 fälle gefunden ;
der gröste teil der betreffenden Wörter ist auch hier zweisilbig
{(ebelin^as 3, JFylfingvm 461, ^e/rcetwade 96, gecytianne 257,
yldcsta 258, ofeste 386, selestan 416, ^ebcötedon 480, ^eferede
361, ylde 22, cethcpron 28, Icessan 43, dsellon 47, burgum 53,
innan 71, ühtan 126, wisfe 128, ^dda 205. 355, ^ehpre 290,
/'eran 316, ^ddne 347, cüi^e 372, rvordum 388, sec^an 391, ^an^an
395, gel(vrdon 415, forwyme 429, forhic^e 435, fechte ib^^fieder
262. 459).
Ueber einige noch zu erwähnende abweichungen vom
grundschema können wir leicht hinweggehen ; so über die von
Vetter und Rieger (s. 8) constatierte anomalie, dass die zwei
liebungen des zweiten halbverses mit einer des ersten allite-
rieren. Im Heliand liegen, wie Rieger bemerkt, nur zwei wirk-
liche fälle der art vor, nämlich:
3020 undar iro Aerren disee | Anelpös /luerel^at
3691 Mt/e unarth tht, Hierasalcm | that thü te titiaron ni uu^st
Rieger beseitigt auch diese, indem er im ersten verse wert/adf
im zweiten kanst zu lesen vorschlägt; gegen die letztere an-
ZUR MEPRIK DES HELIAND. 173
derung ist einzuwenden, dass te uuäron cunnan c. acc. rei im
Heliand nicht yorkommt, während uuitan ie uuäron eine häufiger
vorkommende formel ist, die so leicht nicht angegriflfen werden
kann. Ich glaube eher, dass diese verse so zu beurteilen sind
wie z. b. manno harnun \ endi so manag mahtiglic 2349; manag
gehört hier zu den adjectiven, welche ihrem nomen vorhergehen
können ohne zu alliterieren; so steht es auch hier an einer
stelle, die nicht den reim zu tragen hat, und der gleiche an-
laut ist also gewis nur zufällig. Auch uuest und hueretat
stehen an einer versstelle, die für die alliteration nicht in be-
tracht kommt. Da diese stelle allerdings mit zu den hervor-
gehobenen des Verses gehört, so ist es begreiflich, dass im all-
gemeinen eine concurrenz des anlautes hier mehr gemieden
wird, als bei den füllsilben, aber für jene zwei verse wird
man doch unbewuste, jedenfalls aber nicht als bestimmte
kunstform beabsichtigte, ausnahmen von der regel anzunehmen
haben.
Ganz dasselbe gilt von der letzten hier zu besprechenden
anomalie: dass alle vier hebungen des verses zusammen alli-
terieren. Hierbei muss ich mich noch in einem nebenpunkte
gegen Rieger wenden, der s. 12 von unsicheren fällen spricht,
die bei anderer betonung nicht unter diese anomalie fallen
würden und dazu verse rechnet wie:
915 them 2^odoD 2^aldlico | ni ^ium ik that ^am godes
1377 ak uuenkit thero uuordo \ than Midrthit im utialdand gram.
Die andere betonung ist nicht 'ebenso gut', sondern vielmehr
die einzig richtige ; denn wie Rieger sonst godes und gram am
ende des zweiten halb verses erklären will , verstehe ich nicht.
Nach der gewöhnlichen regel mlisten bium und uuirlhit haui)t-
stäbe sein, eine berechtigung, die man diesen unbetonten wör-
lern gewis nicht einräumen wird. Sie gehören vielmehr zu
den füllsilben, die eben für die alliteration gleichgültig sind,
und bei denen gelegentlicher gleicher anlaut kaum zu vermei-
den war (wie z. b. in dem von Rieger selbst citierten verse
314 /Äenkian ^Äero Mingo | huo hie th\2i /Äiornun th\xo). Sonst
gibt es dieser unsicheren fölle eine ganze menge, z. b..
2071 gitttiald an thesaro t/i/eroldi | thao utiarth that so titiido cüth
2074 111/ater te UMtne | that t/t/arth thao t/t^ndro drist
2439 UMordun utfiäcan | nu uuelliu ik iu te uuäron hier
174 HÖRN
3179 Ariunig nmbi iro /terta | gi^ördnn iro /terron thno
3509 mannon te mieda | that ^/tSnda mahtig Krist
3834 giminsöd au them mahle | ni mahtnn thie mSnscathon
3945 M?iordo endi tiuerco | nü Mtielliat gt mt uuftnOn hier
3995 ni titiernian uu! im thes utiillian | ac utiita im Muonian mid
4101 an /treubeddon bi/telid | Aiet im Aelpan thuo
4208 gaf im /angsam /ön | fiet sia /ethes gihues
u. a. m. Zu diesen nur durch falsche betonung entstandenen
scheinausnahmep gehören auch die wenigen von Vetter s. 56
angeführten beispiele, ausser 1110^ wo mit Sievers ihionön an
den schluss der langzeile zu stellen ist Von 'wirklichen'
fällen citiert Rieger s. 12 dann noch 314. 3236, die sich durch
das s. 173 gesagte erledigen, und 3829 ihan uuelliu ik iu te
uuäron, quathie und 5200 mid uuäpnon an them umhdage \ huand
it ni uuäri iro giuuono. Diese verse sind allerdings bedenk-
lich, aber keine sicheren Zeugnisse für das, wofür sie Rieger
vorbringt. Wenn man nicht uuelliu und uuAri für die haupt-
stäbe erklären will, und das ist doch gewis unzulässig, so be-
kommt man für den zweiten halbvers einen zweisilbigen haupt-
Stab im versschluss, was gegen die metrischen gesetze ist
Beide stellen sind zu ändern. Für 3829 ergibt sich die an-
derung sehr leicht, wenn wir stellen wie them seggiu ik iu te
uuäron de 1463. 1527 (vgl.1453), nü uuelliu ik iu te uuäron hier 1439
vergleichen; demnach wird an unserer stelle hier zu ergänzen sein.
V. 5200 hat bereits Heyne die Umstellung giwono ni wäri vor-
genommen, durch welche der vers sich solchen wie 314. 3236
anschliesst (Sie vers streicht huand — giuuono, indem er uuerthan
zu 5200 zieht). Einen wirklichen fall hat dagegen Rieger
übersehen, nämlich 5892 ahebbian he than helagan drohtin \ thann
tmas eft gihelid hugi. Hier kann hugi nicht alleiniger reimstab
sein, weil es bloss zweisilbig ist, ebensowenig gihSlidj weil ein
verbum vor einem folgenden nomen ohne alliteration nicht ge-
duldet werden kann. Man wird hier wol einen Verstoss gegen
die regeln strenger metrik statuieren müssen, als erstes an-
zeichen des in den ahd. denkmälem bereits viel weiter fort-
geschrittenen Verfalles. Im ganzen steht aber der Heiland mit
der alliteration noch auf sehr ursprünglicher stufe, weit ent-
fernt von den freiheiten, die sich spätere ags. und ahd. dichter
erlauben.
ZUR METRIK DES HELIAND. 175
n. Ueber den ausgang der halbyerse.
1) Der erste halbvers.
Ich beginne in diesem falle mit dem ausgange des
ersten halbrerses. Die sache selbst ist von Vetter s. 38 flf.
und 57 ff. kurz und wie mir scheint , unter einem falschen
gesichtspunkte berührt, die gesetzmässigkeit ist durchaus nicht
genügend herrorgehoben worden.
Im allgemeinen gilt für die mehrzahl der fälle am ausgang
des ersten halbverses das gesetz^ dass das zweite stabwort zu-
gleich das letzte wort des halbverses ist. HieiTon sind aus-
geschlossen die auf drei stäbe gesteigerten verse und eine an-
zahl von versen, die ich nicht zu den gesteigerten rechnen
möchte, weil sie auch in der einfachen epischen erzähiung mit
einer gewissen regelmässigkeit erscheinen. Sie lassen sich,
wie mir scheint, sämmtlich unter diesen satz vereinigen : durch
einen zusatz determinierte werte (nomina oder auch vcrba)
können als 6in begi-iff betrachtet werden, und solche Verbin-
dungen können daher im ausgange des verses den wert nur
iines Stabwortes haben, mag das determinierende wort vor
oder nach dem determinierten stehen. Es ergeben sich hier-
bei folgende fälle:
1) Substantiv and ein zugehöriger genetiv.
a) Das Substantiv geht voran, den zweiten stab bil-
dend, sei es mit, sei es ohne alliteration; in jedem falle ist
es als der betonte teil der formel anzusehen; denn wollte man
das von Sievers, Haupts zs. XIX, 48 aufgestellte betonungs-
schema gelten lassen, wonach der genetiv den ton haben
sollte, so wäre man gczwun«i:en, für diese formein betonungs-
verschiedenheit anzunehmen, je nachdem sie mit alliterieren
oder nicht, und das ist doch kaum glaublich. Man muss vielmehr
sowol betonen gibiodan bdm godes 895 wie mähtig bdm godes
u. dgl. V. 865 gbdlic siemna godes kann dagegen nicht als
beweisend angeführt werden; in diesem verse ist gddRc als
einziges stabwort zu betrachten. — Die anzahl der hierher
gehörigen fölle ist übrigens nicht sehr bedeutend, sie beschränkt
sich fast ausschliesslich auf den determinierenden genetiv
godes : mst godes 784, bam godes 798. 895. 1996. 2176. 2298
176 HÖRN
2371. 2666. 2975. 5171, /b/c godes 412, hüs godes 3070, craft
godes 49. 276. 598. 648. 5869, cumhal godes 657, mäht godes
4089. 4115. 5395. 5894, stemm godes 865. 3147, uuUleoyi godes
855; ferner fuotun Cristes 2208, gistthos Cristes 2903, sunu
Dauides 2991, thegaii kesures 5723, cunni manno 3506.
b) Der genetiv geht voran; dieser fall ißt viel häufiger:
godes sunu 1282. 1384. 2251. 2269. 2948. 3138. 3248. 4011.
4062. 4270. 4722. 5089. 5332. 5341. 5584. 5946. 5962, godes
harne 2821, godes hüs 3734. 4275, godes craft 2204. 3478.
5970, godes lerun 696. 1726. 3272, godes rikies 1687. 3603.
4451. 4755, godes tecan 11^ y godes thanc 1557, godes uuang
1865. 3082. 3150, godes uuilleon 5655; ferner bitres uuiht 1748,
hurges uual 3685, dages Höht 4909 (M hat falsch Höht dages)j
dago gihuilikes 954, Dauides sunu 3563, deruies uuiht 5140,
drohtines sunu 901. 1005. 2284, endlich fälle wie leiharo drom
946, liohto mesl 3081, sundiono los IM, sorgono ful 2917 etc.
Die grössere häufigkeit des falles unter b) erklärt sich
einfach aus der grösseren häufigkeit der formelu mit voran-
stehendem genetiv überhaupt, und diese wider aus dem allge-
mein deutschen gesetz, wie in der composition, so auch in
der formelhaften aggregierung den determinierenden, höher be-
tonten teil vorauszustellen. Im Ileliand habe ich etwa 940
fälle dieser art gefunden, gegen etwa 360, in denen das regie-
rende nomen voranstellt. Die besondere classificierung der
fälle unterlasse ich hier, da mau den grösten teil der beispiele
jetzt in Sievers' formelsammlungen beisammen findet
2) Substantiv mit einem adjectiv.
a) Das adjectiv geht voran. Dies ist, wie nach dem
oben bemerkten natürlich, der weitaus häufigste fall. Das ad-
jectiv trägt stets die alliteration mit, das Substantiv steht
regelmässig ausserhalb derselben. Im Heliand habe ich fol-
gende fälle notiert: alomahtigo?i gode ^O'd^ arme man 1540. 1556,
bethion ha)ido7i 3499, berahto sunno 3125, bittran hugi 4613 M
(briosthugi bittran C), blindon mannen 3560, breda uueruld 4314,
giboranero manno 993, dernia uuihti 2989, dernian hugi 3005,
diop uuater 2937, diurlic suet 4751, drugi thing 264, enag bam
3083, euuig Uf 3325. 3617, euuig Höht 3653, euutnom rtkie 1796,
fagaron palmon 3677, ficni uuord 5231, fecni cräd 2556, feruhtun
ZUR METRIK DES HELIAND. 177
dädi 1310, frbdgumo 2832, gbdaro spräcun 5927, guodan drohtin
2615, grimmera thing 1348, grimman döt5 5743, gröto sSu 4315,
gruoni uuang 4285, haitun man 2357, hardan sten 4090, helaga
harn 385. 5420, ä^% ^'ftötf 1826, helagan dag 5690, Äe/a^aw
^öMn 5892, hSlago Crist 1107. 3562, helagan sang 414, Ä^/a^
tttiore/ 1730. 2348, he ton trahnin 5922, himilisc harn 440, Aiiwi-
/iffcon fader 5654, himilisc uuord 15, hohun hergös 5663, cra/-
^i^a n^i 1603 0, langerun huil 5802, /^/Äa« ^/rtrf 4267, //o^e^
herren 4986, HohRcu hluomen 1683, lungra man 5298, mahtig
Crist 2576. 2582. 3099 , managero stundu 900, m^-a ^ä/w^ 3445,
ödigan man 3298, ^ifra^t ;nan 4819, ddron thiodon 557. 559,
reÄ/aro Miri^^ö 1688, ^d/i^ /ö/c 2863, seWa riki 1306, ^eWßc
/Äm^ 5907, sdr uuatar 2908, w^e/o hom 1745, uuammun dädi
1307, giuuendidan stene 5811, uuidon rtkeas 560.2) 4396, ui^tfun
spräca 3038, uuostion lande 2823.
b) Das Substantiv geht mit alliteration voran.
Dieser fall ist weit weniger häufig; er beschränkt sich auf die
adjectiva euuig, gdd, mikil (letzteres steht überhaupt fast regel-
mässig seinem nomen unflectiert nach), manag, dtiar und die
adjecti vischen pronomina: cuning euuig 3059, cnuosle guodon
558, treuua guoda 2904, uuillion guodan 3971. 5930, orlohu guodu
4211, kraft mikil 399. 2355. 4249, ftrinuuerc mikil 743, gelp
mikil 1084, leoht mikil 1400, fard mikil IWd, gisxthi mikil 2853,
folc mikil 2900, folc manag 1163, thegan manag 3911, ^mc manag
5882, /b/A:e öörow 1271, uualdand seif 1285. 1962, woÄ/i^ ^^»o
601. 1314, god selho 2644, diuritha mina 4414, drohtin t hinan
3066, uuordon tfA7ion 5925, uuilleon sinan 1684, utullean sines
3503, herren sines 5928, uuordon sinon 5933, /aJer mui/an
1908. 1960. 4441, mor^an r//Äwm 663. Ein beispiel fllr a/
würde sich v. 26 finden: uuordo endi uuerco allaro \ thie hie
an thesaro uueroldi giduot, wenn hier nicht nach der abteilung
von C (das vor allaro einen punkt setzt), allaro zur zweiten
vershälfte zu ziehen wäre.
3. Es kommen ausser den oben angeführten Verbindungen
noch einige andere vor, die sich nicht in die bisherigen kate-
gorien einreihen lassen, wol aber auf dieselbe art erklärt
*) Ich betrachte diese zeile mit Sievers als cSsnrlos.
') Hier folge ich der abteilang von Sievers, welcher giuuaidan zu
unserem verse zieht.
Beltrige bot gesohiohte der dfiuUohen tpnu>he. V. 12
178 HÖRN
werden können. So erscheint viermal after ihm an dieser
stelle des verses, 243. 630. 1596. 3108, wobei der ton nach
ausweis der alliterierenden stellen auf after ruht ; einmal findet
sich mid thiu als überschuss: farid im /örth mid thiu 3482.
Auch adverbia folgen gelegentlich einem nomen oder verbum,
das als zweites stabwort (mit oder ohne alliteration) steht,
namentlich ortsadverbia : östar hinan 571, te erthu hinan 1085,
diutflos ihanan 2279, seli ot^ana 2313, uuater undar 2946, egison
tegegnes 5812; ferner astayidan giü 5823, leohrun mikilu 1683[;
ähnlich verhalten sicli auch tnahtiom suiih 3349, a;n stman haftan
5354. An zwei stellen wird sogar durch ein mit endi ange-
knüpftes Substantiv ein neuer begriff hinzugefügt, nämlich
Stil zun sten endi berg 3117 und uualdand uuin endi brod \ um-
hida bethiu 4633; ste7i endi berg ist gewis eine alte epische
forme!, die als begrifflich einheitlich empfunden wurde, und
auch uuin endi brod durfte sachlich nicht wol getrennt werden.
Auch der eigenname Simon Petrus wird, wie in der flexion (der
erste teil ist stets unflectiert), so auch in metrischer beziehung
als einheitlich, gewissermassen als compositum, vom dichter
behandelt, d. h. Petrus folgt dem das stabwort bildenden Simon
einfach als überschuss nach : selbo te Symon Petruse 4883. 4992
(doch kann Siinon Petrus auch allein einen ganzen halbvors
bilden, vgl. 3054. 3093. 3197. 4949). — Ganz vereinzelt stehen
endlich die verse : quAmi te them cnuosla gihue \ thanan hie cun-
nies uuas 347, wo man doch gihue nicht zur zweiton halb-
zeile bringen kann, und thü sähi thi selbo ihes 5188 nach der
lesung von M; es scheint also, dass die lesart von C thü säuui
thi thes seWo vorzuziehen ist.
4. Unter denselben gesichtspuukt fallen ausserdem noch
einige halbverse mit einem hül fsverb um als zusatz, die nicht
als dreihebige verse angesehen werden können. Sicher sind
so zu beui-teilen die verse gihid that hie god A 5104 und
quithit that hie Crist st 5191 ; aber that hie scoldi an Bethleem
giboran uv^than 621, buotta them thär blinda uuärun 2358 sind
doch trotz ihrer Vereinzelung vielleicht als verse mit zusatz-
Stab aufzufassen; v. 5144 steht iro pascha haldan uueldin nur
in C, in M steht uueldin am Schlüsse des vorhergehenden
verses; endlich 46 aldar endön scoldi j wo aber mit Sievers
scoldi an den schluss von v. 45 zu stellen ist Es bleiben also
ZUR METRIK DES HELIAND. 179
eigentlich nur zwei sichere augnahmen, die beiden erstgenannten
verse. Zu ihnen gesellt sich dann noch der sehr auffällige
halbvers naht neflu hruuarp 2910, an dessen durch beide hs».
beglaubigter form nicht gerüttelt werden kann. V. 1537 gmdes
angegin duon erledigt sich ebenfalls durch die allgemeine regel,
angegin duon ist begrifflich eins und hat deshalb nur den einen
rersaccent Dasselbe mag auch von giM hie 3508 gelten*):
en himilriki gitit hie \ allon thiodon || , wenn hier giiit als zwei-
tes Stabwort genommen werden darf und nicht vielmehr vor
gibit hie bereits die cäsur anzunehmen ist.
Im Beowulf finden sich alle diese erscheinungen verhält-
nismässig seltener als im Heliand. Ich lasse die beispiele in
derselben Ordnung wie dort folgen:
1. a) nur heorht bedcen godes 570, sunu Hretiles 1486.
1. b) pegna hedp 400. 1628, eoiena cynn 421, Weder a ntö
423, Geäta ledd 626, ^t5a gespring 849, ßldan beam 1138,
wedna dcbl 1151, eorla gehwdbm 1421, wdkpna smiö 1453, pedda
gehwylce 1706, mddes snyttrum 1707, peödnes beam 1838, folces
cwen 1933, syl/es rvillum 2224, beäga hord 2285, sioleöa bigong
2368, folces weard 2514, marma gehwces 2528, Weder a
heim 2706.
2. a) blddig rvcel 448, sdr rvered 496, snotor guma 1385,
brdden mcbl (?) 1617, dedp woeter 1905, heard sweord 2639,
heäh gesceap 3085, bräd gold 3106, wonna leg 3116.
2. b) byre geonge 2019, pedden min 2096. Dies sind die
beiden einzigen beispiele, welche ich für das nachgestellte ad-
jectivische attribut gefunden habe; häufiger sind dagegen
3) andere Verbindungen, in denen ein adjectiv durch einen
vorausgestellten casus eines Substantivs (dativ-instrumental oder
auch genetiv) determiniert wird (s. Sievers zu Hei. 3347):
beadwe heard 1540, bldde fäh 1595, wintrum fr öd 1725, säle
f<Bst 1907, ^Öw/w cöö 2179, wundrum heard 2688, säre mmd
2747. — Einmal bildet den überschuss der nominale bestand-
teil des prädicats: Denum eallum wearö | . . . || eorlum ealu
scerpen 770. — Adverbiale Verbindungen : ßrdon fort5 ponon
1633, sigel süöanfüs 1967. Die folgenden vergleichen sich dem
angegin duon des Heliand: /redde, stvä wit furbum sprdkcon
1708, holm heolfre weoll 2139, fyrsi fortS gew&i 210.
1) Damit Hesse sich auch vergleichen te hlü'd m düo ihü ii \ 1&65.
12*
1 80 HÖRN
Ueberblioken wir die gegebenen beispiele noch einmal, so
ergibt sich, dass immer nur sachlich und foimell zusammen-
gehörige, 6inen (determinierten) begriflf bildende Wörter in
dieser weise vorkommen. Dabei ist zu bemerken, dass die
silbenzahl der so vereinigten Wörter im allgemeinen die zahl
4 nicht übersteigt. Einen zusatzstab darf man jedenfalls in
allen bisher besprochenen fällen nicht suchen, da diese, wie
bekannt, nur in der bewegten rede berechtigt auftreten.
Wirkliche zusatzstäbe werden sehr gewöhnlich
durch verba gebildet; ich habe mir aus dem Heliand fol-
gende fälle notiert: ' /rumidun 881, aduomean 1309, aduümeaäS
1311, sittean 1312, libbeat 1317, mieldin 1321, giuualdid 2211,
giburida 2213, uuison 2214, gisähim 2597, libdin 2822, finden
2825, giredi 2987, birwmana 2990, gicorana 3027, giutield 3344,
forsHtit 3495, iiiolan 3497, gifrumida 3498, cümit 3500, uuerthe
3501, giuualdit 3502, antf&han 3505, auuerpan 3990, cuman 4374,
sindun 4392, stendit 4393, sindun 4411, frumidun 4413, giblandan
5916, /brläian 5918, mohti 5920, wj/än 5921, scoldi 5923, ^i-
^or^/j 5924.
Aus den übrigen Steigerungen hebe ich nur noch als
charakteristisch hervor: /araw an fern that heta 899, gibrengean
uppan enon berg therm hohon 1096, so fast bist ihü so felis thie
hardo 3068, ne galpo thü for thinori getan te suitho 1561, ne
groniot gi tanbi iuuua gigeruui te suitho 1685.
2. Der zweite halbvers.
Für den ausgang des zweiten halbverses gilt teilweise
dasselbe wie für den des ersten, so dass ich mich hier wesent-
lich kürzer fassen kann.
Vetter stellt s. 35 den satz auf: das letzte stabwort des
zweiten halbverses müsse zugleich überhaupt das letzte wort
des verses sein, und es dürfen nur noch enklitische werte dar-
auf folgen, wie ahd. ana, muotti (Hild.), altn. pann, hön (Edda),
ags. obr, me, alts. min, thö (Hei.). Das gesetz ist richtig, aber
das gebiet der als enklitisch zu betrachtenden Wörter ist zu
erweitern. Zunächst gilt hier wider dasselbe wie beim ersten
halbverse von den nominalverbindungen, die wie wir
sahen den ton auf dem ersten teile tragen, so z. b. that is lisu
Crist I godes egan bam 326, ebenso 1135. 1287. 2000; ähnlieh
ZUR METRIK DES HELIAND. 181
sd'lig hdm godes || 1121, he lag bdm godes 840; nur als enkli-
tica erscheint in diesen fallen min in drohtin frb mm || 490.
971. 4765, und uualdand fro min \\ 4861. 5017. Sodann gehört
hierher ferid ünmet grot || 4329 (wobei unmet grdt vielleicht als
compositum angesehen werden kann). Aber auch eine grosse
zahl von verben fällt unter die kategorie der enkliticae, wenn
man bedenkt, dass alle präpositionaladverbien den Stabreim
auf sich ziehen, wenn sie dem verbum vorausgehen (Rieger
s. 27), also wenn sie auch nicht alliterieren doch den ton haben,
d« h. an betreffender stelle das vierte stabwort der langzeile
bilden müssen. Zu den von Sievers, Haupts zs. XIX, 47 hier-
für angeführten stellen aus dem Heliand habe ich noch hinzu-
zufügen: thia uuerds aftar gengun 658, thiu müoder äfter geng
2183, Crist üp giuuet 982, thie rlnc üp asat 2202, silf üpp
ares 2250, Crist im förth giuuet 1134, thie fxond nä'hor gieng
1061. Merkwürdig bleiben thuo hreop üpp te gode 5633 und
thia stidi uuissa lüdas uuell 4815; dagegen ist endi thie iuuua
fritho huiriM e/t \\ 1 943 wol mit recht von Sievers so geändert,
dass e/i zum folgenden verse gezogen ist.
Für die Überschreitung von thuo und thär hat Sievers
a. a. 0. bereits genügende beispiele beigebracht Ausserdem
erscheinen als überschuss an dieser versstelle noch td: endi
h&rit thär mid is ö'roji tuo 2467, hdlo thi thär 6'bran tuo 3228 ;
so: duan üs älla so 3998; thanan: uuenda im iß thanan 3293,
givu^t im thuo eft thanan 4796, ging im ift thanan 4798 ; auch
hülfsverba kommen so vor: sünu d'dan uuarth 369, gihe thes
thär uuä'r is 1522, gie that Crist silbo uuas {seWo \\ uuas Sievere)
5837, endlich ni mohta is an is spräkun man uuerthan 849 (ein
sehr bedenklicher vers); einmal auch der genetiv des prono-
mens der 3. person: färthor ni uuilda is || so bittres anM-
tan 5652.
Femer gehören hierher fälle, in welchen eine (zweisilbige?)
Präposition mit einem pronomen am ende des verses steht
Der Helianddichter lässt wenigstens die präpositionen aftar
und innan öfter die alliteration tragen, so thann mäht thü äftar
thiu II 1709, bigan im äfter thiu \\ 2395, hie gruotta dfler thiu \\ 3186,
nam hie thuo dfter thiu \\ 4613, that um it dfter thi || 2425; innan
brioston 3294. Hiemach wird es erlaubt sein auch in den
übrigen fällen, wo solche Verbindungen ausserhalb der allite-
182 HÖRN
ration stehen, enklise des pronomens anzunehmen, d. h. die
Präposition als viertes stabwort anzusetzen; so endi gi/rümid
äfier ihiu 43, bed äfter thiu 196, thuo gifräng äfter ihiu 715,
ähnlich 1634. 1758. 1763. 1796 (?). 1798. 2054. 2219. 2632.
3164. 4009. 4545. 4891. 4970. 5041. 5146. 5155. 5659. 5867.
5906. 5954, Ob man diese betonungsart ohne weiteres auch
auf die übrigen präpositionen, namentlich die einsilbigen, aus-
dehnen darf? Von zweisilbigen habe ich noch notiert: thiu>
thär f6lc undar im 2010, ac bigan that fölc undar im 2667,
huan er thiu thioda undar im 5173, hie habit hiir riki ofer üs
5376, fare is drd'r obar üs 5483,
Einmal haben wir sog:ar, wenn die abteilung richtig ist,
einen ttberschuss von zwei Wörtern nach dem vierten stabwort,
nämlich: lüdeon bisprä'kun that thuo \\ uiu>rdu gihuiliku 4190 f.
Auch um einen zusatzstab vermehrte verse finden sich
im Heliand; dieser muss aber dann immer nach dem im ge-
wöhnlichen verse vierten stabwort stehen; so 3066 f.:
diarlico scalt thü thes Id'n antfö'han,
hlü'ttro ha^is thü an thtnan hörron gilö'^on | hägiscefti sind
thtna std'na gilf ca.
Vetters auffassung einer ganzen reihe von versen, welche als
zweite teile von langzeilen erscheinen, deren erster halbvers
drei stäbe aufweist (s. 38 f.) scheint mir dagegen verfehlt. Cs
ist richtig, dass um eine bedeutendere Ungleichheit der beiden
vershälften zu vermeiden, diese zweiten teile stets stärkere
fällungen vor dem hauptstabe haben; aus diesen f&llungen
aber an sich unbetonte Wörter als stabwörter hervorzuheben,
widerspricht sowol dem allgemeinen betonungsgesetz wie dem
grundgesetz der alliteration , welche den ersten stab jeder
hf^bzeile als reimstab verlangt
III. lieber die cäsar.
Die oäsur ist zwar schon von Rieger s. 34 ff. behandelt
worden, doch fehlt es noch an einer darlegung darüber, welche
Wortverbindungen und Satzteile überhaupt durch die cäsur, sei
es die zwischen zwei halbversen, sei es durch die am seUusae
der langzeile, getrennt werden können, und wie sich die Alli-
teration dazu stellt
ZUR METRIK DES HELIAND. 183
1) Die cäsur in der langzeile.
Diese kann alle möglichen Satzteile von einander trennen.
1) Sie trennt das subject von seinem prädicat. Das
subject alliteriert immer , ausser wenn es durch ein pronomen
gebildet wird:
44 huilic than lindscepi | landes scoldi || antdost g^uualdan
105 haan dr thie fruodo man | giframid habda
542 suttho glaaua gomon | gangan qoaman
68 that im uuämu so gihdriga | hildiscalcds
316 that im thär an drdme quam | drohtines engil;
dagegen :
13 that sia than evangelium | dnan scoldun
77 huand hie simblon gerno | gode theondda.
Besteht das prädicat aus einem hUlfsverb mit einem nomen,
so können auch diese beiden teile getrennt werden, aber nicht
ohne dass der nominale bestandteil reimstab ist
155 sind anca andbäri | ddarlicron
207 that it elcor so nuanltk | naerthan ni mahti
159 thuo uuard that he^ancuninges bodon | härm an is mnode
2969 that hie nnäri sel^o snno drohtines.
Ausnahmen: endi an them felde sind \ fruhti ripia 2566; than
is erlo gihuem \ ober hetera 1486, uicarth im Safanas \ sero
hitengi 4624.
Besteht das prädicat aus einer zusammengesetzten yerbal-
form und werden beide bestandteile getrennt, so folgt das
eigentliche verbum gewöhnlich ohne alliteration, aber als stab-
wort; der umgekehrte fall, dass das hauptverbum vor, das
hülfsverbum nach der cäsur steht, kommt wol kaum vor (über
einen fall s. weiter unten).
410 sd nuarth thar engilo ti them Snon | nnrtm onman
427 habda im thie engil godes | al giuntsid
717 that nnäran thia untsan man | naestan gihnor^an.
2) Sie trennt ein nomen von zugehörigen attributen.
a) das appositionelle attribut; beide teile reimen:
444 so it thie godes engil | Gabriel gisprac
458 giunitun im thno thin guodnn tnd | Joseph endi Maria
548 thno sea Erodesan thär | rtkkian fondun.
b) den attributsgenetiv; beide teile reimen und sind nur
durch die cäsur getrennt; folgen zwei nomina, so gelten wider
die allgemeinen betonungsgesetze :
184 HÖRN
34 that sea fan Cristes | crafte them mikilon
74 nnas fan thdm liudeon | Lenias cimneB
402 that is mendislo | manno cunnies
J074 that fan nualdandes | anorde gibiudid
1642 thann ni samnöt) gl hier sine mikil | sila^res ne goldes;
c) das attributive adjectiv; beide teile reimen und brauehen
nicht unmittelbar neben einander zu stehen. Im Heliand finden
sich etwa 20 solcher fälle wie:
1212 than hg thar torhtlic sd manag | t§kan ginuarahta
1612 ac hilp üs noit^ar allon | adilon dadeon
1621 than g! ni uaelliat öt^ron | erlon alatan
2262 hnillc that sd mahtigro | manno nnäri
4735 hiet thuo thria mid im | thegnös gangan
5216 that thü so bittra scalt | bendi tholian.
3) Sie trennt das object von seinem verbum. Das ge-
wöhnliche ist, dass das object in unmittelbarer nähe des ver-
bums steht. Die enge Zusammengehörigkeit der beiden Satz-
teile erfordert in der regel alliteration beider, ausser wo das
object durch ein pronomen gebildet wird:
86 that sea er^iuuard | dgan ni mnostun
160 that hie is ginaerkes sd | nundrön scolda
1629 hnö gt Idstean scnlon | ISra mtna
1630 thann gt iuuna fastnnnea | frummean auellean
4722 thär gmotta thie godes suno | iangron stna,
aber auch
151 habit nnc eldi binoman | elleandädi
und bei pronominalem object:
2674 hnö sia ina sd craftigna | for 6non cli^e uurpin
2732 that that erlo gihailic | uo^ian scolda
2755 that ik tht than after thia | drdn nnillia
4850 huena sia mid thia gisttha | sökian qaämin.
4) Sie trennt das adrerbium vom verbum. Das ad-
verbium alliteriert immer, mag es nun reines adverbium sein
oder aus einem Substantiv (mit präposition) bestehen; ausge-
nommen sind die kleinen partikeln wie s8, ih&r etc., also:
77 huand hie simblon gemo | gode thionöda
89 that ina torohtltco | tidi gimanddnn
99 snttho thioUco | thiggean scoldnn
24 that sea scoldnn ahebbean | hdlagaro stemnon
40 endi thao all bifieng | mid dnu nuordu;
vgl noch 417. 2771. 3535. 5276. 5328. 5386.
ZUR METRIK DES HELIAND. 185
5) Sie trennt die relativpartikel von einem voraus-
gehenden demonstrativurn, nur v. 923: bist thü enig thero \
thi her er utiäri] an allen tlbrigen stellen ist das demonstra-
tivum von Sievers richtig zur zweiten vershälfte gezogen (es
kommen in betracht v. 835. 1676. 1825. 1947. 2047. 2786),
während Heyne noch schwankt. Doch scheint v. 923 nicht
anzufechten zu sein, vgl. Sievers* anmerkung dazu.
6) Sie trennt das hülfsverbum von seinem infinitiv.
Dieser fall kommt im ganzen nicht häufig vor. Gewöhnlich
ißt der infinitiv dann viertes Stabwort:
509 80 mnosta sin mid iro brüdigumen | bodlo giaaaldan
574 that hie mohta fan erthu | npp gihdrean
4627 th§ 80 nndar theson himile 8cal | herron uuehsldn *)
3856 uuoldan ina thia unidarsacon | unordon farfähan.
2. Die cäsur nach der langzeile.
Hier ergeben sich gröstenteils dieselben resultate; ich be-
gnüge mich also einfach auf die unter 1) besprochenen fälle
zu verweisen und einige beispiele anzuführen.
1) Wie oben.
121 ne st that hie mt an is ärandi hnarod || sendean aaillie
131 quad that hie im t^reas sd fiiu || . . . | forge^an uuoldi
156 BÖ Unit giü 8Ö managan dag || naärun an the8aro uneroldi ;
Vgl. 786. 1042. 1065. 1200. 1204. 1219. 1301, 1510 etc.
Ist ein prädicatives nomen von seinem hülfsverbum durch
die cäsur getrenn t, so scheint auch das letztere alliterieren zu
müssen, wenn es nach dem nomen steht:
998 theses anilleo ik urkandeo || uuesan an thesaro uneroldi
1062 unända that hie man §nuald || nuäri nnissnngo
4301 thia for im geginnuarda || 8innon 8indon.
Besteht das prädicat aus einer zusammengesetzten verbal-
form und geht das hülfsverbum voraus, so folgt das participium
mindestens als stabwort, und zwar steht es unbedingt als
erster reimstab, wenn es nur noch eine adverbiale erwei-
terung (nicht aber etwa das subject oder dgl.) bei sich hat;
also zwar:
0 Heyne teilt fälschlich vor scaL
186 HÖRN
127 sd hadit im uordgiscapu || m^tod gim4rcdd
165 6r than tht magu uuirdit || . . . | 6rl aföodit,
aber:
339 ff. thuo uuarth fan Rümuborg | . . . || kuman fan them k^sure
794 thuo sia that geld habdun || gilSstid te iro landuatsun
859 than uuas im Johannes | . . . 1 aauahsan an enero nudstinniu
4393 that thär unarth gumono barnon || giuuarht fan thesaro
uueruldes endie.
Doch kann auch das subject nachstehen, z.b.:
2665 8Ö thär nuas thie hdlago Crist || giboran that barn godes.
2) Ganz wie oben.
a) 530 buoki giuatsdun || hdlagaro handgiuuerc
758 thar dn aha fliutid || Nilström mikil.
b) Die beiden teile brauchen nicht unmittelbar neben
einander zu stehen, sondern können namentlich auch durch
verba getrennt sein:
129 that ik scoldi gistth uuesan || he^ancuninges
186 that sia üses uualdandes || Idra Icstin
264 thü scalt üses drohtines uuesan || mödor mid mannon
300 ne uuissa hie uualdandes thuo noh ] bltthi gibodscipL
Einzelne ausnahmen von den hierbei geltenden allitera-
tionsgesetzen finden sieh bei den Verbindungen mit ftlu, dar-
unter auch eiqe im innern der langzeile. Es steht nämlich
ftlu öfter vor der cäsur mit einem dieser folgenden abhängigen
genetiv, ohne dass es reimt. So in der langzeile selbst (nach
Sievers* abteilung):
465 thie ha^da an them uuthe sd filo | uuintro endi sumaro
am ende derselben:
96 thuo uuarth thär gisamnöd filo || ... | Indeo liudeo
934 thoh sea hier ni uuelle forstandan filo || uuerodes . . .
3672 quam im thär tegegnes filo || uuerodes an uuilleon.
Es stimmt dies gut zu der beobachtung Riegers s. 23, dass
ftlu nicht das volle recht eines substantivischen neutrums wahrt,
sondern z. b. vor einem andern nomen stehen kann ohne zu
alliterieren. Allerdings folgt daraus natQrlich nicht, dass es
ohne alliteration stehen mttsse, vgl.
20S thie so filo Consta || uutsaro uuordo
4242 endi im filo sagda || uuäraro uuordo,
rsü auch sd sculwi gi undar iuuua fioAd faran \ , wukw ftlu
ZUB METRIK DES HELIAND. 187
thiodo 1875. Analog verhalten sich auch diecardinalzahlen
(Rieger s. 20. 23), vgl.
144 6fno tad'ntig || uaintro an nncro uueroldi.
c) Beide teile sind gewöhnlich ausser durch die cäsur
noch durch andere Wörter getrennt, da ja der hauptstab,
welchen der erste teil der Verbindung bildet, im allgemeinen
nicht an letzter stelle des verses stehen kann. Es kann sogar
auch ein ganzer halbvers dazwischen treten:
2873 that sia thär mahtigna || herron habdun.
2349 endi sd manag mahtigltc || t8can gitdgda
3889 thar nuas sd mahtigltc 1 bilithi gibdcnit
261 thü scalt for allen nueban {| naiven giaoihid
526 manag fagondda || nuerod after them uuihe
589 6n scoldi aotnan || himiltangal huit
863 thär uuarth im mahtig cuman || an thero naöstinniu i naord
fan himile
1519 neuan bö ik in mid mtnun hier || suttho noarltco | unordon
gibindn
433 huilic im thär bilithi nuarth || fan he^anauange | hSlag gitögid.
Vgl. ausserdem 495. 937. 1044. 1815. 1958. 2027. 2440. 2829.
3573. 3765 etc.
Ausnahmsweise finden sich je einmal managa und thxnon,
also Wörter, die auch ohne alliteration einem nomen voraus-
gehen können, durch die cäsur von ihrem nomen getrennt ohne
zu alliterieren:
1006 endi hdlean managa || manne m^ndädi
3813 räd for thinon || landmägon uuel.
Ganz abnorm ist v. 4329 f.
fulleaS mid iro ferahu | ferid unmet gröt
hungar hetigrim | o^ar helitho barn.
Hier haben wir zwei Verstösse; ferid darf nicht alliterieren,
wenn nicht auch das folgende nomen alliteriert, und dieses
mttste alliterieren, weil es als voUadjectivum von seinem sub-
stantivum durch die cäsur getrennt ist
3) Wie oben, z. b.
105 huan ^r thie fmodo man | gifrumid habdi || uualdandes unilleon
131 qaat$ that hie im tyreas sd filo || an godes rtkea | forge^an uueldi.
4) Wie oben, z. b.
2157 habda thuo giärundeöd | al sd hie nuelda || säliglico
3689 sprac thuo unordo filo | hriunigltco
3853 endi that sia than auurpin | nuerös mid handon || staroon st^on.
188 HÖRN
5) Ich habe zwei stellen gefunden , an denen beide teile
nicht getrennt sind, nämlich tJiat uuarth thär uundro irist \\
thero the hie thär . . . gitdgdi 2074 und thd uuas endago \ allaro
manno || ihes uuxsösten \ thero thie gie an thesa uuerold quämi, \\
thero thie quena enig \ kind gidruogi 2785 ff. An einer andern
stelle trennen Heyne und Sievers, nämlich managa sind thero \\
thia uuelliat allaro dago gihuilikes \ te drohüne hmgan 1916 f.
Ich trage kein bedenken, auch hier thero zum folgenden verse
zu ziehen (doch vgl. Siovers zu Hei. 923).
6) Dieser fall erscheint sehr häufig^ wie schon von Sie-
vers, Haupts zs. XIX, 51 f. belegt worden ist
IT. Die Stellung der ahd. denkmäler.
Rieger berührt im eingang seiner arbeit die wenigen ahd.
denkmäler, die in Stabreimen abgefasst sind, nur kurz und
will sie an den auf ags. und alts. gebiete gewonnenen ergeb-
nissen geprüft wissen. Das resultat dieser prüfung sind einige
emendationen im Hildebrandsliede und im Wessobrunner gebet;
das Muspilli wird mit recht als bereits ganz zerrüttet bezeichnet.
Ich denke es wird nützlich sein, die Verstösse dieser denkmäler
gegen die strengen versregeln einmal zusammenzustellen, wäre
es auch nur um dadurch zu zeigen, dass durch die kritischen
behandlungen, die sie durch MüUenhoff u. a. erfahren haben,
keineswegs reguläre alliterierende verse hergestellt sind, ja
dass manche änderungen die verse verschlechtem, statt sie zu
bessern.
1. Das Hildebrandslied. Dies steht mit seinen kürzeren
und gedrungeneren versen der ags. dichtung näher als der
Heliand, im übrigen aber zeigt es bereits viel mehr spuren
des Verfalles als jener. Von 68 versen erscheinen nur noch
22 mit drei reimstäben, im Heliand entfällt auf ein gleiches
stück im durchschnitt mehr als die doppelte anzahL Das
Schema 1+2 (oder 2 + 2) findet sich scheinbar zweimal:
dat Htldibrant hwtti min fdter \ ih heittu Hddubrant 17 und her
was Ö'tachre \ ümmett irri 28. Im ersteren falle ist aber Hadu-
braut einziges stabwort, im zweiten kann man wnmeit irri als
compositum fassen, wie wir das ja auch für den Heliand zu
tun geneigt waren (s. 181).
ZUR METRIK DES HELTAND. 189
Beschränkung des ersten halbverses auf 6m stabwort
findet sich 10 mal, v. 19. 23. 25. 47 (habes ist unbetont). 48.
51. 58. 62. 63. 67, also in dem siebenten teile der verse, wäh-
rend im Hei. etwa der elfte teil herauskommt. Für den zwei-
ten halbvers findet sich kein beispiel dieser beschränkung
(denn Deotrichhe 26 gehört als compositum nicht hierher).
Es fehlt die alliteration v. 15 dat sagetun mi \ üsere liuti,
wo sie durch den endreim ersetzt zu sein scheint, und, wenn
man es genau nehmen will, auch v. 60 güdea gimeinün \ niuse
de mditiy denn nur güdea könnte hier im ersten halbverse alli-
terieren, im zweiten halbrerse nur niuse. Doch scheinen die
beiden anlautenden m von gimeinün und motu hier als aus-
hülfe dienen zu sollen. Eine weitere Verletzung der betonungs-
und alliterationsgesetze findet sich v. 51 dar man mih eo sce-
rita I in folc sceotantero , wo sceotantero folc stehen oder folc
alliterieren mttste. Anstössig ist auch wer dar sih dero hregilo \
hiutu hrumen muotti 61 , mag man nun hruomen oder rümen
schreiben. Hiernach halte ich es nicht für zulässig, mit Rieger
s. 2 den ebenfalls streng genommen unzulässigen vers tot ist
Mltibrant \ Heribranies sünu durch Umstellung (IJiltibra7U ist tot)
zu bessern. Es sind der anzeichen des Verfalles genug, um
dem dichter auch diesen lapsus zutrauen zu dürfen.
2, Das Muspilli befindet sich wie schon gesagt in völliger
Zerrüttung. Mir ist zunächst aufgefallen die grosse zahl der
ersten halbverse mit nur 6inem stabwort, 4. 5. 7. 8. 12. 16. 29.
30. 32. 35. 36. 37. 43. 45. 47. 49 (?). 60. 65. 67. 69. 74. 76.
78. 79. 84. 85. 87. 89. 93. 98. 99. 102, d. h. 32 von etwa 100,
ungefähr der dritte teil. V. 76 müssen wir sogar, wenn die
Überlieferung richtig ist, ein einsilbiges stabwort an dieser
stelle constatieren.
Reimverse statt alliterierender v. 61 f. diu marha ist far-
prunnan \ diu sela stet piduungan : ni uueiz mit uuiu puaze : sär
uerit si za uuize\ v. 78 f. dar uuirdit diu suona \ dia man dar io
sagita \ denne uarant engilä \ uper dio marhä (denn engilä und
uper können unmöglich alliterieren); zweifelhafter sind deiine
stSt dar ümpi \ engilo menigi 87 und uuä7iit sih kinäda \ diu
uuinaga sela 28, da hier sich zur not alliteration heraus-
bringen^lässt.
1 90 HÖRN
Fehler gegen betonungs- und allitcrationsgeBetze weisen auf:
22 pehhes ptna | dar piutit der Satanas altist
27 daz der man haret ze gote | endi imu hilfa ni quimit
2S uuänit sih kinäda | diu uuenaga sela
53 mnor uarsuuilihit sih, | soilizöt lougiu der himil
67 denne er mit d8n miatOn | marrit daz rehta
7 1 daz er iz allaz kisag^t | denne er ze deru suonu quimit
90 so dar manno nihein | uuiht pimidan ni mak.
Hier alliteriert stets ein verbum allein ohne das substantivum,
was unzulässig ist In 22. 53 haben wir ausserdem in altist,
der himil unerträgliche Überschüsse nach dem vierten stabwort,
die durchaus nicht mit Müllenhoff zu den folgenden versen
gezogen werden können ; denn ein vers der altisto, heizzMi laue
oder der himil, mäno uallit widerspricht nicht nur metrisch
allen regeln, sondern auch in beziehung auf die Verteilung der
Satzglieder auf die halbverse. Zweifelhaft, ob hierher gehörig
ist uuechant deotä \ tadssant ze dinge 80, da man nicht weiss,
ob die alliteration auf uu oder auf d sein soll (im zweiten
falle genügt das zweisilbige dinge nicht als drittes stabwort).
13 die pringent sia sär üf in himilo rthhi
ist ganz ohne alliteration ; die änderung von Feussner üf in
paradxsi ist ebenso unzulässig wie die von Müllenhoff ü'f sär \
in himilo rthhi] denn im ersten falle müste üf alliterieren, im
zweiten falle ist die betonung der präposition unerhört
15 selida äno sorgün | dar nist neoman siah
alliteration des viei-ten stabwortes statt des dritten; Müllenhoffs
Umstellung siuh neoman verstösst gegen die natürliche Wortfolge.
16 denne der man in pardisu | pü kianinnit
man müste mit alliterieren.
18 pidiu ist dürft mihhil | allere manno unelthhemo
ist ohne alliteration, da das unemphatisch nachgesetzte mihhil
nicht reimstab sein kann; gegen Müllenhoffs ergänzung dcu ze
pidenchanne ist natürlich nichts einzuwenden.
30 nuanta hiar in uuerolti | after ni auerköta
after müste als adverbialpräposition den ton und die allitera-
tion haben.
37 daz hörtih rahhön | dia uaeroltrehtautson.
Nach den gewöhnlichen betonungsgesetzen müste uuerolt- allite-
rieren, doch hat vielleicht Vetter recht, wenn er s. 49 hier
lockerere composition mit hauptbetonung von riht- annimmt
Abnorm bleibt aber der vers immerhin.
ZUB METRIK DES HELIAND. 191
49 daz Elias in demo nntge | arnuarfcit naerde
Elias mttBte mit alliteriereii (in der zweiten vershälfte braucht
nicht doppelalliteration angenommen zu werden, ebensowenig
wie V. 2 likkan läzziiy s. oben s. 173).
58 f. denne daz preita unasal | allaz uarprennit
enti fuir enti luft | iz allaz arfnrpit
Es fällt zunächst auf, dass allaz in beiden versen nicht allite-
riert, was doch gewöhnlich der fall ist wo es allein neben dem
verbum steht, vgl. endi ihm dll hifieng Hei. 40, dl antkenda 478,
hiet that sia iro drundl \ dl U7iderfundin 638 etc. Aehnlich
fehlerhafte betonungen haben auch wahrscheinlich y. 4. 5 sd
quimit ein heri \ fona himilzungalon, || daz andar fima pehhe\
denn die betonten gegensätze ein — andar hätten notwendig
durch die alliteration zur anschauung gebracht werden müssen.
Aber auch sonst sind die verse tadelhaft, weil uarprennit und
arfnrpit als einzige stabwörter der zweiten vershälfte min-
destens dreisilbig hätten sein müssen (y^ar- und ar- zählen ja
natürlich nicht mit). Ebenso ist doppelt bedenklich
76 daz ist allaz so pald | daz imo nioman kipägan ni mag,
teils wegen des mangels an alliteration bei allaz, teils weil
pald als einsilbiges wort nicht alleiniger stab sein kann (vgl.
auch 71).
3. Ueber das Wessobrunner gebet ist wegen der
kürze und unsicheren Überlieferung wenig sicheres zu bemerken.
Anstössig ist der vers db dar nü niuuiht ni uuas \ enteo ni
uuenteo. Rieger will statt niuuiht mit Grein Germ. X, 310
iuwiht lesen. Aber diese form für iowiht, eowiht stösst für jene
zeit auf schwere bedenken. Ich meine, dass niwiht zu betonen
sei und in der gereimten formel enteo ni uuenteo eine fehler-
hafte stabreimverbindung angenommen werden müsse, die mit
den ähnlichen fehlem der Übrigen ahd. denkmäler auf eine
stufe zu stellen ist.
Besultate: Die ahd. denkmäler, namentlich Muspilli,
zeigen die alliteration in vollem verfall. Betonungsgesetze
werden verletzt, die verse willkürlich getrennt, reimverse
mischen sich bereits ein. Die alliteration ist etwas äusser-
liches geworden; man gibt einigen Wörtern gleichen anlaut,
ihre Stellung zu einander wird schon gleichgültig. Es würde
ein vergebliches beginnen sein, alle diese abweichungen von
192 NACHTRAG. — NOTIZ.
der strengen norm der ags. und alts. dicbtung bloss fehlerhafter
Überlieferung zuzuschreiben und eine heilung dieser schaden
zu versuchen. Sie sind vielmehr marksteine des Sinkens der
kunstübung, das den eintriti der reimpoesie an stelle der
nationalen dichtungsforni vorbereitet, und als solche haben wir
sie sorgfiiltig zu bewahren und literargeschichtlich wie metrisch
zu verwerten.
RIGA. CARL RICHARD HÖRN.
NACHTRAG.
(Zu IV, 8. 19S f.).
Bei der ausarbcituug der abhaudlung 'zur Holgisage' ist
von mir übersehen worden, dass bereits M. Rieger Germ. III,
183 die Verwirrung angedeutet hat, die in den nordischen
quellen in betreff der namen Hiordis und Sigriinn herscht
Auch der versuch, diese Verwirrung durch eine gegenseitige
beeinflussung der VölHungensage und der sage von Helgi Higr-
varRsson zu erklären, ist dort gemacht worden.
Gelegentlich dieser berichtigung sei es mir gestattet, nach-
träglich auf ein interessantes zeugnis fttr die sage von Helgi
Haddingjaskati hinzuweisen. In Hallfreds erfidräpa auf könig
Olaf Tryggvason str. 5 (Foriisögur s. 208) wird Olaf bezeichnet
als Dollr SkffivaÖar geima. Die Kalfsvisa TSE I, 482. Bugges
Edda 8. 334") nennt SkjevaÖr als das ross aes Helgi Hadding-
jaskati, und die Zuverlässigkeit dieser angäbe zu bezweifeln,
ist um so weniger grund vorhanden, als andere dort angeführte
hestaheiti anderwärts ihre bestätigung finden. So z. b. Grani
als Sigurds ross, Goti als das des Gunnar (vgl SE I, 360.
Vols. s. c. 27), Holkvir als das Hognis (vgl. Vols. s. c. 27).
Damit erlangen wir ein zeugnis für die sage von Helgi Had-
dingjaskati von der grenzseheide des 10. und 11. Jahrhunderts.
Inwiefeni die von Egilsson (Lex. poet 725 b) beigebrachte
kenning aus den GySiugs visur als zeugnis für unsere sage
ins gewicht fällt, vermag ich nicht zu entscheiden.
28. 7. 77. B. SYMONS.
NOTIZ« Es war mir entgangen, dass von den im dritten
bände der Beitr. s. 359 ff. aus der Berner Gregoriushandschrift
abgedruckten geistl. stücken 1. bereits von Kehrein, Kirchen-
u. religiöse lieder aus dem 12. bis 15. jahrh. (Paderborn 1853)
s. 144 ff. und 2. ebendas. 136 ff. veröffentlicht sind, beide aus
der Wiener hs. 2856, deren text meistens den vorzug verdient
FREIBURG i. Br. H. PAUL.
UNSER VROUWEN KLAGE.
I. TEXT.
Jisü, minnecRcher Krisi,
der sSien trdst, der sünder vrist:
du bist genant des vater wort!
der scelden schaz, des heiles hört;
5 du bist daz übervlüzzic giLOt,
des herzen spil, der gnaden vluot:
du bist diu süeze süezikeit,
unt aller wünne seelikeit.
du kamt von gilete niht versagest;
10 erhcere, herre, mine clage.
ich bitich, vater, werder Krist,
wan du der gnäde brunne bist:
ensliuz mir der gnaden schrin,
daz mir din sileze werde schin,
15 durch die mag et, diu dich gebar,
s6 lä mich werden gewar
wer oder waz du mügest sin.
nü trcßste, got, daz herze min.
V eher Schriften: Hie vabet an vnser lieben | frawen klage die da
hat I geschriben sant lucas ein | besnnder Capplon vnser | lieben frauwen.
rot A, Ditz bvch heist ynser vrowen | klage. Die sol man lesen alle
tage rot B , Unser vrowen obläge C, fehlt DI, Assit p*ncipio sancta
maria meo amen G, Na merk ain gar schün gut gedieht von unser
fibwen klag if. 1 — 56 fehlen L 1. Jhesas /^. 2. sele — sünden £^. 3. 4.
vgL 1514. 15. 3. vaters B. 4. sei . . schaides G, 5. v'ber fliv.iek G.
6. gDieden Mt G. 9. Diu kan v. gote G. 10. min klagen B. 12. gena-
den B. 13. Entslinze B. Vn e. m. got der G. 14. dtn] der G. 16. lan
— din gew. G. mich e w. B. 17. waz] wa G. dft fehlt B. 18. Nun G
{und immer so in) B, herr got G,
B«*itrlfgc 2U( getcbloht« der d«utsolMU tpruolie V. |3
194 MILCHSACK
du bist ein wunder, ichn weiz waz,
20 nach dir ist mir rve unt tvirt mir baz,
sd du dich in mich giuzest
unt mich in dich beslitizest:
so hat diu sele srvaz si wil:
sie pfliget niht wan vröuden spil,
25 sie lachet unde singet,
wan si diu vröude twmget.
ir ist vil we, got, äne dich,
ach, liebez liep, nü trceste mich:
des heilegen geistes süezikeit,
30 diu alles tr6stes kröne treit,
die sende in daz herze min,
diu von dem höhen trotte din
vliuzet in reiniu herzen,
so Wirt mr buoz des smerzen,
35 den ich, hirre, h&n nach dir.
vil werder goi, tiä gip dich mir:
durch dine milte miltikeit
s6 sende mir diti wisheit,
diu dünen jungem wart gesant
40 unt noch den guoten ist er kamt;
wan du bist daz guote guot.
nü lire, hirre, nAnen muot,
min herze unt ouch die sSle min,
daz ich den jcemerHchen pin,
45 die quäl unt ouch den smerzen,
den an ir herzen
Maria hete, dd sie sach
von dir vliezen des bluotes bach,
dd du Menge in grözer not
50 mit smerzen, wunt unz üf den tot,
daz ich so müge ir clage
19. ich enwaiss H, D. b. an wnder auch en waz G, 20. mir
ist G, unt fehU — mir wirt H, 23. min sei H. 25. vfi G, fast immer
m dieser form, 32. hoche G, 36. vil] o H, 37. Absatz — diner E.
38. din] die ff, 40. bekant ff, 41. dii]diu G, Zu 42--45 vgl, 412— 1&.
44. D. icht üin iemerliche bin G. Zu 45—50 vgl. 392—96. 45. oUk ^»
Zu 47 vgl. 94. 50. M. am. yfi biz an tot G.
UNSER VBOÜWEN KLAGE. 195
kündm, sehMen ttnde raffen,
daz dir $% lop wä Sre
nnt sich nAn s/eide mSre
^5 U7it mir dm reine tmoter ^n
ir gnäde t%iO mt 4riuf»eH whin.
Ich bit auch dich, Maria guot,
durch daz mirmecHche bhiot,
daz van dinem kinde vldz,
60 da ei' hienc nackent tmde bl6z,
daz du gemedic wellest sin
allen, die diz btiecheHn
lesen oder hceren lesen:
die müezen immer seelic wesen,
65 swer ez liset od hcert mit zuht,
dem teile, vrouwe, der seelden vruht:
tuo im dine gnäde sch&n,
vertrip von im des herzen ptn:
sin müezen gotes enget pMegen,
70 daz im werde der süeze segen,
den got den guoien geben sol,
s6 er si machet vrimden vol
an dem jungestHchen tage,
sd Wirt vil groz der sünder clage:
75 da soltü, mag et, gencedic wesen,
den die din clage hoßrent lesen,
die du hete, dö din kint
51. Daz ich nüg es gesagen H, 52. künden fehU G, sage Gy
klagen H, 53. lop si H, 55. din rainu G, 56. tüge H. Ir gnsede
din »Bchin ^mit trinwen ane maria sit dir lob vil e. G, Zu 57—60 vgl.
1620—23. 57. Kein dbsatz H. bit dich oach (o 1) HL 60. hienni'kent
G, Zu 61—64 vgl 1636—39. 62. den die i. den {am rande) die daz G.
64. Daz die iemer s. w. H, 65. oder GEL 66. der gnaden HI^ din G^
Zu 67. 8 vgL 1025. 6. 67. in /. 68. in /. dez Gy eines H. Zu 69—72
vgL 1640—43. 69. Sin müezent Uy Ir miessont /, Sin müzze G. 70. in
i. 72. sie Gy sy /, sich H, Zu 73. 4 vgl, 444. 5. 73. iüngstliche dag
Gy jongstlichen tag Uy iungsten tages schin i. 74. klag Hy pin /. 75.
6. vgl .61 — 64. 75. Den sOlt m. G, 76. Den fehlt G, gern herent 1.
i. 77. 8. vgl 1253 — 55 und II. 1070. 1.
13
•> *
196 . MILCHSACK
vor dir hienc nncnt, blöz uft^blmi:
den hilf vi! gncedecRche
80 in äines kindes riche,
da in ze löne goi wil geben
wümie unt der vröuden leben.
Ich saz aleine an einem tage
unt gedähte an die grözen clage,
85 an die quäle unt an daz leit
unt an die swseren bitterkeit^
die Marien herze enphiene^
dö got an dem criuze hienc.
ich nam yür mich ir herzen pin:
90 der wart mir voUecltchen schln
an einem bttecheUne.
da yant ich in latlne,
waz diu reine maget sprach
unt waz si tet, dö si got sach
95 gebunden unt gevangen
unt vor ir ougen hangen
vil bleich, vil val, wunt unt blöz,
dö von stnem libe vlöz
84— 89 a unt naiD vUr mich Märten 93—94 geschriben, waz diu maget
clage, sprach
b ir gröze qn&le unt ir ptn. unt was st tet , dö si ir
kint sach.
98 dö von stnem reinen Itbe vidi.
78. wnt Gy fehlt H. plos am wind /. Zu 79—82 vgL 1648—57. 80.
kindez Gy yatters ewig B. 81. Absatz H. wOl 1. D. i. got wil ze lone
g. H, 82. frede /. Nach 82. horent ez geren lesen G, 83. Kein absaiz
H, allein ACH, allain i, all einen G, eyme Z>. 85. quäle] clage A.
87. sant marien A, 90. Die i>, Daz BCGHy fehlt /. voUenclicbe /,
völliclichein (ein ist undeutlich) G, 91. An eyme cleynen buchelin Z>,
A. e. klain bfis biechlin /. 92. Daz C. in] ynne zu D. 94. got fehlt J).
Da sie got vor ir sach A. 95. Ir kind geb. /. 96. Unt] nackend /. er-
hangen BG. 97. Vil fehlt D, L'nd C, vil fehlt D. V. b. wund fal vnd
bl. /, V. b. verwunt und bl. B, Ob. Daz />. sinen slten BC.
84 a. marie /. b. grossen i. quall By not G, 94. Unt waz st tet
fehlt G. ir kint fehlt /, vgl. v, \W 9S. Unt von B, libe reine G. siner
reinen siteu B.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 197
sin vil minneclichez bluot.
100 dd kam zehant in minen muot,
daz ich diu wort, diu ich da vant,
in tiatsche wolde tuon erkant
allen reinen herzen,
daz st der megede smerzen
105 erkennen möhten dester baz.
ich sagez iu reht als ich ez las.
unt twingt mich des dm minne
der reinen küniginne.
als si ez kunte rehie
HO einem ir knehte,
s6 wil ich die rede sagen
unt der werden megede clagen,
daz si tet bi dem kriuze hSr,
dar an ir kint hienc vil sSr.
115 Nu wil ich iuch, kint, biien,
daz ir mit guoten siten
iuwer edel tagende zeigent
tmi iuweriu dren neigent
ztw den warten, diu ich hän
12^ gediutet so ich beste kan,
hcerent si mit guoter zuht.
106 ich sagez in rehte als ez was.
99. Din Ij Daz BC, vil fehlt D, minnencliche By minnechleich
C. 101. da fehlt AD, 102. tütsche /, tue^sche A, tushe G, dutsche
D, deutsche C, devtschen B. wold ich C, bekant ADE, 104.
megde G, magte Hl, meide D, maget BC, der meg.] iren A. 105.
Er kenne möchte G, deste DH. 106. ez fehlt BCD, als iz was BC.
vgl. IL 107. twinget GH, dez G, das /, fehlt H. 108. raine G,
tngentlicbe /. 110. irS G, ir lieben BI. Itl. ich v'ch die rode /. 113-
1 4. vgl. 822. 3. Vnd das laid des si by dem krütz enpfieng Dar an ir
liebes kttnd hienk i. 113. Die H, 114. Da an G. Da ir k. an h. v. s.
H. Nath 111. disce puer du G. 115. Kein äbsatz H. 116. vil galten
G, 117. edel fehlt — tugent HI. erzeig. H, 118. iweriu C, üwere
/. 119. Absatz H, 120. Betiuten U, Betüttet I, 121. 2 vgl. 65. 6. und
214. 15.
106. ez fehlt HI. v'ch i, in H, fehlt G. recht Gl, eben H,
198 MILCHSACK
wan darcai Ht der stßlde vrmht.
vertragmt durch den werden Frist,
swaz an d^i worin gebresten ist,
125 U7it länt ditz kleine büechelin
iuwer sele spiegel «».
ez sol der SPIEGEL sin genant,
ir stilt ez dicke nemen zeJux^it,
so mügefit ir goies mhine
130 er kernten wol dar mne,
wie sir er iuch hat gnmnet,
swer sich des wol persinnet,
der muoz ouch in von ahmen
tint ouch von herzen minnen,
135 da von s6 hcert der mirme wort,
wan dar an Ht der seelde hört.
E daz wir körnen zito der clage
Marieti, so wil ich iu sagen
ein wort, daz »prichet Salomdn
140 ze allen iöhtern V07i S^dn
an der mimie bUtecheÜne.
ez sprichet in Mine:
egredimni.
von Spöyi ir zarten kmt,
145 die tioch reinfu megede sittt,
unt ir ander kindel guot,
die ze gote ir muot
gebunden hänt mit stcetikeit,
mit minnen unt mit kiuscheit:
150 iuch hat eins hohen vürsten ki)it
122. scle GL Wan an in lit der genaht /T. 124. den fehlt G. gebFest-
hafft //. 127. Er G. 128. zej in die G, in ze H, 130. Er kenne G. 131.
ge liebet i. 132. wol] reht H. Wers. dar in recht ycbet /. 133. och in
Gy in ouch /. D. m. sich vor wol bekennen H, 134. och G fehlt HL
minnen] lieb ge winnen /, nemen H, 1 35. so fehlt L horent G^ herent /.
licbi L hOrent min w. H. 136. bo lit H. Bälden H, sele L hört et c' G.
137. Kein ahsatz HL dem H^ den /. clage GHL 138. Maria H, Marie
/. 139. Salamon H. 140. all.] den /. 141. liebin /. 142. Ya HL 143.
HoheL 3, 11. 144—203 stehen in I nach 204—271. 146. andern E,
andre L vrouwen if/. 149. liebe L 150. ainez G, eines H, ains L
UNSER VROÜWEN KLAGE. 199
mit ganzen triuwen so gemini,
daz er iuch m erweit hat
ze gemahelen in der himelstai.
er ist got, gotes kmt genant,
155 daz minnewort h&t er gesant
den reinen, die in minnen
wellen mit ganzen sinnen,
er ist gar edel unde rieh,
durchsüeze unde wünnecHch.
160 er ist ein miltiu miltekeit
unt aller tvünne scelikeit,
er ist vrcelich alle zit,
wan elliu vröude an im Ht,
er minnt, wan er diu minne ist:
165 er kan der süezen minne list:
sin minne diu ist reine.
sin schcene ist niht kleine:
er ist der enget stmne
unt aller wünne hrurme,
170 er ist ein süeziu süezikeit,
der aJller iren kröne treit.
er wil der sSl gemahel sin,
mit tröste tuon der gnaden schm;
er hat ir sinen gruoz gesant.
175 daz vürsten kint ist er genant.
er geret diner minne,
6 sele, käniginne,
erkenne düne werdikeit
15t. gemaint /. 152. im fehU 1. in al der weit H. 153. gemahel
iT, ge machel /. 155. Der liebi w. /, Ditz wunne w. U. 156. lieb ge
winnen /. 157. Und wönd mit ganzem herzen s. H^ Mit gantzen vnd mit
stäten B. /. 159. Durch süz G^ Schön siesse 1. minneclich /. 16(L
Absatz H, 161. tilgende G. 162. zu aller H. 165. sieht vor 164. /.
164. minnet GH. Wen er allain die liebin ist /. 165. minnen //,
liebin /. 166. liebin i. 167. die ist G, Und ist niht ze kleine H. 169.
all der weit H. Zu 170. 1. vgl 1632. 3 und 226. 7. 170. der stteze H.
171. ere H, wunne/. 172—175 fehlen 1. 173. Unt wil ir tun gnade seh.
H. 174. ir fehlt H , aber von Mone conjicierty vnz G. 175. Des H.
176. begert B, begeret L liebin /.
200 MILCHSACK
unt dine höhe scelikeit,
180 unt sich wie rieh unt wer er si,
wie edel, schcene unde vri,
der ze einer brüt hat dich erkorn,
ach got, wie scelic ist gebom,
der zuo der ire komen mac;
185 dem ist erschinen der scelde tac:
er sol, er mac mit vröuden leben,
im ist der scelden tac geben.
daz Sit ir herzenlieben kint,
die gotes briut mit triuwen sint.
190 da von, ir iöhter von Spdn,
sehent deti kOnic Salomön:
gänt üz, egredimim,
unt sehent wie schcen der künec si:
tuont üf diu ougen schone
195 unt sehent in mit der kröne,
mit der in gekrcenet hat
sin muoter in der houbetsiat
ze JerusalSm an dem tage
sifie^ herzen vröude äne clage.
200 sin muoter hat gekramet in,
des herzen ougen unt den sin
kirenf an den werdest Krist:
sehent, wie er gekrcenet ist,
S^on bediutet ods vil,
205 (swer ez in tiutsche diuten wilj
179. din /, ouch din H, ISO. Sich an wie /. wie er sig J7. 181.
Edel schön und ouch frig H, W. e. vnd wie rechte fri /. 182. D. dich
ze e. brüte h. e. ü, D. zu ainem gemachel h. e. /. 183. ist er geb. BL
184. den eran (eren i) BL 185. seiden i, sälic B, 186. er] unt BL
187. tac] zit BL. gegeb. /. 188. herzel. Hy hertzliebe /. 189. gmaohel
I, 190. Ga«nd vs ir töchtem /. 191. kunik C, worden /. 192—203 vgl.
Bökel. 3, 11. 192. uz her G. 194. 5. Saiamon (Salomon i) in dem trone
(der kröne /) ist (Er ist i) gekronet schone BL Zu 196. 7. vgl, 300. 1.
196—99. fehlen BL 200. gekroBnet] ge (W. 4») net (t. 201. 2. Tftnt uf
diu o. u. d. 8. sehent den niinneclichen Crist BL 203. Wie schon er B.
204—271 stehen vor 144—203 L 204. Swen man das in tUtsch vbz lete
so bcdütet syon also vil (anschliessend an v, 144) i. betüt B, alBO
B, 205. ez fehlt G, betiuten BL
UNSER VROÜWEN KLAGE. 201
ein Spiegel ode ein schouwen.
ir kint, ir reinen vrauwen,
ir mit der fugende spiegel sin
uni gotes bilde ein clärer schUn.
210 der Spiegel ist lüter unde clär:
(üsb Ht ir, kint, daz ist war;
ir haut ein spiegeRchez leben,
ir sult der tagende spiegel geben
mit reiner uni mit g%u>ter zuht
215 (dar an Rt der scelden vruhij:
mäze lachen, weinen vil
unt vHehen diu üppegen werltspil,
lüizel reden (daz ist guotj,
diu ougen twingen unt den muot
220 guoter gebcerde mit stcetikeit,
minnen alle kiuscheit,
als ein t&be einvaltic sin,
ze mäze trinken starken win,
wachen lange, beten gern
225 (sd Wirt der mensch ein lucem,
ob er hat ouch bescheidenheit,
diu aller lügende kröne treitj,
mit ganzer minne minnen goi,
mit vRz behalien sin gebot,
230 ein vrideHchez herze hän
unt Idzen allen argen wdn.
hie bi sol sin diemüetikeit,
diu ist guot mit gedultikeit.
206. oder C/, und B. 207. reine G. 208 — 211 fehlen L 208.
Bont d. tngent ein sp. H. 212. spiegenlichez H^ spiegelichsez G. 213.
tugde C, tugent HL sp.] bilde HL 215. Wen d. /. sele HL Zu
216. 17 vgl. 256. 7; II 544. 5; 1128. 9 und 1448. 9. 216. Ze maze H,
Mit manse /. unt wein. J7. 217. Tanzen (Tentz) fl. unt der weite sp.HL
220. 6nt GL mit selikait G, bis bereit H. 221. Unt minne H, Lieb-
habent /. 222. Alsam H. 223. Mit m. HL trinkent /. 224. Wache
Gy Wachent L betten t I. 226. 7. vgl. Vndanc 1, 1. 2. 226. Ob er iht
(onch L) hat b. HL 228. minne g. G. Minnen nnt minnent g. H, Lieb
habend vnd fttrehtent g. /. 229. behalte G^ behalten t /. sine L 231.
lasse G. 232. dttmietikait /, div miltikait G. 233. gednlt amen G.
202 MILCHSACK
.Usus so )nüget ir spiegel wesen,
235 wan swer s6 lebet, der mac geneseri
an der sei so hie sS dort.
da von s6 hceri der mimie wort.
ez sprichet egr edimim:
gänt üz, ir töhter, sü}iden vri,
240 gänt üz der tverlte minne,
tuont üf des herzen sinne
unt sehent der merlte valschen Im,
ir zarteyi töhter von SpSn,
länt die vröude, diu iuch lät,
245 st ist yiiht visch biz an den grät:
st schinet vol der süezikeit
unt ist doch vol der bitterkeit:
st gelobet lanc mit vroelich leben
unt kan ein bitter ende geben;
250 tvan in ir süezen minne
da ist verborgen infie
ein angel unt der galten tranc,
nach vröuden gäl des leides sanc,
da volget schrien unde wS,
255 ä7i ende weinen mmer mS:
vrost, hunger unde durstes vil,
viur, hitze Ane vröudeti spil.
da V071 sult ir die vröude län
unt üz des Hbes glüste gän.
260 der iezuo ah ein rose rot
gar blühet, der ist morgen tot
unt Wirt der wilrme spise.
234. Kein absatz H. Alsv Gy Also 1, so fehlt L 236. sele hie
vnd d. /. 237. Dar vm /. so fehlt HL minnen H, licbi /. 239. Gound
1. tochtrau von s. H. 241 steht vor 240 C. 240. liebin /. 241. Gand
uf 1. 242. valsche G. 244. Absatz H. lant C, ouch laut L 245.
unz //. 240. volle süez. H. 247. doch fehlt H, der] aller /. 248. lank
lepen vü Q. lang ain tVelich /. 241). Si kan bitt. H. 250. siizze G. W. i. der
weit liebe (der minne sinne H) LH, 251. ist] lyt /. 253. fröd L 255.
Weinen an ende (end i) Hl, 2.5<i. Vrost tnrst hiinger (fr. h. dnrst /),
ist da vil ///. 25b. Dar vm /. 259. gelüste H, gelust 6^, wolnust /. 260.
izü Gy iez H^ ietz 1, 2bl. Schon hinget //. blttt G^ plieet i. morn H^
moren L 262. wirt fehU G.
UNSER VBOÜWEN KLAGE. 209^
Joch ist nieman s& rmse,
s6 edel, ^ Marc, noch sd rieh,
265 sd schcene, noch s6 wüimecHch,
der dem iSde müf^ engAt,
da von sult ir die vröuden län,
die ir doch müezent läzen,
ach, kint,. ir sult iuch mäzen
270 der vröude, diu schier ende hat,
des volgtent tnir^ daz ist min rät.
Gdt üz, töhter von S^6n,.
unt sehent den werden Salomdn,
er ist Jesus der guote,
275 der uns mit Einern bluote
versüenet der gotheit
unt mit der minne süezikeit
uns vride hat gemachet,
da von manic sele lachet.
280 er ist der wise Salomön,
der dem kOmge von Bäbilan
sinen gwalt genomen hat:
dem tievel ist gesprochen mai,
des si gelobt der werde Krist,
285 der künic Mmels unt erde ist.
Jesum den kOnic^ den siUt ir sehen
mit herzen ougn, so mügt ir iehen^
daz ime nie künic wart gelich ;
er ist vor in allen wUnnecHch
290 an werdekeit, an ire.
Joch sol er immer mire
263. lo H, Es L ist fehtt L 264. 5. fehle$i L 266. mae H. 267.
Dar vm /. vrönde B^ frOde L 270. ein ende BL Nach 271. ane maria
am domimus^6^. 272. Kein absatz — ir tochtran B, 272. 3. G. u. ir töeh-
tem Binden fry yfi s. wie schön der kffng sy /. 274. der ies. G. 276.
hat mit der BL 277. Unt fehlt i. mit fehlt G. minne] liebi /, milte G.
278. Hat er uns vri (frid i) g. BL 281. dem fehlt L 282. gewalt GBL
benomen /. 283. naut /. 284. Absatz B. 285. himel Gr des himels B, in
himel /. erden B. 286. den fehlt L 287. Mit dem herzen so (so fehlt
I) a. i. j. BL 288. küng nie /. 289. in fehlt B, An schtfni vnd an
wnfienclich L 290. 1. fedlenB. vnd an eren (:meren)/. 291. Da s. i.
204 MIL(;HSACK
in dem himelriche leben,
da fvil er sinen kinden geben
ze vröuden unt ze löne
295 des himelriches kröne.
M sehent, von Spdn ir kint,
wie des küneges kröne sinU
diu eine was von dornen sSr,
diu ander ist von wünne hSr.
300 sin muotr, diu in gekroenel hat
ze JerusaUm in der stai
mit dornen, dist diu Jüdescheit,
von der er vil versmcehe leit.
er wart von in gekrcenet,
305 gelesteri unt gehcenet:
er wart von in verteilet,
gebunden unt geseilet:
rf krcenten in mit dornen,
rf sjntn in an mit zorne:
310 sin kröne diu was JcemerRch,
diu afider diu ist wünnecAck,
diu er in sinem fröne treit
in götltcher ewikeit.
ach, zarten töhter von Spön,
315 sehent den künic Salomön
fiiht als einn künic gekrcenet,
sunder als einn diep gehcenet,
dö er den galgen üf im truoc,
292. An werdem himolschlichen 1. H, 294—325 stehen nach 326—
75 + 416—59 C. 294. frMe L fravdo vll ero {hl 6 b) Si möchte selone
G. 295. Die himel schlichen k. ü. kröne z. c. G, 296. Kein absaiz H.
297. Wie erlich G. krönen B. 298. was fehlt G. Diu fehlt I. Ein ^u
ist von den d. B. her G. 299. ist verwundet G, wnnneklichen unt H.
ser G. 300. müter GBL diu fehlt L 302. Mit den d. B. des G^, d&z
was BL iudesheit G^ jüdschheit B, iütschait /. 303. versmhe G, ver-
smächheit B, verschmachte /. 304. 5. vgl 316. 17. und 518. 19. 304. ir
BL 306. ir B, ge vrtailet /. 308. 9. fehlen L vgl 516—18. 309. spu-
wend B. zomen G, 310. Diu erste (aine /) diu ifi. 311. was G. 315.
kunik Gy krönten B, krenten /. 316. ein BI, einen G, 317. Mer (Me
1) als ein BL einen G, 318. 19. vgl 568. 9 und 432. 3. 318. üf im]
selber B^ selb /.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 205
dö leii sin Hp schänden genuoc.
320 Idnt den künic niht eine gdn:
gänt mit im, ir suli niht stän:
tretent vaste üf sin spar;
er hat ze briuten iuch erkam.
sehent, wie er vor iu gdt
325 äne tr6st unt dne rdt.
tuont cUs diu töhter täten,
diu von JerusalSm träten
nach im vil jcemertichen
mit stimme stuf ticlichen :
330 rf weinten rf« vil gröze not,
wan in diu minne daz gebot:
si liezen sich erbarmen
der megede kint vil armen,
also suit ir euch iin not
335 beweinen sin vil bittem tot.
Gänt üz zuo der megde guot
unt erküelent itupem muot,
sprechet unde wäget si,
ob si niht nähen wcer da bi,
340 dd ir kint wart gevangen
gebunden unt erhangen,
sprechent zuo ir *6 Maria,
vol tugent unt vol gräciä,
wä wcer du zuo der selben zii,
345 dd dxn kint wart s6 versjAt? ^
319. der scIi. U, 320. einic H, ainig L 321. ir tOchter von Byon
/. 324. 5 steilen vor 322. 3. /. Zu 322. 3 vgl 590. I. 322. vast G, im
i, fehlt ü, sine HL sporn GH. 323. brüte H, gmachel /. vss erk. /.
324. Absatz H. 325. wat H. 326—75 -f 446—59 stehen vor 294—325 G.
326. tünt (W. 7«) wol zerbrechen {vgl. v. 460) G. Nach tuont folgeti v.
460—65 G. 327. Diu fehlt G. 328. 9. Do si gieugen nach im (inie I)
mit jämerlicher stim (stime I) HL 330. vil fehlt H. 330. 1. Si klügten
sine grossen not vnd sinen bitterlichen tod /. 332—499 fehleti H. 335.
stn vil] vnd den /. 336. Kein absatz L üz] onch z& /. 338. 9. vgl,
426. 7. 339. nachen G^ fehlt L wer auch da bi i, da bi wer G. 340. 1.
vgl. 95. 6. 341. Geb. hin gefftrt vfi G, 342. zuo ir fehlt L 344—51. vgl,
416—20. 345. Jhesum xpm an dem vnser halle lyt /.
206 MILCHSACK
sage tms, vrow»e wo! getan,
soehe dA i» an der smle stän,
do er geslagen wart $d ml,
daz äne mäze wit Ane xü
350 daz bluot m7i smem Übe vldz
unt ez die erde gmr begdz?
ach, herzetiliebiu maget guot,
wie was cßn shi unt diu nntot,
dd gotes kint, >äin Uebez üep,
355 wart üz gevüeret als ein diep?
wcer da iht In 4en vrottwen,
diu dar kämen schottwen,
dd er üz an die marter gie?
ir herze wunder 46 begie:
360 ir wangen nider tHuzzen
die irehen ir ougen guzzen.
dd daz din Uebez kint gesach,
vil minneclxch er zuo in sprach
"ir töhter, diu ven Jentealim »int,
365 weinunt iuch unt iumerhi kint.
laut daz weinen über mich,"
ach, reiniu vrouwe nrnmeclich,
woer du da, dS er daz sprach?
dd wart vil ^tröz iÜn ungemach,
370 so du, vrouwe, da nnere.
dd was äin muot vil swcere,
din leit, daz was niht kleine,
nü weine, mag et, weine,
weine dines kindes ndt
375 U7ide sifien bittern tdt.*
351. Daz ez /. 352. 3. vgl, 1138. 9. '^52. hertz liebe L 353. vil
ouoh din 1, 354. 5. vgl. 456. 7 und 560. 1. 354. sun /. dinez G.
356—65. vgl. 428—36. 356. (lü fehlt G. WRsest du nit ouch bi /. 357.
Die in dar I. 359. Ire bertz grous laid da enpfieng I, 360. wange G,
361. Ir oug. träher g. /. 362. min, darübergeschr. din 1, kint fehlt G.
erBach L 363. minneclichen zu in er sp. G. 367. zarte /. 368. spraeh
daz G, Wa werd du 1. dd fehlt 1. Zu 369 vgl, 421. 369. Din hertz
het grous vng. 1, vl70. Doch wie du da were I, 371. vil] gar i, 373.
magct raine 1, 375. bitterlichen /. Nach 375 amen dioat maria G,
UNSER VBOÜWEN KLAGE. 207
Daz buoch hebet 8ick ah alsd :
quis däbit capiti med.
daz schreip ein reiner heileger man:
der was ein bfiuuder cappelan
380 der süezen ual der vrien
gotes miioti- Marien.
er hete sine sinne
gekgret an ir minne:
er dienete ir manic jär unt tac.
385 mit triuwen er des lange pfiac.
sin tröst; sin yröude lac an ir
(tuen wir also, s6 werden wir
erloeset üz aller not,
vertriben wirt der sele tot):
390 vor ir bilde er dicke lac
die langen naht biz an den tac:
er bat sl gar von herzen,
daz st ir grözen smerzen
unt die quäle taete kunt,
395 die st leit, dö st sach wunt
unt tot ir minnecllchez kint:
daz wart im offenbar sint.
Er sprach *6we, vrouwe min,
wsere bl dir dln kneht gestn,
376—445 fehlen.
376. hebt (hebit 2>) sich ADy vehet B, vahet C, 377. quis dabit
capiti meo aqnam et oculis meis fontem lacrimarum, vt
plangam interfectionem vnigeniti filij mei (lacr. etplorabo
die ac nocte quia longe factus est anime consolator. Pgmihs,
d, Leipziger universiiätsbihL no. 368. cf. Germ, 17, 232 ff. et plorabo
die ac nocte interfectos filiae populi mei. Jer, 9, 1). Schade,
Interrogaiio S, Anshelmi de passione domini p, 7, 2. 378. Do C, rein'
heiig' A, rein heilic BC, beilger seiger D, 379. ein fehlt D, besiiuder
Ay by sundern er D, svnder B, 380. suzze D, wisen A, unt der] svnden
BC, vrien] guder D, 381. Marien godes mudei* D, 383. gar zu ir A,
384. gar manig A, 385. das AD, 3S7. also] daz BC, werde B^ werd C.
388. all. uns' n. D. 390. ofte^6', stediglicb D. 391. lange CD. untz C.
393. emo eren 2>, den BC, 394. die fehlt 2>, ir BC, klag A. 395. Den
BCD, 397. Vnder dem alle riebe (reich C) sint BC, Daz vor er bing
toid und bliut D, 398. Kein absatz A, ö\vg] liebe D, 399. Vnde mack
(un mocht C) diu kint bi dir sin BCy Mochte ich din knecht gewesen
sin Df Wer by dir gewese der kneht din A.
208 MILCHSACK
400 dd du ze himelrlche
Tüere wünnecltche,
da du solt leben ienier mS!
daz du gekündet hsßtest 6
mir dtnes herzen grözen pln,
405 daz mir die zäher würden schtn,
die dtniu ougen guzzen,
dö st dar nider vluzzen
über dtnes kindes not,
do er vor dir hienc wunt unt tot!
410 ich weiz wol dtniu sSl was wunt
von smerzen me dan tüsent stunt
nü giuz mir in daz herze mtn
die bitterlichen quäle dtn.
nü sage mir, vrouwe mtn,
415 unt künde mir dtns herzen ptn.
wä W8ßr du zuo der selben ztt,
do er wart geslagen unt versptt
unt an die sül gebunden bldz,
gevillet ouch, daz von im vlöz
420 des minnecltchen bluotes bach?
dtn herze leit gröz ungemach.'
'Vrouwe^ maget minneclich,
dtn armer kneht vräget dich,
ich bin unwert, daz ich mit dir
425 iht Sülle reden, vertrage mir.
400. gen Ä. 401. ewikliche BC» 403. Alse du hast gekondet
ee 2). 404. grözen fehU D, grozen herzen ßC. 405. Laz (L
ist correctur aus D) BC\ mir fehlt 2>. trohin 2>. worden 1>,
werden BC. 406. vz dinen BC. 407. her nyder A. Die so gar
nider BC. 408. lieben kindes L, tod CD. 409. Da er AD, Der BC.
wnnt hienc B. hing von binde roid D, 410. wol fehlt D. din A,
daz dir die C. sele AB CD. dir wüt ^. 411. mer wen BC. 412. Doch
gösse ich in A. 413. bitterliche B. 414. 15. fehlen D. 414. übe
vrowe BC. 415. dines AB. 416. zuo] an A. 417. wart fehlt ABCD.
418. Wart an der snlen bloisz D. Wart vnd ABC. sei C. gebunden
fehlt A. 419. Gevillet onoh] Gebunden A. Da von syme übe floisz D.
421. grozen B. 422. Kein absatz D. 423. d' vraget C. 424. nit wert
A. 425. Iht fehlt D. reden sol A. v'drag ez mir D.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 209
gotes muoter Sünden vrt,
Maria, wsere du däbl,
waer du bt den vrouwen guot,
den vil w6 tet dln swaerer niuot,
430 dö s! nach Cristo giengeu
unt jämers vil enpfiengen,
do er daz criuze fif im truoc?
do weinten ßl von leide gnuoc.
er sach si an unt sprach zuo in
435 "lazent iuwer weinen über mich stn.
weinent iuch unt iuwer kint,
wan noch die tage kUnftic sint,
daz man sprichet sselic sin
die Ube, die nie kindelln
440 getruogen noch gebären
noch gebom wären.
sl weiten sich verbergen
in taln unt in bergen
427. Maria vrowe (vrow C) wer BC. Ffrawe mütt^r du A. 428.
Were du D, wert A, fehlt BC, 429. vil fehlt B. muot fehlt C. 430.
Das A. crist C. cristo nach B. 431. Vnde BB, iamer A. entphingen
B, geviengen BC. 432 — 45. sequebatnr antem illum multa
turba populi et mulieres que plangebant et lamentabantur
eum. . . . conuersus autem Jhesus filius mens dilectus ad
mulieres [dixit] 'filie JherusaleiU) nolite flere super me,
sed super vos ipsas fiete et super iilios vestros, qui lutum
et lapides in me mittunt nescientes quid faciunti quoniam
ecce dies veniunt, in quibus dicent: beati steriles ventres,
qui non genuerunt et vbera que non lactauerunt. tunc in-
cipient dicere montibus: cadite super nos! [et] collibus:
cooperite nosi quia si in viridi ligno, hoc est in puericia,
hec faciunt, in arido i.e. [inj etate, quid fiet?' Sch.p. 10, 4—11.
Vgl. Luc. 23, 27—30. 432. 3. fehlen B, 433. vor BC. 434. Er karte
sich ume und B, 435. Laiszit B, Lat BC. über mich uwer weynS B,
436. über iuch A. W. über iuw. k. BC. 437. die tag noch A. zukunflf-
tig B. 438. sal sprechen B. 439. übe] mvter BC, frauwen B. 440—45.
G. n. gemachten Die werdin dyt wol achten Den komit noch wol die
zyt Daz got v'hengnis^e über slegit Daz sie schrien unde clagen In
den jemerlichen tagen Dan spreohin sie zu den bergen Fallet uff uns
daz w' unsz v'bergen Vor dieser groiszin jamerkeit Her nach findet
sich die warheit B. 441. geparen C
Ueitrlige zur geschiohte der dentsohcii spräche. V. 14
210 MILCHSACK
Yor dem jsemerltchen tage^
445 da wirt vil groz der Bünder klage."
sage, reiniu maget, sage,
sage unt künde dtne klage.
sage ob du da wsßre,
da daz criuze swsere
450 üf dtn kint wart geleit
ö jämer unt ö bitterkeit!
öw§y Maria guot^
ö bluome, küniclichez bluot,
gip allen reinen herzen
455 erkennen dinen smerzen,
den du hsete, d6 dtn liep
wart üz gevüeret als ein diep.
wan wsem elliu herzen steinen,
st müesten sere weinen,
460 s! müesten gar zebreohen;
wan nieman kan gesprechen,
noch geschrtben, noch gesagen
daz vil jsBmerllche klagen,
daz du hffite, yrouwe mtn,
465 do du ssehe dtns kindes p!n.
owe, hertez herze,
446. 7 sage, vronwe, maget, sage, 458. 9 wan wseren herzen steinen
von dem jsemerlichen tage. b! müesten grimme weinen.
450 üf dtnen herren wart geleit. 466— Sl fehlen,
452 ö Maria, maget guot.
444. Von — isemerleihem C. 445. stind A^ svnden BC. 446. 7.
fehlen C. 447. und fehlt B, Konde mir recht dyne clage J>, 450 Vf
sin herze B^ Auff seinen rukke C. 451. ö fehlt G, 0 iemerliche b. BC.
452. We we (Eya müter D) maria g. AD^ 0 maria reine g. BC, 453.
plnem C, fehlt B. künges A. 455. Zn (ze i) erk. BL 456. Den da A,
Do dn C, 457. üz fehlt G, also D. 458. Wan fehU B. weren alle (die
A) BCBA. hertze C. 460 — 05. schUessen sich an v, 294—325 G, 460.
fehlt AC, Si] Undei^. 461. mag^. 462. Noch fehlt />. Noch geschri-
heu fehlt A. scriben G. 463. Die i. Dyn jemerlichs B, iemerlich^C, iemer-
liehen I. 464. Die i. min] vmbin^. 465. dines ^2>6i^/, des^. 466. Absatz BC.
hertzea Ay iamerigez BC, Owe wie du gedechte Und onch dar zu spreche D.
446. Absatz G, Sage an G. 447. iemerliche G. 452. 0 ach mar.
G, 459. Si mOchte herze w. G,
UNSER VBOÜWEN KLAGK 211
wä ist nü d!n smerze?
brich entzwei, 6 herze mtn!
sich an der süezen maget ptn:
470 weine mit ir, weine vil,
hab mit ir ungemach an zil:
lä herze dich erbarmen
Märten die vil armen.
min ougen, ir solt vliezen,
475 ir sult die zäher giezen.
ach, wer git dem houbet min
daz wazzer, da von werde schln
mlnes herzen bitterkeit,
der jämer, den min sele treit?
480 wer glt mlnn ougn der zäher regen?
ich wil niht wan weinens pflegen.'
Zuo den werten sprach diu maget
Wil lieber kneht, dir st gesaget:
ich was ze Jerusalem inne,
485 dö min liebiu minne,
J£su8, min kint, mtn herze zart,
482. 3 Zuo (lisen Worten sprach 480. 7 JSbub, mtn kint, min zart,
diu maget gevUeret vür die Juden wart,
^vil lieben, iu bI geBaget/
468. B. an zwey mjm hertze D. 469. Daz ich icht Behe m3mes kin-
des pin Ob ich dez uberig mochte gesin D, 470. Wein m. i. vnd wein
auch y,A^ Ir sollet schrien und weynen viel />. 471. Habet ung. ane z.
JO, Ane maze vü ane zil BC, 472. £ya hertze lasz (la d) Ld. 473. der
d. 474—77 fehlen D, 474. Ir BCd, ir fehlt d. 476. Ach fehlt rf, Owe
BC. nu den ougen d. 477. Daz fehlt d. werde fehlt A, 478. 9. Den
jamer und bitterkeid Den myn armes hertze treid D, 478. Sines A.
479. Den ABCd. Daz — daz d, herze BCd. 480—97. fehlen JD. 480.
minen aug6 ^^6', mir d. der fehlt BC. 481. dan Ad. waines C. 482.
J^ein absatz BCD. In d. 483. Myn lieb. d. 485. vil lieb A. vil liebes
kinde /. Da JhuB mynes hertzin m. d. 486. minz herzen BC, fehlt d.
482. spricht L 483. liebe kind v'ch i. 486. min] vil I.
212 MILCHSACK
gevaugen von den Juden wart,
geslagen unt gebunden.
du wart mir we ze stunden,
490 do mir daz msere wart geseit:
ein swert m!u herze gar durchsueit.
swie we mir was, ich kam aldar:
da stuont umb in der Juden schar:
st stiezen in unt spttn in an,
495 da was weder wlp noch man,
der über Crist den armen
sich iht wolde erbarmen,
ich weinet sere unt schrei,
du in der Juden munt verspei.
489 si taten glich den hnnden : 490. 1 dö ich daz leide msere ver-
494—97 st bizzen unt grinen in an. nam,
dö was weder wfp noch man, vil s^re ich mich des er-
der über Krist den armen kam.
sich kleine wolt erbarmen. 492. 3 fehlen.
487. Von den Judden gef. w. d. 489—91. Anshelmns. Die,
karissima domina, quid fccisti, cum hec andires? [Maria.]
GladluB Symeonis aniuiam meam pertransiuit Schade p,l^
13—15. 489. Mir wart we zu den st. d, 490. die </. 491. gar min
hertz A, Ein scharp sw. myne sele d. d. 492—94. Maria. Mane facto
eduxerunt cum de domo Anne et duxerunt ad Caypham
pontificem . primo tunc, postquam captus fnit, vidi eum et
occurrens quasi leena raptis fetibus videbam illam deside-
rabilem faciem sputis Judeornm maculatam. Schade p, 7.
15 — Ib. 492. Als ich nü kam also dar A. 493. vmb stund in A. 494.
in (das erste) fehlt d, 495 — 97. ita fuit examicabilis quod spe-
rabam eos debere eins misereri. Schade p. 7, 24. 496. D. sich
über Jhesum d. a. d. 497. wolden C. Icht wolde sich e. d. 498. 9.
lacrimabar et piorando dixi Mieu, dulcissime fili, quam
miserabilitcr modo te video, quae tociens tno amantissimo
aspectu gaudebam!' Schade p. 1, IS. 19. 49b. Absatz B, Sie D,
489. Si wasent /. 495. weder fehlt G. frow i. 496. xpm L 497.
Ain klain sieh L 490. des laidig 1, mer Gl. 491. V. s. laid mir dar
von kam 1.
UNSER VROUWEN KLAGE. 213
500 er stuont vor iu geyangen,
bleich wäm im stniu wangen,
sin Itp von bluotes sweize vlöz:
mtn sSle bluotes zäher göz.
ich sach die pln, die er leit:
505 mtn herze was vol bitterkeit.
er sweie als ein lembelt
unschuldec, aller sttnden yrl.
gedultecUchen er vertruoc,
dö man in an daz wange sluoc,
510 an sinen zarten backen,
mit viusten an den nacken.
st stiezen in nach ir gelust
Yür die kein unt an die brüst,
einer stiez, der ander spei,
515 als einen diep man in anschrei
mit grimme unt mit zome,
dö er mit einem dorne
stuont vor in gekroenet,
gelestert unt gehcBuet.'
503 mtn herze bluotes träher göz.
500 — 7. tunc Btetit quasi agnus mansuetus et innocens
et non aperuit os sunm. Schade p. 7, 23. 4. 500. ervaugen (v ist
correclur aus h) Q, 501. im sin (die H) ACIH, sinv G, wange G,
502. 3. Syn lip waz von binde nasz Myn hertze begüde lamern daz d,
502. blüt Ay binde D, pläte i. sweizzes C, swartz A, fehlt D. 503.
Syne D, pluetig 6', bludige D, Ich da heisz z. A, 504. pyne DH. 505.
wart Ad. voller H, Vil (Da 6') truren die min herze kleit BC, 506. 7.
Da en der Jndden grymige has/. Mit slahen so geteng waz d, 506. also
D, alsam Bü^ recht sam C. lembelin BCDG^ schäfli /, lemlin tut A,
507. sinden 1, siner H. G. was er vnd gut A, Der viel liebe herre myn
D, Gednltick in den noten sin ßC. 50S. Gedultiglich er ez (es alles ^,
in i) \,DAL 509. D&z BDI, sine (die ^7) wangg (bagken D) ADHL
510—12. fehlen D. 510. sin Ay den BC, 511. ufS dH, 513. An AG, kel
BC, kelen ADGHL unt fehlt 1, fvr BC, vor D, unz uf H, Darauf für
den fehlenden vers 512: Noch eres hertzen wiln und lust D, 515.
Also D. Der dritte rofft der vierd sehr. H. 516. vnd ouch mit DGl,
517. eyme D, mengem H,
503. plütig 1,
211
MILCH8A(.K
520 'Do ich armiu daz gesach,
d6 schrei ich öwe unde ach!
des Itbes kraft engienc mir gar,
mtn herze wart yii wol gewar,
daz mir des Itbes krafk engienc.
525 dö ich den smerzen gar enpfienc^
den got an stnem Übe leit,
vil vol wart ich der bitterkeit
ich enhäte kraft, sin, noch wort,
dö ich ei*saoh den grözen mort,
530 den sl an im täten,
e daz die hanen kräten.
min swester wären euch da
unt Marjä Magdalena:
die sähen mlnes kindes not:
535 si weinten als in wsere tot
526 den mtn sun an im leit.
529. 30 dö ich ersach dazgröze mort,
daz im die Juden taten.
532—34 da wären bi mir vrouweu gnot,
den tet vil w6 mtn Bw»rer
muot
mtn swester sähen ouch
die not
Nach 5t9 folgende verse: Sin wange minneclich Vü sin hart ede-
lich Ze czarten si im da ze stuut 8i schftchtun [V] gedult div wart
in kunt Si wegeten mit grozzem ark 8in haupet wan er nit waz stark
Sin haypet vil sin swarte Si im so gar zer zarten Mit der kröne si in
muten Von sharphin [?] ez do pläte Daz im daz plüt ze tale floz Vfi
im den lip allen begoz . . . m. G. 520. A'ein absaiz ADUL vil arme
BC, ersach Hl, sach A, 521. sprach BC. vfi G, vnd -^7, vfi o BC.
522. 3. fehlen D, 524. Da 2>. 525. ümle den D, 527. ier der C, er A,
ich E, der G. Myn hertze w. vol b. D. 52S. Absatz H. hatte E. enhet
weder kraff sinne A* enhet e| weder /. sin wis noch H, enhet sin noch
kraft noch G, 529. gesach E, 530. mit eme 2>. 531. £ dan (den £) DE,
die (der^) hane ABCH. kragte H, Nach 531. Vfi maze doran baten E.
532. Myne E, swestem AE. Ouch waz mit mir da 2>. 533. Unt fehlt
2>. maria ABCBE. 534. Sie BC. Die sach D. 535. als ob in AI.
weinte also er w. D.
526. kint H. 529. des L 532. avch bi G. bi miner frow H. 533,
swere G, 534. swestem HL
UNSER VBOUWEN KLAGE. 215
ir eingebornez liebez kint,
s6 liep was in mtn sun gemint
doch weinet nieman so vil,
äne mäze unt äne zil,
540 als Maria, diu getrinwe
Magdalena, yol riuwe
was ir herze unt ir muot
als diu turteltfibe tuet,
diu ir gemahel hat verlorn,
545 den sl ze tröste häte erkom.
doch was mir vür si alle we,
da von so muoste ich weinen m6.'
'Dö disiu rede was alsus
ergangen, unt mtn sun J6sus
550 nach der Juden rate
Yor dem armen Plläte
waii; verteilet in den tdt,
unt der bütel daz gebot
538 — 45 in der Doete was onch dft MarieD, 86 vil bitterltch
Marta Magdaldnft: weinet st von herzen vil.
der angemach was so gr6z gelegen was ir vröuden spil.
daz st von trähen über vlöz. 548. 9 Dö dizze was ergangen sns
an weinen niemen was ge- unt mtn lieber sun Jdsas.
Itch 551 vor dem rihtser Ptläte.
536. 7. Der eingebom godes son Mit jamir körte sie da von 2>.
536. eingebom BG, 537. liep] vil H. kint BCEH. 538. Do CE. Ouch
weynte niemäs alßo viel D, 540. AlsoD^. diu fehlt C\ 541. voller -PC»
542. Ir hercze trnrete unt £, Ir was ir herze vD ovch i. m. BC, 543.
Also DE. 544. 5. Swen sy im gegaten vorlnzet Den sy czu tröste ir-
kaset E. 544. gemehel D, gemsehel C, gemecheit B, 545. Daz BC. 546.
vor in allen BCDG. 547. Dar vmm /. s6 fehlt BCBH. mvst BCGl,
mÜBz AH, Nach 547 noch ein vers beyde doraoch vfi e E, 548. Mein
absatz ABCDEH, Maria. Hec prolata sententia. . . Schade p,%
31. Da die 2>. 549. und myn kint JO, vmb ming ABC. 550. Von BC.
den argen DE. 552. verteilt BE^ ver vrtelt A^ gevrtailet L an GE,
zu A. 553. gebüttel AH, gebvtel G. daz] do AEH. U. daz der bvtel
g. Ba
538. den nöten H, not /. 540. ungehab Hy traren /. also HL
541. zecher L über] nider HI, gOs I. 542. was nieman Hl, 543. Marie
/. 544. st] so G, 6i wainet ouch von /. 545. ires herzen sp. G, 548.
sus] nun 1, 549. Und jhs m. 1. svn /.
216 MILCHSACK
von des rihtsers gewalt,
555 st wseren junc oder alt,
sl waern groz oder kleine,
daz s! alle gemeine
mit mtnem kinde giengen,
unz daz si ez erhiengen:
560 do wart Jesus, mtn liebez liep,
uz der stat gevüeret als ein diep.
die Juden liefen alle
darzuo mit grözem schalle:
st lachten unde ruoften,
565 sl spotten unde wuoften,
sl würfen fif den werden Crist
hör, steine unt unreinen mist.
sl täten im schänden gnuoc,
dö er den galgen üf im truoc.
570 si verbunden im diu ougen clär,
557.8 daz si volgten alle gemeine 560.1 d6 wart govUertmtnliebez liep
unt mit mtnem kinde giengen. üz der stat als ein diep.
567 hör unt unreinen mist.
554. richtes G, gerichtes BC£, 555. rieh arm jfig nfi a. A. ivnk
rieh 0. /. 557. sieht vor 556. C. 556. Sl w»rn fehlt DEG. arm (rieh H)
groz GBL 55S. sone E. 559. Biz BDG, Vn EB, fehlt A. d&z fehlt I.
yn EGBL 560—565. Maria. Tota turba conenrrebat, sicnt
qnando fnres educuntnr ad suspendendum. Schade p, \0, 3.
560. Absatz BC, v^&Tt fehlt D, ging ABC, zartes 2>, fehlt E, 561. Fflirdie
stat glich als^. Wart usz gefnrt also D. gevüeret fehlt BC, alsam BC,
Nach 561 noch zwei verse Eyn zeyl vmmen halz gebunden Czu den
selben stunden E, 562. Da gingen die Judden alle D. 563. Darzuo fehlt
Df Czu E. mit eyme groiszen (groiszen fehlt E) DE, geschalle AH,
564. 5. fehlen D, 564. Die C, röuften E, würfen /. 565. spotteten 1,
wuffen C, ruften 1, Si spyten vii heuczten E, 566. 7. seqnebantur
autem eciaro pueri proicientes lutum et lapides in enm.
Schade p, 10, 5. 566. Unde w. D. üf ] an G, schöne A , reinen BCE.
567. Hoer E, Dreg D, unreinen fehlt BCE, 56S. schände ABB, den
schänden /. 569. üf im] selber I, Die er gutlich verdrug 2>. 570. diu]
sein Cj syne E. eme die onge 2>.
557. nächvolgten gemain I, si söltü a. G. alle] der B, 560. Absatz
GH, liebez] kint G, 561. alsam G^ reht als H. 567. vn vü vnr. G.
ÜN8ER VROUWEN KLAGE. 217
diu im als einem adelar
stnonden minnecUchen.
sl splten bitterlichen
an sin antlitze schöne.
575 den da in stnem tröne
die höhen engel Seraphtn
unt die kcere Chörabln
unt aller engel gselleschaft
sehen in einer magenkrafl
580 unt euch in stner gotheit,
der leit der schänden bitterkeit.'
^Alsus wart er hin gezogen.
daz ist ein wärheit ungelogen:
ich sach in vüeren vor mir hin,
585 an dem aller min gewin
unt mines herzen vröude lac.
öwö jaemerBcher tac,
[an dem ertcBtet ist mtn kint:
der werlde lieht ist worden blint]
577. S nnt die koer von Kgnibtn, 583 daz ist ein wärheit unerlogen,
unt der engel gselleschaft. 587 ö ach ril jsemerltcher tac
581 der leit vil gröze bitterkeit
571. ein A, eym K eroe also eyme 2>. Die als eine edlen (ain
edel H) a. GH. 572. Im st. H, Si v^nden G, rainnecliche DI, minnec-
lich G, 573. sputen im A. bitterliche DI, bit'lich G. 574. In B. ant-
Ivze Gf antlit HI, angesihte ßC, angesiht A. 575. Der DH, Dem £, Das
i. da fehlt HL 576. seraphym E. 577. der chor A, Vfi dy trone vD
cherubym E. 578. Mit ABC. gcselleschafft AßC\ geselschaft D. 579.
Sten E, Hatte gelobit D, mancraft E, grousen kraft I, magestat
krafft A, crafft D. In siner herrcn magen kraft Ze sehen hegen wil An
vnder las anende zil G. 580. ouch fehlt I. 5SI. der] allir E. schand
A. Der schand. er vil da leit ßC, Darauf noch ein vers Dez waren dy
iuden vil gemeyt E. 582. Kein absatz ADH, Also AI, Alsus so H.
er] im H, hene D, her E. 5S3. ein fehlt C\ vnbetrogen E. Viel lugen
wart uff in gesagen D. 584. vor mir fieren /. mir] mich E, 58H. Unde />,
Ut C, fehlt I. 587. Vn o we E. Ach wie so gar ein iem'l. t. A. 588. 9.
fehlen ADE und stehen m II nach v. 763.
577. kerübin G, keraphin H, 578. geselschaft HI. 581. hie lait /.
583. niht gelogen H. 587. 0 fehlt H. bitterlicher HI.
218 MILCHSACK
590 ich gienc im nach fif glnem spor,
der von mir reiner wart gebonu
ouch giengen vrouwen mit mir dfi,
diu im von Galileä
gedienet häten dicke wol:
595 sl wären mit mir leides vol.
st Yuorten mich mit grOzer not:
st brähten mich dfi hin vür t6t,
biz wir zno der stete kämen,
da si mir min kint nämen,
600 diu mtner sselekeit yerdr6z.
sl mähten in nacket unt bl6z:
sl zugen im abe diu kleider:
dd stuont er nacket leider
unt blöz vor miner angesiht
605 dö mohte ich im gehelfen niht.
sl spilten umbe stn gewant:
also wart min liebez kint geschant
590 ich gie nach im üf stnem spor. dem rotn lieber hdrre zart
BOO diu mtner sselikeit bedrdz. zc schimpf unt onch ze
6()5— 7 ich sach ouch mangen Ikp- spotte wart
sewiht,
590. nach im BC = //. sinen A^ syu />, meinen C, sporn ABCD,
591. fehlt A, vor C. reyne EG, rainen /. D. reyne wart von mir g.
D. 592. Aach] Is E. mit mir frawen G. dar /. 594. Hatten ge-
dienet 2>. hcttent /, fehlt G. dick hattent H. dick A, ofte BC, harte
D. Ofte gedinet hatten wol E. 595. Unt w. H. mit fehlt G. mir] im
BC. 596. 7. fehlen B. 59«. Absatz N. Dy E, mit] in BL 597. vcr tot
HC. 5U8 — 605. cnm venissent ad locum caluarie . . . nudaue-
runt filium meum totaliter vestibus suis, et exanimis facta
fui. Schade p. 10, 24. 25. 598. Vntz AC, Du B. uffe die B. 599. be-
iiamen E. Myn kint sie da n. B. 601. Die B. 602. sin AH. 605. konde
B. 606. 7. Maria. Postquam crucifixer unt filium menm, di-
uiserunt sibi vestimenta sua, sortem mittentes snper
vestem inconsutilem. Schade p. 11, 3. 4. 606. vmb daz sin B.
607. Susz B. liebez fehU BC.
590. sin GH, sinen /. 600. ver drous /. 605. ouch fehlt 1. menger
H, meiuik G. 606. Den 1. 607. Zesphim G. ouch fehlt L
UNSER VROÜWEN KLAGE. 219
st rihten df ein criuze gröz,
dar an hiengen 8! in blöz.
610 daz sach ich mit den ougen mtn:
dd leit min herze gröze pln.
an des criozes ende
wären siniu hende
gespannen mit den nagelen gröz:
615 daz reine bluot dar fiz vlöz,
unt onch die reinen vüeze stn
liten smerzen unde ptn
Yon den tiefen wunden,
an daz criuze gebunden.
620 ich sach in an unt er mich:
daz sehen daz waz jsemerlich.
mir was we unt aber w6,
609 dar an so Mengen st in blöz. 622. 3 waz sol ich iu nü sagen mS :
616—18 unt die sttezen vtteze stn «. mir was wd unt aber wd.
liten wdwen unt ptn
mit den tiefen wanden.
608 — 19. post hoc deposoernnt crucem super terram et
enm desaper extenderant et primo vnam claaum incacie-
bant adeo spissam qnod sangais non potait emanare: ita
valnas claao replebatar . postea accipientes fanem traxe-
rant aliud brachiam . , , [z. 35] post hoc erexerunt eum cum
maximo labore ... et cnm erectns faisset, tanc propter
ponderositatem corporis omnia vulnera lacerata sunt et
aperta, et tunc primo sangnis de manibus emanauit et pe-
dibus. Schade p. 10, 26—37. 608. crutze her D. 609. Doran so iS^, =
//. en wont und sir 2>. 611. Do hette (het H) GH. grosz A^ grozen
BC' hertz vil grousse /. 612. enden 2>. crucis astis ende K, 613. sin
AG^ im sin (sine B) CIB, sin zarten B. Worden eme syne h. B, 614.
Grcschlagen /. den fehlt BC. dem negil E, 615. im dar üz ^, da von
eme 2>. gous /. 617. Dy liden A\ vnd grosz piu ^. 618. den] so E. 619.
Da si en an daz crutze bonden B, 620—25. Stabam jaxta crucem
merore plcna quia ei solacium ferre non potui, et stabant
mecum mulieres a quibus vel demortua sustentabar. Unde
ego videns eum et ipse videns me plus dolebat de me quam
de se. Germ, 17, 233, 1—3. 620. er auch mich AB, ouch er mich /.
621. daz fehlt A, des /. 622. Absatz C. we ynde we BC. über B.
609. 86 fehlt H. si min kiude bloz H. 616. zarten /. 617. Die
ieteu G, we we E, we /. grosse pin /. 622. ttch sagen /.
220 MILCHSACK
doch leit stn herze smerzen me
von der grözen quäle min,
625 dan im tet diu marter sin.
si täten an im grözen mort:
dar zuo sprach er nie zomec wort,
er was gedultec unt guot:
er sweic stille als tuet
630 daz lembeltn, so man ez schirt
alle ungedult ez verbirt.
also häte er gedultikeit
in aller slner arbeit:
er tet nie üf stnen munt,
635 swie sere er wsere wunt,
dö er an dem criuze hienc,
der got der sünde nie begienc'
'Wer möhte gar gesagen
mtn vil jsemerltchez clagen,
624. 5 fehlen, so man ez schirt, ez hat gednlt
626 ich sach 81 taten an im mort. min kint dft gar ane schult
629—33 er sweic alsam ein lembltn stiiontnackent untblözanegewant,
tuot: allen vriunden unerkant
623. het A, Unde leid myn D. 625. Denne C, Denne ime tete B.
martel A. Unde von der bittem m. s. />. 626—40. Aspiciebam ego
infelix et misera dominum meum et filium menm in crnce
pendentem et morte turpissima morientem, tantaqne tri-
sticia et dolore vexabar quod non posset explicari ser-
mone. Germ, 17, 233, 3—6. 626. eme an D, vil groszen A. 627. ge-
sprach DL zorniges B, zornes C, argez H, kain /. 629. Er] Unde D.
vil stille B, also Dy als auch A, als noch BC, 630. lemlin A^ lämp D,
sd] als BC, iz By daz A, 631. es gar v. A, 632. grosz ged. A, 633.
bitterkeid D. In sinen noten die er leit BC, 634. entet A^ gethet D,
syne D, den sinen G, 635. was AI, doch w* G. verwont D, 636. Absatz
BC, 637. Der fehlt L nie sünd ABC. 638. Kein absatz L Owe wer
BC, moht das gar A, gar] du 2>. 639. Als min A, Myn jsemer
lichs D.
626. tun /. ain mort L 629. als I, 630. snidet E, sticht /.
631. Absatz H, da gar] vor in E, st&nt vor in /. 632. Nackent blos
vnd oun gewand /. 633. Aller fröden /.
UNSER VROÜWEN KLAGE.
221
640 daz ich begienc, dö ich sach
die zäher unt des bluotes baeh
Ton stnem Übe vliezen.
do begunde sich entsliezen
der hört der da verborgen lac.
645 dö ich erhört den hamerslac
unt sach daz bluot entspringen
unt üz den wunden dringen,
von henden unt von vüezen,
dö sach ich got den süezen,
650 dem von menschltcher art
an wünne gelich nie niht wart,
der wart bleich, swarz unt val.
siniu schoene wart dö sal,
638 — 41 Ö ach wer möhte gar ge-
sagen
min yil bitterltchez clagen,
daz ich häte, dö ich sach
die trähen unt des bluotes
bach.
643 unt die erde gar begiezen.
644. 5 fehlen.
646. 7 ich sach daz bluot ent-
springen,
von sinem Itbe dringen.
649 ich sach J^sum den süezen.
641—2. und 646—59. Nee mirum: discurrebat enim sanguis
ejus ex quatnor partibus irrigantibus undis, iigno manibus
et pedibns affixis. De vultu illius pulcritudu effluxerat
omnis, et qui fuerat pre filiis hominum speciosus, factus
est omni indecorus. Videbam quod implebatur illud pro-
pheticum in co ^Vidimus cum et non erat aspectus et non
erat ei species neque decor\ quia vultum ejus iniquorum
fedaverat livor. Germ, 17, 233, 6 — U. 641. Dez myfiiglichen bl. b.
D. 642—71. fehlen A, 642. V. minem kiude fliezze G, 643—5. tunc
impleta fuit prophecia Dauid i. e. ipsius, dicentis in psalmo:
audi, filia, et vide! quasi dicat filius mens: audi, karissima
mater, sonum malleorum, et vide, qualiter manus et pedes
meos crucifixerunt. Schade p, 10, 31—33. 644. geporgen C. 646.
ü. d. blut sach e. BC, 650. von] an BCHL minlleclicher G. 651. nie
gelich wart BL An schonde nye glich enwart D, Gelich an wunne
(wundie [?] C) BC, nicht übergeschrieben C, enwart B. 652. bleich
nnde fail D, 653. Syner färbe über all D,
638. Kein absaiz H. 639. bitteriieh, iamerlich /. 640. Die G, Als
i. 643. gar fehlt H. 646. zespringen G. 647. Unt von ü.
222 MILCHSACK
diu e was als ein sunnenglanz
655 diu wart sich verkSrend ganz.
sin wünnecltchez angesiht,
wart 8Ö jsemerlichez iht
üf der erde ie gesehen?
des mac ich wol, sin muoter, jehen.'
660 4n der jsBmerllchen ndt,
dö er stuont von bluote rdt,
dö was daz min grcBstez leit,
daz mir min herze gar durchsneit,
daz ich mich scheiden solde
665 von dem^ der von mir wolde
werden unt wart gebom:
ze muoter häte er mich erkom;
des quelte sich daz herze min.
ich muoz ein armiu muoter sin!
652 — 55 der was bleich, swarz, 661—63 dö er stuont in dem
dürre unt val. bluote rOt,
sin schcBner Up was imsal, dö was daz ein min groestes
der 6 was als ein sunnen glänz, leit,
der wart versrnsBliet gar unt daz mir daz herze gar durch-
gauz. sneit
654. 6 felUi — also 2>. sunne BC, 655. y'keren D, Die wun-
nechleiche wunne CB. 656. mynecliches 2>, minneclich H, Vnde sinem wun-
nenklichem B^ Und seinen chlaren C. 657. nie so £^, so daz 1, do daz H.
iemerlicher /, jämerlichest H. niht BCGl^ lieht H. Wart jemerllch gemacht
zu nicht D. 658. 9. fehlen D. 658. nie C\ niht B. Hie vf der erde (vf
erd i) wart g. Gl, Er wart nie uf erd g. H, 659. ich fehlt H, wol ich
B, 660—71. Iste erat michi dolor maximus quia videbam jne
derelinqui ab oo quem genueram nee supererat alius, et Ideo
non poterat in me capi dolor mens. Germ, 17, 233, 11 — 13. 660.
Kein absaiz D, II. An G. der] dieser B. 661. stuont] waz B. 662. D.
w. leid über leyd B, 664. Daz ez (er C) mir schaden s. BC, 665. von
mir] da B. 606. Von mir werd. B. 667. Zu einer müter BL vs er
kom 7. Vfi mich ze myoter hat erkornen G, Den hau ich nu gar vUom
B. 668. Do C. Dez waz betrubit daz 2>.
652. bleich fehlt L unt fehlt H. 653. der waz im vil sal £^, wm
von liden s. H, 654. 6] vor H, ein] der HL vnne gl. G. 662. des min
ain 7, an im min H, groste G, 663. Daz min hertz L versneit H*
UNSER VROÜWEN KLAGE. 223
670 min stimm was gar verdorben
unt min sin erstorben.
der süft lie mich niht spreeheu:
min herze wolde brechen.
so der mfleterllch gedanc
675 mich ze reden iht betwanc,
so viel daz wort ze gründe
unt zucktez von dem munde
der bitterliche smerze
hin wider an daz herze.
680 gezucket unt gebrochen
niht ganz unt ungesprochen
sich ougt des herzen swsere
als ich verstummet wsBre.
swenne ein wort ze der kein reiz,
668—71 des klaget sich daz herze waa ich was nach erstorben.
mtn, 682 sas engt sich des herzen
ouch leit min herze des swsere.
smerzen ptn.
mtn stimme was verdorben, 684 ob ein wort zer kein reiz.
670. stymme D. sinne (sin C) ist BC. 671. Unde myne synne D,
Min herze ist (ist gar C) erst BC. 672—87. Vox penitus perierat
omnis, sed dabam gemitus et saspiria doloris. Volebam
loqni, sed dolor verba rumpebat quia verbum mente concep-
tum dum ad formacionem oris pretenderet, imperfectam non
modicns dolor cordis revocabat. Germ, 17, 233, 13—16. 672. Die
sazze C süfftz A^ svftze B, sv'tite G^ sunfft H^ siesse /. Ich mochte
nicht gespiechen D, 673. wolde mir (in mir G) DG, zerbrechen HI,
Er wolde mir min herze br. BC, 674. Da Ay Wan D, 675. red. jhs iht
/. nit Ä, fehlt BCDG. 676. Do A, gründe nydder D. 677. von [vz
BC, Zu baut dar nach qwam ez widd* D, 678. Da ez der D, smertzen
A, 679. Zohe in A^ Gienk G, Drang D. zU dem hertzen A. 680. I.
fehlen D. 680. V*zvckt B, Verzukchet C, zerbrochen A^ unge-
sprochen HI, 681. gebrochen H, Nit gantzee noch zerbr. /. (>b2. Do
wante (want C) des BC , Da duchte mynes D, 683. Als ob A, liecht
als /. Daz BCGH, Wie D, ich] ez HI, erstvmmet ^6', ver stocket 7,
v'snedin D, 684. Wan 2>, So A, von der D, kelen AD, kele BC,
668. kleget if, zer tailet /, fehlt G, 669. 11p H. hertz vil grosser
pin /. 670. Absatz H, gar verd. if, erstorben /. 671. nach] gar H, ver-
dorben /. 682. So /. av'get G, ougte H, ttgte i. sich fehlt B. der
(smerze radiert) herze swer G^ das hertze schwär L
224 MILCHSACK
685 daz was von weinen also heiz,
daz ez der munt niht künde gesagen
von des herzen swa^reni clagen.
o ach, wä wart ie muoter,
der ein sun so gnoter
690 vor ir ougen stürbe
unt si doch niht verdürbe,
joch tet er üf diu ougen stn
unt sach an mtnes herzen ptn:
er sach an mir gröz ungemach:
695 ow6 wie jämmerlich er sach
an mich die vil armen maget:
ich was von leide gar verzaget
er sach mich sSre weinen:
swer wsere euch so steinen^
700 der sich niht müeste erbarmen
über Marjam die vil armen.'
687 von des herzen grdzem clagen. 701, 1 D6 er so jsemerltche sach
2 zuo im al weinende ich sprach :
6S5. wart D. so Ay als G, 686. 7. Daz myn mQt nicht mochte
clagen Myuen kommer nicht gantz gesagen D, 686. munt] mv^ter G.
moht sagen A. 6b7. swere ABC. 68S — 91. Videbam morientem quem
diligit anima mea, et Iota liquefiebam pro doloiis angustia.
Germ, 17, 233, 16. 17. 68S. Absatz G, Ach AD, 0 we BC. wft fehlt
G, was H. ye ein A. 689. als G, also BCH. 690. erstvrbe BC, 691.
Vnd das sie A. 692—701. Aspiciebat et ipse, ut est benignissi-
mo voltu, me matrem plorantem et verbis paucis voluit me
consolari, set consolari non potui. Germ. 17, 233, 17. 18. 692.
la BCy lo H, Doch A, Do G, Ouch /, Nu B. tet er] hebe B. dyn 2>.
693. siech an B, Vnde sach die grozen swere min BC. 694. vil groz
G^ gi'oszes AHj grozen B. Ich sach sin groisz ung. B. 695. iemerlichen
A, iaimerlihe C. er da sach H. sprach B. 696. Siech an B. die feUt
BCB. arme G. 697. Ich was fehlt A. vor leit G. V. 1. waz ich g. v.
B. garj nach 1. 699. auch so] so gar B, Waz herzen were (Wes herze
wer G, Wa wart ie herz H) so st. BCGU. 700. Daz BCH. möcht /,
fehlt BC. 701. Wolde vber — vil fehU BC. Ubir myn kint und mich
vil a. B.
687. dem herze grozze G, dem bitterlichen /. grozen H. 701, I. 2
fehlt H.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 225
^Ich sprach ''vil lieber hgrre mtn,
nü lästd mich aleine Bin.
du stirbesty wie sol ich nü leben?
705 du wilt mir bitter urlop geben.
ö zartez kint, vil minneclich,
wer hilfet mir, daz ich vür dich
an dem criuze ersterbe,
daz min kint iht verderbe?
710 6 vater, herre, lieber Crist,
mins herzen tröst unt mtn genist,
gar stiezer unt vil guoter,
ziuch üf dlne muoter,
ziuch äf mich die vil armen
715 unt lä mich dich erbarmen,
ziuch mich üf an des criuzes ast,
702 ach, vil lieber hdrre mtn. 712 vil sUezer unt vil gnoter
706 d J8sa h§rre minneclich.
702—9. Flebam dicendo *Fili mi, fili mi, ve michi, ve
michi, quis michi det ut moriar pro te? Omisera quid faciam?
Moritar filins, cur non moritur secum mestissima mater?*
Germ, 17, 233, 19 — 21. 70?. Kein absaiz A, sprich C. vil] ach A.
704. nü leb.] geleben G, genesin Ich musz alleyne in eilende wesen 2>.
705. mir ein A. D. w. mir (ein H) biter ende nun (mir nun H^ geben
IH. Alsdann noch ein vers Waz sal mir armen nü daz leben D. 706.
liebes — vil] trut D, 708. ersterben i>, sterbe GB, 709. E daz L
ikitG, fehlt L 710—26. ^Fili mi, fili mi, amor unice, fili dulcis-
sime, noli me derelinquere, post te trahe me ad te ipsum, ut
ego moriar tecum: male solus morieris, tecum morte perima-
tur ista tua genitrix.' Germ. 17, 233, 21—23. *0 mors misera, non
parcis proli, non parcas et michi, tu michi soll, o mors, esto
seva: tunc summe gauderem si mori possem cum fiiio meo ac
Christo meo.* Germ. 17, 234, 9. 10. 710. herre ihü AEIy lieber herre
G. 711. Mines BGHI. unt fehlt A. unt mtn] nun niht H. D.ez waren
godes so du bist D. 712. Gar] 0 D. vnde B. vil fehlt BC. o D. 713.
Siech an 2>. v£f mich AI. 715 steht vor 714 AC. 714. iSiech an 2>.
mich fehlt BC. die fehlt DB. vil die G. 715. dich my i>, mich dir B.
710. vf mich an G, mich vflf (an BCD) ABCD.
702. Keinahsatz GBL Ach (0 achi^) vfi o GB. 706. Absatz B.
Ach lieber h. 1.
neitrHgo sar geiohicht« der deattohen ipraohe. V* 15
226 MILCHSAOK
er ist 80 starc unt so Tast,
daz er uns wol getragen soL
ich armiu maoter, leides vol,
720 wä sol ich nü hin k6ren?
min quäle muoz sich m6ren.
ö J6sü, liebz kint reine,
du stirbest niht wol eine,
tuo ein sunder yröude mir,
725 daz ich ersterbe, kint, mit dir."
^ö grimmer tot, du vliuhest mich:
ez ist zlt, nü ouge dich,
ö tot, du wsere bitter 6,
nü ist mir nach dir s8re we,
730 wan du mir sfleze aleine bist
ach tot, nü gip mir keine vrist:
zebrich mit dlnem smerzen
722 ö J6bü, min kint reine. 73 t— 34 dtdt, nü gip mir keine vrist:
zer mir mit dtnem smerzen
717. vn och 80 G, stark stät vn vast L 718. wol getr.] was tragen
H, yns beide treit (treit beide D) wol BCD. 719. Mich BC. bin leid.
A. 720. nü fehlt G. hin fehlt BCD. 721. iamer Ay leid 2>, klag die 1.
wil AD. 722. liebes ABC. Ach lieb. k. viel reyne 2>. 723. allein A, alleyne
DI. 724. eineDJ?. besttnder^, süd'n D. fröd an mir I. 725. ich fehlt G.
mit] bi B. Unde lasz mich st D. 726—75 fehlen A. 726—37. '0 mors
misera, noli michi parcere, tu michi pre cunctis places. £x-
trahe vires, tracida matrem, matrem simul cum filio perime.'
Germ. 17, 233, 23. 24. *Dnlce est mori misere, set mors optata
recedit Melius michi est morte mori, quam vitam dncere
mortis, set fugit a me misera et me infelicem relinqnit, cni
mnltum nunc mors optata esset' Germ. 17,234, 11 — 13. 726. AVm
absatz BCDU. 0 fehlt BC. grimmiger H. 121. gar (nv G, vil H) zit
BCGE. nü] mir G. Oge dich Hl, chum an mich CB. 728. 0 we BC,
Ach D. ward mir HI. 729. sor C, words D. 730. mir] nit G. alleyne
snsze D. 731. Kom und gib D. 732. Gib eyu ende dez sm. D.
722. 0 JhesuB H, Jhs 1. 731. nü felüt G. 732. Zerre mir G, Zer
H, Brich /. dincn U.
UNSER VEOÜWEN KLAGE. 227
daz leben mtnes herzen.
du wsere S grim, nü bist verzagt:
735 du schönest einer aimen magt.
tot, brich entzwei daz herze min,
daz ich iht sehe mlns kindes ptn."
'^ö süezez kint, du rröudea kint,
du miner sele gar gemint,
740 erhcere, hßrre, min gebet,
ich bitich als ich e tet:
daz stät dir, lieber herre, wol,
wan du bist aller gnaden vol.
ziuch mich an die siten dtn
745 unt trceste die armen muoter din.
ach herzenliep, erkenne mich,
dai leben von dem herzen. (742) dir stät, vil lieber h§nre, wol,
du wsere ie grim, nü bist ver- (743) wan du bist aller gnaden vol:
zagt. (745) erhoere die armen muoter dtn:
736 kom, brich enzwei daz herze min. (744) zinch mich an die sIten dtn.
739 — 46 der s^le leben mir gar ge- (746) ach liebez liep, erkenne mich.
mint 740. 41 fehlen,
733. Und brich daz leid m. h. 2>. 734. 6 fehlt D, grimme BCH. nü]
dv B, und D. 735. fehlt L reinen H. 736. Du C, fehlt D. an zwey o
hertze D. 737. nit GL mines BGBL Und lose mich von dirre pin JD.
738.9. 'Fili, dulcorunice, singulare gaudium, vita anime mee
etomne solacium.* Germ. 17, 234, 1. Jhesus myn viel liebes kint Mynes
hertzin jamer entpint />. 738. Kein absatz DGL 0 süzzo dv aller fravde k. G,
0 siesser Bun der früden k. /. 740—46. *0 fili, recognosce mlseram
et exaudi precem meam, decet enim tilium exaudire matrem
desolatam. Exaudi me, obsecro, et in tuo me suscipe pati-
bulo. Germ. 17, 234, 2—4. 742. 3 stehen vor 740. 41 BCD. 740. Höre
BC, Irhore diner muter gebeth D. 741. bite (bidden D) dich BD, also
Z>. vor e C, vor B. 742. Dir stat vil lieb. BC. 743. Daz C. were — lu-
gende D. 745. U. hilff mir usz diesir pin D. 747 steht vor 746 B. 746.
fehlt C. Ach fehlt B. Ach hertze liep erbarme d. J).
733. dem] minem Hl. 734. fehlt L grimme dv G. 736. unt brich e.
mins herzen pin ü. 739. mich gar zwingt /, wart durch mint G. 743.
genade Gj tugent H. 745. herre die Gl. arme /. armen din müter
&, din armez müeterlin H. 744. Zivch vff mich /. hin an H. 746. liep]
kint G.
15
228 MILCHSACK
ich bin dtn muoter, ere mich,
min kint, uü gip mir keine vrist,
wan ez reht unt billich ist,
750 daz die ein Itp wären ie
noch dehein minne nie verlie,
daz die 8ln in einer not
unt Itden samt den grimmen tot"
"Judei, vil grimme diet,
755 du bist, diu den t6t geriet,
mtne mäge, Juden liute,
wes schönet ir min hiute,
Sit daz ir mit grimmer hant
mtn liebez kint erhangen hänt.
760 tuet an mir den selben tot;
748 d kint, gip mir deheine vrist 756 min gesiebte, Jaden iinte.
754 OJudenvolc, ein grimmin diet, 760 tuont mir onch denselben tot
747. 8. *fac ut ego ipsa nnne moriar tecum, qne te ad
mortem genui.' Germ, 17, 23-J, I. 2. 747. fehlt I, ere] erhöre 2>. dich
G, 748. Kint myncs gib 2>. 749—53. *at qui nna vita yixernnt et
uno se amore dilexerunt una morte pereant.* Germ. 17,234,4.5.
749. gar nnpiileich CB. 750 — 53. Daz ich sterbe kint mit der Daz ist
myn sin und m>Ti ger />. 750, Dar B^ Wan 6'. die] wir alle, 751. Vn
noch G, dhain C, kein BI^ die G^ die ein H, liebin verliessen nie /.
752. die] dein C\ dit G, si /. in keiner (k ist radiert) By meinen G.
753. allentsampt CB, samcn B, mit ain ander /. grimmen fehlt CI^
bitern G. 754 — 59. *0 Judei miseri, o Judei impii, nolite michi
parcere, ex quo natum meum unicum crucifigitis.' Germ, 17,
234, 5. 6. 754 — 56. AVante die Juddesche diet Ilabin groiszen mort ull
nyt An dir begangen hüte B. 755. todo riet /. 756. magen C, 757.
War vm — min nit hüte i. ir Juddeschen luto B, 758. ir mir mit
BC, grimme G. Sint ir mit uwer grymmigg taid (: haid) B, 759. zartes
BC, erschlagen L 760—67. ^et me crucifigite aut alia qnacnm-
que seva morte perimite, ut tantum cum filio meo simnl
finiar.' Germ, 17, 234, 6—8. 760. So thut mir an den B.
74S. enkeine H, kainen frist vm dich und dann für den fehlen-
den V. 747: 0 kind du bist min genist 1. 754. Kein dbsatz HI, 0 (^
initiale) fehlt G, Juden] In dem H, volc] weih G, der grimen gmiet /.
756. Mit gesl. G, in den lüt H,
UNSER VROUWEN KLAGE. 229
wan daz leit ist vor aller not,
daz ich sterbe unt doch enmac
niht sterben, öwg, bitter tac!
nd henket mich zuo im dar:
765 ich bin diu muotr, diu in gebar:
oder tuont mir anders, swie ir weit:
ich bin nach dem tode erquelt
waz sol mir armen muoter vrist,
stnt mir min kint erhangen ist.
770 er stirbet niht wol eine:
nd toetent mich gemeine
mit Jesd, wan ich iuch des bite,
unt rechent iuch an mir da mite
(ich bin diu in gebar unt truoc),
775 so hänt ir mir getan genuoc."
''0 süezer sun yil guoter,
sich an dtne muoter,
763 niht sterben, ach, vil biter tac. 775 so hknt ir mir vergolten gnuoc."
a an dem ertoetet ist mtn kint: 776. 7 "0 lieber sun vil gnoter,
b siniu Clären oogenschtnentblint Jdsus über dtn mnoter.
772 mit mtnem sun, wan ich des bit.
761. Wan fehlt D, dis /. ist mir vor />. leit fehU H. ttber alle /.
762. stirbe BCI, gern st, G, doch fehlt G, unt doch niht mac HL D. i.
nicht gesterbin mag D, 763. Owe jemerlicher t. D, 764. Höhet mich
BC. al dar G. 765. binz H, 766. Ader 2>, Aid H. anders fehlt —
wai ir wollet D. 767. Wan ich /. dem] syme D, verqaelt iT, enquelt
C, 768. 9. *Cur ergo post filium mater vivit in dolore?* Germ.
17, 234, 8. 768. armer H. muoter] magen 1, keyne D, 769. mir fehlt
D. 770—75. *male enim solns moritur.' GermAI, 234,8. 771. Nu
fehU BCy Ir B. algemaine C, alle gemeine B, 773 steht vor 772 2>.
772. wan — iuch fehlen — daz D, 773. amir G, fehlen BC, mit
GEL 774. unt in tr. H. en trug uH gebar 2>. 775. ir uch gerochin
gar 2>. 776 — 85. 0 fili care, o benignissime nate, miserematris
snscipe preces: desine nunc matri esse durus, qui cunctis
semper fuisti benignus. Germ, 17, 234, 13. 14. 776. Kein absatz
CD. 6 fehlt BC. sun vil] und o D. 111. Nu siech D.
763. Nit G, fehlt HI. vil] we 1. 763 a. b vgl. 588. 9. BC. 763 b.
scl)inent] die send /. 775. gevolget H. genük GHI. 776. Kein absatz
HI. [0] iesv vil g. G. 111. J^us] Svn G. dino H.
230 MILCHSACK
geruoche dieh erbarmen
ont trcBste mich vil armen.
780 wis mir niht so herte
ze dlner hinyerte,
wan du min einer tröst bist
Ifi mich sterben äne vrist^
ich bite dich, hSrre min, als £;
785 wan mir ist we unt aber wß.
ziuch an daz criuze mich zuo dir:
ach, herzenliep, des hilf du mir.
ichn weiz waz süezer möhte sin,
dan sterben an der slten dtn.
790 mir wart nie, kint, so bitter not,
so überlebe ich dlnen tot
ö ach, min zart, war sei Ich gän,
ach, wem sol ich dich län?
782. 3 wan du min einer trdst nü 792. 3 ö ach, mtn liep, war sol ich
bist gäO)
8Ö 1& mich sterben ane vrist. wem sol ich dich, mtn vröade, lan
778. Ruche H, Rieh A, Tun i. 779. Vn frawe G, Über AH.
vil] die G. 780. Bis AHL als B, also G, zu D, 781. An A, hene-
ferte D. 782. myn eygen D, nu min A. 783. ersterben BCD, 784.
bitt ACH. dich fehlt G. here min H^ her A^ h>e aber D. min
lieber here /. 785. aber fehlt BC, Mir ist noch dir worden
we D, we vnd schwere i. 786. 7. Suscipe matrem tecum in
crucem et vivam tecum post mortem semper. C^erm. 17, 234,
15. Zuch mich an daz crutze hir Und thu eync sad*n frütschafft mir
2>. 786. Ziuch mich 1. daz) dich G. mich fehlt GL 787. Ach fehlt
BC. hertzes liep A, lieber herre GH. das AI. hilfe mir H. 788 — 91.
Nil vere dulcius est michi quam tc amplexato in cruce com-
mori tecum, et nichil ccrte amarius est, quam vivere post
tuam mortem. Germ. 17, 234, 15—17. 7SS. Ich enweisz (waiss ff)
ACDGH, möht besser A. Ich wais nichtz des bösscr möcht sin /.
möcht gesin H. 789. Wan BC, Denn HI, Danne G. an] bi BGH. sythe
D. 790. enwart D. kint nie A. kunt BCDGH. so bitter] söllich H.
791. SO] Und CH, Vnde B. Sol ich über leben A, Als das ich ttber leb
L 792. Absatz BC 0 ach] Owe BC Ach liebes kint D. kint BC.
793. Ach kint mins (Herzen lip BC) wem ABC. Ach wie hastu mich
gelan D.
782. Sit 1. ainger H, ainiger /. nü fehlt I. 783. So fehlt ff. 792.
Owe ach H. han G. 793. dieh fehlt IT, nun 1.
UNSER YROUWEN KLAGE. 231
dfi W8ßr mtn vater unt min maoter,
795 dfi W8ßr min bruoder, Jgsfi guoter,
dfi W8ßr mtn yriedel minnecllch
unt ouch min Spiegel wünnecltch,
dfi w8Br mtn kint, mlns herzen tröst:
nu beltbe ich armiu ungetröst.
800 ich muoz ein armer weise sin
so ich dich, rater min,
unt dich kint verliure:
elliu gnade ist mir tiore.
ich mac niht sin muoter me,
805 wan ich niht kindes hän als e.
ich muoz ein armiu witwe sin,
so ich dich verliuse, yriedel min.
wer sol mich troesten, so ich dich
796—98 dfi wier min briatigam vil 801 — 4 sd ich den zarten vater min
zart, unt muoter dich yerliure:
dem geltch an stteze nie niht elliu gn&de wirt mir tiore.
wart ich mac niht sin ein muoter md.
dfi w«r min kint unt al min 807 so ich verliuBe den yriedel mtn.
trÖBt.
794 — 99. *Ta micbipater, tu michi sponsns, tu michi filins»
omnia tu mich!.' Germ. 17, 234, 17. 18. 795. steht vor 794 G. unt]
du wert A. 795. jhüs dtt gttter A. 796. freud A, fredo D. minnenclich'
ßC. 797. ouch fehlt A. spieg.] zart BC^ kint D. wunnenclich* BC.
798. mtn kint fehlt BCD. mines BCD. lost D. 799. Nu bin D. Ich
arme blibe nu vng. ^. 800 — 811. 'nunc orbor patre, viduor sponso,
desolor prole, omnia perdo.' C^^rm. 17, 234, 18. 800. arm Ä 801.
yeriiese yater min BC^ freud min A. Sint ich lieber herre min D,
802. 3 fehlen D. 802. Diu tot ist mir worden snwer (sower C) BC. 803.
mir worden tiwer (tewer C) BC, 804. enmag A. nit mutt* Bin (heiszen
mnt* D) me AD, 805. Sint D. han nit kindes A. 806. eym arm weise
8. D. 807. Seit C, Sint ß, die freud ^, kint BCD. 808. swen
ich BC.
796. 7 fehlen H. 796. gmachel zart /. 797. Den nie g. an schöni
wart 1. 798. alle H, aller 1. min fehlt L 801. yerliys den yater G.
8i>2. dich yerlorn han G. 803. Aller gneden wirt ich an G. 807. yer-
livz G, yerlüre H, verlttr /. gmachel /, suoe M.
232 MILCHSACK
verliube, Jcbü minueclich ?
810 an dir verliuse ich, swaz ich hän
unt allez, daz ich ie gewan.
mir tuot not, daz ich trüric bin
nach dir, wä sol ich kSren hin?
wer hilfet mir, wer gtt mir rät,
815 so jsBmerlich als ez mir stät?
sol ich niht Uden, kint, mit dir
den tot, so rät doch, herre, mir.
bedenke, got, min armez leben:
wer sol mir nfi trost geben?"
820 ^An den selben zlten
stuont ich bl stner slten.
809. 1 0 yerliuse, bmoder minneclich . 81 8—20 dem elliu dinc Bint miigelioh
ich verliase an dir, swaz ich hän. bedenkCi hdrre, selbe dich."
'Ze disen selben stten.
809. J68Ü] kint D. 811. ich fehlt G. 812—15. <0 fili mi, ultra
quid faciam? Ve michi, ve michi, fili mi! Quo vadam, caris-
sime, nbi me vertam dilectissime, quis michi solacinm, qnis
michi consilium subsidiumque praestabit, benignlBsime?'
Germ. 17, 234, 19—21. 812. tuot] ist D. 813. kere i>. 814. Absatz E.
mir wer] und D. 815. iemerliclien AG^ kümmerlich D, kimerlich /. so
G. mir] ume mich D. gat AI, 816—19. 'Fili dulcissime, omnia
possi bilia tibi sunt: si non vis ut moriar tecum, michi sal-
tem relinque aliquod benigne consilium.' Germ. 17, 234, 21. 22.
Sl(>. niht fehlt G. trut H, den tot G, 817. Nit so G, dich Ay fehlt G.
817. Bedenchet C, Bedenk A, Gedengke an my vil a. 1. D. 819. mir
armen tröst nv g. BC. 820. Kein ahsatz ABCD. 820—28. Maria . Sta-
bam iuxta crucem plena dolore et merora, que solacium
ferre non poteram . et mecum stabant sorores et Maria Mag-
dalena . et cum [filius mens] vidisset me et Johannem disci-
pulum suum, quem diligebat . . . Schade p. 11, 24—26. 820. getzy-
den D. 821. bt] an D. seinen CH, syte A,
809. Verlüere HL 810. verliure H, verlür /. 818. alle i. mftglich
G, muglich iT, müglich /. S19. Bedenck i, Gedenke B. selber /. selb
an mich G. 820. Kein absatz H. Zft den /.
UNSER VROUWEN KLAGE. 233
ich stuont bl dem criuze her,
dar an hienc min kint vil sSr,
unt onch Johanns ewangelist,
825 als ez geschriben ist.
wir wären beide erstorben
unt yil nach rerdorben
von leide unt von smerzen,
der durchsneit unser herzen.
830 J^sus tet äf diu ougen stn:
dö wart sin ganziu triuwe schln.
mit weinden ougen er mich an sach:
in slner not er zuo mir sprach
^sich, werde maget, muoter min,
835 Johannes sol dtn sun sin:
habe in zuo einem kinde.
ach, muoter mtn, erwinde
823 dar an so hienc mtn kint vil sdr. 830. 1 mtn kint tet üf diu ougen stn :
828 von leide nnt euch von smerzen. dö wart stn ganziu minne schln.
834 sich, wtbes kUnne, muoter mtn.
822. 3. Beneben deme crutze sint Dar an ihesus hing my kint D,
822. here A, 823. min ihesvs ser BC, sere A, 825 steht vor 824
H. 824. By mir ouch /. Goyn mir stunt Job. D, iohannos ABCDGl,
Jobannem B, 825. Min mak (pfleger i, Ich sach H) als GHL
Als ez gentzlich geschr. i. B, Als geschr. was und ist A.
826. waeren peiden C. Wir beide waren gest. A. verdorben /.
827. Vfi gar (ouch B) vil GB, Und in anmacht na D. nahe A,
nache G, er storben /. 828. lyden D. vnd ouch von BC. 829. Der da
durchsch. .^. unsz 2>, vnsere /. herzet. 830— 34. 'Tunc filius meus
jam anxius in crace, oculis et vultu michi annuens, de
Johanne ait, qni patiens erat et multum tristis et semper
plorans *Mulier, ecce filius tuus.* Germ. 17, 234, 22—24. 830.
Absatz B. 831. Dar D. sin] mir B, libe By lieb C. 832. Mit fehlt A.
weinenden BBI, weinnnden C Mit wainent (Weinende A) er HA. ane
H, fehlt BCBL 833. syne noden B , minen nöten H. 834. libe BC.
mvter maget BGB. fyn B. 835. nn sin H. 836. 7. Und sal din plegen
vort als ich Werde mut' an den halt dich B,
823. so fehlt L sere B. 828. avch fehlt H. 831. Und sach an
mines hertzen pin /. 834. wibe liebe /.
234 MILCHSACK
unde lä dtn weinen stn.
nim stn war reht als mtn.
840 du weist wol ich bin darumbe kamen,
daz ich wil allen sßlen frumen,
dar zuo wart ich von dir gebom:
nfi ist gestillt mtns vater zom.
die sein wil ich behalten:
845 ich wil nieman verschalten:
wie möhte anders erfüllet stn
diu Schrift? da von so Ude ich pln
Yür allez menschltch kOnne.
836 — 39 a alsob erspr»che,muoter, f lao mir unt der miltekeit
maget, 840 du weist, ich bin dar nmbe
b von mtner marter wis nnyer- kumen.
zaget. 842 ich wart mensch ze dir gebom.
c zartiu muoter, reiner l!p, 845 die vor mir warn verschalten,
d du bist ze weinene als ein wtp. a mit mtnem zarten blnote^
e du habt zo vil barmherzikeit b Maria, maget gnote.
838. din groiszes w. Z>. 839. Dv nim BC. Da mnst dich entraden
myn Z>. 840 — 48. 'tu scis qnia ad hoc veni in mundum, de te
carnem assnmpsi, nt per crucis supplicium salvarem genus
humanum . quo modo igitur implebuntur scripture? Scis
enim quia opportet me pati pro salute human! generis.*
Germ. 17, 234, 25—28. 843 steht vor 840 A. 840. wie ich A. dar ztt
gebom ABC. Darauf noch ein vers Swaz sele sint verlom BC. 841.
D. ich den wil allen fr. Dar vmb bin ich (pit ich dich C) von himel
kvme BCf D. ich wol manifj^r sei sig fr. B, Allen betrnbeten seien zu
fr. D. 842 — 15. Die von myn' pin sollen w'den erloist Unde da von
haben gnade ufi troist D. 842. gebom] genununen A. 843. gestillet AGB.
mines GBL vatters BL 844. selan B, sele B, sei CG. 845. nieman] im C.
846. änderst i. 846 — 18. Wie mochte die schrifft erfollet sin Dan von
myn' martel und pin Die ich lyden vor menschlich könne D, 847. ge-
schrifft ABL da von ich lid pin L 848. alle B. künde L
836—39. 'ao si diceret '0 mater dnlcissima, mollis ad
flendum, mollis ad dolendum.* Germ. 17, 234, 25. 836a. ob fehlt
G. vnd magti. b. An — bis /. c. maget B. e. erbarmherzikeit BL
f. unt ouch der BL 842. ze] von BL boren G. 845. von BL ver-
salten G.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 235
dar nach sol ich mit wHime
850 erstan unt erschlnen
dir unt den jungern mtnen:
daz geschiht an dem dritten tage.
lä yrouwC; muoter, dtne klage.
dar nach sol ich ze himel vam
855 mit den engelltchen scharn
zuo mlnes vater tröne:
da sol ich leben schöne.
ö muoter, lä dtn trüren stän,
wan ich die seien runden hän
860 unt mlniu lieben schsefelin,
diu lange irre gewesen stn.
der mensche lange was yerlom:
dar zuo wart ich von dir geborU;
daz ich aleine disen t6t
865 Ifde vür der werlde not.
858 — 62 vrouwe, lä dtn trüren Btkn, daz lange irre ist gesln
liebiamuoter,wanichyandenhän unt lange wile was verlorn,
mtn herzeliebez schsefeltn, 865 Itde viir al der werlde not.
849 — 52. ^Die namque tercia resiirgara, tibi et discipulis
meis patenter apparcns.' Germ. 17, 234, 28. 29. 849. wil ich mich
wünnc B. S50. 1. Hcrsten vnd dir herschin (erschinen BCH) Vnd auch
den Jüngern min (minen ECB) ABCB. S50. vfl oueh /. 85t. ivgcrn G,
langer /. 852. Da G, beschicht i. 853—57. ^Desine flcre, depone
dolorem, quia ad patrem vado et ad gloriam paterne maje-
statis percipiendam conscendo.* C^rm. 17, 233, 29. 30. 853. vrou-
we] zarte BC. Dar umo lasz D. Laus müter frow /. muoter fehlt D.
din ABl^ dinev BC^ diner G. 855. engdlischen BC^ engelschen AD,
cngelBchlichen BL 857 steht vor 856 BC, 856. In BC. vatters AL
857. saltu D. sitzen DI. 858. Absatz BC. 0] Dar nme D. stan] sein
CD. 859. sele 5, sei C. Ich rausz lyden diese pin D. 860. I fehlen D.
860. Vnd auch myn liebe Ay Min vil Üben BC. 861. lang ir A. gewaren
sin BC. S62. Vor den menschen der was v. D. 863--65. SMoritur
unns, ut inde reviviscat totus mundus.' Germ, 17, 234, .h*2. 863.
Dar ume — ich fehlt D. 864. 5. D. i. diese martel und noid Wil lyden
vor dez menschen toid D. 865. Liden solt A. aller C, fehltA.
858—62. *Immo congratulari mich! quia nunc inveni ovem
erroneam quam tam longo tempore perdidi.* Germ. 17, 234, 31.
32. 858. Frow iT, Frawe min C, MÄter /. dln fehU G. trure B. 859.
Wan mitt miner marter ich /. vunden] von dir G. 86 t. ierig Bl. ge-
wesen G. S62. i6t G. 865. Litte i, £nphieng G^ Enphag B. aller Gl.
236 MILGHSACK
war umbe missevellet dir
der tot? ja hat der vater mir
geboten, daz ich trinken sol
der martel tranc, daz kumet wol
870 den seien, die da sint gebunden
von den boBsen hellehunden:
den wil ich ze hilfe kumen.
m!n tot sol manger sSIe vrumen.
da von, vil liebe muoter mtn,
875 Maria, lä din trüren sin.
ach, herzenliebe schoene maget,
habe ein herze un verzaget,
lä dtn weinen über mich:
ö stteze muoter, troBste dich.
880 wan swie der tot mir angesige
unt swie ich im underlige,
867 — 73 a daz mtn vater hat gebe- e daz tranc, daz er mir besohlet,
ten mir f dö er mich sande erloesen
b unt daz im so wol gehaget: g mangen sünder bceaen.
ü daz lä dir liep sin, maoter, 874—79 fehlen,
maget 880—82 folgen nach 886—91.
d wie wiltü, daz ich trinke niet
866—68. Nit missevalle dir dz ich trinken sol Ä, 867. Min — ja] na
D. 869. marter trank der BC, stedt wol D. 870. Die 2>. 871. Mit BC.
bosin D, fehlt BC. 872—75. Die wil ich losin muter myn Dar ume lasz
frouwe din weyne sin D, 872. ze staten BC. 873. allen seien BC,
874— S5. *Noli fleremater, noli plangere specioslssima mater:
non te desero, non te derelinqno, tecum snm, tecum ero
omni tempore, scilicet si socundam carnem snbjaceo impe-
rio mortis, secundum divinitatem snm f ui et ero Immortalis
et impassibilis. Germ, 17, 234, 35—38. 875. weinen BC. 876— 9J
fehlen D. 876. hertzliebe A, herzen lip (hertzenliep C) vil BC. 879. 6
fehU BC. 8S0. Wan fehlt BC, Vfl G. swie fehlt A. an mir gesige
BEI. angesigt G. 8S1. swie fehlt AI. daz ich BC, von im HL
im avch vnder gelieg C, in der erden lige A.
866—73. 'Quod placet deo patrl, quomodo tibi displicet,
mater dilecta? Calicem quem dedit mich! pater, non vis nt
bibam illnm?* GJ^w. 17, 334, 33— 35. \i. A^^z fehlt HI. ^Aao H. behagt
HI. c. muoter] raine H, d. Wie fehU I, e. vor (vs 1) beschiet HL f.
z& lösen /. g. Binder /, svn der G,
UNSER VEOÜWEN KLAGE. 237
des soltü dich niht missehaben;
wan Bwie daz ich nü werde begraben
doch wil ich niht vergezzen dln,
885 wau ich wil iemer mit dir stn.
dfi weist wol wie ich bin geborn:
dfi bist erwelet unt äzerkorn
vor allci- creatüre.
min tot ist dir ze süre
890 worden unt wiii; dannoch me.
dir ist nach mir we.
ez ist ztt daz ich kere wider,
von dem ich kumen bin hernider:
daz ist min vater here,
895 zuo dem ich wider kere.
dar mäht du niht schiere kumen
886 — 91a ö ssßlec vor allen wtben, ich wil doch immer mit dir sin,
b dtn weinen lä beliben. noch enwil nimmer vergezzen dtn.
c du bist mtns tdds ze 8§re er- 892—95 folgen hier,
komen. 896. 7 dar enmaht du, muoter, noch
d du weistwol wannen ich bin komen. niht komen,
883 — 85 wan swie ich nü werde be- swie ich ein wil dir werde be-
graben, nomen.
882. dich des nit A, 883. Vfi BC. 884. so wil A. mag C. 885.
bi BC, 886—91. *Bene scis unde processi et unde veni: quare
ergo contristaris si illuc ascendo unde descendi?* Germ. \1,
234, 38. 39. 887. erkorn B, 889. dir worden svre BC. 890. Worden
fehlt BC. dannoch] auch A. 891. we vfl we BC. 892—95. *Tempus
est ut revertar ad eum qui me misit.' Germ, 17, 234, 39. 40. 892.
nü kere A. 893. Absatz H, ich fehlt G, ich bin kom. hern. D. 891. ist
fehlt — herre G, Von myme vater also du wol weist D, 895—937. In
syne hende befeien ich myen geist Rieff he mit luder stymme Von
des todes grymme (vgl 994 — 997) Da körte ich mich trurig dar Ich wolde
mynes kindes neme war Ich siech synB lip bleich und fall Min hertze
von dem jamer quäl D. 895. wil ich w. keren G. 896-901. *Et ego
quo vado, non potes modo venire, venies autem postea.'
Germ. 17, 234, 40. 41. 896. Dar nach soltü schier k. A.
886 a. Absatz GL 6 fehlt Gy weil die initialen von hier an nicht
mehr ausgeführt wurden, c. ze hart B. d. wannan Gy war vm /, wie
B. 883. Vnd wie das ich w. b. /. wird G, 885. Vnd wil (wil fehlt H)
LH, immer G, 896. Dar (Da hin /) mäht ül. 897. enwil G. wird R.
238 MILCHSACK
swie daz ich dir werde benumen
ein wlle; iedoch soltü dar
kamen mit der engel schar:
900 da soltü iemer mit mir sin.
Maria; lä dins herzen plu.
die wlle sol Johannes dln
mit triuwen pflegen, muoter min.
er Bol dir dienen in alle wls,
905 reht als ob du sin muoter sls.
er sol mich des geniezen län,
daz ich in ie geminnet hän
unt euch von herzen minne.
Johannes, liebiu minne,
910 sich an dlne muoter
unt bis ir pfleger guoter:
dfi nim ir war, diu mich gebar:
898. 9 doch soltü schiere komen dar, a der ist , dem ich getrinwe wol,
d liebiu muoter, diu mich gebar. b der dtn mit triuwen phlegen boI.
900. 1 fehlen. 904 er sol dtn phlegen in alle wts.
902 die wtle sd sol phlegen dtn 909 a Johannes, mtn vil guoter,
903 Johannes, liebiu muoter mtn. 9t 1 fehlt.
897. wtird genümg A. 898. doch Ä. 901. lasz A^ fehlt C. dines B.
hertzens^. 902—8. ^Interim Johannes, qui est nepos tuus, repu-
tabitur tibi filius et curam habebit tui et ipse erit tibi
solacium fidele.' Germ. 17, 234, 41. 42. 903. Phlegen liebe m. m.
C. 904. 5. fehlen BC. wise : syest A. 905. Reht fehlt 1. ob fehlt G.
»06. Es /. dich G. des fehlt H. 907. allwege ^, gar C, ser /. lieb
gehöbt /. 908. Vnde noch BC. von hertzes gründe /. Gar mit gutem
sinne U. 909—15. Iterum Johannem intuitus ait ^Ecce mater
tua: ei servias, curam illius habe, eam tibi commeudo. Sus-
cipc matrem tarn, immo magis suscipe meam.' Germ. 17, ?34,
42—235, 1. 909. lieber A. lieber frainde /. Darauf noch ein vers
Johannes Jvnger gvter BC = II. 910. nu din A. Du pflig wol diner
m. /. 911. fehlt BC = //. 912. Vnd nym A.
898. Och G. 899. 0 (0 fefät 1 ) zartiu magt HI. 902. so pfleg /.
903 b. Er H, Das er /. mit triuw.] alweg /. 904. in fehlt G. allei /.
909 a. mtn] du /.
UNSER VEOÜWEK KLAGE. 230
b! was mtn muoter, daz ist war,
DU sol st dln muoter stn.
915 pflic ir rehte als mtiu"
Der Worte was ein ende.
s! wunden beide ir hende.
ir Ungemach was also gröz,
daz von ir ougen vlöz
920 der zäher vluz als ein bach.
st swigen beide^ ir keinez sprach
ein wort; st enmohten niht
reden von der angesiht,
diu st an im sähen,
925 dö im begunde nähen
der swaere unt der bitter tot.
da von wart gröz ir herzen ndt:
st wurden bleich, gel unt val.
913 st was mtn maoter unz al dar. st swigen beide, irdwederz sprach
915 nü phlic ir rehte als mtn. ein wort; st mohten reden niht
920—23 der träher vluot, ein michel von der swsßren angesiht
bach. 927 da von was gröz ir herzen ndt
914. Vnde sie sol BC, sie wol A, si onch /. 915. Dv solt ir
phlegen reht a. m. BC. 916. Kein ahsatz Aä, 916 — 60. ^Hec pauca
yerba dixit. Johannes autem et ego lacrimas. fundere non
cessabamns : tacebamns ambo, quia pre dolore loqtii non
poteramus. Audiebamus Christnm loquentem voce rauca
et ipsum videbamns panlatim morientem, nee ei poteramus
respondere verbum, qnia videbamus enm jam quasi mor-
tuum.' Germ, 17, 235, 1—5. 916. Kein äbsatz A. der was BCL 91b.
nngeliabe w. so BCB, 919. da von Hl. ier zarten (reise G) aug. CBG.
wasser flosz A. 920. Die zeh' waren grosz als e. b. A. 922. Nie ein A.
924. 5. fehlen A. 924. im] ir herren H. 926. Die A, Der vil bitterlich
t. H, 927. D. V. ir hertz leide n. A. 928. gel fehlt BC,
913. nnz alle dar Hy bis hieher /, vnze her Wan sie hat grozzen
herze ser G, 915. wol /, wol recht G. al (?, als onch iT, als si /. 920.
trähen vluz H. vluot] blftt /. 921. beidiv G, fehll H, weders 7, ein-
wederz U. 927. swär irs H, herze GL
240
MILCHSACK
930
935
940
ir herzenliep hienc vor in sal:
b! sahen stnen lip bleich:
dö was geswigen ir vrüudeu leich.
ir quäle was so nianicvalt
da von des libes ungewalt,
s! beidiu wären also tot
von der bitterlichen not,
diu st an ir herzen
Uten von dem smerzen,
als s! ein swert durchstsBche,
da von ir herze braeche.
s! wären beidiu äne kraft:
diu quäle häte si so behaft,
daz ir iewederz durch daz mort
mohte geleisten stimm noch wort.
doch swer ez rehte merken wil,
929 — 43 wan ir liep hienc vor in sal
(930) Bt sähen stnen itp vil bleich,
(931) da von ir kraft vil gar bcsweich.
(933) von des Itbes ungewalt
(932) ir leit daz was eö onanecvalt,
(942) daz ir dwederz durch daz mort
(943) mohte geleisten stimm noch
wort.
(940) st wären beidin äne kraft:
(941) der smerze häte si so behaft
(934) daz si wären also tdt
(935) von der biterltchen ndt,
(936) die si tniogen an ir herzen.
(937) si wurden gwar des smerzen
(938) als si ein swert durchstseche,
(939) da von ir herze breche.
929. lac BC, ward in A, 931 steht vor 930 Ä. 930. ir liep gar
bl. Ä, 932. was fehlt C, 933. Do 6^ Daz B. 935. Vor C. angest vü
[von spätere^' hand übergeschrieben) not B. 937. Liden BC. 93S. Sam
BC. Als ein schwert das du'ch sie stech A^ Also ob mich ein swert
steche D. 939. Unde durch myn h. br. D. 940—43. Also hatte mich
die quäle behafift Daz mir entging macht ufi crafift Ich enmochte ge-
leiste stymme noch wort Da ich ersach den groissen mort D. 041. sich
also A. gemäht ABC. 942. ir] ich C. yetweders nit bringen moht A^
keines mohte bringen BC, 943. Von dem munde das doht (munde wort
noch stimme B, munt wart geswingen C) ABC. 944 — 53 fehlen D.
944. Do C. erkefie A.
929. Wan fehlt U. sin lyb /. 930. lip erblichen /. 931. vil] in Hy
was /. entweich H, entwichen 1. 932. daz fehlt H. so fehU 1. 942.
entweders (weders moch I) von vorcht BL 913. Möchte gelisten G,
Oeben weder/. 940. Absatz B. 941. sd fehltl. 934. als /. 935. iemer-
lichen /. 93(5. Den i. iren ly dem G. 938. si fehlt I. dftrch steich G,
durch si stach /, stäche H. 939. Unt da H. breich Gl, zerbräche B.
UNSER VROUWEN KLAGE. 241
945 8Ö gienc Marien näher vil
sin marter, als ez billich was,
wan sl in truoc unt sin genas.
da von sd gienc ein scharpfez swert
besunder darch die maget wert
950 so vil so sl in minnet me,
85 vil was ir wirs unt w6. —
waz sol ich iu nü m6 sagen
von dem jaemerllchen klagen,
daz diu werde maget leit,
955 dö ein swert ir sgle sneit?
wan ir herze was so wunt,
daz diu zunge noch der munt
künden niht entsliezen,
noch fiz gegiezen
960 nach des herzen grimme
mit Worten noch mit stimme.
954 daz diu maget an mäze leit. niemer möhte entsliezen.
957. 8 daz ez diu zunge noch der munt
945. marie AI^ Maria H. nahe als vil A. 946. als] wen /. Als es
billich was die martel sin A, 947. stn fehlt G. vnd genasz sin A, 948.
sd fehlt BC. 950. also Ay als /, nnt H, st fehlt H, lieb het /, meinte
H. 951. so was H, vli aber we G, 952. Absatz GL Uch AI, fehlt BC.
nü fehlt 1, mer nu H. md fehlt BC. 953. den C. 954. 5. Und smertzS
den ich arme leid £yn scharpes swert myne sele zu sneyt D. 954. diu]
si C. reine BC. 955. ir ein G. durch ir A. ir] die G^ ein C. sei
(sele B) dvrch sneit (ver schnaid 1) BCHI. 956—61. fehlen D. 956
Vnd ir hertz w. s. sere w. /. 957. diu] si C. 958. Kvnde -ß, Chunt C.
959. Noch künden (vollen BCy kain hertz /) vsz gegiessen (giezen
BCH) ABCBI. 960. Von i.
954. Die Gy Dan /. diu] si — mazen H. 957. ez fehlt I. die
sele vn och den m. G. 958. mag /. Nach 961 hat G noch folgende
verse: Der megde quäle waz al ein Daz ir kint zartes vfi vil rein Waz
zewishen zwain morderen Erhangen als er were Ein havpet aller
diebe erkant Ir einer ze der vinstem haut Begvnde sin avch spotten
Er sprach bistv gOtes svn So erlöse vns mit dir von der not Dv benim
vnz den bitern tot Ze dem sprach do mit swero Zc der ander siten
der Schacher Svs hanget er . . si in der selben not Fvrchst dv nit den
waren got Er bestraft in minneclich Vn sprach do riwedich Jhvs
B<*ltri(ge inr gwehteht« der lUatfohen ipraolM. V. lÖ
242 MILCHSACE
Dö daz geschach, dö sprach also
au dem criuse JSsus 'Sitiö'.
mich dürstet spricht ze dintsche daz.
965 st buten im durch ir haz
ezzich, mirren, gallen, wln:
dar an wart ir unsselde schln.
er bot den süezen munt aldar:
dö er der gallen wart gewar,
970 dö wolde er sin niht trinken m&
der Juden spot tet im we.
st spotten sin mit schalle,
die i-tchen unt armen alle,
st sungen unde ruoften,
975 si tanzten unde wuoften,
st sprächen Vaer du ie got,
ganc herabe lä dtnen spot',
962. 3 Dd diz beschach, dö sprach 967. 8 dö wart ir biter ntt wol sohtn.
also er bdt stnen munt aldar.
der lebende bninne 'Sitid*. 970 er weite stn niht trinken m6.
972—92 fehlen.
962—64. Post hec sciens Jhesns, quia omnia consummata
sunt, dicit ^Sicio*. Germ, 17, 235. 962. Kein dbsatz AD. so B,
Damach sprach er aber da D. 963. J^sus fehlt D. 964. dnrst C. sprichet
G, sprach C\ ze dutsche 2>, zv düte BCy ze tüten G, ze ttttsch /, in
tütsch B. zU tütsch sp'chtdas^. 965—70. erat autem yas positum
plennm aceto et currens vnas [implens spongiam aceto et
circnmponens calamo] dabat ei bibere, vt cicins moreretar.
et cum accepisset acetum, dixit ^consummatum est'. Schade
p. 11, 30—32. 966. gallcn mirren /. nnd win B. 968. den münt süsse dar
A, 969. der] den C. ^'ii)—Sb fehlen B. 970. sin fehlt BC. 971. der tet ZT.
tet fehlt — vil we G. 973. Die armen Jvden alle BC. 974. 5. wnften
: ruften BC. 976. würt A, wurde BC. 977. So stige her (Du steikch
herabe C) vü BC. din A.
here gedenke min So dv körnest in daz riebe din Ach in welher mil-
tekeit Got sprach für war si dir gcseit Daz dv mit mir frivnt min
Solt hivt in dem paradvse sin : : . : : : oder gesach. 962. [P]o dizze
waz ergangen do G. 963. Sprach also der G. 967. ir] sin GB.
bitter mit B. bitterkalt /. 968. sinen reinen m. G. dar /. 970. sin]
ir J. l^'ach 971. folgen in G noch diese verse: [£]r sprach consvm-
UNSEB VBOÜWBN KLAGE. 243
unt ander Scheltwort genuoc
sprächen st, diu er vertruoc
980 mit gednltigem herzen
in allem stnem smerzen,
dö er sin bluot von im göz
unt daz wazzer nider vlöz
von ougen unt von slten.
985 In des j&mers ztten
sprach er ^nü sol ende stn
der vil bittem martel mtn.
doch, lieber vater, ich bit dich,
an mlnem ende erhoBre mich,
990 vergip den genzltchen,
die mir jsBmerltchen
mlnen lip hän benumen.
min ende ist nü kumen:
ich bevilhe in die heude dtn
995 minen geist, lieber vater miu.'
dar nach ruofte er grimme
993 — 97 a Dö der gotes sun der zart (994) er sprach ' in dine heode
b durchmarteret unt durchquelet (995) bevilhe ich, vater, minen geist:
wart (995 a) des beger ich allermeist.
c als er selbe wolte (993) nü ist ein ende miner not
d vür uns unt sterben solte: (993 a) unt nähet mir der swsere tdt*
e zeleste an sinem ende (996) er mofte durch die grimme
980. gedvltiklichem BC. 982. Do daz bl. v. i. doz BC, 985. Kein
äbsatz ABC, 986. ein ende BC, He sprach nu nymt ende myne pin
D. 987. D. bitterlichen marter m. BC, Susz musz die schrifift irfollet sin
D, 968—1008 fehlen D. 988. bit ich B, 990. V. in gar vil getrtiweklichen
A. 991. mich C. 992. haben B, genumen C 993. end das ist A,
995. Min C. 996. Absatz BC do (so C) rief BC mit gryme A.
matum est Daz tvtet iwers arges ist daz lest Nv koment vfi hant
(hant am rande) voilebracht Swaz ir zem ir hetent gedacht (vgl v.
1052. 3.) Ir vindent nit me sachen Von der ir mir mvgent gemachen
Vber dizze voilebracht wort Qvalen pin vö schänden hört 993 a— e.
fehlen HL e. Zelesten G,
16*
244 MILCHSACK
mit einer grözen stimme
in jüdeschem ES[% M\f
unt lamasabacthän^.
1000 daz sprichet unt bediutet sich:
min got, mtn got, wie hästfi mich
Verlan^ den dfi unsehuldic weist?
sus ruofende liez er den geist.
Zuo der grözen stimme^
1005 Ton des leides grimme
dd er so bitterlichen schrei,
dd reiz der umbehanc enzwei,
der da in dem tempel hienc
der sannen schin yiI gar zergienc,
1010 der himel wart tunkel var,
der liebte tac vinster gar:
(997) des töds mit lüter stimme. 1008— 13 der in dem vrönen tempel
999 UQt ouch lamasabactany. hienc.
1004. 5 Mit dirre grözen stimmCi der olären sannen schtn zer-
von des sdres grimme. gienc,
der himel dar wart vinster var,
998. ivdesh G. heloy heloy /. 999. lamasabathani Ay oveh lamazabany
(lamazabarany C) BC. 1000. D. spricht in tutsch sich H, 100t. wem BC.
war vmb lassest mich A, 1002. Geloun /, fehlt A, 1003. Also^, fehUH.
rüfifenden G^ fehlt BC, von im den BC, Mit dem rieffen gab er vff den g. i.
Dann noch zwei verse Mit herzz' zcher flute Svs endet ihvs der gftte G.
1004—21. tunc velum templi est scissum in duas partes a
summo nsque deorsnm, et terra mota est, et petre scisse
sunt. . . Schade p, 11, 36. 37. 1004. ICein absatz ABC. vil grözen
(grozzem C) BC, 1006. so fehlt BC, biterlicb /. erschraig H. 1007.
sich der L Der vmb hanck spielt sich e. A, 1009. schin] sein C, vil]
do BC, verging A, Du vMoisz die sonne eren schin Von der bittem
martel sin D, 1010—15. fehlen D, 1010. der wart B, gar A, 1011.
steht nach 1013. C fehlt A, Und der Hecht C,
995. Enphilh ich vater min ende Und ouch min (minen /} wer-
den geist HI, 995 a. D. begert min herze all. HI, 993. a. fehlen I,
Vgl 925. 6. 996. den grimmne G, 997. Gar mit Inter H, lüter] mit
grosser /. 999. lamasabaktani G^ 1. zabachtani H^ 1. zabatoni /. 1004.
Kein absatz GBL Ze d. grosse J?. 1005. Vnd von I. tode» BI, 1008.
dem fehlt G. vrone C, vordem B, 1009. ver gieng /.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 245
der mäne unt die sternen dar
wurden tunkel, daz ist war,
dö st s&hen sterben Grist,
1015 der himelrtches wunne ist.
diu erde erbidemet unt erschrac
an dem jsemerllchen tac,
an dem gotes kint erstarp,
dö unser vröude gar verdarp.
1020 die steine rizzen gar enzwei,
dö got die grözen stimme schrei.
Wer mac gesagen daz,
wie Marta dö genas,
daz ir herze dö niht brach,
1025 dö st mit ir ougen sach,
(toi 2) der mäne unt daz geBtirne gar unt erbidemede elliu erde
(1011. 13} wart tnnkel unt der liehte von Kristes töde werde.
tac, 1019 fehU.
1014. 15 fehlen, 1020 die starken steine sprangen
1016—18 wan von stnem töde er- enzwei.
schraci 1022 0 ach, wer mac gesagen daz.
1012. Sterne BC, 1013. tryrick BC, Darauf statt des fehlenden
V. toll. Vmb jhm auch der enget schar A, t015. des himels BC.
tote. D. e. erbebete über all Da von erwegete sich berg nfi tail D.
1017—19 fehlen 2>. 1017. Als an — vil iem'l. A, 1020. 1. Ely ely myn
kint schrey Von noden riszen die steyne antzwey Von den selben
jemerlichs Sachen Hatten die wissagen vorgesprochS Und in der alden
ee geschreben Daz wart da folliglich getreben D, 1021. grosse /, grim-
men G, Do got an dem krvce (chreutz C) schrei BC, 1022. Kein ahsatz
ABCD, We wer BC. mochte follen sagen 2>. 1024. Daz er er — en-
brach 2>. 1025 — 28. et ipse centnrio glorificauit deum dicens
'vere filius dei erat iste homo: ecce quomodo elementa
Christo conpaciebantar.* Schade p. 12, 4. 5. 1025. ir fehlt G,
Von dem gronssen vngemach Vnd si sach mit iren ougen TOchtern von
syon das söllent ir getonben /.
1012. Die — daz] des /. I0t3. fttnster /. 1016. Wan er H. Von
gotes tod gar e. /. 1017. elliv G, gar diu HL 10 IS. fehlt H, Da dis laid
der werde L 1020. stark.] härten — spielten i. 1022. Kein dbsatz L
0 ach] Doch H, mac] möcht /.
246 MiLOaSACK
daz sich über Cristes tot,
der da bienc von bluote rot,
erbarmet himel unt erde.
5 Bchoeniu maget werde,
1030 dö was dir w6 unt aber wd,
dö von dir vlöz der zäher 86.
dinen jämer niemii gesagen kau,
er st junCy alt, wtp oder man:
er mtieste gar an wortn verzagen,
1035 der dtnen smerzen wolde sagen,
wer solde niht h&n ungehabe,
sd die töten fiz dem grabe
muosten sich erbarmen
über J6sum den ril armen:
1040 die tot wären manic jär,
die wurden lebendec, daz ist war:
1026— 29 a die töten von dem grabe 2 dö leit st gröz ungemaeh,
enstän. 1032 daz niemen gesagen kan.
b hie spriehe ich vürwär äne wan, 1034. 5 er mtieste an werten gar
1030 ir was vil wä unt aber wd, verzagen,
103 t wan st durch vlöz ein biter so, swer ir smerzen wolte sagen.
1031, 1 dö st dafc leben sterben sacb, 1036—47 fehlen.
1026. cristus AD. noid 2>. 1027. 28. Unde über synS bittem toid
Unde über mich viel armen Niemät wolde erbarmen 2). 1027. da] vor
ir BC. 1029—39 fehlen D. lo29. Vil BC. C. 1030. la — aber
fehlt BC. 1031. vloz dir BC. 1032. Sinö A. 1033. Ez BCH. wer
G. junc alt fehlen BC. alt fehlt H. frow /. 1035. iamer A.
1036—46. et monumenta aperta sunt, et multa corpora mor-
tuorum qui dormierunt surrexerunt, et exeuntes de monn-
mentis post resurrectionem eins [venerunt] in sanctam ciui-
tatem et apparuernnt mnltis. Schade p, 12, 1—3. 1037. Do A.
1040. vor manige BC.
1026 a. grab erstan (vff stan /) HI. 1026 b. sprich ich ane wan
flir war ane (ich sun der /) wan Gly sprach vtir mich gar ein wan H.
1030. Dir H. 1031. Wan fehlt 1. durch si vloz Hl. grosser bitter H.
1031. 1. daz] des 1. den lieben H. 1031, 2. st] ir hertz /. vil grozH.
1032. daz ges. G. 1034. an fehlt H.
UNSER VEOÜWBN KLAGE. 247
st wolden des geziugen stn,
daz diu wärheit würde schlD,
daz er wsere gotes kint,
1045 dem elliu crSatiuren sint
undertonic iemer m6.
da mit was Marien w&
nfi stuont e!ij nfi riel sl nider:
s! sprach 'owe nü gwint mir wider,
1050 ir Juden, min yil liebez kint.
swie ir unbarmic sint
ir hänt an im volbräht,
des iu zuo im was gedäht
noch hoerent mich, die muoter sin,
1055 unt sehent an mlnes herzen ptn,
minrent mir min ungehabe,
loesent in von dem criuze abe,
i04B,9 st BtQont, st saz, si riel dft 1051 wanalmtnherKen&chimbrint.
nider. 1054. 5 noch hoerent dasjemerlich
b1 sprach 'ach, noch gebet mir gebet,
wider. daz mnoter durch ir kint ie tet.
1043 sieht vor 1042 2>. 1042. Dez sulden sie 2>. des] sin A. ge-
zenck BC. 1044. wer C, was A. 1045. creatare Bj creatur 6', creatner
A. 1046. Gehorsam und uuderthan Die wolden mit eme lyden hau 2>.
1047—51 fehlen 2>. 1048. Si stvnt vfl viel (viel und stunt C) dar nider
BC. 1049. ow6 fehlt BC. 1050. vil lieb.] zartes G. 1051. doch un-
pannit C, Wie das ir nü vn erbarm hertzig s. A. 1052. nu an eme
vollinbr. D. 1053. Daz tich^. zuo im] lange 5, fehlt C. Daz (Des/)
ir zu eme hat g. 2>/. 1054. Doch A^ Dez D, 1055. Vnde BD, fehlt
A, an fehlt BC, miner sele A, 1056 — 61. 0 karissimi mei, nolite
eum tarn cito tradere sepulture. Date illum misere matri
sue, ut habeam illum saltem defunctum. Germ. 17, 235.
1056 — 87. fehlen BC, 1056. groz vngehab G, not 7. Sprach sie mit
leides ungenach Da sie den toden korper sach 2>. 1057. 8. fehlen I,
1057. L. sinen lip herab A, Darauf noch ein vers Unde bestadet en zu
dem grabe D.
1048—9 fehlen H, 1049. gient mir noch w. /. 1051. al fehlt —
ganz nach i. 1054. Nv hörent G^ Ach hörent noch /. 1055. durch Gj
vm /. getet GL
248 MILCHSACK
minrent sd vil mtne not,
daz ich doch habe tdt,
1060 den ich anders niht enmac
haben. öw6 jämers tac!'
AlsQB stuont diu maget hßre
b! dem criuze sSre:
s! stuonty er hienc vil unbekant
1065 s! wolte in rüeren mit der hant
wie tet d6 diu süeze:
si ergap sich fif ir rtteze,
s! stuont vom fif den zShen
durch daz s! möhte genehen
1070 unt rtteren ir kindes Itp,
daz vor ir hienc als ein diep.
si bot fif ir hende hSre
si wolde in rtteren als6 sSre.
1059 daz ich min kint habe also tot. 1068 b! stuont enbor üf den sdhen.
1060. 1 den ich nie lebendec haben 1070—75 unt gertteren ir liebes kint,
mac, daz vor ir hienc tot unt blint
8Ö Wirt geheilt mtos herzen slac. s! bot üf ir hende guot,
1064 st sach ir kint tdt ant geschaut. swie daz st were ungemuot,
1058. 9 fehlen D, 1058. Minnert G, min G, mir min Ä. 1060.
Des Äy Wan D. mag A, 1061. dwd] oder A, Owe jemerlicher t.
D. 1062. Kein ahsatz ADHl. Also ADL ser 6, rain /. 1063.
Vor C, Under 2>. vrone cruce GH, her C, swere D, crütz stund sie
sere A, krUtz ir fröd was klain /. 1064. Er waz er kint gar unerkant
D, 1065—93. post hoc erexerunt cum cam maximo labore, et
fuit adeo alte suspensus, qnod nusquam eciam pedes attin-
gere poteram. Schade p. ic, 35. 36. 1065. be rieren /. 1066. si da
1, si so G. sie thet die 2>. 1067. gab /. vff die /, an die D^ gar der
G, der H, 1068. voran A. 1069. Dar vm daz /. genehem A, Ob si
mochte dester baz G. 1070. 1. fehlen D. 1072. ir] die 2>. sere A. 1073.
fehlt A,
1059. hab min kint /. 1060. Das /. nie fehlt H, nit /. lebenti-
gen Gj lebent /, lebent niht H, gehaben H, 1061. ge hallet 7, gerin-
ger t H, mines Gtil. slac] klag /. 1068. den] die B. Vf die zechen
enbort si sich dvrch daz G. 1070. Unt fehli G, berieren /. ir vil G,
res lieben /. 1071. hieng wund an dem wind /. 1072. vf hohe die h. G,
UNSER VROÜWEN KLAGE. 249
daz Bähen yrouwen unde man,
1075 daz s! in wolde grifen an.
st umbevienc des criuzes ast,
daz uns truoc des heiles last
daz was ir ein gr6z ungemach,
daz st in vor ir hangen sach
1080 unt doch Itttzel sl vervienc,
wan er ir ze höhe hienc:
st mohte niht gerüeren in.
dö yiel st vor leide bin
in unmaht von gerden
1085 si erhuop sich von der erden,
swie si mohte; unde trat
hin wider an die selben stat.
d6 st ez versnobt genuoc
unt st doch lützel vOr truoc,
1090 ir hende sluzzen sich hin wider
(1075) nnt wolde in so ergrififcn hän da von viel st vol leide hin
(1074) daz sahen vronwen unde man. in unmaht. doch von gerde
1077. 8 der uns truoc des heiles last. si erhuop sich von der erde.
daz was ir ein ungemach. 1807, 1 [ob noch dia muoter stieze
1080—85 unt do'ch lützel vervienc, 2 bertteren möht stn vüeze]
wan er ze hoch enbor hienc. 1089. 90 unt ez s! so lützel vürtmoc,
st mohte niht berüeren in. des sluzzen sich ir hende wider.
1074. 5 fehlen D, 1076. Absatz H, ast felüi G. 1077. uns] da 2>.
1078—81. fehlen D. 1078. auch ein groszes A, 1082. 3. Sie en mochte
en begriffen nyt Sie waz irstorben zu der zyt 2). 1084. Sie viel in u.
zu d' erdin 2>. 1085. S. hub sich widder uff die werde D. 1086.
kum si macht H, si da mocht /. 1088. Absatz BCG. st] die C, ez
hatte Dj das ABC. v'svchte BC, 1Ö89. doch] daz C, vil B, getrvc B.
1090. sluzzen sich] boid sie 2).
1075. Vfl C, Si B. so ser H. 1077. vns da G. 1078. ein]
ouch /, ouch gar B, 1080. Vfi doch daz so Iv'zel G, Unt si so 1. Hy
Vnt es si 1. I. daz verv. H. 1081. ze fehlt 1, dar vber G, ob ir /.
1082. Doch mocht si niht II. 1083. Dar umb v. s. von leit da hin
HL 1084. doch] da /. gierd /. 1085. HÄb si sich L 1087 a. b fehlen
H, 10S7b. Möcht gerieren die f. /. 1089. s6 fehlt — wenic H, vür
getrfic H, ver trüg /. 1090. Des (Da /) sloz si ir HL
250
MILGHSACK
8t viel yon unmaht aber nider.
also lac diu reine maget
von herzen leide gar verzaget
st bot sich aber ze Criste.
1095 Ach got; wer rehte wiste,
d6 man den griultohen spiez
ir kinde durch stn stten Btiez
unt er im durch daz herze wuot,
dö daz minnecltche bluot
1100 unt wazzer von dem herzen vlöz
unt allenthalben nider göz,
waz leides dö Maria sach
an ir kinde unt ungemach^
wie w6 ir ze muote was:
1105 ez was wunder, daz st gnas.
ir tet wirs solhez leben,
1092. 3 fehlen.
1094 unt rihte sich aber ze Criste.
1095 Ach got, der rehte wiste.
1098—1100 unt er im in das herze
wuot,
unt dd daz minnecltche bluot
mit wazzer von der wanden vlöz.
1102—6 waz leides unt weih unge-
mach
diu muoter an ir kinde saoh:
wie wd unt ach wie wd ir was:
iuch mttht wundern wie st gnas.
ir tet vil wirs solhez leben.
1091. St] Vfl GL vor BCly in DG, amacht C. aber fehU
i, wid* C. 1093. Vnd (Sie waz D) von ÄD. leide D. vnv'zaget
A. 1094—97. fehlen D, 1094. Doch bot sie sich Ä. 1095. Kein ahsatz
ABC, Owe wer BC. 1096. Daz C, im den G, freiszliche A. 1097. stn]
die G. 109S. 9. Da eme nsz deme hertzen wut Sin myfiecliches rode
blut 2>. 1099. das vil m. A. 1100. daz w. von eme fl. 2>. 1101. Das es
all. A, anderhalben BC. doz BCD. 1102. Unde waz roaria leides sach
D. 1103. irem kind (ires kindes BC) vng. ABC. 1104—15. Da die erde
wart nasser Von binde und von wasser Da von dem crutze nedir
reisz Daz waz eres kindes blut ufi sweisz 2>. 1104. Vil we BC. ir ze
muote] nU ir A. 1105. Ein ygliche mag wünd*n A. genas ABC. 1106.
wirser solichea A. Ir was oveh wirs BC.
1094. aber fehH H, wider yff 1. 1095. Kein absatz GHL wer L
reht ebenwistZT. 1098. in fehlt G. 1099. da des /. menschlich J7. 1100.
Untw. ^. 1102. unt] wn G. welhes H, was /. 1104. aoh] och H. wie
wd fehlt L 1105. Man G. Mich wundert i. wol wundem H, ie genas
I. 1106. wdrsser B. solichea /, söllich B.
UNSER YBOUWEN KLAGE. 251
dan ob b! Isdge gar ergeben
des libes in selber n6t
Ton der Juden hende tdt
1110 Nfi hoerent, reiniu herzen,
boerent grdzen smerzen,
boerent von der maget guot
dö st sach ir kukies bluot
an des criuzes aste
1115 nider vliezen vaste^
d6 kuste st daz criuze b£r.
ir berze was ir also sSr,
daz st die erde kuste,
wan von ir kindes brüste
1120 gevlozzen sd yil bluotes was.
acb sebent, wie st ie genas,
gedenkent elliu herzen
an ir grdzen smerzen,
ir quäle unt an ir ungemach,
n08 des Itbes in geltcher not. f mit blnote gar bevangen,
niO — 18a 80 grdz was ir begerde, g dö st die erde kuste.
b daz st kuste die erde, 1121—24 nü sehentwiest ie genas,
c da stn blnot was gevlozzen. unt gedenkent, reiniu herzen,
d ez bäte st gar durchgozzen den vil grdzen smerzen
e ir was munt unt wangen unt daz vil gröze ungemach.
1107. Denne BCj Denn HL wer gelegö— v*geben ^. II 10. Kein
absatz A. Nü fehlt Ä. IIU. gröz.] von dem BC, 1117. ir fehU BC.
UlS—2\ fehlen D, 1118. auch d. erden ^. 1119. Da i. vor iT. 1121.
Evch (Auch C) mak wundern wie BC. ie fehlt BC. 1122. her an
alle 2>. 1123. An dor maget (magde C) sm. BC. xm—tl fehlen D.
Vgl. 1102. 3. 1124. an fehlt BC.
b. D. ir munt kuste (kust i) HI. erden H. c. Daz H. hin gefl.
HI. d. Eiz G. Ez hat so fUr si (Vnd die erde /) gar heg. HI. e. Ab-
satz H. was fehlt HI. ir wang. HL vn ach (ach ist übergeschr.) die
wange G. f. Waren mit bl. so gar b. H. g. die] der G^. 1121. Es
was wunder wie /. ie feMt I. 1122. Nun ged. /. 1123. An den L
1124. an das grous L
252 MILCHSACK
1125 daz s! an ir kinde sach.
lät iuch die maget armen
unt onch ir kint erbarmen,
weinent mit ir, schrtent ril,
unt lät durch got der vröuden spil,
1130 sint Jesus, daz guote guot,
durch iuch vergozzen hat daz bluot
s6 weinent üf die wunden stn:
sin minne ist iu worden schtn.
habent mit Marien ungehabe
1135 unt gänt mit ir zuo dem grabe
unt hoerent waz st da begienc,
dö st in von dem criuze enpfienc.
0 ach, Marta, maget guot,
wä ist der sin, wä ist der muot,
1127, 1 weinent mit ir, sehent ir leit nnt onch stn milte herse entslöz.
2 UDt ir herzen biterkeit. 1133 unt ongent im der minne schtn.
1 1 28—3 1 weinent unde schrtent vil, 1 1 36. 7 troestent st, des bedarf st wol,
hänt mit ir untrdst äne zil, wan st ist alles leides vol.
stt er durch iach stn bluot vergöz 1139 w& ist der sin nnt der mnot
1125. Die BC, st] maria i. 1126. Laszcnt A, arme A, erbarmen
BCH, 1127. Vnd iren snn vil armen BCH. 112S. er eres hertzen leid
2>. 1129. 30. fehlen 2>. 1129. laszent A, der fehU A. 1130. Sid' jhs
durch ach hat das g. g. A, der svze (guetC) got BC. 1131. hat v*gozzen A.
v'gozzen hat (vergoz C) sin blnt rot BC, Er kind vor ans den toid leid
2>. 1132. So fehlt L Sie weynete 2>. über A. 1133. warden C. An
eme ist ans word. seh. Der troist der waz v'slozzen gar Mangen tac
unde manch jar 2). 1134. mit fehlt G, maria 1, Her ame habet mit er
u. 2>. 1135. Unt fehlt ABCL ir hin ZT/, dem herren BCj ir den herö
A. dem fehlt A. 1136. dsL fehlt BC. 1138—49 fefäen D. 1138. Kein
absatz Hl. Ach AH, 0 we BC, 0 /. maget fehlt BC. 1139. der sin
w& ist] nn C, fehlt B.
1127, 1. mit ir] vnd /. 1127, 2. Und onch irs HL Zu 1130. 1 vgl
1622. 3. 1130. Sit daz er sin biftt dvrch vnz goz G. 1131. Uut dnrch
iuch sin H. miltin fehlt HL 1133. im ttwer liebin /. 1136. wan des
H. 1139. der] din HL vfi onch (wa ist H) din m. IH.
UNSER VROUWEN KLAGE.
253
1140 w& ist daz herze alsd starc,
wä ist der Itp, wä ist daz marc^
wä ist ieman so steinen,
der II fi niht müge weinen,
swer rehte wil gedenken
1145 unt in sin herze senken
d!ne quäle unt dtne not
unt dtnes lieben kindes tdt,
der mtleste mit dir trüren hän
unt euch der werlde vröude län.
1150 ö Jesu, minne minnecUch;
1 141. 2 wa ist diu kraft unt daz marc,
w& ist der mensch sd steinen.
1144 der rehte wil gedenken.
1146 dln weinen ant dtne ndt
1147, 1 weih herze sol nit werden
weich
Bwenne ez gedenkt wie dir ent-
weich
dtn Itp, dtn kraft, din herzebluot,
dd du vor dir daz guote gnot
5 unt ouch dtn herzeliebez liep
siehe vor dir hangen als ein diep.
wir sint durch die dtn kint so
hienc,
da von dtn reinez herze enphienc
leit unt grözen smerzen,
10 der sol in mtnem herzen
immer md gar niuwe stn;
mir ist dtn minne worden schtn,
der nie noch nimmer wirt geltcb,
6 Jäsü, minne minnecltch.
1148. 9 fehlen.
1150—52 Ö JSsu, got minnecltch,
1140. also fehlt H. 1143. nü] ietz 7, fehlt Ä. niht fehlt — mocht C.
1144. bedenken i^i. 1140. Die ^C, Iren ^. vfi die (ir^) ^C^. 1147.
Vmb C deins C, ires A. vil üben Bj liebes AH^ svzzen G, 1148. ir
A, vngemach B^ ungehabc C. 1150. Kein ahsatz ABCD. 1150 — 57. 0
süsser jhus mynneclich Wer hilffet mir daz ich vor dich {vgl. 706. 7)
Werden begraben zu der erden Daz m3me8 leides ende werden i). 1150.
Ö fehlt H. 0 jhs min kint m. A.
1141. unt] wa ist /. 1142 folgt nach 1143 G. 1142. der] daz H.
also /. 1146. liden i, we H. 1147, 1. Wes HI. 1147, 2. Wer ged. H.
Der recht wil gedeocken wie ir e. /. 1147, 3. hertz din blüt U. Ir 1.
ir kr. ires hertzeu pl. /. 1147, 4. du fehlt G, si /. dir] ir /. 1147, 5.
ouch dtn] ir I. 1147, 6. Sach 1. ir 1. hange G. 1147, 7. Absatz H.
Maria mir sent vin der wegen din /. so] ser H, er /. 1147, 8. Do din
GB. vil reines Gy gut J7, fehlt I. hercz ze laid H, hertz gros laid /.
1147, 9. Leit fehlt HL vil (so H, ouch 1) groz. GHl. 1147, 10. Daz
GH. 1147, 11. AI wegen nUwe s. /. 1147, 12. Dir G. diu] din iT.
div minne G^ der liebin /. 1147, 13. Der nimer me wirt g. /. 1147,
14. fehlt I. minne] herr H. 1150. Kein ahsatz HL got] Criste H, fehlt
L minecli minneclich G.
254
MILCHSACK
dlner minne wart niht glich,
die dfi uns erzeiget htet:
st bant dich an des criuzes ast.
ach, Yttrsten kiut, ö reiniu yruht,
1155 min herze muoz des jämers suht
äno tröst mit smerzen tragen
unt dich mit dtner nmoter klagen,
ich bin der sünder, werder Crist,
durch den dfi ermordet bist
1160 gotes kint, wie sol ich dir
vergelten? JSsfi, sende mir
dtn minne diu betwinget mich,
die du mir erzeiget hast.
1153, 1 6 aoh bsDte ich dich dö ge-
sehen,
80 müeste ich managen heizen
trehen
von minne h&n gegozzen:
ich müeste h&n entslozzen
5 mlnes herzen hertikeit
ö Jesn, sUeze 8«likeit
1154 6 yttrsten art, 6 reiniu vmht.
1156 &n erzenle mit smerzen tragen.
1160. 1 ei gotes kint, du gseb dich mir.
wie Bol ich nü vergelten dir.'
1161, 1 du hangest bleich, bl6i
unt val.
gröz ist vor dir der Juden schal :
st spotten dtn, du betest gedult:
du bist erhangen &ne schult.
5 (1 1 58) ich bin der, vil werder Crist,
(1159) durch den du ermordet bist
ich sihe der engel sunne
unt der vröuden brunne,
ich sihe Jdsum den guoten
10 erslagen mit den ruoten:
1151. nie niht BC. gelioh B. 1152. gezeuget ^. 1153. St] die
liebin i. bant] haut dich herhengt Ä, hiengen dich BC, des fehlt L
1154—56. Vgl. Wolfr. Wh, 60, 21—23. 1154. vttrsten] min BC. 6J vil
BC, 1155. Mine Q, 1157. dich] doch C. dtn. muot.] hertzen A, 1158.
Du bist Ä, der] diu BC, werd Ä^ eyn* 2>. 1159. ermort BC^ also erm.
A, gemartelt 2>. 1160—77 fehlen D. 1160. £y gotes BC,
1151. Die liebin zwinget mich ser Lob vnd danck sag ich dir her
L 1152. Vmm das du /. mir eirst erzeigest h. G. 1153, 1. Vnd het /.
1153, 2. herzen tr. G. 1153, 3. liebin /. 1153, 5. bitterkeit i7, erbarm-
herhertzikait /. 1053, 6. siessikait /. 1154. art] ak ark G. ö] aoh.
fürst und ouch reiner H, 1156. smerz.] jamer /. 1160. 0 /, 0 du
H. gäbt Hl, gib G, 1101, 1. Daz du — bleich fehlt U, 2. was L
3. hast H, 4. hast gelitten /. 5. ouch der H. ouch der herr ihesu
crist L werde G. 6. Vmb — wund geworden /. 7. sunnen (: brunnen)
H. 8. Aller wunne br. L 9. Ich sihe/^A// — vil gut H, 10. Zersl. H,
Geschl. /. den fehlt L
UNSEB VROUWEN KLAGE. 255
dtnen jsemerllchen smerzen
unt Bchribe in elliu herzen
den gpot, die schände unt den tdt
1165 unt die bitterlichen nöt^
die dfi durch uns erliten h&st.
6 süezer got, du 6ren glast,
läz UDS dich meinen
unt dine martel weinen
1170 unt dich von herzen minnen,
daz wir mit dir gewinnen
unt enpfähen die kröne,
die dd wilt geben ze löne
allen den, die hie minnen dich.
1175 dar an erhoere, hSrre, mich.
Nu hoerent alle, ob ir weit
dd sus Marta was erquelt,
s! was noch b! dem criuze da.
Joseph von Aromathiä,
1180 ein edel Jude als wir lesen,
er 8t&t vor mir wnnt unt sdr, des st gelopt der werde Crist,
er neiget ouch stn honbet h§r 20 der aller sdlen minner ist
das leben stirbet nmbe mich. 1162 — 75 fehlen,
ö säle mhi, erkenne dich 1176—78 M merkent, kint, md, ob
15 unt sich an dtne werdikeit, ir weit
die Jdsns hat an dich geleit. dö sus ermordet unt erqnelt
er stirbt, daz du n iht sterbest m6 : was diu arme Mart&.
daz dir s! wol, s6 ist im w@.
1163 steht vor 1162 BC, 1162. Den bitterlichen BC, 1163. in in A.
allen BC, 1165. bitterlich Ä, iemerlichen ßC, 1167. svrer B. gast
Ä. 1168 also meinen BC, 1169. marter BC, 1176. Kein absatz A,
1177. Da M. also was A, verquelt BC, 1178. sasz 2>. nach A^ nos C,
fehlt D, da] na 2>. 1179. Vnd ios. A. aramathia^ Armatbia H, 1180.
edeler^. alsoD. man hört 1. C, wir hören 1. B, wir sagent unt lesen iT.
11. 12 fehlen H. 11. wnder G, vor ver wnndet ser 1, Nach 12
Mit dorn ward das be krönet 0 got wes hat das ver dienet 1, 13.
Absatz U, 14. mich G, ib. Des ist dir w. G. D.d. so wol ist und im
so we H, wol dar vmm laid er we /. 19. 20. vgl. 1 1346. 7, // 1192 c. d
und 1382. 3. 20. sele G, minner] leben L 1176. Kein absatz ü. kint
fehlt HI, wellent /. 1177. sas] sich L er quellet i, verquelt M.
256 MILGHSACK
der undertsenic was gewesen
unsers harren rate,
der gienc zuo P^läte
nnt bat in vlizecltchen,
1185 mit triuwen jsemerlichen,
daz er im wolde geben
Jesum, der da hienge an leben:
er wolde in Ton dem criuze haben
unt in in die erde begraben,
1190 daz er niht hienge also mS;
wan im was nach im w&
dö der rihter daz yernam,
vil scre er des erkam:
in nam wunder, daz er was
1195 so schiere tot, dö tet er daz:
1182 J§8Ü vil tougenltchen, 1190. 1 fehlen.
1183a der gienc and»hticltcheii 1192— 99 a dd wart er von Ptl&te
b nach stnes herzen rate gewert,
c ae dem rihtter Ptläte. b des er von im häte gegert
1184—87 er bat in vllzecltchen c dd gap er im den töten Krist,
nnt oach gensedecitcben d der aller töten leben ist
umb JÖ8U8 Itp des armen e doch wundert den ribtsere,
er wolde sich erbarmen. f ob er tot iezuo waere.
1182. rat B^ gebode 2>. 1184—86. Unde bad eme geben 2>. 1184.
fliszeklich A. 1185. vil iemerlich Ä, 1186. Ob er BC. 1188—91. Er
wolde en noch ere und werden Bestaden zu der erden (vgL 1382. 3) 2>.
1188. von] ab /. Vber in vfi von G. 1189. in fehlt GB. erden Äü, erd
/. 1190. also hienge B, 1191. Wanne C. vil (so C) we BC. 1192. Do
daz pylatus vem. BC. 1193. beqvam B. V. schier er sich dez bind*
qwam D^ V. sere in das wunder nam^. 1194. er so bald D. 1195—99.
Gestorben waz und sprach du salt Myn vr*loib hau und en nach werde
Wirdeclich bestaden zu d' erden (vgl. 1382. 3.) 2>. 1195. dö] doch BV.
1182. tavgeliche Gy togendlichen Hl. 1183 a. genädenklichen HL
b. herczo H, c. pylato /. Hin herz&P. i7. tl>>4. flizzcclich GL 1185.
genedeclich /. 1186. vil dez G. den vil armen H^ den riehen /. 1187.
über in erb. H. Des niement ie sach geliehen /. 1192.a. Absatz G.
pilato GHL b. Wes H. het begert HL c. den fehlt G. d. tot] selan
H. e. Do G. f. 0 H. ietz tot w. HL
UNSER VROÜWEN KLAGE. 25*;^
er gap im urlop, daz er in
von dem criuze nseme Iiin
unt in ze dem ertrtche
begrüebe lobellohe.
1200 dö nam Joseph NicodSmum,
als saget daz §wang61jum.
der was ouch Oristes undertän;
doch durch der Juden boesen wän
unt durch die vorhte unt ir haz
1205 muoste er tuon verholn daz.
er saget im, wie er waere
gescheiden vom rihtsere.
des wart Nicodemus vro.
sl giengen zuo dem criuze dö,
1210 da sl got wisten hangen.
sl brähten mit in zangen
unde hemer Isentn
üf stigen sl die leitem hin.
sl weiten Jesum loesen abe
1215 unt enpfelhen dem grabe.
1202.3 der was ouch gotes undertän, 1210—13. da si Crist wisten hangen.
doch heimlich durch der Juden wän. st körnen dar mit zangen
1204. 5 fehlen, unt ouch mit hemem isentn:
1207. 8 von Piläto, dem rihtsere, dar an so wart ir minne schtn.
gescheiden . des wart er vil vrö. 1215 unt bevelhen dem grabe.
1 196. im fehlt B, 1200. nam fehltG, nam im iT. 1201. Also Di, Als vns
A^^oGyDfizBC. 1202. cristoi>,/ifM^. 1203. Und durch — argen 2>. 1205.
sieht vor 1204 D, 1204. Unt fehlt D, durch ir wort vü^. durch ir grozen
(den ier grozzer 67) haz BC. 1205. Müsten sie^^. Vstolu-ßC, verborgen
Ä, 1206. fragete ob er D. 1207. von dem ABCB, 1208. was — vil fro
A. 1210. iiiesum />. 1211. namen — hamir uU zangen D, 1212. 13
fehlen D, 1212. Unde] Sie brahten^^. 1213. Mit leitem stigen sie hin in
BC. 1214. Und losten von dem crutze h'abe D. 1215. enpf.] wolden en
bestaden zu D, V. in legen in ein g. BC.
1202. ouch fehlt G. D. o. got was u. I, 1203. Doch fehlt HL
durch den der G, 1207. Absatz B, 1208. was H, vil fehlt — frow /.
1210. Cristum HL 1211. Stangen zangen G, 1212. ouch fehlt L hemer
isnin /. mit gegangen als geschmid und zangen isnin H 1213. Da so
H, so] da /. Uebin i. 1215. Ynd in /. dem] in das H.
Beiträge sar ge«oblobto der dentiohen apraohe. V. 17
258 MILCHSACK
Dö Maria daz vernam,
ir herz von vröuden wider kam.
geminnert wart ir ungemach,
dö diu guote daz ersach,
1220 daz st in wolten nider legen
unt in von dem criuze wegen,
st half in, daz er kseme nider:
8l wolle in töten haben wider.
Bwes 8t mohte des half st in;
1225 des wart vil vrö ir herze ir sin.
ir einer steic anz criuze hSr,
da Jesus hienc tot unt ser,
unt zöch im üz der nagel baut
unt löste im abe die werden haut
1230 unt euch die andern dran er hienc:
ir einer stnen Itp enpfienc,
daz stn Itp der werde
iht viele zuo der erde
also s€re unt also wunt.
t217, 1 st wart starc an dem herzen iht viele an die erde,
2 unt vergaz ein teil ir smerzen. wan er was also sSre wunt
1225 wan dar an lac aller ir gewin. 1234,1 der elliu herzen tuotgesunt,
1 231 — 4 der ander stnen Itp enphienc, 2 den namen si ab dem criuze h8r
dar umbe daz der werde 3 bleich, tot, wunt unt sdr.
1216. ICein absatz ADHL 1217. zekreften G. 1218. Gemynret^,
Gemindrot H. 1219. div reine G, gesach ßCQU, 1220. Do C, Daz
man den werden degen 2>. 1221. Unt in fehlt D. in fehlt H. wolde
erwegen D, 1222. im C. 1223. haben toten (tot A) BGA. toid DHL
1224. 5 fehlen D. 1224. Was A, das AH, 1225. was ^, vil fehlt C.
hertz vn ir ^. 1 226. clam 7, fehlt D, an daz alle, hör] steig 2>. 1 227.
Do an BC, an hienc H. Der ander sich oach hon zu neig D. 122$.
Sie zogen eme D. 1229. Er BC. loisten D, abe fehlt — rechte h. D,
1230. ouch fehlt I. Dar nach die D. and.] arm H, fies /. dar an er
AGHl, die da BC, da er D, 12;u. Der eine BC. Maria in mit flisz
enpf.^. 1232. Daz der heiige lip B. d. vil werden A. 1233. It Ay Nicht
BC. vf die BC. erden AB. 1234. 5. Nu bedenket alle hertzen Den
bitterlichen smertzin B. 1234. also fehlt BC*
1217, 1. vro in H. dem] irem /. 2. Si — ein teil] gar 1. 1225.
Wan fehU L aller fehlt H. 1233. Nit GHI. viel uf HL erden H. 1234.
So blfttik ane macht so (mazenÄ) wunt G/T. 1. mentschen /. machet Ä/.
3. Vil bleich vil G. Da lag er /. tÖt fehlt H. wunt fehlt L
UNSER VROÜWEN KLAGE. 259
1235 Ach wsere allen herzen kunt,
waz Marta dö begienc^
d6 st den reinen lip enpfienc.
wan dö diu maget reine
berüeren mohte ein kleine
1240 ir kindes lip mit der hant,
dö greif st an den heilant
sl trüte in mit ir herzen lust,
sl leit stn houbet an ir brüst,
st kuste stne wunden,
1245 diu wären unverbunden.
sin Up wart gar vür sl geleit:
sl viel üf in mit bitterkeit:
si erstabet als sl wsere tot.
sl sprach 'ö not ob aller not!'
1250 die zäher nider vluzzen,
1235—37 fehlen. 1244. 5 sl trüte sine wunden,
1238 — 41 Do sin mnoter vi! reine vil tief unt unverbunden.
ir kindes Up ein deine 1249 von ir herzen biter ndt.
berüeren mohte mit der haut, 1249. 1 von der minne, diu st twanc,
mit girde greif si den heilant. 2 daz wazzer von ir ougen spranc:
1242 fehlt 1250 die trähen s8re vluzzen.
1243 b dd wart sin munt gar durch-
kust
1235. Kein absatz ABCD. 1236. Waz] Den D, manen hercze do
E. 1237. toden 2>. 1238. 9 fehlen D, 1239. Rüren A. yn cleyne E,
alleine BC. 1240. Sie ragkete uff die werden hant 2>. 1241. So BC,
Und D. gryf E, st fehlt JD. 1242. Und 2>. trückt^, druchte 2>, trvtet
B, truten C. ir] des BCE, nach erer lust 2>. 1243. uf an syne br. E.
Mit groissem jamere a. die br.2>. 1244. 5 fehlen i>. 1245. vngebunden
BC. 1246. gar] do E, fehlt B CD. gar uf geleit B. 1247. mit] vol />.
trvrikeit BC. 1248. irstarb DE, starp B, er schrack I, herbleicht A, tet
C. als (alsoD) ob AD I. 1249. o got A. owe noid über n. D. vor alle
E. 1250. trene E. nid.] von er D. guzzen E.
1238. stn] die /. 1239. liepes kint GH. ein] al G. 1241. begirde
begreif (ergr. /) BI. 1243 b. sint H. vil (so H) gar GH. 1244. Absatz
H. triutelt Ä, truret /. 1245. Vil] Gar /. unt] noch H. 1249. V. der
bitterlichen n. /. 1. Vnd von — liebi /. st fehlt H. 2. ir] den /. ir
von den oug. trang ü. 1250 fehlt I. treher G.
mm*
1 I
260 MILCHSACK
sin antlitz st beguzzen:
ir zäher vluzzen über al:
er lac vor ir bleich unt val:
der werde got, ir süezez kint,
1255 lac vor ir tot unt blint
b! kuste in minneclichen
unt zartete in süezecltchen :
siniu wange unt slnen munt
kust 8l m6 dan tüsent stunt
1260 st kuste euch stn ougen clär:
Bt sprach 4ch bin diu dich gebar',
die hende unt euch die vüeze
unt euch die stten süeze.
sl sach in an unt aber an.
1265 ich wsen nieman gesagen kan
daz wunder, daz s! da begienc,
dö s! Jgsum Tür sich enpfienc.
1253 — 55 ir kint lac vor ir ougen val : 1262. 3 stten, honde unt vüeze
er lac vor ir tot unt biint: trüte si im vil sUeze.
doch trüte si ir süezez kint. 1265 von wärheit nieman gesagen
1 258 stn ougen, wange unt den munt kan.
1260. 1 fehlen. 1267 dö si ir kint vür sieh enphienc
1251. fehlt L antlitze DE. st] eme 2>. bevlussen E. 1252—57
fehlen D, 1252. träher i, treue E. 1253. la lack krist vor in
BC. 1254. Du werder got C, got fehU A. 1255. Lac fehlt Ä. 1256.
myfieklich^/, minnecliche &, wunnenclichen i?C 1257. zarte i^', getrntet
Ay tet G, im GHL süsseklich AI, svzzecliche G. Vfi ouch vil zertlichen
BC, 1258. Wangen ABE. Sie koste en an sin. m. D. 1259. Unt kust
ü. Vor liebe me D. im me dame Gj mer wan C, me wenne B, K. si
zu der selben st. /. 1260—65 fehlen D. 1262. Die fehlt BC. 1263. seit
C. 1264. Absatz G. 1265. Ir we A, Ich B. Giemen ich ges. C. 1266.
Daz] Groisz — daz fehlt D. da fehlt BC. 1267. So C. zv ir BC, fehlt
D. geviench BCE.
nb3. fehlt G. sal /. 1254. vor ir] wuntJ^, /*^A/^ G. tot vfi bleich
vn bl. G. 1255. Dar vm C. truret, kuste H. totez B, liebes /. 1258.
Siniv G. div wange G, fehlt I. 1262. Sin sit. I. 1263. Die trütet ff.
im fehlt AB.
UNSER VROUWEN KLAGE. 261
wan saeze ich alle mtne tage
unt schribe ir vil swsere dage,
1270 die s! begienc b! dem grabe
mit vil grözer ungehabe,
ich mohte ez niht kttnden,
noch daz herze ergründen,
st nam stn hende in ir hant,
1275 diu wären ir so wol erkant:
st leit si an ir wangen.
ir sele was berangen
mit leide unt mit bitterkeit.
s! sprach 'Jesu, min süezekeit!
1280 6 edel kint, 6 vürsten bluot,
der sunnen glast, ö guotez guot,
zuo waz leides bistü mir gebom?
1267 a wan wser der himel birmit ich möhte ez niht geschrtben,
wtz ich müeste ez län beltben.
b unt sazte ich allen mtnen vliz 1275 diu wären ir vil wol erkant
1268-73 unt schribe ich alle mtne tage 1277—81 ir herze was bevangen
die vil biterltchen klage mit weinen unt mit biterkeit
(1271) Marien unt die ungehabe^ si sprach, d süezin süezekeit!
(1270) die si begie bt dem grabe, ei edler snn, d vürsten bluot,
ei bluome schoen, ö guotez gnot.
1268—99. In solicher ungehabe Drugen sie en zu deme grabe
{vgl. 1356. 7) D. 1268. Wan] Vü £. 1269. schreib C. von der grozen
clage BC. 1271 steht vor 1270 BC. 1271. Vnd von der grozen vng. BC,
1272. en mochte E. erkvnden Bj volkunden £j ergunden C. 1273. Noch
fehlt C. irs herczen ser £. nicht erchunden C» Nach 1273 noch ein
vers Ire mage noch ire vrunde £, 1275. bekant BCE. 1276. Die AGL
1277. gefangen ABC, 1278. vnouchm. Ä\ trvrikeit BC. Vast mit grossem
leit A. 1279. Vnd auch mit bitterkeit A. 1280. 6 fehlt E. edels A.
6] du E. vlut C. 1281. Der] 0 BC, glancz der mynne glut E. 1282.
laide /, leit U, fehlt BC,
1267a. Wan] Vnd 1, bermit H, b. satz C, lait H, tat 1, 1268.
min G, 1271. Maria vli ir u. /. 1270. tet in ir kindes gr. U, 1272. niht
fehlte. 1275. bekant i. 1277. wart Ä. 1278. jamer //. nr^, Absatz H.
d] ach L 1280. Eya U, fehlt 1, edel H, edelr G. ö] ach H, nach G.
vürste H, gut H, art G, 1281. 0 /. ö] ach GH. I, gotes zart G.
262 MILCHSACK
dtn muoter hat an dir yeiiorn
alle vröude, wünne unt tröst:
1285 nü sitze ich bt dir anerlöst.
ach, tot, wie dö verswindest.
daz du mich niht verslindest!
ich mein dich, breitiu erde;
daz ich bezlte werde
1290 zuo dir, wan ich kam tou dir.
tot, nd nim d!n teil an mir.
daz mich belühte niemer tac!
des bittern mers salzes smac
der müeste zuckermaezic stn,
1295 swie daz ein zäher ksem dar In
des bluotes, daz gevlozzen ist
von dlnem llbe, süezer Crist.*
^Din anblic was ein vröuden ztt:
nü hänt die Juden dich versptt
1283—85 min herze hat an dir verlorn 1295—97 ob ein bluotes träher dar tn
wünne, vröude unde trOst: koßme, der von dir, sun, vldz.
nü sitze ich vor dir unerldst. nü ligestü wunt, tdt unt bldz.
1289 daz ich enztt werde. 1299 die Juden hänt dich gar ver-
sptt.
1284. vfi wunne (wunnen E) trost BCE, 1285. Sust byn ich iamers
vn. E. vngetröst ABC, 1286. 0 we tot BC, fehlt E. vor mir versw. E.
1287—91. vgl Wolfr. Wh, 60, 28—61, 2. 1288. Ich erman dich (Vfi avch
div G) br. e. IG. J289. Weö es zyt w. A, 1290. Czu dir gemischet
wen ich byn komen von dir E, Das ich kürae zu dir A. 1291. Nv (0 i)
tot Gl, fehlt A. nü fehlt G. dinen AB, shier diu G. an] ab C, 1292.
mich fehlt G, 1293. gesmag A, Der biter mors salz sm. G, Des bittem
gesaltzen mores schro. 1, 1294. Das A, Müsz mir /. zvker süzze G,
1295. des C. zeherl BC, trän E, dar In] diu A. 1296. des B€, Nach
1297 noch ein vers Dez nym mich tot an alle vrist E, 1298— 1323 /<pÄ/«t
A. 1298. Kein absatz BCGL vgl. Wolfr, Wh, 64, 11, Winsbeckin 1, 8.
antlicczc E, antiit /. fravde G,
1284—1494 fehlen H, 1285. vnlost G, Ich sitz von dir vn getrost
/. 1289. enzit] bestatnet /. 1295. tropf /. 1296. sun von dir 1, 1297.
Diu lyb ist wunt /.
UNSER VßOUWEN KLAGE. 263
1300 ach, mtn kint, 6 bluome röt,
nü ligestd hie, vor mir tot.
von muoter wart nie Itp geborn
BÖ minnecllch, du wsdre erkorn
mir ze einer vröude unt wünne.
1305 6 keiserllchez künne!
war sol ich nü keren?
min anale mnoz sich m8ren.'
'0 edel kint, nd sich mich an,
wand ich daz niht gesehen kan,
1310 an wem ich yinden mttge tröst.
des llbes würde ich gerne erlöst,
brich, tot, min herze enzweü'
also saz diu maget unt schreL
si weinete also sSre
1315 bi dem grabe hgre,
daz diu erde unt euch der stein
von zähem gar begozzen schein.
1300. 1 fehlen, daz ich daz niht gar sagen wil,
1302. 3 von mnoter Itp wart nie geborn wan ich noch kan noch enmac.
dtn geltch. du waere erkorn. ich weiz ez was ein biter tac
1305 ach künicitchez künne. der megde herze, daz ist war;
1307 mtn smerze muoz sich m3ren. ez düht st manic hundert jär.
1308—13 st göz der träher also vil, 1315 vor dem grabe höre.
1300. Ach fehlt E, 0 liebes kint D, 1301. hie] herre E. Da swi-
gest vn ligest (leist C) vor mir (mein C) tot BC. 1302. 3 fehlen D,
1303. were du irk. E. 1304. 5. Mit groiszes jamers wonne Sprach sie o
keyserlichs könne stehen vor 1300. 1 B, 1304. Zu minor G, fravde (vreu-
den BCEI) wnne GBCEL 1306. WaEI. nü] hini. 1307. M. leid daz wil
B. Bar auf noch ein vers Daz kan d3m tot mich leren E, 1308. 9 fehlen
B, 1308. Gedenke kynt noch sich E, 1309. gesagen E, 1310. 11. Von
dem (dem fehlt B) wem ich mag (möge B) werden erlost Des todes
wser ich wol getrost CB. An weme sal ich na finden troist Daz ich
von jamer werde erloist B. 1312. 13 fehlen B. 1312. Daz er min hertze
preche entzwei CB. 1313. mater E. 1316—29 fehlen B. 1316. Daz
fehlt E. oach fehlt L der] die C. 1317. von treuen (trehem G) EG,
fehlt 1. erschain /.
1303. wer mir erk. G, 1305. künde /. 1307. clag i. nv meren G.
1309. daz] es — gar fehlt L 1310. ich en kan vnd noch 1. mak G.
264 MILCHSACR
sin Itp ouch gar begozzen was,
von zehem darchvlozzen naz.
1320 'sage mir^ süezez kint^
nä sage mir, du gar gemint,
wem 8ol ich clagen mS,
daz mir daz herze tuot so we?
sich mich an, erbarme dich,
1325 6 zarter Jesu, über mich.'
Nu sage, swer ez muge gesagen,
von dem jaemerltcheii clagen,
daz st tet : ez was so gröz,
daz ein zäher den andern schöz.
1330 da warn ouch yrouwen unde man,
der herze ouch vil s6re erkam:
s! weinten mit der süezen maget,
sl wären mit ir gar rerzaget.
st weinten, dö st in tot
1318—25 fehlen, 1330. 1 da wären vronwen unde man,
1326. 7 In der jsemerlichen clage, der herze Bich sSre erkam.
die loh in von der reinen sage. 1334. 5 st weinten Jdsu Cristi tdt,
1328.9 fehlen.
1318. bevlozzen E, wart was B. 1319. auch durch vi. C, sat naz
B. Mich wundirt daz sy ie genaz E. 1320. 1 fehlen E, 1321. Du sag
C. 1322. nu clag. E. 1324. 5 fehlen BC, 1324. vnd erbarm A. 1325.
Czartis kynt obir mich Dir mac nymant geliche sich E. 1326. Kein
dbsatz BC, Her sagiz E, wer mag nn ges. (sagen B) CB, 1.^27. den C.
1328. Dy — ez] dy E, 1329. Daz ez ovch die enge! verdroz BC, Daz
dy engil nicht vordroz E, 1330. ouch fehlt D, 1331. D. h. sere trüben
began A^ Hercze iamirs vil gewan E^ Und sahen den groissen jamer an
D. 1332. 33 fehlen E. 1332. svzze G, rainen /. 1333. St] Und DG.
alle mit ir verz. G, 1334. 5 stehen vor 1330—33 ABCE, 1334—41 fehlen
D, 1334. in] synen E, daz sie in sahen töten (taten C) BC.
1326. Kein ahsatz I. iemerliche G. 1327. iich rainen hertzen sage
i. 1330. Da fehlt G. 1331. D. hertz sere kumer gewan /. 1334. ihs
xps /.
UNSEE VROÜWEN KLAGE. 265
1335 ßähen unt Märten not
die engel waren euch da bt,
die alles leides sint gar vrl:
der was da manic tfisent schar:
si wären alle kamen dar.
1340 sl sähen ir hSrren ligen,
den swseren tot im angesigen:
si häten alle ungehabe
unt wären trüric bt dem grabe,
sl trfireten alle geltche,
1345 unt weinten bitterliche,
dö si tot sähen Crist,
der ir vröude was unt ist
unt iemer me wesen sol:
si wären alle leides vol.
1350 doch wart ir groze bitterkeit
geminnert von der sttezikeit
unt von der grdzen wünne,
daz allez menschlich künne
mit sinem töde wart erlöst:
ouch tet in we der megede not. 1338. 9 fehlen,
1337, 1 Bolten die geweinet hän? 1340. 1 sähen so jämmerliche ligen
st weinten, doch wil ich län unt den tot im angesigen.
den strlt, der da von möhte komen, 1 342—49 fehlen,
doch hän ich ez vür war vernomen. 1 3 öO. 1 doch wart geminret ir gröz leit
5 sl weinten unde weinten niht, mit tröste von der süezekcit.
dö st ir hgrren angesiht. 1353 wan allez menschlich kUnne.
1335. Sähen fehlt BC, in den nöten (noten C) BC, 1336. Absatz
BC. 1341. angeligen C. 1343. Sic A, Und gingen mit er zu d. gr. B,
1344. trurten C, dienotcn er B. alle] harte BC. glich (: bitterlich) A,
1345. Sie A. Vnde klagetten klegliche BC. 1340-49 fehlen B. 134(i.
sahen lige tot A. 1348. me] unser C, fehlt B. 1350. Doch] Vn 5, Ut C.
Doch so wart erc bitterk. B. 1351. Geminnet C, Gemynret A. 1352
folgt auf 1353 A.
1337, 2. Do weinten si doch G. es lan /. 4. ez fehlt G. 1341. an
im ge&igcn 1. 1350. ge mindrot — grosses /. Gemeget waz doch ir
G, 1351. von] vfi G. 1353. kftnne 6?, künde i.
266 MILCHSACK
1355 daz was ir vröude unt ir tröst
In der grözen ungehabe
truoc in Joseph zuo dem grabe:
er wolde in in die erde legen
unt einn stein üf daz grap wegen.
1360 daz moht Marta niht vertragen;
si begunde schrten unde clagen.
er zöch in hin, si zöch in wider;
si zöch in üf, er zdch in nider;
si umbevienc mit den armen
1365 si sprach 4änt iuch erbarmen!
sehent minen smerzen,
den ich hän an mtnem herzen,
lät mich sin genieten me,
mir ist nach im sere wS.
1370 länt triuten mich mtn herzebluot.
oder danket ez iu guot,
1355, 1 doch erbarmete st Marien leit der dö niht mohte weinen,
unt ir yil swaBre biterkeit, 1366 sehent mtnes leides smerzen.
die si an ir herze gnot 1368. 9 unt länt mich genieten mö
sähen, er waere äne mnot mine8kindes,nächdemistmirwd.
5 unt waere gewesen steinen, 1371 oder dnnket ez in harren g^ot
1355. wart BC, 1356—67. Uli ponebant Christutti in tnm-
bam, et illa trahebat illnm ad se ipsam: illa volebat eum re-
tinere, et illi volebant eum tradere sepulture, et sie erat
hec pia lis et contentio inter eos. GermAl, 2'^h, \Zh^, Kein
ahsaiz ÄBCDL 1358. Er] Unde D. erde AD, 1359. ein Gl, einen
ABCD, zu dem grab i, vf in BCD, 1360. 1. Da begunde maria
aber zu clagen Sie wolde vor leide gar v'zagen D. 1361.
weinen BC. 1362. in — in fehlen D. hin] vflf /. in w.] herwider Ä.
1363. Er — sie D. in — in fehlen AD, in] hin /. 1365. SI] Und D.
nun lant /. evch in erb. BC. 1366. Sehit an D. 1367. myme />, dem
BCG, 1368—74. Set si illum deponitis in sepulcrum, memise-
ram sepelite cum illo, quia post illum semper male babebo.
Germ, lly 235. 1368. Lasz A. gnissenl). 1369. Myme hertzin ist n. eme we
jD. 1370. 1 fehlen D. 1370. trüton C, treuten C, trevtet B, trureni. mich
trüten^. mines hertzen /. he*tzblüt^, blvt^C. 1371. Oder lieben d. -5C
1355, 1. marie i. 2. vil fehlt L 3. het an G. an irem hertzen trüg
/. 4. Wan der was ane m. /. 5. Er wer /. waeren G. steine (: weine)
G. 6. dO] nun i. 1366. leides] hertzen i. 1368. be langen /.
UNSER VROÜWEN KLAGE.
267
BÖ begrabent mich in die. erde
mit im, daz ist min gerde^
wan ich äne in niht mae geleben!
1375 dö wart dem wunden Itp gegeben
manic küssen unde triuten
vor engein unt vor liuten:
daz tet sin muoter Marjä
Joseph von Arimathiä
1380 der want in in ein stdin tuoch
mit edelen würzen^ sagt daz buoch,
unt begruop in in die erden
nach Sren unt nach werden,
dö wart ein stein üf in geleit.
1385 öwe, waz grözer bitterkeit
Marien herze dö enpfienc.
daz yolc jämers vil begienc:
si weinten mit der guoten
gotes muoter dgmuoten.
1390 st muosten alle weinen
1373, 1 dadurch liezen si ez niht sin, uf in wart ein grözer stein geleit.
2 swie gröz was Marien ptn.
1374—81 fehlen,
1382—89 si begrnoben den vil wer-
den Crist,
der aller töten leben ist.
da von enphienc vil biterkeit
der megede herze, daz ist war.
da bt was onch der engel schar,
da warn onch ander Hute genuoc,
der herze swaBien kumber truoc.
1372. So] NuD. begrabend, begrabet 2>, grabt 56*. erdö^. erde mit
im BC. 1373. im] mincm kint i. begirde A, begcrde jD. Den tot ich gerne
mit im nim BC, 1374. Wanne C^ fehlt D, mag an en nicht 2>, mag nit
on in A, 1375. den C. d. doden korper D, ihü A. 1376. Manch D, Manges
A, 1377. Vor den — vor den BC, ouch vor D, 1379. aromathia BCD,
1380. Der fehlt A, 1382. 3 fehlen BC, 1383. ere A, 1385. Owo der
groissen D. herzcnleit BC* 1386. Maria hertz Ay Die maria D, 1387.
vil da beg. A, Da sie von dome grabe ging D, 1388—1405 fehlen D,
1388. gvter BC, 1389. Marien gotes mvter BC,
1373, 1. Absatz L Dnrch das so 1, ez fehlt G, 2. so was G, 1383.
totten /, weite G, 1384. ein fehlt I, groz G, 1385. so enph. G, si vil
GL Zu 1387 vgl 1336—38.
208 MILCHSACK
wan wsern si alle steinen,
st müesten gar zerrizzen stn,
dö sl gesähen ir pln.
In der grözen ungehabe,
1395 dö st saz bt dem grabe,
vor liebe kuste sl den stein:
ir herzeminne was niht klein,
si umbevienc in unt sprach
'6we mir armen unt ö ach!'
1400 st wolde nie dannen komen,
e daz si gar hsßte vemomen
unt daz st mit ir ougen
saehe äne lougen
ir kint von dem töde erstän.
1405 Johannes kam dar zuo gegän,
Johannes der vil guote
kam mit swserem muote.
swie er vor leide wsere verzaget,
doch huop er df die reinen maget.
1392— 96 8t mühten gar zerrizzen sin, 1400—5 dö sl vil lange da gesaz
dö st sahn der megede ptn. unt sich von wärheit des vermaz,
81 sahen ir gröz ungehabc, daz st niht dannen wolte komen
dö s! saz bt ir kindes grabe. ö si die msere üSBte vemomen,
sl kust daz grap, st hiels den stein. daz erstüende ir liebez kint,
1398. 9 fehlen, dö trat zuo ir Johanns gemint
1407 der kam mit swaerem muote.
1391. Wan fehlt — alle] gewesen 1. 1392. gerizzen C. 1393. ir]
marien B, marein C 1394. Kein absatz B, 1395. saze Bj sazzen C,
139G. leit Ä, 1397. hcrtzen minne C, hertzen pin Ä, hertzlaid /. wart
nie kl. BC, 1399. ö fehlt A. 1400. nimmer BC, danne C. 1401. gar
fehlt BC. 1402. Wan daz BC. 1405. kam zu gan A. 1407. Der qvam
B. 1408. leit was AI. Von leide waz he ouch v. B, 1409. Uff hub he
die D, raine 1.
1392. St] So G, gar] alle — zerircn G. 1394. an ir gr. vngemach /.
139t). si hils G, vnd i. 1400. Absatz L 1402. wolten dannen /. 1403.
mer G, warhait /. 1404. Wie daz G. 1405. goschwint i.
UNSEE VBOÜWEN KLAGE. 269
1410 er huop fif gotes muoter,
der nie gltch unt demuoter
von muoter Übe wart gebom;
si häte ir liebez kint verlorn.
er huop st üf, wan sl was gar
1415 verdorben, bleich unt t6t var.
sl was von leide also kranc,
daz ir benomen was der ganc:
vor unmaht mohte st niht gän,
noch üf den vliezen stän.
1420 [ir meisterliche sinne,
die wisten vil der minne,
wan sl von gotltcher art
slniu werde muoter wart.
des was diu minne also gröz,
1425 daz sl der clage niht verdröz,
daz st Johanns zuo im gevienc
unt sl von ir kinde gienc.
vil clegelieh st hin wider sach.
mit vollem jämer sl dö sprach
1430 'we mir der schidunge
unt ouch der sunderunge,
diu au uns beiden hiute geschiht.
wer ist, den daz erbarme niht?
1410 — 19 a er haop üf sine maoter c st was sd kranc gar ane wan,
zart, d daz si enmohte gän noch stan.
b dernie von vrouwen glich er. wart. 1420—43 fehlen.
1410. 11 fehlen D. 1411. Der (Die C) nie gl. wart so gvter BC,
1412 steht hinter 1413 2>. 1412. Daz reyne wart von er geb. i>. 1414.
15 fehlen J). 1415. V. und auch tod gevar C 1418. gesten 2>. 1419.
den] iren BCD. gesten A, gegehin D. 1420—43 fehlefi BCD, 1424—34.
et cum me Johannes ad cinitatem ducere vellet et a sepul-
chro amouere, miserabiliter clamaui ^karissime Johannes,
non facias hanc iniuriam ut me separes a dulcissimo filio
meo! quia hie expectabo donec moriar.* Schade p. 13, 15—17.
1410 b. gelich von frawen wart /. c. so krank] vil schwach i. d.
enmocht G, nit moht /.
270 MILCHSACK
dem geschach nie liep noch leit.
1435 ö du sa^lege Gristenheit,
sich an mit triuwen dise not,
wen min kint ist dnrch dich tot
nü sich, wie d!n kempfer lit,
der versüenet hat den strlt
1440 zwischen dir unt dem vater s!n.
er sol von reht din troester sin.'
alsd schiet st von ir zart
jsBmerltchen unde hart.]
ir lieben swester wären da,
1445 (ich meine die zwöMarjä):
die hülfen gotes muoter zart,
daz st ze hüse gevüeret wart
daz ersähen yrouwen yil,
die liezen gar ir herzen spiL
1450 st sähen die vil armen,
st muosten sich erbarmen,
se begunden mit der reinen
Märten herze weinen.
st weinten äne niäze,
1444— 49 a ir swester halfen ir ze- f. von weinen unt von krankheit.
hant, g oueh köinen g^uoc vrouwen dar
b wan st diu minne dar zuo bant h von der stat unt namen war.
c st vuorten s! hin in die stat i si sähen die vil guoten
d ze Jerusalem, ein dUnnez blat k maget mit s wahrem muote.
e. mohte ir den äten hän verleit 1451 si begunden sich erbarmen.
1433. der den .^. 143G. Sichmittr.an^. 1445. Ich meynen/),/'^?^//^. zwu
B. 1446. Sie.'i. \\\%—b'S fehlen D, 144S— 57. Videbant matrem omni
solacio vcl robore destitutam, et super illam pqcius dabant
planctum quam super dominum suum exstinctum: major
erat illis dolor de matris dolore quam de domini sui morte
Germ, 17, 235. 1449. Sie A, 1451. Vfl m. ßC. 1453. vö hertzen -ri, sere
BC. Maget sere w. 1. 1454. Absatz BC\ Si) Du //, üvch BC.
maissen B.
g. Ok G, Da /. frawen gnüg /. k. muten i. 1451. Vfi begvndc
si erb. G, 1444 b. liebin L f biterkait I,
UNSER VROUWEN KLAGE.
271
1455
1460
1465
1470
die yrouwen an der sträze:
st elagten mg Marien nöt^
denne ir yil lieben kindes tot
wer solte niht geweinet h&n,
er wsßre vrouwe oder man?
Dö diu maget als6 zart
durch die stat gryüeret wart
mit 80 swsBrem muote
in sant Jöhannis huote,
vil vrouwen mit ir giengen,
die jämers yil enpfiengen.
dö tröste s! Johannes guot,
swie doch beswaeret was sin muot
er tröste sl sSre,
er huote ir libs unt 6re,
mit ganzen triuwen er ir pflac
dö unt dar nach yil mangen tac,
wan st im yerre lieber was,
den diu muoter, diu s!n gnas.
1456. 7 stehen vor 1454. 5.
1456 b1 clageten me der megde not.
1457. 1 b! sähen Marien ungemach,
2 dem nie da vor geücli geschach,
3 noch nimmer me geschehen sol :
4 st wären mit ir leides vol.
1458. 59 fehlen,
1460-77 Mit dem leide wart sl hin
gevüeret zno ir mUemeltn.
(1462—65 fehlen.)
(1470) Johannes ir mit triuwe phlac
(1471)d6untdarnuchyilmanegentac.
(1468) er minte si so sSre
(1469) mit triuwen unt mit ere,
(1472) daz si im yerre lieber was,
(1473) den diu muoter, diu sin gnas.
1455. ufifdeu straiszin 2>. 1456. D'iQ AD. m§] alle D. 1457. Danne
C, Dan i, Wan A, Unde D, vil fehlt DL liebez C, 1458. 9 fehlen D.
1460. J{ein ahsalz ABCD. 1461. Uin durcli BC\ 1462. Da ging sie un-
gemude />. 1463. sante B, sancti D, 1465. geviengen B, viengen C.
1466. 7 fehlen D, 1467. Wie swere daz were sin (seinem 6") m. BC.
1468. gar (vil 2>) sereBCD. 1469. Er hatte synes 1. e./>. unt fehlt BC.
1471 steht vor 1470 D, 1470. Daz he er mit tr. pfl. D. 1471. Daz (He
D) Btvnt darnach manige (nacht uü D) tak BCD. Er dienet ir vil A.
1472—1587 fehlen D, 1472. Wan er irvil lA. 1473. Denne B, Danne C\
1457, 1. vngehab /. 2. gelich da vor /. 3. 4 vgl. 1348. 9. 1460.
£ehi ahsatz I. 1461. zuo] da G. 1 168. Er het si lieb /. 1470. trüwen
/. 1473. Danne G.
272 MILCHSACK
er bot ir zuht unt ere;
1475 st was im liep sgre.
dar zuo bäte er guot reht:
st was sin vrouwe unt er ir knebt
in siner buote s! beleip,
da st yil der clage treip.
1480 ir swester nocb Jöbannes guot
mobten ir swseren muot
nibt getrcßsten eine stunt;
ir berze was von quäle wunt.
Johannes vtl gtu>ter,
1485 nü phlic tvol diner muoter,
si hat niht kindes me wan din;
nü tuo ir ganze triutve schin.
ir edel kint hat si verlorn,
daz äne tvewen wart gehom
1490 von ir in einer silezikeit,
des hat si leit unt uberleit.
ö Johannes, gotes trüt,
du lieze ein muoter unt ein brüt
durch liebes gotes minne,
1495 nü tuo üf dXne sinne:
sich, dir ist vergolten tvol:
du hast die der gnaden vol
(1474) er bot ir liebe nnt 6re unt (1467) swie daz er wsere ungetrÖBt,
zuht, ( 1 466) doch gap er siner muoter tröst
wan sl was aller gnaden vruht: (1476. 7 folgen hier.)
1475, 1 siwas sin mnotr unt erir kint 1478—83 fehlen,
2 unt ouch von herzen im gemint
1474. pat C\ 1475. Er het sie lip gar s. BC. 1476. so het G.
guot] zwar i. 1477. müter /. ir] sein C, 1479. Da] Daz B, Untz daz
C. gar vil clege treibe A, 1482. eine] ane C 1484. 0 Job. K, du vil
I. i486, enhat K. 1489. Der G. we /. 1491. leit] ser K, unt fehlt I.
1493. eine — eine GA'. 1494. liebe got. IK 1495. vgl, 241. Nü fehlt L
1496. Und sich /. 1497. der fehlt HL di di der K, gnaude /. Dv
bist der gn. als vol G,
1474. erbout ir ere /. 1475, 2. Si was von h. i. gemeint L 1467.
daz] doch G, war L ane trost G,
■M
\
K\ ^■
>
YBODWnf^^CULai. 273
nü ist, ie was unt immer ist.
gelobet si der werde Krist,
1500 der dir s6 vil der minne shi
erouget hat, Jdhaymes mm.
wie sol er dir der minne me
ougen? lop s% im immer me.
0 Johanns ewangelist,
1505 nü sich, wie liep du gote bist;
dar an, daz er die muoier «n
dir bevalch, da tet er schin
die minne unt der minne vltwt:
dar an gedenk, Johannes guot.
1510 nü lä st dir bevolhen rfn,
wan rf ist aller gnaden schrtn:
si ist des heiles brunne,
der werden enget sunne:
si ist der schaz, der eren hört,
1515 die dir bevalch got, gotes wort,
nü trcßste wol din müemeHn.
daz du scelic müezest sin!
du bist gar scelic, daz ist war,
nü sage, Johanns, wer ist dir par,
1520 der ie entslief üf gotes brüst
mit sd minnecRcher tust,
als du Johannes minnecHch.
ja bist du aller gnaden rieh;
dir ist diu gotes muoter
1498. Nn ist] Ist und IC, fehlt HI. was fehlt G. 1499. Gebet dir
snze er. IC. süeze B, 1500. 1 fehlen G. 1500. liebin I. stn] schia IC.
1501. Erzeuget if, Erzögt ifi. 1502. 3 fehlen I, 1502. solt B, der fehlt
B, minnen IC. 1503. Eravgen G. im] dir G. im si lof Kf na loben t H.
1504. Keinabsatz B, Johannes aüe, 1505. Nü fehlt 1, 1506. er dir die i.
1507. da] daz B, 1508. Die gnad — liebi I. minnen if. plüt G. Nach
1509 folgen noch zwei verse Er bevalch in din hüte Marien die vil
guten BIC. 1511. Wan fehlt GB. aller] gar der IC, der wnne GB.
1513. Unt der BI. werder £, fehlt I. 1514. 15 vgl. 3. 4. 1514. ist ain
I. heren if, engel I, ein G. 1515. got] des /, dat A", fehlt B, 1516.
müeterlin iTi. 1517. vil selich iT. 1518. g9x fehlt L 1519. sagen G,
Johannes GBl^ iohan K, dir par] die gebar /, din pin K. 1520. Wer
K, Die 1. 1521. also wunderlicher (wunneclioher A') /if. Als du mit minn.
B. 1522. wuuneclich L 1523. Wan du bist 1.
B««itri(ga sor gesohiobte der dtiiMoh«n ■praoüt. V. 18
/
4
274 l^LCHSACK
1525 hevolhn, Johanns guoter.
erhiul ir ere unt phlic ir tvol,
wan si ist aller gnaden vol.
swer ir ere bieten kan,
er si junc, alt, mp oder man,
1530 der sol es tvol geniezen,
wan d im tvil entsUezen
der gnaden unt der scelden schrtn:
si rvil H im nähen sin
ze alleyi zitn, in aller ndt,
1535 si lät in niht biz an deii tot.
Nu sulen wir wider kiren
unt sulen iuch vürbaz iSren
von der reiner vil guoter
Marien gotes muoter.
1540 s! was biz an den dritten tac,
daz b! vil grözer clage pflac.
[sl sprach *wer mac mir tröst geben,
8it daz mlnes herzen leben
under einen stein ist vergraben,
1545 den der himel niht mohte gehaben,
von slner grözen minne
da wart ich des inne,
do er sich nnder min herze liez,
daz in diu minn her nider stiez.
1550 der minem herzen nähe lac:
der ist der mich getrcesten mac.
daz läzet er doch niht lange stän:
1525. Johannes GEI, o vil IC. 1526. Absatz ü. Nu bud K, hdt ü,
Ir lip G. unt] nv G. 1527. Vil lieber du sigest gn. v. if,.Dat du min
lif dat stet dir wol K, 1528. Wan vferEJ, Want so we A\ erbieden IC.
1529. sf fehlt G. junc alt fehü H. frow /. 1530. ez C, sin äl, fehlt
K. 1531. wil im (in /) Kl, kan im wol ü. 1532. Die gnad u. d. gnaden
sehr. /. In ii* gnade u. in der H. 1533. im na bi JST, nach by in /.
nahe ü. 1534. In aller not (ndt fehlt /) unz (biz Kl) an den tot EIK.
1535. en lezt K. in siner (kainer /) not HIK. 1536. Kein absatz H.
1537. sul. iuch fehlt L 1538. vil rein-iT. reinen HL vil fehlt ÜK, vnd
von der guten /. 1540. untz BCHK. 1541. gar vil if. vil fehlt K.
clagcn K. 1542—53 stehen nur in A. 1547. innen ^. 1548. Do er] Das.
A. 1549. Daz] Da A.
UNSER VBqUWENr KLAGE. 275 .
er troBStet uns schier sunder wän.]
sl nam in ir gemttete
1555 des süezen Jesu gäete*
si gedähte in ir sinn^
an sin zarten mipne:
wie er äne sttnde was
Ton gebart dö si sin genas:
1560 wie er ir von gote was gegeben.
si gedähte an sin rlchez leben
unt an stne miltikeit:
wie Ton slner kintheit
er was gehorsam an die zit,
1565 daz in verriet der Juden nlt
si gedähte an elliu slniu wort
unz daz er gevangen wart
unt erhangen als ein diep:
1555 alle ir kindes güete. (1563, 1) wie milte er was ont euch
1556 — 59 fehlen. wie gnot.
1560-87 si gedäht, wie er ir was W »^ »a™ vü gar in irmuot,
gegeben (^) ^^® ^^ ^^^ ^t fsot, was gebom.
unt an Bin minnecilchez leben. W »1 bdrte nie von im storn.
si gedähte an sine mUtekeit (^566. 7 folgen hier.)
nnt ouoh an sine gedoltikeit: (1^^) ^^ ouoh erhangen als ein
diep.
1555. ihesoB^C. 1557. groze BC. 1559. geb.] ir gebom BC. 1560.
Vfi w. er V. g. ir w. gegeben (geben C) BC. 1561. reinez BC. 1562.
Aach A. an alle sine BC 1563 fehlt B. Und als uns die schrift
seit C, 1564. Ir B. Was er ier C. vntz an BC. der zyde (:nide) Ä.
Nach V, 1565 für den fehlenden vers 1562: Die in v'rieten vn v'speit B.
1566b 7. fehlen K. Ynd euch wie er wart Von der besen iuden art /.
1566. wort] vart BC. 1567. daz] tiiz B. er fehlt — wart ir hort^. Biz
daz or herre (ir, herze E) wart ermort QE.
1555. AI E. 1560—63, 2 feUen L 1560. geben E. 1561. minnec-
liche Ky wünneclich E. 1563. ouoh fehU EK. sine groze K. 1. was
fehlt K. ouch fehlt E. 2. S. n. vür sich sinen m&t (sine demut K)
EK. 3. was fehlt K. vor ir was got J?, von got ir was L 4. hörte]
hete 6^. Si hört (en horde Ky gehört E) von im] nie (nie engeinen K^
nie keinen E) zom IKE. 1568. fehlt K. Unt ouch fehXt L
18 •
276 MILCHSACK
wie er ir häte grözez liep
1570 erboteu manegez jär unt tac
unt mit waz triuwen er ir pflac.
si gedähte an alle sine not,
die er leit unz an den tot.
da von mohte si niht haben
1575 tröstes, wan er was begraben,
an dem ir heizen vröude lac.
daz leit si biz an den dritten tae
in jsemerltcher ungehabe,
biz er erstuont von dem grabe.
1580 dö muost ir leit ein ende hän;
wan niemen daz gesagen kan,
waz Bi vröuden dö enpfienc
unt waz ir scle dö begiene
von vröuden unt von wUnne;
1585 wan al der werlde künne
mohte niht gesaget hän
der vröuden tröst, den si gewan.
(1569-71) si gedähte an menic aüezez st mohte lUtzel tröstes haben,
liep, (157(>— 78 fehlen,)
daz er der werlte bäte getan: (1581— 87 a) bizdazstgarbevröawet
s! mobte niht ir weinen län. wart,
( 1564.5) wie er dar nmbe wart versptt, (b) dö ir edel kint vii zart
unt wie der armen Juden nit (1579. SO) mit wUnne orstuont von
(1 57*2-75) in verriet biz au an den tot; dem grabe.
da von was st in grözer not. dö häte ein ende ir ungehabe.
st sacb ir kint vor ir begraben:
1569. groze ^C. 1570. manic ^6'. 1572. sin ^, fehlt BC. 1577
vntz BC. 1579. Vntz BC, Bitz das A, 1580. ein fehlt C. ein leit ir
ende B. 1582. freud A. Was vrevden sie BC. 1583. Unt fehlt A.
1585. Wanne C. aller A, alle der B. 1587. Alle der (Alder C) vr. die
sie g. BC.
1569. menges H. manege suze K. 1571. Si en mobte ir weinen
nit Verlan K. ir] von 1. 1564. verspült (:nült) H. Vud wie er ouch
w. V. /. 1565. wie fehlt K. armer A', bcsen /. 1572. verrieten G^
fehlt I. unz HK. an] in L 1573. Dar af K. was grous ires hertze
not /. 1574. Absatz — vergrab. H. 1581a. st fehlt I. befrawet C, er-
fröwet m, gevrowet K. b. vilj so B. kint edel und zart K.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 277
ö yrouwe, maget minnecllch,
muoter aller gnaden rieb,
1590 des paradtses sttezikeit,
ein brunne aller miltikeit:
dfl bist der megede gimme,
der Patriarchen stimme,
des bimelriches wttnne,
1595 ein keiserllchez kttnne.
werdiu, höhe Maria,
stteziu muoter du piä,
dfl rosenrot, dfl liljenwlz,
dfl zltlöse, vrouwen prts,
1600 6 morgenstem, 6 sunne klär,
dfl minnecllcher adelar,
dfl turteltflbe lobelich.
1593 ein engelltchin stimme. d blaome schcBne, d vrouwen
1597 saelege, beilege, süeze, pt&, prts.
1596 reinia, milte, ö Martä. 1601—6 ö schoener mäne, d adelar,
1598—9 6 rosenrot, d lilienwiz, d turteltübe, d gotes trön.
1588. Fein absatz AB. 0 fehlt ABC. vrouwe] maria 2>. vil
(0 if) minn. GK. 1589. 0 müt. BKL, Maria ABC. rieh fehlt K. 1590.
paradisz^. 1591. bornei^, blüm AC^ cronei^Z. 1592. grimme B. 1594
folgt auf 1595 D. 1594. 5 fehlen L. 1594. baradisliches B. 1596. 0
werde maget m. BC^ Bistu edele m. D. 1597. 0 snsze und o pia D.
Biernach schliesst D mit folgenden versen: Hilfif uns daz dyne clage
Unse fredescbilt sie an de jfigeste tage Amen. 1598—1657 fehlen D.
1598. rose r. — lilie w. F. 1599. zitelose C, zitlozen B^ zeitlos F. du
frawen A, vrevden BCy du frewden F. 1600. 1. Dv morg. dv s. schön
Dv mon weiz der maiden cron F. 1600. 0 liehter morgensteme B.
margensteme CKL. sunnen L.
1593. engellivchv £^, engelische iTZ, engelscb B. 1597. Seilik heilik
G, Selich selich K, 0 sälic B. 1596. ö fehlt B. mute ö] sancta L.
1598. rose r. GK. lilie w. K. 1599. blumen L. vrowe (freuden L)
pris KL. 1601. 0 Bunnenklar luceme B. 1602. Ö] Du ^ d] du B.
krön BL.
278 MILCHSACK
du liehter mäne wünneclich,
der enget vröude, maget guot,
1605 der sttnder tröst, dfl gnaden yluot,
du grüenez rts, du vlolvar,
dfl bist diu gotes kint gebar!
sapblre unt karfunkelstein,
der vor des vater tröne schein,
1610 Smaragde unde gimme.
Marta, küniginne,
gebenedletiu schone,
dfl treist der vröuden kröne;
da von s! lop unt Sre
1615 nfl unt iemer mere
dir muoter unde filiä,
des werden gotes Maria. —
ich bite dich, 6 reiniu maget,
wan dfl bist gnaden unverzaget:
1620 ich mane dich, Maria guot,
durch daz minnecliche bluot,
daz dln zartez kint vergöz,
dö er des herzen minne entslöz,
gedenke ouch an die quäle dtn
der engel vröade der söle Idn. der werlte lieht, der wtinne vlaot.
des Sünders tröst von goäden ö werdiu maget, d vfolvar.
guot 1608—24 fehlen.
1603. mon AC, Vber alle menschen wunnen deich F, 1605. blttt
Ä. 1606. rts] grasz A. 1607. kint] sun Z. 1608. Dv saphir dv kar-
phvngelst BC, 1609. erschein BC, 1610. vfi berille BC. 1611. Bist M.
A. küng. A, maget stille BC. 1612. Gebenedict A^ Dv liehte (liecht
C) kristalle BC. 1613. trost A. 1614. si dir lop A. 1616. Dtt A.
1617. Du werde A. 1618. Absatz BC. ö] vil BC. 1620. Doch mane
ich dich A. dich fehlt C. 1622. Ubes BC. 1623. er] sich A.
1603. fravd GH. selan HK. 1604. von] der L. 1605. weit Ion H.
wannen KL. 1606. d fehlt L. van fiolvat K.
UNSER VROÜWEN KL AGE.
279
1625 unt tuo uds dtner gnaden scbln:
gedenke an unsers herzen pln,
Maria, himelsche künegln.
hilf uns üz aller not,
vertrlp von uns der sSle t6t.
1630 unser not ist dir erkant:
nü hilf uns von der sttnden baut,
gedenke an dine miltikeit,
diu aller tugende kröne treit. —
bl namen bit ich, vrouwe, dich
1635 (du solt ez tuen, erhcBre mich),
du solt besunder gnsedic sin
allen, die diz büechelin
lesent oder hoerent lesen,
daz si ssbUc mttezen wesen.
1625—57 nü tuo mir üf der gnaden
schrln,
(1625,l)dazmir dtn güete werde schin,
der du, vronwe min, bist vol.
du weist, daz ich bedarf vil wol
diner helfe, maget gnot.
(5) vrouwe, vröuwe mir den mnot,
(1627) vröuwe mir die sSle min,
( 1626) vertrtp vonmir des herzen ptn.
(1 627, t) behüete, reiniu muoter, mich.
(2) tuo üf diu ougen unde sich:
(t628~31) sich an mines herzen not,
vertrip von mir der sSle tot,
bint mir diner gnade haut
unt brich miner sttnden baut
(1644. 5 a) lip unt sSle bevilbe ich dir.
(b) ach, vrouwe, kum zehilfe mir
fc) an minem ende unt alle tage,
(d) daz ich iht in der.ndt verzage.
(e) sd min sSle von mir vam
(f ) muoz, so solt du mich bewam
1 625. die gnade Ä, schrein C. Darauf noch ein vers für den feh-
lenden vers 1627: Dv bist der himel gnaden schrin B. 1627 fehlt ßC.
1629. von fehlt Ä. 1631. Du ßC. 1632. diu BC, die Ä. 1633. Vrtdanc
1, 2. tugende Ä, tugent C. 1636—39 vgl 61—64. 1636. gnaedic] ge-
denchen^. 1637. den ^eACF, puch dein i^. 1638. HOrent oder lesend ^.
1625. \NÜ fehlt KL, deiner L. 1. fehlt K. D. m. werde diu helfe
Bchin L, 2. min] nun K, Wan du bist aller gnaden vol L, 4. Dinrer
helpen K. 5. Gevrouwe vrouwe K, örfrowe H, erfröw /. 1627. Er-
wlSviViQ HIK. 1626. v^^ 68. herze £^. t. vrouwe reine i^. muot] maget
L . 2. diu] diu HI. 1628. 9 fehlen G. 1629. seien E, 1630. gnaden
HJK, 1631. Zebriche E, Brich /. an (fehlt H) mir der IKH. 1644a.
enpfilch Hl, Lip sele vli sin frawe daz bevilch ich dir G, b. 0 K,
zehilf Glj ze leste K, c. minen K, d. iht fehU GL nit verz. GL e.
sei H. sal varen K. var /. f. Muoz fehlt K, so] da G, vrouwe mich
K, So bis maget mich b. /.
280
MILGHSACK
1640 der soltü gotes muoter pflegen,
sende in diner gnäde segen:
du solt 8! machen gnaden vol:
daz stet dlnen 6ren wol.
vrouwe, mach ir ende guot,
1645 daz ir sele si behuot
vor der helle banden:
du hilf in von den schänden,
brinc sl zuo der kröne,
die dln kint gar schöne
1650 sinen vriunden bereit hat
(1646. 7) vor des tiefeis banden
ant vor den grözen schänden,
(1647. 1) die alle sünder Itdent da.
(1656) des hilf mir, ö Marta.
(1632. 3) gedenke an dtne miltekeit,
diu alles tröstes kröne treit,
( 1 633. 1 ) nn t hilf mir daz ich käme dar
(2) mit vrüaden in die engelschar,
(3) da ich dtn kint sehe nnt dich.
(1634 fehlt.)
(1635) erhoore, werdiu maget, mich !
(1636—43 fehlen.)
(1648— 55 a) du brinc mich ylir den
gotes trön,
(b) da der kUnic Salomön
(c) in wünnecltcher wünne ist,
(d) bt dem du mit vröuden bist.
(e) dar hilf mir, maget sUeze,
(f) daz ich dich loben mtteze
(g) un t ich von vrOnden mtteze toben :
(h) da wil ich dich, vronwe, loben,
(i) du bist des lobes ein kröne,
(k) gebenedtetin schöne.
(1) hilf mir ze gotes tröne
1640. 1 fehlen C, 1641. genaden B. 1642. genaden machen BC^
1643 fehlt A. 1644. Mach (Mache C) ir ende vrowe g. BC, 1646. Von
BC. 1647. denj alle A, 1649. Bi din (deinem C) BC, 1650. Mit wnnnen
wol ber. h. BC,
1646. banden K, hande G, 1647. der i7, des /. 1656. Absatz K.
So Hy Da K, du mir U^ vnz G, ö] werdiv G. 1633. kröne trostes H.
Die jhs an dich hat geleit 1, 1. daz mich ihvs bringt dar G, 2. an die
Ky in (an 1) der Hl, 3. ich sihe din K. dtn] dich /. sehe feMi K.
1635. reine ÜT. frow^ BK. 1648. vür] uf H. den werden g. t G. b. der]
din sun (edel K) UIK, c. ewiger M, wunn H, wunnen KM. d. du da
(ietz /) HL fravde GL Mit dem du maget vnd frouwe bist M. e.
Da K. Dar] Vnd — Jungfrö M. g. h. fehlen M, g. Da ich HIK. von]
dich in /, fehlt K. müz G, schowen /. h. wil fehlt G. frawe G,
Maria HL i. Wann du M, ein fehlt HIM. k. Gebenedictä H, Ch)bene-
dictet G, Gebenedicieret 7, Ob allen frouwen gesegent M^ 1. m. fehlen
L 1. Hil£f mir usz not du gottes kröne M.
lAi
UNSER VROÜWEN KLAGE.
281
1655
in der wünnecllohen stat,
in dem himelrtche,
da st ewicllche
vröude über vröude hänt,
da 8oI in sin got erkant.
dar hilf in, ö Martä,
tu plena omni graciä.
(m) unt gip dich mir ze Idne,
(n) ö maoter unt d filia
(o) des werden gotes Martä!
(p) dir st lop ant 8re
(q) nü unt immer mdre
(r) von allen edlen guot gesagt,
(s) vil reinin mnoter unde magt
(t) virtns, laus et glöriä
(u) st dir gesagt Martä.
(1655, t) Nü bite ich lach, kint von
S^Ön,
durch got den wären Salomdn
unt durch die werden mnoter stn,
daz ir ze got gedenkent mtn.
(5) ich mane iuch bt Märten klage,
daz ir st grüezent alle tage,
sprechent vür mich ave Martä,
(1657) wan st ist pldna grätiä.
1655. got sin BC. 1656. Das A, Da C. dti in AF. 6] daz F.
1657. Tu] Vol A, Gotes ravter pia Dv dv vns deiner hele schein Daz
wir dich immer lobent sein Vnd hilf vns fraw lobleich In daz fron
hymelreich F. A schliesst mit folgenden versen: Amen das büchlin ist
Yolbraht Als vns saget vnd gedaht Der gut sant lucas Der ein be-
Sünder capplon was Der süssen vnd der fryen Gottes mutter sant
marien Amen: 1472.
m. Unt fehlt G. dich selber mir M. n. mater M. unt fehlt HM.
o. Des waren gottcs muotcr maria M. q. Gegeben h&t vnd M, r. mit
sele bl.26b schliesst G. s. 0 liebez liep o raine magt B. t. laus fehlt
B. u. werde maria 1. 1655, 1. Kein ahsatz H. 2. werden B. 3.
werde i, reinen B. 4. ze] gen B, 5. manen L
282 MILCHSACK
n. DIE UEBERLIEFERUNG.
Eine kritische ausgäbe Yon unser vrouwen klage, des
spiegeis, wie Mone (Schausp. d. mittelalt 1, 210), dem y. 123.
der Konstanzer hs. folgend das gedieht genannt hat, wurde
schon vor drei jähren von Ant. Sohönbach in der abhandlang
Ueb. d. Marienklagcn , Graz 1874, 8.46 angekündigt und die
bemerkung in der wenig späteren recension von Jos. Haupts
Schrift Ueber d. mhd. buch der märterer (Zs. f. d. phiL 6, 250),
dass er mit der herausgäbe des gedichtes beschäftigt sei, liess
die Veröffentlichung derselben als nahe bevorstehend erscheinen.
Bisher hat er jedoch sein vorhaben noch nicht zur ausftthrung
gebracht Wol aber ist seitdem eine ganze reihe grösserer
und kleinerer arbeiten von ihm erschienen und erst jüngst
noch eine ftlr die QF von ihm zu besorgende ausgäbe der
St Pauler predigten *) angezeigt worden (Anz. f. d. a. 2, 227),
so dass die Vollendung der minder wichtigen ausgäbe von
unser vrouwen klage, jenen bedeutsameren forschungen räum
gebend, auf eine gelegenere zeit verschoben und so bald noch
nicht zu erwarten sein dürfte. Meine eingehenden Unter-
suchungen über die entstehung und ausbildung der oster- und
passionsspiele des deutschen mittelalters , in welchen das ge-
dieht vielfach benutzt worden ist, machten indessen einen ge-
sicherteren text, als ihn die von Mone zum abdruck gebrachte
Konstanzer hs. darbietet, in hohem grade wünschenswert Ist
es docli, von den lücken und mangeln dieser hs. im einzelnen
abgesehen (vgl. Schönbach, Ueber d. Marienkl., s. 46), noch un-
gewis, welche von den beiden handschriftenklassen, deren er-
hebliche ab weichungen unter einander die notwendigkeit, eine
überarl)eitung des Originals, sei es in der einen oder in der
anderen anzunehmen, ergeben^), das werk des dichters am
treuesten bewahre: eine frage, die sich mit mehr Sicherheit
wird entscheiden lassen, seitdem die lateinische quelle des ge-
dichtes in der von Schade herausgegebenen Interrogatio Sancti
Anshelmi de passione domini erkannt worden ist (vgl diese
*) Dieselben sind inzwischen von Jeitteles Altdeatsche predigten
aus dem Benedictincrstifte St. Panl in Kärnten, Innsbrnck 1878, heraus-
gegeben worden.
>) Vgl. Mone, Schausp. d. mittelalters 2, 426.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 283
beitrage III, 366. anm.). Ich darf daher daher wol hoffen,
dass Schönbach die gegenwärtige ausgäbe nicht als einen ein-
brach in seine rechte betrachten werde.
1. Die handsohriften.
Die zahl der erhaltenen handschriften muss für ein gedieht
Yon so massigem poetischen werte, wie das von unser vroumen
klage ist, ziemlich gross genannt worden, und es würde mir
ohne die freundliche Unterstützung des herm prof. Zarncke,
der herren oberbibliothekare prof. Krehl und prof. Zange-
meister und besonders auch des herm stud. phil. A. Schröer
in Wien kaum möglich gewesen sein, eine ausgiebige benutzung
derselben für diese ausgäbe zu erreichen. Ich bin ihnen allen
dafür zu grossem danke verpflichtet. Femer will ich diese
gelegenheit nicht vorttbergehen lassen, ohne auch herm prof.
Paul meinen dank für freundliche ratschlage öffentlich ausge-
sprochen zu haben.
Schönbach kennt ausser der Konstanzer hs. noch neun
teils vollständige handschriften, teils bruchstttcke (vgl. a. a. o.
s. 46); mir sind deren im ganzen fünfzehn bekannt geworden.
Zwölf davon habe ich benutzt; diese scheiden sich zunächst
in zwei hauptgruppen :
L
A, eine papierhs. vom jähre 1472, 12 0, bestehend aus
einem vorblatt und vier lagen zu je sechs doppelblättera, von
deren letzter jedoch nur die ersten neun blätter erhalten sind.
Die einbanddecken fehlen und es ist möglich, dass das ge-
dieht aus einem grösseren codex ausgeschnitten worden. Das
letzte blatt ist unbeschrieben; auf der rückseite des vorblattes
befindet sich nur die Inhaltsangabe ffie vahet an vnser lieben \
frawen klage die da hat \ geschriben sant lucas ein \ besunder
Capplon vnser \ lieben fraurven mit roter dinte von derselben
band. Jede seite der hs. enthält 12 — 14 abgesetzte reimzeilen,
deren anfangsbuchstaben rot durchstrichen sind; die grösseren
abschnitte sind durch rote initialen herausgehoben. — Diese
hs. ist ohne zweifei dieselbe, welche Docen besass (vgl. Miscell.
1, 94. 2, 147; v. d. Hagen, Grundriss s. 456; Uoffmann,
Fundgr. 1, 307* und Altd. bl. 1, 389); denn die eingangs-
verse stimmen zu den von Docen - a. a. 0. nifitgeteilten (vgl.
284 MILCHSACK
V. 85 clage A, quäle BCD und v. 87 Die sant Marien A, Me
marien BCD), das jähr der niedersehrift ist in beiden dasselbe
und die angäbe, dass ein kaplan der Maria, mit namen Lucas,
die lateinische vorläge verfasst habe (ygl. auch die schluss-
verse von A in den lesarten zu y.l657), findet sich von allen
erhaltenen hss. nur in A 0* Die l^s* ist aus der im jähre 1876
bei T. 0. W ei gel in Leipzig stattgehabten Versteigerung der
bibliothek des privatgelehrten dr. Herrn. Lotze in meinen
besitz übergegangen.
B, die Heidelberger pergamenths. cod. Vat CCCXLI
no. 4, bl. 22a_29a, aus dem 14. jh. Vgl Wilken, Gesch.
d. Heidelberger bttehersamml. s. 418; Adelung, Fortgesetzte
nachriehten s. 269; Docen, Miscell. 1, 94. 2, 147; v. d. Hagen,
Grundriss 8. 456; HoflFmann, Fundgrub. 1, 307* und Altd. bl.
1, 389; Mone, Schausp. d. mittelalt 2, 425.
C, die Wiener pergamenths. (no. 2677) aus dem 14. jh.
Vgl. Hofimann v. F., Verz. der altd. hss. der k. k. hofbibL zu
Wien s. 85. Eine abschrift derselben danke ich herm stud.
phil. A. Schröer.
D, die Wiener papierhs. (no. 3006) vom jähre 1474.
Vgl. Hoffmanns Verzeichnis s. 348. Die hs. ist im ganzen ge-
nommen die schlechteste dieser gruppe. Nach v. 515 werden
V. 472—515, von denen v. 474—77, 480—97, 510. 11 vorher
ganz ausgelassen waren, zum teil in besserer lesung, zum teil
überarbeitet widcrholt. Es fehlen v. 414. 15, 432. 3, 441—45
(wofür die hs. neun eigene verse hat) , 522. 3, 564. 5, 596. 7,
658. 9, 680. 1, 5Sa 9, 860. 1, 876—91, 895—937, 944—53,
950—61, 970—84, 988—1008, 1010—15, 1017—19, 1029—39,
1147—51, 1058. 9, 1070. 1, 1074. 5, 1078—81, 1094—97,
1004—15, 1118—21, 1124—27, 1129. 30, 1138—49, 1151—57,
1160—77, 1212. 13, 1224. 5, 1238. 9, 1244. 5, 1252—57,
1260—65, 1268—99, 1302. 3, 1308. 9, 1312. 13, 1316—29,
1334—41, 1346—49, 1370. 1, 1388—1405, 1410. 11, 1414. 15,
1420—43, 1448—53, 1458. 9, 1466. 7, 1472—1587, 1598—1657.
0 SchOnbach würde (Ueb. d. Marienkl. s. 46, anm. 2) über die her-
kunft der kenntnis Hoffmanns von dem lateinischen werke des Lucas
die gewünschte anfklärnng gefunden haben, wenn er das von jenem an-
gezogene citat nachgeschlagen hätte.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 285
AuBserdem ist die hs. fast durchweg überarbeitet; doch hat
sie öfter gegen ABC die ursprüngliche lesart bewahrt und ist
darum ftlr die textkritik nicht ohne wert. Der Schreiber der
hs. war ein Niederdeutscher. Eine coUation derselben erhielt
ich ebenfalls von herm Schröer.
£, zwei pergamentblätter in 8<^ aus dem 14. jh., früher in
Uoffmanns besitz, der schon in denselben bruchstücke von Uvkl.
vermutete*) und sie in den Altd. bl. 1,384 — 1189 abdrucken
liess; sie umfassen v. 522—619 und v. 1236—1335. Die hs.
hat die eigentümlichkeit, die einzelnen abschnitte mit drei-
fachem reim zu schliesseu; vgl. v. 531 f., 547 f., 581 f., 1273 f.,
1297 f., 1307 f., 1325 f.
F, die Gothaer pergamenths. (Membr. II, no. 37), kl. A%
15. Jh., hinter bruder Philipps Marienleben, im ganzen 90 Zeilen.
Vgl. H. Rückert, ßr. Philipps des cai-thäusers Marienleben,
s. 280. 1, wo anfang und ende angegeben sind. V. 1598 — 1603,
1636 — 39 und 1656 — schluss haben Jacobs und Uckert in
den Beiträgen II, s. 260 mitgeteilt, und sind widerum von
Jos. Haupt mit den entsprechenden stellen aus G verglichen
worden in seiner abhandlung Über das mittelhochd. buch der
märterer im märzfaefte der Sitzungsberichte der phil.-hist. classe
der kaiserl. akad. d. wiss. zu Wien 1872 (bd. LXX, s. 186),
und daraus besonders abgedruckt Wien 1872. Dieses bruch-
stück umfasst nur den schluss von Uriser vrouwen klage von
V.1588 ab. Die 20 verse, welche es mehr hat als die übrigen
hss., sind gewis nur das product seines Schreibers. Seine les-
arten bieten, so weit dies die abgedruckten stücke erkennen
lassen, nichts erspriessliches, nur Verderbnisse; ich habe darum
auf eine vergleichung der ganzen handschrift verzichtet
IL
G, die Regensburger, jetzt Münchener pergamenths.
(cod. germ. no.l07) in 12 ^ aus der zweiten hälfte 2) des 14.jh8.
*) Die aus den Schaasp. d. mittelalt. 2, 425. 6 entnommeDe angäbe
Schönbachs (Ueb. d. Marienkl. s. 46 anm. 1), dass erst Pfeiffer E als
teile von Uvkl. erkannt habe, ist also unrichtig.
') Hofifmann setzt diese hs. in den aufang des 14. jahrhs. Die alter-
tümlichkeit der sprachfornien unterstützt allerdiugä dioso datierung.
Der Schriftcharakter der hs. weist aber auf eine beträchtlich spätere zeit
286 HILCHSACK
Vgl. Aretin, Beitr. 9, 1207. 8; Hofimann, Fundgr. 1, 307*;
Mone^ Schausp. d. mittelalt. 2, 426. Die hg. enthält zwei lagen,
die erste zu 14, die zweite zu 12 blättern, die seite zu 20 zeUen;
die reimzeilen sind nicht abgesetzt, die grösseren absätze aber
beginnen mit schwarzen initialen, deren unsaubere ausftihning
mit der überall hervortretenden nachlässigkeit des Schreibers
ganz in einklang steht. Seine mechanische tätigkeit gibt sich,
auch in den zahlreich vorkommenden fehlem zu erkennen, die
offenbar weit mehr durch fluch tigkeit, als aus der absieht zu
ändern und zu verbessern entstanden sind. V. 326 — 375 +
446—465 (= bL 5 b und 6a) stehen vor v. 294—3251). Der
schluss der hs. von v. 1648, r sele (= ende bL 26 b) an fehlt
und die erhaltnng des altertümlichen erklärt sich aus der mechaniach^.
arbeit des Schreibers; denn dass ihm diese formen nicht mehr ganz ge-
läufig waren, beweist die inconsequenz und fehlerhaftigkeit ihrer an-
wendnng.
^) Eine völlig befriedigende erklärung dieses fehlers wird sich
schwerlich aus G allein finden lassen. Es Hesse sich aber wol denken,
dass derselbe auf folgende weise entstanden wäre. BL 5« schliesst mit
der ersten hälfte von v. 294 fravd vn ere\ bL 5^ beginnt mit v. 326 als
die iochter taten \ bl. 6<^ schliesst mit v. 459 Si möchte herze wem€n\
bl. 6^ beginnt mit v. 294 zweite hälfte Si möchtd zelone und schlieBSt
mit V. 325. 0 Ane trost vn ane rat tvont'^ bL 7 a beginnt mit v. 460 zweite
hälfte wol zerbrechen. Die richtige folge ist also bL 5« 6^ 5^ 6* 7*
und man könnte vermuten, dass der Schreiber, als er auf bL 5* unten
angekommen, zwei blätter statt eines umgewendet und anstatt auf bL
5^ seine arbeit auf bL 6^ fortgesetzt habe; dass er aber, nachdem er
diese seite beendigt, seine Unachtsamkeit bemerkt und nun die vorher
überschlagenen bll. 5 ^ und 6 & ausgefüllt habe und erst auf bl. 7 « wider
ins richtige geleise gekommen wäre. Dieser annähme widerstreitet Je-
doch das Si möchtd der hs., welches mit der zweiten hälfte von v. 294
ze lone den anfang von bl. 6^ bildet. Dieser vers, dessen erste hälfte,
wie wir oben gesehen haben, auf bL 5& zu ende steht, lautet in G
fravde vn ere Si möchtd zelone {ze vröuden unt ze löne : kröne Hl);
das ^t möchte ist also hier sinnstörend und überflüssig. Diese beiden
wörtchen fehlen nun aber in v. 460, mit dessen zweiter hälfte wol zer-
brechen bl. 7 a beginnt. Wollte man hier ein abermaliges versehen des
Schreibers annehmen, so bliebe einmal unerklärt, weshalb der fehler, da
er sogleich bemerkt worden wäre, unverbessert blieb (correcturen sind
anderwärts in dieser hs. nicht selten); zum andern, warum die beiden
Worte später an der zugehörigen stelle ausfielen. Um dieses hindemis
zu beseitigen ist es notwendig, die Überlegung noch einen schritt weiter
zu führen. Man muas annehmen nicht dem Schreiber von G,. sondern
.^u»
UNSER VROÜWEN KLAGE. 287
Hy die papierhs. des Eonstanzer Stadtarchivs in folio
aus dem 14. jh., in fortlaufenden zeilen geschrieben; abge-
druckt von Mone in den Schausp. d. mittelalt. 1, 210 — 50.
Die beobachtung Mones (Schausp. d. mittelalt. 1, 204. 5), dass
bei der einteilung dieser hs. in grössere abschnitte auf die
rahepunkte in der erzählung häufig keine rttcksicht genommen
worden ist und sogar teile eines satzes verschiedenen kapiteln
zugewiesen werden , woraus er den tschluss zog, dass der
dichter selbst, Wolfram von Eschenbach nachahmend, absätze
von bestimmter verszahl beabsichtigt habe, wird von den üb-
rigen hss. dieser gmppe nicht bestätigt. 6 und I stimmen in
dem auftreten stärkerer einschnitte meistens ttberein und haben
dieselben stets an stellen, wo solche von der erzählung und
dem gedanken gefordert werden oder diesen wenigstens nicht
unangemessen sind. Dasselbe ist bei den hss. der ersten
gruppe der fall ^). Ueberdies ist in denjenigen absätzen, welche
I und II gemeinsam haben, die zahl der verse sehr verschie-
demjenigen seiner vorläge, die wir x nennen wollen, sei jenes miBgeschick
begegnet, statt eines zwei blätter an jener stelle von G bl. 5& umzu-
wenden, und dieser habe den entstandenen pergamentverlust auf die
oben beschriebene weise nachher wider eingeholt. Es muss ferner vor-
ausgesetzt werden, dass x ebenso wie G ohne absetzung der reimzeilen
geschrieben gewesen sei und dass es auf den G bl. 5^ unten bis bl. 7^
oben entsprechenden blattseiten einzeln genau dieselben wortmassen ent-
halten habe, ausgenommen auf denjenigen, welche G bll. 6 ^ und 6 ^ cor-
respondieren; es müsten eben die G bl. 6^ beginnenden worte Simöchtd
in X noch auf der voraufgohenden G bl. 6^ entsprechenden seito am
Schlüsse gestanden haben. Alsdann wäre der text in x vollkommen
richtig gestellt, wenn man die anfänglich überschlagenen (G bll. 5 b und
6 « entsprechenden) selten der vorweg genommenen (G bl. 6 ^ entsprechen-
den) nachstellte, und die entstehung des durch das Si möchtd in G her-
vorgerufenen fehlers wäre leicht zu begreifen. Der Schreiber von G
schrieb seine vorläge x gedankenlos ab. Absichtlich oder zufallig ge-
schah es, dass die wortmasse einer seite in x genau eine derselben ent-
sprechende Seite in G füllte, nur bei bl. 6<^ reichte der gegebene räum
in G nicht aus und so gelangten die beiden wortc Si möchte in den an-
fang von bl. 6i> und damit aus dem ihnen zugehörigen v. 460 mitten in
V. 294.
0 Nur in BC findet sich einmal ein den sinn unterbrechender ge-
malter anfangsbuchstabe in v. 636. Da er aber in U an dieser stelle
kein gegensttick hat, so wird man ihn der Unvorsichtigkeit eines ab-
Schreiber» za gute halten müssen.
288 MILCHSACK
den. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass der dichter selbst
sein werkchen mit systematischer einteilung herausgegeben
habe und eine nachahmung Wolframs liegt also in diesem
punkte nicht vor. Immerhin wird man nicht annehmen dürfen,
dass die auffallende Verteilung der initialen in H zufällig oder
in der weise, wie sie in dieser hs. vorliegt, gewollt sei Sie
erklärt sich vielleicht am einfachsten, wenn man annimmt, dass
in der vorläge von H die abteilung der verse wirklich durch
zählen bewirkt war und etwa vierzig reimzeilen, wie Mone
angibt, je einen absatz ausmachten. Den Schreiber von U
musten diese, dem sinne gänzlich widersprechenden einschnitte
befremden, und da ihm jener kuustgrüBT Wolframs und seines
nachahmers unbekannt war, so verbesserte er die vermeint-
lichen versehen zum teil, teils liess er sie, wie er sie vorfand,
bestehen. H hat mehrere beträchtliche Itlcken; es fehlen y.
290. 1, 332—499, 701, 1. 2, 79ü. 7, 993—97, 1018, 1048—59,
1161, 11. 12, 1284—1494.
I, eine papierhs., angezeigt in Lempertz' 125. catalog
des antiquarischen bücherlagers, Bonn 1877, s. 12 als Planctus
sanctae Virginis. Herr Lempertz hatte die freundlichkeit, mir
dieselbe auf einen tag zur ansieht zu übersenden und ich
habe diese gelegenheit benutzt, sie mit den texten der übrigen
handschritten zu vergleichen. Ihr format ist 12^, der letzte
einband, wie der erhaltene hintere deckel zeigt, neueren da-
tums. Sie besteht aus drei blattlagen, jede zu zwölf doppel-
blättern, die Seite zu 23 abgesetzten reimzeilen. Das gedieht
beginnt auf bl. 4 b ; die zwei letzten blätter sind leer. Der
Schrift nach könnte die hs. noch ziemlich früh im 15. jh. an-
gefertigt sein. Da ihr Schreiber aber manche mittelhochdeutsche
werte und besonders das wort minne mit peinlicher Sorgfalt
vermieden hat ^), ohne zweifei weil sie der spräche seiner zeit
0 Z. b. ge liehet : yehet statt geminnet : versinnet 131. 32; lieh ge
winnen st. minnen 134; lieht st minne 135; ge vrtailet st verteilet 306,
552; zwingt st gemint 739; gmiet st diet 754; tun st geruoche 778;
lieh gehöht st geminnet 901-^ gründe : frainde st minn^ ; minn^ 9u8. 9 ;
frorv st wip 1033; vnl der wegen st durch 1147, 7; truret st trüte
1244, 1255, 1370; er schrack st erstahet 1248; zu der selben stunt st
mi dan täsent stunt 1259; künde st künne 13u5, 1353; kumer gewan
st er kam 1331; he langen st. gemeten 1368; geschwint st gemint 1405}
UNSEE VBOÜWEN KLAGE. 289
nicht mehr geläufig oder gar anstössig waren (vgl Haupt zu
Engelhard 977 f.), so wird man sie beträchtlich später, jeden-
falls auf die scheide des 15./16. Jahrhunderts setzen müssen.
V. 1 — 56 fehlen. Den beiden schlussversen in II, in welchen
der Verfasser die töchter Sion um fUrbitte bei Maria angeht,
sind noch 24 weitere hinzugefügt:
sprechent ain ave Maria
für mich, wen si ist vol gratia,
wan si ist aller gnaden vol: (1625, 2. 3)
Das körnet üwem seien wol.
Ich haon üch, kint, daz buch gesant: (127)
Ir sond es dick nemen zehant (128)
vnd sond üch sechen dar inne (129)
vnd erkennen t gottes liebine, (130)
so mügent ir wol genesen. (235)
Got geb üch sin siessen segen: (70)
Grot mies üwer pflegen, (69)
Der da ist das oewig leben,
An lyb vnd an sei.
Mit sant Michel
Miessint ir ze himel fam, (1644, e. f.)
Maria mies üch be waren
Alle zyt alle tag bis an den tod. (1535)
Die helf yns vss aller not (1534)
hie vnd in oewigkeit:
sye si ynser Seligkeit,
Die sy vns vs erkom.
wan kain sinder wirt verlorn.
Der ir dienet hie im zyt.
Got im nach disem leben frOde gyt: (81. 82)
Marien vnd ir kind ze schowen. (1633, 3)
Amen sprechent bald man yH frowen.
Die rechts beigefügten zahlen beweisen, dass dieses machwerk
hauptsächlich aus versen des gedichtes selbst zusammen-
gestoppelt ist.
E, die handschrift der Rehdigerschen bibliothek zu
Breslau, welche zwischen dem Somnium Scipionis und dem
Gommentar des Macrobius auf zwei zur hälfte leer gelassenen
Seiten v. 1484—1648, 6 (y. 1566—68 und 1625, 1 fehlen) von
Uns. vrouw. klage enthält, die Th. Jacobi in der zschr. f. d. a.
schwach st. kranc 1416; bitter keit st krankheit 1444 f.; gemeint st ge-
mint 1475, 2.
BoltrSye loi gesohiohte dar deutschen epraobe. V. 19
290 MILCHSACK
3, 130 — 134 als ^bruchstück eines Marieuliedes' abdrucken
liess 9.
L, die pergamenthandschrift des germanischen mu-
seums zu Nürnberg (no. 3908 in 8^)2) aus dem 14. Jahrhun-
dert, bl. 54 mit der Überschrift Wer das Nachgeschrihen gepett
vnser frawen zu lob spricht, der hat XX Tawsetit tag ablas,
die gnad vnd den aplas hat bestetigt Babst Clemens der dritt.
Die allein von mir benutzten ersten 23 versc dieses bruch-
stücks (y. 1588—1625, 2) hat Bartsch mitgeteilt zur Erlösung
zu V. 2520.
M, die Wiener handschrift (no. 3009); ^in derselben stehen
auf foL 238»— 239 a die verse 84 flF. der Breslauer hs. (K, also
y. 1588 — schluss) als selbständiges gedieht oder reimgebet ins
Alemannische umgeschrieben mit wenig bedeutenden lesarten.'
Vgl. Jos. Haupt, Ueb. d. mhd. buch der märterer s. 88. Auch
yon dieser hs. habe ich ausser den yon Haupt abgedruckten
zwölf Schlussversen keinen gebrauch gemacht.
Auch der Koloczaer codex enthält Unser frouwen klage,
vgl. Mailäth u. Köffinger s. XI, no. lU. Schwerlich würde
aber eine coUation dieser hs. neben BC (C ist vielleicht nur
abschrift der Koloczaer, vgl. Massmann in Haupts zs. II, 137
anm.) viel wichtiges ergeben. Ebenso wird von den drei
anderen hss. des germanischen museums cent. VII. 24 in %\
Cent. VI. 43. p., pap. 15. jh. in 4® mit dem anfang 0 frarv vnd
magt mynnickleichj und cent. VII, 62., pap. 15. jh. in 16<^ (vgl
Bartsch, Erlösung, einl. s. LIX), welche sämmtlich nur das
bruchstück M darbieten, kaum etwas anderes als eine Ver-
mehrung des variautenverzeichnisses zu erwarten sein. — End-
lich ist noch zu berichtigen, dass das im Münchener hand-
schriftenkatalog Cod. germ. no. 353 vom jähre 1439 bl. 141 ff.
als eine 'Marienklage* verzeichnete gedieht vielmehr 'Von vnszr
hrn I leyden ain spruch' ist, und zwar derselbe, welchen A.Lübben
in den Mittelniederdeutscheu gedichten s. 55 — 59 (no. XVII)
aus einem Oldenburger gebetbuche herausgegeben hat Die
^) Schünbach (Ueber d. Marienkl. s. 46, anm. 1) hat übersehen, dass
dieses bruchstück Mona schon bekannt war, vgl. dessen Schaosp. des
mittelalt 1, 250.
*) In der einleitung zur ErlOs. s. LIX wird das forroat dieser hs.
als 12 0 bezeichnet.
UNSER VEOÜWEN KLAGE. 291
Mttnchener hs. ist nicht besser als die Oldenburger und es ist
nicht der mühe wert ihre lesarten anzugeben, die zum teil sehr
stark abweichen. Als eine probe derselben mag der eingang
dienen :
Herczen lieben chinder alle gemaine,
sechent mich an, ir grosse ynd ir claine,
sechent mich an, ir armen vnd ir reichen,
ob meiner bein kain bein muge geleichen.
sich, lieber mensch, was han ich gellten vmb dich a. s. w.
Der refrain der einzelnen abschnitte, von denen der dritte hier
dem zweiten vorangestellt ist, lautet:
vnd als nil es ist an dir
so craczigestu zu dem andermal (er. ander waid) mich.
pater nost*. aue m'.
2. Die Uteinisehe quelle.
Die widerholte bezugnahme auf eine lateinische quelle,
welche in dem gedieh te von Uvkl. (= Unser vrouwen klage)
selbst stattfindet, macht es unzweifelhaft, dass irgend ein latei-
nisches buch oder biichlein sowol die anregung zu seiner ab-
fassung gegeben, wie überhaupt auch seinem Inhalte nach als
unterläge desselben gedient haben müsse. Schon der eingang
weist mit bestimmtheit darauf hin, in dem der dichter erzählt,
dass der frommen betrachtung über das bittere leiden der
Maria bei der passion Jesu, in welches er sich eines tages
versenkt habe, ein lateinisches büchlein zu hülfe gekommen
sei. Er sagt v. 89—96 :
ich nam vür mich ir herzen ptn:
der wart mir vollecltchen schtn
an einem büecheltne.
da vant ich in lattne,
waz diu reine maget sprach
nnt waz st tet, dö st got sach
gebunden nnt gevangen
nnt vor ir ougen hangen . . .
Und weiter v. 100—106:
dö kam zehant in mtnen mnot,
daz ich diu wort, diu ich da vant,
in tiutsche wolde tuon erkant
allen reinen herzen,
daz st der megede smerzen
292 MILCHSAOK
erkennen möhten dester baz.
ich sagez in rehte als ich ez las.
Er gibt sogar den anfang seines büchleins an y. 376 — 81:
Daz buoch hebet sich an also
quis däbit capiti med.
daz schreip ein reiner heileger man
der was ein bsnnder cappelän
der sttezen ant der yrten
gotes mnotr Märten.
Im verlaufe der erzählung beruft er sieh noch einmal auf das-
selbe V. 1379—81:
Joseph von Arimathiä
der want in (den leichnam Jesu) in ein stdtn tnoch:
mit edelen würzen sagt daz bnoch.
und y. 1180 heisst es yon demselben:
ein edel Jude als wir lesen.
Finden wir nun femer, dass in den schlussversen der hs. A:
amen daz bUchlin ist volbraht,
als yns saget vnd gedaht
der gut sant Incas,
der ein besünder capplon was
der süssen vnd der fryen
Gottes matter sant marien
ein Lucas als der Verfasser des lateinischen büchleins ange-
geben wird, welcher im anfange des gedichtes, in den schon
oben angeführten versen 378. 9, ohne nennung des namens ein-
fach als ein reiner heileger man und ein besünder cappelän der
Maria bezeichnet wird, so scheint damit ein sicherer Wegweiser
für die auffindung der lateinischen quelle gegeben zu sein.
Hoffmann hat denn auch keinen anstand genommen (vgL
Fundgr. 1, 307 anm.) einen 'gewissen Lucas' als den Verfasser
derselben zu betrachten, ohne jedoch sie selbst nachweisen zu
können. An den evangelisten ist natürlich nicht zu denken;
denn nicht nur dass jene als eiugang des lateinischen büch-
leins angefahrten werte qids däbit capiti meo nicht aus dem
evangelium des Lucas, sondern aus Jeremias 9, 1 entnommen
sind und v. 1200 ff. do nam Joseph Nicodimum als saget daz
ewangelium u. s. w. auf Johannes 19, 39 ff. hinweisen, auch im
übrigen sind keine solchen engen beziehungen zwischen dem
deutschen gedieht und dem Lucasevangelium aufzufinden,
UNSER VBOÜWEN KLAGE. 293
welche die annähme, dass dieses die grundlage des ersteren
sei, zu rechtfertigen vermöchten. Ausserdem kennt aber die
lateinische literaturgeschichte nur noch einen Schriftsteller mit
dem namen Lucas, und auch von diesem ist keine schrift be-
kannt, die als quelle von Uvkl. angesehen werden könnte. —
Hofimann kannte nur die hs. A und er hatte keinen grund an
der echtheit der aus ihr angezogenen schlussyerse und der
authenticität des Lucas zu zweifeln. Für uns ist aber ein
solches misstrauen wol gestattet, wenn wir diese verse in
keiner der übrigen hss. widerfinden und erwägen, dass es eine
fbr irgend einen Schreiber naheliegende combination war, den
in Y. 379 bezeichneten besundem cappelän mit dem evangelisten
Lucas zu identifizieren, welcher in der legende in besonders
nahe beziehung zur Maria gesetzt wird (man erinnere sich nur
der sage, dass er das bild derselben gemalt habe), und dass
daher sehr wol ein solcher jene verse hinzugefügt haben kann.
Sie stimmen zudem im Wortlaut mit v. 379 — 81 so sehr über-
ein, dass dadurch ihre entstehung aus dieser stelle noch wahr-
scheinlicher wird.
Eine andere Vermutung hat Schönbach (Ueb. d. MarienkL
s. 46. 47) ausgesprochen 1) , nämlich ^ dass der Verfasser von
Uvkl. mehr die deutschen volkstümlichen Marienklagen, als
eine lateinische quelle benutzt habe, unter welcher vielleicht
nur eine sequenz oder homilie zu denken sei. Allein eine
Sequenz oder homilie würde auch nach den anschauungen des
mittelalters kaum ein buch oder ein büchlein genannt werden
dürfen, wie es der dichter in v. 79 — 106 und v. 376 ff. gekenn-
zeichnet hat, und die entscheidung über die priorität zwischen
UvkL und den dramatischen deutschen Marienklagen bedarf
vorerst noch einer eingehenderen Untersuchung, welche, wie
wir später sehen werden, zu Ungunsten der letzteren ausfällt
Schönbach hat diese frage nicht in den bereich seiner abband-
lung gezogen und seine Vermutung daher auch nur als eine
unsichere und vorläufige bezeichnet.
Es ist also kein grund vorhanden die andeutungen des
0 In dem Zwischensätze, welcher s. 46 u. mit als er beginnt, ist
wol durch ein versehen bei der oorrector das verbum oder noch mehr
ausgefallen.
294 MILCHSACK
dichters anders aufzufassen, als sie gegeben sind. Wir be-
sitzen nun aber in der tat eine schrift, ein lateinisches buch-
lein, in welchem jene werte des Jeremias quis dabit capiti meo
etc. wenn auch nicht ganz im anfange, so doch noch ziemlich
Yorne vorkommen, nämlich die Interrogatio sancti Ans-
helmi de passione domini^), und gerade die berufene
stelle aus Jeremias ist schon von Schade (Geistl. ged. s. XVI f.)
und ebenso von Schönbach (a. a. o. s. 47) zu einem deutschen
gedichtfragment, welches zuerst Hoffmann in den Altdeutschen
blättern 2, 200 f. abgedruckt hat, in beziehung gesetzt worden.
Bei sorgfältiger vergleichung mit Uvkl. ergab sich denn auch
das erfreuliche resultat, dass es die lectüre dieser Interrogatio
gewesen ist, welche auf unseren dichter einen so tiefen ein-
druck hervorbrachte, dass er sich zu einer poetisch -deutschen
bearbeitung desselben entschloss, um auch anderen des latei-
nischen unkundigen gemütern diesen quell frommer erbauung
zur läuterung ihres herzens zugänglich zu machen. Allerdings
sind die beiden Giessener hss., auf denen die ausgäbe der
Interrogatio von Oscar Schade (Halle 1870) hauptsächlich be-
ruht, in dem für uns wichtigsten teile unvollständig und
die übrigen dort sich darbietenden vergleichungspunkte so
dürftig, ihre Übereinstimmung mit den bezüglichen stellen des
deutschen gedichtes so lose, dass sich auf ihnen die eigenschaft
der Interrogatio als quelle von Uvkl. kaum mit Sicherheit
würde haben begründen lassen. Es ist daher sehr willkommen,
dass Carl Schröder die wesentlichen abweichungen und die
Überschüsse der pergamenths. no. 368 in kl. 4 ^ auf der Leip-
ziger Universitätsbibliothek, welche Schade unbekannt geblie-
ben war, in seiner recension Germania 17, 231 — 35 mitgeteilt
hat; denn gerade diese nachtrage enthalten den ergreifenden
Planctus Mariae, welcher das herz des dichters so tief ei^
schütterte und den kern seines Werkes bildet.
0 AuB dieser interrogatio ist auch Sant AnselmuB vrage tzo marien
herausg. von Schade, Geistl. ged. s. 248—86 hervorgegangen; vgl. das.
einleit. s. X. Eine wahrscheinlich ältere niederdeutsche abfassnng hat
A. Lttbben Zeno, oder die legende von den heil, drei königen. Ancel-
mus, vom leiden Christi. Bremen 1869, zum abdruck gebracht. Die lat.
int^rrogation scheint Lübben anbekannt geblieben zu sein. Von einer
Züricher hs. des gedichtes hat F. Vetter, Germ. 22, 356 nachricht goffiMtu
UNSER VROÜWEN KLAGE. 295
Im vorigen abschnitt sind die handschriften, welche das
gedieht von Uvkl. enthalten, in zwei gruppen gesondert worden.
Diese beiden handschriftenclassen geben sich nämlich schon
bei einer oberflächlichen vergleichung als zwei in wesentlichen
stücken yerschiedeno recensionen unseres gedichtes zu er-
kennen. Es wird also zunächst unsere aufgäbe sein müssen, mit
herbeiziehung der lateinischen quelle zu untersuchen, welche
von ihnen die originale fassung am treuesten bewahrt hat, und
wir dürfen hoffen, damit zugleich ein wichtiges kriterium ftir
die beurteiluDg des handschriftenverhältnisses zu gewinnen.
Hierbei begegnen aber Schwierigkeiten, welche teils aus dem
verhalten der Interrogatio zum gedichte hervorgehen,
teils in der beschaffenheit der recensionen selbst ihren
grund haben.
Zwischen der Interrogatio und Uvkl. besteht nämlich ein
bemerkenswerter gegensatz, der schon durch die wähl dieser
benennungen ausgedrückt wird und in den entgegengesetzten
absiebten ihrer Verfasser begründet ist. Der Verfasser der
Interrogatio beschreibt die ganze leidensgeschichte Christi
von dem gemeinsamen abendmahle Jesu, seiner mutter und
seiner jünger im hause der Maria und Magdalena in Betha-
nien an bis zur grablegung und verfolgt dabei den zweck,
zweifelnde gemüter im glauben an den erlösertod des gottes-
sohnes durch diese authentische Offenbarung, deren der heilige
Anseimus nach jahrelangem brünstigem gebete gewürdigt wor-
den war, zu erhalten und zu befestigen. Darum ist auch die
dialogische form gewis nicht zufällig: sie erweckte bei den
lesern und hörem die Vorstellung, dass auch der heilige lange
zeit gegen anfechtungen des zweifeis vergeblich kämpfte, aber
durch sein geweihtes leben und sein inniges gebet zulezt er-
reichte, für die Wahrhaftigkeit der evangelischen berichte in
einem specialverhör der Maria vollkommene bestätigung zu
empfangen^). — Einen davon ganz verschiedenen zweck ver-
0 Aus dieser auffassung Hesse sich auch erklären, dass der Planctus
Mai'iae in den Giessener hss., als von dem eigentlichen zwecke der In-
terrogatio ableitend, absichtlich ausgelassen wurde. Oder sollte er etwa
in die Leipziger lis. hinein interpoliert sein? Für die entscheidung dieser
frage können vielleicht die in dem Planctus vorkommenden entlehnungen
aus lat hymnen von bedeutung werden. Einige davon sind schon von
296 MILCHSACK
folgte der dichter von UvkL Er kennt keine zweifei mehr,
er ist durchdrungen von der gewisheit der christlichen glau-
benslehren und in seinem glauben so sicher, dass ihm die yer-
steckte absieht der Interrogatio yielleicht gar nicht zum be-
wustsein kommt, daher auch die erzählung der leidensgeschichte
nur einen erbaulichen eindruck auf ihn auszuüben vermag.
Aber die klage der Maria in ihren ausdrücken des ergreifend-
sten und rührendsten Schmerzes erfasst und bev^egt ihn im
innersten und erweckt in ihm unmittelbar den wünsch, anderen
dieses bild eines zerrissenen mutterherzens vor äugen zu stellen,
damit sie, den weltlichen Vergnügungen entsagend, eifrig wer-
den in gott wolgefälligen werken und ein anrecht gewinnen,
zu füssen der gottesmutter und ihres verherrlichten sohnes die
himmlischen freuden nach diesem leben zu geniessen. Diese
abweichende tendenz des dichters bedingt auch die weise, in
welcher er seine vorläge benutzt hat Er spricht nicht zu
Schröder a. a. o. nachgewiesen worden. Drei andere weisen anf den
hymDus Plancius ante nescia bei Mone, Schausp. d. mittelalt 2, 362 ff.,
nSmlich Fili, ditlcor unice, singulare gaudium, vita anhne mee ei omne
solacium, Genn. 17, 234 z. 1 anf
Fili, dnlcor unice,
singulare gandium,
matrem flentem respice
conferens solatium.
Mone, s. 362 v. 7 — 10; femer 0 Judei miseri, o Judei impii, noUte miehi
parcere ex quo natum meum unicum crttcifigitis : et me crudfigiie aui
alia quacumque seva morte perimiie ut tantum cum filio meo simul
finiar, male enim solus moritur, Germ. 17, 234 z. 5—8 anf
Nato, qnaeso, parcite,
matrem crncifigite
ant in cmds, stipite
nos simul i^gite:
male solns moritur.
Mone, s. 364 v. 60—64 nnd drittens 0 mors misera, non parcis proU,
non parcas et michi, tu michi soU, o mors, esto seva, Germ. 17, 234 z.9.
10 anf
Parcito proli,
mors! mihi noli:
tunc mihi soll
sola mederis
Mone, s. 363, v. 47—50.
- '--'
UNSER VROUWEN KLAGE. 297
Zweiflern, sondern zu gläubigen Christen: darum braucht er
ihnen auch nicht die ganze leidensgeschichte vorzutragen, die
sie kennen und glauben, sondern nur die in den evangelien
nicht enthaltene und ihnen deshalb vielleicht weniger bekannte
Marienklage, damit sie bei betrachtung dieser leidensscenen
in sich gehen und in der erkenntnis der eigenen untüchtigkeit
die fbrbitte der Maria zur erlangung der Seligkeit für sich zu
gewinnen suchen. Maria aber war noch in Bethanien, als sie
die gefangennehmung Jesu durch die jünger erfuhr. Als sie sich
nun nach Jerusalem aufmachte, gelang es ihr doch nicht in
das haus des hohepriesters Annas zu dringen. Erst als Jesus
am folgenden morgen zu Kaiphas gebracht wird, sieht sie ihn,
wie er von dem erregten volke gestosoen, geschlagen und ver-
speit wird. Auch bei den folgenden verhören vor Kaiphas,
Pilatus und Herodes war sie nicht zugegen. Alle diese leidens-
momente, welche in der darstellung der Interrogatio ungefähr
schon die hälfte der ganzen schrift einnehmen, boten daher
keine rechte gelegenheit zur ausmalung der Marienklage.
Dennoch hat sie der dichter nicht ganz übergangen, wenn auch
der bericht, welchen er die Maria v. 482 — 547 davon geben
lässt, nur kurz ist. Ebenso tritt die Maria auch in der legende
bis zur kreuztragung ganz in den hintergrund: es wird nur
berichtet, dass sie, nach Jerusalem gekommen, mit Maria
Magdalena vor dem hause des Annas gestanden und dass sie
über die Verhöhnung Jesu, welche Maria Magdalena durch eine
Öffnung erblickte, geweint haben. Als aber das volk, nachdem
das verdict gefällt war, zur kreuzigung auszog, schlössen sich
die Marien dem zuge an und damit beginnt die eigentliche
Marienklage.
Der dichter führt die Maria mit v. 482 sprechend ein. Als
sie die ergreifung Jesu erfuhr, war sie schon in Jerusalem.
Sie begibt sich an oi-t und stelle und schildert die nächsten
begebenheiten zwar kurz, aber aus eigener anschauung. Darin
weicht das gedieht nicht nur von der legende, sondern auch
von der Interrogatio ab, in welcher die widerholte frage des
Anseimus, ob Maria da schon bei Jesu gewesen sei, verneint
wird. — Maria sieht, wie Jesus gestossen, geschlagen und ver-
speit wird ; er erträgt es wie ein lamm. Sie weint und schreit
laut auf vor schmerz bei diesem anblick, Jesus wird verurteilt
298 MILCHSACK
und wie ein dieb zur kreuzigung geführt, beschimpft und mit
kot und steinen beworfen; Maria folgt, geführt von den frauen.
Auf Golgata angekommen , wird er entkleidet und gekreuzigt
So weit behandelt der dichter seine vorläge mit grosser Selb-
ständigkeit, nur wenige andeutungen derselben benutzend. —
Nun aber setzt er voll ein und die in v. 620 — 962 folgenden
ausbriiche leidenschaftlichen und rührenden Schmerzes der
Maria schliessen sich eng, aber in breiterer ausführung an den
Planctus der Leipziger hs. an. Dann aber bot die quelle dem
dichter wider nur weniges, was er für seinen zweck verwen-
den konnte und er fällt einigermassen aus der rolle, wenn er
nun selbst sowol die Schilderung der ferneren ereignisse als
auch des dabei sich kund gebenden Bchmerzes der Maria über-
nimmt Diese tritt nur noch ein paarmal sprechend auf, da-
für werden aber zum öfteren längere ermahnungen an die
leser eingeflochten. Er schliesst mit einem lobe Marias und
einem gebete um fürbitte für sich und die leser und hörer
seines gedichtes.
In folge dieses gegensatzes zwischen quelle und gedieht
ist im wesentlichen nur der Planctus oder etwa ein ftinftel der
ersteren im letzteren verarbeitet worden. Es bieten sich also
verhältnismässig wenige stellen zur vergleichung. Dieselbe
wird aber noch erschwert durch die breite ausdichtung des
lateinischen textes, dessen einzelne sätze gewönlich in kürzere
oder längere abschnitte ausgeführt worden sind, so dass es
manchmal schwer ist zu sagen, ob die fassung der einen oder
ob diejenige der anderen recension dem lateinischen ausdrucke
verwanter ist
Es entstehen ferner aber noch besondere Schwierigkeiten
aus der beschaffenheit der beiden receuBionon selbst Gehen
wir nämlich, wie es natürlich ist, von der Voraussetzung aus,
dass die eine der beiden handschriftenclassen die ursprüng-
liche form des gedichtes, wobei kleine mängel und Verderbnisse
selbstverständlich nicht in anschlag gebracht werden, im gan-
zen genommen getreulich bewahre, und dass die andere diese
originale form auf ihre weise in geringerem oder grösserem
umfange überarbeitet darstelle, so müssen wir erwarten, dass
die erstere stets mit der lateinischen quelle genauer überein-
stimmt als die letztere. Wir finden nun aber^ dass an meh-
UNSER VROÜWEN KLAGE. 299
reren stellen fc^nz unzweifelhaft die zweite recension dem
lateinischen texte näher steht, als die erste. Daraus ergibt
sich^ dass keine von beiden handschriftengi-uppcn original ist;
denn wenn es feststeht, dass an einigen stellen des textes der
ersten gruppe eine bedeutendere Umarbeitung stattgefunden hat,
so darf man mit Sicherheit annehmen , dass eine solche auch
anderwärts vor sich gegangen ist, nur dass es sich hier, weil
die lateinische vorläge sich nicht zur vergleichung darbietet,
nicht mehr erweisen lässt. Wir müssen daher beide recen-
sionen als bearbeitungen betrachten.
Die stellen, an welchen I mit der quelle genauer zusam-
menstimmt als II sind folgende. Seh. (= Schades ausgäbe)
7, 2 : quis däbit capiti meo aquam et oculis meis foniem lacrma-
mm vi plangam interfectionem vnigeniti fiUj mei = I v. 377
und V. 474 — 81 fehlen in II und mit ihnen der ganze abschnitt
V. 376 — 481, in welchem diese verse enthalten sind, mit aus-
nähme von V. 446 — 465.
Vers 490. 1 lauten in
I II
dd mir daz masre wart geseit, dd ich daz leide msere vernam,
ein swert id!d herze gar vil s6re ich mich des erkam,
durchsneit,
und bei Seh. 7, 13: Anshelmus: Die, karissima domina, quid fe-
cisti, cum hec audires? [Maria:] Gladius Symeonis animam
meam pertransiuit. Ausserdem ist zu beachten, dass diese
verse in II hinter v. 494 — 97 hinabgeschoben und v. 492. 3,
in denen Maria ihre ankunft bei ihrem gefangenen söhne be-
richtet, ausgelassen sind, beides unpassende Veränderungen
und die orstere auch entgegen der darstellung der Interrogatio.
V. 494 hat folgende fassung in
I II
st stiezen in unt spitn in an, st bizzen unt grinen in an,
und bei Seh. 7, 17: videbam illani desiderabilem fadem sputis
ludaeorum maculatam.
V. 567 fehlt in II lapides, bei Seh. 10, 5.
V. 605 — 7 haben in II form und inhalt der ursprünglichen
fassung vollständig verloren:
300 MILCHSACK
I II
dd mohte ich im geh elf en ich sach ouch mangen boBsewiht,
niht. dem mtn lieber h6rre zart
st spilten nmbe stn gewant: ze schimpf ant ouch ze spotte wart
also wart mtn liebez kint geschant.
Seh. 11, 25 ei exanimis facta fui und ibid. 11, 3. 4 Maria:
Postquam crucifixerunt fiUiim meum, diuiserunt sibi vesti-
menia sua.
Ferner v. 620—25:
I II
ich sach in an ant er mich: ich sach in an nnt er mich;
daz sehen daz was jasmerlich. daz sehen daz was jsemerlich.
mir was w6 unt aber wd, waz sol ich in nü sagen m6:
doch leit stn herze smerzen md mir was w§ nnt aber wd.
von der grözen quäle mtn, )
dan im tet diu marter stn. | Z^^*^'*-
und bei Schröder, Germ. 17, 233. 2: üfide ego videns eum et
ipse videns me plus dolebat de me quam de se.
Die Umarbeitung in II y. 642 — 46 gibt sich in der auslasBung
von y. 644. 45 zu erkennen, deren echtheit durch die quelle
bezeugt wird.
I II
von stnem Itbe vliezen. von stnem Übe vliezen
do begunde sich entsliezen unt die erde gar begiezen.
der hört, der da verborgen .
lac. I fehlen.
dd ich erhört den hamerslac '
unt sach daz bluot entspringen, ... ich sach daz blnot entspringen, . . .
Seh. 10, 31 — 33 tunc impleta fuit prophecia Dauid L e. ipsius,
diceniis in psalmo: audi, filia, et vide! quasi dicat filius meus:
audi, karissima maier, sonum malleorum, et vide, qualiter
manus et pedes meos crucifixerunt.
V. 647 ist üz den wunden in I dem ex quatuor partibus
Germ. 17, 233, 6 entsprechender als die lesart von sinem
Übe in IL
Mit einer Verderbnis in beiden recensionen yerbunden,
welche schon in der vorläge von I und n platz gegriffen
hatte, ist die änderung in II v. 738—45 und eben jene ältere
Verderbnis scheint zu dieser die veranlassung gegeben zu haben.
Die verse lauten in
UNSER VROÜWEN KLAOE.
301
0 Büezez kint, du vröuden kint,
du mlDer s61e gar gemint:
[hdrre wol,
dir etat yil (Daz stedt dir D) lieber
daz (wanD) du bist aller gnaden vol.
erhoere, hdrre, mtn gebet:
ich bit dich als ich d tet:
zinch mich an die stten din
ont troßste die armen maoter dtn.
U
6 süezez kint, du vröuden kint,
der sdle leben mir gar ge-
mint:
dir stat, vil lieber hßrre, wol,
wan du bist aller gnaden vol:
}
fehlen.
erhoere, hdrre, (h^rre fehlt ü) die
armen muoter dtn
(din armez müeterltn B):
zinch mich an die stten dtn.
Diese stelle beruht auf folgenden Sätzen der Interrogatio:
Fili, dulcor unice, singulare gaudium, viia anime mee et ornne
solaclum . . . 0 fili, recognosce miseram et exaudi precem
meam, decet enim filium exaudire mairem desolat am. Exaudi
me, obsecro, et in tuo me suscipe patibulo. Genn. 17,234, 1 — 4.
Die vergleiehung des gediehtes mit der quelle zeigt, dass aller-
dings y. 739 und 744. 5 mit der letzteren in II genauer zu-
sammenstimmen als in I, dagegen fehlen in II v. 740. 1,
welchen das exaudi precem meam entspricht. Es ist nun wol
möglich, dass diese beiden yerse durch abspringen des auges
des bearbeiters von dem erhcere hirre in v. 740 auf das
erhosre in v. 744 in II ausgelassen wurden, wofllr auch das
in 61 den vers beschwerende herre spricht. Allein wenn man
erwägt, dass v. 742. 3 so wol gegen die construction, als auch
gegen die gedankenordnung der quelle, also durch ein ver-
sehen des Schreibers des archetypus von I und II vor v. 740. 1
geraten sind, so erscheint es nicht unwahrscheinlich, in der
auslassung von v. 740. 1 eine absichtliche correctur des be-
arbeiters von II zu erblicken. Die stelle ist aber sogleich ge-
bessert, wenn man, mit aufiiahme der lesart von D in v. 742,
die platze von v. 742. 3 und von 740. 1 vertauscht, wie es in
meinem texte geschehen ist
Wir dürfen hier bei besprechung der mit der quelle über-
einstimmenden stellen von I auch v. 886 — 91 herbeiziehen, ob-
schon sie in einer beziehung zu denjenigen gehören, wo II der
Interrogatio näher steht als I, welche nachher aufgeführt wer-
den sollen. Sie haben folgende fassung in
302 MILCHSACK
I ^ U
du weist wol wie ich bin geborn : O ssclec vor allen ¥rtben,
du bist erwelet unt üzerkorn dtn weinen 1a beltben:
vor aller creatinre. du bist mins tOds ze sSre erkomen.
mtn tot ist dir ze siare du weist wol wannen ich bin
kernen,
worden unt wirt dannoch m6.
dir ist nach mir wd.
Du weist wol wannen ich bin komen in II Bchliesst sich enger
an die werte der Interrogatio Be7ie scis tinde processi et unde
veni Germ, 17, 234, 38 als I 886—88. Dagegen folgt I gegen-
über II der quelle nicht nur darin, dass die dem quare ergo
contristaris Germ. 17, 234, 39 entsprechenden verse 1 889 — 91
= II 886c nach 886 — 88 stehen, sondern dass überhaupt
diese ganze stelle den die Interrogatio Germ. 17, 234, 35 — 38
behandelnden versen 880 — 85 nachgesetzt ist, während sie
in II denselben to ran geht. Ausserdem sind bei dieser be-
arbeitung I 874 — 79, welche auf den werten der quelle Noli
flere mater, noli plangere speciosissima mater Germ. 17, 234, 35.
36 beruhen, in II entweder ganz ausgelassen, oder in den
beiden versen II 886 a. b. verarbeitet worden.
Es folgen nun einige verse, in denen A und die quelle
der II. recension und BG gegenübertreten. Da sich aber auch
noch mehrere andere stellen nachweisen lassen, welche eine
engere verwautschaft von BG mit II wahrscheinlich machen,
so muss auch diese als beweis dafür gelten und A allein das
ursprüngliche bewahrt haben. £s sind dies v. 909 — 12:
A n BG
Johannes, liebiu minne, Johannes, liebiu mlnne,
sich an dtne muoter Johannes m!nvil(janger^C)gaoter,
nnt bis ir pflege r guoter: sich an dlne mnoter:
du nim ir war diu mich gebar. du nim ir war diu mich gebar.
Die vergleichung mit der quelle: Iterum Johannem intuitus ait
'Ecce mater tua: ei servias, curam iUii(s habe Genn. 17, 234,
42. 43 zeigt, dass in II BG zwischen v. 909 und 910 Johannes
min vil guoter eingeschoben und dafür v. 911, welcher das ei
servias widergibt, ausgelassen wurde. Die veranlassung zu dieser
änderung kann der mangel von y. 911 in der vorläge von II
gewesen sein ; ein Schreiber der dasse BG nahm abdann diese
lesart aus einer der IL bearbeitung angehörenden hss. in die
UNSER VROÜWEN KLAGE. 303
seinige auf. — Mit der auslassung von I 1374 — 81 ist auch ein
stück der quelle in II verloren gegangen. Denn I 1374 tvan
ich äne in niht mac geleben entspricht quia posi illum semper
male habebo Germ. 17, 235. Die verse I 1374 — 81 sind also
original und nicht etwa von dem bearbeiter von I hinzu-
gedichtet.
Der abschnitt v. 1420—43, welcher auf Seh. 13, 15—17
beruht, ist auch in I nur in A erhalten.
Die stellen, welche für die grössere Übereinstimmung zwi-
schen U und der quelle in anspruch genommen werden müssen,
sind nicht so zahlreich und ausser den schon bisher erwähnten
folgende. In v. 732 entspricht zerre dem extrahe der Interro-
gatio besser als zebrich in I. — Sehr bemerkenswert sind die
änderungen, welche in I bei v. 506. 7 vorgenommen worden
sind. Hier liest
II I
er Bweic als ein lembelt er sweic als ein lembelln
unschuldic aller Sünden vrt. gedultic in den noeten stn.
Die grössere treue der Übertragung der quelle iunc stetit quasi
agnus mansueius et innocens et non aperuit os suum Seh. 7, 23
ist unbedingt auf selten von II. Der grund der ändeining in I
war oiBfenbar der alemannische reim lembeH : vrt, woran um so
weniger gezweifelt werden kann, wenn man sieht, dass alle
hss. von I zur Vermeidung desselben einen eigenen ausweg ge-
sucht haben. Die von mir oben angegebene lesart haben nur
BC, welchen, wie später gezeigt werden wird, nur die geltung
öiner hs. beizumessen ist. Freier ist die Umbildung von v. 507
schon in D Der viel liebe herre myn und A hat einen ganz
neuen reim eingesetzt: Er sweig als ein lemlin tut Geöuliig
was er vnd gut. Diese auseinandergehenden Varianten aller
hss. beweisen aber, dass auch in I anfänglich noch das rich-
tige gestanden hat
Ohne ersichtlichen grund ist die ander ung I 818. 19. Diese
beiden verse sind überliefert in
II I
dem elliu dinc sint mügelich, bedenke, got, mtn armez leben:
bedenke, hgrre, selbe dich, wer sei mir nü tröst geben,
und sind hervorgegangen aus Fili äulcissime, omnia possi-
301 MILCHSACK
biiia tibi sunt Germ. 17, 234, 21. Dass II die ursprüngliche
fassuDg bewahrt, ist deutlich.
Eine noch Btürkere umdichtung hat I v. 836 — 39 statt-
gefunden,
n I
als ob er sprseche, muoter, habe in ze elDem kinde.
maget,
von mtner martr wis nnverzaget ach, maoter mtn, erwinde
zartiu maoter, reiner 11p, ant lä dln weinen stn:
du bist ze weinen als ein wtp. nim stn war reht als mtn.
du hast ze vil barmherzikeit
zno mir nnt der miltekeit
welche folgender stelle der lateinischen vorläge nachgebildet
sind: ac si dicerei Omaler dulcissima, mollis ad fletidum, mollis
ad doletidum Germ. 17, 234, 25. — Dagegen sind die abweichen-
den lesarten I v. 840 — 43 nur durch verderbte Überlieferung
entstanden, und wenn es auch sehr schwer sein würde, aus
ihnen ohne die zuhülfenahme von II die in dieser recension
bewahrte correcte und originale fassung wider herzustellen, so
zeigen sie doch deutlich, dass auch I ursprünglich mit II iden-
tisch war, also eine bearbeitung in dem hier besprochenen
sinne nicht vorliegt.
In die kategorie von v. 506. 7 gehören auch v. 860. 1.
Im zusammenhange heisst es hier v. 858 — 61 in
II I
vrouwe, lä dtn trüren stan, 6 mnoter, lä dtn trüren st&n,
liobiu uiuoter, wan ich vnnden hän wan ich die s^len vunden h&n
mtn herzeliebez schsßteltn nnt mtnin lieben schsefeltn,
daz lange irre ist gesln. diu lange irre gewesen (gewarenfC)
stn.
Vergleicht man damit die Interrogatio Jmmo congratulari michi,
qxiia nunc inveni ovem erroneam, quam tam longo tempore
perdidi Germ. 17, 234, 31. 32, so gibt sich auch hier der
grund der änderung im reime, in dem specifisch alemannischen
participium gesin zu erkennen, welches dem bearbeiter von I
nicht gelfiufig gewesen sein muss. Nachdem aber dafür ge-
wesen sin gesetzt worden war, wurde der plural anstatt des
Singulars ovem erroneam von selbst notwendig.
Ebenso war es auch der reim beschiel : niet, welcher I
V. 866-^73 die veranlassung zur umdichtung gegeben:
UNSER VEOÜWEN BXAGE. 305
II. I.
war umbe misseyellet dir, war umbe miBseyellet dir
daz min vater hat geboten mir der tot? ja hat der vater mir
unt daz im so wol gehaget: geboten, daz ich trinken sol
daz lä dir liep stn, muoter, maget der martel tranc, daz kämet wol
wie wilt du, daz ich trinke den sSien, die da sint gebunden
niet
daz tranc, daz er mir be- von den boesen hellehunden:
schiet,
d6 er mich sande erloesen den wil ich ze hilfe kamen,
mangen sünder boesen. mtn tot sol manger söIe vromen.
Denn auch hier ist die grössere Übereinstimmung zwischen II
und der quelle Quod placet deo pairi, quomodo tibi dispHcei,
mater diiecta? Calicem quem dedit michi pater , non vis
ut bibam illum? Germ. 17, 234, 33 — 35 unbestreitbar und
nichts aufzufinden, was ausser dem angegebenen reime die be-
arbeitung in I hervorgerufen haben könnte.
Aus diesen belegen ersieht man, dass also ^uch in I ab-
sichtliche änderungen vorgenommen und mit Sorgfalt und ge-
schick auBgeftihrt worden sind. Allerdings sind dieselben, so-
weit die vergleichung mit der quelle dies zu beurteilen ge-
stattete, bei weitem nicht so häufig als in 11, jedoch immerhin
solche, dass man ähnliche auch an anderen stellen vermuten
darf und jedenfalls auch I nur als eine bearbeitung des origi-
nalen gedichtes angesehen werden kann.
Die Überlieferung würde indessen immer noch als eine
verhältnismässig günstige zu betrachten sein, wenn die hier
besprochenen differenzen die einzigen wären, welche in den
beiden recensionen von Uvkl. begegnen. Das ist aber keines-
weges der fall: es lassen sich vielmehr durch das ganze gedieht
hin eine menge kleinerer und grösserer abweichungen verfol-
gen, welche meistens ebenfalls nur in mehr oder minder starker
Überarbeitung eines einst gemeinsamen textes bestehen, zuweilen
aber in völlige Umgestaltung desselben mit bedeutenden aus-
lassungen oder Zusätzen ausgeartet sind. Ist es nun nach den
bisherigen erörterungen schon nicht unwahrscheinlich, dass die-
selben weit mehr dem bearbeiter der IL recension, als dem-
jenigen der ersten zur last gelegt werden müssen, so ist es
doch recht erwünscht, dass sich dieses gerade für die stärkste
und wichtigste Verschiedenheit beider nachweisen lässt
Beitrüge inr geioMohte der dentechen ipraohe. V. 20
306 MILCHSACK
Der auffallendste unterschied zwischen beiden recensionen
erscheint nämlich am eingang des gedichtes und auch der
schluss desselben ist von dem bearbeiter teilweise in mitleiden-
Schaft gezogen worden. Es wurde schon oben angegeben, dass
das quis dabit capiti meo, welches der dichter als den anfang
seines büchleins bezeichnet, erst im verlaufe der Interrogatio
auftritt. Sie beginnt vielmehr mit folgendem satze: Sancttis
Aiuhelmus longo tempore cum lacrimis et orationibus ac ieiunijs
deprecabatur beatam Mariam virginem, ut ei passionem diiecti
filij [perfectius] reuelare dignaretur, tandem beata virgo apparuit
sibi et dixit : Tanla et talia passtis est mens [filiiis] dilectus etc,
und diese wenigen werte, mit welchen der Verfasser der In-
terrogatio seine leser sogleich in medias res führt, sind es, auf
welchen in I die einleitung beruht. I hebt v. 83 — 106 damit
an, dass der dichter in aller kürze angibt, was die veran-
lassung zu seinem gedichte gegeben habe: wie er eines tages,
in betrachtungen über die schmerzen der Maria beim anblick
ihres leidenden sohnes versunken, ein lateinisches büchlein ge-
funden, welches dieses leiden in so eindringlicher und ergrei-
fender weise geschildert habe, dass dadurch in ihm der wünsch
erweckt worden wäre, dasselbe anderen frommen Christen zur
erbauung ins deutsche zu tibertragen. V. 376 — 97 wird das
büchlein und sein Verfasser etwas näher beschrieben, und da-
mit seine leser sich von der authenticität seiner darstellung
überzeugen, gesagt, dass es ein reiner und heiliger kapplan
der Jungfrau gewesen, dem sie selbst wegen seiner frömmig-
keit ihre klage geoffenbart habe. Dieser abschnitt enthält den
gedanken des vorhin angeführten anfangs der quelle. Das
daran v. 398—481 angeschlossene gebet des kapplans ist nur
eine weitere besondere ausführung dieses gedankens; es schliesst
mit der Übertragung des quis dabit capiti meo etc. und es mag
schon hier darauf aufmerksam gemacht werden , dass die In-
terrogatio diese worte nicht dem Anseimus, sondern der Maria
in den mund legt. Wir werden uns dessen später bei der be-
urteilung des von Hoffmann, Altd. blätt 2, 200 abgedruckten
fragmentes wider erinnern müssen, welches in bezug auf diese
und einige andere stellen eine verwantschaft mit UvkL ver-
rät, die das ihm von Schade und Schönbach zugeschriebene
alter und damit seine vermeintliche bedeutung sehr herabzu-
UNSER VROÜWEN KLAGE. 307
mindern geeignet ist Mit v. 482 beginnt sodann die Klage
unser vrouwen, welche mit einem marienlob v. 1588 — 1617
und einem daran geschlossenen gebete des dichters fbr sich
nnd seine leser und hörer schliesst
Diese so einfache und naturgemässe anläge des gedichtes
ist in U in einschneidender und tendenziöser weise umgestaltet
worden. 11 beginnt mit zwei gebeten. In dem ersten wendet
sich der bearbeiter in y. 1 — 56 an Jesum und bittet ihn um
die wisheitj diu dinen jungem wart gesant und noch den guoten
ist erkant (v. 38 — 40), d. h. um erleuchtung durch den heiligen
geisty damit von seinem werke, der klage Marias unter dem
kreuze, dir (Jesu) rf lop unt Sre unt sich min soelde mire unt
mir diu reine muoter din ir gndde tuo mit triuwen schin
(v. 53 — 56). Das zweite gebot v. 57 — 82 ist an die Jungfrau
selbst gerichtet und entspricht nach Inhalt und form jener
bitte für die leser von Uvkl., mit der I schliesst: es besteht,
wie die in den lesarten gegebenen hinweisungen zeigen , bei-
nahe vollständig aus versen jenes, nur v. 77. 78 sind v. 1254.
55 mit benutzung von v. 87. 88 nachgebildet, v. 65. 66. 79. 81.
82 selbständig; dagegen hat der bearbeiter v. 73. 74 aus dem
nur in I enthaltenen gebete des kapplans v. 444. 45 entnom-
men. Nun erst folgt in übereinstimmung^mit I die darlegung
des dichters über die veranlassung seines werkchens = v. 83
— 106, der aber unmittelbar in weiteren acht versen (107 — 14)
die angäbe der quelle, jedoc^h in sehr unbestimmter weise an-
gefügt ist, die also dem abschnitt I 376 — 97 entsprechen. Der
bearbeiter sagt hier ausdrücklich^ er wolle die klage der Maria
verkünden:
t09 als st {Maria) ez kante rehte
einem ir knehte . . .
Anstatt nun aber wirklich mit der Marienklage zu beginnen,
schiebt er v. 115 — 375 eine lange interpretation ein über
Hohelied 3, 11: egr edimini et videie filiae Sion regem Salomonem
in diademate, quo coronavit illum maier sua in die desponsationis
Ulms, et in die laetitiae cordis eius. Er bittet zunächst v. 115
— 36 seine leser um gehör und wegen etwaiger mängel seiner
darstellung um entschuldigung. In dieser widmung an die
leser vollzieht er zugleich die taufe des gedichtes v. 125 — 27,
in welcher ihm der name Spiegel bei6:elegt wird.
20 •
308 MILCHSACK
Unter dieser bezeiebnong ist das gedieht von Mone in die
literaturgesehielite eingeführt worden; bie erweist sich aber
nun als nicht vom Verfasser selbst herrührend, und es liegt
daher kein grund vor dieselbe auch femer noch beizubehalten,
besonders da die damit yerkniipfte bedeutung, abgesehen von
der Interpretation des bearbeiters, auf das eigentliche gedieht
keine anwendung findet. Denn die spräche des mittelalters
bezeichnet mit spiegel im geistlichen sinne einerseits den gegeu-
satz des hellen, reinen Spiegelglases zu den schmutzigen dingen
dieser weit und den unlauteren gelüsten der menschen, so in
der Tochter Syon des bruders Lamprecht von Kegensbui^ bei
Weinhold, Mhd. leseb. s. 155 v. 205 ff.:
S^dn sprichet ouch ein Spiegel,
diu sSle ist aber ein rower ziegel,
diu sich mit irdischer gelost
bewillet in des herzen brüst
Vgl die anmerkung daselbst Daraus entsteht die bedeutung
des spiegeis = vorbild, muster ; vgl. mhd. Wb. II, 2, 494 f. So
wird Maria im Guten Gerb. 2239 aller megde Spiegel genannt,
und in diesem sinne gebraucht es auch der bearbeiter nach
einer eigenen erläuterung v. 204 — 13:
S^ön bedintet als vil,
swer ez in tiatsche diäten wil,
ein Spiegel ode ein schoawen.
ir kint, ir reinen vronwen,
ir Salt der tagende spiegel stn
ont gotes bilde ein cl&rer schtn.
der Spiegel ist lüter ande cl&r:
also Sit ir, kint, daz ist w&r;
ir haut ein spiegeltchez leben:
ir Salt der tagende spiegel geben.
Endlich aber erlangt spiegel die bedeutung von speculatio «==
geistliche betrachtung in den Schriften des mysticismus, worauf
mich herr prof. Zarncke aufmerksam machte. Diese bedeu-
tungen finden aber auf unser gedieht nur in sehr beschränkter
weise eine anwendung. Denn es soll nach des dichters ab-
sieht (vgl. V. 83 ff., 392 ff., 440. 7) eine Marienklage sein
und ist auch tatsächlich nur dieses. Auch der bearbeiter von
II sieht es als eine solche an, wenn er v. 137. 8 sagt: S daz
wir körnen zuo der clage Marien. Ich habe darum auch
kein bedenken getragen, das gedieht umzutaufen und ihnii im
UNSER VROÜWEN KLAGE. 309
anschluss an die betitelung in ABCH, die ihm gebührende be-
nennung Unser vrouwen klage beizulegen.
Darauf folgt in v. 137 — 335 die eigentliche auslegung,
deren motiv der bearbeiter alsdann weiterhin zur Überleitung
in die Marienklage verwertet hat v. 336 — 75 + 446 — 65.
Wie im Hohenliede die töchter Syon hinausgehen , um den
könig Salomo im hochzeitsschmuck zu schauen, so sendet sie
nun der nachdichter hinaus zur Maria v. 337 ff.:
Gänt üz ZUG der megde gnot
nnt erküelent inwem muot
sprechet unde vräget st
ob si niht nähen waer da bt,
dd ir kint wart gevangen
gebunden nnt erhangen n. s. w.
Dafür ist natürlich die beschreibung der quelle I v. 376 — 97
und das gebet des kapplans I 398 — 481 ausgefallen mit aus-
nähme von V. 446 — 65, welche direct in v. 475 angeschlossen
werden. Wol aber sind diese beiden absätze in der hier be-
sprochenen Überleitung fleissig ausgebeutet worden, worüber
man die angaben in den Varianten vergleichen möge. Diese
stelle, V. 446 — 65, enthält nochmals die aufforderung des kapp-
lans (nach der Interrogatio also des Anseimus), dass ihm die
Jungfrau ihre schmerzen offenbaren möge:
sage, reinia maget, sage,
sage nnt künde dtne klage n. s. w.
Und auf diese bitte führt dann der dichter die Maria mit fol-
genden Worten v. 482 ff. sprechend ein:
Zao den werten sprach diu maget
'vil lieber kneht, dir si gesaget:
ich was ze Jerasaldm inne u. s. w.
Dieser Übergang ist beim dichter und in I durchaus correct
und der quelle entsprechend. Wenn aber nun der bearbeiter
von II denselben mit einer leisen änderung in v. 483 vil lieben,
iu si gesaget auf die töchter von Syon anwendet und die Maria
diesen ihre klage unmittelbar verkündigen lässt, so gerät er in
Widerspruch mit der in v. 109. 10 bedeuteten angäbe, dass die
Maria einem ir knehte ihre klage in einer vision geoffenbart
habe. Wollte man daher diese form der einleitung mit Schön-
bach als eine sinnreiche bezeichnen, so müste wenigstens diese
incongruenz vermieden sein. Andererseits ist aber auch das
mass einer einfachen einleitung zu einem gedichte vom um-
310
MILGHSACK
fange Ton Uvkl. darin so sehr überschritten (sie umfasst bei-
nahe den vierten teil des ganzen) , und die töchter von Syon
stehen mit der Marienklage so gans ausser allem zu-
sammenhange, dass dagegen die viel einfachere und näher
liegende natürliche und mit der quelle übereinstimmende
einleitung in I derselben unbedingt vorzuziehen ist —
II endigt mit einem gebetC; in v^elchem die fassung von I
stark umgearbeitet und erweitert worden ist. Der dichter
bittet darin in I ftir un^, d. h. für sich und seine mitchristen,
der bearbeiter aber ist selbstsüchtig genug, über der sorge um
sein eigenes Seelenheil das seiner mitmenschen zu vergessen.
Die in dem gebete an die Maria v. 57 — 82 schon vorweg ge-
nommene fürbitte für seine leser hat er selbstverständlich
übergangen. Zum Schlüsse geht er, um den Zusammenhang
mit den töchtern von Syon aufrecht zu erhalten, auch noch
diese an, dass sie ein ave Maria für ihn sprechen möchten.
Ich will noch, um dem leser das soeben geschilderte Ver-
hältnis der beiden recensionen etwas bequemer zu veranschau-
lichen, die jeder von ihnen angehörenden teile des gedichtes
tabellarisch neben einander gestellt folgen lassen.
I.
V. 83—106 angäbe des dichters über
die vcranlaBBung zu seinem
werkehen.
v. 376-— 397 beschreibnng der lat
quelle und ihres Verfassers,
des Kapplans (Anshelmus).
Vgl II 107—114.
V. 398- 445, I gebet des Kapplans
446—465 und? an die Maria um
466—48 1 f offen barihrer klage.
V. 482 ff. die Marienklage.
U.
V. 1—56 gebet des nachdichters
an Jesum um erlenchtang.
V. 57—82 fürbitte bei Maria für die
leser und hürer des gedichtes
mit benutzung von 1 1618-57.
V. 83—106 =» I.
+ v. 107—114 angäbe der qaelle,
entsprechend I 376—397.
v. 115—136 Widmung an die leser.
V. 137 — 335 Interpretation von
Hobel. 3, 11.
V. 336-375 \ üijerieitung ^^
Marienklage.
Gebet der tue hter
von 8ion
an Maria, am
+ V. 446—465 Offenbarung ihrer
= 1 ) klage.
V. 4S2 ff. = I.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 3 1 1
Dieses in der einleitung und am ende hervortretende ver-
halten der beiden reeensionen zur lateinischen quelle und
unter einander lässt keinen zweifei darüber, dass I hier die
originalere abfassung repräsentiert, II eine tendenziöse Über-
arbeitung. Und da auch im übrigen die vergleichung mit der
quelle ein weitaus günstigeres resultat für I als für II ergab,
so muste I der ausgäbe des gedichtes zu gründe gelegt wer-
den. Bei der ausarbeitung des handschriftenverhältnisses über-
zeugte ich mich aber bald, dass die herstellung des kritischen
textes mittelst combination beider recensionen nicht nur äusserst
schwierig, sondern nach festen grundsätzen überhaupt unaus-
führbar gewesen sein würde, denn die abschätzung des wertes
derselben hätte dabei allzu oft dem subjectiven ermessen des
herausgebers anheimgestellt werden müssen. Ueberdies würde
dadurch der Variantenapparat sehr schwerfällig und eine leichte
Übersichtlichkeit der beiden bearbeitungen, welche für die fer-
nere wissenschaftliche benutzung wünschenswert sein muste,
nicht erreicht worden sein. Ich habe daher auf den rat des
herrn prof. Paul das von Bartsch für seine ausgäbe der Klage
befolgte verfahren als das praktischste zur anwendung ge-
bracht, den text von I als haupttext behandelt und die davon
abweichenden stellen in II in gebesserter gestalt unter den-
selben gesetzt. Hierbei möge man beachten, dass diejenigen
abweichungen in II, welche blosse bearbeitungen sind, wenn
die zahl der verse der correspondierenden stelle in I nicht ent-
spricht, mit buchstaben, diejenigen aber, welche in I fehlen,
mit besonderen zahlen gezählt sind. Nur bei drei grösseren
absätzen von 11 war die aufnähme in den haupttext nicht zu
vermeiden, weil sie sich ihres bedeutenden umfanges wegen
unter demselben nicht anbringen liessen, nämlich bei v. 1—82,
107 — 375 und 1484 — 1539. Da sie aber in sich abgeschlossene
abschnitte bilden und durch cursiven druck kenntlich gemacht
sind, so glaube ich, dass daraus keine Schwierigkeit für den
leser entstehen wird. Wie in der Klage, so sind auch hier
die lesarten in zwei abteilungen geschieden. Die unter dem
durchgehenden striche stehenden gehören zum haupttext, die
unter dem halben strich zu den abweichungen von II. Dem
lesarteuverzeichnis habe ich auch, um die vergleichung zu er-
leichtern, die entsprechenden stellen der quelle einverleibt,
312 MILCHSACK
welche sich durch den gesperrten druck Bofort aus den. Varian-
ten herausfinden lassen. Ich habe unter ihnen mehrere aufge-
nommen, welche mit den bezüglichen versen des gedichtes nur
in einem sehr oberflächlichen Zusammenhang stehen, um dem
leser an einigen beispielen zu zeigen, in wie freier weise der
dichter seine vorläge zum teil behandelt hat Darin bin ich
aber Bartsch nicht gefolgt, in einer besonderen rubrik zu ver-
suchen, die gemeine lesart wider herzustellen. Denn hierbei
spielt die subjectivität des widerherstellers notwendigerweise
eine zu grosse rolle, als dass meistens mehr denn eine an-
nähernde Sicherheit für die ursprtinglichkeit des gewonnenen
erreicht werden könnte. Es bedarf dazu auch einer solchen
kenntnis und bewundernswürdigen gewantheit in der band*
habung des mittelhochdeutschen, wie sie Bartsch eignet, in der
ich es ihm aber gleich zu tun nicht unternehmen werde.
Es erübrigt nun noch nachzuweisen, wie der umdichter
von II dazu gekommen ist, jene auslegung des Hohenliedes
3, 11 in seine bearbeitung aufzunehmen. Denn dass er dazu
eine äussere anregung empfangen habe, glaube ich, steht ausser
aller frage. Man wird zunächst an die Tohter S^ön Lamp-
rechts von Regensburg 1) und an das gleichnamige etwas
spätere gedieht denken, welches früher dem mönch von Hoils-
hronn 2) zugeschrieben wurde. Allein weder das gedieht Lamp-
rechts bietet in dem, was bis jetzt davon bekannt geworden
ist, greifbare beziehungen zu der einleitung des zweiten be-
arheiters von Uvkl., noch auch das letztere. Es ist sogar frag-
lich, ob die zweite bearbeitung nicht schon stattgefunden hat^
bevor Lamprecht sein gedieht herausgegeben hatte. Denn
auch der nachdichter von Uvkl. war kein gewöhnlicher mann
und nicht ganz ohne dichterische begabunjr. Seine behand-
lung des verses ist im ganzen noch diejenige der besseren
zeit und in seiner darstellungsweise empfindet man den un-
verkennbaren einfluss Gotfrieds von Strassburg; Freidank und
Walther von der Vogel weide waren ihm, wie wir später
*) Ausführliche mhaltsangabe in den Heidelb. Jahrb. (1816) IX, 2
8. 7t3— ?•> nebst ans/.Ugen. — Andere teile des gedichtes bei Hoffmann,
Fundgr. 1, 308 if. und Weinhold, Mhd. Icseb. s. 152—56.
0 I>er mönch von Hcilsbronn, von Th. Merzdorf, Berlin 1870. —
Albr. Wagner, üeber den mönch von Heilbronn. QF. XV.
«1*
^
UNSER VROUWEN KLAGE. 3 1 3
Beben werden, bekannt; die zahl der von II erhaltenen hgg.
ist fast eben so gross als die von I, und wie diese über Süd-
und Norddeutschland verbreitet. Die entstehung der zweiten
recension kann daher noch sehr wol ins ende des 13. Jahrhun-
derts gesetzt werden und wird jedenfalls nicht weit über den
anfang des 14. hinabgerttckt werden dürfen. Aber bis jetzt
kenne ich auch sonst nichts, was zu jener Interpolation den
anstoBs gegeben haben kann. Die frage ist aber schon wegen
der beiden oben genannten gedichte nicht unwichtig, denn
auch Lamprecht hat die mystisch -allegorische behandlung der
Töchter von Syon nicht erfunden, sondeni als etwas schon
bekanntes und geläufiges gefunden und verwertet. Und da
die töchter Syon in Uvkl. II noch bei weitem nicht in dem
maasse wie dort zu allegorischen figuren geworden sind und
der zweite bearbeiter noch direct an den eigentlichen aüs-
gangspunkt HoheL 3, 1 1 anknüpft, so steht er jedenfalls noch
in einer älteren eutwickelungsphase.
3. Die lesarten.
Von einem gedieht, welches in sechszehn handschriften auf
uns gekommen ist, darf man wol annehmen, dass die zahl
der einmal vorhanden gewesenen abschriften weit grösser,
vielleicht zwei bis dreimal so gross gewesen sei. Sind nun
die erhaltenen handschriften aus so später zeit, wie bei Unser
vrouwen klage, so ist es erklärlich, dass sich die Stellung der-
selben zu einander nicht ganz genau bestimmen lässt, weil
die anfangs- und ein teil der mittelglieder verloren sind. Es
restieren eine ziemliche menge widerhaariger lesarten, welche
den im ganzen deutlich erkennbaren verlauf der Überlieferung
durchkreuzen und auf Verwickelungen schliessen lassen, die
mit den vorhandenen mittein zu vollkommener klarheit nicht
mehr entwirrt werden können.
A. Die Stellung von I und II zum original.
Es ist für die textkritik zunächst von Wichtigkeit zu
untersuchen, ob beide bearbeitungen unmittelbar aus dem ori-
ginal, oder ob sie aus einer schon mit mancherlei fehlem be-
hafteten abschrift desselben geflossen sind. Ein anderes ver-
314 MILCHSACK
bältnis ist nicht möglich, weil nach den bisherigen erörterungen
weder II aus I und noch weniger I aus II hervorgegangen
sein kann. Ihre directe abstammung aus der Urschrift oder
einem dieser an gute gleichkommenden absenker muss ange-
nommen werden, wenn beide keinen fehler teilen, bei welchem
eine zufallige entstehung ausgeschlossen ist. Dagegen wird
als die quelle beider ein schon von Verderbnissen entstellter
archetyi)us angesetzt werden müssen, wenn sich tibereinstim-
mende fehler von solcher beschaffenheit nachweisen lassen,
dass sie nur iu der Voraussetzung einer gemeinsamen vorläge
eine erklärung finden, d. h. überhaupt oder doch wahrschein-
lich nicht in jeder der beiden recensionen selbständig und von
einander unabhängig entstanden sein können. Fehler dieser
letzteren art sind nun allerdings mehrere vorhanden. So die
vertauschung von v. 740. 1 mit 742. 3, worüber schon bei der
lateinischen quelle (s. oben s. 301) ausführlich gesprochen
worden ist
Femer in den versen 749—53, welche auf folgenden Wor-
ten der quelle beruhen: ut f/ui una vita vixerunt et wio se
amore dilexenmt tma morie pereant. Dieselben sind mit über-
gehuug der hier nebensächlichen lesarten wie folgt überliefert:
wan ez reht nnt billich ist
750 (laz (dar B^ wan C) wir ein Itp wären ie
noch dhain (kein BI, die ein H^ die G) minne nie verlie,
daz die stn in einer not
unt Itden samt den grimmen tot
Die Verderbnis liegt in wir v. 750. Setzt man dafür dem qtä
der (luelle entsprechend die und behält in v. 751 die Icsung
von G dehcin bei, so ist diese stelle auf die einfachste weise
gebessert.
Ferner in v. 656 — 59:
stn wUnnecltchox (myfieclichcs Z>, minneclich H, Vnde sinem
wunnenklichem D, Und seinen chlaren C) angcsiht,
wart so (so fehlt />, nie so G, so das /, do daz B) jiemerlichez
(jaemerlichest H, icmerlicher B, jemerlich gemacht zu D)
niht (lieht B)
üf (hie vf Gl) der (fehlt I) erden nie (niht B, wart Gl, Er
wart nie uf erd H) gesehen
des mac ich wol (ich fehlt B, wol ich B) sin mnoter jehen.
V. 658. 9 fehlen D. Die Verwirrung ist hier stärker als in
UNSER VROÜ WEN KLAGE. 3 1 5
der vorigen stelle, deshalb haben auch die einzelnen hand-
schrifteu grossere änderungen vorgenommen, ohne dass jedoch
eine von ihnen eine annähernd befriedigende emendation ge-
funden hätte. Diejenige, welche ich in den text aufgenommen
habe, ist noch wol die, Vielehe sich aus den Varianten als die
einfachste und wahrscheinlichste ergibt
Eine merkwürdige Verderbnis, welche nur in G (BCH
fehlen an dieser stelle) vermieden ist, begegnet v. 1056 — 59.
Diese verse lauten nämlich in A:
minrent mir min vngemach,
Losent sinen lip herab,
minrent so vil mir min not,
das ich doch habe tot . . .
Im V. 1056 ist irrtümlich statt ungehabe ungemach eingedrungen,
dadurch sind dieser und der folgende vers reimlos geworden.
Diese Unebenheit ist jedoch nicht durch eine uachlässigkeit
des Schreibers von A veranlasst worden, denn der Schreiber
von D fand sie schon in seiner vorläge, welche nicht in einem
solchen Verhältnis zu A steht, dass aus ihr der fehler in
jene übertragen sein könnte. Er suchte sich aber zu helfen,
indem er flugs zwei neue verse hinzumachte, dafür aber
V. 1058. 9 ausliess; er schrieb:
1056 sprach sie mit leides ungemach,
Da sie den toden korper sach,
1057 Loset en von deme erntze abe
Unde bestadet en zu dem grabe.
Die Variante an dieser stelle in I macht es aber sehr wahr-
scheinlich, dass der fehler noch älter ist und schon im arche-
typus von I und II gestanden habe, denn I bindet mit tiber-
schlagung von v. 1057. 8 und mit vertauschung des reim wertes
not in V. 1058 mit ungemach in v. 1056, diesen letzteren mit
1059. Also :
1056 Mindrent mir min ndt,
1059 daz ich hab min kint also tot
Nur 6 reimt richtig ungehabe : abe und man muss sich wun-
dern, dass nicht auch von den anderen handschriften diese
besseruug selbständig gefunden und ein solcher umweg zur er-
langung des reimes eingeschlagen wurde. Allein DI sind bei-
des sehr späte hss. und es entsteht die frage, ob sie nicht
316 MILCHSACK
absichtlich das wort ungehabe entfernt haben. Dieselbe ist
aber für D unbedingt zu bejahen, welches nirgends in auf-
fälliger weise an einzelnen der älteren spräche eigentümlichen
Wörtern anstoss nimmt, und speciell der reim ungehabe : herabe
.-grabe, der in I sieben mal vorkommt, ist nicht ein einziges
mal von ihm beanstandet worden. Anders steht es dagegen
mit I. Es ist schon oben bei beschreibung dieser hs. des
näheren ausgeführt worden, dass dieselbe eine ziemliche an-
zahl im 15. Jahrhundert nicht mehr geläufiger Wörter beseitigt
hat, und zwar einige, namentlich minne und minnen mit aus-
nahmsloser consequenz. Davon ist fiher tmgehabe nicht eigent-
lich betroflfen worden. Denn v. 1134. 1271. 1356 und 1580
findet sich dieses wort und ebenso v. 882 missehaben unange-
tastet. Wenn aber v. 1394 vngemach (: grabe) in I zu lesen
ist, so kann, da das zweite reimwort unverändert blieb, diese
vertauschung nicht mit Überlegung, absichtlich geschehen sein;
um so weniger weil v. 1457. 1 migehab {: geschach) steht,
welches beweist, dass dieses wort dem Schreiber von I noch
vollkommen mundgerecht war. Daraus folgt, dass der aus-
gangspunkt des oben besprochenen fehlers nicht in der vor-
läge von AD; sondern im archetypus beider recensionen ge-
sucht werden muss, und dass die richtige lesung in G nur das
besondere verdienst des Schreibers dieser hs. ist
Weniger sicher ist die annähme eines alten fehlers in
V. 1072. 3, wo der ausfall des zweiten verses in A und die
verschiedene fassuug desselben in D (BC fehlen) und II auf
eine lücke im archetypus schliessen lassen. Indessen kann
diese Verschiedenheit auch aus irgend einem gründe von einem
der bearbeiter bewirkt worden sein, so dass die lUcke in A
lediglich einer flttchtigkeit dieser hs. zuzuschreiben wäre.
Vielleicht sind auch die fehlerhaften lesarten in v. 579
Hatte gelobit D, Sten E, aus einem Verderbnis oder dem fehlen
der richtigen lesung sehen im archetypus zu erklären, welche
allerdings ABC und HI darbieten. Allein sowol ABC als HI
entstammen je einer hs., in welcher das ursprüngliche leicht-
hin selbständig verbessert oder ergänzt worden sein kann.
Denn auch G ist hier verderbt und hat nach v.579 zwei eigene
verse eingeschoben, welche das in diesem verse fohlende sehen
ersetzen. Die stelle heisst im zusammenhange:
^
ÜNSEB VEOÜWEN KLAGE. 317
575 den da in stnem tröne
die höhen engel S^aphtn . . .
579 sehen {fehlt G, Hatte gelobit D, Sten E)
in stner (herren G) magenkraft,
(ze sehen begen wil
an vnder las anendo zil G),
Aus diesem gesichtspimkte sind auch die Varianten zu y. 775
zu betrachten, wo BC getan, D gerochin, Gl vergolten, H ge-
volget lesen.
Endlich will ich noch eine stelle hierher ziehen, welche
wir bei der Untersuchung des verwantschaftsverhältnisses von
ABC noch einmal näher ins äuge zu fassen haben werden, ob-
schon auch sie nicht ganz eclatant ist. V. 560. 1 sind im
wesentlichen in drei verschiedenen fassungen überliefert, näm-
lich in
ABC: dö gienc Jdsns mtn liebez liep
üz der (ffür die Ä) stat alsam (glich als Ä) ein diep.
DE: da wart (wart fehlt D) ihesus myn zartes (zartes fehlt £) liep
Vz der stat (wart nsz D) gefurt alz (also D) eyn diep.
II: dd wart gevUert min liebez (min kint G) liep
üz der stat als (alsam G, reht als if) ein diep.
Die Verschiedenheit des verbums und seine zweifache Stellung
scheint mir eher in der auslassung des gevüeret im archetypus,
als in der blossen willkür der einzelnen handschriftenklassen
begründet zu sein. Denn gienc, wie ABC lesen, ist von vorn-
herein falsch, das beweist das educuntur der Interrogatio und
wenn man die verse wider herstellt, wie sie aller Wahrschein-
lichkeit nach im original gestanden haben:
dd wart Jdsns mtn liebez liep
nz der stat gevüeret als ein diep,
so ersieht man nichts ausser dem zweisilbigen auftakt in v.
561, woran die abschreiber anstoss genommen haben könnten,
doch wird dieser schwerlich allein den grund für eine vier-
fache Umwandlung gegeben haben. Nimmt man dagegen an,
dass gevüeret im archetypus fehlte, so erklären sich dieselben
am natürlichsten. Während II das particip gleich hinter wart
einsetzte und dafür Jesus, was unbeschadet des sinnes weg-
bleiben konnte, fallen liess, fand E die lücke richtig heraus.
D zog auch wart mit in den zweiten vers herab, ABC dagegen
wüsten sich nur durch er Setzung des ganzen verbums durch
ein anderes zu helfen«
318 MILCHSACK
Sind auch nicht alle die hier vorgefÜhi-te»'l)eiRpiele für
die ableitung der beiden rec^nsionen von einem archetypus
gleich beweisend, so genügen doch schon die ersten, um die
annähme, dass sie nicht direct aus dem original entstanden
sein können, über jedes bedenken zu erheben.
B. Die losarten der handschriften der ersten
recension.
Von gemeinsamen fehlem in I finde ich nur öinen von
bedeutung, nämlich die vertauschung der platze von v. 1334. 5
und 1330 — 33 und die damit verbundenen änderungen in
BGB. Ich gebe diese stelle in hergestellter form und mit den
hier in betracht kommenden Varianten der drei zuletzt ge-
nannten handschriften:
1326 — 29 Nu sage, swer ez muge gesagen,
von dem j»merltchen clagen,
daz st tet: ez was so gröz,
daz ein zäher den andern schöz (daz ez ovch [ez ovch
fehlt £] die engel verdroz [nicht verdroz E] BCE).
1334. 5 st weinten, dö st in tot
sähen unt Märten not.
1330 — 33 da warn euch vrouwen ande man,
der herze euch vil sdre erkam:
st weinten mit der sUezen maget,
st wären mit ir gar verzaget
1336 die engel wären euch da bt . . .
Mit V. 1331 bricht das bruchstück £ ab. Es muss dem leser
sofort auffallen, dass zu dem si weinten und sähen v. 1334. 5
in A das subject fehlt Von BCE ist das nicht unbeachtet
geblieben und um ein solches zu erhalten, nehmen sie die engel,
welche erst v. 1336 auftreten ^ in v. 1329 hinauf, der dadurch
seine von A bewalirte ursprüngliche fassung ganz aufgeben
muste. Aus der vergleichung mit II geht aber hervor, dass
das eigentliche subject zu v. 1334. 5 die vrouwen unde man
V. 1330 sind, und dass deshalb v. 1330 — 33 den vorsen 1334.5
vorangehen müssen, wie es auch dort der fall ist — Da in D
V. 1316 — 29 und 1334 ff fehlen, so wäre es möglich anzuneh-
men, dass D diesen fehler nicht enthalten habe; allein D stellt
sich, wie sich zeigen wird, enge zu E, daher wird auch dieser
hs. hier keine ausnahmsstellnng zuzuweisen sein und der ur-
UNSER VROÜWEN KLAGE. 319
Sprung des fehlers in der vorläge aller hss, von I gesucht wer-
den müssen.
Steht diese stelle auch vereinzelt da, so ist sie doch schla-
gend genug, um die behauptung zuzulassen, dass die uns vor-
liegende Überlieferung von I nicht direct aus dem mit II ge-
meinsamen archetypus, sondern aus einer anderen, davon ab-
geleiteten hs. (b) entstammt
Auf die engeren verwantschaftlichen beziehungen zwischen
ABC, welche dem leser schon bei den bisher besprochenen
stellen nicht entgangen sein werden, ist auch schon (oben s.
317) bei der Verhandlung über v. 560. 1 besonders hingedeutet
worden. Dort hatten ABC, der Überlieferung von DE II und
dem educuntvr der quelle entgegen, gienc für wart gevüeret
eingesetzt. Für die reconstruierung des handschriftenverhält-
nisses folgt daraus, dass zwischen der vorläge von ABCDE (b)
und ABC eine durchgangshandschrift (c) anzusetzen ist, von
welcher DE unabhängig sind, da weder A eine abschriflk von
BC (welche man vorläufig nur als repräsentanten 6iner hs.
betrachten wolle), noch BC eine solche von A ist. Und es
finden sich noch eine reihe anderer und zum teil gewichtigerer
lesarten, welche diese annähme vollkommen bestätigen.
Zunächst einige geringfügigere. V. 436 über (fehlt Dil);
578 Mit (Uhde D, vn Ell); 706 zartez {liebes D, lieber l, iku
GH); 551 armen {argen DE, riht(er II); 1088 daz {ez Dil);
1223 haben toten {tot A) {toten haben DU)] 1277 gevangen (pe-
vangen EU); 1589 Maria {müter DG, o müter HKL). Bewei-
sender sind dagegen schon die lesarten in v. 574:
an sin angesibt (angesihte BC) schöne ABCj
wo DE II besser antlitze lesen. — Ferner in v. 1135:
ABC: gänt mit ir den (mit dem^C) hgren zuo (zv dem BC) grabe.
D II: unt gänt mit ir zno dem grabe.
Widerholte Umstellung von werten in v. 637:
der got der nie Bund (svnde B) begienc ABCj
anstatt des unzweifelhaft richtigen der sünde nie DIL Vgl. 1034.
Von durchschlagender beweiskraft sind aber folgende
stellen. V. 548 lesen ABC vmb minen für imt ndn DE II, was
offenbar falsch ist; denn es werden dadurch zwei durch unt
verbundene sätze in 6inen zusammengezogen, so dass das
320 MILCHSACK
verbum des zweiten satzes wart verteilet y. 552 sein subject
verliert und völlig in der luft steht — V. 1102. 3 sind in
drei fassungen überliefert, nämlieh in
ABC: waz leides dd Marta sach
an irem kint (ires kindes BC) angemach.
J): nnde waz Maria leides sach
an ereme kinde und angemach.
//; waz leides nnt weih nngemach
din maoter an ir kinde sach.
Die änderung in BC in v. 1103 deutet sofort auf die wunde
stelle in der vorläge von ABC. Es fehlte uni, wie noch gegen-
wärtig in A. D hat zwar an dem ersten verse gemodelt, den
zweiten aber richtig erhalten. Auch II, was zugleich als eine
illustrationsprobe flir seine bearbeitungsweise dienen kann,
weist auf die lesung von v. 1103 in D. — Auf der auslassung
eines wörtchens in der vorläge von ABC beruhen auch die
änderungen bei v. 1625. Es lesen hier v. 1624. 5:
ABC: gedenke onch an die quäle dln
ant tue uns die gnäde (dtner gnaden BC) schtn
(schrein C).
11: nü tue mir üf der gnaden schrtn,
daz mir din giiete werde schtn . . .
Wir befinden uns hier in der Schlusspartie des gediehteSi
welche II in so ausserordentlich starker Umarbeitung darbietet,
daher ist auf schin II 1625, 1 nichts zu geben: dieser ganze
vers gehört zu der eigenen mache des umdichters. Es muss
also auffallen, dass C in v. 1625 schrin statt schin AB dar-
bietet, was keinen sinn gibt. Vergleicht man aber II, so be-
weist eben diese Variante, welche man sonst ftir eine blosse
Verderbnis halten müste, dass in der vorläge von ABC üf
fehlte und dass scfdn nur eine selbständige correetur von A
und B ist
Eine der stärksten Verderbnisse in ABC hat v. 940 — 43
betroffen und dieselben teilweise bis zu vollständiger Unkennt-
lichkeit entstellt Die Überlieferung ist eine vierfache:
A: BC:
sie waren beide on krafit: sie waren beide ane kraft:
die quäle hett sich also gemäht, die qvalehete(het (7) siesogemaht,
das ir yetweders nit bringe moht das ir (ich C) keines mohte bringen
von dem munde das doht von dem munde wort noch stimme
(v. d. munt wart geswingen C).
UNSEE VROUWEN KLAGE. 321
D: H:
ir leit daz was so manecvalt,
Also hatte mich die quäle behafft, daz ir dwederz durch daz mort
Daz mir entging macht ufi crafft: mohte geleisten stimm noch wort
Ich enmochte geleisten stymme st wären beidiu äne kraft:
noch wort,
Da ich ersach den groissen mort. der smerze hate si so behaft . .
Y. 929 — 43 Bind in II erheblich umgearbeitet, daraus erklärt
sich die Umstellung Ton v. 942. 3 und 940. 1. Im übrigen
bietet II höchst wahrscheinlich den ursprünglichen text. Die
enge verwantschaft zwischen A und BC zeigt sich zunächst in
dem assonierenden reimpaar kraft : gemäht, welches letztere
wort unyersehens oder auch weil ihm behaft nicht so geläufig
war, von dem Schreiber ihrer vorläge gesetzt wurde. Weiter-
hin in der wendung nit briyigen moht von dem munde A, mohte
bringen von dem munde BC. Für die erklärung der beiden
bearbeitungen in A und BC sehe ich nur die eine möglichkeit,
dass das reimwort mort in der vorläge von ABC gefehlt habe.
Denn wenn man erwägt, dass ABCU in v. 940. 1 und 942
erste hälfte in allem wesentlichen übereinstimmen, dass das
zweite reimwoi-t wort in BC und der Inhalt von v. 943 über-
haupt noch in ABC erhalten ist, dagegen die begründung
durch daz mort gänzlich fehlt, so kann nur in dem ausfall
dieser drei werte der grund der änderungen in ABC gefunden
werden. Die Umarbeitung in D findet ihre erklärung in der
Verschiedenheit des subjectes.
Eine noch grössere Verwirrung der Überlieferung in I ent-
halten V. 840 — 43. Die übereinstimmende lesart v. 840 dar
umbe kumen D II {dar zuo gebom ABC) und die correcte
fassung der ganzen stelle in II beweist, dass hier die ursprüng-
liche form gewahrt ist (ausgenommen vielleicht v. 842), wäh-
rend widerum ABC durch den gleichen fehler sich auszeichnen,
der allerdings durch ihre vorläge begangen war, sie selbst
aber zu neuen bessernden änderungen veranlasste, welche das
nächstliegende gänzlich verfehlten.
A: BC:
nü ist gestillet mins vatter zom:
du weist wol wie ich bin dar zu Du weist wol ich bin dar zv gebom,
gebom,
Swaz sele sint verlom,
Beitrüge zur gosohiohte der deattohun lyriiohe, V. 21
322 MILCHSÄCK
dfti) ich wil allen seien frnmmen: Daz ich den wil allen Yromen:
Dar vmb bin ich (pit ich dich C)
von himel kymen:
darzU wart ich von dir gen ummen... Dar zy wart ich von dir gebom:
Nv ist gestiU mins vater com.
H:
du weist, ich bin dar nmbe knmen,
daz ich wil allen sSlen vmmen:
ich wart mensch von dir gebom.
nü ist gestillt mins vater zom.
Vergleicht man diese texte, so ergibt sich bald, was auch, wie
bemerkt, von D bestätigt wird, dass die Umwandlungen in A
und BC dadurch hervorgerufen wurden, dass in der vorläge
dieser hss. für dar umhe kumen v. S40 dar zuo gebom ge-
schrieben war. Deshalb versetzte A, um hierzu einen reim zu
erhalten, v. 843 vor 840 und stellte den nun zu v. 842 ver-
gebenen reim wider her, indem es f&r gebom setzte genumen.
Viel weiter ausgeholt haben BC ; sie schoben nach den beiden
reimlos gewordenen zeilen je eine ganz neue ein.
So weit die fehler in ABC. Dass aus ihnen die abstam-
mung dieser handschriften von einer näheren gemeinsamen
vorläge (c) überzeugend hervorgeht, habe ich nicht nötig noch
hinzuzufügen.
Die weiteren grenzen verwantschaftlicher beziehung, welche
im vorigen abschnitt um ABC gesteckt worden sind, mtlssen
für BC noch enger gezogen werden. Denn die schon in den
bisher vorgeführten stellen auffallende Übereinstimmung dieser
beiden handschriften verfolgt man überhaupt in sowol fast allen
wesentlichen und fehlerhaften, als einer masse nebensäehlicher
Varianten in solchem maasse, dass BC nur als die unmittel-
baren absehriften derselben handschrift (f) angesehen werden
können, da weder C aus B noch auch B aus C entstanden
ist Die Unabhängigkeit von B gegenüber C eigibt sich schon
daraus^ das» die in B erhaltenen verse 446. 7, 460, 746 und
1040. 1 in C fehlen. Ebenso werden die sogleich zu be-
8{)rechenden und mehrere der AC gemeinsamen lesarten, auf
welche ich einstweilen verweise, dartuu, dass auch C keine
copie von B ist Aber auch die nächste vorläge von BC (f)
geht nicht direct auf c, die gemeinsame quelle von ABC zu-
UNSER VROÜWBN KLAGE. 323
rück, es ist vielmehr noch eine zweite durchgangshandschrift
e zwischen c und f anzusetzen, da sich ein fehler in Bü findet,
welcher aus dem überlieferungsprocess
c
A B C
nicht aufgeklärt werden kann.
V. 504. 5 sind überliefert in
BC: ich sach die pin, die er leit:
vil (da C) txvren, die min herze kielt
AD II: ich sach die p!n, die er leit:
min herze was vol bitterkeit.
Die fassung in AD II ist ohne zweifei die richtige. Diejenige
Ton BG muss, da diese beiden hss., wie angegeben, unter ein-
ander unabhängig sind, schon in ihrer vorläge f gestanden
haben. Da aber A mit D II übereinstimmt, so kann der fehler
nicht in c, sondern nur in einer zwischen c und f stehenden
hs. e liegen. Nur wenn man annimmt, dass in dieser v. 505
ausgelassen war, dass er von dem Schreiber von f ergänzt
wurde, wird die Übereinstimmung von BC deutlich.
Von anderen gemeinsamen lesarten und fehlem in BG
gebe ich noch folgende belege. Es fehlen in BG v. 904. 5
(gegen All); 1056—87 (gegen AD II); 1324. 5 (gegen AE);
1382. 3 (gegen AD); 1420—43 und 1542—53 (gegen A). Die
beiden zuletzt genannten partien erregen allerdings, da sie
ausschliesslich in A vorkommen, den verdacht der unechtheit
Indessen lässt sich der ausfall der ersteren in den übrigen hss.
doch bis zu einem gewissen grade wahrscheinlich machen.
Sie konnte wegbleiben, ohne den sinn und den gang der dar-
stellung wesentlich zu schädigen. E besteht überhaupt nur
aus zwei kleinen bruchstücken, von denen das zweite schon
mit V. 1335 endigt D ist zumal in seiner zweiten hälfte so
ausserordentlich lückenhaft, dass auch dieser abschnitt der Über-
arbeitung gar wol zum opfer gefallen sein kann. Und dass auch
in BG bedeutendere mängel möglich sind, zeigen die soeben
angezogenen stellen: Ebenso beginnt in II schon von v. 1356
ab die Schlussbearbeitung des gedichtes, welche ebenso oft
einzelne abschnitte übergangen, als andere hinzugedichtet hat.
Ueberdies lässt sich ein satz aus der Interrogatio , Schade
21*
324 MILCHSACK
p. 13, z. 15 S. mit V. 1424 — 34 in Verbindung setzen, und
wenn dieselbe auch nicht so enge ist, als es zur evidenz des
beweises erforderlich wäre, so dient ihm als entschuldigong,
dass ihn darin mit den meisten anderen auf dem Schadeschen
texte beruhenden stellen gleiches Schicksal trifft. Ich bin da-
her nicht abgeneigt, die yerse 1420 — 43 für echt zu halten.
Nicht aber y. 1542 — 53. Dennoch habe ich beide stellen in
den text aufgenommen und durch klammem die Unsicherheit
ihrer Überlieferung angedeutet
Umgestellt sind in BC v. 1162. 3 (gegen A); 856. 7 (gegen
ADU); 1270. 1 (gegen AE aber übereinstimmend mit II).
Andere fehler sind v. 404 grozen herzen {herzen grdzen AD);
445 svnden {sünd, wol statt sibitf A, sünder II v. 74); 664 ez
{er C) mir schaden {ich mich scheiden Dil, A fehlt)] 1031 da
von vloz dir {da von dir vloz A); 1158 din svnder {der Sünder
AD); 1180 als wir hören {man hört C) lesen {als wir lesen AD II);
1230 die da hiench {dran [däB] er hienc AD II); 1239 alleine
{ein [al 6, t/nE] deine AHl 6E); 1365 lat evch in erbarmen (m
fehlt All); 1397 wart 7iie {was niht AU)] 1646 von {vor AH).
Bedeutender sind folgende. V. 417 — 19:
BC A
Do er geslagen vfi verspit da er geschlagen vnd verspit
wart vn an die svle (sei C) gebvnden wart vnd an die süle bloBZ
bloz,
gevillet ovch, daz von im vloz . . . Gebunden, das von im flosz . . •
Wahrscheinlich liegt hier ein fehler zu gründe, der schon in
der vorläge von ABC eingedrungen war. Denn auch A ist
jedenfalls verderbt, da gevillet in v. 419 nicht wol entbehrt
werden kann. Nimmt man wart aus v. 418 in v. 417 hinauf
do er wart geslagen u, v, und behält im übrigen die Überlie-
ferung von BC bei, so sind die mängel der hss. gehoben. Da
auch D überarbeitet ist, so ist der fehler vielleicht noch älter.
In V. 538 — 43 ist in BC und E die construction verändert
Es heisst hier: es weinte niemand so viel
540 als Maria, diu getriuwe
Magdalena . vol riuwe
was (ir was BC) ir herze (Ir hercze trurete E) nnt ir mnot:
als diu tnrteltübe tuet . . .
Das richtige geben oifenbar AD. Die ünderangen in BC und
UNSER VROÜWEN KLAGE. 325
E wurden dadurch hervorgerufen, dass diese sich das punktum
nach riutve dachten und erst mit y. 542 den neuen satz be-
ginnen Hessen. — Femer ist auch in v. 672. 3 die bearbeitung
auf Seiten von BC:
BC ADU
der ßvfkze (Die suzze C) lie mich der BÜft lie mich niht Bprechen :
nit sprechen:
er wolde mir min herze brechen. mfn herze wolde brechen.
Ebenso v. 796. 7, wo BC den reim minnecRch : wünnecitch AD
in minnenclicher : rvunnenclicher erweitert haben , was aber
schon des verses wegen nicht gestattet ist. — V. 801 — 3
lauten in
BC An
so ich dich Verliese vater min. so ich dich (den zarten II) vater min,
din tot ist mir worden sawer(sowerC) nnt dich kint (nnt maoter dich i/)
verlinre:
alle genade ist mir worden tiwer ellin gn&de ist (wirt //) mir tinre.
(tewer C),
Dass A II das originalere bieten, bedarf keiner hinweisung. —
In V. 1048 scheint die Verderbnis durch alle drei Überliefe-
rungen hindurch zu gehen:
BC A
si stvnt vfi viel (viel und stnnt C) nü stnont st, nü viel st nider.
dar nider.
II: st stnont, st saz, st viel da nider.
Die fassung von A ist am ansprechendsten, jodoch nähert sich
BC so sehr zu II, dass ihre ursprünglichkeit nicht wahrschein-
lich erscheint. Vielleicht ist A stuont. si viel dar nider zu lesen.
— Auch in v. 1467 ist die lesart von A vorzuziehen:
BC: dö tröste st Johannes gnot
wie swsere daz waer stnem muot.
A: swie doch besw8Bret was stn muot
— Ein misverständnis in der vorläge veranlasste die Ver-
derbnis in BC V. 1648—50:
ABC: brinc st zuo der kröne,
die (bi B) dtn (pi deinem C) kint gar schöne
sinen vriunden (Mit wnnnen wol BC) bereit h&t . . .
Die lesart von A ist widerum untadelig. — Mehrmals ist die
Verdorbenheit des textes in BC durch hinübergleiten des
326 MILCHSACK
gleiten des auges des abschreibers in die folgende zeile ent-
standen. So in Y. 1334. 5, wo allerdings D fehlt und II eine
stärkere Überarbeitung erfahren hat
BC: sie weinten, daz sie in tot sahen töten
(in sahen taten C)
vnde marien in den nOten (noten C).
ÄE: st weinten, dö st in tot
sähen unt Märten not
Indem sahen schon in v. 1334 voraufgenommen wurde, muste
ein neues reimwoii; zu 1335 gefunden und dieser vers ergänzt
werden. Das geschah allerdings auf die roheste weise. Und
ebenso v. 1372. 3:
BC: so grabt mich in die erde mit im:
den tot ich gerne mit im nim.
AD II : so begrabent mich in die erde
mit im, daz ist mtn gerde.
Diese fehler würden sich am leichtesten verstehen lassen,
wenn man annimmt, dass die oder 6ine vorläge von BC mit
nicht abgesetzton reimzeilen geschrieben war, wie noch gegen-
wärtig 6. Bemerken will ich noch, dass an eine ftndening
des reimes wegen kaum zu denken ist — Zweimal be?riTkte
auch die auslassung von versen in der vorläge abweichungen.
V. 1624 — 27 durch das fehlen von 1627 in der vorläge von
BC allein, oder auch von A, denn es ist nicht zu entscheiden,
ob diese hs. das echte bietet:
ABC: gedenke ouch an die qualc dtn
1625 unt tuo uns die gnädo (diner gnaden BC) schtn (schrein Q.
(Dv bist der himel gnaden sehrin B),
gedenke an unsers herzen ptn:
Marta himelsche kUnogtn (fehlt BC),
C hat den fehlenden vers unersetzt gelassen, B dagegen das
in der vorläge vorfindliche reimwort sehrin v. 1625 (vgl. darüber
s. 320, wo dieser vers aus anderen gründen schon besprochen
wurde) durch schiyi ersetzt und zu dem eingeschobenen verse
als reimwort benutzt. — Ferner v. 1561 — 65:
ABC: si (Maria) gedähte an stn rtchez leben
unt an stne miltikeit:
wie von siner kintheit (und als uns die schrift seit C, fehlt B)
er was gehörsam an die ztt (zeit BC),
1565 daz in verriet der Juden ntt (neit BC).
(Die in verrieten unt verapeit B),
UNSER VROÜWEN KLAGE. 327
A hat jedenfalls das urtiprttngliche. Hier hat auch G die
Ittcke und an der richtigen stelle ersetzt In beiden fällen war
die Ursache des rersehens die vierfachen gleichen reime auf
-m und -eit {4t).
Ungewis ist es, ob man y. 1610. 11 mit A gimme
: küniginne oder mit BC berille {rverille C) ; maget stille zu
schreiben habe. Es will mir aber scheinen, dass es wahr-
scheinlicher sei, e oder f habe den ungenauen reim entfernt, als
dass dieser von A statt des besseren eingesetzt wäre. Dem
sinne ist die lesai-t in A gewis angemessener {maget stille ist
blosse reimverhüUung) , und da assonanzen auch noch an an-
deren stellen yorkommen, so habe ich dieser den yorzug ge-
geben.
Die stattliche reihe dieser yerderbnisse und die Überzeu-
gende anschaulichkeit ihrer entstehung liefern für die über BG
anfangs aufgestellte behauptung engster yerwantschaft den er-
wünschtesten beweis. Für die reconstruierung des textes re-
präsentieren BG nur den wert 6iner handschrifL
D stellte sich, wie wir gesehen haben, durchgängig zu E
oder zu IL Man yergleiche nur noch einmal y. 540 alsd DE
{cUs ABG); 549 unt my kint D, vh myn son E, unt min lieber
sun II {umb minen ABG); 574 antlitze DE II {angesiht ABG);
578 unt DE II {mit ABC)] ferner 560. 1, welche oben (s. 317)
weiter ausgeführt worden, was ich hier nicht widerholen will;
436 über fehlt DU (gegen ABG); 637 sünde nie Dil {nie sünde
ABG); 1088 ezDU {daz ABG); 1135 unt gänt Dil {unt fehlt
ABG); 1589 muoter DU {Maria ABG). DE sind also, da sie
die in ABG erscheinenden fehler nicht teilen, unabhängig yon
der yorlage dieser handschriften (c) und durch ein anderes
mittelglied d yon b abzuleiten. — Eine engere verwantschaft
zwischen DE lässt sich mit bestimmtheit nicht nachweisen.
Was sich an eigentümlichen lesarten dafür geltend machen
lässt ist folgendes. V. 551 argen DE gegen armen ABG, richicer
U ist jedenfalls nicht richtig; denn nach den anschauungen
des mittelalters traf Pilatus, yon der Unschuld Jesu überzeugt,
nur insofern eine schuld, als er, der Statthalter des allmäch-
tigen römischen kaisers und oberste richter, zu schwach war,
dem drängen der erregten yolksmassen zu wideratehen , nnd
328 MILCHSACK
nicht den mut hatte, den schuldlosen in freiheit zu setzen.
Die arglist war auf selten der jüdischen priesterschaft. Das
beiwort armen wird daher passender auf Pilatus angewant als
argen. 563 mit eyme groiszen schalle D, czu mit eyme schalle
E {dar ZUG mit grözem schalle ABCU)] 531 dan D, den E (daz
ABCn); 540 also {als ABC) und ebenso v. 543.
Ich habe mich zu einer so ausführlichen darlegung dieses
handschriftenverhältnisses bewogen gesehen, weil es mir zu-
gleich darauf ankam, dem leser den zustand der Überlieferung
in I etwas genauer zu charakterisieren. Das resultat ist ein
wenig erfreuliches und wird sich in folge der kreuzungen,
welche am Schlüsse dieses capitels im zusammenhange zur
Verhandlung kommen werden, noch ungünstiger gestalten. E
besteht nur aus zwei massigen bruchstücken von zusammen
ungefähr 200 versen. D ist im ganzen genommen die schlech-
teste handschrift: spät (sie gibt selbst das entstehungsjahr an:
1474), lückenhaft, verwirrt, verderbt und überarbeitet, und
kann so wie sie vorliegt nur der trübe niederschlag eines
öfteren abschreibeprocesses sein. Dennoch ist sie, besonders
für die beurteilung von ABC nicht ohne wert, so dass man
für ihre erhaltung immer noch dankbar sein muss. Und was
ABC betrifft, auf welchen die herstellung des textes von I
hauptsächlich beruht, so ergab sich, dass sie im gründe nur
die bedeutung zweier handschriften haben, die noch dazu auf
äine und verhältnismässig späte vorläge zurückweisen, deren
eigene schon erhebliche fehler in ihren absenkem noch be-
trächtlich vermehrt worden sind. Dazu wird die beschaffen-
heit dieser Verderbnisse durch eine gedankenlosigkeit und
gleichgültigkeit der abschreiber gekennzeichnet, die nur allzu
sehr geeignet ist, den kritischen wert dieser handschriften auf
ein sehr bescheidenes maass herabzumindern. Wer einmal mit
einem solchen material zu schafTen gehabt hat, der weiss, eine
wie mühsame und unerfreuliche arbeit das ist Nicht allein,
dass die ursprüngliche gestalt des gedichtes, deren widerher-
stellung doch immer die nachhaltigste freude und die beste
belohnung des aufgewanten fleisses ist, an vielen stellen nicht
zu einer dem original nahe kommenden Wahrscheinlichkeit er-
hoben werden kann, an manchen ist sie völlig verloren und
UNSER VROÜWEN KLAGE. 329
durch eine unsaubere verwilderang entstellt, die als störende
flecke auf dem bilde des dichters haften.
C. Die lesarten der handschriften der zweiten
recension.
Die Untersuchung der lesarten der ersten handschriften-
klasse gieng y'on der Urschrift und dem archetypus beider
recensionen aus, gelangte durch erschliessung der mittelglieder
hinab zu den erhaltenen handschriften und stellte danach den
grad ihrer verwantschaft fest. Bei der entwickelung des
handschriftenverhältnisses der zweiten gruppe werde ich das
umgekehrte verfahren einschlagen. Ich werde zunächst die
engeren beziehungen einzelner handschriften aufsuchen und
wenn solche in genüger zahl vorhanden sind ermitteln, ob und
in welcher weise sich dieselben nach rückwärts vereinigen
lassen.
Entscheidend für eine engere vei*wantschaft von HK sind
folgende stellen. Nach v. 1509 schieben HK zwei vei-se ein:
er bevalch in dine hftte
Marien die vil gftten (gnde K),
die in 61 fehlen und jedenfalls unecht sind. Denn wenn
schon V. 1506 — 8 gesagt worden ist dar an daz er die muoter
sin dir bevnlch, da tet er schin die minne u. s. w. und wenn
gleich darauf v. 1510 fortgefahren wird nü lä « dir bevolhen
sitiy so sind jene beiden verse nicht nur ganz überflüssig, son-
dern geradezu ein störender pleonasmus. — Das allein richtige
bieten HK v. 1644 d:
daz ich iht (iht fehlt Gl) in der not (not nit G) verzage.
— Schlagend ist aber noch die sinnentstellende abweichung in
HK V. 1563, 2. 3:
Bt nam vil gar in ir mnot (s. n. vür sich sinen mnot
[sine demnot K] HK)
wie er von ir, got, was gebom.
Hier ist an einen zufall nicht wol zu denken. — Andere HK
gemeinsame lesarten sind v. 1499 süeze {werde Gl); 1563, 4
nie keinen {engeinen K) zom {nie zom 61); 1635 vrourve
{maget Gl).
Bei dem geringen umfang von K (es umfasst nur 139
330 MILCHSACK
veiHe) darf ch nicht wunder nehmen, dass die zahl der ge-
meinsamen fehler eine so geringe ist
Bei weitem erheblicher sind die gemeinsamen lesarten
und fehler von HL Sie weisen auch f&r diese beiden hand-
schriften auf einen höheren grad verwantschaftlicher be-
ziehungcn. Unbedeutenderer art sind v. 509 die wangm {daz
wange Gl); 520 crsach {gesach Gl); 575 da fehlt (gegen
Gl); 587 bitterlicher {jcenierUcher Gl); 654 der twme
glänz (ein s, gl. Gl); 683 ez (ich Gl); 728 ward mir
bitter {mir fehlt Gl); 7S2 ainger H, ainiger I {einer GBO,
eygen D, AE fehlen); 807. 809. 810 verliure {verliuse Gl); 861
ierig HI {irre Gl); 919 daz da von ir oiigen vloz {daz von ir
reine [zarte^i BC] avgen \_aug. tvasser A] floz GABC); 1005
todes {seres G, leides ABC, DE fehlen); 1538 guten {guoter GK);
1627, 2 din {diu GK); 1644a enphilch {bevilhe GK); 1648 h
Maria {vrouwe GK). Wenn solche Übereinstimmungen fllr sich
nicht viel beweisen können, so helfen sie doch die wagsehale
zum sinken zu bringen, sobald sich entschiedenere fehler zu
ihnen gesellen. Derart sind v. lü ist er geborn {er fehlt G);
192 uz her {her fehlt G); 302 daz was {dez = dSst G); 304
ir {in G. Vgl v. 518. Derselbe fehler widerholt sich in H
V. 306); 318 selber H, selb I {üf im G. Vgl. v. 569, woher
der vers an erster stelle entnommen ist und H mit ABGG üf
im liest, I dagegen selber)] 541 nider {über G); 680. 1 unge-
sprochen : gebrochen {zerbr, I) {gebrochen : ungesprochen Gl);
830 e erbarmherzikeit {barmh. G); S45 vo7i {vorG)] 881 ich voti
im {von fohlt GBO, A ist verdorben); 1516 müeterlin {müemelin
GK); 1648 b din sun {der G, din edel K). Aus einer lücke
in ihrer vorläge erklärt sich der unechte zusatz in I v. 228:
G: mit ganzer minne minne (/. minnen) got.
B: minnon minnent got.
/; lieb habend vnd fUrchtent got.
Es (chlten in ihr nämlich mit ganzer. Von H ist dafür kein
ersatz gesucht worden, I aber hat vnd furcht ent eingesetzt —
Derselbe grund gab veranlassung zu den änderungen in HI
V. 250:
G: wan in ir süezen minne.
H: wan in der minne sinne.
/; ven in der weit liebe.
UNSER VROÜWEN KLAGE. 331
Die töchter von Syon werden ermahnt die vergänglichen Freu-
den dieser weit zu meiden, in der süezen minne der weit (vgl.
V. 240) sei verborgen ein angel unt der gällen tranc v. 252.
Dieser gegensatz beweist, dass 6 die richtige lesart bewahrt,
HI jedoch in ihrer vorläge eine lücke vorfanden , welche jede
auf ihre weise ergänzte, wobei zu beachten ist, dass dies in
H nach, in I vor minne geschah. — Auch der zusatz einer in
HI V. 667 wird durch vergleichung mit BC (D geht hier seinen
eigenen weg, AE fehlen) und G als unecht erkennt:
BCHI: ze (zft einer HI) mnoter h&t er mich erkom.
G: vD mich ze mftter hat erkomen.
Das richtige geben BC. — Ebenso v. 705, nur dass hier I und
6 in dem echten übereinstimmen:
Gl: du wilt mir bitter nrlop geben.
HI: du wilt ein (mir I) hitter end mir (mir fehlt I) nun gehen.
— Eine andere HI gemeinsame änderung zeigen v. 762. 3:
HI GBO
daz ich sterb (stirb /) und doch niht daz ich sterbe unt doch enmac
sterben . . . [mak niht Bterben . . .
D ist wider umgearbeitet, AE fehlen. — Nicht so sicher lässt
sich die originale lesart bei v. 801. 2 erkennen, weil alle hss.
ausser HI mehr oder weniger ausweichen und auch die quelle
keinen festen anhält darbietet
HIG: s6 ich den zarten vater mtn (s. i. verlivs den vater m. G)
unt mnoter dich verlinre (verlorn hän G),
ABC: so ich dich vater (Verliese vater BC, frend Ä) mtn
unt dich kint verliure (Din tot ist mir worden 8w«er BC).
D weicht widemm aus, E fehlt. Die werte der Interrogatio,
auf welchen v. 80 J — 11 entstanden sind, lauten nuTic orbor
patre, viduor sponso, desolor prole, omnia perdo. Jedenfalls ist
der Zusatz zarten in HI nicht richtig. Die fassung von HI
V. 802 möchte ich aber fllr die wahrscheinlichere halten. —
Unentschieden bleibt auch, ob v. 1090 6 oder I den echten
text enthält HI sind aber verderbt.
HI: des (Da T) sloz si ir hend wider.
G: dez slivzzen sich ir hende wider.
/; ir hcnde sluzzen sich (boid sie D) hin wider.
— Ebenso gewis ist die abweichung auf Seiten von HI in v.
1497. 8 Verderbnis:
332 MILCHSACK
GK: du bist die der (dv bist der G) ^äden yoI (als toI G)
nü ist (ist nnd K) ie was (was fehlt G) UDt immer isL
^/; dQ hast die genaden (gnaude /) vol
ie was not iemer ist
Das echte liegt zwischen O und E, aber auch hier nieht deat*
lieh erkennbar. — Von den plusversen in 6 halte ich nur zwei
stellen fttr original, d. h. dem umdichter von II angehörend, nftm-
lich V. 993 ff. und 1 96—99. Die übrigen sind dagegen ersichtlich
Hputere einschllbe und darum auch nicht in den text von II
aufgenommen worden. Bei der erstgenannten stelle hat zu-
gleich eine leise Überarbeitung der folgenden und bei y.
196 — 99 auch der vorangehenden verse in HI stattgefunden. Lftsst
sich bei v. 993 ff. auch nicht mit Sicherheit eine entscheidung
für G troffen, so doch um so mehr bei v. 194 — 203. Ich setze
die beiden fassungen, welche O und HI zeigen, neben einander:
G HI
tiiont üf diu engen schöne Salomdn in dem tröne (der kröne/),
iint sohent in mit der kröne^ ist (er ist 1) gekroenet sehdne:
mit der in gok rennet hat \
stn muoter in der houbetstat I
RC Jcrusalöm an dem tage [ '^'^^^^
stnos herzen vrönde &n clage. I
Btn muoter hat gckrcrnot in! stn muoter h&t gekrcenet in!
des liorzon oiigcn unt den sin tftnd üf diu ougen and den sin :
kSrcnt an den werden Krist: sehent den minnecltchen Crist,
schont, wie er gekrcrnet ist. sechent wie (Wie schon J7) er ge-
krcenet ist
Diese zcilen enthalten den grundgedanken , gewissermassen
den text zu der grossen erweiterung der einleitung in IL Sie
l>eruhen, was schon von Schönbach (Ueb. d. Marienkl. & 46)
bemerkt worden ist, auf Hohelied 3, 1 i egredimini et videte fiUae
Shn regem Salomonem in diademaie, quo coronavit illum mater sua
in die despo)isationis illitis, et in die laetitiae cordis ems. Sie
sind hier angcwant auf die passion und besonders auf die
domcnkrone Christi. Nun ermangeln aber HI der den werten
quo coronavit illum mater stta in die desponsationis illius, et m
die laetitiae eordis eius entsprechenden verse 196 — 99, nnd da
sie gleichzeitig in der verjlnderung zusammengehen, welche v.
194. h, wo G sich cl>enfall8 dem tüdete . . . m diademaie der
quelle enger anschliesst als Hl, und 201. 2 betroffen hat
UNSER VKOÜWEN KLAGK 333
(y. 203 stimmt in I noch zu O), so ist jeder zufall bei dem
Wegfall jener vier verse in HI ausgeschlossen.
Art und menge der hier besprochenen lesarten, bei denen
ganz nebensächliche einstimniungen noch keine bcrücksichtigung
gefunden haben, machen die annähme einer engeren verwaut-
schaft zwischen HI notwendig. Von welchem punkte der
Überlieferung dieselbe ausgegangen sei, lässt sich nicht mehr
bestimmen, um so weniger als H, nach manchen kreuzungen
mit 6 zu schliessen, eine mischhandschrift zu sein scheint 1).
I und E zeigen keine besonderen bezieh ungen, denn die eine
gemeinsame Variante v. 1531 wil in {im K) im wil GH) ist für
nichts anzuschlagen. Somit stellen HIK einen ast {ß) der
zweiten bearbeitung dar, von welchem HE als ein besonderer
zweig (7) ausgehen, der sich widerum in diese beiden ästchen
gespalten hat. Dieses Verhältnis wird weiterhin dui-ch Ver-
derbnisse bestätigt, deren alle drei texte teilhaft sind. So v.
1514, wo in den hss. gelesen wird:
die dir bevalch got (des /, dat iT, fehlt H) gotes wort.
des I ist gleich daz, wie öfter in dieser hs. Die Variante von
O got gotes wort ist das ursprüngliche und spielt auf £v. Job.
1, 1 an. Vgl. auch v. 3. Desgleichen v. 1631:
nnt brich mtner (an mir der IK, mir der B) Sünden bant.
— Femer die vertauschung der Schlüsse von v. 1534 und
1535. Die stelle lautet mit übergehung der hier nicht in be-
tracht kommenden Varianten:
HIE G
st wil bt im nahe stn st wil bt im nähen sin
in aller not nnz an den tdt: ze allen zttn, in aller not:
Bt lät in niht in stner (kainer i) not. b! lät in niht biz an den tot.
Diese währende hülfe verspricht der umdichter demjenigen,
welcher der Maria ehre und Verehrung erweist. Die bessere
fassung in G spricht so sehr für sich selbst und gegen HIE,
') £b würde daher richtiger gewesen sein, die bachstaben, mit
welchen ich i^ und / bezeichnet habe, zu vertauBchen, denn I ist un-
zweifelhaft besser als H und beruht auf älterer Überlieferung. Dass ich
es nicht getan habe kam daher, weil ich I erst sehr spät kennen lernte
und da aus praktischen gründen in bezug auf meine ausarbeitung diese
vertauschung nicht mehr vornehmen mochte. — Die angäbe Mones, dass
B noch dem 14. jahrh. angehöre, erscheint mir sehr zweifelhaft.
334
HILCHSACK
das8 man ihre Originalität nicht bezweifeln kann. Man beachte
nur die widerbolun^ von ndi in v. 1634 und 35 und daas
hierdurch und durch die voraustellung des unz an den tdt v.
1635 überflüssig geworden ist, während der gedanke in 6 sich
zu einem kräftigen Schlüsse erhebt und steigert
Sind das auch nur wenige stellen, so vergesse man nicht,
dass K nur ein kleines bruchstück ist Ich halte dieselben
daher fllr meine beweisführung für genügend.
Da nun 6 an allen bisher besprochenen lesarten keinen
an teil hat, so kann es natürlich auch nicht mit HIK aus der-
selben quelle (ß) geflossen sein, sondern nur aus einer von ihr
unabhängigen handschrift (a). Versuchen wir nun das resultat
unserer beweisfährung in einem diagramm zusammen zu fassen,
so ergibt sich dieses:
Original
a (archetypus)
a
c
D
£
ß
I
G
H
Der lescr übersieht leicht, welcher grundsatz fbr die widerher-
stoUung des textes sich aus diesem schema ergeben würde.
Ehe wir denselben jedoch in bestimmten werten aussprechen,
erübrigt es uns noch, den kreuzungen einen augenbUck der
betrachtung zu günnen, welche sowol unter den handschriften
der einzelnen gruppeu als auch unter diesen selbst her-
vortreten.
D. Die kreuzungen.
Die gründe, welche flir das handschriftenverhältnis, wie es
soeben dargestellt wurde, geltend gemacht werden konut^
waren so zahlreich und zum teil so schlagend, dass keine
bedenken gegen die iichtigkeit desselben mehr aufkommen
können. Wenn wir daher manche die geraden wege der Über-
lieferung kreuzende lesarten finden, die durch zufällige selb-
UNSER VROÜWEN KLAGE. 335
ständige änderungen der abschreiber nicht entstanden sein
können, so müssen dieselben auch durch kreuzung, d. h. durch
berührung einzelner verschiedenen handschriftenfamilien ange-
hörender hss. erkläii; werden. — Indem ich nun alle lesarten
von einiger bedeutung, welche dem oben entwickelten band-
schriftenverhältnis entgegenstehen, aufzähle, wird es gestattet
sein, dieselben mit der üblichen grösseren eile zu messen,
welche dem zufall aus begi*eiflichen rücksichten einen etwas
weiteren Spielraum zuerkennt, als es sonst wol erlaubt wäre.
Was die kreuzungen in der ersten recension betrifft, so
zeigen dieselben sehr verschiedenartige handschriftliche com-
binationen. Viermal treten AC B und davon dreimal zugleich
auch anderen hss. gegenüber, so in dem fehlen von v. 460 und
der Umstellung von v. 714. 15 gegeu BD IL Will auch die
auslassung des ersteren in AG nicht viel bedeuten, weil lücken
in beiden hss. nicht selten sind und ein zufälliges zusammen-
treffen einer solchen gar wol denkbar ist, so ist dagegen die
vertauschung der zuletzt genannten verse zum mindesten auf-
fallend. Man könnte ja wol vermuten, dass dieser fehler in
c vorhanden gewesen und von B selbsttätig verbessert worden
sei. Allein die bessere versfolge in BD II ist weder so in die
äugen springend, noch auch tritt die allerdings grössere Sorg-
falt von B an anderen stellen, wo eine emendation mehr am
platze und leichter zu bewerkstelligen gewesen wäre, in dem
grade hervor, dass diese auskunft vollständig befriedigen
könnte. Das ist avoI der fall bei v. 1010 — 13:
der sannen schln vil gar zergienc:
lolü der himel wart tunkel var (gar A)
unt der liehte tac vinster gar (dieser vers fehU AC),
der mäne nnt die stemen clär
wnrden tnnkel, daz ist war (unt der liecht tac vinster gar Cj
vmb ihm auch der enge! schar A),
dö st sähen sterben Crist . . .
denn hier muste schon der zweimalige reim -ar : -är, den die
versfolge von (A)C 1010. 12. 13. 11 gibt und ohne zweifei
auch die vorläge von BC darbot, einen achtsamen abschreiber
befremden, und wenn er sich darauf hin dieselbe genauer an-
sah, so konnte es ihm nicht entgehen, dass mit dem verschwin-
den der sonne zuerst auch der tag sich verdunkelte und dann
der nunmehr erst hervorkommende mond und die Sterne, nicht
336 MILCHSACK
umgekehrt der liehte tac nach mond und stemen. Man veiv
gleiche übrigens auch II, dessen stärkere umdichtung an dieser
stelle die eutstehung des fehlers schon im archetypus vermuten
lässt, zumal auch dort die Verdunkelung des tages deijenigen
der gestirne folgt. Bedenklich ist dagegen wider die Überein-
stimmung V. 1591 bluome AG gegen brunneBIl, cr&neDKf wo
in B II offenbar der bildliche ausdruck Maria ist ein brunne
aller miUekeit am anschaulichsten und daher gewis auch ur-
sprünglich ist.
Von geringerer bedeutung sind die gemeinsamen lesarten
in AD. V. 101 fehlt da (gegen BCII); 509 sinen wangen
{hagkeil D) {daz wange BCII); 686 mohte {künde BCII); 721
fvil {muoz BC II); 831 triuwe {liebe BC, minne II); 1242 druckte
{trüte BCE); 1373 begirde {gerde Gl). In v. 101, 509, 686, 721,
1242 und 1373 wird man geneigt sein, das richtige oder
bessere in den von AD abweichenden hss. zu suchen und
ebenso in v. 508 gedültiglich er es alles {alles fehlt D) vertrüg
AD {gedultecHchen er vertnioc BCII), obschon auch die les-
arten von AD nicht falsch sind. Aber wie steht es mit v.
106, mit welchem der Verfasser seine angaben Über veran-
lassung und quelle seines gedichtes schliesst, nämlich in AD
ich sagez iu reht als ich ez las, in BC 11 ich sage iu {ez G)
rehte als ez was, Gewis wird jeder darin mit mir überein-
stimmen, dass die lesung von AD die ansprechendere und
natürlichere ist Wie kommen dann aber BC zu der seltsamen
Übereinstimmung mit II? Hier blossen zufall anzunehmen ist
schwierig und bedenklich, wenn auch nicht gerade unmöglioh.
Vielleicht also hat zwischen BC und II irgend einmal eine
berührung stattgefunden. Halten wir daher unsere entschei-
duug zurück, bis wir auch die kreuzungen von I und II näher
ins äuge gefasst haben, ob sich etwa unter diesen derartige
befinden, dass sie eine solclie Vermutung unterstützen können.
Auch BCD treten zum öfteren A und All in fehlerhaften
oder doch sehr bemerkenswerten lesarten gegenüber. Falsoh
ist V. 395 den {die A) bezogen auf qu&le v. 394 ; 982 do wanie
BC, do duckte D {sich äuget A, sus aüget sich G, so ägte sick
I, sus ougte H), wo A allein das echte erhalten hat; 807 kmi
{die freud A, fridel G, sunt H, gmachel I), wo der vorher-
gehende vers ick muoz ein armru witwe sin zeigt, dass mit G
UNSER VROÜWEN KLAGE. 337
vriedel zu lesen ist, weil sich die Maria nach dem verlast ihres
kindes nicht eine wittwe nennen kann. Dafür spricht auch
gmachel in J und die freud in A, welches gleicherweise v. 796
freud statt vriedel gesetzt hat V. 798 fehlt mn kint in BCD
gegen A II und die quelle {tu michi filius , omnia tu michi).
Sehr beachtenswert sind folgende abweichungen : v. 474 ir
ougen (nnn 0. A), wo A unbedingt vorzuziehen ist, weil man
sonst ungewis ist^ wessen äugen die tränen vergiessen sollen,
da doch diejenigen des kapplans gemeint sind (vgl. v. 476 flF.).
718 beide treit rvol {wol getragen sol AU), wol die mislichste
unter den BGD eigentümlichen lesarten. 834 liebe muoier mar
get min {werde maget [rvibes künne II] muoter mn A II) ; auch
hier gibt A die bessere lesart. 1359 ö/" in {üf daz grap AG,
zu dem grab J), wo man allerdings eher flir die annähme
einer änderung in AGJ als in BCD streiten möchte. Endlich
einige geringfügigere: v. 696 die fehlt (gegen AU); 720 hin fehlt
(gegen AU); 783 ersterben {sterben AU); 513 vür — vür
{an — an AG, für — an J, vür—üf H); 1101 döz {göz
AU); 1246 gar fehlt (gegenAU, dö E); 904. 5 fehlen (gegen
A II), worauf jedoch kein gewicht zu legen ist, weil dieselben
in D mitten in eine grössere lücke fallen.
Für ein paar so kleine bruchstücke wie E sind der mit
BC vorkommenden kreuzungen viele. V. 554 gerichtes {rihtcers
AD II); 566 reinen {werden UUj schönen A)] 567 unreinen fehlt
(gegen AD II); b9i ofte {dicke All^ harte D)] 1284 alle vreude
vn wunne {wunnen E) trost {all freud wünne vnd trost A, wünne
vröude unde tröst II) ; 538 f. ist schon oben (s. 324 f.) besprochen
worden: die auffallende Übereinstimmung in der verkennung
der coustruction in BCE, welche mit v. 542 einen neuen satz
beginnen, wird in etwa gemildert durch die Verschiedenheit
der lesarten in BC und E, welche die möglichkeit des zufalls
annehmbarer erscheinen lassen; 1242 trüte in nach des {druchte
in nach ir AD) ist bei den kreuzungen von AD schon er-
wähnt. Zu diesen im ganzen genommen harmloseren eigen-
heiten gesellt sich nun noch die böse Variante v. 1329, in jener
stelle, die aus anderen gründen oben s. 318 erörteii; worden
ist. Es ergab sich dort, dass für A nur eine der versfolge in
II entsprechende Umstellung von v. 1334. 5 und 1330 — 33 er-
forderlich war, um die in I entstandene Verwirrung zu klären
n<itrXgo Bur getohiohte der denttohen •praohe. V. 22
338 MILCPISACK
und (lass die {'inderung von v. 1329 in BCE nur vorge-
nommen worden sein konnte, um das durch die Versetzung
von V. 1334. 5 vor 1330 — 33 für die beiden erBtoren
verse verlorene subject zu ersetzen. Diese änderung wurde
mit benutzung von v. 133ü bewerkstelligt, indem die eugel
aus diesem schon in v. 1329 vorweg genommen wurden.
(Derselbe vcrs hat ebenso schon A bei der ergänzung von v.
1011 gute dicuste geleistet.) So weit ist dieser Vorgang ganz
deutlich, aber es bleibt zu erklären, wie es möglich war, das»
BC und E auf dasselbe auskunftsmittel verfallen konnten.
Ich weiss darauf keine andere autwort zu geben als dass
diese und die in AC und BOD aufgewiesenen kreuzungen
Schwierigkeiten sind, wie sie bei der eruierung beinahe jeder
haudschriftengenealogio begegnen. Die handschriftlichen mittel
reichen nicht iiuj-j, dieselben mit wünschenswerter klarhoit zu
enthüllen. Wenn aber, wie bei den hss. von Uvkl., beweise von
solcher menge und tiiftigkeit für eine ganz bestimmte gi"up-
pierung der handschriftcn gegeben sind, so dürfen dagegen
vereinzelte, keinem s\ stem sich fügende durchki euzungen nicht
in anschlag gebracht werden und es muss dem herausgeber
überlassen bleiben, aus dem gebotenen das beste zu wählen.
Was sich an kreuzenden lesarten unter den hss. der zweiten
recension findet, ist ganz unbedeutend. Zunäcl.st in GJ v. 122
der sele vi-uht {der genuht H) ist ohne einen vernünftigen sinn
und die Variante von H ist wol eine änderung, um einen
solchen zu erhalten. Aehulich steht v. 06 der gnaden (dine G)
vruht und v. 215 der sa'Ideu {sele III) vruht und wenn, wie
mir scheint, hier 6 das richiige hat, so wird auch an den
übri:i:en beiden j-lcllen so zu schreiben seiij. V. 083 imerlogen
{ungerlogen C, u:. gelogen AB niht gel, 11, vnhetrogen E); 775
mir vergolten {mir getan BC, uch gerochin D, mir gevoiget U)]
913 vme her Oj bis hiehcr i im reime auf gebar {unz alle dar
H, daz ist war Ai3C) scheint ein :':lter sv hreibfehler zu sein;
920 im G, bliit J {vluz BCH, waren grosz A); 1004 mit
{ze ABCH).
Ebenso ist als ganz zufällig anzusehen da» eine handen
GK {banden I HJ) in v. 1646.
GH werden aber darcii eine reihe von eigen tUmliehen
UNSER VROÜWEN KLAGE. 339
lesarten verbunden, welche engere beziehungen zwischen diesen
beiden hss. unabweisbar machen. Ich nenne zuerst einige un-
bedeutendere. V. 600 bedrdz {verdroz J 1); 639 hiterliches G,
bitterlich H (Jcemerlichez J 1); 663 daz herze {min h. BCDJ);
708 sterbe {ersterbe J I); 823 sd hienc {so fehlt J I); 957 daz
ez diu {ez fehlt ABCJ); 1003 sinen {den AJ, von im den BC);
1068 üf die {üf den ADJ); 1095 der {wer ABCJ); 1521 min-
necUcher {wünnecHcher JK). Dazu kommen nun aber lesarten
wie V. 571. 2
GH IJ
die als eins edlen adelasr (ain edel diu im als einem adelar
adler B)
im stünden (Si ündeu G) minnec- stuonden minnecltcben.
liehen.
787 lieber herre {herzenliep ABCJ, D weicht aus) ; 858 vrourve
{o mtwter ABC, dar ume muoter D, muoier J) ; 865 enphieng G,
enphag H {Rde BC, litte J, Uden solt A); 1141 und daz mark
{wä ist daz marc ABCJ); 1234 sd blfitik äne macht so {äne mazen
H) wu7it {also sere unt also [also fehlt BC] wunt ABC, rvan er
was also sere wunt J); mit v. 1566 hat es eine eigene bewant-
nis, alle hss. gehen hier auseinander mit ausnähme von GH,
nämlich
A GH
si gedäht an elliu siniu wort si gedäht an ellin stnin wort
nnz daz gefangen wart ir hört ... nnz daz ir hSrre wart ermort . . .
BC J
st gedäht an alle sine vart vnd euch wie er wart
nnz daz er gevangen wart . . . von der besen luden art . . .
unt {vn och GH, fehlt J) erhangen als ein diep heisst es weiter
V. 1568. Vergleicht man diese vier Variationen, so bemerkt
man erstens, dass AGH in v. 1565 unter sich vollständig und
mit BC ebenfalls bis auf das reimwort übereinstimmen, und
dass zweitens je eine Variation aus beiden recensionen den
reim auf -ort (AGH) und auf -art (BCJ) gebildet haben.
Daraus geht ein zwiefaches mit Sicherheit hervor: einmal, dass
V. 1565 in AGH in seiner originalen fassung erhalten ist; zum
andern, dass noch im archetypus hier ein reim mit den asso-
nierenden vocalen o : a vorhanden gewesen sein muss. Ferner
scheint es mir nicht imwahrscheinlich, dass BC die zweite
reimzeile unverändert erhalten haben, sowol weil dieselbe in
22*
340 MILCHSACK
A, wenn man den reim /r hört wegstreicht und er nach daz
einsetzt, wider zum Vorschein kommt, und auch in J in
V. 1566 wart noch im reime steht, als auch weil dieselbe in
GH unzweifelbaft neu hinzugemacht wurde; denn von ermort
findet sich in allen anderen Variationen nicht nur nichts, es
ist dazu auch völlig uulogiir^ch und unwahr, den in v. 1567 er-
mordeten in V. 1568 noch erhängt werden zu lassen. Fügt
man daher v. 1566 aus AGH mit 1567 aus BC zusammen, so
ist alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass damit die originale
lesart wider hergestellt ist. Daraus ergibt sich nun f&r die
verwantschaft von GH, dass diese beiden hss. eine unechte mit
allen anderen sich kreuzende lesart teilen, die in beiden hss.
nicht zufällig sein kann, sondern notwendig in die eine von
ihnen durch die kenntnis der anderen hineingeraten sein muss.
Ausserdem sind von GH gemeinsamen lesarten noch zu er-
wähnen V. 1063 vröiie criuze {vrone fehlt ADJ); 1240 liehez
kiyit {kindes lip ABCJ, D weicht aus) und ganz besonders der
fehlerhafte vers 1511 si ist der wünne gnaden schrin {wan rf
ist aller [gar der KJ gnaden schrin JK).
Von den kreuzungen in den handschriften beider recen-
sionen stelle ich die wichtigsten voran. BCH vereinigen sich
gegen die übrigen an folgenden stellen: v. 98 sine^i siten ßC,
siner reineii siten U {sinem libe ADy sinem reiften libc JG); 591
reiner {reyne DEG, rainen J); 791 vyide {sol A, so DG, als J);
920 vluz {flüt G, blüt J, ware7i grosz A); 955 durclisneii
sneit AG, zu sneyt D, ver schiaid J); 959 giezen {gegiezen
AGJ); 1033 ez si {jiinc H) tvip oder man (er « junc alt mp
oder man AGJ). Besonders hervorzuheben sind v. 918 ir un-
gehabe was sd gröz {ir ungemach was also groz AGi) und 1126.
7, in welchen sich BCH und AGJ eben so scharf und genau
unterscheiden, wie bei der vorigen stelle, nur dass die diffe-
renzen selbst auflallender sind:
BCH AGJ
lät lach die rnaget erbarmen lät iuch die magct armen
unt ir San vil armen. unt ouch ir kint erbarmen.
Natürlich kann die vertauschung der rcimwoiiie an und fär
sich nicht viel bedeuten, aber die begleitenden umstände, dass
in BCH ouch fehlt und sun für kint gelesen wird, machen es
UNSER VROÜWEN KLAGE. 341
fast unmöglich, hier nichts weiter als das vvalteu eines nackten
Zufalles anzunehmen. Wenn daher diese stellen auch nicht
gentigen, um eine intimere verwantschaft von BC und H zu
begründen, so wird man immerhin, wo auf BCH die entschei-
dung gestellt ist, lieber der entgegenstehenden Überlieferung
folgen dürfen.
Weit wichtiger noch als die möglichkeit einer verwant-
schaft von BC und H ist die eigenartige Stellung von BC zu
II überhaupt. Einige der BC 11 gemeinsamen lesarten sind
schon in diesem abschnitt unter AD angemerkt worden: v. 101
da (fehlt A); 106 als ez was {als ich ez las AD); 686 künde
{mohte AD)] 721 muoz {wil AD); 831 liehe BC, minne GH, J
abweichend {triuwe AD), und wenn sich hier vollkommen
gleichberechtigte handschriften gegenüberständen, würde ich
überall (mit ausnähme vielleicht von v. 101) AD den Vorzug
geben und bei v. 106 geben müssen. Gleichfalls schon be-
sprochen (s. 302) ist die ab weichung bei v. 909. 10, wo BCII
zwischen v. 909 und 910 den vers Johannes , min vil {junger
BC) guoter, welcher im gefolge des die anrede schon enthal-
tenden 999 n verses ganz wie eine inhaltslose reimfüUung aus-
sieht, eingeschoben und dafür v. 910 unt bis ir p fleger guoter
ausgelassen haben, dessen cchtheit durch das ei servias der
quelle bezeugt wird. Dazu kommen nun aber noch mehrere
andere Varianten und fehler von zum teil nicht geringerer be-
deutung. V. 590 nach im BC II {im nach ADE); 650 an
BCHJ {von DG); 959 giezen BCHI {gegiezen AG); 1367 dem
herzen BCG {rnmem h. ADJ, EH fehlen); 90 daz wart BCGH
{der [die D, fehlt J] w. AD) , wo daz , bezogen auf quäle und
pin, fehlerhaft ist. Ebenso sind die Varianten von BCGH zu
V. 699 offenbar Verschlechterung aus der in ADJ dargebotenen
richtigen fassung. Man vergleiche
G: wes herze wer so steinen, \
BC: was herzen were (wer C) BÖ St., .
H: wa wart ie herz so steinen, \ ^^' i^^^BCE) sich nihtmüeste
ADJ: wer w»re euch so steinen, j erbarmen . . .
Die drei hss. ADJ wiegen an wert die entgegenstehenden BCGH
vollkommen auf und die von ihnen übereinstimmend gegebene
lesart empfiehlt sich gegenüber dem tasten der letzteren schon
so sehr als das ursprüngliche, dass es kaum noch notwendig
342
AULCUSACK
ist darauf aufmerksam zu machon, dass G in v. 700 m)ch mit
ADJ der (gegen daz IjCH) liest, wodurch an der echtheit von
ADJ auch der letzte zweifei gehoben wird. — Nicht ganz un-
verdächtig ist mir auch die anuäherung von BC an II in der
Umstellung von v. 1270 und 1271. Es lesen nämlich
U
wan wser der himel birmtt wiz
unt sazre ich allen mtnen vltz
unt schribe ich alle rntne tage
die vil biterltchen klage
Märten unt die ungehabe,
die si begie bt dem grabe,
ich mühte ez niht geschriben . . .
BC
fehlen BC AE,
wan Bseze ich alle mine tage
unt schribe von der grözen clage
unt von der grözen ungehabe,
die st begienc bt dem grabe,
ich müht ez niht erkunden . . .
AE
wan ssDze ich alle mine tage
unt schribe ir vil swa^re clage,
die si begienc bi dem grabe
mit vil grdzer ungehabe,
ich muhte ez niht künden . . .
Denn wenn auch eine einwirkung von II auf WO zur erklä-
rung ihrer lesart nicht gerade angenommen werden muss, so
ersieht man doch auch nicht, was für BC an dem in AE über-
lieferten texte anstössig gewesen wäre. BC pflegen aber sonst
grössere Umgestaltungen wie diese ohne irgend einen erkenn-
baren grund nicht vorzunehmen. Daher tritt auch diese vor-
tauschung in den bereich der möglichkeit, durch l)eeinflus8ung
von II hervorgerufen zu sein, nachdem einmal einzelne Ver-
mischungen von BC und II wahrscheinlich gemacht worden
sind. — Und vielleicht sind v. 588. 9 geradezu eine entlehnung
aus II. Sie fehlen in ADE gänzlich und stehen in II nach y.
763, wo sie jedenfalls passender erscheinen. Ich habe sie
zwar in den tcxt von I aufgenommen, aber durch klammem
angedeutet, dass sie von dem starken verdacht einer Interpo-
lation nicht frei sind. — Somit gilt, was von BCH gesagt
wurde, von der Übereinstimmung von BC mit II überhaupt:
wo ADE oder auch nur AD BC II gegenüberstehen, ist die ge-
währ das richtige erhalten zu haben, auf selten der ersteren
mindei^tens ebenso gross, als diejenige auf selten der letzteren.
Der rest der zwischen I und II vorkommenden kreuzungen
ist für die beurteilung des handschriftenverhältnisses bedea-
UNSER VBOUWEN KLAGE. 343
tuDgsloB. Ich zähle sie im folgendeu auf^ um das mateiial
zur Prüfung meiner beweisführung auch nach dieser seite voll-
ständig zu machen und die aufmerksamkeit des lesers auf eine
reihe von stellen zu lenken, wo bisweilen die möglichkeit einer
anderen restituierung des textes als die meinige gegeben ist.
In AJ findet sich v. 528 weder kraft {weder fehlt BCDEGH);
535 als oh (ob fehlt BCDEGH); 617 V7id grosz {grosse J) pin
(^rö^z fehlt BCDEGH); 713 üf mich dm (Ä/ (/me ßCDGH);
790 kint nie A, nie kind J {nie kunt BCDGH); 815 gdt {stäi
BCDGH); 938 als ein schwert das {das fehlt J) durch sie stech
{als [sam BC] si [als ob mich D] ein swert durch [durch fehlt
H] stäche BCDGH); 1009 vergienc {zergienc BCGH). — In BCJ
V. 1475 er het si liep gar sere (rf was im liep [er miiite si so G]
sere AG); 916 der was {^ler fehlt AGB); 732 zehrich BC, brich
J {zerre mir G, zer H, D weicht aus, AE fehlen); 1147 lieben
{liebes AH, svzen G). — In DJ v. 455 zu {zeJ) erkennen {zu
fehlt ABCG); 815 komerlich {jcemerlichABCGU)] 1053 (faz {desJ)
ir zu eme hat gedocht {daz tu zuo im was gedäht ABCGH). — In
BG V. 96 erhangoi {hangen ACDHJ). — In CH v. 821 sinen
siten {siner s. ABDGJ). — In DH v. 575 der {den ABCG, dem
E, das^Jy^ 714 die fehlt (gegen ABCGJ); 743 lügende {gnädeti
BCGJ); 656 mynecliches {wünnectichez GJ, wünneclichem B,
chlaren C). — In DL v. 1591 crone {brunne BGHK, bluome
AC). — In AEH v. 553 dö {daz ÜGJ). — In BGH v. 789 U
{an ACDJ). — In BHJ v. 880 an mir gesige {mir an gesige
x\CG). — In ABCH v. 850. 1 erstän unt dir erschinen unt euch
den jungern minen {erstän unt [vn ouch J] erschtnen dir mit
den jungern minoi DGJ). — In BCDG v. 546 vor in allen {vür
si alle AEHJ). — In EGHJ v. 559 in {ez ABCD). — In BCFL
V. 1599 vrevden {du frewden F) pris {b \du A] vrouwen pris
AGK).
Das ergcbnis unserer Untersuchung Über das handschriften-
vcrhältnis ist demnach folgendes. Beide reconsionen haben
eine anzahl gemeinsamer fehler: sie gehen also beide nicht
auf die Urschrift, sondern auf einen archetypus zurück, der die-
selbe schon nicht mehr in ihrer ursi)rünglichen reinheit be-
wahrte. Es ist daher zunächst auch nur die möglichkeit ge-
geben, aus den erhaltenen hss. die gestalt des archetypus
wider herzustellen, welcher tiberall da hervortritt, wo die über-
344 MILCHSACK
lieferung von I und II sich deckt. Wo aber YoUkommene
Übereinstimmung aller hss. nicht stattfindet, gibt die mehrzahl
der gleichberechtigten f&r die aufzunehmende lesart den aus-
schlag. Als gleichwertig in bezug auf ihre Stellung zum arche-
typus gelten in der ersten bearbeitung A, D, E, in der zwei-
ten G und HJK, und J steht unter diesen wider HK im werte
gleich. Dagegen kann weder das zusammentreffen vonBG mit II,
noch dasjenige von H mit I in demselben maasse auf die ent-
scheidung wirken, wie die Übereinstimmung anderer hss. von
I mit II oder von II mit I imd zumal sind begegnungen von
BGH für die textkritik von zweifelhaftem werte. Unter den
hss. der zweiten recension verliert H gegenüber J noch beson-
ders an bedeutung durch ihre verwantschaft mit G.
Ich will dieses kapitel nicht beschliessen, ohne einen
schon im jähre 1872 von Jos. Haupt in seiner abhandlung
Ueber das mhd. buch d. märterer (Sitzungsber. d. phiL-hist cL
d. kais. akad. d. wiss. zu Wien bd. LXX, s. 177 ff.) gegebenen
uachwcis über die quelle und die bearbeitungen von Uvkl, der
von dem vorstehenden in einigen nicht unwesentlichen punkten
verschieden ist, wenigstens in kürze erwähnt zu haben.
Den IV. abschnitt der erwähnten abhandlung hat Haupt
der Marienklage gewidmet. Nicht etwa weil dieselbe mit dem
eigentlichen zwecke jener in Verbindung stünde, es soll viel-
mehr ^die unter no. 13 im buch der märterer enthal-
tene Marienklage den beweis führen, dass man ihn
(den dichter des ersteren) frühzeitig zu verbessern suchte',
^denn die stumpfsinnige weise des mannes (desselben
Verfassers des buches d. märt) gereichte schon den Zeit-
genossen zum anstoss'.
Haupt findet in der hs. 2677 der k. k. hotbibliothek (C
nach meiner bezeichnung) eine Marienklage von 1176 Zeilen,
Won denen folgende mit der klage im buch der märterer über^
einstimmen'. Er setzt dieselben auf s. 178 — 180 zur ver-
gleichung neben einander. Ich will die beiden ersten von
Haupt verglichenen stellen hier folgen lassen, um dem ieser
von der Verbesserung, welche das buch der märt, in C erfah-
ren hat, eine anschauung zu geben. Ich eitlere G nach vor^
UNSER VROÜWEN KLAGE.
345
stehender ausgäbe, gebe aber den text natürlich in der geFfalt,
wie ihn die hs. darbietet.
C T. 590—94:
Ich gienc noch im auf meinen (/.
stnen) sporn,
der vor (/. von) mier rainer wart
gepom.
Auch giengen yrowen mit mier da,
die im von galilea
Gedient hete in (/. heten) ofte wol. . .
C V. 629—34 ;
er Bwaig stille, als noch tuet
Daz Isembelein, als man ez schiert :
alle vngedult ez verbiert:
Also het er gedulticheit
in seinen noten di er leit:
£r tet nie au£f seinen mvnt . . .
B. d. märt. v. 113—17:
Ich vil trawrige mutter sein,
Als ich mocht, ich gie nach in
Mit andern weihen, dye im da
Hettcn gevolgt von Galilea
Dienende allez im . . .
B. d. märt. v. 1 39—43
Sein stimme wart gehört nie:
Ais ein lamp daz schray vnd erpirt,
So man im dye woU abschirt:
So gab er chain stimme der stunt
Und tet nie auf seinen munt . . .
Es ist ganz augenscheinlich und trotz der mängel der hs. C
nicht zu verkennen, dass der nachdichter dem Verfasser seines
Vorbildes an dichterischem vermögen in jeder hinsieht weit
überlegen war, und man muss sich wundem, dass er nicht
lieber aus eigener kraft eine neue Marienklage machte, für
einen manu von seiner begabung gewis eine leichtere und er-
freulichere arbeit als diese Überarbeitung. Diese betrachtung
gehört indessen nicht hierher, Haupt hat wenigstens vermieden
sie anzustellen. Er schliesst seine vergleichung mit der un-
mittelbar aus ihr gewonnenen Überzeugung: 'die Über-
arbeitung in C ist zweifellos'. Dennoch scheint auch ihm
der abstand zwischen dem elenden machwerk im buch der
märterer und der so wol gelungenen Verbesserung in C zu
gross gewesen zu sein, als dass die letztere schon beim ersten
versuch hätte erreicht werden können. Er glaubt daher den
verbesserungsprocess zu vereinfachen, wenn er zwischen die
Klage im buch d. märt und C ein mittelglied, eine C vorher-
gehende Überarbeitung der ersteren einschiebt, 'von welcher
Hoffmann von Fallersleben ein bruchstück gefunden und be-
kannt gemacht hat. Altd. bl. 2, 200. 201.' Er setzt aus die-
sem und C folgende stellen in beziehung:
346 MILCHSACK
C V. 176— 81 AltiL bl. 2, 20o, v. 9—13
O we, wer gibt dem hout»et ineiu Wer geit meinem kaapt das
daz wa/.ztu\ da vun werde schein da.: iz von wazer werd naz
kleines hert/,en pittercheit, Und meinen angen der zeher regen
den iamer. den mein hertze treit. daz ieh der immer mnez phlegen
Wer geit meinen äugen zeher regen : Paidev spot ynd vrae . . .
ich wil nicht wann waincs phlegen. . .
Man wird Haupt zugestelicn müssen, dass das fragment in
den Altd. blättern seiner fomi nach höher zu stellen ist, als
das buch d. mfirt. Hatte er ferner noch folgende stellen ver-
glichen: C 101—105, 94—96, 392—96, 1102. 3 und 1124. 5,
532. 3 und 592—94, 446—50 und 4S4— S7, 4S2 , 489—91,
461—05 mit resp. Altd. M. 2, 200, 3—6, 7. S, 13. 14, 15. 16,
33—35, 36—3^, 39, 10—42, 43, so würde er, gewis zu seiner
freudc, gesehen haben, dass das «ranze bruchstück bis auf die
l)artie v. 19 — 32 mit Uvkl. in zusanmienhang steht. Man ver-
inisst bei seiner bewoisftlhruu;: jedocli die herbeiziehung der
entsj)rcchendon stelle aus der Klage im buche der märt, und
dass gewisse charakteristische eigentümlichkeiten der verschie-
denen t<'xte aufgewiesen waren, u eiche diejenige reihenfolge
ihrer cntstehung: buch d. mfirt.. Hofimanns fragment, C dar-
getan hätten, die Haupt stillschweigend vorauszusetzen scheint.
Auch liat er gcwis nicht übersehen, dnss HoflFmann sein frag-
ment in der autschrift als 'bruchstück eines gedichts aus dem
XII. jahrh.' !)czeichnet und Schade (Geistl. ged. s. XVII)
di(*se datierung angenommen hat. Haupt setzt aber ja die
abfassung <les b. d. mart. um 132«» — 40: ein wort zur berich-
tigung des Irrtums, in dem sich «also Hofimann und Sehade
i)efinden, wäre daher w^ol am platze gewesen.
Wie C eine Umarbeitung von der durch Hoffmauns frag-
ment dargestellten ersten bearbeitung der Klage im b. d. märt,
so sind E, D, F nach Haupt widerum einzeln bearbeitungen
von C. K und M sollen dagegen zwei v(m C unabhängige
bearl)eitungen darstellen, von denen K. wie C, unmittelbar auf
Hofimanns fragment zurückzuführen sei.
Haupt schliesöt alsdann mit folgenden werten: 'Ich zweifle
keinen augenblick, dass auch noch Jindere Variationen dieser
Trauenklage |nämlich im b. d. märt.| sich vorfinden.' ^Diose
|K| und die in V 2077 [C] enthaltene Marienklage gehen auf
UNSER VROÜWEN KLAGE. 347
eine gemeinsame Torlage zm-ück, wie die Übereinstimmungen
und noch mehr die ab weichungen [?!] IIb erzeugend dar-
legen. Diese gemeinsame vorläge scheint D [HoflFmauus frag-
ment] gewesen zu sein. Wir erhalten somit folgenden Stamm-
baum^ nicht der hss., sondern der texte:'
Buch der märterer
HoiFmanns fragment
C K
D M
Der abdruck der Konstanzer hs. (H) durch Mono in den
Schausp. d. mittelalt. s. 210 ff. ist Hau])t gänzlich unbekannt.
Er übersieht, dass CDE in allem wesentlichen doch nur hand-
schriften eines gedichtes sein können. Die cinleitung von
Uvkl., in welcher der dichter von seinem lateinischen büchlein
redet, scheint er gar nicht gelesen zu haben. Die Schwierig-
keit, welche die datierung von Hoflfmaiins fragment seiner
aufstellung entgegensetzt, welche in der Verwirrung, die in die-
sem bruchstücko herscht, und in der von Schade nachgewie-
senen (iberelnstimmung der aus ihm verglichenen stelle mit der
Interrogatio S. Anshelmi liegt, ist für ihn nicht vorhanden.
Den nachweis bestimmter kennzeichen der verschiedenen von
ihm ne))en einander gestellten texte, welche erkennen Hessen,
dass dieser auf jenem beruhen und der fernere wider aus die-
sem hervorgegangen sein müsse, sucht man bei ihm vergebens.
Worin aber beruht denn der beweis für den von Hau])t er-
richteten Stammbaum? Ich sehe von einem solchen wirklich
nichts, als die s. 177 seiner abhaudlung ausgesprochene be-
hauptung, dass die stumpfsinnige weise dos dichtcrs des b. d.
märt, schon den Zeitgenossen zum anstoss gereichte und dass
man ihn frühzeitig zu verbessern suchte. Aber selbst diese
behauptung muss bei einem manne, der wie Haupt in der
geschichte der mhd. literatur nicht iranz unbewandert ist, auf-
richtig wunder nehmen. Oder ist denn die Verbesserung stumpf-
sinniger gedichte im 14. Jahrhundert und noch dazu in so ge-
lungener weise und in doppelter abstufung etwas so gewöhn-
liches? H;itte er auch nur ein einziges ähnliches beispiel an-
führen können, während ihm, ich darf wol sagen hunderte zu
348 MILCHSACK
geböte Stauden, welche den niedergang der litcratur und die
pioductiousunfiibigkeit dieser zeit gerade durch ihre verschlech-
ternde Überarbeitung älterer guter dichtwerke beweisen? Man
inuss es in der tat bedauern, dass die Sitzungsberichte der
Wiener akndemie von einem solchen dilettantismus der ober-
flächlichsten art misbraucht worden sind.
Gegen diese Hauptsche ansieht hat denn auch schon
Schönbach in seiner recension (Zschr. f. d. phil. 6, 250) pro-
test erhoben. Allein auch er, obschon er mit der herausgäbe
von Uvkl. damals schon beschäftigt war, erkannte nicht das
tatiJächliche Verhältnis, wenn er erklärt 'vielmehr ist die
Marieuklage im buche der märterer, 1176 verse umfassend [so
viel umfasst nach Haupt richtig vielmehr C], so gut wie jedes der
übrigen v(m Haupt beigebrachten stücke, nur eine verkürzte
bearbeituug des von Mone in den Schausp. d. mittelalt 1,
210 ff. aus einer unvollständigen handschrift; gedruckten
'spiegeis*.'
4. Der dichter.
Wer der dichter von Unser vrouwen klage gewesen, ist
nicht bekannt. Was wir von ihm wissen, beschränkt sich auf
das wenige, Avas sein gedieht lehrt. Dass er Latein verstand
(v. 90 ff., 106), geistliche betrachtungen übte (v. 83—89), er-
hellt aus seinen eigenen angaben und da er jedenfalls ein sehr
frommer mann war, so gehen wir wol nicht fehl, wenn wir
ihn für einen angehörigen des geistlichen Standes halten.
Ueber seine heimat sollten wir aus den eigentümlichkeiten
seiner spräche aufsehluss erwarten, wie sie in den reimen her-
vorzutreten pflegen. Allein die andeutungen, welche in diesen
gegeben sind, gestatten nicht mit Sicherheit auf eine bestimmte
gegend zu schliessen, nicht nur weil die vorkommenden mund-
artlichen formen ihrer zahl nach unverhältnismässig gering
sind und zum teil auf schwankender Überlieferung beruhen,
sondern noch mehr weil sie merkwürdiger weise gleichzeitig
auf Süd-, Mittel- und Norddeutschland verweisen. Von eigent-
lich dem niederdeutschen Sprachgebiete angehörigen reimen
findet sich Meräings nur gerden : erdm (gerde : erde II) 1084.5,
erde : gerde 1372. 3, aber in beiden recensionen und begerde
: erde 1110 a. b nur in IL An Interpolation ist aber hier,
UNSER TROÜYTEN KLAGE. 349
abgesehen von dem übereinstimmenden zeugnis aller hss., um
so weniger zu denken, als nur DK mittelfränkiscben bezw.
niederdeutschen Ursprunges sind und das gedieht also in Süd-
und Mitteldeutschland recht eigentlich beliebt und heimisch war.
Die beiden mitteldeutschen reime, welche beiden recen-
sionen angehören und also jedenfalls vom dichter selbst her-
rühren, sind zeheti : geriehen 1068. 9 und weinen : steinen 458. 9,
698. 9, 1142. 3, 1390. 1 und II 1355, 5. 6. Der letztere
kommt jedoch später, als das i in steinin seine tönende kraft
schon zum teil verloren hatte, auch in oberdeutschen gedichten
vor. Auf diesen reim würde daher kein allzu grosses gewicht
zu legen sein, wenn man die entstehung von Uvkl. ins endo
des 13. jahrh. hinabrückte. — Ausserdem findet sich in I
noch der mitteldeutsche reim Hp : diep {kint : blint II) 1070. 1.
Vergleicht man hier die abwcichungen von I und II
unt rüeren (gerüeren //) ir kindes Itp (ir liebez kint //),
daz vor ir hienc als ein diep (tot unt blint II) j
so bleibt kaum ein zweifei übrig, dass es nur die empfindung
der reimungenauigkeit , welche Hp : diep im obre eines nicht-
mitteldeutschen erweckte, gewesen sein kann, welche dieselben
hervorgerufen hat, denn kint : blint bietet für keinen dialect
etwas anstössiges. Die änderung ergab sich überdies iür den
bearbeiter von II um so leichter , als er den reim kint : blint
schon in v. 1254. 5 vorfand und in seiner einleitung v. 77. 8
schon einmal angewant hatte.
Endlich begegnen auch eine anzahl specifisch aleman-
nischer reime. Aber auch bei ihnen stossen wir auf die Schwie-
rigkeiten schwankender Überlieferung. Nur hant : hänt 758. 9
ist durch die hss. beider recensionen bezeugt. Die reime lern-
bell : vrt 506. 7, niet : beschiet 867, d. e und schcefelin : geAn
860. 1 enthält dagegen nur II, ihre ursprünglichkeit erhebt
sich ledoch fast zur gewisheit durch die oben (s. 303 flF.)
gegebenen beweise, dass II in allen diesen stellen mit den
Worten der Interrogatio genauer übereinstimmt als I, also die
originale fassung jedenfalls richtiger bewahrt, und dass gerade
die alemannischen formen dieser reime die Veränderungen in I
bewirkt haben. Drei andere hierher gehörige reime bietet
allein die erste recension kint : sint (estis) (: brint II) 1050. 1,
hänt : erkant 1654. 5 and min : gesin 398. 9. Bei dem ersten
3:a) mtlchsack
ist es walirscheinliclier dass II, als dass I geündert habe.
Die beiden stellen, welche die andern enthalten, fehlen in II,
sind aber, wie wir früher gesehen ha))en, ohne zweifei echt:
die innn gewi v. 390 konnte jedoch auch in I nur aus den al>-
weichungen der verschiedenen hs^'. erhcldossen werden. Eben-
so beruht der alemannisclie reim tvort.wart v. 1566. 7 auf einer
conjectur, die indessen alle Wahrscheinlichkeit fdr sich hat
Die <riosse verschiedenlieit der niundarten, welche durch
diese reiinformen vertreten sind, bereitet für die heimats-
bestimmuug des dichters von Uvkl. ein hindernis, dass sich
ohne hinzutretende andere gründe vollständig nicht beseitigen
lägst Mir stehen solche gegenwärtig nicht zu geböte. So
lange aber diese nicht beigebracht w^erden können, ist bei der
numerisch und formell überlegenen beweiskraft der alemanni-
schen reime die berech tiguug, sich für die alemannische hcr-
kunft des dichters zu entscheiden, am grössten. Auch würde
es nicht so selir schwer sein, die einmischung mitteldeutscher
formen dahin zu erkhiren, dass diese dem Verfasser von Uvkl.
entweder durch die lectüre mitteldeutscher gedichte, oder
durch die persönliche bekanutschaft mitteldeutscher gegenden
und spräche geläufig geworden seien.
Art und zahl der reimfreiheiten in Uvkl. ist nicht sehr
gross, wenn der dichter, wie es die billigkeit erfordert, zu-
nächst nur für diejenigen verantwortlich befunden wird, welche
beide recensionen gemeinschaftlich bewähren.
Daliin sind von reimen mit vocalischer assonanz zu rech-
nen erstens solche mit a : «. dar : adelar 570. 1, 1600. l;
: {/ebar 1260. 1; hani : hdnt 75S. 9; hau : gewan 810. 11; hast
: ast 1152. 3; : glast 1166. 7. Ferner gewis auch einige von
denen, welche nur in I vorkommen: man : cappelän 378. 9;
gebar : rvar {idar II) 912. 13; hän : man 1458. 9; : kan 1580. 1;
: gewan 1586. 7; hat : s tat 1650. 1; hänt : erkant 1654. 5, und
vielleicht alle mit ausnähme von 912. 13. Von den allein in
II erscheinenden wol kaum ein einziger. Denn unbedingt aus-
zusehli< sseu sind diejenigen aus den vom bearbeiter notorisch
hinzugedichteten partien hän : kan 119.20; hat : himelstat 152.
3; :honhetstat 196. 7; : mat 2s2. 3; : stat 300. 1; war : par
1518. 19, und auch bei den drei übrigen hän : man {man : an
I) und 1075. 4; när : schar {enpfienc : hegienc I) 1386. 7
UNSER VROÜWEN KLAGE. 351
ist nicht abzusehen, warum nicht auch hier I, wie im
ganzen, die altere Fassung bewahre. — Mit i : i zwei-
tens findet sich kein von beiden recensioncn bezeugter reim,
m : dn I 434. 5 mag jedoch ursprünglich sein, in keinem falle
aber islnin : h'm {:schtn U) 1 1212. 13 und hin : müeimtin {zart
: wart I) II 14(30. 1. — Wir erhalten also von vocalischen
assonanzcn als minimum 7, als maximum 15 reime.
Die reime mit consonantischer assonanz sind begreiflicher
weise viel weniger häufig, üreimal begegnet z : s in beiden
recensionen baz : las (: was BCII) 105. 6; daz : genas 1022. 3;
liijenmz : pris 1598. 9 und noch an zwei stellen in I was: daz
{rihtcere : wcere II) 1194. 5 und was : naz {genas E) 1318. 19,
wo AD II fehlen. — Ferner m : n nur man : er kam 1330. 1 in
I und II und gimme : küniginne {herille : maget stille ßC) lüli).
II allein in A. — Ueberschlagendcs n erscheint 590. 1 spar
: gebom in I und II, vgl. II 322. 23, dagegen 51. 2 clage: sa-
gen und ebenso 137. 8 nur in II.
Der rührenden reime, die wegen der Übereinstimmung
beider bearbeitungen der ursprünglichen gestalt des gedichtes
zuerkannt werden müssen, sind im ganzen elf. Davon sind
aber nur vier der höfischen kunst nicht gemäss (vgl. Lachm.
zu den Nil). 70, Sommer zu Flore 3), nämlich din : dUn
744. 5; mich : mich 746. 7; minneclichen : süezecHchen 1256. 7
und süezikeit : miltikeit 1590. 1. Wol aberfolgende: alsus {sus
II) : Jesus bAS. 9; min7ieclichen : bitterlichen 572. 3; hant : hänt
758. 9; tröst : ungetröst 798. 9; min7ie : minne (als kosewort)
908.9; biiterkeit : süezekeit 1278.9; wort: wart 1566.7. Ausser
diesen finden sich von unerlaubten rührenden reimen in I
noch minyieclich : wünneclich {zart : rvart II) 796. 7, in II süe-
zikeit : scelikeit 7. 8 ; miltekcit : scelikeit 1 60. 1 ; werdikeit : sceli-
keit 178. 9; dicmüetikeit : geduHikeit 232. 3; barmherzikelt : mit-
tekeit 836 e. f.; hertikeit : sa^likeit 1153, 5.6; me : me 1502. 3;
miltekeit : gedaltikeit {: kintheit I) 1562. 3; von erlaubten in I
verbergen : bergen 442. W ; genzlichen : jceinerlxchen 990. 1 ;
minneclich : glich {: mich li) 1150. 1; vlizeclichen : jcemerlichen
{gucedeclichen II) 1184. 5; getiche : bitterliche 1344. 5; bitter-
keit {leit II) : süezikeit 1350. 1; muoter : demuoter {zart : en-
wart II) 1410. 11 ; siti (pron.) ; sin (esse) 1440. 1 ; lobelich : min-
neclich {trön : Ion II) 1602. 3; in II gelich : wüniieclich 288. 9;
352 MILGHSACR
jcemerlich : rvümiecUch 310. 11; Jcemerlichen : siu/HicRchen 328.
9; gie : begie 358. 9; geRch : biierlich 542. 3; erkamen : kometi
886, c. d; weich : entweich 1147, 1. 2; gelich : mirmecHch 1147,
13. 14; tougenHchen : andeehticRchen 1182. S3a; ungetrösl : tröst
{guot : trmot I) 1467. 6. Mögen auch von den rührenden rei-
men in I einige noch auf rechnung des dichter» gesetzt wer-
den müssen, so ist die zahl derselben immer noch nicht so
gross, um die annähme, dass das gedieht in der zweiten hälfte
des 13. Jahrhunderts entstanden sei, bedenklich erscheinen zu
lassen. Für diese zeit spricht auch, dass der dichter von den
gröberen reimfreiheiten der späteren zeit noch keinen gebrauch
gemacht, die verse noch ganz nach der älteren weise gebaut,
schwere auftakte vermieden hat und die Senkungen öfter fehlen
lässt, was gewis noch häufiger zum Vorschein kommen würde,
wenn wir eine ältere handschrift besässen, welche nicht so
sehr, wie die erhaltenen, bemüht gewesen wäre dieselben aus-
zufüllen. Dafür spricht endlich auch die bekanntschaft des
dichters mit den meisterwerken der mittelhochdeutschen blute-
periode.
Mone hat schon darauf aufmerksam gemacht^), dass der
dichter Wolfram, Hartman und Freidank gekannt haben
müsse. Er folgerte dies für den ersteren aus der einleilung
der Konstanzer hs., welche Mone zum abdruck braclite. Dieses
argument erweist sich aber, weil die anderen hss. von einer
solchen einteilung in kürzere abschnitte von bestimmter Zeilen-
zahl nichts wissen, als nicht stichhaltig. Wahrscheinlich ist
nur, dass eine vorläge von II soleiie regelmässige abschnitte
herstellte, die vom Schreiber von H in ihrer bedeutung ver-
kannt und zum teil beseitigt, zum teil belassen wurden. Die be-
kanntschaft des dichters mit Hartmans werken begründete Mone
auf einige beobachtungen des Sprachgebrauchs und aus Frei-
dank wies er die entlehnung von v. 226. 7 nach. Schönbach
widerholte diese behauptung ^) , indem er den genannten Vor-
bildern Walther von der Vogelwoide hinzufügte, ohne je-
doch für eines von ihnen nachweise gegeben zu haben.
Unter den belegen, welche eine benutzung Walthers bei
1) Schausp. d. mittelalt 1, 204 ff.
') Ueber d. Marienklagen s. 4G.
UNSER VBOUWEN KLAGE. 353
dem dichter von UykL könnten vermuten lassen, ist keiner der
dafür einen sicheren anhält böte. Denn die wenduug Uvkl.
665—67
der von mir wolde
werden unt wart geborn:
ze mnoter häte er mich erkom.
Walther, Lachm. 19, 5—7
Ez gienc, eins tages als unser hdrre wart geborn
von einer maget dier im ze mnoter bat erkom,
ze Megdebnrc der künec Pbilippes schöne.
war schon zu Walthers zeit zur formel erhärtet und braucht
deshalb aus ihm nicht entnommen zu sein. Diese und andere
vorkommende formelhafte ausdrucksweisen sollen im HI. teile
dieser arbeit nach ihrer entstehung und Verbreitung untersucht
werden. Das früheste vorkommen vorliegender phrase, welches
ich kenne, habe ich schon in diesen Beiträgen 3, 367 zu v. 43
der aus der Spiezer Gregoriushs. abgedruckten Marienklage im
loblied auf Maria, Diemer s. 296, 7. 8
zeiner mflter er dich nam
nzzer allen wtben
nachgewiesen.
Für den reim tüsentstuni : muni Uvkl. 1258. 9
stnin wange unt stnen mnnt
(stn ongen, wange unt den munt II)
knst st md dan tüsent stunt
ist allerdings Walth. Lm. 39, 26—28
kuster mich? wol tüsentstnnt:
tandaradei,
seht wie rdt mir ist der mnnt
das bekannteste beispiel. Wie häufig und für ähnliehe gele-
gonheiten beliebt aber auch er schon um die wende des 12./ 13.
Jahrhunderts gewesen, mögen folgende stellen zeigen:
Iwein 7503. 4 st nnderknsten tüsentstnnt
ongen wangen nnde mnnt
Iwein 7976 — 78 von grözen vrenden knster d6
stner jnncvroawen mnnt
hende and ongen tüsentstnnt
Tristan 34, 31. 2 and leite ir mnnt an 3tnen mnnt
und koste in hundert tüsent stnnt.
Tristan 38, 5. 6 nnd knste ie ze etltcher stnnt
ir wange ir ongen nnde ir munt
ncltrttt;e sor freiohlohte der dentMlien tpnohe. V. 2J
354 MILCHSAGK
Tristan 325, 15. 16 nnd kuste ir wangen nnde ir munt
zeiner nnt ze maneger stunt.
Vgl noch Bartsch, Partonop. 3179. 80; Cl.Hätzl. s. LXXIII 53.
Mit Iw. 7503. 4 und Trist. 38, 5. 6 verglichen Hesse sich noch
am ehesten eine anlehnung von Uvkl. an Hartman oder Got-
fried vermuten.
Auch Uvkl. 244, 5
länt die vröudOi diu lach lat,
8t ist niht visch biz an den grät
Walth. 67, 28—31 l!p, lä die minne diu dich lat,
und habe die stseten minne wert:
mich dunket, der du hast gegert,
diu 8t niht visch unz an den grät
ist Walther nicht eigentümlich, sondern findet sich auch Renner
3079, Teichner 234 und Martina 276, 92. 3 (vgl. Lexer, Mhd.
wb. 1, 1073) u. a. Zudem stehen diese verse in der vom be-
arbeiter von II erweiterten einleitung und können daher f&r
den dichter selbst nicht einmal in anspruch genommen werden.
Dem bearbeiter von II wird jedoch Walther vorgeschwebt
haben.
Dagegen gibt es aber mehrere andere stellen, welche
Hartmannische ein Wirkung verraten. So UvkL 1105
ez was wunder, daz st gnas (: wasX
und 1121 ach sehent, wie st ie genas (:was).
Iw. 3664 ez was wunder, daz ich gnas (: was).
Er. 5559. 60 daz uns wol wundem mac,
daz £)rec vor im genas (: was).
Er. 6075. 6 daz ir herze niht zerbrach
vun leide, daz was wunder.
Und ebenso wird man, glaube ich, auch in UvkL 672 — 87 eine
nachbildung Uai-tmans erkennen müssen:
A. Heinr. 378—81
der süft lie mich niht sprechen: dd holte der arme Heinrich
min herze wolde brechen. tiefen süft von herzen
so der müeterltch gedanc mit liittcrltchem smerzen:
mich zc reden iht betwanc, mit solher riuwe er dö sprach,
sO viel liaz wort ze gründe daz ime der süfc daz wort zerbrach.
unt zucktez von dem munde y^A Erec 5348. 9
der bitterliche smerze . , \^ , ' »^ ,.
hin wider an daz herze. " »»«"«l. »^* ^* ^""^ Mfbraoh,
gezuclcet unt gebrochen ^az st vil kflme gesprach,
niht ganz unt ungesprochen
UNSEB YBOUWEN KLAGE.
355
sich ongt des herzen swsre,
als ich verstammet wsre.
swenne ein wort ze der kein reiz,
daz was von weinen also heiz,
daz ez der mont nibt künde gesagen
von des herzen swaßrem klagen.
Mit grösserer Sicherheit als bei Hartman von Aue ist
die benutzung Wolframs von Eschenbach durch den dichter
von UvkL nachweisbar. Unter den belegen, welche fUr eine
bekanntschaft mit dem Parzival angeführt werden könnten,
finde ich nur öinen mit beweisender kraft:
Parz. 57, 9—14
der j&mer gap ir herzen wtc.
ir frende yant den dürren zwtc,
als noch diu tnrteltübe tnot
diu het ie denselben mnot:
swenne ir an trütscheft gebrast,
ir triwe kOs den dürren ast
' ÜTkL 538—45
doch weinet nieman so yil,
&ne m&ze unt äne zil,
als Marta, diu getrinwe
Magdaldna. yol riuwe
was ir herze unt ir mnot:
als diu tnrteltübe tnot,
diu ir gemahel h&t yerlom,
den st ze tröste h&te erkom.
Dasselbe bild ehelicher treue kommt auch anderwärts vor^
eine Sammlung gibt schon J. Grimm, Altd. wälder 3, 34 ff.
Aus dem Willehalm sind dagegen mehrere stellen beinahe
wörtlich in UvkL aufgenommen, so aus der klage Markes über
Vivlanzes tod im 2. buche:
Wh. 60, 20—61, 2
mit nazzen ongen er dö sprach
*ey fUrsten art, reinin fruht,
mtn herze mnoz die jftmers suht
an frende erzente tragen.
wffire ich doch mit dir erslagen!
BÖ t»te ich gein der mowe kdr.
j&mer, ich mnoz immer mdr
wesen dtns gesindes.
daz dn mich niht verslindes!
ich mein dich, breitia erde;
daz ich beztte werde
Dir geltch: ich kom von dir.
tot, nn nim dtn teil an mir
UvkL 1154—57
ach, YÜrsten kint (art II), ö reinin
Trnht,
mtn herze mnoz des jftmers saht
&ne tröst (erzente //) mit smerzen
tragen
nnt dich mit dtner mnoter klagen.
Uvkl. 1306—7
war Bol ich nü kdren?
mtn qn&le mnoz sich mdren.
Uvkl. 1286—97
ach, tot, wie du yerswindest
daz du mich niht yerslindest!
ich mein dich, breitia erde,
daz ich beztte werde
zn dir, wan ich kam von dir.
tot, nü nim dtn teil an mir.
23 •
356
MILGHSACE
Wh. 61, 9
daz mich belühte nimmer tac!
daz mich belühte niemer tac!
Wh. 62, 11—14
Bölh BÜeze an dtme Itbe lac:
dos breiten mers salzes smac
müeso al zukermsezic sin,
der din ein zdhen wtlrfe drin.
des bittern mero Balzes smac
der miieste zuckermiBzic sin,
swie daz ein zäher ksm dar tn
des bluotes, daz gevlozzen iat
von dtnem Itbe, süezer Criat.
Im höchsten übermaBse des Schmerzes ausgestossene an-
rufuDgeu des todes fiuden sich auch im Erec 5875 — 5907 und
Flore 2302 — 54, von welchen die letzt-ere eine bekanntschaft
der ersteren voraussetzt. Siehe Sommer zu Flore 2302 ff.
Aus ihnen vergleicht sich aber nur Erec 5886 vil lieber Tot,
nü meine ich dich mit Wh. 60, 29 und UvkL 1288 ich mein
dich, breitiu erde. Zu demselben und dem folgenden verae
lässt sich auch Erec 6416. 17
d erwele ich deich der erde
mit im bevolhen werde
in vergleichung setzen.
In demselben ausbruch den Schmerzes der Maria findet sich:
Uvkl. 1298 Din anblic was ein vröuden ztt
din blic wffire ein meien ztt.
si was im reht ein meien ztt
din anblic st ein meien ztt
Wh, 64, 11
und Parz. 531, 24
Winsbekin 1, 8
Femer UvkL 1302—4
von muoter wart nie Itp geborn
BÖ minnecltch, du wffire er körn
mir ze einer vrOnde unt wünne.
Wh. 63, 2—4
mir wart dtn tngenthafter Itp
ze frende an dise werlt erborn:
da han ich sinften für er körn.
Aehnlich Tristan 208, 24—26
daz kint noch maget von wibe
als lustec unde aU üzerkom
nie wart noch niemer wirt geborn.
Femer Uvkl. 1620—22
ich mane dich, Maria guot,
durch daz minnecliche bluot,
daz din zartez kint vergOz
Vgl, auch Wh. 322, 9.
Wh. 166, 22—25
die Terramdr retGBtet h&t,
die ergebt an gotes banne grOc
unt mant indazerdnrch nna gOi
üf d' erde üz einen wanden blaot
ÜN8EE VROÜWEN KLAGE. 357
Ferner Uvkl. 1244. 45
Wh. 303, 17. 18
sl kuste stne wunden, daz wir schowen fümf wunden,
diu wären nnverbunden. die noch sint unverbunden.
Ferner Uvkl. 480. 1
Wh. 51, 18
wer gtt mtnn ongn der zäher regen ? des maoz ich immer jämers pflegen
Wh. 456, 25. 26
dd der fluz stnr engen regen
ich wil nilit wan weinens pflegen, het der zäher sd vil gephlegen.
Wir kennen nicht den namcn des dichters von Unser
vrouwen klage und nichts von seinen näheren lebensumständen.
Wir sehen aber, dass er ein mann war, der, selbst nicht
fremd in gelehrter bildung und vertraut mit den werken der
besten vaterländischen dichter, sein bescheidenes aber immer
noch für seine zeit achtbares talent der emporstrebenden neuen
geistlichen dichtung in dienst stellte. Diese hatte kaum erst ihre
schwingen zu regen begonnen, als sie, durch die zeitverhält-
nisse begünstigt, auch schon mit mächtigen fliigelschlägen sich
erhob und ihre Wirkungen weit hinaus bis in die kleinste
hütte verwehte. Der dichter von UvkL ist einer unter den
ersten, welche ihre fesseln lösten und weit entfernt der ge-
ringste. Es war ein glücklicher griff, dass er einer zeit, in
welcher die Marienverehrung zur höchsten blttte gedieh, eine
Marienklage voraufschickte. Wie klein und unscheinbar sein
werkchen sein mochte, seine einfachheit und die wärme wahr-
haft religiöser empfindung öfiueten ihm alle herzen und der
tiefgreifende einfluss, welchen es auf einen Zeitraum von mehr
als zwei Jahrhunderten ausgeübt hat, offenbart sich nicht allein
darin, dass es schon früh der Überarbeitung gewürdigt und
bis hinein ins 16. Jahrhundert wider und wider abgeschrieben
wurde, sondern noch weit mehr darin, dass sich ihm beinahe
kein dichter, der einen geistlichen stoff behandelte, zu ent-
ziehen vermocht hat. Es erhält dadurch zugleich für die
cultur- und literaturgeschichte eine bedeutung, welche man bis-
her in ihm nicht vermutet hat und die manches grössere und
anspruchsvoller auftretende dichtwerk des 14. Jahrhunderts
weit überragt.
GUSTAV MILCHSACK.
CONJUNCTIONEN MIT MEHRFACHER
BEDEUTUNG.
Ein beitrag zur lehre vom satigeftige.
VV eun die spräche überhaupt nicht yermag, die gedanken
wirklich auszudrücken, sondern nur sie anzudeuten ^ so gilt
dies vom Satzgefüge in nicht geringerem maasse als von ein-
fachen Wörtern und Sätzen, und wenn die ältere grammatik
lehrte, das Satzgefüge beruhe (neben dem pronomen Telativurn)
wesentlich auf den conjunctionen, in dem sinne und grade,
dass dieselben das verbum in seinen modis 'regieren', so war
dies gewis eine Überschätzung des Vermögens der conjunctionen.
Aber wichtige und unentbehrliche hülfsmittel der satzbildung
sind dieselben im laufe der zeit allerdings geworden; sie zei-
gen das Verhältnis der sätze schneller, sicherer und schärfer
au, als es sonst erkannt würde, und wenn man sie nicht als
selbständige art von redeteilen gelten lassen will — weil viele
von ihnen ursprünglich, und zum teil noch neben ihrem ge-
brauch als conjunctionen, adverbia sind — , so kann dadurch
ihre wirkliche bedeutung keinen abbruch erleiden.
Wie die conjunctionen zu dieser geltung gelangt sind, ist
auf historischem wege zu erforschen und dies kann nur ge-
schehen im Zusammenhang mit der lehre von der entstehung
des Satzgefüges überhaupt, welches jedesfalls schon bestand,
bevor conjunctionen als ausdrückliche nähere bezeichnung ein-
zelner formen desselben aufkamen. Dass die coqjunctionen
der beiordnung zum teil andern Ursprung und Charakter haben
als die der Unterordnung, ist natürlich; doch besteht ja ein
teil der letzteren nur in relativischer anwendung der ersteren,
und der unterschied zwischen beiden wird auch dadurch ver-
TOBLER - CONJUNCTIONEN. 359
mindert, dass einige unterordnende sich bei näherer betrach-
tung als ursprünglich dem hauptsatz angehörige adverbia er-
weisen, welche mit weglassung eines ihnen entsprechenden
relativums selbst an dessen stelle getreten sind; so im deut-
schen seit, ehe XL ^y vgl. Koch in Herrigs archiv XIV, 290.
Erdmann, Syntax Otfrids I, p. 46—47.1)
Wenn die bedeutung der conjunctionen allerdings nur im
Zusammenhang mit dem ganzen der satzfUgung zu erkennen
ist, so empfängt doch auch umgekehrt die geschichte der letz-
teren manches licht aus der etymologie und bedeutungsent-
wicklung der conjunctionen. Wie bei den andern Wortarten
ist bei den conjunctionen die mehrfache bedeutung einzelner
(resp. die anwendung derselben in verschiedenen arten von
Sätzen) entweder unmittelbar aus einer einfachen grundbedeu-
tung, oder mittelbar aus einer bereits abgeleiteten zu erklären.
Der letztere fall ist aber bei den conjunctionen, wegen ihres
abstract formalen wesens, seltener als bei materiellen begriffs-
wörtem; es muss öfter gleichzeitige entfaltung mehrerer
Specialbedeutungen unmittelbar aus einer grundbedeutung
angenommen werden, wie bei den präpositionen und präfixen,
welche dem abstracten wesen der conjunctionen am nächsten
kommen. Daraus folgt, dass Sätze, die mit derselben con-
junction eingeleitet werden, sonst aber von verschiedener art
sind, nicht etwa gewaltsam auf einander zurtlckgeflihrt oder
in einander umgesetzt werden dürfen, als ob die ihnen gemein-
same conjunction ohne weiteres einen genetischen Zusammen-
hang unter ihnen selbst bewiese.
Ich gehe aber hier nicht auf etymologie der conjunctionen
und auf historische entwicklung des Satzgefüges aus, weil die
*) In den alten sprachen kommt nichts genau entsprechendes vor;
denn in inel, iav, iameisi^ simulaCj priusquanty welche Cartins, Erläut.
z. griech. gramm. 2. aufl. p. 191 erklärt, ist zwar ebenfalls ein adver-
bium aus dem hauptsatz an die spitze des nebensatzes verschoben, aber
ohne Unterdrückung der conjunction des letzteren, der es vielmehr nur
vorgesetzt wird. Dem tametsi würde unser obgleich entsprechen (nur
mit umgekehrter Stellung), wenn gleich = dennoch zu nehmen wäre,
wie es allerdings in der schweizerischen Volkssprache vorkommt; aber
das synonyme obschon weist auf die nhd. zeitliche bedeutung von
gleich \ wenn schon noch als adverbium von schön zu nehmen ist, so
entspricht ihm das tvol in obrvol.
360 TOBLER
erstere selten mit geottgender Sicherheit über jene allgemeine
grundbedeutung hinausreicht, und weil die entstehung des Satz-
gefüges auch in den ältesten Sprachdenkmälern nicht mehr
Yollständig zu erkennen ist: ich möchte vielmehr die syntakti-
schen Verhältnisse zunächst einmal abgesehen von ihrer all-
mählichen genesis m überschauen, wie sie sich in der späteren
spräche fertig ausgebildet in einem System der conjunctionen
darstellen lassen. Eine solche Übersicht fährt allerdings auf
verwantschaflen und Übergänge zwischen Satzarten, die sonst
einander ferne liegen , überhaupt aber auf eine tief und weit
reichende, mannigfach vermittelte berührung fast aller arten
von Satzverbindung unter einander. Dass die hypotaxis im
allgemeinen aus parataxis entstand, ist in neuester zeit viel-
fach nachgewiesen worden: aber die Übergänge zwischen den
einzelneu arten hypotaktischer und parataktischer satzord-
nung sind meines wissens noch nirgends zusammengestellt
Der conjunctionen bediene ich mich dabei nur als des ein-
fachsten mittels, eine Übersicht möglichst vieler satzverhält-
nisse, als deren exponenten die conjunctionen gelten können.
Überhaupt herzustellen. Da endlich die aufgäbe gross und
noch wenig angebahnt ist, so ist es doppelt notwendig, sie zu-
nächst auf äine spräche zu beschränken , in welcher vielleicht
etAvas daftir vorgearbeitet ist Zu den notwendigen vorarbeiten
gehört nämlich
1. ein Verzeichnis der conjunctionen nach begriffen.
Ein solches hat Grimm, gr. III, 270 — 87 geliefert, indem er
die begriffe in lateinischer spräche zu gründe legt und unter
jedem angibt, wie derselbe in den einzelnen germanischen
sprachen ausgedrückt werde. Die Übersicht ist zwar nicht für
den zweck, den wir hier im äuge haben, angelegt und auch
nicht ganz vollständig; doch mag sie vorläufig genügen.
2. ein Verzeichnis der einzelnen conjunctionen, welche
mehrfache bedeutung (resp. anwendung in verschiedenen Satz-
arten) zeigen. Ein solches Verzeichnis für das germanische
gebiet, mit gelegentlicher vergleichung verwanter sprachen,
bildet den hauptinhalt der vorliegenden arbeit; es ist jedoch
eben nur fUr den angegebenen zweck bestimmt, so dass es
im übrigen auf lexicalische Vollständigkeit keinen ansproch
macht
CONJÜNCnONEN. 361
Ans combination dieser beiden Verzeichnisse , im gründe
aber aus dem zweiten allein schon; ergibt sich dann
3. ein Verzeichnis der arten oder logischen Verhältnisse
von Sätzen, welche durch dieselben conjunctionen eingeleitet
oder angedeutet werden. In diesem Verzeichnis können frei-
lich diejenigen sätze keine Vertretung finden, welche ohne
conjunctionen gebildet werden (sowie es ja auch relativsätze
ohne ausdrückliche bezeichnung der relation gibt); aber ihrer
sind nicht viele, und da die meisten auch mit conjunetion ge-
bildet werden können, so wird die lücke ziemlich ausgefüllt.
Eine grössere würde entstehen, wenn die relativsätze, welche
jedenfalls die älteste art der Unterordnung ausmachen, ganz
tibergangen würden. Dies wird aber darum nicht geschehen,
weil mehrere conjunctionen auch statt des pron. relat ge-
braucht werden. Wenn also rein adjectivische relativsätze
mit dem flectierten pronomen allerdings in unser Verzeichnis
nicht hinein gehören, so muss doch der allgemeine begrifi^ der
relation und müssen die adverbialen formen derselben mit
den conjunctionalsätzen zusammengestellt werden.
Für das folgende Verzeichnis ist noch zu bemerken, dass
von den mehrfachen bedeutungen einer conjunetion zunächst
(1.) diejenigen in betracht kommen, welche innerhalb 6iner
spräche gleichzeitig vorkommen, sodann (2.) diejenigen (a),
welche eine conjunetion successive in verschiedenen Perio-
den einer spräche und (b) diejenigen, welche sie, neben oder
nach einander, in verschiedenen verwanten sprachen oder
dialecten zeigt Betreflfend 1. und 2. a) gilt für den Zusammen-
hang der bedeutungen das oben gesagte, nämlich dass es
schwer ist, die besonderen bedeutungen aus einander historisch
sicher zu entwickeln, obwol ich versucht habe, einzelne andeu-
tungen darüber einzuflechten ; bei 2.b) kann der Zusammen-
hang natürlich nur auf eine gemeinsame grundbedeutung zu-
rückgeftthrt werden.
Endlich schicke ich noch voraus, dass in dem Verzeichnis
die conjunctionen, da wo das wort im neuhochdeutschen fort-
lebt, meistens in nhd. form angesetzt sind, die anderen in der
gestalt der älteren dialecte,]^ denen sie ausschliesslich oder ge-
meinsam angehören; im letzteren fall sind unter der ange-
setzten form öines dialectes auch die bedeutungen 2u suchen,
362 TOBLER
welche die conjunction in anderen hat Kleine yerschieden-
heiteu der form wie z. b. zwischen got pan und nhd. dann
(aus danne) sind absichtlich durchweg nicht in anschlag ge-
bracht, wo ihnen keine nachweisliche modification der bedea-
tung entspricht.
1. Alphabetisches Verzeichnis der conjunctionen
mit mehrfacher bedeutung.
1. aber, ahd. 1) wie nhd., 2) ergo, Gr. HI, 277. 282; be-
lege für 2) bieten die hymnen und Isidor; vgl auch und denn.
Eigentümlich und vielleicht nur lautlich (durch die mittelform
oder) zu erklären ist 3) das appenzellische und bairische aber,
oder; doch findet sich auch umgekehrt landschaftlich oder, aber;
vgl. autem: aut, und die häufige Verbindung 'oder aber' im
zweiten gliede einer alternative.
got. aippau s. oder,
2. all, got allis, yog, fikvj entsprechend einem fol-
genden ip, 6i, beides wie auk] ftir die zweite bedeutung
vgl. ühd. 'a//^dings' im sinne von 'zwar' vor 'aber'. —
altn. alls, da (causal). — mhd. al, auch aleine, nnl. al, obgleich,
engl, all though. Vgl. franz. /öw/-que; schwed. fast, obgleich,
eig. fest; die begriffe 'all, ein, gleich, fest' haben in dieser
Verbindung offenbar alle denselben sinn der fcsthaltung an
einer behauptung trotz einem gegensatz, oder der gleichstellung
beider.
nhd. als s. s6,
3. at, altnord. dass ; auch für das pron. reL = er, welches
umgekehrt mit dieser bedeutung auch die der conjunctionen
'als (zeitlich), wenn, dass' verbindet Das zusanmientreffen
jener beiden bedeutungen von at erklärt sich im allgemeinen
aus dem pronominalen Ursprung der meisten conjunctionen;
das zusammentreffen der beiden partikeln in jener doppel-
bedeutung erklärt sich überdies aus dem gemeinsamen Ursprung
derselben, als adverbialer casus des pron. Stammes /a; vgl.
Hildebrand, Die conditionalsätze und ihre conjunctionen in der
älteren Edda, Leipzig 1871 p. 38 ff. Klinghard, Die syntax
des gotischen ei, Zeitschr. f. d. phiL 8, 133. Die erklärung
von at aus jat ist ohne zweifei richtig und jedenfalls laatUoh
Aä
CONJÜNCnONEN. 363
unanfechtbar, wenn auch den pron. stamm ja keine andere
germanische spräche kennt Dagegen gehört hierher noch das
färöische i& (aus /rY), welches als relatives adverbium und
pronomen gebraucht wird wie altn. er. Vgl. Eölbing, Germ.
21y 39. Vogler, SjArÖar EvseÖi 1, 99. Am nächsten kommt
dem ai das griech. ort und das aus dem abl. j&t desselben
pronomens gebildete coq. Merkwürdig ist freilich auch das zu-
sammentreffen der nord. präposition al^ zu, mit dem attischen
09^ r= nQtxi, ftir welches ich keine erklärung weiss als den
begriff der vergleichung, in welchem das adverbium co^ mit
einer bedeutung von nqo^ sich berührt Man yergleiche auch
dänisch schwed. om^ wenn, ob, welches mit der präposition
am, um, identisch scheint, und dazu die etymologie von \ba%y
ibu. Der nordischen präposition at entspricht allzu genau lat
ady ahd. az, als dass sie mit der conjunction identisch sein
könnte, obwol auch dafür unser zu, engl, io, dem inf. oft im
sinne eines satzes mit 'dass' vorgesetzt (vgl. die neugriech.
Umschreibung des Infinitivs durch va {ivä) mit conjunctiy) eine
analogie gewährte. Für die erklärung der nordischen con-
junction at aus ihat durch abstossung des anlautes liesse sich
das schweizerische ass ftlr dass anführen, was aber schon
darum nichts beweisen kann, weil die volle form daneben
besteht
4. auch, got auk, yaQ; entsprechend einem folgenden ip
oder pan »= fihv (öh)] in der Verbindung auh jahy dfe xal =
6e ahd. 1) wie nhd., 2) nämlich, einschränkend: Otfr. 1, 14. 15 (?)
erklärend: Otfr. 1, 8, 5? 3) vero und sed (sondern), mhd. oiich
1) wie nhd. 2) jedoch, doch auch. 3) demnach , denn auch,
als folge aus einem vorigen sich erklärend und dieses bestä-
tigend, wie auch nhd.; vgl. auch altengl. eke^ ergo. Mätzner,
AltengL sprachprob. 195. 4) denn, in verwunderter frage.
Ortnit 5, 58 (so vielleicht schon bei Otfr. 2, 12. 50 und noch
schweizerisch häufig, neben au = doch, iu ungeduldiger auf-
forderung. Die bedeutungen etiam und enim vereinigte auch
das ahd. sär. Gr. III, 281.
5. da, nhd. temporal und causal, aus amhd. dö, welches
nur die erstero bedeutung hat, aus der sich aber die zweite
leicht entwickelt; vgl. weil. Wenn dö, welches übrigens auch
für autem gilt, ursprünglich acc. sg. f. des pron. Stammes ta
364 TOBLER
ist (Gr. III, 169), so entspricht ihm lautlich das altn: thä,
welches Ma, dann' auch in nach^^ätzen, und (nach Grimm
a. a. 0. 282) igitur bedeutet; diese letztere bedeutung ergibt
sich leicht aus der eines folgernden 'dann'.
6. denn, nhd. 1) in der älteren spräche: quam, als, nach
comparativen. 2) vorangestellt: nam, amhd. relatiy: weil.
3) nachgestellt: also, in folgernder bedeutung. amhd. auch =
daher, deshalb; 4) in ungeduldiger frage verstärkendi
wie lat. nam an fragewörter angehängt Die bedeutung 4) ist
der älteren spräche fremd, lässt sich aber aus 3) oder aus
der grundbedeutung , die jetzt mit der form dmm verbunden
ist, leicht ableiten, wie die entsprechende des franz. danc alt-
frz. adonc aus (a)tunc. Mhd. danne, denne gilt auch relativ
= wann, wenn, als (zeitlich). Die bedeutung nam ist aus der
von iiun schwieriger abzuleiten als die von quam und der
daran sich schliessende gebrauch von mhd. denne mit (später
auch ohne wie nhd.) negation und conjunctiv des verbums
(es sei denn dass — , wenn nicht). ^ Das ahd. denne, danne
hat neben den bedeutungen ivm^ relat quvmj auch noch die
von ergo (Gr. III, 282) und die damit schwer vereinbare von
vero, auiem, (ebd. 167), vgl. jedoch aber, auchy dd, gimisso, ip.
Das ags. pon, ponne hat die bedeutungen tian (qtmm)^ autem,
vero und quam, welche sich im englischen in die foimen then
und thofi ges])alten haben. Das got. pan übersetzt: rote (ore);
ovv ; yoQ ; 6h, vereinigt also fast alle angeführten bedeutungen^
ausgenommen die von ^\ wofür got pau gilt
7. dass. Diese hauptconjunction , neben ujid, erscheint in
der älteren spräche oft elliptisch und pleonastisch , auch ana-
koluthiseh gebraucht, was nicht hierher gehört, wo nur die
wirklichen und klaren bedeutungen aufgezählt werden sollen.
Nicht überflüssig, doch auch nicht unentbehrlich war die oon-
1) Das nhd. denn, nam, will Grimm (a. a. o. 281) eher auf ahd.
danta, qnia, als auf danne, denne zarückführen ; aber dazu fehlen doeh
die lantlicbcn übergangsformen. Das denn nach negation = nisi, prae-
ter, erklärt Grimm (a. a. n. 184) ans Vermischung mit dem aus m wan
verkürzten mhd. man (s. nnten no. 33), was aber ebenso nnnötig scheint
wie die p. 725 angenommene Vermischung des wan (nisi) mit wan, qnia,
nam, zur erklärang des dan {denne) bei Jostinger (b. die neue ausgäbe
von Studer p. 491).
..-^
CONJUNCTIONEN. 365
junction in allgemein Felatirem sinn, und ursprünglich noch
pronominal^ nach präpositionen mit demonstrativ (indem, nach-
dem, seitdem), adyerbien (ehe) oder Substantiven (dieweil)^
vgl. meine ausfuhrungen (rermania 17, 262 ff. Unterscheidung
der yerschiedemn sätze mit dass (subject- und object-, attribut-
und adverbialsätze) in älterer und neuerer zeit gehört eben-
falls nicht hierher. Dagegen anflihrung einiger älterer ge-
brauchsweisen von daz^ die dem nhd. dass nicht mehr zustehen.
1) mhd. daz *» so dass, mit negation =» ohne dass; 2) =
damit In beiden fällen (welche in der Schweiz. Volkssprache
noch vorkommen), konnte dem daz ein und vorgesetzt werden :
Wolfr. Wh. 9, 29. 49. 20. 3) = weil, z. b. nach diu, desto;
4) = wenn. Dieser gebrauch findet sich schon bei Otfrid 2,
6, 29, mhd. z. b. Engelh. 1392; auch in der Verbindung wie
daz = wie wenn M. v. Craon 806. dai, wenn, auch mnl. (hör.
belg. 2, 116). 5) daz als fortsetzung von dö (wie franz. que
als fortsetzung von quand\ z. b. Amis 655. Keith. 91, 29; 6) in
gewissen Verbindungen vertritt die conjunction daz das pron.
reL oder ein relatives adverb. Letzteres ist der fall in: dar
dazy dahin wo Frtd. 125, 8; erateres (wenn man daz nicht als
conjunction nehmen will) in den Verbindungen ahd. nichein
ihaZf keiner der — , mhd. niemen daz — z. b. Gerh. 2853 , doch
auch ohne negation: Roth. 997; vgl noch die Germ. 17, 292
angeführten fälle. Pleonastisch relativ steht endlich daz in
der Verbindung: nie so schiere, so daz — = nhd. kaum — , so —
oder als — . Erec 2551 (s. Haupts anmerkung dazu) und in
einigen der Germ. 17, 263. 264 zusammengestellten fälle.
8. doch bedeutet ahd. und mhd. nicht bloss tarnen, sondern
öfter quamquamf licet] in der letzteren bedeutung kommt ahd.
auch dohdoh vor; vgl. dän. enddog , obgleich (s. enn)j engl.
SiVLthough, Das ags. peäh und das altn. pö haben dieselben
bedeutungen, in der relativen wird aber dem />d meistens noch
at zugesetzt, woraus die zusammenziehung pmt entsteht Das
einfache pü kommt auch im sinne von ^wenn denn, wenn
doch ' vor (Dietr. Leseb. ^ Glossar), neben alls pö, da doch (s.
all), — Das nhd. doch in aufforderung und frage nähert sich
dem gleichbedeutenden denn (s. d.), das begründende und be-
stätigende dem ja (s. d.). Das got pauh steht nur demonstra-
366 TOBLEB
tiy, verstärkt durch vorgesetztes sve-] für den relativen Binn
gilt die Verbindung pauk jabai und svethauh ei.
9. eck/, mhd. ehty zunächst verkürzt aus echertj dieses aus
ahd. ekkorodo. Die weitgreifende und schwierige etymologie
dieses wertes kann hier nicht erörtert ^ aber es muss gegen-
über Grimm (Wtb. in, 20) und den allzu unbestimmten Zusam-
menstellungen von Schmeller (I^, 173) die abstammung der
form echt von ecfiert u. s. w. festgehalten werden, da auch die
bedeutung, in welcher echt jetzt noch in der Schweiz lebt, näm-
lich 'wol, etwa' in fragesätzen, mit der älteren noch zu ver-
mitteln ist Diese war ursprünglich 1) ^nur'; als conjunction
mit conjunctiv: wenn nur. 2) in einer glosse bei Heyne kL
altn. denkm. = vero. 3) doch (hoU. echter, dennoch), meist
im leichteren sinne =^ nun, einmal, eben, oft schwer übersetz-
bar und nur einzelne Wörter hervorhebend; vgl auch die von
Haupt (zu Erec p. 405) besprochene Verbindung et aber — ■
nun einmal, eben doch. 4) 'als' nach comparativen. Diese
bedeutung, welche Grimm auffallend fand, hat Schmeller dureh
vergleich ung des schwedischen an, dän. end (s. enn) richtig be-
leuchtet; vgl. unten halt und weder und oben denn,
10. eL Bei dieser dem gotischen eigenen vielseitigen Par-
tikel niuss zunächst die relative bedeutung von der conjunctio-
nalen unterschieden werden, obwol beide auch wider zusam-
menhängen, wie bei altn. at und er. Als conjunction hat ri
die bedeutungen 'dass' und 'damit'; zuweilen streift es an
die von 'ob', wie das (etymologisch verschiedene) griech. bI,
wenn, ob, zuweilen an die von 'dass'. In der Verbindung
svepauh e/, obgleich, kann ei nur die allgemein relative be-
deutung haben (vgl. doch)] ei pan, daher, erklärt Bernhardt
(zu Joh. 9, 41 : so dass somit ei pau Luc 14, 32 soll ver-
schreibung für aippau sein. Ich verweise nachträglich auf
die oben unter at angeführte treffliche abhandlung von Klinge
hardt, welche auch eine allgemeine theorie der relativs&tze
enthält, dagegen über eipan und eipau nur die bemerkung,
dass sie als Verstärkungen von ei zu betrachten seien (p. 302),
was auch von ibai ei (p. 150) wird gelten müssen.
11. Altn. enn, noch, nach comparativen 'als', auch ^als
dass', wird von en, aber, schwed. an, dän. end, altengL ant^
schwerlich zu trennen sein, da auch die Schreibung den unter-
v4h
CONJÜNCTIONEN. 367
schied nicht festhält Das schwed. im hat neben den bedeu-
tungen ^noch\ auch 'nur noch' und 'als' (dän. end) die von
'auch' nach prou. interr. (lat. -cunque) und die von 'wenn,
wenn auch'. Hierher zu ziehen ist auch noch altn. enda, uud^
auch; endr, wider; dän. endda, dennoch, enddoch, obgleich;
hoU. endde, en^ und. Die lautliche Zusammengehörigkeit aller
dieser Wörter mit dem deutschen und (ahd. enti, engl and) ist
schwerlich abzuweisen, dann aber werden auch die bedeu-
tungen nach den bei imd vorliegenden Übergängen zu vermit-
teln sein.
12. er. Die bedeutungen dieser altnordischen, am nächsten
mit got. ei und altn. at verwanten partikel sind schon oben
unter dem letzteren angegeben.
13. Ahd. girvisso , in anderen altgermanischen dialecten
nicht nachzuweisen und auch im hochdeutschen früh erloschen,
vereinigt eine auffallende menge verschiedener coiy unctionaler
anwendungen. Aus der adverbialen bedeutung des wertes =
lat certe oder certo konnte sich zunächst die von quidem er-
geben, die ja auch dem lat certe zukommt und dem uhd. zwar aus
ze wäre entspricht; daneben erscheint giwisso noch 1) =^ etiam,
quoque; 2) ergo, itaque, igitur; 3) nam, namque, nempe; enim,
etenim, quippe, scilicet; 4) autem, vero, atqui, ast (Im Weis*
senb. kat., bei M. Seh. denkm. p. 161, entspricht es einmal
einem ornnino (vgl. nhd. allerdings = zwar) des lat textes,
aber in einem Zusammenhang, wo unmittelbar vorher parallel
avur —> autem steht; p. 160 steht es zweimal = ergo.) Dass
die bedeutungen 'denn' und 'aber' nicht unvereinbar sind,
zeigt das got pan (s. oben denn)y welches de und yaQ über-
setzt (wie im Griech. selbst 6h nicht selten = yog steht), und
ip. Die bedeutung enim lebt noch im niederdeutschen wisse
(vgl. frz. savoir nämlich). Das angelsächsische bietet wenigstens
einige realparalielen : eomostlice ist von der bedeutung studiose,
serio zu der von ergo , igitur, itaque gelangt, ebenso södltce
und vere zu igitur] vitödlice, nam, enim, entspricht lautlich
dem ahd. wizddHhho, welches quidem bedeutet. In der bedeu-
tuDg 'aber' entspricht giwisso dem lat vero, verum neben vere.
14. halt ist verkürzter comparativ = got. haldis, altn. heldr
und bedeutet eigentlich wie diese 'mehr, vielmehr'; daher
später auch 'sogar'. Daraus entwickelte i^ich leicht (vgl. frz.
308 TOBLER
mais aus magis) die bedeutung sed, welche dem altn. heldr und
dem abd. halt zukommt. Mittelbocbdeutscb stebt hait erklä-
rend uud bekräftigend im sinne von 'eben, ja, wol', besonders
nach swer, stvie u. s. \v. die allgemeinbeit noeb verstärkend
= aucb, immer naeb ob = scbon, gleicb (vgl. mnl. boud, sta-
tim, cito); in der oberdeutscben und scbweizeriscben volks-
spracbe bat es, wie scbweiz. drum, die bedeutung eines erklä-
i*eudeu (oft entscbuldigeudeu) 'eben', welcbe allerdings aus
eiucm eingeschalteten verbalen halt (ich), opinor, sich erklären
lässt uud uur zufallig mit dem adverbialen halt zusammen-
getroffen sein könnte (vgl. Lexer, Mbd. wtb. 1, 1159 und
Schmeller 1 \ 1097—1099). Aber die ebenfalls volkst&mliohe
comparativform halter weist auf die ältere comparative natur
des Wortes zurück, oder weun sie dem echter == echt (s. ob.)
nachgebildet ist, so wird auch die bedeutung aus diesem sa
erklären sein.
15. Got. ibai (iba) entspricht dem griech. ftri sowol in
dessen fragender (lat. num) als in der verneinend coqjunctio-
nalen bedeutung (lat ne\ und diese beiden werden zu vennit-
teln sein wie überhaupt die ausdrücke für frage nnd Vernei-
nung auch in anderen sprachen, nämlich von der gnmdlage
der Verneinung aus, welche leicht in frage (in erwartung be-
jahender oder verneinender antwort) umgewant werden kann;
auch die lat. fragpartikeln num und -ne werden von der ein-
fachen negation ausgegangen sein, wie das fragende infj von
der bedeutung 'doch nicht etwa'? zu dem einfach fragen-
den ^etrva^ gelaugt zu sein scheint Die dritte bedeutung,
welche dem got ibai zugeschrieben wird, bI ob fiij, Mare. 2,
21. 22, lässt sich auf die zweite von fii] zurückführen, indem
der Übersetzer an jener stelle, vom griech. abweichend, das
was dort als folge des gegenteils ausgedrückt ist, als grund
auffasste 'niemand giesst neuen wein in alte sohläuche, damit
nicht etwa der wein die schlauche zerreisse' (vgl. Bernhardt
zu der stelle). Um zu erklären, wie das got ibai, das in seinem
lautbestand kein Clement der negation enthält, doch zu nega-
tiver bedeutUDg gelangen konnte, während umgekehrt nriba
auch in bloss fragender bedeutung vorkommt (wie ovxavv in
bloss folgernder), muss man annehmen, die correlation zwischen
frage und Verneinung und die Umsetzung der einen in die
CONJÜNCnONEN. 369
andere habe auch (allerdings etwas schwerer) von der frage
ausgehen können. Dies (also das gegenteil des für das Griech.
und Lat. oben angenommenen) ist im got ibai geschehen,
dessen herkunft von einem subst iba, das im ahd. mit der be-
deutung 'dubium^ conditio' und im altnord. ify dubitatio, noch
lebendig erhalten ist, keinem zweifei unterliegt (vgl. schwed.
man, Verhältnis : männ^, ob, und dän. schwed. om^ um: ob,
wenn, s. unter at). Wie nahe der begriff des zweifeis und
der bedingung dem der frage liegt, bedarf keiner erörterung,
höchstens der hinweisung auf das griech, sl, 'wenn' und 'ob'
franz. si und unser oft, welches aus ahd. oba , ibu == got ibcU
entstanden, früher eben auch 'wenn' ausdrückte. Im gotischen
gilt für 'ob' meistens ei, vielleicht durch einfluss des griech.
sly das freilich anderen lautwert und Ursprung hat (aus dem
stamme sva) und lautlich dem lat si entspricht, dem aber die
bedeutung 'ob' in eigentlichen Fragesätzen nur ausnahmsweise
zukam ^ wie sie auch dem ags. gi/' und dem altn. e/* fehlt,
während dem nhd. ob umgekehrt die von 'wenn' fast ganz
entzogen worden ist, im engl, if hinwider beide vereinigt sind.
Das got j'cLbai (welches freilich nach neueren ansichten nicht
mit ibai zusammengesetzt sein soll, s. Bernhardt z. Joh. 1 1, 25,
Elinghardt a. a. o. p. 328) vertritt meist die bedeutung
'wenn', die dem einfachen ibai fehlt; doch kommt es (nach
ni vitan) auch für 'ob' vor und seine bedeutung 'entweder'
(in correlation mit aippau 'oder') liegt davon nicht weit
ab, so wie dem ahd. ibu ein iph-iph, et -et, aut-aut zur seite
steht Das mnL of galt für si und num, das nnL dagegen ver-
bindet mit der letzteren bedeutung die von 'oder', welche aber
der volleren älteren form oft , o/te = alts. eflhö , afr. jeftha
zuzuschreiben sein wird, während die von 'als wenn' und 'ob-
gleich' sich aus dem einfachen 'ob' ableiten lassen (wie mhd.
also auch für sich allein => als ob vorkommt). Daneben findet
sich auch die Verbindung of-of entweder — oder; besonders
bemerkenswert ist aber noch der gebrauch von of nach nega-
tivem hauptsatz im sinne von 'es sei denn dass, ohne dass,
ausser dass', lat. quin, ein gebrauch, der auch im nieder-
deutschen vorkommt, z. b. in Sprichwörtern wie die in From-
manns Zeitschr. f. d. mundarten 2, 535 no. 74. 75 angeführten
B«itrlir« ■tu: gMOhiohte d«r d«ntaoh«D ipnoh«. V. 24
370 TOBLER
und dem das Schweiz, oder in ähnlichen Verbindungen am
nächsten kommt. Ueberhaupt ist für ob das correlate oder
(s. u.) zu vergleichen, da das alts. efthö auch lautlich dem
got. aippau gleichgesetzt worden kann. Dem got mbai ent-
spricht lautlich das B]id.nibu, nube,noba, 9Xi%.nebu,nebo,neba\
jenes bedeutet d (itJj dieses w/^i, woraus sich aber weiter einer-
seits der sinn von sed, andererseits der von quin, quommus, ne
entwickelt hat; M. Seh. Denkm. ^ p. 295; s. auch Erdmann,
Syntax Otfrids I, p. 152 und meine bemerkungen dazu in der
Zeitschr. f. d. phiL VI, 248.
IG. nn]. Indien, wenn, entspricht in der bedeutung dem nhd.
insofern, der form nach ist es = indem, welches ursprünglieh
gleichzeitigkeit , dann art und weise, zuletzt auch grund be-
zeichnet. Das ahd. in ihiu kommt mit seiner bedeutung 'wenn;
so lange' dem nnl. indien näher als unserm indem\ unmittel-
baren historischen Zusammenhang hat es auch mit dem letz-
teren nicht.
17. Got. ip vereinigt die bedeutungen: aber, denn, nun,
also, wenn. Zur erkläruug dienen teilweise parallelen bei
da und denn\ die am weitesten auseinander liegenden bedeu-
tungen 'aber' und 'wenn' können einigermassen durch die
betrachtung vermittelt werden, dass die bedingung sich als
gegensatz d. h. einschränkung auffassen lässt, etwa in der
weise: das und das ist wahr, aber dmin muss etwas anderes
(vorher schon) wahr sein oder (nachher) wahr werden «= das
ist wahr, wenn das andere wahr ist oder wird. Damit ist
auch eine Verbindung zwischen nhd. dann und wenn (ahd.
danne, den.ie) und zuletzt sogar zwischen nhd. denn und wenn
hergestellt, da ja die bedingung immer nur eine art oder ein
teil des grundes (der Ursache) ist
18. yö. Das Verhältnis der bejahungspartikel /ö (got>ai)
zu der gleichlautenden ahd. conjunction ist nicht ganz klar;
die möglichkeit, dass beide dasselbe wort seien, wird jeden-
falls dadurch nicht aufgehoben, dass das ahd. ja auch für num
(numquid) vorkommt, da noch heute 'ja' fragend gebraucht
wird, wahrscheinlich durch anticipatiou einer bejahenden ant-
wort, wie die Verneinungspartikel, s. oben über ibai. Die con-
junctionale bedeutung, welche ebenfalls noch dem nhd. ja su-
CONJÜNCTIONEN. 37 t
kommt, nämlich hin Weisung oder berufiing auf etwas bereits
zugestandenes oder bekanntes als grund oder folge, ergibt
sich ohne Schwierigkeit aus der bejahenden grundbedeutung
und findet sich schon im ahd., wo ja zwar nur in hauptsätzen
steht, aber dem sinne nach dem 'da ja' eines causalen oder
dem 'da doch, obgleich* eines concessiven nebensatzes ent-
spricht ; vgl. Erdmann a. a. o. p. 86. 92 und doch (oben no. 8).
Auch der ahd. formel ja- ja, et- et, alts. ja- ja, gie-gie, ge-ge
wird wol eher die bejahungspartikel als das von ihr zu unter-
scheidende copulative got. /öä, dem ahd. /öä entspricht, zu
gründe liegen. — Vgl. noch Klinghardt a. a. o. p. 128 — 132.
Ahd. nitvan, altn. nema, ags. nefne, s. wan,
19. Got. nu, ovv, ahd. nü, ergo. Im mhd. und zum teil
noch im nhd. (nun) ist die conjunction auch relativ geworden,
und zwar steht das mhd. nff teils temporal = als, während,
teils causal = da, wie das nhd. nuuy immerhin auf temporaler
grundlage (*nun da' oder 'da nun'). Das letztere gilt auch
von dem ahd. nü, wo es, an der spitze eines nachsatzes einem
ja (allerdings, zwar) des Vordersatzes entsprechend, den sinn
von 'nun doch, nun aber, und doch' hat; vgl. Erdmann a. a. o.
p. 92. Altn. nü, gesetzt dass, wenn, aber.
nubi s. ibaL ob, of s. ibaU om s. unter at.
20. Ahd. oh , lautlich dem got. ak entsprechend wie joh
dem jah, vereint die bedeutungen 'aber' und 'sondern', die im
gotischen durch die formen akei und ak unterschieden sind.
Dazu kommt noch, einmal bei Isidor (3, 7, 27 Weinhold) die
bedeutung tarnen, nach einem vorangegangenen dhoh^ obgleich.
21. oder. Diese form, erst später neben mhd. ode aufge-
kommen, ist eine erweiterung des letzteren mit demselben -r,
das auch in ander und in den correlativen ortsadverbien (Prä-
positionen) unter, über etc. einen comparativen nebenbegriflF
mit sich fuhrt Dagegen könnte von den ebenfalls 'oder' be-
deutenden formen aide und alder (schwed. dän. eller aus eider,
wie heller aus altn. heldr) die letztere älter sein, ein ursprüng-
licher comparativ, genau entsprechend dem lat alter \ die be-
griflfliche berührung von 'oder' und ' ander' ist offenbar, obwol
das altengl. other (neuengl. or) sowol von other (ander) als
24 •
372 TOBLER
von unserem oder verBchieden ist; b. Haupts zeitschr. XI, 308.
Die kürzere form ode geht zurück auf ahd. odo, welches wahr-
scheinlich erst durch assimilation aus edo, eddo (altn. ^a, ags.
otte) entstanden ist; die nebenform erdo entstand aus dem
letzteren durch Übergang eines d in r oder aus edo durch ein-
Schiebung eines r wie in ahd. tvirdar neben widar, huerdar
(Hildebr.) für huedar (?), hessisch ertlich für etlich (Gr. 3, 60.
260). Nehmen wir eddo als grundform an, so spricht fllr die
von Grimm versuchte zurückführung derselben auf got aippau,
obwol sie nicht ohne bedenken gelten kann, jedenfalls zunächst
die Übereinstimmung der bedeutung, da got aippau auch 'oder*
heisst. Das aip- selbst nun, in welchem ai jedenfalls den
lautwert eines kurzen e haben muss, kann man dann immer
noch mit dem ahd. prouominalsuffix eddes-, ete- zusammen-
stellen; das f in alts. efthö, Sifr». ye/tha verhielte sich inlautend
zu got. p wie anlautend in alts. frötra, ags. früfor, trost neben
got. praf-st-jarij trösten. Aber es könnte ja auch das ^ in
got. aip' erst aus assimilation an das folgende oder selbst erst
aus f entstanden sein wie in got pliuhan, fliehen, plaihan »*
flehen (?). Das so herauskommende got aif wäre freilich mit
ibai (s. d.) von seite des vocals schwer in einklang zu bringeUi
wol aber die bedeutung mit dem dort besprochenen nl. und nd.
of und auch mit unserem ob als coiTClativ von oder, welches
letztere ja auch durch ein widerholtes ob vertreten werden
kann, wie umgekehrt lat an, ursprünglich 'oder', später aueh
für 'ob' gebraucht wurde. Uebrigens sind die etymologischen
fragen hier so wenig entscheidend wie bei anderen conjuno-
tionen, und die bedeutungen der fraglichen Wörter können viel
kürzer angegeben werden. Wie das got. aippau neben ^ (oder)
auch sl 6s (ifj vertritt (seine dritte bedeutung av kommt hier
nicht in betracht), so steht nhd. oder (oft in drohungen) für
'sonst' d. h. andernfalls, 'wenn nicht, so' — und die eigenttlm-
liche bedeutung, welche oben dem nd. of zugeschrieben wurde,
kommt auch dem Schweiz, oder zu, z. b. in Sätzen wie: er
kommt nie nach hause oder er bringt etwas mit == ohne dasB
er — ; er geht nie aus oder er habe geschäfte == es sei denn
dass er — , ausser wenn er — . Ebenfalls nur landschaftlich
ist der gebrauch des oder im sinne von aber^ so wie wir um-
CONJUNCTIONEN. 373
gekehrt anderswo aber = oder fanden. Vielleicht beruht bei-
des nur auf lautlicher Verwechslung, die durch die (md. und
auch Schweiz.) nebenform ader für oder nahe gelegt war.
22. Altu. ok, und, auch; als zeichen des nachsatzes =
nhd. $0 oder da-^ in vergleichungen = wie; auch statt des
pron. relat. und bisweilen an die bedeutungen ^dass' und
'wenn' streifend. Alle diese Wendungen des ok finden paral-
lelen im mhd. unde] s. meine angaben in der Germ. 13^ 99.
101. 17, 259.
23. Ahd. sär, ursprünglich = dar d. h. auf der stelle,
dann von der zeit = alsbald, kommt auch, mit oder ohne sli,
relativ vor = sobald (als). Die bedeutung etiantj die dem sär
einmal zukommt, ist aus der ursprünglichen leichter zu er-
klären als die von enim, welche dagegen aus der von
etiam sich ergeben konnte wie bei aiich. Beide sind belegt
Gr. 3, 196.
24. Altn. sem = got. ahd. sama u. s. w. vereinigt mit der
bedeutung 'wie' die fähigkeit, das pron. rel. zu vertreten,
welche auch auf das dän. schwed. som übergegangen ist Vgl.
das folgende.
25. so. Diese partikel hat in älterer zeit eine menge von
bedeutungen entwickelt, welche später wider abgegangen sind.
Dass *so' auch relativ = 'wie' gebraucht werden konnte, ver-
steht sich zunächst; daran schlössen sich die bedeutungen 'als'
(zeitlich), 'wann' und 'wenn', die letztere noch ins ältere nhd.
hineinragend ; afrs. sa vergleichend nach comparativen wie nhd.
wie = als (quam). Aber auch die demonstrative kraft des
wörtchens nahm früher Wendungen, die nunmehr ihm versagt
sind: sü findet sich mhd. nicht selten für 'dagegen, aber', wel-
ches auf 'eben so sehr' zurückzuführen sein wird (vgl lat. tamen
: tam), aber fast das gegen teil von 'deshalb, dann' ist. Diese
letztere bedeutung ergibt sich aus der ursprünglichen einfacher
und ist auch jetzt noch lebendig, so wie das zur eröflfhung
des nachsatzes nach conditionalem . Vordersatz dienende so ;
(nach temporalem Vordersatz folgte mhd. dl^, wie auch nhd.
etwas nachdrücklicher da gesetzt werden kann.) Der älteren
spräche eigen ist hinwider so »s go dass (ebenso isl. sväy dän.
saa)y besonders in der Verbindung ^ö — n^ = ohne dass; femer
374 lOBLER
so = 80 wahr als — , und dem demonstrativen 'dagegen' ('und
doch' Otfr. 4, 22, 8) entsprechend das relative 'während doch,
obgleich'; endlich noch, aus den bedeutungen 'wie' und 'wenn'
gleichsam zusammengesetzt 'wie wenn, als ob'. Otfr. 5, 8, 53.
9; 15. Heliand v. 4843. Innerhalb der älteren spräche selbst
eigentümlich ist die mhd. formel wellen söne wellen, wollen
oder nicht wollen: s. Lachnt. Iwein^ p. 467. Der gebrauch
des so statt des pron. rel., wie die bedeutung 'wenn' bis in
die neuere zeit herein reichend, entspricht am nächsten dem
vorhin erwähnten nord. ^^m, som] auch das altn. ags. ^ t;ä neigt
sich dazu. — Zu so gehört natürlich auch das aus al-sö ver-
kürzte nhd. als, dessen bedeutungen: quum (zeitlich), quam
(vergleichend nach comparativen) als ob, wie wenn, quasi (mit
conj.) wir sämmtlich dem einfachen so der älteren spräche zu-
kommend fanden, während das folgernde also (ergo) ihr fremd
ist. Das mild, alse, als hatte neben den bedeutungen 'wann,
als' noch die von 'weil'; auch streift es, wie engl, (w, zuweilen
an Vertretung des pron. rel.; s. Germ. 17, 291. 264.
26. Ahd. suntar gilt nicht bloss = nhd. sondern, sondern
auch = lat. quin] den Übergang zwischen beiden bedeutungen
zeigen stellen wie Otfr. 5, 7, 31 ; s. meine bemerkungen zu
Erdmann a. a. o. Hei Otfr. ad mon. 45 hat suntar die bedeu-
tung ^dagegen, aber', die auch im 15. Jahrhundert auftaucht,
aber bald wider erloschen ist.
Altn. pä, s. da, Got. pan, ags. payine s. denn.
27. Gotpande vereinigt die bedeutungen fi ( — yop, — de)\
oxi, ijcel, weil, da (cf. si — quidem und gr. el, auch 'dass');
iojCj so lange als; in der letzten entspricht ihm das s^petir
den, dum (vgl. tandem), in der form freilich so wenig genau
wie das ahd. danta, quia. Uebrigens ist die got form selbet
nicht klar ; das d derselben kann nicht dem in jaind, päd ent-
sprechen, und auch ob in der nebenform pandei das ei nur
graphisch von e verschieden und dann also ein alter casus wie
das e in sve, pe oder ob es das angehängte relative ei sei,
bleibt fraglich; wahrscheinlich wird das P dasselbe sein wie
in unitl, welches auch die doppelbedeutung ort, tox: mit pandi
gemein hat.
CONJÜNCTIONEN. 375
28. Alts, ihar, da , räumlich und zeitlich, demonstrativ und
relativ, also in letzterer an Wendung = *wo* und 'als'; aber
auch conditional = wenn (wofern); ebenso ags. par = si;
ealle präge, par = quam diu. Diese Verbindung entspricht
dem Germ. 17, 289 besprochenen gebrauch des altfrs. altschwed.
und altdän. ther (= thar^ ihär) statt des pron. relat., gleich
dem wo deutscher mundarten: dass alts. ihar nur zur Verstär-
kung, nicht aber zur Vertretung des pron. rel. diene, s. Germ.
18, 244.
29. Gotpau übersetzt das griech. tj in dessen beiden be-
deutungen: 'als' (nach comparativen) und 'oder'; in der letz-
teren kann es aus aippau (s. oben 15. gegen ende) verkürzt
sein, wie auch altfrs. neben jeftha einfaches tha vorkommt,
ags. pe verkürzt aus ot5t5e. Die Verbindung ei pau, tl dh fiTJ yt
(Luc. 14, 32) ist schwer zu erklären und fast möchte man ver-
muten, sie sei verschrieben für aippau] s. Bernhardt zu der
stelle. Das soeben angeführte ags. pe ist zu unterscheiden
von dem pe, welches teils als allgemeine relativpartikel, teils
als conjunction auch im altsächsischen erscheint. Als con-
junction bedeutet es im ags. 'dass, weil', nach päs und an-
deren casus des pron. dem. erzeugt es mit diesen zusammen
mehrere speciellere bedeutungen; im alts. ist die bedeutung
etwas eingeschränkter. — Ags. pe in der bedeutung quam nach
comparativen wird aber mit be = obbe got. aippau zusammen-
gehören.
30. und, Ueber diese vielseitigste und vieldeutigste von
allen conjunctionen der älteren spräche habe ich in der Germ.
13, 91 — 104 (mit einigen nachtragen 17, 257) ausführlich ge-
handelt; indem ich auf die dortige behandlung vei-weiso, gebe
ich hier nur ganz kurz eine Übersicht der bedeutungen, soweit
diese überhaupt durch einzelne Wörter vertreten werden können,
mit weglassung fraglicher fälle und feiner Übergänge, welche
a. a. 0. beigezogeu sind.
und steht besondere im mhd. (einzelne bedeutungen kom-
men schon dem ahd. inti etc., den entsprechenden formen der
anderen gormanischen sprachen und auch noch dem nhd. und
zu) neben seiner einfach copulativen anwendung 1. in haupt-
sätzen: a) «» jedoch, aber; so auch alts. endi, und doch, alt-
376 TOBLEE
engl, ant, b) nachsätze einfUhrend = nhd. 'so' — (Schweiz,
'und so' — ). c) neue sätze, auch fragesätze, einleitend, fiber-
baupt einen fortschritt in der rede anzeigend, oft pleonastisch,
aucb vor pron. demonstr.; ähnlich mnl. ende^ altengL and] 2.
in neben Sätzen. 1) pleonastisch nach pron. relat; 2) pleo-
nastisch vor pron. relat, vor daz und Tor relativen adrerbien;
3) statt pron. rel.; 4) als vergleichungspartikel = als, wie;
ebenso altfr. ags. and, altn. enn, dän. endy schwed. an (s. oben
11 und vgl. ok, oben 22); 5) ==: wenn; diese bedeutung ist
zwar in den betreffenden mhd. stellen nicht mit Sicherheit an-
zunehmen, da dieselben meist eine freiere zeugmatische Ver-
bindung zeigen, aber der mhd. gebrauch von imde als expo-
nent von conditionalsätzen in frageform ist bekannt, und alt-
schwed. en, engl. a7ifdj kommen wirklich = 'wenn' vor; vgL
auch die pleonastische Verbindung: altengL fandjif, mhd.
fundj ob, verschieden von dem auch im nhd. vorkommenden
U7id = sogar, auch, vor conditionalsätzen mit wenn oder in
frageform; 6) = obgleich; ebenso mnl. ende; 7) = als, da
(zeitlich); S) = dass, in subject- und objectsätzen (auch pleo-
nastisch und daz) und = damit.
31. Got unte vereint die bedeutungen yoQ, ort] ?cd§ (vgl.
pande oben 27); in der bedeutung 'bis' entspricht dem got.
unie das ags. öby ob pät, das alts. ant hat, unihat (auch aniai,
untat geschrieben) ahd. U7izi thaz, unze\ das einfache um be-
deutet ahd. und mhd. auch *so lange (als)' und 'während'.
32. Ahd. üzan bedeutet als conjunction nisi (nach nega-
tion) und sed, das ags. b-ütan bloss nisi, das engl, but beides.
Wenig verschieden ist das ahd. üzar, welches ebenfalls für
nisi und für sed in den bedeutungen 'sondern' und 'aber' vor-
kommt; s. MSch. Denkm.^ 452; vgl sondern (oben 26) und
tmbe, nihu unter ibai (oben 15, gegen ende).
33. Mhd. wan. Von den vier wan, welche Grimm, Gr. 3,
183 unterscheidet, können zunächst 2 und 3 füglich zusammen-
gefasst werden, da Grimm selbst (4, 762) eine Vereinigung des
fragenden und wünschenden wan 'leicht gedenkbar' findet und
eine erklärung des ersteren aus waz ne lautliche Schwierig-
keiten hat, die für das mnl. wan, dan aus wat en, dat en
wegen der von z verschiedenen natur des / nicht bestehen.
^>'
CONJÜNCTIONEN. 377
Ueberdies hat Lachmann (zu den Nib. p. 64) für das fragende
und wünschende wtm (resp. waney wanne) die älteren formen
wandne, wante ne nachgewiesen und damit 2 und 3 zugleich
auf 1 zurückgefilhrt Dagegen mttssen 1 und 4 auseinander
gehalten bleiben, obwol auch hier die formen später sich ge-
mischt haben (6r. 3, 184) und auch die bedeutungen sich ver-
mitteln lassen. Lachmann hat zwar die zu Walther 77, 19
angenommene zurttckfUhrung des wünschenden und befehlenden
wan auf die bedeutung ^nur' später (z. d. Nib. a. a. o.) auf-
gegeben, aber heute brauchen wir doch ^nur ' auch in dringen-
den frage- und Wunschsätzen «= 'denn, doch' (s. diese). Den
Ursprung des wan in dieser bedeutung aus ahd. huanta m-
(warum nicht — ) nimmt mit Lachmann übereinstimmend
Wackemagel an ; das von Grimm dagegen erhobene bedenken
betreffend die weglassung des ne erledigt sich durch annähme
allmählicher Übertragung von negativen auf positive Wunsch-
sätze. Die anderweitige entwickelung des ahd. wanta aus der
bedeutung qiiare zu der von quia (wofür auch ahd. danta vor-
kommt) und die umkehrung davon in das demonstrative nam,
mhd. wände 'denn' und 'weil' hat keine Schwierigkeit und
findet parallelen. Das franz. cor stammt aus lat. qiiare] pro-
venzalisch car bedeutete auch 'weil' und daneben wie das
afr. auch 'doch', in der aufforderung, wofür nfr. donc (aus
a tunc) gilt (s. oben denn, doch). Noch näher liegt aber der
schweizerische gebrauch von warum, mit einer kurzen pause
dahinter, zur einführung eines grundangebenden hauptsatzes,
sowie auch drum nicht bloss zur folgerung, sondern auch zur
begründung oder erklärung im sinne von 'eben und 'halt' (s.
oben 14) dient.
Das andere wan (4) hat zuletzt E. Hildebrand in seiner
dissertation über die conditionalsätze und ihre conjunctionen
in der älteren Edda p. 15 so gründlich behandelt, dass ich
nur darauf vei-weisen kann. Aus der nominalen grundbedeu-
tung des mangels oder der leere hat sich (wie schon Lach-
mann, z. d. Nib. p. 243 zeigte) in dem ursprünglichen adver-
bium wane die bedeutung 'bloss, nur' entwickelt, welche nach
negation und comparativ in 'als', in anderem Zusammenhang
auch in 'sondern, aber' übergehen konnte. Zu der anwendung
37S TOBLER
des wall nach comparativen , welche auch im mnd. und noch
in der Schweiz. Volkssprache (s. Zschr. f. d. mundart 6, 408)
Yorkommt, ist beizufügen, dass Wolir. im Wilh. 29, 21. 36, 6
wan auch nach einem positiy setzt, im sinne von 4m vergleich
mit — '. Die bedeutung 'aber' hat auch das schwed. dftn.
men, nd. man, wo w in m übergegangen ist Aus vorsetzung
der ncgation vor tvan erwuchs die Verschmelzung niwan, nm-
wan, welche vom einfachen tvan nicht wesentlich verschieden,
je nach dem Zusammenhang bald negative beschränkung einer
Position ('nur nicht'), bald positive beschränkung einer nega-
tion ('nur') ausdrückt, beidemal eine ausschliessung ('ausser,
ausgenommen'). Alts, gilt nouan (nowan aus newan^ welehe
Schreibung ebenfalls vorkommt) für nisi, prceier und sed, ähn-
lich dem neta ahd. mibe (s. oben unter ibaS) , aber von diesem
doch deutlich verschieden schon durch das auslautende n.
Dieses mangelt dagegen nach bekanntem lautgesetz im alüL
nema, wahrend in der mitte der schon bei man erwähnte Über-
gang anzunehmen ist; die bedeutung ist ^wenn nicht, ausser
dass'. Das altschwed. num, nisi und sed, kommt lautlich am
nächsten dem Schweiz, numme, nur, aus mhd. nmwan ebenfalls
mit Übergang von w in m entstanden, während das daneben
geltende 7iu unmittelbar aus der zusammengezogenen form nhm,
nwij nicht etwa aus nur (ni wäri) zu erklären ist. Das aga.
nefne und nymbe, beide nisi ausdrückend, erklärt HUdebrand
(a. a. 0. p. 19) ohne zweifei richtig aus got. nibai (s. oben 15),
das erstere mit pleonastischer Verdoppelung der negation (ne
ef — ne), das letztere mit anhängung wahrscheinlich desselben
be wie in obÖe = got aippau,
34. weder. Dieses pronomen hat conjunctionale anwen-
dungen erfahren, die nicht leicht zu erklären sind. Im ahd.
erscheint diu huuiduru, thiu witharu in der bedeutung quate-
nus] daneben thuwidaro, nebst anderen lautformen (s. Gr. 3,
1 87) , mit vorgesetztem t?ioh und ohne dieses, in der bedeutung
tarnen, welche auch dem ags. hvädre zukommt Mätzner, Alt-
engl. sprachproben p. 376 gibt altschott quheihir (engl. wether\
auch mit vorgesetztem ihey in der bedeutung: although, not-
withstanding. Der Weissenburger katechismus (bei M. Seh.
Denknu^ p. 160 hat in concessivem Vordersatz tho timtuidero,
CONJUNCTIONEN. 379
licet, mit conjunctiv, im nachsatz thiuuideru, tarnen. Am
nächsten schliesst sich an diese altertümlichen , im mhd. uner-
hörten formein Schweiz, weder in der bedeutung eines ein-
schränkenden 'nur, jedoch, aber*; bei Geiler v. K. findet sich
auch weder = sondern. Auffallend ist schon die in den ahd.
formen yorherschende , sonst aber unerhöi*te Schreibung wider
für weder, da doch die anderen belege nicht zweifeln lassen,
dass das fragende pronomen (nicht etwa die präposition wider,
vgl nhd. 'dagegen') zu gründe liege. Wie soll aber vollends
dessen construction und bedeutung verstanden werden? Auf
erklärung der bedeutung quatenus muss ich geradezu verzich-
ten, auch auf vermittelung derselben mit der von iamen\ die
letztere lässt sich notdürftig begreifen, wenn man annimmt,
das doh sei ursprünglich der hauptbestandteil der formel, der
erst später allmählich abgestreift wurde, nachdem der sinn des
ganzen hinlänglich fest geworden war. thiu widaru ist natür-
lich der alte instrumeutalis wie thiu, huiu in Verbindung mit
den Präpositionen in, zi\ aber der zusaite des thiu vor widaru
bleibt dem sinne nach unklar, wedaru allein konnte heissen:
n welchem von den zwei (möglichen oder fraglichen) fällen.
Vor dem ahd. weder als correlat zu 7ioch ist die negation hin-
zuzudenken, während das englische wkether-or dem lat utrum-an
entsprechend geblieben ist.
Ebenso schwierig und weder aus der ursprünglichen noch
aus der vorigen bedeutung unmittelbar abzuleiten ist eine
zweite bedeutung des weder, nämlich die von 'als' nach einem
nichts, ander oder comparativ. So findet es sich im älteren
nhd. bei Keisersberg , Luther, H. Sachs und noch heute in der
Schweiz. Volkssprache. Die erklärung, welche ich in der zschr.
f. d. mundart. 6, 410 versucht habe, ist durch ein versehen ent-
stellt, indem nicht nur die bedeutung 'aber, nur', sondern auch
die von 'als' aus correlation (resp. Verwechselung) des weder
mit oder entstehen konnte; ich kann dazu nur noch nach-
tragen, dass nach Mätzner (a. a. o. p. 362) im altschottischen
nor für ihan vorkommt, wie umgekehrt im altengl. than für nor.
Dass das weder = als aus ursprünglich hinzugefügter oder
gedachter negation {ne weder) sich erklären soll (Schmeller 2^,
857), verstehe ich nicht; dagegen verweise ich noch auf die
380 TOBLER
bei denn und got pau zusammentreffenden bedeutungen, auch
auf die Übergänge zwischen ciber und oder.
35. Nhd. weil, ursprünglich adverbialer acc» des Bubet
weile in der mhd. formel die wtle daz — , ist aus der tempo-
ralen bedeutung 'während, so lange' in die causale überge-
gangen, die in der heutigen spräche einzig noch herscht; pa-
rallelen zu diesem Übergang bieten da und indem. (Alter nhd.
findet sich in bemerkenswerter weise unterschieden derweil
(während) von die weil, verstärkt durch vorgesetztes all, im
sinne von quia, quoniam.)
36. wie als conjunction hat in der älteren spräche niehts
besonderes, als dass es gelegentlich an die bedeutung ^wie
wenn' (Gotfr. v. N. 7, 24 und 'wenn' (Wolfr. Wh. 58, 24;
Boner 11, 28. 30) streift und mit vorgesetztem so (swie) in die
von 'wiewol, obgleich, wie sehr auch' übergeht, welche übri-
gens auch dem einfachen wie zukommen kann (Wolfd. v. Holts-
mann 921. 1429. 1852). Im nhd. ist der gebrauch von *wie*
nach nichts und nach'comparativ = 'als' aufgekommen, doch
nicht zu regelmässiger geltung. Das lat quam heisst ja eben-
falls 'wie' und 'als' und griech. cog, i^re kommen auch ftr ij
vor. Neu ist auch der gebrauch des 'wie' von gleichzeitigkeit
(= sobald als). Anführung verdient noch, dass die Schweiz.
Volkssprache und auch andere deutsche mundarten (s. Schmeller
2^, 828) wie — wie = 'je — desto' setzen, also das zweite wie
statt so ; vgl. Je — Je für Je — desto ; weder — weder für weder
37. wo wird 1) in schweizerischer und anderen mundarten
für zeitliches 'als' gebraucht, wie lat. ubi auf die zeit über-
tragen wurde; die Vermutung Schmellers (a. a. o.), es könnte
dem wo in dieser bedeutung ein altes wuo entsprechend dem
duo, du (s. da) zu gründe liegen, ist also nicht nötig, vielleicht
auch nicht richtig, da ahd. alts. wuo für wie vorkommt 2) in
der älteren schriflspracho für 'wenn', vgl. wo-fem\ 3) in den
mundarten für das pron. rel.; vgl. sJi , und] ebenso neu-
griech. ojtov.
CONJÜNCnONEN. 381
Schlussbemerkung.
Da es nicht meine absieht war^ bei dieser arbeit sprach-
vergleichend zu werke zu gehen, sondern mich auf den um-
kreis der germanischen sprachen zu beschränken , so habe ich
nur weniges aus anderen sprachen gelegentlich beigebracht
Die mehrfache bedeutung von conjunctionen anderer sprachen,
z. b. von lat ut, quod, griech. (hq, ori ist Übrigens bekannt
genug; ich erinnere daher nur noch an einige fälle , die als
parallelen zu germanischen gelten können. Auf dem obigen
und dem folgenden Verzeichnis mag besonders auffallen, dass
dieselbe conjunction sowol begründung oder folger ung als auch
gegensatz anzeigen kann (vgl. denn, ip) ; aber auch das griech.
6i steht zuweilen erklärend fast = /ap, überdies «= also (zu-
rückgreifend) und = so (nachsatz einführend, vgl. do, tmd).
Pott (bei Kuhn, Zschr. 12, 174 — 179) weist nach, dass in den
langobardischen geselzeu nisi nach non = ^sondern nur, viel-
mehr nur' vorkommt {vgl. nube, unt ibai^ altschwed. num, unt
tvan), enim = auiem,nam = ^jedoch'. — qiumdo, auch ohne nach-
gesetztes -que oder quidem = 'weil' gebraucht, ist von tempo-
raler zu causaler bedeutung übergegangen wie da, weil und
sintemal. Wahrscheinlich erklärt sich so auch das provenza-
lische mais, mas, dessen bedeutungen 'aber, sondern nur, ausser'
direct aus magis im sinne von 'vielmehr' fliessen, während die
von 'seit, wann, da, weil' aus zeitlicher bedeutung von magis
= 'weiterhin, foi-tan' (vgl. iLunmehr, immer (aus ie-mer) mit
ergänzung von que sich ableiten lassen ; vgl franz. puisque aus
posiquam oder post quod und Sintemal — Prov. pero (per hoc)
heisst 'darum' und 'dennoch' (franz. pour cela : pourtant),
span. pero, aber; der mittelbegriff ist 'darum doch\ Prov. cor
bedeutet auch 'dass', wie mlat. quia; vgl. quod.
2. Verzeichnis der satzverhältnisse,
welche durch eine und dieselbe conjunction eingeführt werden.
In diesem Verzeichnis werden je zwei satzverhältnisse
zusammengestellt, welche durch 6ine conjunction vertreten wer-
den können, und es wird unter diesem gesichtspunkt der in-
halt des vorigen Verzeichnisses noch einmal dargestellt^ soweit
382 TOBLER
die mehrfachen bedeutungen der einzelnen conjunctionen in
die etwas abstracto und starre form von allgemeinen begriflen
gebracht werden können. Jene paare von solchen begriffen
werden nur je einmal, unter dem ersten glied, angesetzt und
es wird bei jedem paare derjenige begriff vorangestellt, wel-
chem die (offenbare oder mutmassliche) ursprüngliche bedeu-
tung einer conjunction am nächsten kommt; es werden also
auch im allgemeinen parataktische anwendungen den hypo-
taktischen, einfachere den complicierteren vorangestellte Schon
diese Unterscheidungen haben jedoch ihre Schwierigkeiten, und
noch schwerer ist die frage zu entscheiden, ob in jene paar-
weise aufzählung ohne weiteres alle bedeutungen einer con-
junction aufgenommen werden dürfen, sowol diejenigen, welche
sich als von einander unabhängige Spaltungen ans einer
grundbedeutung, als die, welche sich aus anderen speoial-
bedeutungen ableiten lassen. Ich neige mich zur beschränkung
auf das letztere, bin mir aber bei den ausätzen im einzelnen
der schon oben erkannten Schwierigkeiten betreffend die ent-
Wicklung der bedeutungen stets bewust und behaupte jeden-
falls keinen causalen Zusammenhang zwischen allen zusammen-
gestellten gliedern. — Die angaben über die conjunctionen
werden hier nur kurz gehalten, mit beziehung auf das vorher-
gehende Verzeichnis; auch mögen einzelne Wörter oder bedeu-
tungen, die dort vorkommen, hier übergangen, dagegen andere
nachgetragen sein.
I. Gemeinschaft zwischen parataktischen satzverhältnissen.
t a. Ansschlicssender und einschränkender gegensats : ahd. üzar, son-
(lern, aber; ebenso oh, ahd. spät mhd. sunder, mhd. wan,
Schweiz, nnd älter nhd. weder,
b. Gegensatz nnd alternative: mundartlich aber = oder, wie umge-
kehrt oder =a aber.
c. Gegensatz und begrün dnng: ahd. gimsso,MLtem\ nam. Kita, heldr,
ahd. halt, sed; mhd. halt, eben; got ipj aber; denn; ebeuBo
pan und ahd. danne : nhd. denn.
d. Gegensatz nnd folgernng: ahd. aber, denne , gimisso vereinigen
die bedeutangen antem nnd ergo.
2a. Hinznfüg^ng und gegensatz: ahd. auh, mhd. auch, und, jedoch,
aber; zhd, giwisso, qnoque; antem.
CONJÜNCnONEN. 383
b. HinzufÜgang nnd einräumung : got auk, filvy gegenttber ip^
c. ^ „ begründung oder erklämng: got. aukj anch;
denn; ebenso ahd. girvisso, ahd. auh, mhd.
otichj nhd. auch, ahd. sär (s. auch) etiaro;
enim.
d. „ „ folgerung: inhd. auch, nhd. auch, denn anch,
demnach (altengl. ekcj ergo); in verwundern-
der frage = nhd. denn, Schweiz, anch in un-
geduldiger aufforderung = nhd. doch. ahd.
giwissOj etiam; ergo.
3. Einräumung und begründung: got. auk, allis, fziv, yag,
4 a. Fortschritt (zeitlich) und gegensatz: got. pan, x6xe\ <f^; ahd.
danne, dö, tum; autem. nü^ nun aber, und doch.
b. Fortschritt (zeitlich) und folge (causal): got. pan, x6xs\ ovv\ ahd.
danne, tum; ergo; altn. pä, tum; igitur; nhd. dann auch fol-
gernd, denn (nachgesetzt) = also, auch in lebhafter frage ; ahd.
nüj nunc; ergo.
c. Fortschritt und begründung: nhd. denn, urspr. = dann, tum:
nam. got. pan, x6xe\ yaQ.
5. Begründung und folgerung: nhd. denn, nam; (nachgesetzt) ergo;
ahd. girvisso, nam; ergo; got ip, yaQ\ ovv\ Schweiz, drum^
darum; eben (s. halt, wan),
6. Alternative und folge: holl. of, oder, Schweiz, oder^ nach nega-
tivem ersten glied = quin« ohne dass (insofern zu III c. gehörig).
7a. Einweisung und gegensatz: amhd. so, auch: hingegen, aber.
b. „ „ folgerung: amhd» so, nhd. also^ ergo. Vgl. das
so vor nachsStzen.
8. Einschränkung und erklämng: nhd. doch auch = ja (nachgesetzt)
II. Gemeinschaft zwischen hypotaktischen satzverhältnissen.
A. Gemeinschaft zwischen allgemeiner relation
und einzelnen arten hypotaktischer conjunction.
altn. a/, dass; auch statt des pron. relat
y, er allgemeine relativpartikei ; auch conjunction : dabs ; als ; wenn.
got. ei relativa bildend oder vertretend, als conjunction: dass, da-
mit; ob (?).
altn. sem, dän. schwed. som^ wie; auch statt pron. rel.
ahd. mhd. älter nhd. sö^ wie; auch statt pron. rel.; auch ags. altn. svä
neigen sich zu diesem gebrauch.
altfries. schwed. dän. iher (aus ihar) wo; auch statt pron. rel.
munda];^!. wo auch statt pron. rel.
384 TOBLER
mhd. daz in gewissen Verbindungen allgemein relativ: dar daz dahin
wo — ; Die wMe daz-, während; d daz, ehe. Daran achlieast
sich der ältere nhd. gebrauch von dass nach: indem, nachdem,
seitdem, wo die neuere spräche es weglässt, vielleicht weil das
dem selbst relativ aufgefasst werden kann; vgL darüber und über
ähnlichen gebrauch von that im älteren englisch Gorm. 17,
262. 264. Uebrigens vertritt (hat im englischen bekanntlich
geradezu das pron. relat. auch in beziehung auf personen.
Auch das sächsische the ist teils allgemeine relativpartikel teila
conjunction im sinne von 'dass*; s. im ersten verzeiohnia
unter pau,
B. Gemeinschaft zwischen hypotaktischen conjunctionen.
la. Ort und zeit: alts. tAdr, wo; als; ebenso Schweiz, n^o.
b. „ « bedingung: alts. /Aar auch: wenn; ebenso älter nhd. iro ;
ahd. in thiü, holl. indien, wenn.
2a. Zeitraum und Zeitpunkt: mhd. wa, so lang als — , während, bia;
ebenso got unid,
b. Zeit und grund: nhd. da, als (zeitlich); weil. mhd. auf, wann;
weil. nhd. indem zuweilen «a da (cansal).
r, n n nhd. tveil , urspr. und älter dym\ jetzt ^uta;
vgl. das veraltete sintemal aus mhd. sU dem
male, seit
got. untS] ^'ai$ (bis); oti (weil).
pandeif ^wq (so lang als); on, insL
c. Zeit u. bedingung: „ i. » » bL
3a. Art und zeit: nhd. n^t^ auch von gleichzeitigkeit amhd. # d, wie;
wann, als.
b. « n bedingung: mhd. wie auch 'wenn*.
c. Vergleichung, directe und bedingte: mhd. so, also, 'wie' und
'wie wenn*; ebenso mhd. wie auch ^wie wenn\
d. r, und folge: amhd. so, so, wie; auch; so dass,
e. ,, „ einräumung: amhd. so, wie; auch: während
doch, obgleich.
4 a. Bedingung und begründung: got pandei, ei\ inel (weil).
b. „ „ einräumung: nhd. unde (wenn); obgleich; altn.
pöj pö at, obgleich; wenn denn. holl. of
auch 'obgleich'.
c. „ n folge (beide negativ): ahd. nt^, nube, nisi; quin«
d. Grund „ einräumung: altn. alls, da (causal); mhd. holL al,
obgleich.
5a. Substantivsatz und finalsatz: got ei, dass; damit; auch nhd.
dass = damit
b. n „ frage- oder bedingungssatz : got ei auch
'ob* (?) mhd. daz anoh 'wenn*.
» » » »
CONJÜNCnONEN. 385
c. SnbBtantivsatz und folgesatz : mhd. daz auch » so dass.
d. „ » causalsatz: , „ „ = weil.
e. , , zeitsatz: „ , ^ m^ da (als fort-
setznng von dö),
III. Gemeinschaft zwischen parataktischen und hypo-
taktischen satz Verhältnissen unter einander,
A. Gemeinschaft zwischen demonstrativer (parataktischer) nnd relativer
(hypotaktischer) bedeutnng von conjunctionen.
Der Übergang demonstrativer pronomina in relative anwendung ist
bekannt genng, wenn auch die erklärang der tatsache gerade in nenester
zeit streitig geworden ist. Da nun von einzelnen casus demonstrativer
pronomina eine reihe pronominaler adverbia abgeleitet und mehrere von
diesen zu den gebräuchlichsten conjunctionen geworden sind, so ver-
steht es sich eigentlich von selbst, dass jene doppelte anwendang des
pronomens auch auf diese conjunctionen übergehen konnte oder sogar
muste. Doch wird es nicht ganz überflüssig sein, auch diese erschei-
nungen hier ausdrücklich zusammenzustellen. Vgl. dazuKölbing, Germ.
21, p. 33 — 35 und die bemerkung über das dem in indem, nachdem, seit-
dem, oben II. A.
t. Conjunctionen vom pronominalstamm ia,
amhd. dö, da (tum); als (quum); ebenso nhd. da, welches aber
in relativer anwendung auch causale bedeutnng hat.
amhd. danne, denne, got. pan, tum; quum (temporal) amhd.
denne, quia, nhd. denn, nam.
amhd. doh, ags. peak, altn. pö, tamen: quamqnam; für die
letztere bedeutnng wird dem ags. peak oft pe, dem altn.
pö meistens at nachgesetzt,
alts. fhär, da; wo, wenn, als (quum). isl. par für par er, wie
pä für pa er, pvi für pvt at
2. Vom pron. stamm sva,
amhd. älter ahd. sd, sie. ita; sicut, quando; amhd. so, nord. svä,
auch: so dass,
ahd. sär, sogleich; so bald als.
3. Vom pron. stamm na, an (?).
mhd. nü, älter nhd. nun, nunc ; quum (causal).
got. unid, yag, Sri (weil).
mhd. und, Vordersätze und nachsätze einleitend, ungefähr im
sinne von 'wenn — , so — * oder 'als — , da — *.
4. Vom pron. stamm ka, der ursprünglich vielleicht ebenfalls demon-
strativ war (vgl. lat. -ce, gr. (i)xeivoq), dann aber interro-
gativ wurde:
ahd. huanta (eig. warum), mhd. wände, man, denn; weil. An-
nen rxge lur geschlohte der d«atMh«n tpraohe. V. 25
386 TOBLER
hangsweise kann hierher noch das nicht pronominale all
gezogen werden, dessen genetiv adverbial zur begrttndnng
gebraucht wird: got allis, ytxQj parataktisch, altn. aus, da
(causal), hypotaktisch.
B. Gemeinschaft zwischen parataxis nnd allgemeiner relation.
Diese gruppe izt natürlich am wenigsten zahlreich vertreten, weil
die in der Überschrift genannten zwei Verhältnisse einander am fernsten
stehen. (Parataxis ist im allgemeinen eine freie oder wenigstens lockere,
relation dagegen die engste Verbindung, enger auch als hypotaxis durch
conjunctionen); dennoch ist auch diese gemeinschaft nicht unerhört,
und der Vollständigkeit wegen müssen die wenigen fölle derselben hier
angeführt werden.
Es sind die beiden allgemeinen copulativpartikeln, das altn. oh nnd
das amhd. und, welchen neben ihrer copulativen bedeutung auch eine
relative zukommt.
Dass altn. ok neben der bedeutung 'und, auch* zuweilen die func-
tion hat, einen nachsatz einzuleiten, im sinne eines nhd. 'so* oder bei
zeitsätzen 'da*, gibt ihm eine art von correlativer bedeutung; einfach
relativ erscheint es als Vertretung des pron. rel. und im sinne von 'wie*
bei vergleichungen, obwol diese dann nicht die form eines vollständigen
Satzes annehmen.
Das deutsche und, welches statt der nebenbedeutung 'auch* die
von 'aber' besass, fand daneben anwendung als allgemeine relativpartikel
in noch weiterem umfang als ok.
Die eigentlich conjunctionale bedeutung beider Wörter, beson-
ders die sichere und vielseitige von und, gehört zur folgenden gmppe,
wird aber eher auf der allgemein relativen als directe auf der paratak-
tisch copulativen beruhen, aus welcher letzteren dagegen die erstere
sich zur not begreifen lässt, wenn und soweit relation auf gleichsetzung,
also paarweise Verbindung zurückgeführt werden kann.
C. Gemeinschaft zwischen einzelnen arten parataktischer
und hypotaktischer conjunction.
Diese gruppe ist wol die wichtigste , sie ist auch ziemlich zahlreich
vertreten, ich ziehe aber hierher nur die falle, wo eine conjnnction
logisch verschiedene Verhältnisse bezeichnet, da das zusammen-
treffen parataktischer und hypotaktischer s a t z f o r m bei logisch gleichem
Verhältnis bereits unter A. augefUlirt worden ist: doch konnte anch das
folgende la. b. noch dorthin gezogen werden. lil. C. entspricht also in
materieller hinsieht dem L; darum ist freilich auch die Zusammen-
stellung der einzelnen paare von kategorien hier zum teil so fraglich
wie dort
1. a. Einschränkung und einräumung: got altis, fiiv\ mhd. al, ob-
gleich; auch altn. aus findet sich = da doch.
CONJÜNCTIONEN. 387
b. EinschrSnkaDg and negative beding^ng: amhd. niwan, wan^
nur ; altn. nema, wenn nicht, ausser dass.
c. „ , vergleichung : m\i^,eht, nur; als (nachcom-
paratiy); mhd, wan^ nur; als (auch nach
negation); Schweiz, weder ^ jedoch; als;
engl, hut nur; als (nach negation).
2. a. Alternative und vergleichung : got. pau^ oder : als (quam) vgl.
Schweiz, weder y als, nach negation und
comp., und altscnott. nor fttr than.
b. , • negative folge: holl. o/, Schweiz, oder, aut, vel;
quin (s. ihai).
3. a. HinzufUgung und vergleichung: altn. enn, schwed. an, noch;
als, nach comparativ; altn. ok und, auch;
wie ; mhd. und auch ^ wie '.
b. „ „ bedingung: altn. o/: auch *wenn'(?); mhd.ti7u^
*wenn' oder exponent von bedingungssätzen.
c. , „ gleichzeitigkeit : mhd. und auch ^als' (quum).
d. « „ Substantivsatz: n » » ^dass\
e. „ „ finalsatz: » » » 'damit*.
4. Fortschritt und vergleichung (oder gleichzeitigkeit):
mhd. danne, denne, älter nhd. dann, tum;
quam (nach compar. und negation), nisi
(nach negativem verbum des hauptsatzes) ;
ags. ponne, tum; quam; und so noch engl.
then : than,
5. a. Gegensatz und vergleichung : altn. en, aber = enn, als (?).
b. „ „ bedingung: got. ip, aber; wenn.
c. n » negativer folgesatz: nhd. suntar, sed; quin;
engl, but
„ , negativer bedingungssatz: ahd. üzan, sed; nisi;
engl, but
6. Negative bedingung und gegensatz: ahd. nibu, nisi; sed; ebenso
alts. nouan, altschwed. num.
7. Bedingung und alternative: got, jabai, wenn; entweder — (vor
einem folgenden aippau, oder)
ahd. ibu, wenn; iph-iph, aut aut (5tt;^-sive);
holl. of, ob, als wenn; of-of, entweder — oder.
Im letztgenannten fall ist es fraglich, ob mit recht bei ibu, of 'be-
dingung' als grundbedeutung vorangestellt sei, da die et3anologischen
Verhältnisse nicht recht klar sind. Sicher aber und bekannt genug ist
die tatsache, dass conjunctionen der bedingung auch zur einleitung ab-
hängiger fragesätze dienen, sowie bedingungssätze oft die form der
frage annehmen und ursprüngliche fragowörter auch als conjunctionen
vorkommen. Diese erscheinungen mügen also hier wenigstens noch als
an hang eine stelle finden.
25*
388 TOBLER — CONJÜNC'I IONEN.
8. Indirecte frage und bedingung: mnl. of, schwed. om^ engl, i/*, ob;
wenn (auch *imV wenn*).
9. Directe frage und begrttndung: mhd. wände, tvan, denn, weil aus
ahd. huantüy warum? vgl. Schweiz, warum
= denn, franz. cor aus guare.
10. „ n 1. gegensatz : ahd. ^An/nnYAaru^ ags. Avd^r^, tarnen ;
Schweiz. 7t;^^^r, nur, aber; bei G. v. Keisersberg auch: sondern.
Die grundbedeutnng, welche im ags. hvädre noch besteht,
ist: utrnm.
ZÜRICH, sept, 1877. LUDWIG TOBLER.
DAS MÄRCHEN VOM SCHLARAFFENLANDE.
Die Übertragung indischer märchen nach Europa durch
Perser und Araber einerseits und durch die buddhistischen
Mongolen andererseits ist von Benfey ^) an zahlreichen bei-
spielen nachgewiesen worden, und nach ihm haben einzelne
derselben auch specielle behandlung erfahren, wie z. b. das
von dem brahmaneu Svabhäkripana und seinem reistopfe,
dessen Wanderung und allmähliche Umgestaltung bis zu La
Fontaines magd Perette und ihrem milchtopfe Max Müller^)
verfolgt hat.
Während nun allerdings die mehrzahl der märchen — so
weit man sie überhaupt als eingewandert betrachten darf —
in Indien ihre heimat hat und auf den von Benfey gezeigten
wegen nach Europa gelangt ist, fehlt es doch auch nicht an
solchen, die nach Ursprung und Wanderung von jenen ver-
schieden sind; und die geschichte eines märchens dieser aii;
darzustellen, soll unsere aufgäbe im folgenden sein.
Das märchen vom schlaraffenlande verdient eine beson-
dere beachtung auch deswegen, weil es bei seiner schwank-
ähnlichen natur wie kaum ein anderes geeignet war, sich im
munde des volkes zu erhalten und zu verpflanzen, und weil
in folge dessen seine Verbreitung eine fast ausschliesslich
mündliche gewesen ist, so dass es da, wo wir ihm in der
literatur begegnen, meist aus dem volksmunde geschöpft zu
sein scheint. Aber freilich ist es auch gerade dieser umstand,
der es zur Unmöglichkeit macht, wirkliche beweise dafUr bei-
zubringen, dass das märchen, wenn es, oft nach langer pause
1) Pantschatantra, im einleitenden ersten bände.
>) Essays, deutsch von F. Liebrecht. III, s. 303 £f.
390 POESCHEL
und in veränderter gestalt, anderswo wider anftaucht, nicht
ein neues selbständiges gebilde, sondern nur eine äusserung
des fortlebenden alten ist; doch vermag die unwahrscheinlich-
keit des gegenteils dieselben wol zu ersetzen.
Wir beobachten das märchen am geeignetsten der reihe
nach auf drei gebieten , im griechischen , romanischen und deut-
schen ; vereinzelte spuren desselben aus der lateinischen literatur
denken wir im anfange des zweiten teiles anzufahren. Die er-
wähnung ernsthafter darstellungen von wunschzeiten und
wunschländem / wie sie bei allen Völkern vorhanden , wird
unvermeidlich sein, da in ihnen die eigentlichen ausgangs- und
widerholte anknttpfungspunkte für unser märchen liegen; ein
genaueres eingehen auf dieselben wäre jedoch bei dieser
engeren fassung des themas unstatthaft Dies ist zugleich der
grund, weshalb wir dem indischen, dessen einfluss hier eben-
falls nicht zu verkennen ist, keinen besonderen abschnitt wid-
men, sondern es nur gelegentlich im ersten teile mit berück-
sichtigen : die komische färbung, die ja doch die haupteigentdm-
lichkeit dieses märchens ausmacht, findet sich eben erst im
griechischen.
Auf Vollständigkeit können unsere Zusammenstellungen
natürlich keinen anspruch erheben, da sich bei der ungemeinen
beliebtheit des Stoffes allenthalben noch weitere belege daf&r
ausfindig machen lassen; für das deutsche würden sich aus
handschriften vom ende des mittelalters und aus drucken bis
ins vorige Jahrhundert gewis manche beitrage ergeben. Vor-
liegendes ist vielmehr nur eine Vorarbeit für eine grössere
Untersuchung über diesen gegenständ, welche ich mir für
später vorbehalte; dieselbe wird, bei umfassenderer material-
sammlung überhaupt, besonders auch bemüht sein, aus dem
märchenschatze anderer Völker analoges nachzuweisen, worauf
ich gegenwärtig verzichten muste.
Einige notizen sind mir in liebenswürdiger weise von
herrn dr. Reinhold Köhler in Weimar zugänglich gemacht
worden, woftlr ich ihm hiermit herzlich danke.
;^inU
SCHLARAFFENLAND. 39 1
I.
Das märchen im griechischen.
Für die phantasie war es jederzeit etwas äusserst nahe-
liegendes, sich im gegensatz zu den leiden und mühseligkeiten
des täglichen lebens gelegentlich in Vorstellungen zu ergehen
von einem dasein der reinsten glückseligkeit, frei von sorgen
und arbeit, in dem von selbst sich alle materiellen wünsche
erfüllen, und die ganze tätigkeit in nichtstun besteht; und ein
feld, das man reichlich mit solchen Vorstellungen ausstatten
konnte, war in der alten sage von einer seligen urzeit, oder
wie es sich uns im griechischen darstellt, von dem goldenen
Zeitalter unter der herschaft des Kronos, gegeben. Damals
führten ja die menschen ein glückliches, schmerz- und sorgen-
loses leben, im genusse aller guter, ohne zu altern und schliess-
lich wie vom schlafe dahingenommen, und von selbst trug das
land ihnen reichliche fruchte). Wie ungemein verbreitet diese
sage durch ganz Griechenland war, ist aus erwähnungen und
anspielungen bei schriftsteilem aller zeiten zu ersehen 2) , aus
denen wir auch ein bild von ihrer allmählichen erweiterung
und ausgestaltung gewinnen können. Als beispiel hierfür sei
nur 6ine stelle aus Plato angeführt. Politicus p. 272 a: xap-
Jtovg ag)d'6vovq slxov ajco re öivÖQmv xal JtoXX^g vXrjq aXXrjg,
ovx vjto yecoQylaq g)vo(iivovq, aXX' avTOfidrrjg dvaöiöovöfjg
rfjg yfjg xrX.
Dass die phantasie des griechischen Volkes aber in der
tat auch bei darstcUung eines Wunschdaseins im obgedachten
mehr scherzhaften sinne hier anknüpfte, das beweisen einige
fragmente von dichtem der altattischen komödie, welche Athe-
naeus in seiner gelehrten tischgesellschaft überliefert hat 3).
Unter den acht stücken, welche daselbst aufgezählt werden,
enthalten drei eine derartige ins spasshafte übertriebene Schil-
derung des lebens unter Kronos, nämlich Cratinus in den
nXoxrtOL (Mein. fr. c. gr. II, 1 p. 108), Grates in den OriQla
(M. II, 1 p. 237) und Teleclides in ^qh kutpixtvorsg (M, II,
*) Hesiod, tQya xal rjfzsQai 109 flf.
3) Zusammengestellt bei Bergk, Comm. de rel. com. Att. p. 188—202.
^) deinvoao<piaxaiYl p. 267 e— 270 a-, hier citiert nach Meineke,
Fragm. com. graec. II, t n. 2, Berlin 1848.
392 POESCHEL
1 p. 361). Aue drei gehören der mitte und zweiten hälfte
des 5. Jahrhunderts an, also war die sage bereits vor der
blute Athens unter Pericles auch in dieser märchengestalt
unter dem griechischen volke verbreitet Denn die alte ko-
mödie entlehnte ihre Stoffe mit Vorliebe der volkssäge, wie dies
z. b. auch die häufige benutzung der spukmärchen beweist^).
Freilich war hier der Individualität des erzählers ausserordent-
lich grosser Spielraum gegeben, und so finden wir bei der
darstellung der einzelneu komiker noch hie und da be-
sondere Züge hinzugetan, in der hauptsache aber ist sie bei
allen dieselbe.
Am ausführlichsten unter diesen dreien schildert Telecli-
des: Friedlich, von furcht und krankheit frei, lebten die sterb-
lichen, und von selbst bot sich ihnen dar, was sie bedurften.
Von wein floss der giessbach, weizen- und gerstenbrote kämpf-
ten mit einander vor dem munde der leute um die gunst, ver-
schluckt zu werden, die fische kamen ins haus, brieten sich
selbst und trugen sich selbst auf, ein suppenstrom fUhrte warme
fleischstücken in seinen wogen, und für den liebhaber flössen
in kanälen daneben pikante saucen, gebratene vögel und
allerlei feines backwerk flogen einem in den mund oder dräng-
ten sich um das kinn, und das Spielzeug der kinder bestand
aus den ausgesuchtesten delicatessen. Dabei waren die men-
schen dick und erreichten mehr als gigantengrösse :
Ol 6" avd-QtojtOL Jtlovsg ^jöav tots xal fiiya XQW^
riydwmv.
In den OtjQla werden die gerate belebt gedacht, man
braucht nur zu rufen, so stehen sie zu diensten. Zum tische
sagt man: komm und decke dich, zum backtroge: knete den
teig, zum kruge: schenk ein, zum becher: geh und wasch dich
u. s, w.
jtQoöeiöiv ar^' ixaörov
Tc5v öxevaQlcov, oxav xaXfi xi. jraQorld-ov zQOJtB^a.
avT7j, jtaQaöx€va^t öavTtjp' fidrrt d-vXaxlöxe.
lyX^'' ^t^a^f: . JtovöO^ fj xvXi§; didvi^ lovöa öavtijv
xrX. 2)
') Karl Schenk! in Pfeiffers Germania VII, b. 193 f.
') Belebter, sogar redender hausrat ist ein in griechischen märchen,
wie es scheint, sehr beliebter zng. von Hahn, Griechische and albane-
SGHLABAFFEia.AND. 393
Auf diese gestalt der sage, wie wir sie eben bei den
drei komikem gefunden haben , spielt auch Lucian an, wenn
er Saturn. 7 an dem feste der KQovia den gott selbst im ge-
spräche mit seinem priester erzählen lässt, wie glücklich einst
die menschen unter seiner regierung gelebt hätten , ojt&tB
aöxoQa xal avrjQora jiavra iqyvsto avtoZg, ov ötdxvsg, dXX^
iroifiog aQTog, xal xgia iöxevaö(iiva, xal o olvog iQQSi ütora-
fifjöov xal jtrjyal fieXitog xal yäkaxrog; und ebenso in einem
briefe an Eronos (ep. Sat. 20)^ wo Lucian mit ziemlich den-
selben Worten jene zeit rühmt und sich über das gegenwärtige
leben in armut und dürftigkeit beklagt.
Man begnügte sich nun aber nicht damit, sich an dem
glücke längst entschwundener geschlechter zu freuen und sich
dasselbe mit den lebhaftesten färben auszumalen: alle diese
Vorstellungen gewannen einen weit grösseren reiz^ sobald eine,
wenn auch nur eingebildete und von niemandem geglaubte,
möglichkeit vorlag, dass man selbst noch einmal solchen
glückes teilhaftig werde, und so (fbertrug man sie auch auf
das leben nach dem tode. Um so näher lag dies, als auch
die von dem ^XvCiov jteölov und den v^öot tcov (ioxaQmv
überlieferten sagen mit der vom goldenen Zeitalter ziemlich
übereinstimmten, und diese Übereinstimmung selbst im gründe
bereits nichts anderes als eine solche Übertragung der zustände
aus der urzeit war; denn auch hier dachte man sich meist
Eronos als herscher. So leben z. b. bei Hesiod die heroen
Bische märchen, teilt anter no. 2, 8 and 48 drei dieser art ans verschie-
denen gegenden von Epirus mit (za no. 8 vgl. Übrigens märchen des
Straparola, dentsch von Fr. Wilh. Val. Schmidt, Berlin 1817, no. 15
8. 231 ff.). Gewöhnlich wird einer von neidischen Schwestern etc. za-
rtickgesetzten person, also einer art Aschenputtel, durch ein wolwollen-
des höheres wesen die gäbe verliehen, dass ihr alle wünsche in erfUllung
gehen. In dem nun herbeigewünschten schlösse oder hause gehorchen
alle gerate den befehlen ihrer herrin von selbst und beantworten ihre
fragen; auf diese weise ist leicht zu ermitteln, ob jemand von den
tischgästen etwas gestohlen hat, und als der königssohn einen löffel in
seinen Stiefel steckt, antwortet derselbe von dort her nnd verrät ihn.
Das tischchendeckdich , welches natürlich auch hier nirgends fehlt, ist
aus deutschen märchen bekannt (vgl. gebr. Grimm, Kinder- und haus-
märchen no. 36 und 130), nnd Grimm K. nnd H. III, s. 65 f. führt aus
den märchensammlungen anderer nationen weitere beispiele dazu an.
391 POESCHEL
auf den inseln der seligen und bei Pindar, Olymp. II, 129 ff.
die Seelen der frommen unter Kronos fort
In den MeraXk^g des Pherecrates ^) , einem vierten der
von Athenaeus angeführten stücke, erzählt eine aus der unter-
weit zurückkehrende frau fast dasselbe, zum teil sogar mit
den nämlichen werten, was wir aus den Amphiktyonen kennen,
nur noch etwas weiter übertrieben: die in ihrem bett dahin-
murmelnden suppenströme führen hier sogar gleich die löfiel
mit sich, die leckereien sind noch zahlreicher und ausgesuch-
ter, herrliches obst hängt über den häuptem, ohne dass es
irgendwo angewachsen wäre, blühende, mit allen reizen aus-
gestattete Jungfrauen leeren becher voll köstlichen weines durch
trichter in den mund der trinkenden, und das wunderbarste
von allem iBt, wovon man isst oder trinkt, das verdoppelt
sich sogleich:
xal rcopö' ixaörog el (payoi rig tj Jtloi,
Auch hier begegnen \vir nicht einer erfindung des komikers,
sondern es ist eine wirklich echt volkstümliche erzählung,
welche Pherecrates in seinem stücke verwandte.*)
Noch eine dritte beziehung, in welche diese Vorstellungen
gebracht wurden, findet sich in den von Athenaeus zusammen-
gestellten fragmenten, nämlich bei beschreibung ferner oder
sagenhafter länder. So in den unter dem namen des Phere-
crates überlieferten IleQöat^), wo zu zu den bekannten nur
wenig neue züge hinzukommen : es regnet dort wein, die dach-
rinnen spenden trauben, käsekuchen und brei, während auf
den bäumen im gebirge bratwürste wachsen. In den ßovQto-
jtBQöac des Metagenes ^) , vielleicht einer parodie auf das eben
erwähnte stück, berichten die den Persern nachäffenden Thurier
1) Meineke, Fragm. II, 1 p. 299.
>) Dahin spricht sich auch Bergk, Comm. de rel. com. Att p. 140
aas: Plane persnasnm habeo non ipsos poetas comicos vennBtam hano
imaginem finxisBe, sed popnlum Atticum fabalam qoandam de fatora
felicitate anreoque saecnlo reversaro a patribus traditam diu fovisae et
hac spe in anrnmis calamitatibnB se consolatos esse: commode igitnr
poetae hanc fabnlam lepide exomaverant.
3) Meineke, Fragm. II, 1 p. 315.
«) Meineke, Fragm. II, 2 p. 753.
SCHLARAFFENLAND. 395
von den unteritalischen flttssen Crathis und Sybaris dieselben
Wunderdinge y wie sie dort persischen Aussen angedichtet sind.
Schliesslich sind noch die üeiQifvsg des Nicophon ^) zu nennen,
in denen es mehl schneit, brote tröpfelt und brei regnet.
Worauf sich die fabelhaften dinge in den verlorenen
Tayaviöral des Aristophanes *) bezogen haben , ist aus der
kurzen andeutung bei Athenaeus nicht zu ersehen.
Eine zweite quelle ähnlicher utopischer Vorstellungen
unter dem griechischen volke waren die wunderbaren berichte
der geographen. Länder aller himmelsricthtungen , soweit sie
über die grenzen einer genaueren kenntnis hinauslagen, wur-
den mit den seltsamsten gebilden der phantasie ausgeschmückt,
und vor allem war es ^das fabelhafte land im Südosten, das
land der Inder, wo die üppigste bildungskraft der natur die
menschliche einbildungskraft selbst zur wetteifernden fort-
Setzung ihrer wunderschöpfungen aufzufordern schien' 3). Vieles,
was der Grieche früher fllr fabel und lüge erklärt haben
würde, konnte er hier mit eigenen äugen sehen, und in folge
dessen war er geneigt, nun auch manches andere unglaubliche,
das ihm von den Indem erzählt wurde, fllr wahr zu halten.
Unter den ältesten geographen Indiens sind namentlich
drei zu nennen: Scylax, Ctesias und Megasthenes, von denen
für uns Ctesias von besonderem Interesse ist. Derselbe, ein
Zeitgenosse Xenophons und leibarzt des Perserkönigs, war
nach dem einstimmigen Zeugnisse der alten in seinem buche
^Tv6ixd^)y das wir aus einem auszuge des Byzantiners Photius*)
kennen, weniger bestrebt, eine beschreibung Indiens zu liefern,
als vielmehr eine menge der unglaublichsten Wunderdinge
aufzuhäufen. Wenn nun auch neuere forschungen gezeigt
haben, dass dieses urteil des altertums wesentlich zu be-
schränken sei, dass das werk des Ctesias in seiner ursprüng-
lichen gestalt auch sehr wertvolle notizen über das alte Indien
0 Meineke, Fragm. II, 2 p. 851.
3) Meineke, Fragm. II, 2 p. 1158.
3) Erwin Rohde, Der griechische roman und seine Vorläufer, Leipz.
1876, 8. 176.
*) 398 V. Chr. verfasst, 8. Lassen, Ind. altertnmskunde II, s. 637.
^) Photii bibliotheca ed. J. Bekker, Berlin 1824. — Ctesiae frag
menta illastr. a C. Maellero in Herod. ed. Dindorf, Paris 1844.
396 POESCHEL
enthielt ^ , so sind uns doch in dem exoerpte des gramma-
tikers, sowie in den übrigen fragmenten hauptsftchlieh nur die
Seltsamkeiten aus seiner darstellung eben wegen ihres beson-
deren reizes überliefert
Da Gtesias selbst nie in Indien gewesen, so war seine
einzige quelle das, was er aus dem munde der Perser erfahr;
diese aber hatten eine klare Vorstellung nur von den ihnen
zunächst liegenden gegenden Indiens, wogegen über das femer
liegende die ungeheuerlichsten erzählungen im umlaufe waren.
Zum teil lag denselben wirklich etwas wahres zu gründe, das
aber durch die Überlieferung von mund zu munde bis ins fabel-
hafte übertrieben war. Wenn z. b. Gtesias eine quelle flüssi-
gen goldes erwähnt, aus welcher jährlich 100 irdene krfige,
jeder ein talent fassend, gefüllt werden, in denen das gold
dann erstarrt, während aus der tiefe des brunnens wander-
kräftiges eisen geschöpft wird 2): so ist der sinn dieser dar-
stellung nach Lassen ') der, dass goldhaltige erze geschmolzen
und das von ihnen a])gelöste gold ausgeschöpft wurde. Zum
teil waren es auch indische mythen und märchen, die man für
tatsachen hinnahm und nun als solche in die ernsthafte be-
schreibung des landes einreihte. Schwanbeck ^) hat nachge-
wiesen, dass die cixvjtoöeg, xwoxig)aXoi, fiovdfifioroi eto,
welche Gtesias und Megasthenes, letzterer eingestandenormassen
der autorität der brahmanen folgend, unter den bewohnern
Indiens mit aufführten, geschöpfe der phantasie aus indischen
epen, namentlich dem Mahäbh&rata und R&mäyana sind.
Ebenso konnte man die auch in Indien umgehenden sagen
von einem goldenen Zeitalter, wie z. b. Onesicritos^) eine solche
berichtet, für Wirklichkeit halten und jenes land selbst in ein
gegenwärtiges Utopien verwandelu. Onesicritos erfahr nämlich,
als er von Alexander dem grossen mit einer gesant«chaft an
die indischen brahmanen {YVfiPoöoq)iöral) beauftragt worden
war, im gespräch mit dem berühmten Calanus: vor alters sei
alles bedeckt gewesen mit gersten- und Weizenmehl, wie jetzt
*) Lassen a. a. o. II, s. 659 f.
>) Photii bibl. ed. Bekker p. 45a, 4t; Müller, Fragin. $ 4.
3) a. a. o. II, 8. 639.
*) De Megasthene, Bonn 1845, p. 64 sq.
») Strabo XV, 64.
SCHLARAFFENLAND. 397
mit staub, die quellen flössen ausser von wasser auch von
milch, honi^y wein und öl; als aber die menschen in folge des
Überflusses gottlos wurden, entzog ihnen Zeus all diese wol-
taten, und unter mühe und arbeit musten sie nun ihr leben
liinbringen. Solche erzähluugen waren vielleicht die Ursache,
wenn Ctesias von einem mächtigen see berichtet, dessen ober-
flache von öl gebildet wird, an gute dem sesam- und nussöl
weit überlegen^), oder wenn er einen honigfluss aus einem
felsen entspringen lässt^). Von einer weinquelle in Indien
lesen wir nichts, dagegen erwähnt Ctesias eine solche auf
Naxos^).
Vor allem aber waren hierbei die indischen sagen von
dem lande der nördlichen (Uttara) Kurus von einfluss. Dieses
land, für welches ursprünglich eine wirkliche geographische
grundlage vorhanden war, fiel sehr früh der poesie anheim,
und man dachte sich in ihm die zustände des ersten der vier
iuga, des goldenen weltalters, als foi-tbestehend. Aus einer
langen beschreibung in Rämäyana gibt Lassen^) die haupt-
punkte an : ' Das Uttara Euru ist das land ungestörter schöner
genUsse, nicht zu kalt, nicht zu warm, von tod und krankheit
frei, kummer und sorgen sind dort unbekannt, die erde ist
staublos und wolriechend, die flüsse strömen im goldenen
bett und rollen statt des kiesels perlen und edelsteine; die
bäume tragen nicht nur immer fruchte, auch stofle und kleider
aller färben wachsen auf ihnen, und jeden morgen hangen ihre
zweige voll der schönsten frauen, die durch einen fluch des
Indra jeden abend wider sterben müssen. Dort wohnen ausser
den nördlichen Kurus die halbgötter aller art in ewiger freude,
auch die sieben grossen heiligen der vorweit etc.' Eine er-
zählung von diesem lande, aus dem indischen übersetzt, fand
Stanislas Julien^) auch in einer chinesischen encyclopädie des
16. Jahrhunderts: Wohin das äuge nur blickt, tausende der
') Bekker p. 46b, 18; Müller §11.
») Bekker p. 46 b, 41; Müller $ 13.
3) Bekker p. 46 a, 33; Müller § 10: xal iv NaS(p xQfivriv (elval
(prjaiv), il^ 7jg olvog ivloxs ^et xal fxa)M ijSvg.
*) Zeitschr. f. d. k. d. Morgenlandes U, s. 63 f.
B) Avadänas, Contes et apologues Indiens, trad. de St Julien,
Paris 1862, II, p. 120 no. CXIL
398 POESCHEL
kostbarsten dinge von einer bezaubernden Schönheit, reiche ge-
wänder und glänzende Schmucksachen auf den bäumen, lust-
wandelnde schöne frauen, die ihre reize unverhtillt zur Behau
tragen. Die einwoimer gemessen von allem nach herzenslust
aber ohne leidenschaft , und ohne bedauern scheiden sie nach
dem genusse.^)
Lange bevor man den namen Indiens in Griechenland
kannte, war unter anderen sagen auch die von den Uttara
Kurus nach dem occident gewandert. Den Indem folgend,
dachten sich die Griechen im fernen norden das glückselige
volk der Hyperboreer jenseits der rhipäischen berge, wie die
Uttara Kurus jenseits des Himalaya wohnten.^) Zur zeit des
Megasthenes wurde der indische Ursprung der sage längst
nicht mehr gefühlt, und so war es eine unbewuste rückkehr
zum ausgangspunkte, wenn dieser^) die Uttara Eurus mit den
Hyperboreern identificierte, indem er von Hyperboreern in In-
dien berichtete^ welche 1000 jähre alt würden, wie auch jenen
im Mahäbhärata ein alter von 1000 und 10000 jähren beige-
legt wird. Auch Gtesias waren diese sagen bereits wol be-
kannty wie aus der erwähnung des wunderbaren flnsses Silaa,
entsprechend ind. Qila oder Qailodä, der in dem Uttara Kam
fliessen soll, hervorgeht.-^) Sie schwebten ihm auch vor bei
den 400 jähre lebenden Macrobiem, oder wenn er von den
Indern überhaupt erzählt, dass sie frei von köpf- und zahn-
weh, von augenkrankheiten, geschwüren u. s. w. leben und ein
alter von 120 — 200 jähren erreichen.*)
Von den übrigen Wunderdingen des Gtesias sei nur noeh
hervorgehoben, dass nach ihm in Indien auch eine art Wün-
schelrute existiert, nämlich die wurzel des Parebusbaumes: ein
stück davon, nur eine spanne lang, zieht alles an sich, in
dessen nähe es gebracht wird, gold, silber, erz, edelsteine u. s. w..
*) Liebrecht in Orient und occident I, b. 135 findet geradezu hierin
'eine art Schlaraffenland' geschildert
^) Schwanbeck, De Megasthene p. 63.
3) Strabo XV, p. 701.
*) Vgl Lassen a. a. o. II, s. 652 f.
B) Bekker p. 47 a, 11; Müller S t5. — Wie auch der name Uttara
Kum sich in mancherlei entstellongen bei Griechen and Rümem findet,
darüber vgl Schwanbeck, de Meg. p. 70 nota 64.
«,«j
SCHLARAFFENLAND. 399
eine eile davon zieht sogar widder und vögel an, für die
Yogeljagd besonders eine wesentliche erleichterung.^
Wie in folge dieser geographischen fabeleien Indien all-
mählich geradezu zu einem märchenhaften lande des Über-
flusses und müssigganges , also zum vollständigen schlaraffen-
lande wurde , dafür kann eine rede des Dio Ghrysostomus
(gegen ende des ersten Jahrhunderts nach Chr.) an die ein-
wohner der Stadt Gelaenae in Phrygien zum beweise dienen.
Chrystomus^) preist die Vorzüge der Stadt Gelaenae: nirgends
führten menschen ein so glückliches leben als sie, mit aus-
nähme freilich der Inder. Denn dort flössen bekanntlich die
ströme nicht wie bei ihnen von wasser, sondern von milch,
krystallhellem weine, honig und öl, und zwar einen monat für
den könig — darin bestehen die ihm gewährten abgaben — ,
die übrige zeit aber für das volk. Die pflanzen dieses frucht-
barsten aller länder sind köstlicher und grösser als anderswo,
ein massiger lufthauch weht beständig, und die temperatur
(räv cLBQcov Tj xQäoig) ist immer dieselbe, am ehesten dem be-
ginnenden Sommer vergleichbar; dazu ist der himmel dort
klarer und die gestirne zahlreicher und glänzender. Unbe-
kannt mit krankheit und armut, in stets blühender Jugend und
Schönheit leben die menschen über 400 jähre, arbeit ist ihnen
fremd, aber auch gewalt und list Spielend und lachend wan-
deln sie täglich mit weib und kind zu strömen und quellen,
erquicken sich nach belieben an warmen und kalten bädern,
und liegen dann singend auf blumenreichen wiesen unter schat-
tigen bäumen; wollen sie von deren fruchten gemessen, so
neigen sich die äste zu ihnen hernieder, und zahllose vögel
lassen von den zweigen liebliche weisen herabtönen. Allein
trotz all dieser herrlichkeit ist es ein verachtetes volk, das der
Inder, und gemieden von den übrigen: rovro dh ari/iov iotiv
^IvöcQV x6 yevog, ot rt aXXoc (phvyovöiv avrovg.
In ähnlicher weise wie Indien galt den Griechen auch
das nach Herodot den südwestrand der erdscheibe bildende
land der AlMoneg /laxgoßioi für eine art Schlaraffenland.
Selbst die götter begaben sich bisweilen, wie Homer erzählt 5),
») Becker p. 47 a; Müller § 18.
«) Or. 35 p. 70 E — 72 R.
>) II. a 423. V' 205. Od. a 22.
400 POESGHEL
zu den fernwohnenden untadlichen Aethiopen, um sich an den
ihnen dort reichlicher als anderswo dargebrachten hekatomben
zu erfreuen; und für den ermüdeten und der Stärkung bedflrf-
tigeu Helios entstieg daselbst allnächtlich ein reiches mahl dem
schoosse der erde.^) Das land ist an gold, wildwachsenden
fruchtbäumen und anderen den wolstand mehrenden dingen
gesegnet y seine bewohner sind die grössten und schönsten
unter allen menschen, und durch den gebrauch einer wol-
tätigen quelle, von der ein geruch wie von yeilchen ausströmt^
wurden sie 120 jähr alt und darüber. Der weg zu ihnen aber
führt durch die unwirtlichsten gegenden, und es rächte sich
bitter, als der eroberungslustige Gambyses sich in frevelhaftem
übermute auch dieses land zu unterwerfen suchte.^)
In weiter, rätselhafter ferne also flössen dem Oriechen
sage und geographie in einander, und dadurch war es ihm ein
leichtes, auch all seine träume von vollendeter tugend und
glUckseligkeit aus dem bereiche der blossen luftgebilde herab-
zuziehen und in jene entlegenen, aber doch anscheinend nicht
unerreichbaren gegenden zu localisieren. So dachte sieh
Theopomp ^) seine MeQoniq y^ als ein unermessliches festland
jenseits des oceans, der die bekannten erdteile nur als inseln
umschliesst; so erzählte Jambulus^) von einer glückseligen
insel mit wol wollenden, gottesftirchtigen bewohnem fem im
Süden Aethiopiens, und vieles derartige mehr.^)
Zu Lucians zeit lag somit eine reiche fülle ntopiaeher
Züge vor, in der literatur wie im munde des Volkes , und die
in seiner 'Wahren gescbichte' beschriebene insel der seligen
ist nichts anderes als eine parodie auf allbekanntes wie
das ganze schriftchen selbst, das insofern auf Originalität
keinen anspruch erhebt. Gleich im anfang stellt es Lneian
0 Diese ijXlov t^ane^^a, welche 'ein nUchtemes Zeitalter zu einer
fleischbedeckten wiese nmdeatete, auf der die Aethiopen, dank einem
frommen (von der jedesmaligen obrigkeit verübten) betrüge, tlg^eh
offene tafel hielten, ward bei den Hellenen sprichwörtlich zur beieloh-
nung eines kostbaren besitzes*. Vgl. H.Stein zu Hdt III, 18.
') lieber die Ald-loneg fjiaxQoßtoi und die expedition des CambysM
vgl. Hdt 17—25 und 114.
») Strabo VII, p. 299.
*) Diodor II, 55—60.
^) Vgl. £. Rohde, Der griech. roman s. 167—287.
SCHLARAFFENLAND. 401
als seine aufgäbe hin, dass alles , was er vorbringen werde,
eine komische anspielung enthalten solle auf den oder jenen
der alten dichter, geschichtschreiber oder philosophen, die eine
menge wunderbarer dinge tiberliefert hätten; besonders nam-
haft macht er im anfange nur Gtesias von Gnidus und Jambu-
lus, und erwähnt gelegentlich noch Homer, Herodot und Ari-
stophanes, da der leser bei der allgemeinen bekanntheit dieser
Sachen all die anspielungen leicht herausfinden werde.^
Auf welche weise Lucian auch bei Schilderung seiner
v^öog T<3v fiaxaQoov^) diese aufgäbe durchgeführt hat, wird
ein näheres eingehen auf dieselbe zeigen. Darum versuchen
wir jetzt als abschluss und gewissermassen Zusammenfassung
der uns aus dem griechischen altertume bekannten märchen-
Züge eine Schilderung dieser insel, wie sie sich uns, aus dem
rahmen der handlung herausgelöst, ungefähr darstellt:
Die insel ist breit und flach, mit zahlreichen grossen und
gegen die fluten geschtitzten buchten. Klare ströme gleiten
sanft dem meere zu, eine leichte, stissatmige luft ist tiber das
land ausgegossen, und ein wunderbar köstlicher duft^) verrät
den Schiffern schon weithin die nähe der inseL Das gestade
mit seinen blumigen gefilden und der hain hallen wider von
dem gesange der vögel. Liebliche lüfte durchsäuseln den
wald mit sanftem hauche, so dass von den bewegten zweigen
fortwährend ein anmutiges klingen ertönt, wie von flöten an
einsamem orte hervorgebracht. Die Stadt der seligen ist von
lauter gold, von smaragden sind ihre mauern ringsum, ihre
sieben tore jedes aus äinem zimmetbaume gearbeitet Der
boden der stadt ist von elfenbein, die tempel sind von beryll,
und die gewaltigen altäre in ihnen von einem einzigen ame-
thyst. Die bäder sind grosse glaspaläste, die mit zimmet ge-
heizt werden, und statt mit wasser ftlUt man die wannen mit
*) Ver. bist. I, 2: xc5v laTOQov/uivwv %xaaxov ovx axw/Lupd^ttog
TiQog rivag yvixtai xdiv naXaiotv 7ioii]Tm' re xal avyyQa<piü)v xal <piXo-
aoipmVf noXXa TS^aaria xal fjtv&wdrj avyy6yQa(p6twv ovg xal ovof/aatl
av eyQUifov, ei //^ xal avxtp aoi ix xrjg dvayvojaetog (pavelad-ai efjifXXe.
2) Ver. bist. II, 5—29.
') Ver. bist. II, 5: ^cfv/iaarjj rig arga, olav (prjalv 6 avyyQaipsvg
HQoöozog anot^eiv rtjg svöalfiovog k^aßlag xtX. vgl. Herod. 111, Uli.
Jiciträtrt! eiir goschiohte der deiitnohen spraclic. V. 26
402 POESCHEL
warmem tau. ^) Auf der insel wird es uiclit nacht, aber auch
das volle tageslicht blendet nicht, sondern eine beleuchtung
ähnlich dem Zwielicht des morgens umfängt das land; aueh
kennt man dort nur 6me Jahreszeit, ewigen frühling, und nur
6inen wind, den zephyr. Die weinstöcke tragen 12 mal im
jähre, die übrigen Obstbäume sogar 13 mal 2), und die halme
treiben statt der weizenkörner fertige brode. 365 wasser-
quellen umgeben die stadt, ebenso viel honigquellen ^ und 500
quellen wolriechenden Öles, wovon auch ein breiter ström die
Stadt umfliesst, der tief genug ist, dass man bequem darin
schwimmen kann, ausserdem 7 milch- und 8 weinströme. Die
seligen selbst sind unkörperlich, haben aber den schein and
alle eigenschaften von körpem, niemand wird älter, sondern
jeder bleibt so alt als er beim betreten der insel war. Ihre
kleidung besteht aus feinen purpurnen spinnweben. Der
herscher (Rhadamanthys) entscheidet mit gerechtem urteile
ihre zwistigkeiten und straft bei schweren vergehen mit geisse-
lung durch malven und verstossung an den ort der gottlosen;
sonst sind rosenketten {qoöivoi öTiq>avoi) ihre stärksten
fesseln. Ihr verkehr unter einander entbehrt jeder schranke:
vor aller äugen fröhnen sie der leidenschaft, ohne dadurch
anstoss zu erregen, die weiber sind ihnen gemein, und es wird
darum keiner auf den andern eifersüchtig. Die gelage- werden
ausserhalb der stadt auf dem elysischen gefilde abgehalten,
einer herrlichen wiese, rings umgeben von dichten Waldungen
aller art, welche den speisenden schatten gewähren. Da liegen
sie nun auf blumenteppichen , und zephyre bedienen sie mit
allem, nur mit dem weineinschenken nicht Doch bedürfen sie
dabei auch keiner hilfe, da um die tafehi herum bäume von
krystallhellem glase stehen, die als fruchte trinkgefässe von
allen gestalten und grossen trafen, ein jeder pflückt sich ein
oder zwei gläser ab, und diese füllen sich sofort mit wein.
Nachtigallen und andere gefiederte Sänger sammeln in ihren
0 Die schon vom scholiasten bemerkte ähnlichkeit der goldenen
Stadt mit dem himmlischen Jerusalem (Apocal. 21, 10 ff.) wird jetst all-
gemein als zufällig bezeichnet.
>) Auch hierfür etwas analoges Apocal. 22, 2; frAov ^oi^c» noiovv
xui^novq öwösxa, xaxa fiijva ^Ixaaxov unoöiöovv rov xuQnov
airov.
SCHLARAFFENLAND. 403
schnäbeln blumen ron den umliegenden wiesen und lassen sie
dann auf die zecher herabschneien, indem sie mit gesang
über ihren häuptem dahinfliegen. Dichte wölken saugen duf-
tendes 61 aus jenen quellen und dem ströme , und über dem
gelage schwebend, lassen sie unter dem leichten drucke der
lüfte einen feinen tau herabrieseln. Chöre von knaben und
Jungfrauen y sowie von schwanen, schwalben und nachtigallen
sorgen durch ihren gesang, und der hain durch sein flöten ftir
musik beim mahle. Was aber am meisten ihren frohsinn er-
höht, das sind zwei quellen, welche den ort des gelages um-
fliessen, die quellen des lachens und der lust; aus beiden
trinken sie alle bei beginn der mahlzeit, und bringen dann
die ganze übrige zeit fröhlich und lachend hin.
Auch im heutigen Griechenland sind solche erzählungen
noch lebendig, vor allem wird die Seligkeit des paradieses
vom Yolke durchaus sinnlich vorgestellt und nähert sich somit
dem paradiese des koran. N. G. Polites, welcher in seiner
MeXirrj ijtl rov ßlov rcov vsooreQcov ^EXX^vcov, fiegog K , hv
"A^vaic, 1874, s. 407—412 hierüber handelt, führt als belege
hierfür ein kyprisches Volkslied und ein naxisches märchen
an. Schon die kirchenräter sahen sich genötigt dieser volks-
auffassung ein gewisses Zugeständnis zu machen ^ indem sie,
wie z. b. Johannes Damascenus, das paradies ex analogia
hominis sinnlich und geistig zugleich {alö&rjrov xal vorjftov)
darstellten. Völlig materiell ist Basileios des grossen (f 379)
Schilderung, jibqX jtaQaödöov II, 348 : xal ^ yij 6h ixelvtj nlov
xal (laXaxfj, xal oXcog gsovoa fisXi xal yaXa, xal jtQog jtaöav
xaQJtoyovlav ijtiTfjöela ' vöaoc yovifiairdTocg xara^^vrog' JtsQi-
xaXXi] , xal tjöea rä vöara, xal CipoÖQa Xsjträ xal 6iag)av?j,
ütoXv fihv l^ 6y)ea>g sxovra ro tsqjcvov, jtXsov 6h rov regjtvov
To (Dq)6Xi(iov jcaQsxo/ieva.
Wenn das volk von einer insel der seligen (ro ptjöl rcov
/laxoQcov) spricht, so geschieht dies mit bezug auf die Alexan-
dersage, welche noch jetzt im volksmunde ist; und zwar
scheinen diese erzählungen auf eine oder mehrere vulgär-
griechische bearbeitungen des Pseudocallisthenes zurückzu-
gehen.^)
*) Letztere notiz verdanke ich gütiger mitteilung des herm prof.
26*
404 POESdHEL
IL
Das märchen im romanischen.
Wann und wie die Verpflanzung jener märchenhaften Vor-
stellungen eines wunschdaseins auf italischen boden und von
da in die übrigen romanischen länder stattgefunden hat^ ent-
zieht sich der controUe. Vereinzelte spuren von ihnen finden
sich schon bei römischen dichtem. Die werte Ovids bei seiner
Schilderung des goldenen Zeitalters Met. I, 111 ff.:
Flumina iam lactis^ iam flamina nectaris ibant,
Flavaque de viridi stillabant ilice mella.
sind sicher nicht mit einigen interpreten als bloss bildliche
bezeichnungen materiellen Überflusses schlechthin , sondern
wirklich als das zu fassen, was sie besagen.
Fast genau dasselbe lesen wir bei Horaz in dem Hede
auf Bacchus, Garm. II, 19, 9 — 12:
Fas pervicacis est mihi thyiadas
Vinique fontem lactis et nberes
Gantare rivos atque tranclB
Lapsa cavis iterare mella.
Ein weiterer beweis dafür, in wie verschiedenen bezügen diese
Vorstellungen Verwendung fanden.
Selbständig sehen wir das märchen Jahrhunderte lang
nicht wider auftreten, einzelne züge flüchten sich in grössere
sagen wie in die Alexandersage, die sage vom priester Johan-
nes u. a.; sie dort zu verfolgen, würde uns zu weit führen.
Dem folgenden schicken wir ein wort über die etymolo-
gie des in den romanischen sprachen als bezeichnung fttr
Schlaraffenland besonders üblichen namens voraus: lat Cuca-
nia, ital. Guccagna (span. Gucana), franz. Goquaigne, später
Gocagne, altengl. Gokaygne, wozu dann auch niederL Gockaen-
gheu und das deutsche adjectiv kokanisch (gewant bei Helb-
ling VIII, 738) kommen.
Mannigfache ableitungen dieses wertes sind aufgestellt
Bernhardt Schmidt in Freibarg. — Belege fQr das Vorhandensein komi-
scher darstellnngen eines wunschlandes vermag ich leider nicht bdsa-
bringen, doch ist mir von hier lebenden griechen, den berren dr. Pro-
todikos aus Faros und Kyroponlos aus Kastoria in Macedonien auf das
glaubhafteste versichert worden, dass man sich im volke mit grosser
Vorliebe von einem solchen erzähle.
SCHLARAFFENLAND. 405
worden. Der Vocabularlo universale della lingua italiana hält
dasselbe ftlr illyrischen Ursprungs, entstanden aus kücha, auf-
enfhalt, wohnung, und göjan, reich, lustig, friedlich (ricco,
allegro, tranquillo), es bedeute demnach aufenthalt glücklicher
leute! Jac. Grimm, Gedichte des mittelalters auf Friedrich I.^)
führt den namen zurück auf das deutsche kuchen, ahd. chuocho,
weil in diesem lande die häuser mit kuchen und fladen ge-
deckt seien. Hiermit erklärt sich Diez, Etymologisches Wörter-
buch der romanischen sprachen, einverstanden, leitet aber das
wort aus romanischer quelle ab: kuchen heisst nämlich cat.
coca, churwälsch cocca, langued'oc coco, pic. couque, von
coquere, also gebackenes; auch sei das italienische kinderwort
cucco, ei, hier in anschlag zu bringen, weil es an gesottenen eiern
im schlaraflFenlande gewis nicht fehle. Dieser etymologie widerum
gibt Littrö, Dict. de la langue frangalse, seinen beifall (wobei er
jedoch den von Diez aufgefUhiiien Wörtern die bedeutung cui-
sine beilegt!), und mit ihr berührt sich auch Mones Vermu-
tung 2), welcher Coquaigne mit coquin zusammenstellt Coquin
ist nämlich nach Litträ identisch mit spätlatein. coquinus, einer
Weiterbildung von coquus, bedeutete also wahrscheinlich Weich-
ling (vgl. engl, cockuey, das verzärtelte Stadtkind) und sank
erst allmählich zu seiner heutigen bedeutung 'celui qui a un
caract^re bas et fripon', d. i. schuft, herab. Cucania wäre da-
nach das land der Weichlinge, des erschlaffenden Überflusses.
Alle diese ableitungen gehen im letzten gründe auf lat. coquere
zurück, und es hindert nichts, dass man mit M^sangöre, Dict.
des proverbes, das wort auch in seiner bedeutung direct auf
jenes verbum zurückführe, weil ja doch gekochtes, gebratenes
und backwerk in dem lande eine hauptroUe spielen. — End-
lich hat man cocagne auch mit einer pflanze gleichen namens
zusammenbringen wollen als eine anspielung auf den wolstand,
welchen der handel mit dieser pflanze mit sich bringe (Mazon,
Dict. frang.).
Die erste selbständige darstellung eines wunschlandes im
mittelalter enthält ein französisches gedieht des 13. jahrhun-
•) Jacob Grimm, Kleinere schritten III, b. 7b.
^) Uebersicht der niederl. volkslit. no. 480, s. 3oa.
406 POESCHEL
derts, das Fabliau de Goquaigne^), und hier nun wider mit
dem vollen humor, den wir bei den griechischen komikem
entfaltet sahen. Was aber alles früher beigebrachte dagegen
nur als Vorstufen erscheinen lässt, das ist, dass für all die
Wunderdinge nun auch ein eigenes Wunderland erdichtet ist,
dessen name nach obiger erklärung sein wesen schon hin-
länglich charakterisiert Dieser fortschritt in der entwicklung
des märchens war jedoch schon weit früher erfolgt, wie aas
einer anspielung in einem lateinischen gedichte auf Fried-
rich L^) hervorgeht, einer anspielung, die um so mehr beweist^
je versteckter sie ist. Das gedieht, der poesie der vaganten
oder goliarden angehörend, deren schaaren von der mitte des
12. Jahrhunderts über das ganze abendland nachweisbar sind,
führt in englischen handschriften den titel Gonfessio Goliae
und wurde nach Giesebrecht ^) um die zeit von 1162 — 64 zu
Pavia von einem fahrenden kleriker an erzbischof Reinald
von Göln gedichtet. Es gibt eine lebendige Schilderung von
dem lustigen leben in dem ordo vagorum, wobei der Verfasser
sich selbst als primas dieser fröhlichen gesellen mit den werten
vorstellt: Ego sum abbas Gucaniensis et consilium meum
est cum bibulis et in secta Decii voluntas mea est Wenn
dies nun auch in der tat die früheste uns erhaltene spur
dieses namens ist, so scheint es doch kaum zweifelhaft,
dass seine entstehung noch weiter zurückliegt, und dass der
dichter auf eine allgemein geläufige Vorstellung anspielte, in-
dem er die eigenschaften jenes fabelhaften landes auf seinen
Orden übertrug, der ja dieselben, so weit es überhaupt mög-
lich, zu realisieren bestrebt war. Vielleicht verdankte auch
der name Gucania, wie dies Giesebrecht ^) vom namen Golias
vermutet, seinen Ursprung dem Jargon der französischen Stu-
denten, welche die bisher wie im griechischen unter wechseln-
den bezeichnungen umgehenden märchenzüge unter ihm ver-
einigten. Doch lassen sich darüber eben nur Vermutungen
aufstellen.
*) Fabliaax et Gontes, publ. par Barbazan, nouv. M. par M^n.
Paris 1808, IV, p. 175.
*) Jacob Grimm, Abhandl. d. Berl. akad. 1S43, s. 236.
3) Allgemeine monatsschrift 1853, s. 364.
*) a. a. o. 8. 30.
SCHLABAFFENLAND. 407
Um uns ein bild vod dem schlaraffenlande der damaligen
zeit zu entwerfen, wird es am besten sein, wenn wir uns mit
dem inhalte des oben erwähnten fabliau etwas bekannt
machen, wodurch wir auch die offenbaren Übereinstimmungen
mit dem im vorigen abschnitte angeführten am leichtesten be-
urteilen können:
Goquaigne ist das erklärte land der faulenzer,
Li paYs a k nom Coquaigne,
Qui plas i dort, plus i gaaigne;
wer bis mittag schläft, bekommt 5V2 sou. Die mauern der
häuser sind von barben, lachs (saumons) and anderen fischen,
die dachsparren von stören, die ziegel von speck, und das
lattenwerk von wursten. Gebratene gänse wackeln durch die
gassen, von einer leckeren brühe gefolgt. Ueberall findet man
sauber gedeckte tafeln, an denen man zu jeder zeit unentgelt-
lich essen und trinken kann, was man sich nur herbeiwünscht
Dort läuft ein fluss, von dem einen ufer bis zur mitte mit
rotem, auf der anderen seite mit weissem weine, so dass man
ihn gemischt, aber auch jeden für sich trinken kann; trink-
gefasse von silber und gold führt der ström selbst mit sich.
Sechs Wochen zählt in diesem lande der monat, die woche
selbst aber lauter sonntage, die kirchlichen feste werden 4 mal
im jähre gefeiert, auch 4 carnevale (quaresmiaux-prenant)
gibt es dort, dagegen nur eine fastenzeit (quaresme) in 20
Jahren, in der erst recht alle nur erdenklichen genüsse sich
darbieten. Dreimal in der woche regnet es frischbackene
toi-ten und gefüllte borsen holt man sich vom felde. Die men-
schen sind nicht habgierig, sondern freundlich und zuvorkom-
mend gegen einander, dies zeigt sich namentlich auch in ihrem
verkehr mit frauen und Jungfrauen, welche alle wunderschön
sind. Ganz ähnlich wie bei Lucian braucht man auch hier
nicht zorn oder tadel zu befürchten, vielmehr trägt ein leichtes
leben noch ganz besondere ehre ein. Aber auch den frauen
ist dieselbe freiheit gestattet:
Et B*il avient par ayentare
QQ*une dame mete sa care
A un home que ele voie,
Ele le prent en mi la voie,
Et Bi en fet sa volonte.
Ainsi fet Puds l'autre bont6.
408 POESCHEL
Tuchhändler verteilen monatlich die feinuten Btoffe und ge-
wänder nach jedes belieben unter die einwohner, ebenso die
schuster Schuhwerk aller art, und wenn einer 300 paar und
darüber verlangte, er würde sie bekommen. Um die men-
schen bei fortwährender Jugend zu erhalten, wird die sage
vom Jungbrunnen (la fontaine dejovent)*) zu hilfe genommen,
kein mann oder weib ist so alt und grau, die darin nicht
zum alter von 30 jähren vei jungt würden. Ueber die läge des
landes bemerkt der dichter nur, dass kein weg noch steg zu
demselben führe, er schilt sich einen toren, dass er es je ver-
lassen habe, um seine freunde zu demselben glücke zu führen,
und zieht aus dem ganzen die moral:
Qui bien est, qa*il De se remueve.
Wie er selbst aber nach Goquaigne gekommen, als der apostel
von Rom ihn zur sühnung einer schuld dorthin gesnnt, davon
erfährt man nichts. Dieser einkleidung nach scheint das ge-
dieht eine Verspottung lügenhafter pilgermärchen beabsiehtigt
zu haben, was auch vielfach der zweck deutscher lügen-
lieder war, 2)
Eine zweite, allerdings nur sehr beiläufige ausführung des
märchens lesen wir um die mitte des nächsten Jahrhunderts
im italienischen und zwar bei Boccaccio, Decameron gionu 8
nov. 3. Hier wäre eine beziehung zu dem voraufgehenden
sehr wol möglich, da Boccaccio bekanntlich die Stoffe zu seinen
novellen vielfach den contes et fabliaux entlehnte. Wahr-
scheinlicher ist es indessen, dass Boccaccio die beschreibung
seiner contrada di Bengodi (d. i. ubi bene gaudetur) im lande
der Basken dem munde seines volkes entnahm. Mindestens
hätte er es sonst vortrefflich verstanden, derselben ein durch-
*) Sparen der sage vom jangbrannen findet Rohde, D. griech.
roman s. 206 f. schon in der Megoniq des Theopomp, woselbst der genuss
von fruchten stafenweise verjüngt bis zum kleinen kinde und bis zum
endlichen verlöschen in nichts. Zu dem von Rohde und an den von
ihm citierten stellen beigebrachten wäre hinzuzufügen ep. Johannis regia
Indiae c. 28: Si quis de tonte illo ter ieiunus gustaverit, nullum ex illa
die infiimitatem patietur, semperque erit quasi in^aetate XXX
duorum annorum, quamdiu vixorit (s. Zamcke, Leipziger nniversi-
tatsprogramm iS74, s. 37).
') Vgl. Uhland, Schritten zur geschichte der dichtung und sage,
111, s. 228.
^~ —
SCHLARAFFENLAND. 409
aus national -italienisches gepräge zu verleihen: ein berg ron
geriebenem parmesankäse, auf dessen gipfel leute unablässig
damit beschäftigt sind, Maccaroni und mehlklösse (raviuoli) in
kapaunbrühe zu kochen und sie dann den berg herabzurollen,
die weinstöcke werden mit bratwürsten gebunden etc.
Während Boccaccio einen eigenen namen ftlr das land er-
fand, drang später die bezeichnung Guccagna auch in Italien
allgemein durch, wie dies gedichte aus dem 17. Jahrhundert
und der noch jetzt ganz geläufige ausdruek beweisen. Auf
ein gedieht aus dem anfange des 17. Jahrhunderts macht Mone,
Anzeiger VII, s. 406 aufmerksam, dasselbe trägt den titel:
Historia nuora della cittä di Gucagna. Data in luce da Ales-
sandro da Siena e Bartolamio suo compagno. In Vinetia et
in Vicenza. Per Fr. Qrossi 1625 (4 bl. in kl. 8®). Leider
druckte Mone nur den anfang ab: 7 mal 4 monate zu meer
und 3 monate zu lande muss man reisen, um nach Gucagna
zu gelangen. Ein bewaffneter hält am eingange wache und
macht die ankommenden mit den brauchen des landes be-
kannt: nie dürfe man von arbeit sprechen, nur von essen,
trinken, schlafen u. s. w.
Wie volkstümlich der name Guccagna in Italien geworden
war, beweist, dass man in Neapel auch eine alljährliche öffent-
liche Volksbelustigung damit bezeichnete, deren alter ich zwar
nicht genau zu bestimmen vermag, die aber doch mindestens
bis in den anfang des 16. Jahrhunderts zurückgeht, da Hans
Sachs dieselbe kannte (s. unten). Am letzten donnerstag
vor fastnacht wird eine mit federvieh, wursten und ess-
waaren aller art beladene pyramide feierlich durch die Strassen
geführt und endlich auf dem grossen markte dem pObel preis-
gegeben, der sich nun darum prügelt.^) Deshalb nimmt auch
G6nin, R6cr6at. II, 89 2) an, das wort cuccagna käme von
franz. coq und bedeute gleichsam hahnengefecht , indes nicht
*die balgerei, sondern der freigebige borg ist die hauptsache
dabei' (Diez). Liesse sich beweisen, dass dieser scherz bis
wenigstens in den anfang des 12. Jahrhunderts zurückgehe, so
>) IMlippi, Dizionai'io Italiano-'i'edesco; Nie. di Castelli, nuovo diz.
ital.-tcdesco, b. v.
2) Mir ist das citat nur aus Diez s. v. Cuccagna bekannt.
410 POESCHEL
wäre Gäiiins Vermutung nicht unmöglich, wenn auch immer-
hin sehr unwahrscheinlich. Hierauf nun bezieht sich eine bur-
leske im siciiischen dialect, welche Giuseppe di Montagna aus
Palermo unter Basiles namen verfasste, gedruckt zu Palermo
1674. Fr. Wilh. Val Schmidt, Beitr. zur gesch. der romant
poesie, Berlin 1818 s. 84 f., teilt nur drei zeilen aus derselben
mit, die aber genügen, um den Zusammenhang dieses festes
mit der Gittä di cuccagna unzweifelhaft zu machen.^)
Auch in Spanien existiert eine sehr ähnliche yolksbelosti-
gung unter dem namen Gucana: an der äussersten spitze eines
hoch aufgerichteten, mit seife bestrichenen pfahles werden
cBswaaren und andere dinge befestigt, und nach diesen findet
ein sehr komisches wettklettern statt.^) Die prioritftt unter
diesen beiden belustigungen wird man wol der neapolitani-
schen zusprechen müssen 3), da Gucaüa als bczeichnung fttr
schlaraifenland im spanischen nicht vorkommt, und auch der
übertragene gebrauch dieses wertes, sowie das davon abge-
leitete cucafiero in ihrer bedeutung von jenem öffentlichen
spiele ausgehen. Ausdrücke für Schlaraffenland sollen im spar
nischen vielmehr Tierra del Pipirip&o oder Dorado sein, doch
ist es mir nicht gelungen, erzählungen unter diesem titel aus-
findig zu macheu. Dagegen gehört hierher ein anonymes ge-
dieht mit der aufschrift La isla de Jauja, bei Duran, Roman-
cero no. 1347.
0 An die neapolitanische Cuccagna erinnert R. Hildebnnd In
Grimms wörterbach s. v. Krales. Bei einem ans Niederdentsohland, be-
sonders aus Magdeburg , seit dem 13. Jahrhundert bekannten feste,
welches den namen Krales führte, bildete den mittelpunkt 'ein auf einer
Eibinsel errichteter bau, der gral, in dem beiden hausten und zum
kämpf daraus hervorkamen, eine darstellung des graltempels, gedacht
als inbegriff aller herrlichkeit'. Bei Fischart wird der gral
oder Venusberg sogar in Italien gedacht
') Dictionario de la lengua Gastellana por la Academia Espafiola
8. y. — Dass auch die spanische (.'Ucana als fastnachtssoherz gebräuch-
lich, ist mir nicht bekannt, dagegen weiss ich, dass dieselbe in den
nördlichen provinzen Viscaya, Guipuzcoa, S. Sebastian etc. bei Volks-
festen im Sommer sehr üblich ist
3) Im Dicc. de la leng. Cast vom iahre 1729 findet sich sogar die
notix: Cucana — es tomado del Italiano, welche in den neueren aus-
gaben weggeblieben ist
SCHLARAFFENLAND. 411
In Spanien begegnen wir, wie zu erwarten, einem der
grossen Benfey sehen märchenströme , welcher sich von Indien
aus über die islamitischen länder nach Europa ergiesst. Die
beschreibung der insel Jauja trägt nämlich einen entschieden
orientalischen Charakter und enthält züge, die dem muhame-
danischen paradiese entlehnt sind, in welchem ja auch alle
wünsche der Sinnlichkeit vollkommene befriedigung finden.
Letzteres aber verrät widerum ganz unverkennbare verwant-
schaft mit dem lande Uttara Euru. Eine ausführliche Schil-
derung davon gibt von ^Hammer, Rosenöl I, s. 322 flf. *), woraus
wir das ftir uns wesentliche kurz hervorheben:
Die erde des paradieses ist weiss und wolriechend und
mit rubinen besät, die wasser fliessen nicht in betten, sondern
wie krystallhelle bänder über die erde hin und richten ihren
lauf nach dem belieben der auserwählten. Vier seen gibts im
paradiese von wasser, honig, milch und wein, ausserdem ist
dort das grosse Wasserbecken Eewsser, aus dem ein fluss
gleichen namens entspringt, dessen ufer gold, dessen sand
perlen, dessen wasser duftender als moschus, süsser als honig
und weisser als schnee ist. Die bewohner des paradieses sind
jugendlich und schön wie mond und steme, ein jeder besitzt
70 paläste von gold und edelsteinen erbaut, auch der geringste
hat 80 schöne Sklaven und mindestens 72 gemahlinnen von un-
vergleichlichen eigenschaften, doch steigert sich diese zahl nach
den verschiedenen graden der tugend und des Verdienstes bis
auf 500 und darüber. Der bäum des paradieses heisst Tuba,
gott allein kennt seine ausdehnung : unter 6inem seiner zweige
könnte ein reiter 70 jähre lang in gestrecktem galopp reiten,
die blätter sind gewänder von gold und Seidenstoff, welche der
bäum für die seligen abschüttelt. Wenn der wind durch die
blätter rauscht, so ertönen liebliche harmonieen, die tafel- und
nachtmusik der auserwählten, auch die chöre der vögel sind
stets bereit, auf ihren wink die schönsten concerte aufzuführen.
Wie in Goquaigne die fastenzeit allem die kröne aufsetzte, so
ist es hier das fest der anschauung von angesicht zu ange-
sicht, welches die höchsten genüsse übertreflfen wird. Gott
^) Nach einem setir geschätzten dogmatischen werke: Feraidal-
fevaid fi bejan al akaid von Casisade Istamboli Achmed Efifendi.
412 POESCHEL
versammelt dazu die seligen in dem himmlischen Jerusalem,
dessen maueiii aus diamanten etc. Dort bei einem glänzenden
gelage werden sie von engein geschmückt, von den paradieses-
vögeln unter gesang mit wolriechenden essenzen beträufelt
und kehren noch einmal so schön von dort zurück als sie zu-
vor schon waren.
Mit morgenländischer pracht ist denn nun auch die insel
Jauja ausgestattet, welche ein schiff des generals Don Fer-
nando entdeckt haben soll. Die Stadt mit ihren palästen und
kirchen glänzt von gold, perlen und diamanten, ebenso wie
die einrichtungen der einzelnen gebäude. Kostbare speisen,
reiche Stoffe und kleider auf feldem und bäumen, seen, flüsse
von Malvasia und anderen weinen, branntweinbrunnen , limo-
nadenpftttzen, ein berg von käse, ein anderer von schnee, der
im Sommer kühlt und im winter wärmt etc. Arbeit ist auf
der insel verpönt, wer bei ihr betroffen wird, bekommt 200
schlage und wird mit abgeschnittenen obren verbannt In ge-
sundheit und frohsinn lebt man mindestens 600 jähre und
stirbt endlich am lachen. An jedem der 12 Stadttore stehen
zwei aufmerksame wachen, welche schmerzen, kummer und
tränen den eintritt wehren; alle fremden dagegen, welche ein-
lass wünschen, passieren ohne weiteres. Jeder eintretende
wird von 10 Jungfrauen, ebenso prächtig gei^hmückt als von
natur schön, empfangen und in ihrer mitte unter instrumenten-
klange nach dem ihm bestimmten palaste geführt Die mädchen
bleiben zu seinem dienste da, und von 14 zu 14 tagen ge-
sollen sich 10 andere nicht minder liebliche zu ihnen. Die
aufzählung der delicatessen , Stoffe u. s. w., von zeit zu zeit
durch ein monotones hay (il y a) unterbrochen, übertrifft an
breite alle übrigen darstellungen des märchenlandes.
Noch müssen wir hier ein niederländisches und ein alt-
englisches gedieht zur besprechung bringen, weil dieselben auf
französische quelle, das erstere wahrscheinlich direct auf oben
betrachtetes fabliau, zurückgehen.^)
Das niederländische gedieht steht auf einem stark be-
schädigten papier — folioblatt aus dem 15. Jahrhundert, mit
*) Beide gedruckt bei Hoffmann u. Haupt, Altdeutsche blätter I,
165 ff. und 396 ff.
SCHLARAFFENLAND. 4 1 3
zwei lücken von 18 und 11 versen, und trägt die Überschrift:
Dit is van dat edele laut van Gockaenghen. Seine abhängig-
keit von dem französischen original wird durch folgende verse
sofort offenbar (s. 0. s. 407) :
Dit ist lant van den heilighen gheest;
Wie daer lancst slaept, de wint meest,
Daer en darf niemant doen werc,
Out, Jone, crane of sterc.
Daer en maeh niemant iet gheborsten.
Die wanden sijn daer ghemaect van worsten,
Daer sijn die veinsteren ende doren
Ghemaect van salmen ende van stören.
Aber nicht bloss die häuser, auch alles hausgerät, bänke,
sttihle, Spinnrocken sind ebenfalls geniessbar, es regnet fladen
und Pfannkuchen. Bäche laufen von hier und wein. Fast wört-
lich stimmen die verse:
So wat man daer int lant vint legghen,
Dat neemt man sonder weddersegghen,
zu den französischen:
Sans contredit et sanz defifence
Prent chascnns qoanque son euer pense.
Man lebt ohne hass und neid in fröhlichem spiele, allzeit milde
frtthlingsluft und vogelgesang. Der monat hat nicht 6, aber doch
5 Wochen, und aus dem Jungbrunnen ist ein zu 20 jähren ver-
jüngender Jordan geworden. Die läge des landes wird auch
hier verschwiegen.
Das zweite: the english poem of Gokaygne, welches auf
der grenze zwischen alt- und mittelenglisch steht, ist zuletzt
mit anmerkungen gedruckt bei Mätzner, Altenglische sprach-
proben I, s. 147 fif. Mätzner ist geneigt, französische quelle
hierbei vollständig in abrede zu stellen, wenigstens sei das
fabliau nicht als solche anzunehmen; doch führt er selbst
einige stellen wegen ihrer offenbaren ähnlichkeit daraus an,
so die oben citierten verse: Sans contredit etc. zu den
englischen :
Man mai ther — of et inog
AI with right, and nogt witb wog u. a. m.
Wahrscheinlich war die unmittelbare quelle zwar nicht das
fabliau selbst, aber doch ein auf diesem basierendes französi-
sches oder bereits englisches gedieht, das uns nicht erhalten.
414 POESGHEL
Die hauptaufgabe des gedichtes ist, die unsittlichkeit der
englischen klöster zu geissein, über welche bereits seit Jahrhun-
derten klage geführt wurde ^):
Für in see bi west Spaygne
Is a lond i-hote Cokayne,
so beginnt das gedieht, und nun folgt eine beschreibung des
landes, welches die herrlichkeit des paradieses weit hinter
sich lässt, in ganz ähnlicher weise, wie wir dies oft genug ge-
sehen haben, bisweilen noch mehr ins lächerliche gezogen , so
z. b. wenn dort nicht nur raubtiere und Ungeziefer, sondern
auch die unschuldigen haustiere fehlen, während gebratene
gänse in menge herumfliegen. Dort gibt es nun zwei abteien
mit allen möglichen und unmöglichen kostbarkeiten und ge-
nüssen ausgestattet, die eine von mönchen, die andere von
nennen bewohnt. An heissen sommertagen rudern die nennen
in den an ihrem kloster vorbeifliessenden milchstrom hinaus,
und die mönche kommen zu ihnen geflogen (sie!) u. s. w.
Faulheit wird nattirlich auch hier belohnt, wer am längsten
schläft, wird abt:
And thilk monk, that clepith best
And doth is likam al to rest,
Of him is hoppe, 6ot hit wote,
To be sone oadir abbot
Um jedoch in dieses land zu gelangen, muss man sieben jähre
lang bis zum kinn in schweinemist waten und des gtttigen
gottes nicht gedenken. Diese bedingung ist, wie schon Haupt ^)
bemerkt hat, der sehr ähnlich, unter welcher der bärenhäuter
im deutschen märchen^) vom teufel in den besitz unaufzehr-
baren reichtums gesetzt ward: er durfte sich sieben jähre
nicht waschen , hart und haare nicht kämmen und kein Vater-
unser beten.
Erhalten hat sich meines Wissens weder der name Coe-
kaenghen im holländischen, noch im englischen. Im vlftmi*
sehen soll das märchen von einem Luilekkerlande erzählt
werden*).
0 Vgl. Briefe des Bonifacius, Jaff^ bibl. rer. Germ. III.
s) Altdeutsche blätter I, s. 401.
^) Grimm, K. u. H. no. 101. Vgl. auch H. Kon zu Grimmelshaasens
Simplicianischen Schriften, Deutsche bibl. bd. H, s. XX n. 303.
*) Hoffmann, üor. belg. I, s. 94.
SCHLARAFFENLAND. 415
III.
Das märchen im deutschen.
Auch auf deutschem gebiete waren, wie unter allen yöl-
kern, die gleichen Vorstellungen ursprünglich vorhanden, von
denen im griechischen unser märchen ausgieng: die erinnerung
an eine selige urzeit und die hofinung auf widerkehr derselben
glückseligkeit im jenseits; und dieselbe neigung der phantasie,
welche wir dort wirken sahen, hatte auch hier einige ver-
suche gemacht Göttern wie menschen hatte einst ein goldenes
Zeitalter geblüht: jenen, da sie noch frei von habgier Asgard
bewohnten und sich in Unschuld am brettspiel mit goldenen
täfeichen ergötzten; diesen unter konig FriÖfroÖis regierung,
da war gutes jähr und frieden, keine furcht vor dieben und
räubern, so dass ein goldring lange unberührt auf Jalangurs-
heide liegen mochte, eine mächtige kufe voll metes stand in
FroÖis hause u. s. w.^ Andererseits war der aufenthalt der
gefallenen beiden die rauschende, goldglänzende Walhalla, von
dem goldbelaubten haine Glasir umgeben; dort sitzen die un-
sterblichen einherier friedlich beim mahle, ihre speise ist das
fleisch des ebers Ssehrimnir, welcher jeden tag von neuem ge-
sotten wird, und ihr getränk ist met, der in unerschöpflicher
menge aus dem euter der ziege Heidrun fliesst Besonders in
betracht aber kommt die prosaische einleitung der Oegisdrekka,
vgl mit Skaldsk. c. 33: die halle des riesen Oegir wird von
leuchtendem golde wie feuer durchstrahlt; bei einem gast-
mahle, welches er den Äsen gibt, tragen die speisen und das
sei sich selber auf, und alles, was zur bedienung gehört, ge-
schieht von selbst
So hat es denn auch an solchen nicht gefehlt, welche dem
märchen vom schlaraffenlande germanischen Ursprung zu-
sprachen und dasselbe aus diesen und ähnlichen mythen her-
vorgegangen sein Hessen. Allein dieser weg der entwickelung
wäre ein weiter und äusserst zweifelhafter, da uns alle Zwi-
schenglieder fehlen, und wenn wir in der benachbarten nation,
aus welcher so viele sagensto£fe nach Deutschland eingeführt
«) üeber FritJfrotJi vgl. besonders Uhland, Schritten VII, b. 99 ff.;
Simrock, Mythologie s. 364 f^
416 POESCHEL
wurden, das märehen vollkommen ausgebildet sehen, ehe wir
bei uns auch nur eine spur davon nachzuweisen vermögen,
so dürfen wir unbedenklich entlehnung aus dem französischen
annehmen, wenn wir auch nicht im stände sind, die brQcke
selbst ausfindig zu machen.
Ganz verkehrt aber ist es, wenn man sich durch den
namen, welchen das märchenland im deutschen f&hrt, zu
Schlüssen berechtigt glaubt, wie sie Mone, Anz. VIII, s. 615
gewagt hat: das Schlaraffenland enthalte eine erinnerung an
ein tropenland, wo die natur alles in fülle hervorbringe und
der mensch für seine erhaltung weder zu arbeiten noch zu
denken brauche, weil das wort äffe ohne griechische oder
römische vermittelung direct auf skr. kapi zurückgehe, und
die idee des Schlaraffenlandes zeige eine deutliche Verachtung
der Südländer, die nicht einmal als menschen, sondern als
äffen mit gedankenloser genusssucht vorgestellt seien. Wenn
auch wirklich das einfache äffe direct auf das indische, resp.
indogermanische, zurückweisen sollte, so hatte man zu der
zeit, als die Zusammensetzung schlaur-affe entstand, schwerlich
noch tropische erinnerungen. Dies fährt uns auf die erklärung
des Wortes selbst
lieber den zweiten bestandteil desselben dürfte man kaum
in zweifei sein können. Nur Menzel, Odin s. 1 57, schlägt eine
andere als die zunächstliegende erklärung vor: es sei unter
dem äffe ein gebäck zu verstehen, wie ja auch ein thüringi-
sches fastnachtsgebäck den namen homaffe führe. Einer Wider-
legung bedarf diese Vermutung gar nicht. — In dem schlaur
erkennt Grimm, K. u. H. HP, 239 schlau, klug. Allein dem
widersprechen die älteren formen des wertes schluderaffe
(Braut, Narrenschiff 103, 118) und slftraffe, die sich genau zu
einander verhalten wie slftdem zu ilftren, schlendern, nach-
lässig arbeiten, wozu das wort etymologisch gehört Vgl auch
der slür, ein faules geschöpf, oberrhein. schluri, schweizerisch
schlauri, Schlendrian. Schlauraffe ist also ein gedankenloser
müssiggänger. Die Schwächung des diphthongs zu a (Schlar-
affenland) findet sieh bereits im 17. jh. bei Schuppius (f 1661).^)
*) Nach Zamcke, Narrenschiff s. 455; Mhd. Wörterbuch; Weigand,
Deutsches Wörterbuch s. v. n. a.
ÖCHLAEAFFENLAND. 417
Mundartlich kommt — falls die quelle zuverlässig ist —
auch schloraflfe vor, vgl freih. v. Ditfurth, 52 ungedruckte
bailaden des 16. bis 18. jahrh., Stuttgart 1874 no. 35 s. 125,
woselbst die Käthel zum Hansel sagt, als dieser nicht mit ihr
tanzen will:
Es brancht'8 nit dein albers, dein albers Ramsch wanzen
Und Schloraffenfeilhalten, schlankelter Bu!
Entstellungen sind öst-schles. Schnädäffland (s.u. s.423 f.) und
schwäbisch Araffcnland. Vgl. Ernst Meier, Deutsche Volks-
märchen aus Schwaben, Stuttg. 1852 no. 64: nachdem die
erdwichtel die ganze nacht beim backen geholfen haben, wird
ihnen zugerufen: flieht ins Araffenland! es wird dies dem-
nach als die heimat jener woltätigen geister gedacht, welche
den menschen ihre arbeit abnehmen.
Nachzuweisen ist das wort erst seit dem 14. Jahrhundert:
in einem zinsbuch des klosters Aller Heiligen von 1347 im
Karlsruher archive steht Sluraffe als geschlechtsname.^) Aber
gerade diese Verwendung bezeugt, dass das wort selbst um
ein bedeutendes älter ist Besonders häufig lesen wir es in
den an Schimpfwörtern '^überreichen fastnachtssp^elen des 15.
Jahrhunderts, z. b. s. 610 (Keller):
So gefeilt es mir von in peden nit wol
Und halt sie für recht Schlanraffen.
Meist aber mit zahlreichen anderen Schimpfnamen zusammen-
gestellt, so 259, 287 und 372. In demselben gebrauche auch
später Zimmerische chronik, herausgegeben von Barack II,
7 V. 26:
Sühlnraff, wie wilt henken
Din köpf so ganz üf die erden?
Schlauraffe war somit ein sehr gebräuchliches wort, und
als sich das französische märchen vom lande Goquaigne in
Deutschland einbürgerte und sich nun auch ein deutscher name
dafür nötig machte, erschien die bezeichnung als schlauraffen-
land, als land gedankenloser müssiggänger, sehr geeignet
Sie ist in der tat auch äusserst charakteristisch fllr die ten-
denziöse färbung, welche das märchen im deutschen erfuhr:
menschliche schwächen, besonders unfleiss und trägheit zu ver-
*) Mone, Anzeiger VIII, s. 615.
B«itrKge snr gesohloht« der denUchan •praoh«. V. 27
418 POESCUEL
spotten und dadurch zugleich vor ihnen zu warnen, eine ten-
denz, die auch zahlreichen anderen märchen eigen ist
Die erste uns bekannte erwähnung eines Schlaraffenlandes
findet sich in den fastnachtsspielcn an zwei stellen, aus denen
aber nicht zu ersehen, was man sich eigentlich darunter vor-
stellte. Es wird einfach genannt, um ein fernes unbestimmtes
land damit zu bezeichnen, ähnlich dem Narragonia, auf welches
Brants narrenschiff zusteuert, z. b. s. 58 (Keller):
Der ist kumen aus fremden landen her,
Ferre aus Schlauraffon;
ebenso Narrenschiff c. 108, 5:
Wir faren vmb durch alle landt
Von Narbon jnn Schluraffen landt
Um dem lande grössere glaubwürdigkeit zu verleihen, gibt
man ihm bisweilen auch eine geographische bestimmuug und
verlegt es wunderbarer weise in ziemliche nähe, in den Süden
des reiches, so in der zweiten stelle der fastnachtsspiele, s. 721 :
Der vint vns zwischen Wien vnd Prag
Bei ainander in der Schlanraffen lant
In der stat Pomperltfrel genant etc.
und eine ähnliche bestimmuug enthält der Vocabularius ex
quo von Ettenheim - Münster zu Karlsruhe: Alphie, diltsche
berge zwiischent den Diitschen und den Walhen, proprio der
Shluraffen land.^)
Dass die ursprtlnglich mit diesem namen verknüpften
Vorstellungen wirklich die von einem lande des müssigganges
und wollebens waren, unterliegt nach der bedeutung des
Wortes keinem zweifcl, und es ist daher erst eine secundftre,
freilich äusserst naheliegende Verwendung, wenn man sich eine
verkehrte weit überhaupt darunter dachte und in den so be-
liebten lügenmären gelegentlich das schlauraffenland zum sitze
aller nur erdenklichen Unmöglichkeiten machte; doch passte es
eben dazu ganz besonders, weil ja die ersoheinungen der
Itigenwelt gewöhnlich in eine zeit oder ein land verlegt wur-
den, welche selbst in fabel und Widerspruch aufgehen. So
wird schon 1548 bei Alber us, Dialogus vom Interim, das sehlau-
') Mone, Anz. VIII, s. 615.
SCHLARAFFENLAND. 419
raffenland als das land bezeichnet, wo man den, der die
gröBte lüge sagen kann, zum könige macht ^)
Das märchem vom schlaraffenlande der Grimmschen
Sammlung no. 158 führt diesen namen mit unrecht, es ist nach
einem gedichte aus dem 14. Jahrhundert: so ist diz von lüge-
nen^) erzählt und bietet weiter nichts als eine aufzählung er-
logener dinge:
Ich sach eins mftles in der afifen ztt
An einem kleinen stden vaden
Röme und Läträne tragen,
Und einen fnozelösen man
Laufen für ein snellez pfert etc.
Von dem schlaraffenlande ist darin gar nicht die rede, nur
eine linde mit heissen fladen und ein honigfluss, der vom tale
den berg hinauiläuft, erinnern ein wenig an dasselbe, und
jene angäbe 'in der äffen ztt', wofür Grimm ohne weiteres 'in
der schlauraffenzeit ' einsetzt, ist zu vergleichen mit solchen in
anderen lügenliedem, wie z. b. zu Weihnachten im sommer,
zu pfingsten auf dem eise u. a.
Mehr anklänge bietet das land Eurrel murre in dem
Wahtelm»re ^), wo
Die huser sind gedaokt mit fladen
Und gezeunet mit wursten. —
Do get die gans gebraten
Und treit vil wol beraten
Daz messer in dem snabele
Den pfeffer in dem nabele,
Unde ist die weide so gesnnt,
Als gebraten in den munt
Varen einem die swalwen.
Doch sind diese dinge auch hier nur beiläufig erwähnt, weil
sie zu den übrigen lügen sehr gut passen, ebenso wie im
Finkenritter, einem kleinen lügonromane aus der zweiten hälfte
des 16. Jahrhunderts, die fleischdächer und bratwurstzäune.
In einem liode auf einem fliegenden blatte aus dem anfange
des 17. Jahrhunderts: Das now Schlauraffenland^) weist ein
0 Weigand, Deutsches Wörterbuch s. v. Schlaraffenland.
>) Altdeutsche blätter I, s. 163.
') Massmann, Denkmäler I, s. 105.
*) Uhland, Volkslieder no. 240 a. s. 632; zuletzt bei Franz M.BOhme,
27 •
420 POESCHEL
blinder den weg, ein lahmer läuft voran und bestellt herbergo,
auf einem schifte, das nicht da ist, fährt man über u. 8. w.
Jedoch für uns ist dieses lügenschlaraffenland hier von ge-
ringerem Interesse.
Das älteste gedieht, in welchem das Schlaraffenland in
dem ursprünglichen und noch uns geläufigen sinne des wertes
dargestellt wird, scheint das von Zamcke^) aus einer Wiener
handschrift mitgeteilte zu sein: Ein hubscher Spruch vonoi
schlauraffenlandt, welches nicht allzulange nach dem erscheinen
von Brants Narrenschiff entstanden sein muss, da es gleich in
den anfangsversen direct an dasselbe anknüpft:
Es ist in khartz vergangen Jaren
Das narrenschifif vom landt gefaren.
Wer zu faul ist etwas zu lernen, gott und eitern verachtet,
wer tag und nacht beim spiele verprasst und um weib und
kind sich nicht kümmert, wem eigenlob gefallt u.s.w., die alle
sin<l gut für schlauraffenland , dort finden sie die gebührende
anerkennung. Auch liegt das land
nit im paradeis,
Da was verpottn etlich speys,
hier kann mau ungestraft von den fladendächern und wurst-
zäunen essen, da die lücke sich immer wider von selbst aus-
füllt; gebratene tauben, brunnen von hier und wein fehlen
natürlich nicht.
£ine anspielung findet sich auch im anfange jenes jahr^
hundcrts in Geilers von Keisersherg predigten über das narren-
sciiift'^), er nennt das land terram promissionis ridiculosam et
fabulosam, ubi tecta ex laganis sunt confecta, montes incaseati,
lapides zuccarei, fontes lacte et fiuvii melle fluentes, ubi albi
panes triticei in arboribus pendent cum phialis vino optimo
pleuis,. sepesque ex farciminibus texti et assatae columbae in
ora Volant hominum. Ua Keisersherg die sage f&r seine
geistlichen zwecke verwenden wollte, so konnte er nur die
eine seite davon hervorkehren, nämlich die ftlle aller mate-
Altdentsehes liederb. Leipzig, Breitkopf n. H&rtel 1877, s, :i6l. — Zu dem
titel: Das new Sohl. vgl. Uhland, Schriften III, s. 326 anm. 208.
«) Narrenschiff s. OXXIl.
*) S. Zarncke, Narrenschiff s. 457.
SCHLARAFFENLAND. 421
riellen guter, welche dann leicht umzudeuten waren, während
er die in diesem lande privilegierte Faulheit und unsittlichkeit
verschweigen muste.
Ausfllhrlich wird Schlauraffenland zum ersten male ge-
schildert in dem bekannten prächtigen schwanke Hans Sachsens
vom jähre 1530.^) Bei ihm liegt es drey meil hinter weynachten,
eine witzige Ortsbestimmung, wie ähnlich in dem Wahtel-
msere das Numer dume amen 'jensit mantages' gelegen ist.
Die aufgäbe, die man erfüllen muss, um dorthin zu gelangen,
ist ganz dem Charakter des landes entsprechend: es gilt, sich
durch einen berg hirsebrei von drei meilen durchzuessen.*)
Nicht nur faulheit, sondern auch alle übrigen laster und Un-
anständigkeiten werden mit gut und würden belohnt, während
man sich durch verstand und ehrbarkeit unmöglich macht.
Deutlich an das land Goquaigue erinnert noch der junckbrunn,
andererseits aber finden sich hier originelle volkswitzige züge,
wie wir sie in keiner romanischen darstellung lesen, so z. b.
dass die pfcrde ganze körbe voll eier legen und die esel feigen
schütten, sodann der spasshafte zug von den bauern, welcher
sich in der Zimmerischen chronik III, 155 widerfindet: — wie
man sprucht von den pauren in Schlauraflbniandt, die uf den
paumen wachsen, und da sie zeitig, fallen sie hemuder mit
den fuesen geradt in die stifi*el, die inen gereht und unter den
paumen auch gewachsen sein. Hans Sachs schliesst mit einer
uutzanwendung für die Jugend seiner zeit, für welche das
schlaraflfenland von den alten zur strafe erdichtet worden sei.
Weniger bekannt ist der oben angedeutete schwank:
Der Sturm des vollen berges (12. december 1534), zu welchem
Hans Sachs durch die kenntnis der italienischen fastnachts-
belustigung Guccagna angeregt wurde. Mit köstlichem hunior
schildert er, wie in dem schlauraffenlande, wohin er die ganze
erzählung verlegt, ein gewaltiges trunkenes beer unter führung
Epicurs das schloss, genannt zum vollen berg, bestürmt, das
aus hirsbrei, wursten etc. gemauert ist. Ihre schanzkörbe sind
0 Gedruckt z. B. in Goedeke u. Tittmanns deutschen dichtem des
16. jahrh. V, s. 30 ff.
^) Vgl. Arndts uiäruhen no. 5: Clab Avestaken trisst aich durch
einen ungeheuren pfannkuchenherg ein jähr lang hindurch.
422 POESCHEL
weinßLsser, ihre geschUtze von grossen kandelu^), und mit
bratwürsteu werden sie augezündet Die gegner kämpfen
unter Bacchus, von mittag bis mitternacht fliegen die esswaaren
herüber und hinüber und richten grossen schaden an. Beson-
ders treffend sind die traurigen folgen dieser grossen prOgelei
beschrieben :
Mannicher seckel het den grim,
Sein rock liesz mancher hinter im etc.
Da ward iedem ein toller köpf,
Ein lärer säckel, ein voller kröpf,
Auch gantze schuld, zerriszne kleyder.
Das war die beut der parthey beydor,
Damach ward ein anstand gemacht
Bisz auf die nechste Fassenacht,
Da Werdens wider zu feld ligen,
Vnd wer lust het mit in zu kriegen,
Der füg sich ins Schlauraflfenland.
Alle späteren gedichte und anspielungen verraten mehr
oder weniger bekanntschaft mit den schwanken von Hans
Sachs. Meist wird in ihnen das, was dieser wolweislioh nur
kurz andeutet, unsauberkeit und laster, in grosser breite aus-
geführt, so z. 1). in einem von Zamcke^) abgedruckten aus
einem fl. bl. noch des IG. jahrhuudei*ts: Ein abentheuriseh lied,
in dem Roten Zwingerthou etc. Die läge des landes drei
meyl hinter Weihnachten wird noch etwas näher angegeben:
zur lincken handt
nahent beym Paradeyse
daselben loyt Schlawraffenland,
und durch schneo und eis muss man zu ihm gelangen. An
den anfang des liodes:
In disem land kann jch nymmer beleyben,
Meyn lange zeyt vnd weil also vertreiben,
klingt die erwähnuug des schlauraffenlandes in Fischarts Gö-
sch ichtklitterung c. 8 ausserordentlich an:
In dem Land kann ich nit mehr bleiben,
der lufft thut mich in Schlauraffen treiben,
*) Vielleicht ist es kein blosser zufall, dass auch B6ranger in seinem
gedichte 'Yoyage au pays de Cocagne' erzählt:
Les canons mdme
De Sucre sont faits.
*) Narrenschiflf s. 455.
SCHLARAFFENLAND. 4 23
uud auch der milchramregeD, zuckcrerbscnliagel , spoysold n. a.,
die bei Hans Sachs nicht vorkommen, macheu eine bezieliuug
zu diesem Hede sehr wahrscheinlich, wogegen die weinheldten
bei der stürmung des vollen bergs natürlich auf Hans Sachs
zurückgehen.
Durchgehende, zum teil sogar wörtliche Übereinstimmungen
mit Hans Sachsens schwank zeigt ein in zwei redactionen auf
fliegenden blättern aus dem anfange des 17. Jahrhunderts er-
haltenes gedieht im Lindenschmidtsthon, nach welchem das
märchen vom schlauraffenlande in Bechsteins Sammlung er-
zählt ist Die ohne zweifei ursprünglichere gestalt gibt die in
Haupts zeitschr. U, s. 564 ff. gedruckte redaction von 34
Strophen^), während die von 37 strophon, welche Hoffmann,
Altd. bl. 1, 8. 168 abdruckte, sich durch eine nichtstrophiscbe
einleitung, zahlreiche zusammenziehungen und einschiebsei als
eine Überarbeitung erweist. Mit dem früher genannten liede
vom neuen (lügen-) schlauraffenlande berührt sich dieses gedieht
insofern, als auch hier empfohlen wird, sich bei einem blinden
oder stummen nach dem wege zu erkundigen.
Zwei lieder, die mir nicht zugänglich waren, führt Goedeke,
Gnindriss s. 232 unter no. 28 an : Zwey Newr schöner Lieder
ins Schillers hoff thon (Zwen Brüder waren aus schlauraffen
laut) vnd ins Saxen kurtzen thon. Hans Guldenmundt 4 bl. 8 ^,
und ausserdem s. 282 unter no. 46 a eine prosa aus dem 16.
Jahrhundert: Vom Schlauraffen Landt. Eyn vast kurtz weilige
vnd lustige Historie zu lesen. Wormbs Seb. Wagner 1541.
12 bl. 40.
Schliesslich verdient auch ein Volkslied in österreichicher
mundart über das Schnädäfiland genannt zu werden, welches
Anton Peter, Volkstümliches aus Oestreich-Schlesien I, s. 73 f.
no. 198 aus der gegend von Odrau und Wagstadt mitteilt.
Das lied ist aus verschiedenen lügenliedern zusammen geflossen,
besonders ist das vom neuen schlauraffenlande benutzt, wie
aus den versen 23 — 26, vgl. mit str. 15 (Böhme) deutlich er-
kennbar:
>) Jetzt auch bei BOhme, Altd. Ifederb. no.278a, s. 362 ff.
424 POESCHEL
Dnet hoot a Bleind*r an Haas Der blind hat ein eiohhorn geiehen,
gpsaan,
A Kronmm'r hootn d'rlauft, Der lamerliefs mit sein grossen sehen
25 A Nackig*r hoot-n aen Baosum Der nacket hats in busem gesoho-
g*t&än, ben etc.
A SchtoummT hoot'n f'rkauft
Ebenso ist das offene geständnis im eingange: s'is äch h&ub
d'rlooge dasselbe wie dort str. 12 und 15: es ist wol halb er-
logen. Daneben war aber auch irgend eine auf Hans Sachs
zurückgehende dichtung, vielleicht sogar dessen schwank selbst,
von entschiedenem einflu^s, man vergleiche nur die verse
9 — 20 des Peterschen gedichtes, worin sogar die reime teilweis
mit denen von Hans Sachs übereinstimmen:
Hans Sachs v. 25—32
D. Meilch di lääft of a Gasse, Auf weidenkoppen semmel stehn,
10 D* Saamin di m äx'n an Waide, Darunter bäch mit millioh gehn^
War suppe wiu, läät sich äkhiin Die fallen denn in bach herab,
An suppt for äue Laite. Dasz jedermann zu essen hab.
D* Feischl'n schweimm-n aem Auch gehn die visch in den lachen,
Taichle Gsotten, braten, gsulzt vnd paehen,
G'soote an g'broote
15 War s' saar gaan asse tuut, Vnd gehn bey dem gestatt gar nahen.
Dam sain s* ni f-rboote. Lassen sich mit den bänden fahen.
V. 37—40
D' Schwain di 1auf*n gbroote Die säw all jar gar wol geraten,
reim,
8' h&än a MassT aem Reick, Laufen im land vmb, sind gebraten.
An war doo an Houngor hoot, Jede ein messor hat im rück,
20 Dar k&än sich schnaide a Darmit ein jeder schneid eins tttok.
8chteik
Einer kui*zen erwilhnung bedarf noch der seit dem 16.
Jahrhundert auch fUr das 8chlar<aflenlan<l häufig gebrauchte
name Utopia.
Zum ersten male bedient sich desselben Thomas Monis
in seinem berühmten buche: Do optimo reipublieae statu de-
que nova insula Utopia, worin er von einem fingierten Raphael
Hythlodaeus, einem >ie]gereisten portugiesischen gelehrteni
einen idealstaat schildern iasst auf einer inscl in dem eben
durch entdeckungen erschlossenen fernen westen, zugleich als
eine feine satire auf die Ubebtande in staat und kirche der
heimat. Zu seiner zeit bemerkten dies freilich nur wenige.
SCHLARAFFENLAND. 425
während die mehrzabl Feine darstelluDg fllr baaren ernst anf-
nabm. ^)
Utopia, von More selbst aucb mit Nasquamma {ov-roxla),
von Budaeus in einem briefe an More mit Udepotia umschrie-
ben, ist dann als bezeichnung fbr Nirgendheime aller art adop-
tiert worden; um nur zwei namhaft zu machen, von Rabelais
in Gargantua und Pantagruel, und nach dessen Vorgänge von
Fischart, der noch mehrere Synonyma dazu erfand: Nienen-
reich, Nichilburg, NuUibingen und Nullenstein.
Der von mir benutzten ausgäbe des Moreschen werkest)
ist eine äusserst kunstvoll gezeichnete karte der insel von
Abraham Ortelius beigefügt , auf welcher ausser der von More
selbst benannten hauptstadt Amaurotum zahlreiche städte,
flüsse etc. mit utopischen namen verzeichnet sind, wie: Non-
dumia, Eeinstadt, Guccagnola, Nuneville, oder Senzzaqua fl.,
Bettlos fl., Onwaeter fl. etc. Auf eine ähnliche karte bezieht
sich vielleicht die von Goedeke, Gruudriss s. 282 unter no, 46 b
erwähnte: Erklärung der Wunder-seltzamen Land-Charten Uto-
piae, Das ist das neu entdeckte Schlaraffenland (prosa um
1600). Wahrscheinlicher aber ist, dass wir hier die erste
spur humoristisch -allegorischer karten vom schlaraffenlande
haben, wie eine solche z. b. der Homann-Hübnersche atlas')
als komischen auhang enthält: Accurata Utopiae tabula, das
ist der neu entdeckten Schalck-Welt oder des so offt benann-
ten, und doch nie erkannten Schlarraffeulandes, neu erfundene
lächerliche Land-tabelle, worinuen alle und jede Laster in be-
sondere Königreiche, Provintzen und Herrschaften abgetheilet
werden etc., durch Author anonynius.*) Die himmelsrichtungen
werden hier bezeichnet durch den zeitlichen auf- und unter-
gang des wollebens, den ewigen mittag der auserwählten und
0 Vgl. Kudhart, Thomas Morut», München 1829.
2) Basileae apud Jo. Frobenium MDXVIII.
3) Cum priv. Sac. Caes. Maj. Noribergao 1732.
*) Vermutlich ist diese in den Hübnerschen atlas autgenommene
karte identisch mit einer bereits gegen ende des 17. Jahrhunderts ver-
öffentlichten, welche zu ihrer zeit viel aufsehen gemacht haben soll;
obiger Author anonymus wäre demnach der österreichische General
Schrebelin.
.|2() POKSCHEL
die cwi^c mittenmcht der gottlosen*), die l)eideii pole durch
das neue Jerusalem und den höllcnpfuhl; der zugaug: zu
erRteroni wird dureb die Virtutis Ardua, das rauhe Tugent-
GebUrg, iin^enioin erschwert, weshalb auch die ganze nördliche
zone Terra Sancta incognita geblieben ist, zum höllenpfuhl
dagegen (tihren bequeme niederungen, und auch der allenfalls
hinderliche Nothfluss wird durch die Teufifelspruck leicht
pjissierbar. Vom luventae regnum im nordosten ftlhrt der
Krebsgang der fleissigen und frommen Jugend durch das
Magni Stomachi Imperium, Mammonia und Prodigalia nach
der nordwcstlicli gelegenen Scnectae regio, wo er selbst zum
Krebsgang des sdilarafiischen wollebens wird. Im centrum
des fcstlandcs am Truncken-See, in welchem der Uel)er-Flu88
und ein arm des weitverzweigten Bier -Flusses münden, liegt
die hauptstadt Schlaraftcnburg. Weiter südlich sind die reiche
Hibonia, Respublica Yenerea, Stultorum regnum, Litigonia, Lu-
soria u. s. w., und der ganze gewaltige continent wird vom
Doli und vollen, dem Luder-Meer mit der Tobago insula, und
im nordwesteu von dem Traurigeu Meer bespült Dieses
wenige mag genügen; die ganze grosse karte ist mit unbe-
schroiblichcr Sorgfalt und trefflichem witze bis ins kleinste
ausgeführt.
Kurzer rückblick.
Was uns(;rem märchcn ursprünglich zu gründe liegt, die
sage von einer glücklichen, sorgenlosen kindheit des menschen-
geschlechtes, ist gemcingut aller volker. An der entwicklung
dieser sage bis zu der märchengestalt, wie sie noch uns
lebendig vorliegt, hat ein jedes der drei von uns betrachteten
gebiete seinen ganz besonderen anteil gehabt. Von den
Griechen erfuhren jene Vorstellungen eine eigentümlich ko-
mische ausbildung, und schon hier begann die i)an)die selb-
ständig zu werden, indem man zeitlich weit zurückliegendes
auf raumlich entferntes, namentlich auf das land Indien, Aber-
*) Dabei bezeichnet merkwürdiger weise mittag den norden nnd
mitternacht den süden, jedeutalls weil sich der antor Bcheate, die hOlle
nacli oben und den himniel nach unten auf der karte zu verlegen, wo-
gegen er fiir onten und westen die übliche läge beibehielt
SCHLARAFFENLAND. 427
trug. Auf romaniBchcm gebiete ward diese treunuiig völlig
durchgeflihrt und ein eigenes land als sitz jener läcberlicheu
Vollkommenheit erfunden. Im deutschen endlich gesellte sich
die moral dazu und verlieh dem märchen zu dem unterhalten-
den auch noch einen gewissen pädagogischen wert Mit recht
dürfen wir daher den schwank von Hans Sachs als gipfelpunkt
in der entwicklung des märchens bezeichnen.
LEIPZIG. JOHANNES POESCHEL.
NIBELUNGENFRAGE UND PHILOLOGISCHE
METHODE.
Im Anzeiger der Zsehr. f. d. alt. IV, 46 ff. hat Henning
meine jibliaiuUun^ zur Nibelungenfra^e besprochen. So wenig
ich im all«remeiuen eine erwiderun^ auf derartige besprechungen
für angezeigt halte ^ so sehe ich mich doch in diesem falle
veranlasst eine ausnähme zu machen; einerseits, weil es viel-
leicht von allgemeinem nutzen sein kann einmal gründlich die
groben Verdrehungen und Verwechslungen der einfachsten be-
gritle bloss zu legen, die sich hier wie öfter hinter vornehm
a!)sprechendcr nianier verbergen; andererseits, weil es sich
dabei um cardinalfragen handelt, nicht bloss der deutschen
Philologie, sondern der historischen Wissenschaften überhaupt
Mein kritiker tadelt zunächst, dass ich es nicht noch ein-
mal mit A versucht, sondern diese hs. mit Holtzm.inn, Zamcke
und Bartsch als abgetan betrachtet hatte. Ich habe mich dazu
um so eher ftir berechtigt gehalten, als seit Bartschs Unter-
suchungen keine einzige wirklich eingehende Widerlegung seiner
argumente gegen A versucht war. Das wenige aber, was seit-
dem in dieser richtung geschehen, sowie alles, was sonst zu
gunsten von A vorgebracht war, ist von mir berücksichtigt
und, wie ich glaube, mit überzeugenden gründen zurück-
gewiesen. Man sollte nun erwarten, dass Henning von seinem
Standpunkte aus gerade diese Zurückweisungen zu entkräften
versucht hätte. Aber nichts davon. *) Nur ein paar bemer-
M Eben SD weni^ läHbt »ich ScliünbHch, Zschr. f. d. Ostr.gymn. 1877,
3Si IT. (liii.'iuf ein. lUeoer teil meiner schrift wäre doch für ihn disca-
tierbar gewesen. Im übrigen uinaa ich bei Scbünbach im g^egensatze za
PAUL — NIBELÜNGENFRAGE. 429
kungen beziehen sich darauf. Es wird von 'Scherers berech-
nung über die einrichtung der Originalhandschrift' gesprochen,
die 'an sich für niemanden einen entscheidenden, sondern nur
einen bestätigenden wert haben kann\ Dem gegenüber er-
kläre ich, dass ich jedem, der nach meinen bemerkungen über
diese berechnung (s. 376 flf.) in derselben noch irgend welchen
Wahrscheinlichkeitsgrund findet, entweder die Urteilsfähigkeit
oder die aufrichtigkeit absprechen muss. Wenn sie aber für
sich nichts beweist, so beweist sie auch nichts im zusammen*
hange mit anderen gründen, zu denen sie in keinem causal-
nexus steht. Ich empfehle Henning die werte Schönbachs in
demselben hefte s. 13 zur beherzigung: 'addiert man noch so
viele nullen, so wird keine ganze zahl daraus.'
S. 385 habe ich das gewöhnliche verfahren bei der Ver-
teidigung der einzelnen lesarten von A zu charakterisieren
versucht Henning beschuldigt mich deshalb einer jesuitischen
praxis: ich müsse doch wissen, dass dies verfahren das ein-
zige sei, welches bei allen ähnlichen wissenschaftlichen fragen
überhaupt in an Wendung kommen könne. Ich weiss aller-
dings, dass dieses verfahren nicht selten angewendet wird,
aber ich weiss auch, dass es keine bohne wert ist. Denn mit
hülfe desselben kann man sich anheischig machen die ur-
sprünglichkeit einer jeden beliebigen hs. zu erweisen. Es ist
ein vortreffliches hülfsmittel in der band eines jeden, dem es
darauf ankommt, irgend eine behauptung zu verfechten, aber
wertlos für denjenigen, dem daran gelegen ist die Wahrheit zu
ermitteln. Meine Charakteristik der methode ist auch keines-
wegs eine carricatur, als welche sie H. bezeichnet. Er hat ja
auch selbst nichts angegeben, wodurch sich ihre wahre gestalt
davon unterscheidet. Aber allerdings ist das wirklich ange-
wendete verfahren die carricatur einer unter umständen gebo-
tenen methode. Ich will nämlich keineswegs leugnen, dass die
entwicklung eines textes sowol den weg zum bessern als den
zum schlechtem nehmen kann, auch nicht, dass beides zusam-
men sich in einer einzigen hs. zeigen kann; denn das letztere
kann begreiflich werden durch die annähme verlorener zwi-
Henning anerkennen, dasa er ein correctes referat Über meine schrift
gibt und meiner argumentation ein richtiges Verständnis entgegenbringt
4H() PAUL
sohenglieder. Was ich aber tadle, ist dieses , dass eine solche
allgemeine möglichkeit ohne weiteres als Wirklichkeit behan-
delt und willkürlich für einen bestimmten zweck ausgebeutet
wirdy während die berechtigung einer solchen annähme erst
für einen jeden einzelnen fall durch eine besondere Unter-
suchung festzustellen ist. Es steht erfahr ungsmässig fest, dass
bei weitem der gewöhnliche weg, den namentlich vom 13. Jahr-
hundert an die mittelhochdeutschen texte, speciell die. gedichte
der deutschen heldensage und noch specieller das Nibelungen-
lied eingeschlagen haben, der vom bessern zum sehleohtem
ist. Für das gogenteil muss man also einen zwingenden be-
weis verlangen, und diesen ist man uns bisher noch schuldig
geblieben. Für die annähme, dass das schlechtere eine ent-
stellung sei, verlangt man unter gewöhnlichen umständen gar
keinen beweis. Nützlich ist es jedenfalls ihn womöglich doeh
zu liefern, und es ist eben ein besonderes verdienst von
Bartsch, dies für die lesarten von A getan zu haben.
H. führt nun ein sonderbares argument zu felde, wodurch
den ausführungen von Bartsch (Untersuchungen 64 £) ihre
beweiskraft entzogen werden soll Er tadelt Bartsch, dass er
A einseitig angeschwärzt habe; es wäre seine pflicht gewesen
uns darüber aufzuklären, um wie viel unsorgfältiger denn die
textaufzeichnung von A wäre als diejenige von B. Diese ver^
Säumnis sucht er nachzuholen, indem er für str. 800 — 1400
Bartschs fehlerverzeichnisse aus A ein entsprechendes aus B
gegenüberstellt (s. 49 ff.), und er kommt zu dem resultate,
dass B ungefUhr eben so viele nachlässigkeiten enthalte als A.
Ein jeder, der die beiden hss. kennt, wird von diesem
resultate zunächst betroffen sein. Denn der allgemeine ein-
druck sagt ihm jedenfalls, dass A nachlässiger sei als B. In-
dessen den zahlen muss man wol glauben. Es verhält sieh
aber damit eigentümlich. Zunächst kommt es nicht bloss auf
die zahl, sondern auch auf die stärke der entstellungen an,
und man kann sich leicht überzeugen, dass unter den von
Bartsch angeführten stärkere sind, aLs unter denen, die EL
beigebracht hat. Das ist aber nebensache. Es kommt auf den
maassstab an, der bei der fehlerliste angelegt vnrd. Es sind
hier zwei möglich. Entweder beurteilt man die einzelnen hss.
rein aus sich heraus, indem man nur das als fehler anrechneti
NIBELUNGKNFRAGK 431
was aus innoren gründen nicht richtig sein kann. Oder man
beurteilt sie nach maassgabe der übrigen hss., indem man alle
ab weichungen von demjenigen texte zusammenstellt, der sich
aus einer vergleichung der letzteren als der ursprüngliche
ergibt.
Was tut nun H.? Er wählt den ersten für A, den zweiten
für B^ und daraus folgt, dass seine vergleichung grundfalsch
ist Bartsch will im wesentlichen nur diejenigen fälle zusam-
menstellen, in denen selbst Lachmann A aus den übrigen hss.
berichtigt hat Eine unbefangene kritik hätte sich noch viel
öfter dazu genötigt gesehen. Lachmann hat sich nach mög-
lichkeit dagegen gesträubt und hat auch eine menge solcher
ab weichungen aufrecht gehalten, resp. durch conjectur gebessert,
die sich auf das einfachste als entstellung des textes der re-
cension B erklären, zum teil nur aus dem gründe, um darauf
hin die betrefifende Strophe verwerfen zu können. Bartsch fügt
dann allerdings zur vergleichung auch einige von Lachmann
nicht verworfene abweichungeu bei, die IL wenigstens meistens
mitgezählt zu haben scheint Doch ist die zahl derselben
ausser bei den Wortumstellungen nicht sehr bedeutend. Da-
gegen hat Bartsch in seiner ausgäbe, von welcher H. ausgeht,
zwar die hs. B ein wenig zu sehr bevorzugt, er nimmt aber
doch zu derselben einen ganz anderen Standpunkt ein als
Lachmann zu A. Er verwirft nicht bloss, wie es der letztere
noch nicht einmal getan hat, alle sinn und vers entstellenden
abweichungeu, sondern fast durchweg auch die an sich un-
tadeligen lesarten, welche sich durch die autorität der übrigen
hss. der gruppe als unursprünglich ausweisen. Uebrigens wird
weiter die Zuverlässigkeit der vergleichung dadurch in ft'age
gestellt, dass weder Bartschs noch Hennings Verzeichnis ganz
vollständig ist Allerdings wirkt die beiderseitige unvoUstän-
digkeit ausgleichend.
Uni ein ungefähres bild von den Verhältnissen zu geben,
verzeichne ich die abweichungeu beider hss. von Bartschs texte
in den ersten 50 von H. verglichenen Strophen.
A. Von Bartsch angeführt: 806, 3 fuorte = ruorte\ 810, 3
zurzervile = kurzemle\ 811, 2 manigem = maniger] 818, 2
fehlt = swie] 820, 2 niht die rede = die rede ruht] 826, 4
genuoch (auch b) = niht] 828, 4 fehlt = diwe\ 829, 3 her ie
432 PAUL
= ie her] 833, 1 fehlt = die] 835, 4 kiemhiit = Kriemhilt\
838, 4 wip (Ja) = diu] 840, 4 wem = wen\ 846, 3 mich «»=
mn] also 15 fälle. — Von Bartsch nicht angeführt, aber auch
von Lachmann verworfen: 801, 1 zwo = 6z«; 802,4 weriicher
= wcetRcher] 807, 1 rvol = vol] 807, 2 zweimal geschrieben;
814, 2 gesach^) = gescach] 820, 4 gesach (b) = geschach] 824,
2 danmer = dannc] 826, 1 kunige = kütieges] 834, 1 moii =
waw ; gesach (B) = geschach ] also 1 0 fölle. — Von Bartsch
nicht augeführt und von Lachmaun beibehalten: 801,4 meman
da = da nienien] 806, 4 fohlt (DJd) = vil\ 807, 1 fohlt =
daz] 808, 1 manic pusune luie vil kreftecUch erdoz = vil kref-
tecltche lüte manic piisün erdoz] 808, 2 der schal wart »= wart
der schal] 810, 3 (b) manigen = manigtfn] 812, 2 fehlt »> t;//;
814, 4 fehlt (Jb) = vil] 816, 2 din, mide sin (Db) = sin unde-
din] 816, 4 wile daz (Jd) = wile] 817, 1 fehlt = «u; 817, 3
sam = alsmn] 818, 2 soUu = muost tu] 819, 1 fehlt »i jro/;
820, 3 fehlt (Dbd) = aller] 821, 2 fehlt = des selbe] 821, 3
ich im = ihs in] 822, 4 last die rede = die rede läzest] 823,
4 daz = vil] 825, 2 fehlt (J) = daz] 825, 4 fehlt (Jd) = der]
826, 1 sprach do (Db) = sprach] 827, 2 geiehen (fc) = wer^
y^Äen; 827, 3 so = 7iu] 829, 2 fehlt = ^«/6^; 830, 4 triwen =
entriuweti] 831, 3 fehlt = a7id] ir iht (I) — ir] 835, 1 fehlt
«B ^az; 835, 4 schostie = vrou^^e (aus schämen z. 3); 836, 3
kuniges (D) = künige] 837, 4 prunhilde ze leide = z« /eiilf
Prütüülde] 838, 3 fehlt = ^(/V/^; 839, 2 ^ir/^m (J) = geswigm]
lihte guot (J) = guot] 839, 3 fohlt = seihe] fehlt (Jad) =
de^i] 840, 2 fehlt = den] 840, 4 d/;t^/i = dlrden\ fehlt — an;
841, 3 fehlt = alle] 841, 4 triwen = entriuwen] 842, 3 o» <=
m; 843, 4 £?a (a) = des] fehlt = t;i7; 844, 1 diende = ^^
diefide] saiic (a) = gesanc] 845, 1 ?mc/ = m//; 845, 2 diaAl^
= gedahte] 846, 2 erf^/ = vrouwe {edel aus 846, 1); 847, 1
vro == rf/w vrouwe] 847, 2 enhende = an der hende] 847, 3
fehlt = erste] 848, 1 £?az (J) = diz] 848, 2 fehlt = vil\
849, 2 fehlt = wol] fehlt = und] 849, 3 fehlt (b) = hie\
849, 4 fehlt (b) = min] also 59 fälle. 15 + 10 + 59= 84. —
Ausserdem hat A in dieser partie noch einige zum teil etwas
bedeutendere abweichuugen, welche sich nicht wol unter die
*) Diese Schreibung wird von Bartsch s. 64 besprochen.
.'fk^
NIBELUNGENFRAGE. 433
von Bartsch aufgestellten kategorieen unterbringen lassen:
831, 4. 836, 4. 840, 2. 841, 2. 845, 4. 847, 3.
B. Von H. angeführt 800, 3 fehlt = er; SOi^ A der was
(D) = was] 804, 3 si = die] 807, 1 fehlt = ez] 807, 2 der shal
= schal] 809, 2 guotem = gtwten\ 809, A da = der] 810, 1
herlichiu = her liehen] 813, 2 fehlt = */; 814, 1 hovp = huop]
821, 4 div (i ausradiert) = do] 822, 3 friuntliche = friuni-
liehen] 825, 2 fehlt = du] 827, 3 beide (d, nicht leide) =
beider] 828, 1 da = daz] 829, 1 bürgenden «=■ Burgonden]
832, 4 wi = ßjy; 834, 4 war =^ iraW; 840, 2 fehlt = dicA;
843, 4 ir liehtiu (d) = liehtiu] 846, 3 ar mich = /r; also 21
fälle, wovon einer 3 mal geltend gemacht wird. — Von H. nicht
angeführt: 802, 3 het e (J) = e hete] 808, 1 crepfteliche =
kreftecJkhe] 810, 4 fehlt (Db) = da] 811, 4 den volgeie (d)
= volgeie] 818, 4 wizesi (d) = wizze] 819, 1 do vrou = die
vrouwe Dbd (aber AJ Bartsch); 821, 2 £?a (b) = dd\ 821, 3
Ää?re = horte] 823, 1 /awe = ich] 824, 3 d^ »ww = min]
827, 4 c«w (Jd) = ze] gan (J) = gegän] 831, 1 chleidete
= kleidet] 834, 1 gesach (A) *= geschach] 839, 4 werden immer
= iwmer werden] 840, 1 sprach do (d) = sprach] 843, 1
weinende (d) = weinde] 845, 1 ^i miY ir vrowen (J) -« miY ir
vrouwen gie] 847, 3 m/r durchstrichen = m; 849, 2 gedaht
(Ca) = gedaget] 20 fälle. — 21 + 20 = 41. Sonst finden sich
nur noch zwei abweichungen von Bartschs texte, welche B mit
mehreren anderen teilt, so dass die echte lesart zweifelhaft
bleibt: 829, 4 des grozen BDJbd = grdzen] 839, 1 schäme
ABJd = frouwe.
Wir sehen, wie sehr, von dieser seite her betrachtet, die
vergleich ung zu Ungunsten von A ausfällt, wobei noch gar
nicht berücksichtigt ist, dass die entstellungen in A meist be-
deutender sind. Indessen Henning wird von seinem Stand-
punkte aus diese art der vergleichung nicht berechtigt finden.
Sehen wir daher, wie sich die sache bei der anderen mög-
lichen verfahrungsweise etwa stellen wird. Es ist ganz klar,
dass, wenn wir B ohne rttcksicht auf die übrigen hss. be-
urteilen, ein grosser teil von der fehlerliste Hennings zu
streichen ist. Sind doch darin sogar nicht wenige orthogra-
phische und dialectische abweichungen aufgenommen. So selt-
samer weise wnschen, da es doch in unseren hss. ganz ge-
Deltrüfro mvu gesohlohte der (tontMhen ipraoh«. V 2S
434 PAUL
wohnlich ist das u neben rv zu sparen, weshalb auch gerwen
für geruowen kaum als ein versehen angesehen werden kann.
Femer mettene = metAne, jämerges, Burgenden, berechtigte
nebenform fllr Burgonden, 5 mal m für n im auslaut vor la-
bial, wo wahrscheinlich im Zusammenhang der rede immer
m gesprochen, nur nicht immer geschrieben wurde. Und noch
manches andere hätte als ungenauigkeit der Orthographie, wie
sie in den besten hss. vorkommt, kaum angeführt werden
dürfen. Dazu kommen eine reihe an sich ganz un verwerflicher
lesarten. Unter den von mir aufgeführten ist höchstens die
hälfte unzulässig; und wenn wir uns wie die Verteidiger von
A nicht scheuen, auch das schlechtere zu wählen oder durch
coi\jectur nachzuhelfen, so können wir noch mehr davon retten.
Aber zugegeben, H. hätte bemesen, dass B gerade so
nachlässig geschrieben sei wie A, was folgt daraus? Weiter
nichts, als dass eine einseitige bevorzugung von B gegenQber
den anderen hss. eben so wenig berechtigt ist als eine der-
artige bevorzugung von A. Will denn aber überhaupt jemand
B auf diese weise bevorzugen, wie es Lachmann mit A ge-
macht hat? Komisch ist Hennings Vorwurf gegen Bartsch, dass
er nicht auch die fehler von B aufgezählt hat Er hätte ihm
eben so gut vorwerfen können, dass er nicht die fehler von
D, J, d etc. aufgezählt hat. Wozu hätte er sich die unnütze
mühe machen sollen etwas zu widerlegen, was niemandem ein-
fällt zu behaupten ? Wenn aber H. mit seinem feldzuge gegen
die handschrift B irgend etwas gegen die recension B
ausgerichtet zu haben glaubt, so verwechselt er die elementar-
sten begrifife in einer weise, wie es niemandem begegnen dürfte,
der es unternimmt sich mit philologischer kritik zu bemengen.
Der nachweis der unzuverlässigkeit, den Bartsch fttr A geführt
hat, ist in seiner gUltigkeit, was H. nicht begriffen zu haben
scheint, vollkommen unabhängig von jeder beziehung auf an-
dere hss. Will man ihn entkräften, so muss man entweder
zeigen, dass die von Bartsch aufgeführten nachlässigkeiten
keine sind, oder man muss uns endlich einmal den gnmd
klar machen, warum nur gerade so viel, wie Lachmann aner-
kannt hat, als nachlässigkeit gelten, und warum anderes, was
genau ebenso aussieht, mit einem anderen maassstabe gemessen
werden soll.
NBBELÜNGENFRAGE. 435
Zu dem excurse über Bailschs fehlerverzeichnis habe ich
durch meiue abhandlung keine Veranlassung gegeben. Wol
aber habe ich Bartschs beweis für die Strophenauslassungen in
A gegen Scherers angriflfe zu sichern versucht. Hiervon, wie-
wol es einen cardinalpunkt betrifft, und damit über Lachmanns
kritik der stab gebrochen ist, schweigt Henning, doch wol,
weil sich nichts gegen meine argumentation einwenden lässt,
wenn überhaupt noch die ersten grundlagen aller historisohen
Wahrscheinlichkeit etwas gelten sollen.
Ich habe es s. 390 im falle, dass zwei recensionen eines
Werkes vorliegen, für ebenso möglich erklärt, dass beide un-
abhängig von einander aus derselben quelle geflossen sind, als
dass eine aus der anderen entstanden ist Deswegen werde
ich von H. s. 51 getadelt, welcher es natürlich findet, wenn
man zusieht, wie man mit äiner recension auskommt. Dass
die zweite von den beiden möglichkeiten das gewöhnliche sein
soll, widerspricht durchaus der erfahrung. In den seltensten
fällen ist von mehreren erhaltenen hss. eine aus einer anderen
abgeschrieben. Mit handschriftengruppen ist es nicht anders.
Sie entsprechen ja verlorenen handschriften. Ob die einzelnen
gruppen stärker oder schwächer von einander abweichen, ob
man sie geradezu als verschiedene recensionen bezeichnen
will, macht dabei keinen unterschied. Beispiele anzuführen ist
unnötig, da sie massenhaft vorliegen. Ein besonders lehr-
reiches beispiel liefert die in diesem hefte abgedruckte Marien-
klage. Allerdings wird in der regel die eine recension dem
originale näher stehen als die andere. Das nehme ich ja aber
auch von B an. Ich vermute für dieselbe gar keine derartig
durchgreifende Umgestaltung, wie sie zu den ausnahmen gehört,
sondern nur eine solche, wie sie bei den mittelhochdeutschen
texten, insbesondere den gedichten aus der deutschen helden-
sage ganz gewöhnlich ist.
Wenn nun aber H. behauptet, ich hätte mich, ohne auf
die erste möglichkeit rücksicht zu nehmen, von vornherein für
die zweite entschieden, so beruht diese behauptung widerum
nur auf einem mangel an unterscheidungsvermögen seinerseits.
Wo habe ich denn etwas von vornherein vorausgesetzt? Be-
schäftigt sich doch der grösste teil meiner arbeit damit, erst
zu untersuchen, ob irgend ein zwingender grund vorliegt, sich
28 ♦
436 PAUL
für die annähme der zweiten möglichkeit zu entscheiden.
Wenn man aber beweist , dass von zwei möglichkeiten die
eine geltung hat, so ist damit eo ipso die andere ausge-
schlossen. Dass ich bei der Fragestellung die zweite in den
Vordergrund stellen muste, liegt in der natur der sache. Um
sich zu überzeugen, dass ich die erste dabei nicht vergessen
habe, möge sich H. s. 412 fif. ansehen. Eine ganz andere
frage ist, ob meine argumente stichhaltig sind. Hätte ich da-
gegen getan, was H. empfiehlt, dann würde ich eben den
fehler begangen haben, den er falschlich an mir tadelt, von
zwei möglichkeiten die eine nicht berücksichtigt zu haben.
S. 53 macht es mir H. zum Vorwurf, dass ich einen un-
terschied zwischen den verschiedenen arten und graden der
reimungenauigkeit gemacht habe. Gewis wäre nur das ent-
gegengesetzte zn tadeln gewesen, wenn ich die fast allgemein
üblichen leichteren ungenauigkeiten mit den bedeutenderen zu-
sammengeworfen hätte, welche sich nur wenige dichter gestat-
ten, die in bezug auf die formale technik hinter ihrer zeit
zurückgeblieben sind. H. fragt: 'was berechtigt uns einen
unterschied zu machen zwischen fruo : d6 und Gem6t : tuot, zwi-
schen in : mi und tiaht : bedähi, zwischen sim : (tum und sun
: frumV Hierauf antworte ich folgendes. Auf den reim naht
: bedäht habe ich ausdrücklich kein gewicht gelegt (vgl. s. 410);
fruo : do ist kein ungenauer reim , sondern es ist die vollbe-
rechtigte nebenform duo^) einzusetzen, die schon Isidor hat
und die sehr häufig im reime gebraucht wird; die reime 9un
: tuon und sun : frum aber sind doch absolut versehiedener
natur. Und wo sind die parallelen zu Hagene : hdbeney : gor
deme, : zesamefie etc., von denen H. an dieser stelle wol weis-
lich schweigt? Die reime fiiht : lieht, in : sin, bräht : maM und
hört : gehört hätte ich anführen sollen. Sie gehören aber
natürlich unter die classe der beinahe allgemein gestatteten
reimfreiheiten, und tun gar nichts zur sache. Wir können den
unterschied der nur in äiner recension und der in beiden vor-
kommenden ungenauigkeiten sehr bestimmt dadurch charakte-
risieren, dass die letzteren niemals die consonanten betreffen.
Ist das nicht unterschied genug?
*) duo ist ursprünglich die vollbetonte, dd die proklitische oder
enklitische form.
NIBELÜNGICNFRAGE. 437
In bezug auf die tod mir angestellten rechnungen bemerkt
H. 8. 54: Mch denke sehr hoch von der Verdeutlichung durch
Zahlenstatistik, nuc muss man sehr darauf bedacht sein, nicht
alle fälle ; die nur äusserlich und rein formell sich zusammen-
fassen lassen, die aber innerlich einen ganz verschiedenen
wert haben können, über einen kämm zu scheeren; es bedarf
unter umständen dazu einer sehr feinen band.' Diese allge-
meinen phrasen zeigen, dass, wenn H. sich auch des vermisten
Vorzuges einer sehr feinen band erfreuen mag, er doch eine
Verfeinerung seines kopfes noch rocht gut brauchen könnte.
Denn es geht daraus hervor, dass er den zweck meiner rech-
nungen absolut nicht begrififen hat.
Die auf s. 427 angestellte rechnung betriflft die reim-
abweichungen. Allerdings sind die dabei von mir zusammen-
gefassten fälle verschiedener natur. Aber das wollte ich ja
eben damit beweisen. Nach Bartschs aufifassung sollten die
fälle alle unter dieselbe kategorie (die beseitigung ungenauer
reime) gehören. Meine rechnung stellt fest, was unter dieser
Voraussetzung der gleichen natur aller fälle, nach den gesetzeu
der Wahrscheinlichkeit hätte eintreten müssen. Aus dem Wider-
spruche des resultates mit den wirklichen Verhältnissen schliesse
ich dann, dass die fälle nicht alle unter die äine bewuste
kategorie gebracht werden können. In ganz analoger weise
habe ich durch die letzte rechnung festgestellt, was für Ver-
hältnisse zu erwarten wären, wenn wirklich alle von Bartsch
aufgeführten fälle der abweichung auf die tendenz zur aus-
fllUung der Senkungen zurückzuführen wären. Und die folge-
rung, die ich aus meiner rechnung ziehe, ist widerum, dass
die fälle ^ nicht alle über einen kämm geschoren werden
dürfen '.
Eben so wenig falsch ist der ansatz bei den rechnungen
auf 8. 421. 2. Es wird darin nichts anderes festgestellt, als
was bei blossem walten des Zufalles zu erwarten wäre, und
der schluss, der aus dem resultate der rechnung gezogen wer-
den kann, ist kein anderer, als dass die annähme des blossen
Zufalls zur erklärung der wirklichen Verhältnisse nicht aus-
reicht, und dass daher noch irgend ein moment für die erklä-
rung gesucht werden muss. Worin dies besteht, darüber gibt
die rechnung keinen aufschluss, und das ist eine von derselben
438 PAUL
ganz unabhängige frage. H. sieht sich ja auch selbst reran-
lasst nach einem solchen momente zu suchen. Dasjenige^
welches er dem von mir geltend gemachten gegenüberstollty
verdient allerdings geprüft zu werden. Diese prilfung ist aber
erst auf gruud erfahrungsmässiger beobachtungen möglich| die
ich noch vermisse. Sollte II. im stände sein diesell)en beizu-
bringen, so wird er mich l)ereit finden seinen gesichtspunkt
anzuerkennen. Irgend ein notwendiges glied in meiner schluss-
kette wird übrigens dadurdi nicht zerstört.
Wenn es H. als ergebnis seiner kritik ausspricht, dass
meine arbeit nicht gar viel neues enthalte, so habe ich dies
schon selbst bekannt. Aber eben so nützlich und mitunter
viel nützlicher als etwas neues aufzustellen dünkt es mich
etwas bestrittenes mr)glichst sicher und allgemein übei*zeugend
als richtig zu erweisen. Zugleich aber kam es mir auf einen
allgemeineren gesichtspunkt an. Ich wollte die milngel des ge-
wöhnlichen Verfahrens 1)ei derartigen Untersuchungen und die
notwendigkeit der berücksichtigung gewisser factoren einmal
an einem hervorragenden l)eispiele so genau wie möglich ver-
anschauli(;hen. Aber trotz der ausführlichkeit meiner darstel-
lung scheint es, dass das wesen des von mir angewendeten
Verfahrens von verschiedenen seiten gänzlich verkannt wird.
Hierher gehört wol auch die bemerkung, womit Scherer
im Anz. der Zschr. f. d. altert. IV, 105 den zustand der deut-
schen Philologie schildert: 'Man sucht die methoden zu
mechanisieren und was sich nicht mechanisch behandeln
lusst, das wird für unwichtig ausgegeben, oder die beschäfti-
gung damit soll inexacte tendenzen oder — den schrecklich-
sten der schrecken — journalistische ncigungen verraten; es
wäre in der tat sehr schön, wenn wir die methoden so aus-
bilden könnten, dass sie wie maschinen wirkten und dass es
ganz gleichgültig wäre, ob sie ein csel oder ein gescheiter
mensch handhabt ctcJ Ich glaube nicht zu irren, wenn ich
vermute, dass diese auslassung ausser gegen Zaincke wesent-
lich gegen mich, und speciell gegen meine Nibelungenarbeit
gerichtet ist.
lieber die 'journalistischen tendenzen' habe ich mich in
der Jen. literaturztg. 1S77 no. 27 klar genug ausgesprochen,
so dass CS keines wertes mehr bedarf. Es ist schlimm , wenn
NIBELÜNGENFRAGE. 439
Scherer darauf nicht anders zu erwidern yermag als mit der-
artigen, die Sachlage verdrehenden anspielungen, die freilich
wol dazu dienen mögen, ihm die bundesgenossenschaft alier
Journalisten zu gewinnen , die er ja sehr wol zu schätzen
weiss.
Was aber das ^mechanisieren der methode' betrijQFt, so
steckt dahinter wider eine kleine Verschiebung der begrififei
wie wir sie in der poleraik Scherers gewohnt sind. Wenig-
stens was ich unter ^mechanisieren der methode' verstehen
würde, ist etwas ^anz anderes, als was Scherer hier'meinen
kann, es ist etwas, worin gerade die schule, die sich mit dem
nauieu Lachmann schmückt, grosses geleistet hat. Man ver-
gleiche die art, wie verschiedene gedichte aus dem kreise der
deutschen heldensage genau nach der Schablone von Lach-
manns Nibeluugenkritik tractiert sind, wie die Lachmannsche
Vierhebungstheorie für die gesammte alliterierende dichtung
verallgemeinert ist, wie die metrischen regeln Lachmanns un-
geprüft die basis für die mittelhochdeutsche textkritik und
vielfach auch für die höhere kritik abgegeben haben, wie die
Lachmannsche zahlenmystik gespukt hat. War doch jede
Selbstbesinnung, jedes nachdenken über die berechtigung der
überliefeiiien methodo von jeher verpönt. Das ist allerdings
eine manier, wodurch auch dem mittelmässigsten köpfe ein
recept in die band gegeben wird, mit hülfe dessen er auf alle
fälle etwas zurecht braut. Auch in Scherers arbeiten blickt
vielfach die Schablone durch. Ich will damit keineswegs
leugnen, dass in ihnen auch noch etwas ganz anderes steckt.
Aber gerade diese alte Schablone ist es, wodurch er fast allein
mit der älteren Lachmannschen schule zusammenhängt. Und
dass seine schüler sich widerum bemühen, seine art zur Scha-
blone für ihre arbeiten zu machen, kann ein jeder leicht sehen.
Das nenne ich mechanisieren der methode, und stelle dem
gegenüber dasjenige verfahren, welches in jedem einzelnen
falle unmittelbar auf die natur der Vorgänge zurückgeht, um
die es sich handelt, und keine anderen gesetze anerkennt, als
die, welche daraus fliessen.
Was aber Scherer hier meint, kann doch wol nur eine
methode sein, die sich nur mit der mechanischen seite
der historischen Vorgänge beschäftigt, nicht mit den da-
440 PAUL
bei tätigen seelenkräften. Das mechanische liegt also gar
nicht in der methodo, sondern im gegenstände. Zur beurtei-
lung mechanischer yorgäng:e gehört aber keineswegs bloss
mechanische geistestätigkeit. Oder meint Scherer , dass zu
einem guten mathematiker, physiker oder Statistiker sich auch
ein esel schicke? Was speciell meine Untersuchungen betrifft,
so sind sie ja selbst fttr seinen schüler Henning nioht einmal
recht fassbar gewesen.
Wenn ferner Scherer die riehtung, der er sich gegenüber-
stellt, dadurch charakterisiert, dass sie überhaupt die Vertie-
fung in das Seelenleben vergangener geschlechter von der
Philologie auszuschliessen sucht, so ist dies ein Vorwurf, der
mich jedenfalls nicht treffen kann. Ich habe mich darüber
ebenfalls deutlich an der angeführten stelle der Litcraturztg
ausgesprochen. Und ich weiss nicht, ob er überhaupt jemand
trifft. Wärmt nicht Scherer trotz meines protcstes nur die alte
Verwechselung wider auf, die an stelle des Widerspruchs gegen
seine psychologie den Widerspruch gegen die psychologie über-
hau])t einsetzt? Oder hält er es schon für verwerflich, dass
man auf das so^^enanntc ' mechanische ' überhaupt gewicht legt,
dass mau es psychologischen combinationen als etwas gleich-
notwendiges an die seile zu setzen wagt ? Dann allerdings bin
ich seinem tadel unterworfen, und mit mir alle philologen, die
den namen vordienen. Wer es für keinen gewinn hält luft-
Schlösser zu I)auen, die vor dem ersten windstoss einer nüch-
ternen kritik in trümmer zerfallen , wem es darauf ankommt
auf festem gründe solide , wenn auch unscheinbarere bäuser
aufzuführen, der darf nicht fo geringschätzig von der 'mecha-
nischen methode' sprechen.
Es ist nun eine speciiische eigentümlichkeit in meiner
Nibelungenschrift, die Scherer vorzugsweise bei seinem vor-
würfe des mechanisierens der methode im äuge gehabt zu
haben scheint, nämlich die möglichst exact durchgeführte be-
rechnung des zufalls. Dies ist eben der punkt, auf den ich
bei meiner arbeit das meiste gewicht gelegt habe, eben weil
er so gewöhnlich veinachlässigt wird. Ich sehe wol, dass
noch mancher darüber aufgeklärt werden muss, welche stelle
denn eigentlich die berücksichtigung des zufalls bei philologi-»
sehen und historischen Untersuchungen einzunehmen bat
NIBELÜNGENFRAGB. 441
Jede positive ergänzung der geschichtlichen Überlieferung
durch combination besteht darin, dass zwei oder mehr über-
lieferte (resp. schon durch anderweitige combinationen ermit-
telte) tatsachen durch die ansetzung einer weiteren nicht über-
lieferten in einen causalnexus mit einander gebracht werden.
Eben auf der durch sie bewirkten herstellung des causalnexus,
und auf nichts anderem beruht die berechtigung einer jeden
historischen combination. Eine vereinzelte tatsache berechtigt
natürlich zu gar keiner combination. Das ist ein einfaches
logisches gesetz, welches aber, so selbstverständlich es ist, doch
oft genug übertreten wird, unter andern von Scherer; vgl.
Beitr. IH, s. 376.
Soll nun die hypothetische tatsache für uns annähernd
den wert einer überlieferten erlangen, so muss eine logische
nötigung zu der hypothese nachgewiesen werden. Und da
muss die erste frage sein, ob wir überhaupt veranlassung
haben irgend einen causalnexus zwischen den überlieferten
tatsachen, um die es sich handelt, zu vermuten; oder mit an-
deren Worten, ob dieselben in bezug auf einander zu-
fällig sein können oder nicht Diese frage ist es, die so
häufig übersprungen oder nicht mit der nötigen Unbefangenheit
beantwortet wird, und die doch so überaus wichtig ist, beson-
ders bei metrischen und stilistischen Untersuchungen und bei
der beurteilung von handschriftenverhältnissen. Die Versäum-
nis nach dieser richtung hin nachzuholen und dabei so exact
wie möglich zu verfahren, war die eigentliche tendenz meiner
Schrift. Das resultat einer derartigen unterscheidungsmethode
kann ein negatives oder ein positives sein. Entweder ergibt
sich, dass das zusammentreffen gewisser umstände nach den
gesetzen der Wahrscheinlichkeit ein zufälliges sein kann, und
dann folgt daraus, dass man nach keiner Ursache dafür suchen
darf; oder es ergibt sich, dass die annähme des zufalls gegen
die Wahrscheinlichkeit verstösst, und dann sind wir berechtigt
und verpflichtet, eine Ursache zu statuieren. Für beides habe
ich die beispiele gegeben.
Die bedeutung des zufalls für die geschichtsforschung er-
kennt auch Scherer an, vgl. Deutsche stud. I, s. 305, nur zeigt
er ebenda, dass es ihm flir eine richtige Verwertung desselben
an klarheit über die einfachsten grundbegriffe fehlt (vgl. Beitr,
442 PAUL
III^ s. 376). Wio hatte er auch sonst dem 'mechaniBieren der
metliode' dasjenige verfahren als das alleinberechtigte eut-
gegeustellen können , welches er mit den woi-ten charakteri-
siert: Svir sind immer noch darauf angewiesen, mit htllfe der
wenigen erfalirnngcn, welche uns eigenes und genauer ge-
kanntes fremdes Seelenleben an die hand ge1)en, die im histo-
rischen loben sichtbar gewordenen Vorgänge in den seelen
längst abgeschiedener menschen zu erraten.' Als ob es jemand
eingefallen wäre zu behaupten, dass das letztere durch das
crstere irgend ersetzt, überflüssig gemacht werden könnte; als
ob nicht viclnrehr das eine nur die notwendige Vorbedingung
des anderen wäre. In gewissem sinne treten allerdings beide
in gegeiisatz zu einander, nur dass dieser gegensatz von Scherer
zu seinen eigenen gunsten in ein schiefes licht gestellt ist
Wenn nändich die Untersuchung über den zufall zu einem ne-
gativen resultate führt, dann sind alle derartigen combinationen,
wie sie von Scherer gewünscht werden, ausgeschlossen, und
zwar deshalb ausgeschlossen , weil sie für denjenigen , dem es
um die gesrhichtliohe Wahrheit zu tun ist, gar keinen wert
halben. Führen wir daher den gegensatz, um den es sich han-
delt, von Schorers Verdrehung auf seine wahre natur zurflck,
so besteht er darin, dass wir (die Vertreter der ' mechanischen'
methode) diese schranke der historischen combinationen aner-
kennen. Scherer nicht.
Dannt ist aber der volle umfang des gegensatzes nicht
erschöpft. Mit dem nachweise, dass eine ergänzung der über-
liefernng gesueht werden nuiss, ist noch gar nichts über den
inhalt dieser ergänzung ermittelt. Jetzt beginnt auch ftlr uns
die tätigkeit, von der Scheror wie von der einzig erforderlichen
spricht. Ich billige vollkommen die forderungen, die er stellt
Nur genügt nicht die ausschliessliche l>erücksichtigung der
l>sychologis(*hen factoren, von denen Scherer allein spricht
Gewis müssen sie im mittolpunkte unseres Interesses stehen.
Wer bezweifelt das auch? Aber etwas anderes ist das ziel un-
seres strebens, etwas anderes sind die mittel. Und es rftoht
sich, wenn irgend eines verschmäht wird, das zur erkenntnis
der Wahrheit dienen kann. Wer einen historischen proeess
constrniert, der, mag er psychologisch noch so folgerichtig sein,
phybisch nnniöglich ist, der <larf uns nicht verargen, wenn wir
NIBELUNGENFRAGE. 443
seine coustructiou verwerfen. Es gilt überhaupt alle einzelnen
umstände, die bei einem Vorgänge in betracht kommen , sich
mögliebst lebendig zu vergegenwärtigen, mögen sie an und
für sich bedeutend sein oder nicht; es gilt die trivialsten Wahr-
heiten so gut zu respectieren, wie die ergcbnisse der geist-
reichsten combinationen.
Die gestaltende tätigkeit der phantasie zu bekämpfen ist
mir niemals in den sinn gekommen. Aber ich behaupte, dass
sie zu wisenschaftlicher Verwendung erst gelangen kann durch
die engste Verbindung mit einer negativen kritik. Die auf-
gäbe derselben wird erstens sein zu verhindern, dass unstatt-
hafte liypothesen geltend gemacht werden. Als unstatthaft
aber bezeichne ich nicht bloss solche, welche den dienst nicht
leisten, für den sie zu hülfe gezogen sind, sondern auch alle
diejenigen, die in sich oder mit anderen feststehenden tatsachen
zusammengestellt , Widersprüche und un Wahrscheinlichkeiten
enthalten. Wie viel gegen diesen, doch selbstverständlichen
gruudsatz in der Lachmannschen schule gesündigt ist, wie oft
kleine Schwierigkeiten beseitigt sind, um grössere an ihre
stelle zu setzen, kann ich hier nicht im einzelnen ausführen.
Nur das bemerke ich, dass bei der prüfung einer hypothese
nach dieser ricbtung hin häufig eine ganz ähnliche methode
angewendet werden kann wie für die entscheidung über die
Wahrscheinlichkeit des Zufalls. Beispiele dafür habe ich in
der prüfung von IJartschs hypothesen über die reimabweichungen
und über die ausfüllung der Senkungen gegeben.
Aber noch ein anderer zweck ist es, dem diese negative
kritik dient. Was uns die positiv gestaltende tätigkeit der
phantasie an die band gibt, ist nichts anderes als eine gi-össere
oder geringere zahl von eventualitäten, unter denen die gefor-
derte Verknüpfung der überlieferten tatsachen möglich wird.
Es kann sein, dass von diesen eine durch die sonst bekannten
analogieen der entwickelung den entschiedenen Vorzug vor
allen übrigen behauptet £s kann aber auch sein, dass meh-
rere in völlig oder annähernd gleichem maasse durch analo-
gieen gestützt werden können. Und dann kann uns nichts
berechtigen, einer von ihnen den Vorzug zu geben, ausser
wenn wir alle übrigen als auf Widersprüche und unwahrschein-
lichkeiten führend ausschliessen können. Wo dies nicht mög-
444 PAUL
lieh ist, stehen wir an der grenze unseres könnens. Je all-
seitiger sich die phantasie die eventualitäten des geschehens
vorstellt, um so entschiedener wird sie zu ihrer ergänzung die
hülfe jener ausschliessenden kritik fordern. Und je klarer die
aufga)>e der letzteren erkannt wird, um so deutlicher springt
in die au^en, dass sie nur zum ziele führen kann, wenn die
erstere ihre Schuldigkeit vollständig getan hat Et ist eine
eitle anniassung, wenn jemand auf die kraft seiner gestaltungs
gäbe ])ochend jene ausschliessende kritik untergeordneten
geistern überlassen zu dürfen glaubt, wenn er denen, welche
dieser kritik bei ihrem eigenen und der beurteilung fremden
Schaffens nicht entraten wollen, ohne weiteres den mangel
oder die nichtachtung solcher gestaltungsgabe vorwirft. Ist es
doch häufig nur die einseitigkeit der phantasie, was den einen
zu scheinbar sicheren und imponierenden resultaten fährt, wo
der andere gerade in folge der grösseren Vielseitigkeit seiner
combinationeu auf bestimmte resultate verzichtet
£t)en diese einsoitigkeit des combinierens ist das haupt-
charakteristicum der heutigen Lachmannschen und Scherer-
sehen schule. Ich berufe mich zum beweise dafür auf das zeugnis
eines gelehi-ten, der ihr selbst angehört Schönbach sagt in
der Zschr. f. d. österr. gymn. 1877, s. 386: 'man wird dem
buche Pauls die anerkennung nicht versagen dürfen, daas es
ein mit bedeutendem fleisse gesammeltes material sorgfältig
verwertet, wenngleich das in der schule, welcher Paul
angehört, überlieferte schwankende erwügen von
möglichkeiten die resultate beeinträchtigt' Denselben
Vorwurf erhebt er in seiner recension von Zamckes Oraltempel
(Auz. der Zschr. f. d. alt 3, 167 ff.) gegen Zamcke und gegen
die meisten arbeiten, die bisher in unseren Beiträgen erschienen
sind, und empfiehlt ausdrücklich ein eklektisches verfahreDy
zunächst für die bestimmung von handschriftenverhältnissen.
Damit ist in der tat der gegensatz sehr gut charakterisiert
Auf der äinen seite^) wird verlangt, dass man nur genau so
0 Wenn Schünbach von einer schule spricht, die diese riehtmig
vertritt, BD kommt dies wol nur daher, dass er e» sich nach eigener er-
fahrung nicht anders vorstellen kann, als dass man einer schale ange-
hört. Ich muss gegen diesen ausdruck protestieren, wenn damit der In-
begriff gewisser Ichrmeinungen verknüpft sein soll. Oewis bekennen wir
NIB£LUNG£NFBA6£. 445
weit gehen soll, wie die mittel der historiBchen kritik, die ich
oben zu charakterisieren versucht habe, ausführen. Auf der
anderen seite will man darüberhinaus: 'resultat um jeden
preis' ist das losungswort; und das mittel, wodurch dies
resultat gewonnen werden kann, wenn die methodischen mittel
versagen, kann nichts anderes sein als ein willkürlicher
gewaltact
Dass ein auf solche weise gewonnenes resultat seinem Ur-
heber und selbst seinen fachgenossen eine gewisse befriedi-
gung zu gewähren vermag, ist psychologisch sehr begreiflich.
Ein jeder mag gern dem schmerzlichen bewustsein und dem
für manchen noch schmerzlicheren geständnisse entgehen, dass
er das ziel, um welches er sich gemüht, nicht erreicht hat
Kein wunder, wenn dieser wünsch mit in die wagschale fällt
und den mangel am gewicht der gründe ersetzt. So täuscht
man sich nicht nur gar zu leicht über die tragweite seiner
eigenen forschungen, sondern lässt sich auch wUlig fremde
resultate gefallen, ohne sie auf ihre letzten gründe zu unter-
suchen, weil sie die notwendige unterläge für den eigenen
auibau bilden. Hierin liegt ja eben die stärkste stütze für
den autoritätsglauben einer schule. Das ist, so lange sich
jemand sein verfahren nicht vollkommen klar gemacht haty
eine verzeihliche schwäche. Und wer könnte sich rühmen
derselben niemals unterlegen zu sein? Aber ein starkes stück
ist es, wenn aus dieser schwäche eine tugeud gemacht wer-
den soll, wenn mit bewustsein das überspringen der natür-
lichen schranken unserer erkenntnis gefordert wird. Hat doch
Scherer einmal ausdrücklich den mut des fehlens angeprie-
sen, und dass er ihn selbst in ausserordentlichem maasse be-
sitzt, hat er durch grandiose leistungen gezeigt Immerhin
wollte ich mir das noch gefallen lassen, hätte er ausserdem
uns gern als dankoare schüler Zamckes, aber eben deshalb, weil er nie-
mals etwas anderes erstrebt hat, als unser urteil zu Unbefangenheit und
Selbständigkeit heranzubilden, und nichts sorgfältiger von uns abgehal-
ten hat, als blinde Unterwerfung unter irgend eine autoritSt Wir haben
nichts specielles, was uns von unseren mitforschem trennen könnte, so-
weit diese nicht sich selbst absondern, um eine clique zn bilden, die
noch andere normen anerkennt als die, welche aus den gesetzen des
denkens und der natur der dinge fliessen.
446 PAUL
noch den mut^ einen begangenen fehler, den er selbst eins:e-
sehen hat oder der ihm von anderen nachgewiesen ist, unum-
\7unden zu bekennen. Aber von diesem zweiten, meiner tlber-
zeugung nach weit schätzbarerem mute habe ich leider bisher
noch wenig an ihm verspürt Und so lange das nicht anders
wird, wie soll man sich davon überzeugen, dass ihm das
fehlen nur als eine Vorstufe zur Wahrheit lieb ist, dass über-
haupt die Wahrheit das ziel seines strebens ist?
Meiner Überzeugung nach dient ein überschreiten der
grenzen methodischer erkenntnis nur dem persönlichen ehrgeiz
und dem parteiinteresso. Für die Wissenschaft ist es nicht
bloss nutzlos, sondern auch höchst schädlich. Zwar wird
immer viel von der anregung geredet, die damit ausgestreut
werde. Und gewis, niemand wird läugnen, dass auch un-
fertige und selbst falsche hypothesen dadurch, dass sie zur
Untersuchung herausfordern, fruchtbar werden können. Aber
dazu gehört immer, dass derjenige, welcher durch sie geför-
dert wird, sie als das, was sie sind, als problematisch erkennt
Wäre es nicht besser, wenn sie gleich ihr Urheber als nichts
anderes überlieferte, wenn er uns nichts von den schwierige
keiten, die noch ungelöst sind, nichts von den anderweitigen
möglichkeiten verschwiege? Wäre damit etwas von der an-
regenden Wirkung eingebüsst? So aber ist zu befürchten, dass
die anregung, die von ihm ausgeht, darin besteht, dass man
sich bei seinen hypothesen beruhigt und darauf weiter baut,
dass man sicli in eine einseitige richtung hinein verbohrt, aus
der schwer wider herauszukommen ist, in der vielleicht gene-
rationen hindurch viele schöne arbeitskraft vergeudet wird, ehe
sich mühsam die Überzeugung durchkämpft, dass man die
fäden wider anknüpfen muss, die man vorlängst der willkür-
lichen mache zu liebe hat fallen lassen. Schlimme erfahrungen
haben wir nach dieser seite hin in unserer Wissenschaft schon
gemacht und ich ftlrchte, schlimmere stehen uns noch bevor.
Mögen diejenigen die Verantwortung tragen, die daran schuld
sind. Ich fUr meine person und, gott sei dank, ich nicht allein
werde um so mehr trotz Schönbachs tadel es ftlr meine pflioht
halten, nach bestem wissen und vermögen dafür zu sorgen,
dass in den fragen, die ich behandle, einem jeden der blick
nach allen selten für das, was noch nicht abgetan ist, ojQfon
NIBELÜNGENFRAGE. 447
erhalten bleibe, dass kein problem, welches noch nicht wirk-
lich gelöst ist, durch voreilige entscheidung dem nachdenken
der mit- und nachweit entzogen werde. Es ist meine feste
Überzeugung, nur wenn dieser grundsatz allgemeine anerken-
nung findet, wird ein boden geschaffen, auf dem eine ruhige,
gedeihliche entwickelung unserer Wissenschaft, ein harmoni-
sches zusammenwirken aller kräfte möglich wird. Nur unter
dieser Voraussetzung gibt es einen ausweg aus der rechthaberei,
dem Cliquenwesen, den unseligen Zerwürfnissen, die seit decen-
nien der krebsschaden der deutschen philologie sind. Dies ist
die einzige basis, auf der ein dauernder friede geschlossen
werden kann. Wenn man dieselbe so perhorresciert , so zeigt
man eben damit, dass man die clique will. Im bewustsein,
dass das ziel, für das ich kämpfe, nichts anderes ist, als dieser
einzig gerechte und sichere friede, kann ich es mit ruhigem
gewissen hinnehmen, wenn ich von jener seite her als frieden-
störer bezeichnet werde. Denn die firiedensbedingung, die von
dorther verlangt wird und die ich zurückweise, ist die Unter-
werfung unter die cliquenherschaft, ist der tod der wahren
Wissenschaft.
FREIBURG i. Br., april 1878. H. PAUL.
ZU WALTHER VON DER VOGEL WEIDE.
in dem tone Walthers 31, 13 — 36, 10 ist von Lach-
mann die letzte zeile mit 7 hebungen angesetzt, und darin
sind ihm die späteren herausgeber gefolgt, wenn sie auch in
der construction des textes mehrfach abweichen. Man kommt
aber viel besser aus, wenn man 8 hebungen annimmt, wie
gerade diejenigen Strophen beweisen, die auch in A überliefert
sind, deren text also am meisten gesichert ist. 32, 30 hat L.
selbst im texte 8 hebungen beibehalten: fr&ge rvaz ich habe
gesungen, und ervar uns tverz verkere (so AC), in der anm.
vermutet er waz ich sunge, was Wilmans aufnimmt, während
Wackernagel und Pfeiffer andere wenig glückliche conjecturen
machen {und war umb erz verkere — daz er mirz verkere).
448 PAUL - ZU WALTHER.
32, 34 schreiben alle: wem aber ndn guoier cldserujere klage
U7id sere weifie ; AG haben ich woene, 35, 36 mit AG zu lesen
wi wie wiz der biderbeii herze sint, der si wH umbe kiren
(L. Wilm. Wie wiz der biderben, Wack. P. we wie wiz der).
33, 10 lüiser alter frbiie der stet utider einer übelen traufe
(L. fr 071 der st under, Wack, P. Wilm. frdn der stet undr).
32, 26 dirre zoni ist äne alle schulde weiz got unser beider
{an alle AG, äne die ausgaben). 31, 32 ist nach der besBera,
auch im übrigen von den herausgebern bevorzugten ttberliefe-
rung BG zu lesen : herre, büezet mir des gastes, daz iu got des
Schaches büeze\ Wack. und P. schreiben mit unzulilssiger kfli^
zung her — herr\ während L. und Wilm. aus der schlechteren
Überlieferung A nü aufnehmen. Andere zeilen können beliebig
mit 7 oder 8 hebungen gelesen werden. Man ändere daher
nur ein wenig die Schreibweise: 31, 22 du enbist] 32, 6 M
anwendest \ 32, 16 vinde ich] 33, 30 ze einem] 35, 6 mir ist]
35, 16 sumer unde. 32, 23 ist toerlnnen zu betonen, vgL dar-
über Wilm. 8. 38. 36, 10 kann das von L. wol mit recht
conjicierte siyi auch si efi gelesen werden. 35, 26 lesen L.
und Wilm. nach G wis du von ddn, Wack. und P. nach A wt$
du von m; durch combination beider lesarten ergibt sich wis
du V071 m dan, 34, 14 ist lückenhaft und kommt nicht in be-
tracht Es bleiben nur noch 2 zeilen, in denen die Überliefe-
rung nur 7 hebungen ergibt Diese sind aber nur in B über-
liefert, so dass eine abhülfe durch conjectur viel statthafter er-
scheint als in den von den herausgebern geänderten zeilen.
33, 20 kann man alsu^ statt sus lesen; 34, 3 vielleicht dU6
statt so,
FREIBURG i. Br., juni 1878. H. PAUL.
BEITRÄGE ZUR SELALDENMETRIK.
Jüie bestimmungen über deu metriscfaen bau skaldischer
verse, welche die jüngere Edda in den erläuterungen zu Snorris
Hittatal überliefert, leiden trotz ihrer überfülle an detailvor-
schriften über künstlichere Strophen- oder versformen an dem
fühlbaren mangel, dass genauere gesetze über den bau der
regelmässigen drottkvsettstrophe, wie sie bei den älteren skal-
den vorzugsweise üblich war, aus ihnen vielfach sich nicht ab-
leiten lassen. So ist z. b. von dem wichtigen erst durch £.
Jessen aufgedeckten gesetze über den trochaischen resp.
spondaischen ausgang aller drottkvsettverse (vgl. zs. f. deutsche
phil. II, 1870, 140 f.) dort nirgends die rede. Insbesondere
aber fehlt es durchaus an fassbaren angaben über die grenzen
der zulässigkeit überschüssiger silben: eine frage, welche,
ausser ihrem metrischen Interesse, auch für grammatische dinge
in den vielfältigsten richtungen von bedeutung ist. Ich ei^
innere in dieser hinsieht nur an die fragen, die sich an die
auffassung des sog. bragarmdl, d. h. die Verschmelzung enkli-
tischer wörtchen mit vorausgehenden vollwörtem, anknüpfen.
In folge dieses mangels fehlt es denn auch in den ausgaben
skaldischer verse durchaus an einer einheitlichen praxis in
der textconstitution. Nirgends fast findet man die consequen-
zen, welche die als bragarmdl bezeichneten kürzungen von
wortgruppen wie em ek, par es zu em-k, pars notwendig im
gefolge haben müssen, gezogen und zu klarer anschauung ge-
bracht. Erst Wim m er hat allerneuestens in der zweiten aus-
gäbe seines altnordischen lesebuches (Kopenhagen 1878) mit
entschiedenheit das princip verfolgt, den dröttkvaettvers auf
sein eigentliches mass von 6 silben zurückzuführen. Vollständig
Beitrüge sar geiohlobto der deutaeheu ipntohe. V. 29
450 SIEVEBS
frei von Schwankungen ist aber selbst er nicht; so wenn er
z. b., im anschluBs an den schreibgebrauch der ältesten hand-
schriften, zwar pöt, svat statt der späterhin üblichen p6 at,
svd at durchflihrt, aber pvi at beibehält (s. 94. 97 ; vgl. darUber
sein Vorwort s. XXI ff., bes. XXIII). So wird es denn nicht
unangemessen erscheinen, wenn im folgenden der versuch ge-
macht wird, aus den quellen heraus die notwendigsten fehlen-
den regeln zu ergänzen. Meine Untersuchungen erstrecken
sich aber einstweilen nur auf die fragen, welche die sil ben-
zahl dos drottkvajttverses betreffen, indem ich die an-
wendung der au diesem dargelegten metrischen principien auf
andere skaldische vcrsformeu und insbesondere auch auf die
eddischen lieder für eiue andere gelegenheit mir vorbehalte.
Zwei fehler waren bei der Untersuchung von vornherein
zu vermeiden. Einerseits durfte das zu sichtende material
nicht zu eingeschränkt sein, damit nicht voreilig vielleicht all-
gemeinere regeln aufgestellt wUrden, wo nur einzelbestim-
mungeu für gewisse zeiten oder persönlichkeiten berechtigt ge-
wesen wären. Andererseits hätte aber zu grosse ausdehuung
des arbeitsfeldos die gefahr nahe gebracht, etwaige entartungen
späterer perioden als solche nicht zu erkennen, wodurch der
einblick in die älteren gesetze bedeutend hätte erschwert
werden müssen. Um diesen beiden Schwierigkeiten zu ent-
gehen, habe ich ein in sich ziemlich abgegrenztes material be-
nutzt, das jedoch widerum in bezug auf mannigfaltigkeit nichts
zu wünschen übrig liess. Es sind nämlich, soweit menschliche
Schwachheit dies zuliess, sämmtliche dröttkvsettstrophen der
üeimskringla ed. Unger (H.), Morkinskinna ed. Unger
(M.), Fagrskinna edd. Munch und Unger (F.), Olafs saga
Tryggvasonar edd. Munch und Unger (OT.) und Olafs
saga Helga edd. Munch und Unger (OH.) vollständig aus-
gezogen und verarbeitet worden. Hinzugefllgt sind die in den-
selben werken überlieferten achtsilbigen hryuhentstrophen des
Aruorr jarlaskäld und die eigenen Strophen HallfreSs aus der
HallfrcÖar saga (Fornsögur edd. GuÖbr. Vigfüsson und Th.
Möbius, Leipzig 1860, s. 83 ff.; im folgenden mit Ha. be-
zeichnet). Die Heimskringla allein bot circa 3750 verszeilen
dar, zu denen aus den übrigen quellen noch ein ziemliches
quantum neuer verae hinzukommt, wenn auch ein grosser teil
SKALDENMETBIK. 451
des matcriales dort dasselbe ist wie in Heimskringla. Zeit-
licli umfasst dies material etwa drei Jahrhunderte, vom zehn-
ten bis zwölften einschliesslich, wenn man von der vereinzelten
Strophe H.7 absieht, welche dem alten Bragi zugeschrieben
wird. Von dichtem haben — vorausgesetzt dass die Über-
lieferungen ttber die Verfasser der mitgeteilten Strophen richtig
sind, was hier nicht untersucht, oder wenigstens nicht entschie-
den werden kann, da die ganze masse sich als metrisch
gleichartig ausweist — an der Sammlung anteil Amörr jar-
lask&ld, A'su)>6r8r, Borsi Torfiison, ßjami gullbrärsk^ld, Björn
krepphendi, Bolverkr Arnorssou, Bragi gamli, Einarr jarl,
Einarr Skilaglam, Einarr Skülason, Eldjärn, Eyjölfr d&Öa-
skald, Eyvindr skäldaspillir, Gizurr Gullbrärskäld, Glümr Gei-
rason, Graui, Guthormr sindri. Halldorr skvaldri, Halldorr
okristni, HallfreÖr vandraeÖask&ld, Haraldr harÖräSi, Haraldr
härfagri, Hirekr 1 Djottu, Hildr, HofgarÖarefr, Hornklofi, Illugi
Bryndoßlaskäld, JokuU, Jorunn skäldma^r, Kolli prüSi, Kormakr
Ogmundarson, Magnus konungr berfoetti, Oddr Eikinaskäld,
Ottarr svarti, Sigvatr PorÖarson, Sküli Porsteinsson , Sneglu-
Halli, Stefnir Porgilsson, Steinn Herdlsarson, Stüfr blindi, Tindr
Hallkelsson, PjöÖolfr inn hvinverski, t>6rarinn stuttfeldr, Por-
bjorn Skakkaskäld, I)6r8r Kolbeinsson, DörÖr Sjireksson, Dor-
finnr munnr, DorkcU hamarskäld, Porkeil Skallason, Porleifr
RauÖfcldarson, Porlcikr fagri, Dormoftr Kolbrünarskäld, U'lfr
stallari, ValgarÖr k Velli und Vigfüss Vlgaglümsson. Bei
weitem am stärksten ist Sigvatr vertreten, demnächst PjoSolfr.
Doch zur Sache.
Aus den commentarangaben der Snorra-Edda ist zunächst
nur der bekannte satz zu verwerten: hverju vlsuor&i fylgja
VI samstqfur (SE I, 596 AM). Die nächste bestimmung zu
Ilättatal Str. 7 (SE I, 608) trifft bereits flir unser gebiet nicht
zu: pat er leyfi hdttanna, at hafa samstofur seinar etia skjdtar,
svä at dragist fram etia aptr dr rSttri tnlu setningar, ok megu
finnast svd seinar, at fimm samstofur se i oöru ok enu fjdrba
visuor&i. Die hier vom commentator vorgeschriebene kunstform*),
*) Snorri solb»t hat an jener, lediglich aus der vorliegenden atrophe
29*
452 SIEVERS
welche Zeilen von 6 und 5 silbcn abwechseln läsBt, habe ich
nicht gefunden. Das minimum der sill>enzahl im druttkvsett
bleibt stets 6; die scheinbaren abweichungen davon entstehen
zum teil nur durch falsche Schreibung von Wörtern mit schwan-
kender silbenzahl, teils müssen sie — darauf weist ihre ge-
ringe anzahl hin — auf falscher Überlieferung beruhen. Dar-
über später unter C. genaueres.
Wenig besser unterrichtet zeigt sich der commentator in
seinen angaben über überschüssige silbeu. Er sagt a. a. o.
zu Ilattatal str. 8: 7iü skal st/tia svd skjdtar sanistofiir ok svä
seltar yicer hverja annarri, at af pvi eykr lengö orösöis (sc*
visuoriishis) :
klofinn sp}T ck hjalm fyrir hilinis
hjarar eg^; dugar seggir;
\f\i cru hehlr \>av er skokr skjolthi
skafin svertJ litut^ tertiär;
bila muna gramr, \>6 at guinna
gnlar ritr n&i Uta;
draga t'orir hann yfir lireinna
hvatan hrand pryiuu randa.
I/cr er i fyrsta ok /^rifija vLs*fwrfii niu smnstofury eti i otiru
ok i fjörtSa VII; her er pal synt, hversu flestnr sanistofur megu
vera i visuor^i meii drotikvfrfiutn h<Ptli, ok af pessit ma pat vitu
at IUI eba l'II megu vel hUffia I fyrsta ok pribja visuortii.
t pcssi visu eru ailar frnmhemihigar hlutheiidur, ok dregr pat
tu at lengja md oröin (sc. visNorÖin), at sein flestar samstofur
standi fyrir hendiiigar. Die angeführte Strophe fügt sich mit
gezogenen fonnulierung der regel gcwis keinen anteil, da er ja Über-
haupt, wie mir herr prof. MüMiis freundlichst bemerkt, ^deui didaktischen
zwecke ricines Werkes entd])rechend, dasjenige was in den wirklichen
ha'ttir als vereinzeUe ziorat oder licenz erscheint^ lediglich der grösseren
veranschanlicliung halber, an ganzen Strophen oxemplificiert, die da-
durch .als hosondcre ha^ttir erseheinen. Nicht allein dass man bei allum
reichtum der übeiiiet'erten skaldenl'ragmente nach derartigen atrophen
(geschweige denn ganzen gcdichten, die Strophe tiir strophc in dem be-
trelFenden hattr gedichtet wären) ganz vergeblich sucht, findet obige
aut'fassung ihre volle bestätigung in den Worten des commcntars SE I,
Olo AM, wonach die zw^eite licenz (leyfi) darin besteht, dass ein oder
zwei verse der Strophe alog oder detthent oder skjalthent zeigen dflrfen,
Snorri .aber alle diese drei durch bestmdere Strophen exemplificiert : aiog
Str. 27, detthent str. 29, skjalthent str. 3b.'
SKALDENMETRIK. 453
öiner ausnähme, nämlicli der dritten zeile*), noch yollkommen
dem unten zu entwickelnden schema des alten drottkysett;
nach diesem gelesen haben aber, wie sich unten ergeben wird,
die erste und dritte zeile nur 7, die fünfte und siebente nur
8 Silben statt der vom commentator gezählten 9, indem statt
spyr ek, fyrir, jjar er, p6 at, yftr suceessive spyr-k, fyr, pars,
p6-t, 0/ gelesen werden muss. Da nun auch in allen tlbrigen
Strophen die ausnahmen im HMtatal genau dieselben wie die
im alten dr6ttkva3tt sind, Snorri selbst aber offenbar mit ge-
nauer kcnntnis der alten gesetze gearbeitet hat, so muss der
commentator augenscheinlich seine zähl regeln aus einer ihm
vorliegenden abschrift construiert haben, welche jene ktlrzungen
der alten ausspräche wie alle jüngeren nordischen hand-
schriften ignorierte. Auch die bestimmung über die Stellung
der überschüssigen silbcn vor der frumhending, welche hier-
nach stets als hluthendiug erscheint, kann sich lediglich auf die
gerade vorliegende strophe beziehen , nicht eine durch diese
beispielsstrophc vergegenwärtigte allgemeine regel darstellen.
Denn gleich darauf zeigt die SE I, 612 angeführte halbstrophe
des Refr den vers titi erximk vitnis vd&a mit oddhending, und
solche verse sind ausserordentlich häufig ; s. unten unter A. II.
Soll aber etwa die regel nur so zu verstehen sein, dass bei
überschüssiger silbc an erster stelle des verses die frumhending
nicht oddhending sein dürfe, so trifft auch das auf das alte
drottkvaett nicht zu. Man vergleiche folgende verse:
a) aÖalhending:
iÖula rög d miölum — Bjarni II. 520 (OII. 238) »)
hofutJ sitt fromurn jofri — Einarr Skül. IL 742 (M. 225)
siöar ok jarl cnn J^riÖJa — Hallfr. F. 62
foöur (?) einn ok guÖ kvetJJa — Ha. 95
hnigu fjorvanir sigri — Uornkl. II. 56 (F. 9)
*) Auch diese zeile kommt noch iu wogtall, wenu man, wie mir
hcrr prof. Möbiua vorbchlägt, 'mit W pvi er liest (aing. am anfang für
plural, wie leikr S7, 5 für leika)\
') In klammern gesetzt werden die citate, welche auf denselben
vers verweisen, welcher aus einer andern quelle unmittelbar vorher aut-
geführt ist. — Ich 8chrci])e im übrigen die verse stets gleich so wie sie
correct zu lauten haben, um von vornherein den eindruck derselben
möglichst deutlich zu machen, doch in der gewöhnlichen späteren Or-
thographie.
454 SIEVERS
beni t6-k viÖ prek venjask — Jokull 11. 455 (OH. 191)
sotit hef-k opt vitJ betra — Jokull H. 455 (OH. 191)
biungul er dstar fuglar — Sigvatr H. 522
ekln düt^isk ra snekkju — tjöÖölfr II. 516
orum blduianna fjorvi — l>orgils M. 102
stotium kvaddi liÖ boÖvar - torm^Ör Kolbr. IL 477 (OH. 222)
(Irifu }?eii--8 eptir liföu — ValgartJr H. 5ti0 (M. 18. F. 114)
vili girnc^ar {'vi skiljask — anonym H. 603.
b) skothonding:
]7egi seimbrotar segja — Arnörr H. 515 (OH. 234)
Harald r vissi sik liverjum — Arnörr M. 120
hafa IcÄt iinga jofra — Bjami H. 519 (F. 95. OH. 236)
c8-at um allvalds risnu — Ein. Skül. U. 667
gofug let Uoni 6t hoföi — ^ r H. 696 (Oh. 24S)
hafa muna hoiSir jofrar — ^ » M. 192
geta {jykkjask J^oas gotnar — Hallfr. IL 217 (F. 67)
rana hofr seggr a svini — Ilalli M. 96
jjora mun-k j?ann arm verja — Ilaraldr H. 479 (F. »ü. OH. 209)
uni-k J>vi-t eigi synjar — Magnus M, 154 (F. 15^)
hafa lezt heiöska J9fra — Ottarr H. 284 (OH. 63)
tala minst es )>at telja — Sigvatr IL 22s (OH. 22)
hafa allframir jofrar , H. 378 (OH. 132)
mikill varS a sta5 Stikla . IL 490 (OH. 216)
sumir trüt^u ä gucü gumnar « H. 510 (OH. 233)
forum i vdpn ok verjum « IL 527 (OH. 239)
verit meö oss unz veröi — tjodoifr IL 75
skotit fnl-k Hkepti Üettum ^ IL 538
stat^ar hcfr stafn i mityu .. H. 539
mun-a fyr Magnus synja , 11.542
togu matt tekna segja « H. 550 (F. 108)
rofizk hafa opt fyr jofri « H. 555
hamalt syndusk mer homlu « 11.594
Haralds eru haukar görvir „ IL 620 (M. 116. F. 140)
vosa matt af J>vi visi — l>orlcifr Riuit^f. H. 170
rckiu bitu stAl k Stikla — bormt^tür H. 197 (OH. 22)
Haraldr görva 16zt herjat — ValgarÖr IL 560 (M. 17. F. 114)
bitu fikula tjotrar .. H. 560 (M. Ib. F. 114)
dreki f6r dagleiö mikla ., M. 19 (F. 115)
dugir siklingum segja — anou. IL 603
Onundr kvatJsk eigi mundu „ H. 781
sumir i but$ met$ humrum ^ M. 101
Man Hiebt, diese erschcinung ist nieht gar so selten; es sind
nahezu 1 procent aller verRe, die sie aufweisen (11 l)ei8piele
von al^alhenSing und 24 von skothendiug gegen die 3750 verae
SKALDENMETBIK. 455
von H.; es ist im übrigen auf die grössere freiheit zu achten,
mit der auch in dieser beziehung die zcilen mit skothending
gebaut sind, welche auch sonst weniger strengen gesetzen
unterliegen; als die zeilen mit aÖalhending). Der grund aber,
warum die erscheinung nicht noch häufiger auftritt, ist ein
sehr natürlicher, dass es nämlich schwer fällt, Wortpaare von
der hier, wie man sieht, erforderlichen form ^ ;^ und — ^ zu
finden, deren erste silben auf einander reimen können, ohne
das allgemeine gesetz von der gleichheit der silbenauslauten-
den consonanten zu verletzen. Aus diesen und zahlreichen
anderen fällen, die ich unterlasse durch beispiele zu illustrie-
ren, da sie nicht in unser gebiet direct einschlagen, steht wol
das fest, dass die regeln des commentars, als stets (oder doch
fast stets) nur aus einer gerade vorliegenden beispielstrophe
Snorris generalisiert und zwar oft falsch generalisiert, mit
äusserster vorsieht zu behandeln sind, eben weil sie auf die
tatsächliche praxis der skaldendichtung keine rücksicht nehmen.
Unsere weitere Untersuchung hat daher das recht, ausschliess-
lich an die letztere anzuknüpfen und aus ihr allein ihre resul-
tate zu suchen.
Dieselbe zerfällt naturgemäss in drei abschnitte, deren
erster die regeln über gestattete Überschüsse entwickelt, wäh-
rend der zweite diejenigen fälle bespricht, in welchen unge-
setzliche Überschüsse entfernt worden müssen; der dritte han-
delt von der ergänzung fehlender silben.
A. Das gesetz der sUbenverschlelfang.
Es gelten für das regelmässige drottkvsett folgende haupt-
regeln:
Jede zeile besteht aus 6 silben, d. h. drei takten
zu je zwei silben, deren erste den ton trägt, hebung
ist. Doch wird die wortbotonung im innern des
verses oft vernachlässigt
IL
Takt 1 und 3 haben notwendig die form jl ^, nur
für takt2 ist auch ^ ^ zugelassen. (Einsilbige Wör-
ter können dabei für lang gelten?)
456 SIEVERS
m.
Im erBten takt, selten im zweiten, kann je eine
der beiden ȟben nach dem princip der deutnchen
silbenverschleifung in zwei silben von der form 6^
aufgelöst werden. Die zweite dieser silben darf
keinen oder nur schwachen wortton haben. Die
auflöBung ist obligatorisch (zum teil nach II), wenn
überhaupt ein zweisilbiges wort von dieser form ^ y
im ersten takte gebraucht werden soll.
Der erste punkt, die einteilung der sechssilbigen reihe in
takte, ergibt sich von selbst aus allgemeinen metrischen prin*
eipien, sowie insbesondere daraus, dass (worauf mich herr
prof. Möbius aufmerksam macht) das letzte silbenpaar stets
durch ein selbständiges wort (sei es frei oder Schlussteil eines
compositums) gebildet wird, das nach dem germanischen
acccntgesetz nur ein paroxytonon sein kann. Aber auch die
dritte und vierte silbe werden als zusammengehörig dadurch
erwiesen, dass die licenzen für sie weit geringer sind als die
für die erste und zweite silbe gestatteten (s. unten).
Ebenso ist es an sich natürlich , dass der erate teil jedes
taktes die hebung trage. Es wird aber diese annähme spe-
ciell noch durch das eben angefühi*te gesetz des versausganges
auf ein paroxytonon bestätigt, welches dem letzten takte die
betonung ' ^ sichert, und was für diesen gilt, hat natürlich
bei rhythmischer gliederuug einer zeile auch auf die übrigen
silbenpaare im allgemeinen anweudung.^) Doch wird aller-
dings das natürliche gesetz, dass wortaccent und ictus zusam-
menfallen müsse, nur im letzten takte mit strenge gehandhabt,
wie bereits oben bemerkt ist.
Der zweite punkt ist zu einem teile, nämlich bezüglich
des dritten taktes, bereits von Jessen a. a. o. erkannt wor-
den ; dass jemand eine ausdehnung der regel Jessens auf den
ersten takt gelehii; und deren zusanmienhang mit der licenz
überschüssiger silben erkannt habe, ist mir nicht bekannt ge-
') Man vergleiche auch das untou unter A, II, A als einloitang
bemerkte.
SKALDENMETRIK. 457
worden. Ich halte daher diese regeln für neu und suche sie
deswegen mit ausführlichem materiale zu erhärten.
Dass zur ausfüllung des zweiten taktes 2 kurze silben
genügen, erfordert keinen eingehenderen beweis, da fast jede
Strophe dafür beispiele gewahrt Ich führe nur, um überhaupt
einige beispiele zu geben, die einschlagenden verse Horuklofis
aus der Haralds saga härfagra an (aus keinem andern gründe
übrigens, als weil diese die ersten in der Heimskringla sind,
von der einzelstrophe Bragis abgesehen).
hjaldrskit^s | ]7ramu | galdra
4t$r gnap- | salar | grimnis ]
riöviggs I lagar | skiöum I
giiyj7r6ttr | J9ru | dröttar ( "* ^^•
mannskoßt^r | lagar | tanna
rodd dyn | skotum | kv9ddu8k
retJ egg- \ litutJr | seggir )
hnigu 59r- | vanir I sigri j "* ^*'-
ok hjdlm- I tamit5r | hilmir |
BvartfikygtJ | bitu | seggi \
överö }y6Ö- | konungs | feröar ' ^' ^^'
H. Ü4.
hlaut and- | skoti | Gauta
margspakr | iiit5ar | varga
allr herr | skota | ]7verri
Das sind 14 beispiele auf G4 textzeileu, allerdings zufällig wol
ein etwas stärkerer procentsatz als der durchschnitt der ge-
sammtmasse ihn als resultat ergeben würde.
Ebenso wenig bedarf ein anderer, an sich zwar auflallig
genug dastehender satz eines weitereu beweises, dass nämlich
eine au sich silbenbildende liquida oder nasalis
nach einem consonanten geringerer schallstärke
(also namentlich verschluss- und rei belauten) ^) niemals als
silbe im verse mitzählt. Aus den letztaugeflihrten versen
gehören hierher die worte hjäldrsklbs, rför, gnjjpröttT , mann-
skreör, egglitubr, hjdlmtamibr, margspakr und allr, und solche
beispiele Hessen sich zu tausendeu anführen; am häufigsten
*) Ich kann hierüber auf meine Grundzüge der lauti)h. § 22 ver-
weisen, will aber doch hier wenigstens die frage nicht unterdrücken, ob
dieser satz nicht schliesslich darin seine erklärung finden könne , dass
jene laute zu einer zeit einmal tonlos gesprochen worden sind (über
tonlose nasale s. J. Hoffory, zs. f. vergl. sprachf. XXIII, 544 ff. als er-
gänzung und berichtigong zu Lautphys. s. 57).
458 SIEVEBS
nattlrlich erscheint so das r wegen der bedeutenden rolle, die
es in der flexion spielt, während / und n als bloss der ab-
leitung dienend etwas zurücktreten.
Dagegen gebe ich das ohne weiteres sichere material
fttr die auflösungen im ersten takt, soweit ich kann, yoUstiln-
dig, ohne jedoch die oben s. 453 f. angeführten beispiele m
widerholen.
I. Auflösung der ersten silbe.
A) Regelmässige auflösungen.
Es können alle Wortarten von der form ^ ^ zur auf-
lösung verwendet werden, doch erscheinen meist nur nomina
und verba, seltener adverbia.
1) aOalhending:
a) nomina:
hngi minn es ]7at sinni — Arn. H. 596 (M. 80)
Haralds brötJurson g(St$an — Bjarni H. 526 (OH. 238)
Danir v4ru }>ä b4ru — Bolv. H. 570 (M. 51. F. 121)
Syni MaddatJar staddir — Ein. Skül. M. 225
jofurr dyrr en y± fyrri — Eyv. H. HO (F. 28)
liugins j61 viiS nea )>jiSlar — Grani M. 53
sakar legf^t }?it beggja — Sigvatr H. 310 (OH. 82)
jofurr sighvatastr digri „ H. 516
jofur magnar gut) fagna « H. 523 (OH. 235)
At$a Isteins buendr seinir „ H. 527 (OH. 239)
f9t5arleifS konungs greifum ^ H. 527 (OH. 239)
kilir ristn haf lista „ OH. 55
Haralds ond ofar londum — Stüfr H. 572 (M. 11. 55. F. HO. 124)
Visnndr hnei^t^i |?rom sveigffan — |?jöÖölfr H. 529
Haralds bröt^urson M^n « H. 535 (F. 1 03. OH. 24 1 )
Haralds skeitJ und vef breit$am „ H. 539
J9furr yi aigr ens digra « H. 539
Solnnds 0 n^^r hverr v6 baeri „ H. 539
Sikiloyju gekk heyja , H. 550
gotu illa f6r stillir „ H. 557 (M. 14)
logt )>ingat$i Hringum „ EL 606 (M. 66. F. 133)
Haraldr sannar )7at manna „ H. 626
skipnn 9II vas ]>i snjollum , F. 130
*) Vgl. Selund nätfi fid si9an Guth. sindri H. 88 in einer skothent-
zeilo; diese auflösungen bieten einen neuen beweis fttr die von S. Bngge»
Tolkning af Rnneindskriften pä Röksteuen, Stockh. 1877, 57 ft. daige-
tane lursprttngliche kürze des e von Selund.
— Halld. 6kr. H. 212 (F. 64. 0 F. 57)
SKALDENMETRIK. 459
FJ9ru8keifr k her veifat — Mrarinn H. 687 (M. 189)
0 1 u m teitan mi sveita — I>orfinnr H. 47« (OH. 207)
Bvit5akveld vas )>at eldi — I>ork. Sk. H. 624
frami neitiak J>6r beiti — Valg. H. 559 (F. 113)
h9fut$ ögurlig pöga « M. 19
Ilaraldr ok Sveinn vit5 meinum — anon. H. 603
ofanreiÖ enn }y6breiÖi , H. 650 (F. 156)
Sigart$r jarl met$ hüskarla „ H. 781.
b) verba (einschliesslich inf. und pari):
svarat annum v^r gumnar — Bersi H. 254 (OH. 41)
bitu bengils son ongan I „. ^, ,, „
1 ' fi ^ u Z I — Ein. SkÄl. F. 143
dugir 088 f9t5ur hefna ' *. i-««
bugu8k dlmar geö fdlma — Eyv. H. 110 (F. 28)
segi vän HeÖins kvdnar — Gizurr H. 475 (OH. 207)
hnitu reyr saman dre3nra
slita drengir frit$ lengi
muni maör strfÖ of biöa — Hallfr. OT. 61
hofum gram kera framt^an » Ha. 94
erumk leit$ sonar reiÖi n Ha. 95
sofa karms met^al arma „ Ha. t07
muni enn )>innig nenna — Haraldr H. 558 (M. 15. F. 12)
eru merki )7ar verka » M. 16
fara apt vali krapta — Hdrckr H. 428 (F. 83. OH. 171)
hofum rdöit vel bdtJir — Sigvatr H. 248 (OH. 36)
koma herr i stat$ verra . H. 252 (OH. 39)
hafa drött p&-B fram 8Öttu „ H. 255 (F. 76. OH. 42)
er um heitJnir v6r reiöi ^ H. 308 (OH. bO)
ävara [^öttumk ek drottinn „ H. 430 (OH. 172)
eru v6r um svik 8kirir „ H. 431 (OH. 173)
erut um sp9rt$ ör G9rt5um . H. 522
hofum litinn dag 8litan ;, OH. 55
erumk leiÖ f9Öur reitJi — Stefnir OT. 50
hafi rik8 })ar-8 vel Mkar — Stüfr H. 555
segi-k eina 8p4 fleini — t>j6t$6ifr H. 570 (F. 121 ; Haraldr M. 51)
una Ukar vel 8liku — törör K. H. 217
hafizk hefr runnr af gunni — I>orloifr R. H. 170
borinu varÖ und miögaröi — I>orleikr H. 573 (F. 124-, tjöÖ. M. 57)
eru Vaeringjar fseri — ValgartJr F. Hl
vas-at hann kominn )>angat — anon. H. 651 (M. 148)
blakir m6r \ffin of hnakka « M. 101.
c) adverbia:
saman föru vit 8t<Srar — Bersi H. 254 (OH. 41)
saman bundusk skip fundi — Sigv. H. 252 (OH. 39)
saman störhugaör törir — I>orkell h. H. 639 (M. 132. F. 152)
saman tengja ba5 drengi — anon. IL 5 13 (Oh. 233).
400 SIEVERS
2) skothending.
a) uomina:
Haralds hcf-k skart^ 1 skildi — Ein. jarl H. 71
hohl bäru ristr hlyrum — Ein. SkAl. M. 228
fila dröttinn rak flötta — Grani H. 571 (M. 53. F. 122)
fira drötrtnn rak flötta — St^inn H. 615 (M. 113)
Sei und ndöi pi sit$an — Guth. IL 88
Ncreit^ 16t gramr a grimman — Halld. skv. H. 707
SigurÖr eggjaöi sleggju — Halli M. 94
Harald frirk Halfdan spyija — Jörunn H. 77 (OH. 6)
konungs daut5a mun kvit^a — Sigv. H. 416 (F. 84. OH. 161)
snarir borÖumk }?ar vertJum „ H. 444 (OH. 183)
jofurr kreisti sd austan ^ H. 488 (OH. 215)
snarir fundusk )7ar troonda „ H. 490 (OH. 217)
fatJir minn vas }>ar J?enna „ H. 520 (OH. 236)
jofurs hylli yart$-k alla ^ H. 521
Haralds arfi let haldask „ U. 527 (OH. 239)
konangs pryt$a l'au kltecJi - Steinn H. 635 (M. 130)
nofa Knuts vas pk nytum — l>j6Ö61fr H. 540
SU mar annat skal-k sunnar „ H. 570 (M. 51. F. 121)
Haraldr )>eysti nü hraustla „ H. 593
Haraldr skipti svd heiptum ^ H. 626
Don um väru got5 geira . M. 102
jofur vildu }?ann eldask — törÖr S. H. 107 (F. 25)
syni A'leifs bautJ sic$an — anon. H. 636.
b) verba (eiiiscliliesslich Inf. und pari):
vas-at ollifu allra — Arnörr H. 515 (F. 95. OH. 234)
cru til mins Qors margir — Einarr jarl H. 71
rokit hof-k Rögnvalds dauöa , H. 71. F. 143
vas-at üfbyrjar orva — Einarr skdl. 11. 116
vas-at i gegn J^öt gert^i „ H. 144
bar-a mac^r lyngs en Icngra „ H. 146 (M. 40)
gofit hefr guÖ sjalfr jofri — Einarr Skül. H. 744
hnigu monn i gny gunnar „ M. 235 (F. 173)
samir-a NjorÖr en nort$ar — Eyv. H. 103 (F. 21)
bat^-at valgrindar vinda „ H. 106 (F. 24)
vita ef aknnurur jokla » H. 123
8kal-at uglat^an ifa (?) — (4izurr H. 475 (OH. 207)
verum i 41a 61i „ H. 475 (OH. 207)
ro?^in fra-k rauÖra bonja — Glümr H. 110 (F. 27)
mun-a vansvertliat ver^a — Hallfr. H. 194 (Ha. 97)
gota skal mdl J?ess-s ma>la „ H. 210 (F. 63. OT. 53)
baÖ-a hertrj'gÖar hyggya . H. 210 (F. 63. OT. 53)
vesa kveör old ör eli „ H. 216 (F. 67)
mun-a üipYegin eira „ Ha. 114
SKALDENMETBIE. 461
logit hefr Baldr at Baldri — Haraldr M. 55 (F. 123)
mun-a vit5 hilmis hjaröir — Hildr H. 66 (OH. 23)
hafi-t mat^r ask u6 eski — Eormdkr H. 93
viti menn at hykk hennar — Magnus H. 654 (M. 152)
vas-a Sigmdna sveini — Sigvatr H. 252 (OH. 39)
taki hloBgiskip hauga ) ^. „
vas-a fyst es rann-k rastir | Sigvatr H. 307 (OH. 80)
hvotutJ tSBldi )7at hildar „ H. 488 (OH. 215)
hafa 14ti mik heitan « H. 521 (OH. 236)
skulnt rät$monnum reit^ask ^ H. 527 (OH. 239)
slegit hefr Jj'ogn i j^egna „ H. 527 (F. 98. OH. 239)
hrutJusk ritJmarar rötJa — Tindr H. 157
fariÖ-a 6r äör flegja — I>j6ö61fr. H. 75
verum meÖ fylktu fylki „ H. 540
vas-at Affrika J9fri „ F. 109
lofa-k fasta Ty flestir — I>6rÖr K. H. 217 (F. 69)
es-at geirl^ingi gongum — tormöÖr H. 476 (OH. 207)
es-at stallorum stilUs — U'lfr H. 612 (M. XU)
vas-a sunnudag svanni — anon. H. 513 (OH. 233).
c) adverbia:
ofan keyröum v6r orÖum — I>jöt$61fr H. 539.
B) Seiteuere auflösungen.
1) Statt eines zweisilbigen wertes können zwei ein-
silbige gebraucht werden, wenn das erste kurzsilbig,
das zweite aber ein wort ohne satzton ist; h im an-
laut des zweiten Wortes gilt nicht als position bildend mit vor-
hergehendem auslautenden consonanten. Die beispiele sind
ziemlich selten und vielleicht teilweise zu ändern:
a) aSalhending:
ek hef själfr krafit hdlfa — Sigvatr H. 249 (OH. 36)
}?ar a bald und Rögnvaldi . H. 310 (F. 78. OH. 82).
b) skothending:
Var hykk viss til mjok mistii — HallfreÖr H. 211 (OT. 53)
l^ar liykk ungau gram gongu — Sigvatr U. 253 (OH. 40)
|?ar a Val}?iÖurr velja — anon. M. 112
hvat üf dylöi J^ess holöar — Halltr. U. 142 (K 56)
l>at of angraöi l'engill — anon. M. 52
vel üf hrösar pvi visi ^ M. 219.
Besonders zweifelhaft ist mir der vers
hon hofr sva komit sinum — Sigvatr H. 416,
in welchem vielleicht das pronomen hon zu streichen ist^ s.
unten.
462 SIEVEBS
2) Zweisilbige Wörter von der form ^ ^ können
stehen, wenn ihre erste silbe auf langen vocal
schliesst, die zweite vocaliseh anlautet; es kommt
also hierbei die l)ekanute rcgel 'vocalis ante vocaleni corripi-
tur' 7Air anwendung. Die beispiele sind
a) aSalhending:
bfiin fengusk skip ^engu — Sigvatr H. 253
l^röask ekki m^r rekka „ II. 521.
b) skothending:
büum ölitinn 4ta — Borsi H. 254
büinii 16zk valdr ef vildi — Einarr Skal. F. 38
büumk vit^ Jrong a l'iiigi — Gizurr H. 475 (OH. 207)
büa hilmis Barhjdlmum — Sigvatr H. 310 (011. S2)
büumk viÖ sökn en sloekni — I>orm6Ör IL 476
Svium hnektir J?ü sökkva — Ottarr IL 422 (F. 82. OU. 165)
Sviar ta;Öu J?er siÖau — tjottölfr IL 559
fair skyldu svd fcldar — Sigvatr H. 44G (OU. 184)
Jöan mun eigi fryja — anon. IL 610 (M. 135).
Hierher könnte man auch folgende verse (sämmtlich mit
skothendingar) zu ziehen geneigt sein, bei denen die beiden
Silben auf yerschiedene werter verteilt sind, zum teil auch an-
lautendes h ignoriert wird:
nü em-k ellifu allra — Haraldr IL 5S6
)7vi em-k scm bast i brjösti — Sigvatr H. 521
nü hefr fölkstriöir FröÖa — Eyvindr IL 111 (F. 29)
8vd hefr oUungis illa — Olafr kgr. H. 446 (F. 8S. 011. 1S5)
}?ü hefr di'rum J^rek dreyra — Ottarr IL 220 (OH. 16)
nü hef-k orrostur austan — Sigvatr U. 227 (F. 71. OH. 21)
sjd hefr mjotinannan manni « H. 309 (OU. 8t)
}?ü hefr ()tJlinga O'Öni — torleifr H. 170
nü hykk*rj6t5anda rööu — Arnörr U. 515 (F. 95. OU. 234).
Diese annähme scheint aber durch die beiden verse
sva hef-k hermila harma — Uallfr. IIa. 102
hv6 hefr til HeiÖaboejar — I>orleikr H. 572 (M. 56. F. 124)
verboten zu werden. Diese würden dreifache alliteration auf h
aufweisen, wenn man nicht kürzung zu svä'fk und hoe'fr an-
nimmt. Hiernach dünkt es mich wahrscheinlich, dass man
auch oben niCmk, pvi*mk, ww/r, svdyr, pü'fr, ixi^fk, sjä'fr zu
lesen habe; diese formen werden demnach später nochmals
bei der besprechung der gekürzten formen in erwägung zu
ziehen sein, bei denen allein ich auch die zahlreichen einsilbi-
SEALDENMETRIK. 468
gen formen wie nü es etc. aufführe. Nur nü hykk in dem
verse Arnors scheint bestehen zu bleiben oder fbr die abge-
lehnte fasßuug der licenz zu sprechen, da man eine gekfirzte
einsilbige form hierfür nicht vrahrscheinlich finden wird. Doch
möchte ich eher als zu dieser annähme zu dem expediens
greifen, das überflüssige nü vor hykk zu streichen. Vielleicht
gilt dies auch von par in den bereits oben s. 461 citierten
versen des HallfreÖr und Sigvatr mit par hykk als erster
hebung.
Diese berichtigung wird sehr nahe gelegt durch F. 62,
wo der eingangsvers einer stropho HallfreSs aus der eigent-
lichen Fagi-skinna als hygg ek (zu lesen hykk) vüi til mjok
mistu überliefert i^t, während die andere alte abschrift des
textes (vertreten durch die papierhss. AM. 51 fol. und 302 qv.)
par hygg ek (d. h. par hykk) bot. Mit einfachem hykk be-
ginnt auch eine Strophe PjoSolfs H. 535 (F. 103. OH. 241) und
eine Porarins H. 6S6 (M. 188), sowie eine zweite halbstrophe
des Bjßru krepphendi H. 641 und des Sigvatr H. 307 (OH.
80). Auf die fälle von etn und hefr aber lässt sich diese
Streichung nicht ausdehnen, da in einigen fällen wenigstens
die vorangehende pai-tikel für den Zusammenhang unentbehr-
lich ist.
C) Wirkliche ausnahmen von der regel, dass versanlau-
tendes zweisilbiges wort von der form ^ ^ verschleift werden
müsse, sind mir nicht begegnet. Scheinbare filUe beruhen auf
fehlerhafter Überlieferung; so svara pdttumk drdttinn Sigv. OH.
172, wo H. 430 richtig pdttumk ek bietet, oder Gipart5r pars
Hb barbisk H. 651 , während M. 148 (wie auch sonst immer)
den namen seinem Ursprünge gemäss richtiger Giffarpr schreibt
IL Auflösung der zweiten silbe.
A) Regelmässige auflösungen.
Da die zweite silbe des verses die Senkung des ersten taktes
ausmacht; so dürfen betreffende werte mit starkem satzaccent in
dieser stelle nicht aufgelöst werden, also überhaupt hier nicht
vorkommen. Es erscheinen also hier nur verba finita, die ja
bekanntlich auch in den germanischen sprachen schwächeren
satzton haben, und bei weitem seltener unbetonte adverbien
464 SIEVEBS
und pai-tikcln. Das auftreten dieser auflö^ungsforni ist über-
dies flir die zeilen mit at$alliending ziemlieh besehränkt, wslh-
rend diejenigen mit skotliending sie sehr reiehlieh aufweisen.
Beispiele:
1) aSalhending:
a) verba finita:
8va hofum inn aem Finnar — Eyv. H. 123 (F. 29)
hvi erut aefar margir — llar. harf. II. 68
Uli rckit gand ör landi — Ilildr II. 60 (OH. 2:j)
fong eru stör vit^ gongur — Sigvatr II. 309 (OH. 81)
ä'tt hafa )>eira sättir — tjöt^olfr 11. 532 (F. 102)
jortJ inun-a Svoinn um varÖa — I>j6^61f^ H. 539
fljöt^s dagir väpn at rjöt^a „ H. 540
hvat BCgir hinus J'at fegrir ^ 11. 605 (M. 91)
}7eim brutu troll es ollu « M. 65 (F. 133)
seggr skyli orÖ um tbrÖask — l>()rm6Ör H. 476 (OII. 207)
hreiu skulu tveir fyr einum — Ultr H. 612 (M. lll)
vi^^ l'olir naut5 li lautJri — anon. M. 152
yÖr myni feigÖ of byi-juö „ OII. 245.
Einmal bilden die zwei letzten silben eines dreisilbigen wortes
die auüösung:
varum-a )?Ä til margir — l>jöÖ61fr H. 6b.
b) Partikeln u. dgl.:
toigr eÖa Danmork eiga — Arnorr II. 529 (F. 99)
suuu" eÖa brott of komnum — llallfr. U. 217 (F. 67)
Hoy meÖal tveggja oyja ^ IIa. HO
klif meÖan A'lcifr lüM — Sigvatr II. 521.
2) skothending:
a) verba finita:
rott segi-k )>iü^ hverr J^otti — Arn6rr II. 335 (011. 100)
l'jots röri») |?eirar titinv ^ II. 541 (F. I05)
lieldr kuru mcir ens milda „ M. 119 (F. 141)
hitt liot'um iioyrt at hciti „ F. 105
morg »kritüu bcit at borgar — Holverkr II. 547
hvar viti old und einum ) ,. „
Vatskyli'herrofhugsa ( t^"». Skal. IL 163
uieör vitu^ oMing (i'Öra - Ein. Skiil. 11. 667
fogr rutJußk 8vert> eu sigri „ , 11. 66^
morg flu tu auö d urga j
rau^ flugu stal i Strien ) " " "• "^****
') Also nicht reri!
SKALDENMETBIK. 465
hverr spyri satt fri snerra
boÖ gat-at Btillir sto^vat , _ .
broetSr hafa barzk 4 yiSri } Ein. Skül. M. 235 (F. 173)
spjöt f Inga langt i Ijötri
hvi samir hitt at düsa — Eldjtoi H. 652 (M. 148)
088 gerask hnept ens hvassa ) . , „
vir getum bili at b9lva j Eyvindr H. 103 (F. 21)
rdö eru rammrar jTjötJar „ H. 111 (F. 29)
fraeg hafa görzk fyr g^gjar — Halld. skv. H. 665 (M. 162. F. 161)
peBB lifa }7j6Öar sessa — Hallfr. H. 210 (F. 63. OT. 53)
menn geta mili sonnn „ H. 216 (F. 67)
enn segir ant$ar kenni « H. 217 (F. 67)
norör ern 9II of ortJin „ OT. 61 (Ha. 112)
mör skyli Freyr ok Freyja „ Ha. 95
baugs ernm svipt at sveigi ^ Ha. 102
hann mun-at aura eyrar „ Ha. 106
hvat kvet^a vitrn vifi « Ha. 106
hverr taki seggr yit$ snarra» Ha. 107
heim koma hir^in aumnr „ Ha. 107
mjok tegask sveina sökkvir „ Ha. 108
y^r mnnum dag hvern dyrra „ Ha. 108
y&n ernmk slik at sleikja „ Ha. 109
088 mnn-at ekkja kenna — Har. harter. M. 16
8pj6t flugn lif at Uta „ „ M. 114
mjök ern minar rekkar — Har. hiirf. H. 68
v&n ernmk hregg8 at hreini — J9kull H. 454 (F. 88. OH. 191)
hverr mnni v68 viÖ valdi — Kormäkr H. 93
BverS bitn Hogna hnrt5ir — Magnus H. 654 (M. 151)
hvat sknlnm heimf9r kvitta ^ M. 154
haett hafiÖ 6t i 6ttfk — Ottarr H. 234 (OH. 26)
breiÖ ern austr til EitJa „ H. 284 (er OH. 63)
brant hafiö boövar J^reyti „ H. 284 (OH. 63)
gegn ern }?6r at J^egnnm „ H. 334 (F. 79. OH. 99)
8vert5 bitn V9l8k en vertJa — Sigvatr H. 226 (F. 71. OH. 21)
}?at ernmk knnt hv6 kennir „ H. 252 (F. 74. OH. 39)
v6r drifnm hvatt J?ar-8 heyra )
r9nd klnfu roönir brandar ) " ^' ^^^ ^^^- ^^'
fold rntJnm skers ef skyldi „ H. 255 (F. 76. OH. 42)
g6t$8 megnt gott of t&Ösl , H. 274 (OH. 55)
üt munn ekkjnr Uta « H. 275 (OH. 66)
nü ern mSßlt en msela „ H. 307 (OH. 80)
nü hafa hnekt )>eir-8 hnakka , H. 308 (OH. 80)
4tt hafa 86r J^eir-s söttn ( - ^' ^^^ ^^^ ^^^
bergr h9fnm minzk hvS margan „ H. 416 (OH. 160)
orr tegask A'leif görva „ H. 416 (F. 84. OH. 161)
i^eir hafa fyrr af f4ri , H. 417 (OH. 161)
ii«ttrVye aar getohlobte dtr deotMbtii tpraobe. V. 3U
466 8IEVEBS
heim erum hingat komnir ) ^. „ ^^„
«.n«« «nw«« «,Äi a^« 5««,- ir } SigvatT H. 429 (OH. 171)
menn nemi mal Bern mni-K ) '
g9r ern gumna hverjnm „ H. 430 (OH. 172)
hirt5 es-at hans at yert5a « H. 431 (OH. 173)
T&ti eru Ijöt ef I4ta . H. 437 (OH. 178)
frffindr skyli hrsdU bindask , H. 446 (OH. 184)
gull büöu opt J^eir-B ollu | ^ ^ ^^^ ^^ ^^^^
raus didu rekkar syna |
mart segi-k bert i bjarta , H. 480 (OH. 210)
6Imr erumk barmr sd-s bilmis « H. 489 (OH. 215)
&5r vitu eigi meitJar , H. 499 (OH. 223)
brein getum h&la laana )
ortJ geri-k drös til d^röar } - °- ^^^
088 du gl r A'leifs messa „ H. 521 (OH. 235)
l^inn 8tot$a-k mdtt 8eni monnum « H. 522
erm eru af l'vi minni « H. 527
barör skyli drengr a dyrÖir — Stefnir OT. 50
menn brutu upp of annan — Steinn H. 593 (M. 79. F. 128)
h9rÖ ]7rifu8k borÖ }?ar-8 b9r7$u8k — I>jö961fr H. 538
gser flugu mold ok myrar |
mist hafa Sveins at 8ynu | "
boßr logar hälfu haera « H. 540
v6r h Int um sigr en aarir .
upp fara m9rg i morgin J „ H. 542
nü taka Nort^menn gnyja |
drygt h9fnm \is fyr visa « H. 543
dyr klufu tlöt$ t^ar-s förut , H. 562
gegn 8kyli herr sem hugnar „ H. 577
rendr bitu stdl fyr strondu „ H. 607 (M. 88. F. 133)
heldr kuru meir eus milda , H. 621
8vert$s hafa slikar byrSar „ H. 626
en samir m6r at minnask — törarinn H. 686
trauter es-at tenn at rj6t$a — i»orbj. Sk. H. 781
h9ll bilar h&ra Qalla — I>ör5r K. H. 214
f4tt bilar flestra yta , H. 217
Sveins vas-at sonr at reyna — t>6rt$r S. H. 422 (F. 82. OH. 165)
i>r»nc!r drifu rikt und randir — torgils M. 102
hr9nn brutu hlyr enn stinnu — I>orkell harn. M. 143
Y&n erumk visa koennm — I>orieikr M. 54 (er at H. 572. F. 123)
s«tt bnt$u seggja dröttni , H. 574 (M. 59. F. 126)
braut komumk Ht p6-t veitim — I>orm6t$r H. 478 (OH. 208)
l9nd tegask herr metJ l\J9rvi j
ys hafa allir hiisa } - ^^' ^^^
skipt hafitJ 6r svd-t eptir — ValgarÖr F. 111
tr9ll8 gefrt^ fdkum fyllar — anon. H. 613 (M. 112. F. 135. OH. 245)
v^r ruQum v&pn i dreyra „ H. 651 (M. 148)
mJ9k fara Magnus rekkar , U. 781
SKALDENMETHIE. 467
8vert$ bitn snarpa tyrti^ -^ anon. M. 134
vestr bifask rengr i ranstnm „ M. 152
borÖ ruöu frsegir fyrÖar „ M. 219.
b) adTerblen und partikeln:
ber-k fyrir hefnd t^i-s hrafna — Ein. Sk&l. H. 116
088 nema Einarr kyssi — Haraldr H. 578 (F. 127)
lyg-k nema A'leifr eigi — Sigv. H. 508 (OH. 230)
nndr-B nema allvaldr Lundar — t>j6Mlfr H. 539
land etJa lengra stundu — törör K. H. 217 (F. 68).
B) Seltenere auflösungen.
1) Verschleifung zweier monosyllaba ist nur durch sehr
zweifelhafte beispiele zu belegen; 4 mal erscheint das prono-
men kann als ttberschuss, nämlich
]76r gaf hann mork et^a meira — Sigvatr H. 377 (OH. 131)
]?& gaf hann Tr^skegg tr9llam — anon. H. 69
hoegr ef hann renn tU skögar — Hildr H. 66 (OH. 23)
naer sem hann rdt$inn vseri — I>j6t5ölfr H. 540.
Der zweite dieser verse ist besonders unsicher , da er einer
isolierten anonymen viertelstrophe angehört, auch der hendin-
gar ganz entbehrt. Aber auch für die übrigen drei beispiele
wird sich weiter unten die tilgung des hann als gerechtfertigt
nachweisen lassen. Ebenso zweifelhaft ist der vers
helt t^vi nnz hann of spilti — Bjami H. 526 (OH. 238),
weil hier ebenfalls der verdacht nahe liegt, es sei of oder das
pronomen hann wie in den vorigen fällen eingeschoben«
Ferner liegen vor die verse:
s^kat ek Hrölfs ör hendi — Einarr jarl (skäl.?) H. 70 (F. 143)
hykkat ek vaegÖ at vigi — Halld. 6kr. F. 64 (OT. 57)
veitkat ek hitt hvat heita — Hallfr. H. 216 (OT. 60, vgl. F. 66)
veitkat ek hitt hvat vert5a „ Ha. 107
m&kkat ek 1^88 of lj68a „ Ha. 107.
So schreibt auch Wimmer, LsBsebog s. 87 in einer strophe
Gunnlaugs:
hverfkat ek aptr &6r arfi.
Ferner treffen wir einen analogen fall in der hebung des zwei-
ten verstaktes:
herr 84kat ek far verra — Sigvatr H. 307 (OH. 80).
Letzterer vers ist unbedingt zu ändern, da, wie sich alsbald
ergeben wird, die verschleifung an jener versstelle nicht ge-
30 •
468 SIEVERS
stattet ist. Die gleichartigkeit aller fälle legt dann aber auch
eine gemeinschaftliche heilung nahe, und diese ist sehr ein-
fach, indem man die auch nach den weiter unten zu ent-
wickelnden regeln über das bragarm&l gebotenen ktlrzungen
sikak, hykkak, veitkak, mäkkak, hverfkak, säkak einführt
2) Correptiou einer länge vor vocalisch beginnender silbo
innerhalb eines wortes {{jvi unz s. oben unter 1) ist nur durch
zwei beispiele vertreten:
hverr 8»i Hunds verk stcerri — Sigvatr H. 492 (OH. 218)
orms glöar fax of farmi — t>jöc$61fr H. 592.
G) Ausnahmen der art, dass die erste kurze silbe eines
zweisilbigen wortes allein die Senkung des ersten taktes
bildete, fehlen auch hier; vgl. oben s. 463. Ein zweifelhafter
fall wird im zweiten abschnitt unter II, 4 zur besprechung
kommen.
■IL Auflösung beider Silben
des ersten taktes ist ausserordentlich selten; ich finde nur die
wenigen beispiele:
hafa munn heiöir jofrar — Ei narr Skül. M. 192
hafa kvetJask log neina Ijügi — Sigvatr H. 527 (F. 98. OH. 239)
rufizk hafa opt fyr jofri — l>jöÖölfr H. 555
Haralds eru haukar gorvir „ U. 620
rekln bitu stdl d Stikl'ar — I)ürmöt5r U. 497 (OH. 22).
Alle diese gehören, wie man sieht, verseu mit skothending an,
ebenso die oben s. 452 mit aufgeführten Zeilen 5 und 7 von
Hattat. t^tr. 8. Vollständige durchführung dieser art der auf-
lüsung zeigt, wie mir herr prof. Möbius anmerkt| str. 38 des
HattataL
iV. Auflösungen im zweiten takt
Diese sind, wie bereits oben s. 456 angedeutet wurde, viel
seltener als die des ersten taktes. Es steht dieses ofTenbar im
Zusammenhang mit der für diesen takt gestatteten licenz, pyr-
rhichische oder iambischc Wörter den ganzen takt ausfüllen zu
lassen (oben s. 456). Wie schon diese licenz darauf schliessen
lässt, dass der zweite takt der schwächstbetonte des ganzen
Verses gewesen sei, so zeigt auch die einschränkung, welche
das verschleifungsgesetz hier erfährt, geringes tongewicht
dieses taktes au. Yerschleifung scheint nämlich eigentlich nur
SKALDENMETRIK. 469
gestattet zu sein bei ganz tonlosen Wörtern, nämlich den Par-
tikeln yienia, eba, und seltener den zweisilbigen formen der
hülfsverba, vesa, hafa, skuhi, Beispiele:
A) nema.
1) in der bebung:
annars nema 8j4 l^enna — I>jö?$61fr H. 543
JdlfaÖB nema gram sjdlfum — tormöÖr H. 497 (OH. 222).
2) in der Senkung:
hver 8^ if nema J9fra — Einarr SkÄl. H. 146
aettnm göÖr nema FröÖi „ F. 37
]7eygi dyl-k nema }?ykki „ F. 143
daut$r vert$r hrerr nema hrset^omk — Hallfr. Ha. 114
hafa kvetJask log nema Ijügi — Sigvatr H. 527 (F. 98. OH. 239)
fätt es til nema jdtta — bjöööifr H. 577 (M. 66. F. 123)
hrafni skyldr nema haldi „ H. 593.
B) eöa.
1) in der hebung:
heit5mildr et$a )7a leicJnmk — Bersi H. 254 (OH. 4)
dyrbliks eöa J^ö kvikvan Hallfr. H. 216 (F. 67. OT. 60)
viggruör eöa h6r liggjum — tormöÖr H. 478 (OH. 208)
mm laak et^a 9I baeri — anon. H. 513 (OH. 233).
2) in der Senkung:
J?6r gaf (bann) mork eÖa meira — Sigvatr H. 377 (OH. 131)
oudu na3mdi' ctia londum — i>orleikr H. 572 (M. 54. F. 122).
Hierzu vergleiche man die gleichgebauten achtsilbler Arnörs:
fengins guUs et^a foedit ella — M. 31
hlenna dölgr etJa vitar brenni — M. 32.
C) hülfsverba:
siÖr at blöt eru kvityuÖ — Hallfr. Ha. 95
soem ef J^ess eru doemi — Stüfr M. 118 (verderbt F. 140)
}7oir dör mik hafi feldan — Einarr jarl H. 71 (hending?)
segöu hvar sess hafiÖ hugt^an — Sigvatr H. 429 (OH. 171)
fcr-k ef }76 skulum berjask „ H. 527 (OH. 239)
veldr ef verr akulu h9ldar — anon. H. 603.
Nicht mit Sicherheit hierher zu stellen sind die yerse
snjalls at v6r erum allir — tjöCölfr H. 621 (M. 119. F. 141)
eik hvi v6r er um bleikir — tormöör H. 498 (OH. 223),
weil hier wahrscheinlich ver 'rom gelesen werden muss
(s. unten im zweiten abschnitt II, 4, 2, d).
470 SIEVERS
Ausserdem erscheint noch zweimal mefSai und einmal
(zweimal?) meban als auflösung der Senkung:
Bpakr let U'lfr meSal ykkar — Sigvatr H. 310 (OH. 82)
fcßr'ÖT vas fleinn met$al hert$a — ^rbJ9ni H. 795
Idtum vor med an litlar — Haraldr H. 570 (M. 51. F. t21)
en i kvold met5an knyjam — Einarr Sk41. F. 143.
Im letzten yerse hat aber H. 70 pars statt metftm.
Eine besondere licenz scheint für mehrsilbige composita
zu bestehen^ welche eventuell schwer anders als mit auflösung
einer silbe des zweiten taktes im verse unterzubringen waren«
Von 5 föUen, die mir begegnet sind, fallen zwei auf die
hebung, drei auf die Senkung:
svin ok aligäs eina — Haraldr M. 68
sneiö fyr Sikiley viöa „ H. 558 (M. 15. F. U2)
vita ef akrmarnr J9kla — Eyvindr H. 123
hlifa landreki drifa — tjööölfr H. 595 (F. 129)
virum fölagar görir — törir H. 640 (M. 135. F. 153).
Nur ein einziges nichtcomponiertes Substantiv ist mir als auf-
lösung der Senkung des zweiten taktes einmal vorgekommen:
herskiptir J9furr giptu — Kolli M. 208.
Ich halte diesen vers für sehr bedenklich und möchte glaubeOi
dass ein einsilbiges synonymum von jg/urr, wie etwa bragr,
einzusetzen sei.
V. AuflSsungen im dritten tald
finden begreiflicherweise niemals statt
Hiermit sind alle möglichkeiten gesetzlich gestatteter
Uberschusssilben erschöpft. Statistische Ordnung der sicheren
fälle gäbe etwa folgendes bild^):
0 Die zahlen in (— ) geben die anzahl der beispiele ans H., naoh
denen man leicht die procentsätze berechnen kann; die geBtmmtsahl der
betreffenden verse in H. ist ca. 3750.
SKALDENMETßlK.
471
1. takt:
Hebung
nomina
sk.
composita *)
^«'^» i Jk!
httlfsverba >)
adverbia a. j at$.
Partikeln | sk.
tonloee partikeln*)
2 monosyll. j . '
correption J ^
Senkung
nomina
composita
verba | ^
httlfsverba •)
2 monosyllaba
correption
Hebung und Senkung
37 (30)
37 (30)
36 (25)
52 (46)
6(6)
2(2)
2(2)
5(2)
2(2)
9(8)
192 (153)
2. takt:
2(1)
14 (11)
108 (79)
[1?]
3(3)
4(3)
5(5)
• 139
(106)
6(4)
15(9)
[6 (6)?]
5(4) J
5(4)
I-
6(6)
zusammen 331 (259) | 32 (23)
Hiemach finden, nach den yerhältnissen der Heimskringla be-
rechnet, silbenverschleifungen im ersten takte des dröttkvsBtt
etwa in 6,9 ^/q der gesammtzahl der verse statt, Ton denen
etwa 4,1 % auf die hebung, 2,8 % auf die Senkung entfallen,
der zweite takt hat kaum 0,6 Vo verschleifungen aufzu-
weisen, welche noch dazu ihrer art nach sehr bedingt sind;
der dritte takt endlieh ist ganz frei von ihnen.
0 sind für den ersten takt anter der vorhergehenden nummer mit
eingerechnet
472 SIEVEES
B. TUgnng fiberschflsslger Silben.
Als ergänzung zu den bisher erörterten regeln ist nun der
satz aufzustellen: alle überschüssigen silben der hand-
schriftlichen Überlieferung, welche nicht unter eine
der besprochenen kategorien fallen, sind durch me-
trische correctur aus dem verse zu entfernen. Der
beweis hierfür ist ohne weiteres gegeben, wenn zwei silben,
deren erste lang ist, scheinbar zu verschleifen wären, oder
wenn verschleifungen von Wortklassen, deren verschleifung nur
im ersten takte gestattet ist, im zweiten takte Yorzunehmen
wären. Mit der Unterdrückung der metrisch unzulässigen Sil-
ben aber allein ist die sache noch nicht abgetan. Es wird
sich zeigen, dass die zu tilgenden Überschüsse sich stets unter
besondere kategorien unterordnen lassen. Tritt nun der fall
ein, dass für eine solche kategorie die tilgung einer silbe f&r
den zweiten takt als notwendig nachgewiesen ist, so ist for-
mell die möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass doch im ersten
takt dieselbe durch verschleifung untergebracht werden könne;
wenn also z. b. hefir kann für den zweiten takt zu schwer ist
und dafür hefr kann eingesetzt werden muss, so könnte doch
an sich hefir kann oder hanji hefir für den ersten takt genügen.
Hier sind es denn grammatische gründe, welche uns veran-
lassen in solchen dingen consequenz herzustellen, d. h. die
durch sichere Zeugnisse als tatsächlich vorkommend erwiesene
form überall durchzuführen, wo nicht metrische gründe gegen
dies verfahren sprechen. Wenn also, um ein anderes beispiel
zu geben, alle langsilbigen 1. personen sg. ind. mit nachfolgen-
dem pronomen ek mit Verkürzung des letzteren zu -Ar gelesen
werden müssen {veit-k, hykk u. dgl.), so gebietet die rücksieht
auf die normalen entwickelungsgesetze der spräche, welche
gleichartigen fortschritt aller lautlichen Wandlung anzunehmen
nötigt, den schluss zuziehen, dass auch bei kurz silbigen ver-
bis die entsprechende kürzung sprachlich durchgeführt gewesen
und daher auch in den stellen zur anschauung zu bringen sei,
wo die metrik allein sie nicht notwendig erfordert, wol aber
gestattet.
Der mittel zur herstellung correcter verse durch tilgung
nicht verschleifbarer überschüssiger silben gibt es nun folgende:
SKALDENMETRIK. 473
I. Elision.
Diese muss am häufigsten im zweiten takte angewant
werden. Ich habe kein beispiel gefunden, welches mit Sicher-
heit der regel widerspricht: wo der zweite takt drei,
nicht durch einsetzung kürzerer formen auf zwei
reducierbare silben enthält, ist jedesmal die mitt-
lere silbe durch elision zu tilgen, es sei denn dass
eine der oben s. 468 f. besprochenen gestatteten ver-
schleifungen vorläge. Uebrigens sind die hiatusbildenden
Silben in der regel beide tonlos.
Beispiele :
hefr afreksk^ens öfra — Aroörr M. 121
J9r?5 r6tt vigi^at vartJa — Bjarni H. 493 (OH. 219)
svanglyjatJiwat fryja — Einarr Sk4L H. 116
bldess 61rekiv^f dsi — Einarr Skül. M. 228
v6r getum bili^at b9lva — Eyvindr H. 103 (F. 21)
austr bragningiwat trausti — Gizurr H. 475 (OH. 207)
ferr sjörokawat knerri — Hallfr. Ha. 92
hnau^ vit$ hjarta^ok sit$a „ Ha. 113
veit-k at vekki^x)f 8;^ri-k „ Ha. 1 14
fesaeranda^at fcera — Kormdkr H. 93
borg Kantara^of morgin — Ottarr H. 226 (OH. 21)
Finnlendingawat fandi — Sigvatr H. 223
latJJ?verrandiwaf snerri „ H. 249 (OH. 36)
hüsbünaöiwat balda „ H. 310 (OH. 82)
mildr i menskuwat gjalda „ H. 516
fölkorrostuv^at freist» . H. 527 (OH. 239)
bot skjoldungiwat möti „ H. 527 (F. 98. OH. 239)
aldr fullara^at halda „ OH. 184
skemr landrekiwenn fremri „ OH. 232
virk Jörsaliwör Girkjum — Stüfr H. 555 (M. II. F. 110)
Bölryrandiwenn dyri — tjööölfr H. 538
ck bef-k ekkiwat drekka „ H. 543
byastM-kHaagiwitnffisto^ H. 546 (OH. 221)
tor üfrhagiwen öfri „ H. 555
g]2ßst sjautigiwit faesta „ H. 596 (M. 79. F. 130)
haglfaldinni^at halda „ F. 109
laetsamr ara^ens gamla — I>6rarinii H. 687 (M. 189)
lindböls gjafi^at flinni — A'suförOr M. 172
bot Sigvaldav^d möti — törtJr K. H. 156 (F. 48)
skyldr 16zk bendi^at halda » H. 217
angr makligra^at hanga — torkell harn. H. 641 (M. 135. F. 153)
hvast beit bjartas^it n»sta — IbormötJr H. 498 (OH. 223)
474 SIEVEBS
gaus hir logiwör hüsum — anon. H. 572 (F. 124)
mal oll yegawi skälum „ H. 603
blakir mör )'ari^yof hnakka „ M. 101.
£l)enso im dritten takte von achtsilblern :
hraßddir urtJu fJ9rviwat fort$a — Arnörr H. 517
grcßt^i lostins gutJiwit nsesta „ M. 32.
Seltener ist die elision am Schlüsse des eraten taktes:
skrükviwat skilnat) ykkarn — Bjarni H. 456 (F. 89. OH. 192)
voktuwofundmenn ykkar „ H. 526
kömk eigiv^ostr 1 hausti — Magnus M. 154 (F. 158)0
fryr eigiv^ss i 4ri — Sigvatr H. 255 (F. 76. OH. 42)*)
lit$ faerav^k skip sm»ri „ H. 437
samir trut$a^ gut$ gumnar — Sigvatr H. 520 (OH. 233)
reynduv^ss jofarr hnossir — anon. M. 152.
Innerhalb des ersten taktes ist mir nur äin sehr auffSHiges
beispicl begegnet in dem verse
l'au eru enn sva at ek man manna — llaraldr H. 586,
welcher ohne zweifei zu lesen ist
]7au'niwenn | svdt man-k | manna.
Ebenso habe ich nur äin beispiel flir die elision vor dem
dritten takt:
seggr at gram bitUv^eggjar — Einarr Skül. M. 235 (F. 173).
Da CS sich in allen diesen fällen um das zusammentreffen
einer kurzen silbe mit folgender anceps handelt, so könnte
man, die annähme der elision verwerfend, auch hier verschlei-
fung behaupten wollen. Diese annähme aber widerlegt sich
sofort durch einen blick auf die art der fälle selbst Wir
niüsten dann im zweiten takt vielfach verschleifungen bei ein-
fachen nominibus und verbis annehmen , welche sonst, ohne
vom hiatus begleitet zu sein, nicht vorliegen. Und wollte man
darauf gewicht legen, dass in den fällen der verschleifung, die
wir oben als normal hingestellt haben, es stets auf eine yer-
schleifung der Stammsilbe mit einer andern ankomme, hier
aber nur unbetonte ableitungssilben vorliegen, die bezüglich
ihrer verschleifbarkeit im zweiten takte doch mindestens mit
den Partikeln 7iema, et5a u. dgL auf eine stufe zu stellen
seien, so bliebe wider das auffällige hervortreten des hiatuB
<) Diese beiden verse sind nicht ganz sicher, da mOgUcherwalBe
ursprünglich kömkaky fryrat stand.
SKALDENMETBIK. 475
im zweiten takt unerklärt Auf die 31 oben aufgezählten ver-
Schleifungen ohne hiatus kämen nämlich 37 verse mithiatus;
unter den 331 beispielen ftir verschleifung im ersten takt sind
nur 17 mit hiatus, und zwar natürlich hiatus nach der zwei-
ten verschleifbaren silbe, z. b. hafa^allframir J2frar Sigv. H. 378
(OH. 32). In diesen fällen kann aber eine elision nicht vor-
genommen werden, weil sonst die hebung (resp. Senkung) nur
aus einer kurzen silbe bestünde , und das ist nicht zulässig
(s. oben s. 455. 463). Die consequenz hiervon ist klärlich diese :
weil man im ersten takte in der verschleifbarkeit grosser wort-
gruppen ein vortreffliches mittel zur Unterbringung metrisch
schwieriger Wörter hatte, brauchte man elision nicht so häufig
anzuwenden: wirklich haben wir oben ja auch nur 7 oder 8
beispiele daftlr aufweisen können. Im zweiten takt aber, wo
die licenz der verschleifung weit geringer war, muste sich der
gebrauch der licenz der elision sich als natürliches auskunfts-
mittel von selbst an die band geben.
Ueber elision vor h s. unten unter II, 8, c, 3.
II. Einsetzung kürzerer wortformen.
1. Adjectivadverbia auf -/a.
allfritJUga i milli — B9lverkr H. 565 (M. 21. F. 117)
alldrengiliga fengit — Hallfret$r Ha. tll.
Diese beiden verse enthalten scheinbar verschleifungen im
zweiten takt; man könnte beide mit den compositis s. 470 zu-
sammenbringen wollen, ftir den ersten vers auch elision an-
nehmen; doch dünkt es mich wahrscheinlicher, dass hier die
kürzeren formen auf -la, allfritSla und alldrmgila einzusetzen
seien. An beispielen für solche formen fehlt es keineswegs.
Ich habe aus dem sonst benutzten material folgende notiert:
fulldrmgila Sigvatr H. 309 (OH. 81), hermila HallfreÖr Ha. 102,
skundila Halldorr skv. M. 162, flkula, rikula ValgarÖr H. 560
(M. 18. F. 114), ibula Bjami H. 526 (OH. 238). PjoSolfr H.
544, oUlsnütiula Sigvatr OH. 56, drla Amörr F. 99, görla Stefnir
OT. 50, smrla Arnorr M. 31. Bjami OH. 244. Sigvatr H. 228
(OH. 22), varla Einarr Sköl. M. 228. HallfreÖr Ha. 113. Oddr
H. 568 (F. 120). Sigvatr H. 416 (OH. 161). PjöSolfr M. 65
(F. 132), smnarla Sigvatr H. 228 (Oa 22), hvatla anon. M.
47G SIEVEES
134, njtla Arnörr M. 120, skrmtla Bglverkr H. 547, hraustla
PjüÖülfr H. 593, fagrla Sigvatr H. 480 (OH. 210), zusammen
23 belege. Ja, diese formen sind in den hier benutzten partien
skaldischer dichtung sogar häufiger als die volleren formen
auf 'liga, deren ich nur folgende gefunden habe: ärliga Sigvatr
H. 490 (OH. 216), varliga Porarinn H. 687 (M. 189), skrautliga
Sigvatr H. 377, sannliga HallfreÖr H. 216. PorÖr K. H. 154,
rakkliga Einarr Skiil. H. 116, roskliga PjoRölfr H. 538, haröliga
Sigvatr H. 253 (F. 76. OH. 40). PjoSolfr H. 539, im ganzen
nur 9 belege.
Ich füge hier einige beroerkungen grammatischer natar
an, welche auch als grundlage für die beurteilung weiter
unten zur spräche zu bringender tatsachen eine gewisse be-
dcutung haben.
Wir sind gewöhnt, von doppel formen desselben wertes
odei' derselben woi-tgruppe im allgemeinen die vollere form
ftlr die ursprünglichere zu halten. Im allgemeinen trifft diese
ans(^hauung gewis das richtige, es ist aber auch die möglich-
koit nicht ausgeschlossen, dass vollere formen erst wider als
secundärbildungcn an stelle kürzerer auftreten. Einen solchen
fall haben wir meines erachtens bei unsern adverbien auf -/a.
Der gebrauch diesor formen ist zum grossen teil, wie eine
durchsieht der gegebenen belege zeigt, auf die ältere dichtung
beschränkt. Das spätere und moderne isländische hat nur
noch wenige formen der art erhalten, wie varla, vaiia 'hardly,
scarcely* u. dgl. Sonst werden die adverbia regelrecht auf
-lega gebildet (vgl. Vigfüsson XXVII). Das beispiel von varla
: varlegüy haröla : harbliga zeigt deutlich an, wie diese bildung
die Oberhand gewonnen hat; varla 'kaum', harip)la 'sehr'
werden nicht mehr als adverbia zu den adjectivis varr, hartir
empfunden ; in ihrer isolierung erhalten sie sieh unversehrt bis
in die neuzeit. Soll dagegen von einem adj. ein zugehöriges
adverb gebildet werden, so bietet sich unter dem einfiusse der
adjectiva auf -Ugr die form -liga wie von selbst dar; *hart',
* vorsichtig* heisst also jetzt nur hartSlega, varlega, während
ursprünglich eine sonderung nach form und bedeutung nicht
vorlag (vgl. Vigfüsson a. a. o. und s. v. varliga). Ich halte
hiernach -la für die eigentliche, lautgesetzlich entwickelte form
der altn. adjectivadverbia, -liga dagegen durchaus filr eine
SEALDENMETRIK. 477
jüngere bildung in anlehnung an die adjectiva auf -/i^r. Diese
annähme wird durch das ganz analoge verfahren des schwe-
dischen und dänischen bestärkt. Das altschwedischc bietet
noch zahlreiche adverbia auf-/a dar, im neuschwedischen sind
sie sänimtlich verschwunden bis auf die archaisch -poetischen
formen arla und serla (Rydqvist IV, 419. V, 151 flf.), das neu-
dänische hat ebenfalls nur noch ärle und silde = isl. ärla,
sibla (J. Grimm, gr. III, 104), die gewöhnlichen adverbia
lauten in beiden sprachen auf -ligen aus.
Die Verkürzung von -lig- (in folge seiner accentlosigkeit,
s. Beiträge IV, 538) war aber nicht auf die adverbia auf -la
beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf die comparative
und Superlative von adjectiven auf -ligr, die demnach einmal
auf 'lari, -lastr ausgiengen. Diese formen sind aber durch
analogische neubildungen noch weit vollständiger und früher
verdrängt worden als jene adverbien, weil sie unter viel direc-
terem einflusse der adjectiva stehen. Aus dem isländischen
kann ich bis jetzt nur ein beispiel für den alten Superlativ
eines solchen adjectivums aufbringen, in dem verse
böl l?at-s ek veit gölast — anoB. H. 640 (M. 135),
in welchem F. 153 bereits modernisierend gdligst setzt (für
* gdöligast , *g6bligst)] aber aus dem altschwedischen führt
Rydqvist V, 152 die adverbia piklar, -are (belege bei Schlyter
XIII, 744) und nylast (Gutalag § 62) an. Aus dem isländi-
schen gehört sodann ohne zweifei das adverb ella, altnord. ellar
neben ellegar (modern nach Vigfüsson, doch auch schon im
Stockh. homilienbuche 14, 30. 77, 19. 96, 18. 104, 19. 167, 7,
vgl. Rydqvist V, 129) hierher, altschwedisch cellar und ellighcer
(Rydqvist a. a. o.), welche schon J. Grimm, gr. III, 188 mit
ags. ellicor, alts. elcor zusammengestellt hat (ags. ellor 'anders-
wohin' kann der bedeutung wegen nicht verglichen werden).
2. Die Partikeln svdi, p6t, pvit.
Die formen svät, pdt sind in der handschriftlichen übor-
licfcruii«i; des norwegisch - isländischen die regelmässigen Vor-
läufer von svä at, pö at] ein entsprechendes pvU für das her-
schende pvi at ist mir nicht in erinnerung; doch liegt alt-
schwedich pyt neben py at vor, ebenso pdt neben pi at, svdt
478 SIEVEBS
neben svd ai (Rydqvist V, 175 flF. Schlyter XIII, 618). Das
verschwinden der einsilbigen formen beruht sichtlich auf einer
grammatischen analyse derselben, welche das bestreben nach
etymologischer Schreibung und demnächst entsprechender aus-
spräche hervomef. So erklärt es sich, warum ptAt so voll-
ständig geschwunden ist: in ihm wurde der selbständige, oft
noch von präpositionen regierte pronominale teil (fyr pvi ai,
af pvi at etc.) zu lebendig gefUhlt, als dass nicht die aufiösung
in pvi at natürlich gewesen wäre; demnächst folgt svdt, das
sich ebenfalls begrifflich leicht sondern liess; am längsten
scheint sich pdi gehalten zu haben, weil in diesem werte am
ersten begriffliche einholt vorhanden war.
In den von mir untersuchten skaldeuversen habe ich nun
nicht einen einzigen gefunden, welcher zweisilbiges 9vä ai,
pb ai, pvi ai verlangte. Man hat demnach (wie auch Wimmer
im lesebuch tut) zu schreiben:
BY^t BJ9m H. 641. Bragi H. 7. Einarr Sk&l. H. 144 (F. 39). Einarr
Skül. M. 181. Hallfret$r Ha. HO. Haraldr H. 586. M. 15. Homklofi H.
54 (F. 9). Oddr H. 568 (F. 120). Sigvatr OH. 27 (2 mal). 56. Steinn
IL 635 (M. 130). M. 130. I>j6Öölfr H. 537. 538. 594. 607. ValgarBr F.
111. Anon. H. 628 (H. 633. M. 127).
t^öt Einarr Sk41. H. 144. Einarr SkdI. M. 205 (F. 173). Eldjirn H.
652. M. 148. Gizurr H. 475. HallfretJr U. 213 (F. 65. OT. 58). Ha. 91.
106. ildrekr F. 83. Magnus H. 655 (M. 152). Sigvatr H. 248. 255 (F.
76. OH. 42). 416 (OH. 161). 437 (OH. 178). 444 (OH. 183). 522 (2 mal).
I)jöÖöifr H. 620 (M. 116. F. 140). tormöÖr H. 478 (OH. 208).
Ebenso muss aber auch pvit gesetzt werden. Ich gebe
hier die citate ausfuhrlich, weil sich Wimmer a. a. o. gegen
die anerkennuug der form zu sträuben scheint. Die anord-
nung ist die nach den takten des verses, in denen die bei-
spiele erscheinen; insbesondere sind natürlich die beispiele im
zweiten takt wichtig:
}?vit sigri v6r rdöum — Einarr Skdl. F. 143
l^vit Älgrnndar endist — Hallfre7$r Ha. 91
t'vit fürrOgnir fagna — Eormdkr H. 93
)?vit kvistingar kostu — Sigvatr H. 252 (OH. 39)
j'vit ungr konangr engi „ H. 310 (OH. 82)
fj^n ]7Yit Kristi ^jönum — Hallfrot^r Ha. 94
•uni-k l?vit eigi synjar — Magnus M. 154 (F. 158)
sinn l'vit fyrst gekk innan — Sigvatr H. 231 (OH. 27)
on t'vit jarla froinda , H. 310 (OH. 82)
SKALDENMETBIE. 479
•af |?vit eignum lofiJa — Sigvatr H. 527 Qfyi-B OH. 239)
vartJ )?vit visi gört5i — Steinn H. 595
•af )?vit ytar h9fÖu — tjötJölfr H. 529
en J?vit illa reyndisk , H. 605 (M. 91)
hlaut-k }?vit heima sdtum — anon. H. 613 (F. 135. OH. 245)
en trauter )?vit vel viÖria — HallfreÖr Ha. 94
gnnnrjötJr )?vit vel kunnutJ — Sigratr OH. 55
le man-k glat$r )'yit geirar — Einarr Sk4l. F. 143
cerskan veld-k ^vit irskam — Magnus M. 154
afli vex }?vit efla — Sigvatr H. 255 (OH. 42)
vist hef-k }?ann |?vit }?mnar — Sigvatr H. 307 (OH. 80)
Ut-k ül EiÖs }?vit ötJumk , H. 307 (OH. 80)
•olU hon )?vit allri , H. 516
foerak vist )?vit virnm „ H. 522
harmar üngr ]7vit Ingi — anon. M. 219.
Ich mache besonders auf die besternten verse aufmerksam,
welche dartun, dass selbst da die einsilbige form eintreten
muste, wo pvi von einem vorausgehenden werte direct und
deutlich regiert wurde. ^) Der zuerst angeführte vers der F.
143, welcher dem Einarr Sk&laglam beigelegt wird, scheint
ausserdem bereits die form pviti zu bezeugen, durch die hen-
ding auf rdbum] ebenso würde af pviö par hoftiu (PjöÖölfr),
hlaut'k pvib heima sdtum (anon.) besser sein als pvit, weil
dadurch doppelreim vermieden würde; umgekehrt wäre en
traubr pvit vel vibris ein zeugnis für die form pvit] es scheint
aber auf diese letzteren argumente nicht viel zu geben zu sein,
da man z. b. in dem verse let-k Hl Eibs pvit dbumk correcter
weise weder mit pvit noch mit pvib auskommt^)
3. Praepositionen und adverbia.
Es kommen hier in betracht die formenpaare eptir — ept,
undir — und, fyrir — fyr, yfir — of. Das spätere isländische
hat widerum nur die zweisilbigen formen bewahrt: ein neues
beispiel fQr den oben s. 476 ausgesprochenen satz. Das rich-
tige über das ursprüngUche Verhältnis dieser doppelformen ist
*) Vgl. dazu pars (da ist) svdt gramr metS gumnum | gartf yrpjö-
tSum vartSi Einarr Skdl. H. 144 (F. 39).
') Sehr beachtenswert ist die form suap auf dem Rökstein and
dem Forsa-ring (Baggo, Tolkn. af runeindskr. pä R. s. 28. 116. Rane-
indskriften paa Ringen i Forsa Kirke, Christiania 1877 s. 19 (dort auch
ein weiterer reimbeleg für IbI. pmtT^
480 SIEVEBS
schon gelegentlich angedeutet: so von Wimmer, lesebuch*
XXIII, no. 4, und von Bugge, Tolkning af runeindskriften p4
Röksteuon 5. 32. 38, bes. 71. 117; doch glaube ich, dass noch
nirgends mit bestimnitheit der vatz ausgesprochen ist, daes
alle germanischen sprachen einst eine proklitisehe
form als präposition, eine andere betonte (oft oxyto-
nierte, daher den auslautsgesetzen widerstehende) form al»
adverbium brauchten; letztere trat auch ein, wenn
die Präposition hinter ihrem nomen stand. Diese ur-
sprüngliche Scheidung ist noch gewahrt im ahd. mit : miti, alts.
mid : midi] im (got. und) ags. ist die proklitisehe pronominal-
form (m//>), mid allein übrig geblieben. Hiemach dürfen wir,
wie ich bereits Beitr. IV, 81 f. kurz ausgeführt habe, in ähn-
licher weise lautlich unterschiedene formen verschiedener
sprachen paarweise gruppieren, wenn auch ein bedeutungs-
unterschied nicht mehr vorhanden ist ; so müssen got ahd. ana
als adverbialform gegenüber altn. d, ags. ofi, alts. an aufgefasst
werden; die letzteren sind die eigentlichen präpositionalformen.
Bei diesen handelt es sich nur um einen auslautenden yocal;
aber auch stärkere differenzen treten auf. So ist ags. wiber
nur adverb (man vgl. die zahlreichen nominalcomposita mit
betonter partikcl bei Grein etc.), w/Ö ist enklitische form und
wird nur als präposition und in der Verbalcomposition ge-
braucht, welche den hochton der Stammsilbe des verbums gibt
(vgl. etwa Wortpaare wie wibersccc und witSsdcan). Im alt-
sächsischen drängt sich bereits die adverbialform uuithar be-
deutend vor, das althochdeutsche hat sie zur alleinherschaft
gelangen lassen (wie and).
Diesen doppelformen entsprechen nun augenscheinlich diß
altnord. parallelen vitSr und vit5 , welche freilich in unsem
texten sehr promiscue gebraucht werden, zum teil vielleicht
weniger wegen mangelnder Unterscheidung in der lebendigen
spräche, als wegen der gcwohnheit, vit5 wie andere Präposi-
tionen, namentlich fyrir, abzukürzen (Vigfösson s. v.). Jetzt
herscht in Island viti, selten steht vibr- in compositis, ähnlich
ist es im schwedischen und dänischen. Aber das altschwed.
zeigt noch eine spur der alten Unterscheidung. Unter den von
Rydqvist V, 106 f. aufgezählten compositis mit vip, viper sind
20 substantivcomposita mit viper- gegen eines mit der neben-
SKALDENMETBIE. 481
form vip, während in der Zusammenstellung mit dem verbum
die form vip statt viper häufig erscheint (weil verbum und
Präposition im satze zu oft zusammen gehen), wie denn auch
nun umgekehrt als präposition oft viper gebraucht wird.^)
Man wird hiernach von vornherein geneigt sein, das Ver-
hältnis von eftir — eft, undir — und, fyrir — fyr, yfir — of
ebenso zu beurteilen. Entsprechende altschwedische und alt-
dänische formen stehen den genannten norwegisch-isländischen
zur Seite. Schon inschriftlich ist aft, ift häufig (s. u. a. Bugge
a. a. 0. 1 16 f.), üb und für = isl. of, fyr hat der schwedische
Rökstein (Bugge 38. 32), mit steht bei Liljegr. 870 (Rydqvist
V, 189). Die coexistenz der beiden formgruppeu im gemein-
nordischen muss man danach wol ohne weiteres zugeben, aber
auch ihre Scheidung in syntaktischer beziehung hat Bugge be-
reits nachgewiesen. Der praep. für auf dem Bökstein ent-
spricht das adverb furin auf dem Forsaring, aft als präposition
und (a)ftir als adverb begegnen sich auf dem Rökstein selbst
(Bugge 117); nachgesetzte adverbialform (s. oben s. 480) hat
z. b. der Kolundastein (Södermanland ; fapur auk mupur ifti{R),
Bugge s. 53).
Was mir nun noch nicht genügend beobachtet und hervor-
gehoben scheint (doch vgl. Wimmer a. a. o.), ist, dass der
syntaktische unterschied der doppelformen bei den skalden
fast durchaus noch gewahrt ist, dergestalt dass die präposi-
tionen stets einsilbig, die adverbien stets zweisilbig sind. Nur
über die eigentliche sprachform können zweifei herschen, denn
das was schliesslich als vulgatform sich aus dem streite der
doppelbildungen gerettet hat, lässt lautliche congruenz sehr
stark vermissen. Warum entbehrt undir des umlautes, welchen
*) Auch das formenpaar ör, yr und ör, später ür erklärt sich wol
auf diese weise. Wie die nominalcomposita zeigen, denen mit ausnähme
moderner bildungen mit ör, ür, nur Ör-, er- zukommt (Vigfüsson s. 472
8. y. ör)y war ör, yr ursprünglich betonte form, or die enklitische. Nur
durch diese annähme fällt zugleich licht auf das schwanken im umlaut;
auch der norwegisch-isländische r-umlaut trifft, wie die übrigen umlaute,
eigentlich nur Stammsilben, d. h. betonte silben, also auch adverbiales
ör aus betontem *uz\ enklitisches *uz aber entzog sich der einwirk ung
des r - Umlautes. — Die dehnung gerade der enklitischen form ör, ür
vermag ich nicht zu erklären; sie steht aber fUr sehr alte zeit schon
durch die Schreibung z. b. des Stockh. homilienbuches fest
neitrttgo «ür gesohlolito der dciiUchen spräche V. 3I
482 SIEVERS
eftir, fyrir, yfir stets zeigen , oder wie kommt es, dass dem
yfir ein of, dem eftir aber gleichfalls umgelautetes efi zur
Seite steht? Hier kann, meine ich, die geschichte des paares
fyrir — fyr den weg zur erklärung zeigen« Altisländisch
findet sich nicht selten /"wr, auch furer, altschwedisch /or neben
fyri(r)y ftri{r) (Rydqvist II, 81 f.). In diesem für, for haben
wir meines erachtens die vermisste parallelform zu üb, of zu
constatieren. Die Wahrscheinlichkeit dieser annähme wird ver-
mehrt durch die erwägung, dass ursprüngliches i eine kurze
Stammsilbe im nordischen nicht umlautet (Beitr. V, 111 ff.).
Anderseits widerspricht ein furir neben eftir ebenso den um-
lautgesetzen wie undir, während umlautsloses ufid erklärlieh
ist Fasst man diese erwägungen zusammen, so wird man zu
dem resultat geführt, dass das ursprüngliche Verhältnis dieses
war, dass den umgelauteten adverbialfornien eftir, * yndirf fyrir,
yfir die umlautslosen präpositionalformen aft, und, für, of zur
Seite standen. Aus der Wechselwirkung dieser ergaben sich
dann schliesslich die gewöhnlichen formen auf dem woge des
compromisses. i)
*) Die kategorie der ^ compromissformcn * ist bisher in der vor-
gleichenden grammatik wol kaum sehr beachtet worden, doch gibt es
eine anzahl, wie mir scheint, sicherer fälle solcher analogiebildungcn,
die auf halbem wege stehen geblieben sind. Ein boispiel führt Wimmer,
laesebog' XI an, das gewöhnliche nord. oss als dat. acc. pl., welches er,
gewis richtig, darch Wechselwirkung von •05 = got wi$ und Öss =
got. unsxs (häafig im Stockh. homilienbach) erklärt. Noch schlagender
ist vielleicht folgendes. Wie Jon torkelsson, Athagasemdir um islenskar
mdlmyndar, Reykjavik 1874, t2 f. nachgewiesen hat, flectierte das pos-
sessivum vdrr ursprünglich so, dass in den formen mit einfachem cons. stets
6 statt vd erscheint: also zwar värr^ vdrty vdrs, vdrrar, vdrre, vom,
vdrra, aber ör (für * oru), öro7n, öro, öra, örer, örar, ör, örom, öra.
Dieses (wie ich beiläufig bemerke durch den übereinstimmenden gebrauch
des Gutalag als urnordisch bezeugte) Verhältnis ist z. b. im Stockholmer
homilienbuch streng durchgeführt. Zuerst hat das norwegische^ wie es
scheint, den alten unterschied durch ausgleichung aufgehoben, zum teil
aber in sehr merkwürdiger weise. Das norwegische homilienbuch (ed.
Unger) hat regelmässig die alten formen vdr (nom. sg. m., für värr), k. b.
13, 5. 41, 5. 45, 14. 62, 18 etc., vdrs S5, 31. 96, 7. 97, 7. 9S, 11 etc., väm
54, 12. SO, 29. 81, 8. 88, 11 etc., vdrre 34, 15. S5, 9, vdrra 86, 13 und
daneben mit voller Vertilgung des ö die formen vdrum dat. sg. 12, 3. 4.
22, 5. 34, 11. 62, 12. 64, 15. 91, 23 etc., dat. pl. 62, 14. 76, 31 etc., vära
acc. sg. f. 86, 13, vdrar nom. aco. pl. f. 10, 18. 62, 31. 76, 30. 80, 3.
SKALDENMETRIK. 483
Ich lasse nun die belege folgen:
1) ept — epiir.
a) Präposition:
settisk snarr ept )>etta -— Bjarni F. 95
bann ept hervig }?rennin — tjööölfr H. 544
en ept vig frä Veigu — frörör K H. 217.
b) adverb:
enn sem eptir renn! — Haraldr M. 113
heptutJ 6r en eptir — Ottarr H. 284 (OH. 63)
drifu )?eir-ß eptir liftJu — ValgarÖr H. 560 (F. 114)
skipt hafitJ ^r svit eptir „ F. 111.
Letztere form steht auch für die präposition, wenn diese in
einer andern zeile steht als das abhängige nomen:
keypt es ist ef eptir
ofldtinn skal grdta — Sigvatr EL 521 (OH. 236).
2) und — undir.
Die beispiele fQr die präposition sind so zahlreich , dass
ich nur die citate gebe, und zwar der ktlrze halber ohne rtlck-
sicht auf die taktteilung des verses, da an keiner stelle ver-
Schleifung von undir möglich wäre. Die Überlieferung hat
hier oft das richtige und bewahrt.
a) präposition:
und Amörr H. 323 (OH. 92). 529 (F. 99). M. 31 (2 mal). 80. 120
(2 mal). Bjarni H. 447 (OH. 185). BJ9rn H. 647. M. 145. Einarr SkÜ.
H. 116. 136. 138. 144. 146. 163. F. 38. 41. Einarr Skül. H. 622. 667.
717 (M. 200. F. 168). 738. Eyjölfr H. 199. 200. Guthormr H. 88. Hall-
dörr 6kr. F. 64 (OT. 57). HallfreÖr F. 67. Ha. 93. HallvartJr H. 442
(OH. 181). Haraldr H. 558 (M. 15. F. 112). Homklofi H. 60. lUugi F.
108. Kolli H. 726 (M. 208). Magnus M. 152. Ottarr H. 220 (OH. 16).
81, 8 etc., vdr acc. pl. ntr. 88, 10, endlich aber mit mischang von vä
and ö zn vp' ip in Vertretung des verschleiften ao) die formen vprom
dat. sg. 57, 5. 61, 5 etc., dat.pl. 52, 6. 81, 6. 86, 11, vpra acc. sg. f. 86,
8, acc. pl. m. 88, 17, vp'rar acc. pl. f. 52, 5. 80, 28, vp'r acc. pl. n. 80,
28. 88, 7. 18. An einen u-nmlant ist wenigstens bei vp'ra, vprar nicht
zu denken, anch nicht an ein übergreifen des u-omlantes ans denjenigen
casus, welchen er eigentlich zukommt; denn wie sollte es sonst zu er-
klären sein, dass nur die formen mit ursprünglichem 6^ niemals die mit
altem vä diesem übergreifen erlegen wären? Die genaue einhaltung des
alten systemes lässt keine andere wähl, als eben eine partielle analogie-
biidung anzunehmen.
31*
484 SIEVEBS
284 (OH. 63). F. 79 (OH. 99). Sigvatr H. 252 (OH. 39). 263 (F. 76.
OH. 40). 310 (F. 78). 420 (OH. 216). 490. Stüfr H. 555 (M. II. F. HO,
zweimal). M. 118 (F. 140). tjrtÖölfr H. 540. 550 (F. 108). 559. M. 57
(= I>orleikr F. 124). I>öi^r E. H. 157 (2 mal), torn^ls M. 102. I>orkell
Skall. H. 624. i>orkell harn. M. 149. torleifr H. 170. l>orleikr H. 573.
ValgartJr H. 559 (M. 16 f. F. 113, zweimal). M. 19 (F. 115) Vigfüs» F.
49. anon. H. 513 (OH. 233). 731. F. 38. 40; zusammen 62 belege.
b) adverb:
Es finden sich nur beispielo ftir den gebrauch der adver-
bialform an stelle der ihrem nomen nachgesetzten oder von
ihm durch die verscäsur getrennten präposition:
hverr ill'onia aniar
undir hlytr at lÄta — Einarr jarl H. 71
an8trl9ndiim försk undir . . .
gunnhorga 819g m9rgum — GlÄmr H. 89
nü*s autSsendir undir
allr Nöregr ^k fallinn — Halldörr sky. M. 199
gjoflund borinn undir — Steinn M. 130.
3) fi/r (furl) — fyrir,
a) präposition:
Einsilbige form ist metrisch zulässig an folgenden stellen:
Amörr H. 536. 543. 621 (M. 11*«. F. 140). M. 114. F. 96*. OH.
10'» •. Bjami H. 493. F. 87*. Bolverkr H. 547 (2 mal). 570 (M. 51.
F. 121). Bragi H. 7'. Einarr Skal. H. 136 (F. 41). 138*. 138. 144*.
F. 38. Einarr Skül. H. 766. M. 235» (F. 173). F. 173. Eyjölfr H. !99.
Eyvindr F. 22*. Glümr H. 110 (F. 27). 121. Guthormr H. 98. 102*.
Halldörr ökr. H. 215'. Halldörr skv. H. 664 (M. 161). F. 166*. Hall-
fretJr H. 146 (F. 56). 147 (F. 56). 194* (Ha. 97). Ha. 89 (2 mal). 94.
95. 106. 108. 109. 111. OT. 61. Halli M. 96. 101. Haraldr H. 479 (F. 90.
OH. 209). 588* (M. 15. F. 112). 620 (M. 118. F. 139). Hdrekr H. 428
(F. 83. OH. 171). Hornklofi H. 56 (F. 9). 60 (2 mal). 64*. F. 9. Kolli
H. 726 (M. 208). Magnus M. 33. Oddr H. 543 • (3 mal). Ottarr H. 226 •
(OH. 21). 235 (OH. 28). 284 (OH. 63). 422 (OH. 165). Sigvatr H. 220
(OH. 17). 223. 228 (OH. 22). 229* (OH. 23). 252 (F. 76. OH. 39).
253* (OH. 40, 2 mal). 274* (OH. 55). 308. 309 (OH. 81). 416 (OH.
160). 431 (OH. 173). 439. 442 (OH. 183). 444* (F. 86. OH. 183). 480
(OH. 210). 490 (OH. 217). 499 (OH. 223). 521. OH. 55'. 55. SkAH
H. 211» (F. 63. OT. 54). Skümr F. 53. Steinn H. 595 •. 595. 6I6*
(M. 113. F. 137). M. 79* (F. 129). 124* (F. 148). 124. 125. St6fr H.
555* (F. 110). tjöÖölfr H. 537. 541. 542*. 543*. 543. 555. 56«. 692.
593*. 594*. 607 (M. 88. F. 133). 626. M. 8. 102*. 102. F. 109.
I>örtJr K. H. 155 (F. 48). 217* (F. 69). 232 (OH. 25). I>orgils M. 101
(zweimal). 102*. 102 (zweimal). I>orleikr H. 572 (M. 55. F. 123).
F. 123. ]>ormöt$r H. 474 (OH. 205; zweimal). U'ifr H. 612 (M. 111).
SKALDENMETRIK. .485
ValgartJr H. 559. 560* (M. 18. (F. 114). 560 (M. 18. F. 114). Vigf6fl8
F. 49. anon. H. 572 (M. 56. F. 124). 602*. 602 (zweimal), li. 12*.
17 (F. 113). 219. 222*.
Zusammen sind es 134 belege, yon denen nur die 40 be-
sternten dem ersten takte zufallen. Da für die übrigen 94
des zweiten taktes verschleifung auf keinen fall zuzulassen
ist, so stösst die annähme, dass auch im ersten takt regel-
mässig die einsilbige form zu setzen sei, gewis nicht auf Wider-
spruch. Nur viermal habe ich zweisilbiges fyrlr durch den
zweiten takt bezeugt gefunden, nämlich in den versen
nitJrlütt fyrir ütan — Sigvatr H. 308 (OH. 80)
gein haasB fyrir stein! — I>j6t561fr H. 539
örikr fyrir liki — anon. H. 151
landgar75r fyrir bart$i — anon. M. 152.
b) adverb:
stalum biftJusk fyrir 4lar — Amörr H. 529 (achtsilbler)
andres nema allvaldr Lnndar
aldrprüÖr fyrir haldi — tjötJölfr H. 539
v6r hlnttun sigr en särir
Sveins menn fyrir renna „ H. 542
. . . si-B land k sunnan,
iJiÖbrjötr, fyrir r4?Ja „ M. 55 (F. 123).
Ebenso steht itan . . . fyrir statt des üblichen fyr ütan in der
Strophe
Ätan vart$-k, i^r J6ta
andspilli fekk-k stillis,
(meld sd-k b6r fyr holdi
hüsdyrr) fyrir spyrjask — Sigvatr H. 416 (OH. 160),
welche beide formen neben einander zeigt^
1) Nar scheinbare ausnahmen von der regel, dass die adverbialform
stehe, wenn der versschlass präposition und nomen trennt, bieten die
Zeilen :
botJstyrkir, 16zt barka
(bragnings verk i Serkjnm
fraeg hafa görzk) fyr gygjar
gagnstig ofan siga — Halldörr skv. H. 665 (M. 162. F. 161)
und
fjandr ganga ]7ar ]7engil8
(J>jöÖ byör opt) me?5 sjötJa
(hofgan mdlm fyr hilmis
haus öfalan) lansa — Sigvatr H. 431 (OH. 172),
4S6 SIEYERS
Für einsilbiges adverb babe icb keinen sicher beweisenden
l)eleg gefunden, denn
fyrir 16t IIAkon horva — I'j6Ö61fr H. 605 (M.91)
iHt natürlich unanstössig. Nur eine Strophe Sigvats, H. 308
(OII. 81) scheint bedenklich:
BSLÖT vas üng^ fyr 'pSLÖrs,
(dt vart$-k eitt kveld heitinn)
innan (Qörum sinnam),
wo nach der auilösung, welche zu OH. s. 273 gegeben ist^ fyr
mit i7ma7i zu verbinden wäre: 'darin war keine büligkeit.'
Aber abgesehen davon, dass hier eigentlich im gründe doch
präpositionalform erwartet wird, und wir also nur eine auf-
nähme von dem mehrfach berührten Stellungsgesetz anzuneh-
men hätten, so bleibt noch, wie sich weiter unten ergeben
wird, die müglichkeit, saör vas zu einsilbigem sabr tfs zu kürzen
und fyrir dann zweisilbig zu lesen.
Jedenfalls bleibt aber das resultat sicher, dass die spätere
Verwirrung im gebrauche von fyr und fyrir bei den älteren
skalden erst in sehr bescheidenem maasse beginnt
4) of = yfir.
Die beispiele für of habe ich nicht gesammelt, was bei
der überall begegnenden Verwechselung von of mit um ent-
schuldbar sein mag. Ein wirkliches adverb ist mir nur ein-
mal begegnet, in nicht entscheidender Stellung:
yfir um Bk6g at spröga — I>j6tJ6lfr IL 539,
nachgestellte präposition in adverbialform ebenfalls nur ein-
mal, aber sicher:
Skdney.yfir sldni — tjööölfr H. 542.
Danach wird
liann yfir Nöregs monnam — I)6rt$r K. H. 217
in of zu bessern sein.^)
denn hier ist durch den vorausgeschickten und mit dem regierenden
nomen begrifflich eng verbundenen genitiv die Verbindung swisohen
präposition und nomen hergestellt.
*) Anmerkungsweise teile ich noch mit, dass auch die alten isUta-
disclieu hss. zum teil das ursprüngliche Verhältnis in ziemlichem um-
fange gewahrt haben, namentlich was fyr — fyrir betrifft. So hat der
Elucidarius fw als präposition 41 mal, nur einmal forer pisl 40; ebenso
SKALDENMETRIK. 4^7
4) Kürzung von yerbalformen.
1. hafa.
In betracht kommen die formonpaare hefr — hefir für die
2. und 3. sg., hef — hefi und hef-k — hefi-k für die 1. sg.
Die zweisilbigen formen sind bekanntlich die später allein üb-
lichen. Bei den skalden überwiegt die zahl der für die kür-
zeren beweisenden stellen die derjenigen, welche die existenz
der längeren sichern. Es ist nämlich mit Sicherheit hefr resp.
hef'k zu lesen , wo die betreflfenden woii;e nur die hälfte des
zweiten taktes ausfüllen:
borÖ es gramr hefr Qor?5a — Gunnhildr F. 15
mannkynn hefr at minnum — Haraldr M. 114
heisst es stets fvr- in der verbalcomposition entsprechend unserm ver-:
fvrdömasc 1. 39. 40. 41, fvrleit 12. 33. 34 (2), fvrkt 13, fvrlete 34, fvr-
farasc 38 (2). 43, fvrgefa 57, fvrgefasc 57; aber mit betontem fyrir
stets filier ser (praevidet) 6, fvrei'^tlon subst. 7, visse kann fvrer 13, kann
visse fvrer 16, ä fvrerqtlafyre tip 26; die alten homilienfragmente AM.
237 (Mübius Analeeta« 235 flf.) haben nur ein fyrer 238, 10 gegen 20 /yr,
adverbia fehlen. Im Stockholmer homilienbnche hat sich zwar fyrer als
Präposition bereits stark eingedrängt, aber fyr- = deutschem ver- ist
noch fast ganz rein erhalten; aus den ersten 100 selten habe ich fol-
gende beispiele notiert: fyrgefa (in verschiedenen formen) 31, 20. 21 (2).
22. 32, 25. 26. 34, 17. 18. 24. 26. 28. 29. 30. 31. 35, 2. 42, 14. 44, 10.
23. 45, 29. 51, 10 (2). 52, 12. 27. 53, 18. 63, 9. 64, 12. 68, 3. 73,
17 (2). 18 (2). 84, 12. 94, 22; fyrlitom 38, 19, fyrUtit 51, 34, fyrliir
69, 4. 93, 22; fyrdeömper 5, 14; fyrdeöm 51, 23, fyrd(fme 60, 7,
fyr domer 77, 22; fyr farasc 54, 32, fyrfara 75, 32, fyrfaresc 78,
15, fyrförsc 68, 30. 34. 69, 10; fyrUßtr 61, 33, fyrldte 71, 10,
fyrldia 12, 19. 85, 17; fyrhopet 85, 2; in nominalableitungen fyr-
dumingar 58, 6. 21, fyrgefningar 78, 3. 94, 26, aber hier auch fyrerdö*-
mingo 68, 23, fyrergefning 63, 5, fyrcrgefningar 84, 11. Als adverbium
erscheint ausschliesslich fyrer : fyrerrennare 14, 16, fyrerheits 26, 10.
27, 4, fyrerheiia 49, 23, fyrerhurp 52, 32, fyrertglor 56, 10; verbal sS
fyrer 6, 37, par ero , . , fyrer 90, 13, peir es kann fyrer verpr 88, 10,
es kann pöiiisc fyrer verpa 96, 16, tekr . . . fyrii' 21 , 34, sagpa fyrer
23, 27, sagpe fyrer 40, 24, fyrer saogpo 40, 23, fyrer sagt 46, 14,
sidmc fyrer 42, 24, sg fyrer 42, 36, fyrer sdr 77, 19 (?), bipiomsc fyrer
03, 36, bap fyrer 68,' 6, geck fyrer 67, 21, fyrer sianda 52, 27, fyrer-
herasc 66 , 4, veit fyrer 97, 38 , vissi fyrer 98 , 2. 5. Zweifelhaft ist
allenfalls fyrer hetiit 1, 16. 73, 28, aber wol eher * vorher verheissen' als
einfaches *verheissen*. — Aehnlich erscheinen im St. h. zwar noch ge-
legentlich und und of als präpositionen, aber nie als adverbia; für diese
heisst es nur undir und yuer, yfer.
488 SIEVERS
lytandi hefr lj6tu — Ottarr H. 2S4 (OH. 63)
Sigvatr hefr gram lattan — Sigvatr H. 527 (OH. 2H9)
ollungis hefr illa — Skümr F. 53
fj6Ö veit at hefr haöar — l>j6Ö61fr H. 555
fullviöa hefr froeöurn — l*6rarinn H. 6S7 (M. 1S9)
Sveins raunir hef-k B^nar — Bersi H. 254 (OH. 41)
einn dröttinn hef-k attan — Eyvindr H. 112 (F. 28)
jydlfrteigs ok hef-k eigi — HallfreÖr Ha. lU
raöit hef-k at riöa — Oarekr H. 427 (F. b2. OH. 170)
vatna?rin hof-k vitni — Sigvatr H. 521 (OH. 236).
Metrische griiiide sprechen sodann ebenfalls für eiuBÜbigo
form, wenn das verbum nach aufgelöster erster hebung dos
verses steht:
gefit hefr gut^ sjalfr jofri — Einarr Skül. H. 744
rana hefr seggr a svini — Halli M. 96
logit hefr Baklr at Baldri — Haraldr M. 55 (F. 123)
ölegit hefr pugu a pegiia — Sigvatr H. 527 (F. 9>. OH. 2:J9)
st;i?ar hefr stufr i miöju — hjoÖölfr H. 539
rekit lief-k Rögnvalds dauöa — Einarr jarl U. 71 (F. 143)
Haralds hef-k skarti i »kildi ^ H. 71.
Hier würde sonst die grosse häufigkeit des vorkommenB von
hefir, hefi'k bei aiiti()sung beider silben des ersten taktos unor-
klfirlich sein, welche ausserdem überhaupt nur durch 5 bei-
spiclo zu belegen war (s. 46S). — Metrisch sicher ist ferner hef
in dem vcrse
ek hef sjalfr krafit halfa — Sigvatr H. 219 (OH. 36),
da drei silben im ersten takte, wie überhaupt, nicht verschleif-
bar sind. Ebenso sind die oben s. 462 angeführten hve, nu,
sjn, svä, fm hefr, m, svä hef-k in der hebung des ersten
taktes sichere zeugen für die kürzere form, auch wenn man
die weitere kürzung zu hve fr etc. ablehnt. Alles zusammen-
gerechnet, finden wir 29 belege für hefr, hef, hef-k\ dem
gegenüber stehen \ für hefir, hefi-k:
crlendr hefir undan — Einarr Skül. M. 192
Aslakr hefir aukit — Sigvatr H. 446 (OH. IM)
dolgljösö hefir dasi — l>j6Öolfr F. 109
vitt hefi-k sizt yttom — Haraldr M. 16.
Das letzte beispiel ist noch dazu zweifelhaft, da hefi-k als
zweisilbiges wort an dieser stelle gegen die auilösungsrQgeln
verstösst (s. 450 no. III). Es ist also wol Jief ek zu lesen (vgl
weiter unten unter ' bragarmäl ' s. 508).
SKALDENMETRIK. 489
Die belege für den auflösungsfähigen ersten takt zu no-
tieren unterlasse ich. Es wird nach dem gesagten aber nicht
zweifelhaft sein, dass auch da überall die kürzeren formen
einzusetzen sind.
2. ves<u
Die kttrzungen betreffen die einsilbigen singularformen
em, est, es (eventuell auch im praet. vas) und die zweisilbigen
pluralformen erum, eruö, eru. Gemeinschaftlich ist denselben
die einbusse des anlautenden vocales (in vas die des innern).
Diese kürzungen treten aber nur im anschlusse au voraus-
gehende betontere Wörter auf, bilden also eine Überleitung zu
dem nachher zu besprechenden bragarmäL Durch diese Stel-
lung unterscheidet sich die copula vesa beträchtlich von hafa\
bei diesem handelte es sich im allgemeinen nur um die her-
stellung einer in allen satzstellungen allein üblichen, früher
einmal feststehenden einsilbigen normalform; nur jene hve*fr
und genossen (s. 468) bilden eine parallele zu den kürzungen
der copula, indem auch sie eine unter gewissen bedingungen
in der spräche eintretende und daher auch metrisch verwend-
bare Verstümmelung der normalform zur anschauung bringen.
Es kann sich also hierbei nicht mehr darum handeln, eine
überall durchzuführende normalform zu ermitteln^ sondern
diejenigen fälle zu bestimmen, in welchen die kürzung über-
haupt eintritt.
Im übrigen gibt die betfachtung solcher falle wider zu
ganz ähnlichen erwägungen anlass, wie wir sie oben s. 476 f.
angestellt haben. Auch hier kann die vollere form nicht ohne
weiteres den anspruch auf höheres alter erheben. Gerade bei
tonlosen Satzteilen pflegt die Verkehrssprache, die uns doch
immer der normale ausgangspunkt bleiben muss, da auch alle
literarische spräche in erster linie aus ihr schöpft, sich sehr früh-
zeitig ein bestimmtes kürzungssystem zu bilden, das wie alle
gesctze der lebenden spräche durchaus streng durchgefilhrt
wird. Man erinnere sich z. b. der consequenten kürzung der
englischen hülfsverba am, is, are, have, had, was, will, would,
shall, should zu -'m, -'s, -'re, -ve, -d, -ws, -11 {-wll, d. h. -// mit
labialisierung des vorausgehenden lautes, ebenso bei -ws für
was und) -wd, -shll, -shd u. dgl., die in der Verkehrssprache
490 SIEYERS
nur durch einige euphonische regeln (namentlich über Vermei-
dung zu schwerer consonantgruppen) und syntaktische gesetze
(insbesondere im bctonungsfalle) eingeschränkt wird. Es ist
ferner älteren Sprachperioden durchaus angemessen^ den ge-
sprochenen satz in naiverer weise als ein ganzes aufzufassen.
Viele alte schriftsystcme weisen daher auch nur eine satz-
schiift auf, welche den satz so wie er gesprochen wurde,
fixieren soll, mit allen Wandlungen, welche etwa das einzelne
wort im zusanmicnhange des satzes durchmachen kann. Ein
klassisches beispiel hierfür ist die devanägart des sanskrit,
insbesondere in ihrer anwendmig auf die doppelte über-
lieferungsform der veden in samhitä- und padapätha, aber
auch die älteren griechischen inschriften setzen mit Vorliebe
der ausspräche gemäss die später verpönten ifi jroXei, ly
KvjrQO), und deiglcichcn in vielen andern fällen. Wortschrift,
d. h. auKSchcidung des einzelnen wertes und damit die auf-
gäbe, demselben eine normalform zu geben, ist erst die folge
einer weitgehenden spcculation, die sich erst bei bereits länger
ausgeübtem schriftgebrauch einzustellen pflegt. An die schrift
knüpfen aber dann wider die höheren literatursprachen und
an diese evcnluell die Umgangssprachen der 'gebildeten* an,
welche selten oder nie den ursprünglichen naiven Charakter
der spräche bewaliren. In ihrer natur muss es liegen, die
von der naiven Verkehrssprache unter gewissen bedingungen
geschaflcnen kürzungen zu gunsten einer allgemeinen (insbe-
sondere aber auch an sich scllViftlich fixierbaren) normalform
zu ignorieren. So kennt denn die Orthographie des späteren
isländischen nur ein em, ert, er oder Wortpaare wie em ek,
hefi ek, da ein 'm, V, 'k für sich nicht als Wortzeichen genüg-
ten: selten dass sich da die satzform eines wertes statt der
abstrahierten nornuilform länger hält, wo sie stärkere laut-
veränderungen erfahren hat, z. b. in fällen wie ertü, skaltä,
die aber doch auch schliesslich der auilösung in eri pü, skcUt
Im anheimfallen. Wie weit solche graphische auflösung nun
auch auf die ausspräche und die technische Verwendung der
spräche einfluss hat, ist im einzelnen falle genauer zu untersuchen.
Jedenfalls muss sie nicht die auflösung im gesprochenen
satze nach sich ziehen. So ist z. b. die anwendung des
bragarmäl beim pronomen ek^ die aus der isländischen Ortho-
SKALDENMETRIK. 491
graphie seit Jahrhunderten geschwunden ist, noch heutzutage
auf Island allgemein üblich ( Vigflisson zu Eyrbyggja s. XL VIII).
Ist nun auch in solchen fällen, wo sich für eine ältere
Sprachperiode die existenz von kürzungsformen unter gewissen
bediugungen des satzaccentes nachweisen lässt, die kttrzungs-
form an satzstellen, welche diesen bedingungen unterliegen,
durchaus als das normale anzusehen, so darf man dennoch
nicht die forderung erheben, dass sie nun überall an diesen
stellen in der lit er atur jener zeit sich finden müsse. Gerade
bei einer so künstlichen dichtungsform wie der skaldischen,
welche das wägen und zählen der silben mit ängstlicher Sorg-
falt reflectierend überwacht, ist es sehr natürlich, wenn der
dichter gelegentlich jenen auflösungsprocess zweier durch kür-
zung verschmolzener werte, deren einzelne elemente ihm ja
aus anderen fUgungcn bekannt waren, vollzieht, sobald es ihm
bequemer sein mag, zwei silben statt einer einzigen in einem
vcrse zu verwenden. Aber je ursprünglicher noch eine solche
dichtung ausgeübt wird, je weniger sie von einer durch schrift-
liche fixicrung geregelten literatursprache begleitet und beein-
flusst wird, um so seltener wird ein dichter von jener auf-
lösung gebrauch machen: ein satz, der insbesondere durch
die behandlung des bragarmäl seine bestätigung finden wird. —
Doch lassen wir nun die belege selbst sprechen.
a) erste person singularis.
Die kttrzungen sind aus leicht begreiflichen gründen sehr
spärlich. Kürzungen der copula treten überhaupt nur nach
einem höher betonten und syntaktisch nahestehenden werte
ein; fUr die erste person bieten sich darnach nur das prono-
men ek und Stark betonte partikeln u. dgl. Das erstere fällt
fllr das nordische fort, weil der alte Sprachgebrauch nach-
setzung desselben fordert; es heisst ja bekanntlich meist nicht
ek em wie etwa engl. / am, vulgo Fm, sondern em-k , wofür
die belege unten folgen. Die auswahl unter den partikeln etc.
wird aber wider dadurch geschmälert, dass nur vocalisch aus-
lautende wol im Stande sind noch ein -m'k zu sich zu nehmen,
ohne ihre einsilbigkeit aufzugeben. So habe ich denn nur zwei
belege für -mk gefunden:
492 SIEVERS
nü'mk ollifu allra — Haraldr H. 586
l^vi'ink sein bast i brjösti — Sigvatr II. 521,
über die bereits oben s. 462 das nähere gegeben isL
b) zweite person singularis.
Ebenfalls nur zwei beispiele:
nü 'Bt rikr af hvot slikri — Ottarr IL 220 (OH. 16)
]>ü'Bt ti\ borinn \ilja — Sigvatr IL 307 (OH. 80).
Die not wendigkeit der form est, 'st, nicht ert, 'rt, ergibt sich
aus der behandlung der dritten person.
c) dritte person singularis.
Die form er ist fltr unsere zeit noch ausgeschlossen; sie
erscheint erst um die mitte des 12. Jahrhunderts in Norwegen
(im Hättalykill des Rögnvaldr jarl, um 1145, s. Vigfüsson &
V. vera)y auf Island tritt sie gar erst im 13. Jahrhundert, in
Snorris Uä,ttatal, auf (die beispiele s. im Vorwort zur lithogr.
ausgäbe des Elucidarius). An direct beweisenden reimen fin-
den sich in meinem materiale nur
cs-at um allvalds risnu — Einarr Skül. II. 667
sva's ef Rauma rsesir „ II. 744
nü's um vcrk ]?au-8 visi — tjötJölfr H. 607,
weitere s. bei Vigfüsson a, a. o.
Die belege für die kürzung ordne ich nach dem yoraus-
gehenden, zum teil auch nach dem folgenden werte, da deren
quaiititiitsverhältnisse natürlich bei der bestimmung der silben-
zahl des verses mit in betracht kommen.
a) nach vocalisch auslautendem werte
(Partikeln und pronomina):
nü's folkstuöill fallinn — Einarr jarl H. 71 (Sk&L F. 143)
nü's afrendra jofra — Einarr Skdl. F. 37
nii'B )>at-B rek/a rakna — Eyvindr H. 103 (F. 21)
mV 8 dlfroöull elfar „ H. 111 (F. 29)
nü's aut5scndir undir — Ilalldörr skv. M. 199
nü's l'cngill fram genginn — Hallfret$r F. 67
nü's sannf regit sunnan « H. 217 (F. 67)
nü's l>at-8 blakkr of bekW — Sigvatr H. 274 (OH. 55)
nü's um verk pau-s visi — I>jöt561fr II. 607
nü's valmeiÖum viÖis — ValgartJr H. 560
svd's ef llauma rsesir — Einarr Skül. IL 744
SEALDENMETRIE. 493
8 4 's minn vili )>inu — Sigvatr H. 248 (OH. 36)
l9St ef sjd'B enn basti „ H. 308 (OH. 81)
daella's fyrst d bjalli , H. 431 (OH. 173)
daella'B oss ef allir , H. 416 (F. 84. OH. 161)
eigi's Tvarr bauga — Einarr Skül. M. 181
cigi*B jarni bjügu — l>jöÖölfr H. 592.
ß) nach consonantisch auslautendem werte.
1) praedicatives adjectivum (participium):
harÖr'B i heimi oröinn I a a if
myrkt'B hverr meira orkar | Arnörr M. 120
gött'B vinna prek manni — Einarr Skal. F. 143
fraegr*8 til BlikB ok segja — HallfreÖr H. 211 (OT. 53; fraegfs F. 62)
haett's til hanB at fr6tta , H. 216 (F. 67)
skipt's i gumna giptu „ Ha. 94
illt's viö lilf at ylfaBk - Hildr H. 66 (OH. 23)
framt's Eiriks kyn meira — Sigvatr H. 417 (OH. 16J)
IcyfÖr's (at hilmiB hoföi) „ H. 493 (OH. 219)
hort5*B Biz hermenn görtJu « H. 499 (OH. 223)
gört'B )>eim-B gott bar hjarta „ H. 523 (OH. 235)
greypt*B }?at h9fÖum hnepta
haett'B )>at-B allir heitaBk L H. 527 (F. 98. OH. 239)
IjÖBt'B lysu at gista '
reitir'B herr, konungr, leit$aBk — anon. M. 101.
Hiernach wird auch zu schreiben sein:
frött's at fyrtJar kndttu — borkell Skall. H. 624
rött's at sökn en Betta — Sigvatr H. 226 (F. 70. OH. 21)
satt's at sökn of veittir — Bjami H. 493
Batt's at sitja kndtti , H. 519 (OH. 236)
Batt's at Sveini moettum — Sigvatr H. 255 (OH. 42)
satt'B at Bvd m9rg dtti — l>j6Ö61fr H. 539
satt'B at 8it$ mun 16tta — borkell Skall. H. 624
V ist's at allvaldr anstan — anon. H. 612 (M. 112),
obwol hier überall es at nach den verschleifungsgesetzen an
sich zulässig wäre.
2) pronomina der dritten person als subject.
hann's rikr J9furr banna — Steinn H. 628 (M. 124. F. 148)
bann' 8 fremstr konungmanna „ M. 130
hann's baztr alinn manna — anon. H. 636
hitt's satt at byt5-k byttu — Eldjdm H. 652 (J^at's M. 148)»),
») Diese lesart ist wol besser, weil dadurch dreifacher reim ver-
mieden wird; dann wäre der vers erst zur nächsten beispielgruppe zu
stellen; doch vgl. s. 479.
494 SIEVEBS
darnach zu urteilen auch
\f2LVa ekkju munr nekkvat — Haraldr H. 474 (F. 90. OH. 209)
hvat'B i helmi betra — Magnds 11. 654 (M. 152).
3) adverbia.
austr^s til har i hesti — Eldjdm H. 652 (M. 14S)
üt'8 sem innan liti — t>j6t$61fr H. 592
hvr's skark i Danmorku ^ H. 542
und so auch
par*B 8v4t gramr met$ gumnum — Einarr Skdl. H. 144
hvar'8 Akkerisfrakki — HallfretJr Ha. 92
mjok's verr en sva ferri „ H. 216 (F. 67)
injok's langr bä-s dvelr drengi — Magnus H. 654 (M. 152).
4) substantiva.
hugr'B minn i Dyflinni — Magnus M. 154 (F. 158)
undr's noma allvaldr Lundar — I>j6t$61fr H. 539
old'B BÜ*B jarli skyldi — Magnus H. 605 (M. 91)
hrong's j'atrS hdvan ]7ongal — anon. M. 101
und so auch
und*B k OBS sü-s spraBndi — J9kull H. 455 (OH. 191)
raun's at riki ymn — Kolli H. 726 (a M. 209)
undr's ef eigi reyndu — Steinn F. 129 (M. 79)
van*s at visa koenan — I>orleikr H. 572 (vän erumk F. 122)
vdn's at vinnim Sveini — anon. U. 572 (M. 56. F. 124)
syn's at sit-k at llÄnar „ M. 101
vin*s sa-s varmra benja — Sigvatr H. 527 (OH. 239).
b) die praeteritalformen.
Zweimal erscheint das praeteritum vas mit Sicherheit als
ül)erschüssige silbe, nämlich
sa vas dt5r biiinn riiöa — Sigvatr H. 445 (OH. 183)
t'at vas tlötta bol dröttinn „ H. 228 (OH. 22).
Hier wird man kaum umhin können, eine z. b. der modernen
englischen kürzung von he, she, that weis zu he'ws, sMws,
thaCws entsprechende syncope des a anzunehmen. Als drittes
heispiel kann man sodann den schon s. 486 besprochenen yers
saör vas (Jngr | fyrir | l^atJra — Sigvatr H. 308
hierher ziehen (zu beachten ist^ dass alle drei beispiele dem
Sigvatr zugehören.) Dagegen möchte ich nicht eine bestimmte
meinung aussprechen ttber den vers
SKALDENMETBIE. 495
satt vas at | allvaldr | dtti — anon. M. 152,
welcher doch vielleicht mit verschleifung von vas at zu
lesen ist.
d) die zweisilbigen pluralformen.
Bekannt ist schon aus der handschriftlichen Überlieferung
die ktirzung von eriim etc. nach r. Von dieser sind in unsem
texten zwei beispiele im zweiten takte metrisch sicher gestellt:
snjalls at vor 'rem allir — I>j6t561fr H. 621 (M. 119. F. 141)
eik hvi v6r 'rom bleikir — tormötJr H. 498 (OH. 223).
Kürzung von ero zu einfachem o^) ist anzusetzen in dem
verse
margar 'o manua v61ar — anon. M. 68,
in welchem die zweite und dritte silbe verschleifungsfähig sein
müssen, positionslänge der ersten, wie sie margar Wo bieten
würde, also nicht gestattet ist. In 6inem fall scheint die kür-
zung auch nach einem vocale sicher belegt zu sein; sie wird
dadurch noch auffälliger, dass der schlussvocal von -ro noch
durch elision getilgt werden muss (s. 474):
t^au'rowenn svdt man-k manna — Haraldr H. 586.
5. Negation.
Es ist bekannt, dass die ältere spräche oft die Verneinung,
statt durch eine selbständige partikel, durch ein dem ycrbum
angehängtes -a, -at, bei vocalischem auslaut einfaches -t aus-
zudrücken pflegt. Beispiele für -a, -at hier den reichen Samm-
lungen von Egilsson 1 fil, Vigfüsson XXVI f. 2 f. hinzuzufügen,
halte ich für überflüssig; ich habe etwa 40 belege notiert, ohne
bei der Sammlung auf Vollständigkeit auszugehen. Nur
värum-a I>j 6861fr H. 68, fariöa ir Dj 6861fr H. 75 seien ihrer
Seltenheit wegen (Vigf. a. a. o.) besonders angemerkt. Da-
gegen scheint mir die regel noch besonderer begründung zu
bedürfen, dass bei vocalischem auslaut nur -t antrete; denn
soweit ich sehe, ist noch nicht bemerkt worden, dass überall,
wo durch anfügung von -a, -at hiatus entstehen würde, der
*) Vgl. z. b. im Stockh. hoinilienbuche pesser ö 16, 30, aller 6 19,
7, andmarkar ö 61, 25, östyrker ö 65,37, bundner o 71, 2 etc. neben bünar
rö 53, 10, fylder ro 54, 7, pesser ro 54, 10, bopnar rö 61, 35, peckiar
ro 63, 23 etc.
496 SIEVERS
vers zugleich eine überzählige silbe enthalten würde (Vigftsson
a. a. 0. bemerkt das übelklingende des hiatus^ nimmt aber
sonst keinen anstoss daran). Einfaches -t ist oft genug belegt:
ich führe aus unsern texten an (ohne auf Vollständigkeit aus-
zugehen) : 3. sg. ind. praet. fyldH Kolli H. 726 (M. 209), haföi-t
ArnoiT M. 118 (F. 140), mdttH Sigvatr H. 230. 491 (OH. 218).
516, 7idÖi"t Sigvatr H. 491 (OH. 218), vcegbi-t Einarr Sk&L F.
38. I)jü861fr H. 516, vildi-t PjoÖolfr H. 596 (M. 80. F. 130);
3. sg. conj. praes. hafi-t Kormäkr H. 93; 3. sg. conj. praet
skyldi't Sigvatr H. 309 (OH. 81); 3. pl. ind. praes. skulu-t
Sigvatr H. 527 (OH. 239); 3. pl. ind. praet bdbu-t Sigvatr H.
227 (OH. 22), fwidu-l Sigvatr H. 255, geröu-t HallfreÖr H. 213
(F. 65. OT. 58), gicldu't Ottarr H. 227 (OH. 22), hli/t^u-t Am6rr
M. 119 (F. 141), fndttU't Sigvatr H. 227 (OH. 20), muntSu-t
HallfreÖr H. 217 (F. 67), väru-t DorkcU harn. H. 639 (M. 132;
vdru F. 152), pöröti-t Sigvatr H. 491 (OH. 217), vildu-t Amorr
H. 364. Man wird also ohne anstoss in den versen
myndi-at seima sendir — Einarr Skül. F. 173
mdtti-at old )>d-s ötta ^ Halldörr skv. F. 166
gramr flyÖi-at sä siÖan — Stiifr F. 140
myndi'ty fnälti-t, fliföi-t einsetzen, wie auch M. 118 im letzt-
angeführten verse bietet Die formen mit hiatus in der spä-
tem Orthographie sind offenbar auch nur späte auflösungen
dem lebendigen sprachbewustseiu bereits fernstehender formen.
Nicht selten erzeugt auch die negationspailikel eigi einen
silbenüberschuss. Man vergleiche:
bit^-k eigi mer ens }?ritya — Eyvindr H. 112 (F. 28)
veit-k e i gi hitt hvdrt heita — Hallfr. F. 66 (OT. 60, veitkat ek H. 216)
kann-k eigi mart vit$ manna „ H. 217 (oi F. 67)
deyr eigi mildingr mterri — torkell Skall. H. 624
vartJ eigi vel viÖ styrjii — anon. H. 729
myndi eigi seima sendir — Einarr Skül. M. 235 (myndi-at F. 173)
skyldu eigi skelknir holOar — l>ormöÖr 11. 476 (OII. 207)
köm-k eigi austr i haust! — Magnus M. 154 (F. 158)
fryr eigi oss i ari — Sigvatr H. 255 (OH. 42).
In den beiden letzten versen käme man zur not mit elision
des / aus (s.474); aber die gleichartigkeit der beispiele erfordert
meines bedünkens auch wider gleiche beurteilung. DassF.G?
in einem verse HallfreSs ei steht, wird man bei dem fehlen
alter Überlieferung dieses textes nicht hoch genug anschlagen
SKALDENMETRIK. 497
wollen, um jene zweifelhafte form (s. Egilsson und VigfüsBon
8. V.) in allen neun versen einzusetzen. Vielmehr wird man, eich
an die durch H. 216 zu einem Terse HallfreÖs und durch F. 173
zu einem verse Einars gegebenen winke haltend, lieber, und
mit grösserem rechte, bibkak, veitkak, kannkak, deyrai, varbat,
myndit , skyldut , kömkak, fryrat schreiben, um dem verse ge-
recht zu werden. Auch hier hat die spätere Überlieferung
offenbar die moderne negation eigi erst eingesetzt
lieber den ganz corrupten vers vill kann eigi flokk väm
fylla H. 651 (M. 148) möchte ich eine bestimmte ansieht nicht
aussprechen; am nächsten liegt auch hier vill-at.
Hieran möge sich schliessen eine kurze besprechung des
hragarmäl, und zwar behandle ich zunächst
6. Die relativpartikel es.
Zur form bemerke ich im allgemeinen, dass es, welches ja
überhaupt für das 12. jahrhundeii; noch fest steht, überdies
durch folgende, zugleich für die völlige Verschmelzung mit dem
vorangehenden werte zeugende, reime bewiesen wird:
b4-8 metJ Sygna raesi — HallfretJr Ha. 95
I^ar-B til }?engilB hersa — Arnörr H. 621 (M. 118. F. 140).
Dagegen finden wir er in einem F. 53 dem Skümr beigelegten verse
}pk-t k seima saeri
und vielleicht, wenn man nicht eine metrische incorrectheit an-
nehmen will, auch in den beiden fast gleichlautenden versen
l'd-r 4 rausn fyr raesi — Homklofi H. 56 (F. 9)
)>ä-r viÖ rausn at raeslB — Sigvatr H. 223.
Im letzten verse hat aber OH. 19 par er statt pA er, und das
in beiden stellen einzusetzen, halte ich für durchaus unbedenk-
lich, da die handschriftliche Überlieferung ziemlich oft zwischen
pa er und par er schwankt, und, ich weiss nicht aus welchem
gründe, gerade an erster stelle des verses ganz überwiegend
pa er geschrieben wird.
Am festesten ist die Verbindung der partikel es mit den
adverbien par und pA. Bei diesen verlangt oder gestattet der
vers ausnahmslos einsilbige form. Für pars habe ich ca. 80,
für pä'S ca. 55 belege gefunden, darunter folgende für den
zweiten takt:
HcitrKge rar geaohichte dor deutaohen sprach«. V. 32
498 SIEVERS
}?ar-8 Arnörr U. 511 (F. 105). Björn H. 047 (M. 144). M. 145.
Bragi H. 7. Einarr jarl H. 70 (Skal. F. 143). Einarr Skal. H. 138. 144.
146. Eyjölfr H. 200. Halldörr skv. H. 003 (M. 159). 664 (M. 161). Ha-
raldr H. 479 (F. 90. 011. 209). 620 (M. 1 IS. F. 140). M. 16. 17. Horn-
klofi 56 (F. 9). Sigvatr II. 227 (F. 71. OH. 21). 228 (OH. 22). 252 (OH.
39, droiuial). 253 (OH. 40, dreimal, einmal auch F. 76). 274. 431. 490
(OII. 217). Steinn iM. 121. StütV H. 55.-S. l»jüÖ61tr H. 53.S. 562. b6r?Sr K.
H. 232 (OH. 24). 232 (011. 25). WSrtiT S. II. 107 (F. 25). l'orkoll 1mm.
M. 149. l>ürleikr F. 123. Val«?ar^^ H. 559. Aiion. II. 602. 651 (M. 1 4S).
M. 113. 141. 219. F. 113 (zusammen 42 bele^^e).
}>a-8 Björn ii. 647. Kinarr Skäl. H. 116. Glümr IL 136. Halhlörr
ßkv. F. 166. Ilaraldr M. 15. 16. Otldr H. 5Gü (F. 12o). Ottarr H. 2S4
(OH. 63). Sij^vatr II. 255 (F. 76. OII. 42). 274 (OII. 55). Steinn H. 594
(M. 7S. F. 129). 595. M. 121. Stufr H. 559 (F. 112). VigfüsB F. 51 (im
ganzen 15 belege).*)
Zwei scheinbare ausnahmen beseitigten sich von selbst:
hoddbrjöt j'ar vs heitir — Einarr Skul. IL 696
l>ji es hrin^lVim Han^a — Tindr H. .157.
Im ersten verse ist mit 011. 24S zu lesen ?iodda brjdfs par-s^
im zweiten ist hring/am \\\ hrinyfanm aufzulösen (s, 515).
Es folji:en nun die belehre flir die verbindunj^ mit <len
demonstrativpronominibus. Bei den im ersten takte verschleif-
baren ^ebe icli nur die beispiele für den zweiten takt, fü«re
aber am sclilusse in | — | auch die ^esanimtzahl hinzu.
a) verschleifbare.
}^at-s Arnorr IL 361. iM. 116. Björn IL 647 (M. 144). Eyvindr H.
112. llalldorr skv. AI. 162. Halltre^r'lL 191 (IL 96). Sigvatr H. 453
(OH. 190). 527 (OII. 239). OII. 236. Steinn IL 629 (M. 125. F. 149).
I>(Mr S. IL 107 (F. 25) |ll : 16].
sa-8 Kinarr Skal. F. 37 (zweimal), ülnmr H. S9. 112. F. 35.
Ilalldörr skv. IL 707. Ilaraldr M. 55. Magnus H. 654 (M. 152). Ottarr
IL 226 (OlL 20; J'ar-s F. 71). Sigvatr IL 255 (OH. 41). 416 (F. 84.
OH. 161). 453 (OH. 190). ls9 (OII. 215). 521 (OIL 236). OlL 183.
Steinn IL 635 (M. 13o). Stufr M. HS (F. 140). torkell SkalL IL 624
(l'ürkell l>6rÖars. F. 144). l'orleikr 11.572 (M. 55. F. 122). anon. U. 602
[22:41].
H-s Einarr Skal. H. 116. Ilalldörr skv. H. 6(>3 (M. 160). M. 162
[3 : 3].
sü-s Arnörr II. 529 (F. 99). Einarr Skäl. F. 37. J9kull IL 455
(OIL 191). Sigvatr H. 30S (011. sO). hjoÖölfr H. 53b. F. 130 [6:9].
*) Dass von ]?ar-8 über die hälfte der bele^^e, von }»i-8 nnr wenig
über ein vierteil im zweiten takt steht, hängt mit der erwähnten grossen
häufigkeit der pd-s im ersten takt zusammen.
SKALDENMETRIK. 499
l?vi-s Arnörr H. 529 (F. 99). Bjarni H. 519. Magnus M. 154 (P.
158). öigvatr H. 309 (OH. 81). l>j6Öölfr H. 626. l>orkell harn. H. 639
(M. 132. F. 152) [6 : 8].
l?au-s Halldörr skv. H. 663. Ottarr H. 235 (OH. 28). Sigvatr H.
307 (OH. 80; }?4.B M. 76). tormöÖr H. 474 (OH. 205 [4:6].»)
Wie diese zahlen ergeben, würde man dem zweiten takte
durch zweisilbige iesuug dieser formen 110 fälle von verschlei-
fung aufbürden, darunter 41, in denen auslautender langer
vocal mit correi)tion der verschleifung unterläge, die sich in
dieser art für den zweiten takt durch kein sicheres beispiel
nachweisen lässt, und auch im ersten takt selten ist (s. 462. 468).
b) nicht verschleifbare.
Hierher gehören alle langsilbigen consonantisch ausgehen-
den formen des pronomens, sobald nicht etwa eine mit voraus-
gehendem es verschleifbare, tonlose silbe folgt. Da dieser
letztere fall aber faktisch nicht vorkommt, so sind einfach alle
jene formen hier anzuführen:
l'ess-s Arnörr H. 364. Einarr Sk41. H. 144. Einarr Skül. H. 667.
744. Eyjölfr F. 51. Hallfre?5r H. 210 (F. 63. OT. 53). Ha. 95. Ottarr
OH. 63. Sigvatr H. 523 (OH. 235). I>6rt5r K. H. 170. torleikr H. 572
(M. 55. F. 123) [11].
l?ann-B Eyvindr H. 123. HallfreÖr H.211 (F. 62. OT. 50) Ha. 93.
Haraldr H. 578 (F. 127). Sigvatr H. 258 (OH. 42). 308 (OH. 81). 508
(OH. 230). 520 (l»ar-8 OH. 236) OH. 236. bör-Ör S. H. 422 (F. 82. OH.
165) [10].
peiT-B Sigvatr H. 222 (OH. 18). 308 (OH. 80). 310 (OH. 210).
417 (OH. 161). 480 (OH. 210). 521. M. 76. Steinn M. 79. I>j6t5ölfr H.
542. M. 8. börör K. H. 156 (F. 48). torloikr H. 574 (M. 59. F. 126). Val-
garÖr H. 560 (M. 18. F. 114> anon. H. 603 [14].
psdT'S Eyvindr H. 123 [1].
i'eim-s Halldörr skv. M. 160. Kolli H. 726 (M. 209). Sigvatr H.
223 (OH. 19). 508 (OH. 230). 523 (OH. 235). 527 (F. 98. OH. 239). F.
75. 76 [8].
Diesen 154 Zeugnissen für einsilbige form stehen folgende
6 ausnahmen gegenüber, welche sämmtlich consonantisch aus-
lautende casusformen betreffen:
]7ann er &6t frd Tram — Gathormr H. 89
l>eir es heim k himnum — Sigvatr H. 431 (OH. 173)
0 Ich habe nicht bedenken getragen, pau-s hierher zu stellen, ob-
Bchon verschleifung eines auslautenden diphthongs mit correption sonst
gerade nicht nachgewiesen ist
32*
500 SIEVERS
Idta l'eir es j^raBta — anon. 11. 602
psdT es jarl und drum — I>örör K. H. 157
)?eim es hann gaf soima — Oddr H. 56S (F. 120)
sex )>eim es hvot vexa — bjööölfr H. 596 (M. 80. F. 130).
Dor erste dieser verse erregt übrigens durch den in seiner art
ganz unerhörten binnenreim er : irum und die fUr die zeit
Guthorms (X. jahrh.) undenkbare form er den verdacht spslter
fälschung oder Verderbnis. Die Übrigen 5 formen aber wird
man nun natürlich nicht als die Vertreter der normalformen
der gesprochenen spräche ansehen, sondern als producte gele-
gentlicher grammatischer analysen, wie sie ein dichter unter
dem dränge der versnot wol eben so gut vornehmen konnte,
wie dies die späteren orthograpbiker consequent getan haben.
Auch mit anderen pronominibus verschmilzt es meist zu
einsilbigen formen. Ich habe folgende beispiele vorgefunden:
hinn-s a hei fyr monnum — Amörr M. 114
kit^ling hinn-s siser fit$ln — Einarr Skül. M. 227
hinn-s yfrinn gat J9tra — Guthormr H. 102
oddbragös hinn-s {^at sagöi — HallfreÖr IL 210 (F. 67)
pT6tir hinn-8 fram of sotti — Sigvatr H. 402 (OU. 218)
r4n mun seggr hinn-s sina n 011. 239
hinn-8 mec$ halft beit5 annat — Steinn U. 594 (M. 7S. F. 129)
hvat segir hinn-s l^at fegrir — I>j6Ö61fr H. 605 (M. 91)
fylkis sveit hinn-s veitat — torleikr H. 572 (M. 56)
hv^gi-s let enn Ijoti — anon. M. 152
üt hverr-s Oivir heitir — Sigvatr H. 308 (OH. 80)
enn hyorr-s austr vill sinna , U. 310 (F. 78. OH. 82).
Doch sind diese binduugeu nicht so fest als die des einfachen
demonstrativpronomens, wenn man überhaupt daraus einen
schluss ziehen darf, dass auf diese 12 beispiele 3 ausnahmen
entfallen y also gerade halb so viele als auf die zahlreichen
demoustrativpronomiua. Diese ausnahmen sind:
hinn es haf skar sunnan — I>orkcll I»6rt$. F. 144
hinn es hvem vdg sunnan — anon. H. 602
hvern es hingat arnar — Sigvatr H. 310 (OH. 82).
Dagegen gehören die verse
sagt^a hitty es hugtSi — Steinn H. 593 (iM. 77)
p6 man-k hitt, es hrotta — borgils M. 101
nicht hierher y weil nicht eigeutlicbe relativbildungen in ihnen
vorliegen.
SK ALDENMETRTK. 50 1
7. Das pronomen ek.
Es wurde boreits oben s. 490 f. gelegentlich bemerkt, dass
nach der aussage Vigfüssons noch heutzutage die Verschmel-
zung des nachgesetzten pronomens ek mit der zugehörigen
vcrbalform durchaus üblich ist Die alten handschriften zeigen
oft dieselbe verschmolzung auch in der schrift durchgeführt;
später begegnen aber ganz ausschliesslich aufgelöste formen
in der schrift. Wir haben also abermals einen Übergang von
der satzschrift zur wortschrift zu constatieren.
Metrische gründe stützen diese lediglich aus der Verfol-
gung der handschriftlichen darstellung der wortformen abzu-
leitende anschauung durchaus. Der stellen, wo dem pronomen
ek notwendig eine metrische gültigkeit zukommt, gibt es nur
sehr wenige, deren wo es mindestens überflüssig, oder aber
geradezu fehlerhaft wäre, eine grosse menge. Es gilt genau
dasselbe hiervon, was oben s. 500 über die verschleifungen
der relativpartikel bemerkt wurde. Die sache ist so bekannt,
dass ich nur um durchgehende controle zu ermöglichen auch
hier das volle bowcismaterial gebe, aber diesmal ohne rück-
sicht auf die takteiuteilung und die ohne weiteres ersichtliche
Quantität der Wurzelsilbe.
I.
a) Verschmelzung bei vocalisch ausgehender
verbalform,
ä-k Halli M. 101; dtta-k turgils M. tOt; drö-k torgils M. 101;
deiUia-k Sigvatr H. 310 (OH. 82); foe-k Sigvatr H. 248 (OH. 35). ülfr
H. G12 (fecc ec M. 111); flö-k HallfretJr Ha. 107; frd-k Amörr H. 532.
OII. 235. Bjami H. 526 (OH. 236) OH. 185. Einarr Skül. H. 662. 668.
Eldjdrn H. 652 (M. 148). Eyjölfr H. 200. Glümr H. 110 (F. 27). Hall-
döiT skv. H. 664 (M. 161). 664. HallfretJr H. 143 (F. 55). 217 (F. 67).
F. 55. Ottarr H. 220 (OH. 16). 222 (OH. 16). 226 (OH. 21, zweimal).
227 (OII. 22). Sigvatr H. 223 (OH. 19). 228 (OH. 22). 480 (OH. 210).
488 (On. 216). 490 (OH. 217) 491 (OH, 218). 493 (OH. 219). I>jöt5ölfr
II. 519. 538. 546 (OH. 221). I>orbJ9m skakk. H. 781. l>örÖr K. H. 232.
I>ürken hiim. H. 639 (M. 132. F. 152). 641 (M. 135. F. 153). torleikr H.
574 (M. 59. F. 126). tormöÖr H. 497 (OH. 222); finna-k Magnus H. 655
(M. 152); fcvra-k, fretti-k Sigvatr H. 522; fylgtSa-k Sküli H. 2U (F. 63.
Or. 54); fylgi-k anon. H. 612 (M. 112); fylli-k Eyvindr H. 112 (F. 28);
ger75a-k Sigvatr H. 310 (OH. 82); geri-k Amörr H. 544. Sigvatr H. 516;
502 SIEVERS
großtii'k Sigvatr H. 50S (OH. 230); hiita-k Sigvatr H. 310; hrösa-k Arnörr
M. 32. Sigvatr H. 523 (OH. 235); hugtSa-k Sigvatr H. 255 (F. 76. OH.
42); kenda-k ülfr H. 612 (M. 111); kunna-k Bersi H. 254 (OH. 41);
lagna-k HallfreÖr H. 102; leyni-k Sigvatr H. 521 (OH. 236); lofa-k törÖr
K. H. 217 (F. 69); reitii-k Sigvatr H. 308 (OH. 81); roe-k Haraldr M. 15;
sd'k Glümr H. 121. Sigvatr H. 252 (OH. 39). 416 (OH. 160 sk er).
I>jötJölfr H. 539. 592; sagtfa-k l>j6Ö61fr H. 542; se-k Haraldr H. 578 (F.
127). Sigvatr H. 310 (OH. 82). 437 (OH. 178). 521; segi-k Amörr H.
335 (segi OH. 100). Haraldr H. 570 (M. 51. F. 121). Sigvatr H. 480
(OH. 210). 522; setla-k Sigvatr H. 308 (OH. 80); skylda-k Eyvindr EL
112 (F. 30); sta^ri-k HallfretJr Ha. 89; 5^'ri-Ar HallfretJr Ha. 114; ttf-ArJ9kull
H. 455 (OH. 191). Sigvatr H. 274 (OH. 55); polda-k Sigvatr H. 310 (OH.
S2); ugyi-k Magnus M. 33. anon. H. 613 (F. 135). M. 112 (OH. 245);
uni'k Magnus M. 154 (F. 158); voetta-k Sigvatr H. 30S (OH. 81); WEtd-k
Haraldr H. 558 (M. 15. F. 112); vert5a-k HallfretJr Ha. 106; vüda-k Hall-
freSr Ha. 101. Sigvatr OH. 236; vissa-k Hallfret$r Ha. 114. Sigvatr H.
252 (OH. 39). 343 (OH. 106). Stüfr H. 630 [96].
b) YerBchmelzung boi consonantisch ausgebender
verbalform.
ann-k Magnus H. 655 (M. 152). M. 154 (F. 158). hati-k Sigvatr H.
308 (OH. SO); har-k SigurÖr M. 189. fcjötJölfr H. 542; her-k Magnus H.
654 (M. 152). Sigvatr H. 416 (OH. 160); hiti-k Sigvatr H. 249 (OH. 36).
310 (OH. 82). 510; dyl-k Einarr Skdl. F. 143; em-k HallfreÖr H. 194
(Ha. 97). Ha. 91. 95. 106. 113. Haraldr M. 15. Sigvatr H. 521 (ec em
OH. 236). 523 (OH. 235); weitere beispiele s. oben s. 462); f ann-k I>or-
mötJr H. 498 (OH. 223); fekki-k) Sigvatr OH. 160. Sküli H. 211 (F. 63.
OT. 54). I)jöt5ölfr H. 542; felt-k Sigvatr F. 76; fer-k Sigvatr H. 527
(ferr OH. 239); fei-k Haraldr M. 15; finn-k Haraldr H. 578 (F. 127);
för-k Sigvatr H. 30S (OH. 81); fregn-k Arnörr M. 32. Sigvatr H. 527
(OH. 239); gat-k HallfretJr Ha. 94. Sigvatr H. 308 (OH. 80). I>j6Ö61fr H.
542; get-k Einarr Skül. H. 667. Sigvatr H. 255 (gecc ec OH. 41); hef-k
8. oben 8. 488 und Einarr SküL M. 181. HallfreQr Ha. Hl. Haraldr M.
15. Jokull H. 455 (OH. 191). Magnus M. 152. SigurtJr M. 189. Sigvatr
H. 274 (OH. 55). 307 (OH. 80). M. 76. fcjöÖölfr H. 541. törariiin H.
686 (M. 188). törtJr K. H. 232 (OH. 24); het-k Amörr M. 126 (Steinn F.
150); hlaut-k HallfreQr Ha. 93. Haraldr M. 102. J9kull H. 454 (F. 88.
OH. 191). anon. H. 613 (F. 135. OH. 245); hley^k Halli M. 95; Uyi-k
Sigvatr OH. 55; hykk (für hygg ek) b. 507; kann-k HallfreÖr H. 217
(F. 67). Haraldr M. 15 (dreimal). Sigvatr H. 220 (OH. 17). 248 (OH.
35). F. 75; kom-k Sigvatr H. 309 (köm-k OH. 81); köm-k Magnus M.
154 (F. 158); kryp-k Bersi H. 254 (OH. 41); kvatS-k Sigvatr H. 430 (OH.
172); kvetS'k Bjami H. 493 (OH. 219). Einarr Sk4l. H. 146. Halli M.95.
Sigvatr H. 310 (OH. 82). 343 (OH. 106). 453 (OH. 190). tj6t$6lfr H. 621
(M. 119. F. 141). Vigfius F. 49; loit-k Haraldr H. 546 (ver}' ec OH. 221);
.^
SKALDENMETRIK. 503
fjarmoet-k Hallfrct^r Ha. 95; Uk-k Eyvindr H. 112 (F. 28); let-k HallfretJr
IIa. 102. Uaraldr M. 16. Magnüa M. 152. Sigv:itr H. 307 (OH. 80, zwei-
mal). 310 (On. 82). 416 (OH. 160). OH. 236; lyk-k Sigvatr H. 307 (OH.
SO); mun-k Arnörr H. 529. Bersi H. 254 (OH. 41). Einarr Skal. F. 143.
UallfreÖr Ha. 94. Haraldr H. 479 (OH. 209; man F. 90). Kolli H.
726 (:mont M. 209). Stciun M. 121 (F. 149). 124 (F. 149). A'suJ^örör
M. 172. Porgilö M. 101. lH)rm6(5r IL 478 (OH. 208); öl-k HallfretJr Ha.
101; raui5-k HalifrcÖr Ha. 103. Haraldr M. 101; retS-k Halli M. 96.
Magnus M. 152. Sigvatr H. 308 (OH. 80); sel-k HallfretJr Ha. 107; sit-k
anon. M. 101 (zweimal); skal-k Halldorr skv. H. 663 (« ec M. 160).
HallfreÖr H. 216 (F. 66. OT. 60). Ha. 111. Haraldr H. 570 (M. 51. F. 121);
skil-k börör K. H. 232 (OH. 24); skyt-k Haraldr M. 15; spyr-k Magnus
IL 654 (M. 153); stdb-k «igvatr H. 520 (OH. 236); svaf-k Sigvatr H. 310
(OH. S2); parf-k Sigvatr OH. 173, vann-k Hallt'reÖr Ha. 101. torgils M.
101; varb-k Sigvatr H. 521. F. 76; vas-k Eyvindr H. 112 (F. 28). Ilall-
tVeÖr Ha. 114 (zweimal). Sigvatr H. 274 (OH. 55). 308 (OH. 81). 310
(OH. b2). 431. 521 (OH. 236). 521; veU-k Arn6rr H. 515 (F. 95; veit-k
OlL 234). Eyvindr IL 106 (F. 24). Hallt'reÖr Ha. 91. 114. Sigvatr H.
227 (F. 71. OH. 21). 311 (OH. 83). 446 (OH. 184). 492. Steinn M. 124.
I>ürÖr K. H. 217 (F. (;9); vel-k Einarr jarl H. 71 (E. Skal. F. 143). HttSx
K. H. 217 (F. 68); verti-k HallfreÖr Ha. 108. Sigvatr H. 437 (OH. 178);
vilrk HallfreÖr Ha. 95. Stefnir OT. 50.») [152]
Neben dieser grossen hauptmasse sind nun noch einige
kleinere griippen von fällen gesondert aufzuflibren, bei denen
etwas stärkere abweiehungen von der Überlieferung nötig sind,
um das bragarmäl und damit den vers correet herzustellen.
Diese sind
II. Bragarmäl mit anwendung des negativen -a, -aU
Die übliche art, eine erste person durch anfttgung der Par-
tikel -üy -at zu verneinen, ist die, dass die partikel an das
pronomen ek tritt, welches bereits nach art des bragarmäl mit
der verbalform verschmolzen ist: also em-k-a^ em-k-at. Oft
wird aber das pronomen nochmals widerholt; so trefien wir
in der handschriftlichen Überlieferung auf gebilde wie emka eky
emkat ek , daneben, doch nicht in den hier benutzten texten,
auch solche wie vildi-g-a-k mit vollständiger Verschmelzung
') Die beiden verse lauten krisi vil-k allrar ästar und eldr vil-k
vid sto^a stand a. Ich führe dieselben deswegen an, weil sie das von
Wimmer, Lajsebog'* XXIII bezweifelte alter der form vil-k für älteres
vUja-k (daö hier nicht in den vers passt) dartun würden — falls sich
nämlich ihre authenticität sicher nachweisen liesse.
504 SIEVERS
(£gilsson und VigfttsBon 8. y. a, at). An sich sind die beiden
ersten arten gleichwertig, da die handschriften auch hier, wie
flberhaupt bei der anweudung des -a, -at zwischen der voca-
lisch und der consonantisch ausgehenden form schwanken; so
steht Hkr. 428 in einem verse des Härekr Icekka ek, F. 83
icetka ek, aber OH. 171 leccab ec\ H. 620. M. 116 in einem
verse PjoSulfs skalka ek, aber F. 140 skalkat ek. Wir werden
demnach uns von der Überlieferung ohne bedenken so weit
emancipieren dürfen, dass wir überall diejenige form setzen,
welche der vers verlangt, und diese hat, da alle beispiele
wider überschüssiges ck zeigen, den typus emkuk. Diesen
typus halte ich neben etnka, emkat auch für den einzigen in
der lebendigen spräche üblich gewesenen; emka ek, emkcU ek
sind nur orthographische auflösungen.
Die beispiele sind a) -a ek überliefert: berka-k tjötkSlfr H. 542
emka-k Bjami U. 456 (F. 89. OH. 192). tormöt^r H. 497 (OH. 222)
fannka-k Sigvatr H. 308 (OH. 81); Icckka-k Hdrekr H. 428 (F. 83
lecca^ ec OH. 171); skalka-k tjoöölfr H. 020 (M. 116; skalkat ek F. 140).
b) -at ek überliefert: hykka-k, tnäkka-k, säka-k, se'ka-k, veUka-k,
8. 467. [12]
III. Bragarmäl nach vorausgehender conjunotion etc.
Hierher gehören folgende in der Überlieferung anomale
verse:
at ek herstefnir hafna — Bersi H. 254 (OH. 41)
*bitt*B satt at ek byt$ byttu — Eldjdrn H. 652 (M. 148)
J9rÖ at ek eigi )>örtJa — Hirekr H. 42S (F. 83; J?ör}>ac OH. 171)
*viti menn at ek hygg hennar — Magnus H. 651 (M. 152)
mat$r um veit at ek mcctta — Sigvatr H. 307 (at mc^ttom OH. 80)
*nü fit$r old at ek eldumk — Sküli OT. 54
^syn^B at ek sitk at Rdnar — anon. M. 101
*of ek najtJa sif slajöu ■— HallfretJr Ha. 107
milclr ef ek hönum vilda — Sigvatr H. 430 (OH. 172)
cid ef ek A'Ieif vildak „ OH. 236
Vengill ef ek stef fenga — I>6rarinii II. 6S6 (M. 188)
e n e k at ungs i eyjum | . . . falli || Einarr jarl H. 7 1
heldr es vant en ek vilda — Eyvindr H. 103 (F. 21)
♦en ek veit at hefr heitit — Glürar H. 136
^optsinn en ek {'ess minnumk — Guthormr H. 98
hffirt försk betr en ek vaetta — Sigvatr H. 307 (OH. 80)
vatJa gertJr en ek vertJa — Stefnir OT. 50
heimil var9 es ek heyrt$a — B9lverkr H. 565 (M. 21)
SKALDENMETRIK. 505
J>ä vas harör es ek heyrtJa — Eldjdrn H. 652 (M. 1 19)
t'ykki m6r es ek )>ekki — HallfretJr Ha. HO
*r9nd es ek i hlyt standa — Haraldr H. 479 (F. 90. OH. 209)
^^ann härm es ek skal svanna — Magnus H. 654 (M. 152)
♦vasa fyst es ek rann rastir — Sigvatr H. 307 (en ek OH. 80)
asta büs es ek aesta „ H. 308 (OH. 81)
bÄrirmenn es ek heyri „ H. 527 (F. 98. (OH. 239)
sylg es ek jofri fylgi — tjötJölfr H. 543
haettligt jdrn es ek vaetti — fcormöör H. 498 (OH. 223)
heimil vartJ es ek hoyrt$a — ValgartJr F. 117
hraustligt bragt) es ek hngt^a — anon. H. 572 (M. 56. F. 124)
knarrar hapts sem ek keypta — Bersl H. 254 (OH. 41)
♦A'leifr sem ek fer m4li — Sigvatr H. 226 (OH. 21)
menn nemi mdl sem ek inni „ H. 429 (OH. 171)
♦en gramr n6 ek frd fremra — B9lverkr H. 547 (F. 106. OH. 221)
ek tök lystr n6 ek lasta — Sigvatr H. 248 (OH. 36)
hart$a m9rg nS ek heyrt$a , H. 310 (heyrt^ac OH. 82)
*paL\i 'ru^enn svdt ek man manna — Haraldr H. 586
f heit5mildr et5a ek ^ leiQumk — Bersi H. 254 (OH. 41)
hverr veit nema ek vertJa — Haraldr H. 546 (OH. 221). [38]
Diese verse haben das gememschaftliche , dass hier nach mo-
dernerem Sprachgebrauch das pronomen ek allerdings zwischen
conjunction resp. partikel und dem verbum finitum stehen
müste (ausser nach n^j wenn es überhaupt in dem satze eine
stelle haben soll. Metrisch ist aber diese Stellung in den
meisten der angeführten verse unzulässig, insbesondere widerum
weil dadurch dem zweiten takte verschleifungen aufgebürdet
würden, die er nicht verträgt. Verschmelzung mit der par-
tikel, etwa at'k u. dgl, ist nirgends handschriftlich belegt, wäh-
rend sich die sonstigen Verschmelzungen doch stets auch hand-
schriftlich belegen Hessen. Völlige tilgung des pronomens wäre
aber offenbar auch unstatthaft. Der richtige weg ist ohne
zweifei der, welchen Wimmer in der zweiten ausgäbe des
lesebuchs eingeschlagen hat, nämlich das pronomen von der
])artikel zu trennen und es nach art des bragarmäl mit dem
verbum zu verschmelzen: was um so leichter angeht, als in
der mehrzahl der fälle (hier in den nicht besternten versen)
ein vocalisch auslautendes wort am Schlüsse der zeile steht.
Die richtigkeit des Verfahrens wird schon durch einige der
angeführten verse angedeutet, welche doppeltes pronomen
setzen, wo natürlich nur eines erforderlich ist; es fehlt aber
506 SIEVERS
auch nicht an vollständig reinen mustern der von Wimmer
gewählten satzforni :
veit-k at vaßkki^^f syti-k — HallfreÖr Ha. 114
cid ef nu biÖ-k folda — .Sif<vatr 11. 249 (OH. 36)
rett 0 8 rikan hitta-k — Si^vatr H. 310
vijjfßfs l^üt vcrÖa-k hogffinii - - llallfreiSr IIa. 106
aini-k )>üt eigi fiiina-k — Maj^nüs H. (5.55 (|>(Stt ec M. 152)
ro^ons pvit veit-k görva — Arnörr II. 516 (F. 95; voit OlL 2*i4)
inyrkblas f7vit kan-k yrkja — Sigvatr H. 248 (OH. 35).
Nach diesen mustern sind die obigen verse durchgängig abzu-
ändern. AVo eine medialforni auf -umk am Schlüsse steht
{eldnmk, mbinumk, leAiSnmk), nuiss natürlich das ])ronomeu ein-
fach gestri(»lien werden; ob diese Streichung aber auch viel-
leicht bei einem teile der im innern des verses stellenden und
consonantisch ausgehenden verbalformen zulässig oder geboten
sei, vermag ich nicht zu entscheiden, da hier nur sehr um-
fängliche handschriftliche Studien etwas mehr gewisheit geben
könnten. Doch will ich nicht unterlassen auf einige punkte
aufmerksam zu machen, welche es jedenfalls nahe legen, die
frage nach der ausdehnung ernstlich zu erwjlgen, in welcher
bei der ersten person des verbums das pronomen fehlen darf.
IV. Fehlen des pronomens?
Da es durch die anwendung des bragarmäls möglieb ist,
das pronomen mit jeder verbalform zu verschmelzen, so sieht
man leicht, dass durch einfache sili)enzähluug eine antwort auf
diese frage nicht erlangt werden kann. Wir müssen uns viel-
mehr an die reime wenden, freilich, wie ich gleich bemerke,
ohne auch da einer unzweifelhaften entscheidung sicher zu
sein. Denn die durch Verschmelzung entstandenen formen ent-
halten doch nach dem sprachgefllhl des redenden meist noch
zwei unterscheidbare bestaudteile , die nicht so mit einander
zu einer einheit verkettet sind, dass sie gehörigen falles not-
wendig beide in den reim hineingezogen werden mtlsten.
Vielmehr ist es dem dichter durchaus freigestellt, ob er bloss
den ersten teil in der form, die er in seiner Isolierung haben
würde, reimen lassen will, oder ob er den durch die Verschmel-
zung entstandenen compliciertcren auslaut an dem reime teil-
nehmen lässt. Die reime svä*s : rcesir, ?iü's : visi oben s. 497
SKAI.DENMETRIK. 507
sind ebenso berechtigt als hann's : banna, manna s. 493 , rau7i's
: pinu, vdn's : koman, spn's : Ränar , vin's : betija s. 494. Dies
zeigt sich nun auch beim verbum ; wir finden die reime fann-k
: svanni PornioÖr H. 498 (OH. 223), finn-k : minna Haraldr H.
578 (F. 127), vann-k : grenni Hallfi-eÖr Ha. 101, : hmnar Porgils
M. 101, fdr-k:häru Sigvatr H. 308 (OH. 81) {retS-k : kvceiSi
Halli M. 96, skyi-k : nytir Haraldr M. 15); aber auf der an-
dern >eite vas-k : häska Sigvatr H. 521 (OH. 236) und hykk
: flekkum Sigvatr H. 307 (OH. 80), : flokki PjoÖolfr H. 535 (F.
103. OH. 241), :rekkar ders. H. 626, : pekkja Porarinn H. 6S6
(M. 188). Aber gerade dies letzte beispiel gibt anlass zu be-
denken: denn es reimt auch einsilbiges hygg^ek auf tveggja
Björn H. 641, iTryggva PorÖr K. H. 170 (F. 55); bei Sigvatr
H.^527 (F. 98. OH. 239) würde die Schreibung- hykk doppel-
reim hervorbringen {^an hykk rekkum pinum), ^) Ebenso reimt
(ich schreibe einstweilen mit einfacher addition beide teile zu-
sammen) geng-k : pengils Sigvatr H, 521, legg-k : Friggjar Hall-
freÖr Ha. 94, %-A: ; eigi Sigvatr H. 508 (OH. 230), syg-k : cegi
PjoÖülfr H. 543.2) Hier, beim zusammentreffen der gutturalen
media und spirans mit der entsprechenden tenuis, hätten doch
Veränderungen des wurzelauslautes eintreten müssen, welche
die möglichkcit des reimes mit g vernichtet hätten, wie dies
ja tatsächlich auch bei hykk zum teil geschehen ist; denn es
i^t nicht glaublich, dass die phantasie eines dichters oder
lesers so lebhaft gewesen sei, um bei einem reime wie *genk
: pengils, *lykk^) : eigi alsbald die zu gründe liegende form geyig,
lyg herauszufinden und darnach den reim zu beurteilen. Ein-
silbige form erfordert aber, wie wir wissen, das luetrum. Kann
nun weder geng ek noch *genk, weder hygg ek noch hykk ge-
standen haben, so bleibt nur einfaches geng, hygg als letzte
möglichkeit übrig; und hiermit ist die aussieht eröffnet, dass
auch ein teil der sonst überliefei-ten pronomina der ersten
*) Unentschieden bleibt die frage bei Arnörr H. 515 (F. 95. OH.
2;U). Grani M. 53. HallfreÖr F. 62. «7. Haraldr M. 114. Magnus IL
654. Sigvatr H. 253 (OH. 40). 491 (OH. 217). I>jöÖölfr H. 606 (M. 66.
F. 133).
2) Auch fregn-k : Sygnum Sigvatr H. 527 (OH. 239) fällt auf.
3) Oder ist zwar *genk aus * ^eng-k^ hykk aus ^hygg-k, aber ly}K^k
a\iü*iyg-k anzusetzen?
508 SlEVEEtö
person möglicher weiso auf interpolation bemhe: eine aussieht»
wciclie durch die gleich uuten folgenden ausfUhruugen über
iuterpolatiouen von pü und kann erheblich vergrössert wird.
Docli zuvor siud noch die ansprUche auf selbständige metrische
geltung, welche das pronomen ek zu erheben hat^ zu er-
ledigen.
In allem fanden wir, dass das metrum an ca. 295 stellen
einsilbige oder zweisilbige form für zweisilbige resp. dreisilbige
form der Überlieferung verlange oder gestatte, und dass die
ei-stere demnach auf alle fälle als normalform anzusehen sei;
dagegen treffen wir selbständiges ek nur in folgenden 12
verseu :
mest selda ek minar — Eyvindr H. 123 (hending?)
litt hirÖa ek lautar — HallfreÖr IIa. 106
iiiiäta c k fyr austan — Sigvatr H. 308 (OH. 81)
\\tS tojkja ek vika „ H. 431 (OH. 173)
mundaek pann-s und! ^ H. 520 (OH. 236)
hrösa ek J?vi-8 herskip glajsir — Arnörr M. 32 (achtsilblcr)
luanngi veit ek fremra annan „ M. 31 (desgl.)
vitt hef ek sizt yttom — Haraldr M. 16 (ö. oben 8.488)
fa^ddr vas ek |7ar-s alma „ M. 16
gekk ek reiör of skeitJar — O'lafr F. 8S
görbcenn inon ek gunnar — Sigvatr H. 249 (OH. 36)
Aber
kveÖ ek um hlut )7Ciina — HallfreÖr Ha. 106
gehört nicht hierher, denn es ist mit Gislason, om helrim
(Kopenh. 1S77) s. 19 kveb-k mn zu lesen (Möbius).
8. Das pronomen pü.
Man wird am besten tun, die fälle, in welchen über-
schiissiges pü erscheint, in zwei gruppen zu zerlegen, je nach-
dem da8sell)e in begleitung eines imperativs oder einer belie-
bigen andern zweiten i>erson ersclieint. Die letzteren stelle
ich hier zuerst zusammen, und zwar wie sonst nach den Ver-
fassern der betreifenden verse geordnet, dergestalt jedoch, dass
die bcispielo der 2. sg. ind. des starken praeteritums ein-
schliesslich der praoteritopraescntia und est vorangehen und
die verse mit einem stern versehen werden, in welchen eine
entfernung des Überschusses durch elision denkbar wäre.
SEALD£NM£TRIK. 509
a) pü bei der 2. sg, ind. praet. der starken verba:
austan komtu«) metJ allri haestan — - Aniörr H. 517 (OH. 235)
♦stirÖum heiz tu um Stafangr nortSan , U. 529
*Skjolduiigr für tu um 6J?j6Ö eldi
*heppinn dröttu af hlunni sl^ttum | ^ H. 532
heyra skaltn hv6 herskjold bdrutJ *
hjalmiru l^ztu heyra „ M. 79
hröt^rs bat^tu heilan litJa — Bersi H. 254
vastu }?ar-8 vigs baö kosta — Bjami H. 446 (F. 87, OH. 185)
keiidr vastu fyrstr i fundi „ H. 446 (OH. 185)
skjiStt 16ztu Knut um söttan „ H. 456 (OH. 192)
brauztu viÖ bragning n^ztan j
♦fyrr gekktu i staö Stikla | " ^- ^^'^ ^^^' ^^^)
♦hafa 16z tu unga jofra „ H. 519 (F. 95. OH. 236)
'''ok I6ztu d sjä snekkjur |
♦ärffiöi vattu eyöa j » ^^' ^^^
trat tu hv6 fylkir mitti — BJ9rn H. 641
♦austr vastu dr it naesta — B9lverkr H. 547 (F. 106. OH. 221)«)
♦mildingr strauktu um maeris « H. 547(OH. 221 ; strauktF. 106)
gjälfrstoöum reis tu groeöi j
*leiÖangr bjöttu af lat5i | ^ °' ^'^ (^^- ^^- ^- ^"^')
"ötryggjum 16z tu eggjar — Einarr Skül. H. 717 (F. 168)
er tu svat eigi skortir „ M. 181
logreifis brdttu lifi — Eyjölfr H. 140
boöstyrkir I6ztu barka — Halldörr skv. H. 665
borg heitJna töktu braeöir „ H. 668 (vant F. 161)
kvattu skjoldungi gjalda | ^^»1^^^ M. 68
graut mundu görva Idta „ M. 95
'''brauztu und Mikjäl mestau — Illugi F. 108
*ungr hrattu 4 Vit vengis — Ottarr H. 220 (OH. 16)
BvanbraiÖir namtu sitJan „ H. 220 (OH. 17)
♦gildir komtu at gjaldi , H. 222 (OH. 18)
*enn brauztu 61a kennir „ H. 225 (OH. 20)
♦koratu i land ok lendir „ H. 225 (OH. 20. F. 71)
bliÖr hilmir töktu breiÖa .
♦atgongu vantu yngvi | „ H. 226 (OH. 21)
rettu bragna konr gagui '
valfasta bjöttu vestan „ H. 234 (OH. 26)
blagjöt5a töktu braeöir , H. 235 (OH. 28)
^) Ich setze ohne rUcksicht auf die Überlieferung hier gleichmässig
stets die ältere form komtu etc. statt des späteren aufgelösten kamt
Im etc.
'^) Es ist wol variu zu lesen, wie hernach eriu bei Einarr Skul. und
dem anonymen verse F. 123.
510 SIEVEBS
hafa 16ztn heitJska J9fra — Ottarr H. 2S4 (OH. 63)
helztu )7ar-s hrafn nö svalta « H. 422 (OH. 165)
Yig yanta hlenna hnoigir — Sigvatr H. 223 (OH. 19)
A'leifr van tu J^ar-s jofrar ' " ^' ^^® ^^^' ^^^
♦alltiginn mdttu eigi ' „ H. 248 (OH. 35)
|7ollr gazta hüskarl hollan „ H. 248 (fektn OH. 36)
♦Björn faztu opt at arna „ H. 274 (OH. 55)
fast skaltu rikr viÖ rikan , H. 311 (F. 78. OH. 83)
Vindbysna skaltu visi — tjöÖ61fr ü. 75
*ut rettu alvaldr njötn , H. 516
illa sdttu i milli . H. 535
rond leztu rapsir I>rocnda )
hüs namtu hvert ok eisu | "
hoss arnar rauttu hvassar « H. 555
vatn 16z tu visi slitna „ II. 562
gramr es tu frcrkn ok fremri „ M. .'>5
♦leztu at Hakon heti — I>6rarinn H. 6S6 (M. 18S)
skeifr bar tu Hogna hufu ^ H. 687 (M. 189)
♦ok van tu eina krdku „ H. 687
♦vesa mattu af }>vi visi — borleifr H. 170
♦skauztu und farm enn frizta — Valgart^r H. 559 (M. 16. F. 113)
sattu t'ars sjedrif letti „ H. 559 (F. 113)
Ilaraldr görva leztu lierjat « H. 560 (M. 17. F. 114)
hclmingi bauttu hanga « F. 111
gramr es tu flestum fremri — anon. F. 123
4t tu rät^a vel 1451 „ M. 219.
6) pü nach don übrigen 2. persoDen:
far'Öir }?ü gull or Gort^um — ValgarÖr H. 559
♦hnyggr pü andskotum tiggi „ H. 560 (F. 114)
♦neÖr |mi en rajsir cetJri , H. 119 (F. 115)
hlytr pA ef heima sa^tir — anon. M. 112.
bom ok all ^^at-s pü arnar — Haraldr M. 68
eldr ok reykr at J?ü beldir — Ottarr H. 226 (OH. 21)
elds efpü eitthvert vildir — Sigvatr H. 431 (OH. 173)
donskur h9ll hvat }?ü mselir — JStefnir OT. 50.«)
Hier ist das tlberschüssige -u, pü mindestens da überaU za
streichen, wo nicht die möglichkeit einer eUsion geboten ist;
aber auch im letzteren falle wird man, denke loh, conse-
quenter weise die Streichung der elidierung vorziehen mfiBsen,
0 pnnur en pu h^zt mpnnum Sigvatr H. 527 (OH. 239. F. 98) iflt
vielieicht mit verschleifang von -ur en zu lesen.
SKALDENMETBIK. 511
zumal die letztere bei allen auf -/ endigenden zweiten per-
sonen ja doch das gleiche resultat ergäbe, i) Dass man sich
durch die Streichung des pronomens keines unerlaubten an-
^^rifl's auf si)rachliche gcsetzc schuldig macht, beweisen zahl-
reiche beispiele von stellen, an denen auch die Überlieferung
den alten freiereu gebrauch der verbal form ohne pronomen er-
halten hat; ich führe von solchen stellen an vant Bolverkr H.
547 (F. lOG; vanntu 011. 24), hault ders. H. 5G5 (M. 21. F.
117); viU Eyvindr F. 24, gafl Halldorr skv. H. 668 (F. 161),
vant ders. M. 160, tökl Ottarr H. 227 (OH. 22), matt Sigvatr
11. 522, skalt Skümr F. 53, matt Djoöolfr H. 550 (F. 108), lezt
I^orleikr H. 573, anon. M. 113 etc.
Es ist wol kaum noch nötig darauf aufmerksam zu
machen, dass die meisten der angeführten beispiele mit ange-
hän«5^tem f}ü ausser dem metrischen kriterium auch noch ein
anderes kenuzeichen der Interpolation an sich tragen: ich
meine die fast durchgehende beschriinkung der suffigierung des
pronomens auf die vcrbalformen auf -/. Weil hier verbuni
und pronomen mit Vernichtung des anlautenden p des letz-
tern zu einer untrennbaren form verschmolzen, in welcher das
pronomen nicht so aufdringlich hervortrat wie nach einer an-
dern verbalform, so schien den spätem Schreibern die anfügung
dieses -u offenbar weniger versstörend als die einfügung eines
vollen pronomens.
Die unter b) zuletzt angeführten verse entsprechen übri-
gens den oben s. 504 ff. besprochenen, nur dass hier das pro-
nomen ganz getilgt werden muss.
c) pü beim imperativ.
cn Sit tu kyrr hj4 henni — Einarr Skül. M. 181
t'ram haltu nj6tr at nytum — Eyvindr II. 106 (F. 24)
landaura veittu lüru — Sigvatr H. 249 (011. 3G)
nü sittu heill en hallar „ H. 307 (OH. SO)
*A'striÖi lattu oeÖri „ H. 522
gjaltu varhuga veltir „ H. 527 (F. 98. OH. 239)
•gakkattu inn kvaÖ ekkja „ H. 308 (OH. bü)
Zunächst haben wir hier wider 7 imperative auf-/ (einschliess-
0 Ich befinde mich bierin abermals in Übereinstimmung mit der
von Wimmer in der zweiton aufläge des lesebnches befolgten praxis.
512 SIEVERS
lieh eines negierten); der übrigen beispiele sind es nur 6, doch
vorlangen diese gesonderte erwägung.
1) Unei-traglich ist das ^u in dem verse
Magnus hlyt$-t$a til mdttigs 6t$ar — Amörr M. 31.
2) In einem falle liegt biatus vor, das pronomen kann
also geduldet werden:
hygg }>ü at jofurr skatna — Sigvatr IL 429 (OH. 171).
3) In den 4 übrigen versen scheint die beibehaltung des
])ronomens durch den reim geboten zu sein:
seg-t$u hvar sess hafitJ* hugt^an — Sigvatr H. 429 (OH. 171)
se-t5u hverr slikt f6 reiöir — Steinn U. 635 (M. 129)
kenn- du hvar liggr fyr landi — tjöÖölfr H. 592
heyr-tJu k uprcist orÖa — torgils M. 102.
Der letzte dieser verse wird durch den hiatus ohne weiteres
gerechtfertigt, aber auch die drei ersten brauchen, meine ich,
nicht geändert zu werden. In allen dreien folgt ein mit At;,
d. h. hu anlautendes fragewort auf das /»ti, und so ist es nicht
undenkbar, dass, durch ausfall des h zwischen den gleichen
^ocalen, aussprachen wie *segbtc^./ir u. dgl. entstanden , in
denen die beiden letzten silben verschleift werden konnten«
Hierfür spricht auch ein ganz analoger fall bei einer 3. pL
praeteriti, nämlich in dem verse
spurtJuwhverr glikt mun görva — Steinn M. 130.
9. Das pronomen Jiann.
a) nach dem verbum:
vcl r\j6ü bann ^^ess jutn — Grani M. 53
uiargs gengis naut hann lengri — Halldörr skv. H. 705
villir hann ™d6m allan — SigurtJr H. 686 (M. ISS)
l>er gjif hann niork eÖa meira — Sigvatr H. 377 (OH. 130
ge^mdi hann lystr n^ lamt$isk „ H. 445 (OH. 183)
a^ttvigi m4 hann eigi , H. 446 (OH. 184)
pi gaf hann Treskegg tr9llum — anon. H. 69.
b) nach einer partikel:
}?ar-8 hann skriör met$ litJ lytJa — HallfreSr H. 213 (F. 65)
hcegr ef hann renn til skögar — Hildr H. 66 (OH. 2:0
na»r sem hann rat$inn vjeri — I|jöÖ61fr H. 540.
Nach allem bereits gesagten wird man nicht mehr bedenken
tragen düifen, alle diese harin zu streichen, da die analogien
SRÄLDENMETRIK. 513
zu den früher behandelten tVillen der pronomina elc und pä so-
fort einleuchten. ZuV not könnte man allerdings in einigen'
fällen an verschleifung denken, insofern das h des pronomens
mit dem auslautenden consonanten des verbutns nicht positiob'
zu bilden braucht: die^e ansieht Hesse sich aber eben nur
durcli prUfung eines weit umfänglicheren materiales stützen'
oder zurückweisen. So bleibe ich denn bei der wie mir
scheint consequenteren annähme der tilgung einstweilen be-
stehen.
10. Reste.
Unter dieser nummer fasse ich die zu keiner der bisher
besprochenen abteiiungen gehörenden fillle zusammen, in denen
regelwidrig überschüssige silben erscheinen; auch hier wird
regelmässig Verderbnis in der Überlieferung anzuerkennen sein.
a) suffigierter artikel:
veldr J?vi karl i feldinom — SigurtJr H. 686. M. 188
6t'or konnungBins görva — anon. F. 136.
Es leuchtet von selbst ein, dass der artikel gestrichen werden
rauss, der in unserem material überhaupt durch kein authen-
tisches beispiel zu belegen ist. Im zweiten verse haben über-
dies H. 613. M. 112 richtig konuyigs,
b) überschüssiges en, gleichfalls zu streichen, da ätSr
allein syntaktisch genügt:
hvarfat aptr iÖr en erf^an — EiDarr Skdl. F. 36
aör en hjaldr}?orinn heidi — HallfreÖr F. 66 (en fehlt H. 216)
ögndjarfr dör en l?6r n4öum — Ottarr F.79 (en fehlt B und OH. 99)
ütau varö-k dtJr en Jota — Sigvatr H. 416 (OH. 160).
Auch die Constitution des letzten verses ist sicher, denn es
kann nicht etwa ^tan verschleift werden ; diese neuere form ist
in unserer zeit noch nirgends zu belegen; dagegen sprechen
zahlreiche stellen für üian, z. b. Amörr H. 529. Eyvindr H.
123. Härekr H. 428 (F. 83. OH. 171). Sigvatr H. 308 (OH. 80).
Steinn H. 595. M. 124. PjoÖölfr H. 594. PorÖr H. 155 (F. 48),
wo überall ütan den schluss eines dröttkvsettverses bildet.
c) Vereinzelte beispiele; meiner ansieht nach zu til-
gendes ist in ( — ) gesetzt:
BeitrKg^ sur gesohichte der deutschen spräche. V. 33
514 SIE VERS
vistu (nü) J?öt kJ9l kosti — Eldjdrn H. 652
hvat*8 (h6r) i heimi betra — MagDÜs H. 654 (h6r fehlt M. 152)
J?er (er) hverr konungr fern — Ottarr OH. 63 (er fehlt H. 284)
fundr ef hann (sjdlfr) k«msk undan — Sigvatr H. 416 (F. S4. 011. 161)
brööir ISigurÖar oeÖri — Eyjolfr F. 54 A, broetJr B '
sva gajta menn til hcunar — Hjillfret^r Ha. SO*
rudna sitJur lit-k rauöar — Ualli M. 96*
Sinnig ha'gjnmk for fljügi — Sigvatr H. 522*
svert^ dyrt p&t er vtöir }?vert5an „ OH. 236*.
Lies 1 brrrÖr mit B, da der vers aRalhending enthalten hiurb;
2 getaf 3 runa slt^ur oder rumlbur, EgilsRon p. 675. 710;
4 parl\ der fehler steckt jedenfalls in pinnig \ 5 der vers ist
ganz verdorben; OH. s. 300 wird vorgeschlagen sverödynviöir
pverbu. Noch unsicherer ist nur die losung in dem anoDymen
verse
sviptir i sveiflankjapta — H. 613
svift hefir sveifland gajfta — F. 136
svipt er i svar}?ar kjapta — M. 112,
wo die Überlieferung derartig auseinander geht, dass heiluDgft-
versuehe kaum auf sichern erfolg rechnen dürften.
C. Ergänzung fehlender Silben.
Es wurde schon oben s. 451 f. bemerkt, dass die einmiscbung
fünfsil])iger verse als eine besondere kunstform entgegen den
angaben des commentares zum Hättatal für den hier behan-
delten Strophenkreis nicht anzunehmen sei. Es ist nun hier
der ort, diejenigen verse zu prüfen, welche in der Überlieferung
nur jenes maass von 5 silben erreichen.
Die zahl dieser verse ist bei weitem geringer als die der
verse mit überschiessenden silben; wie aber die hauptmasse
der letzteren durch den gebrauch solcher Wörter oder wort-
gruppen entstanden, bei welchen die spräche zu verschiedenen
Zeiten um eine silbe schwankte, für die ältere zeit aber die
kürzere form als die normale anzusehen war, so bilden die
grössere zahl der scheinbaren fünfsilbler verse mit Wörtern,
die in älterer zeit eine silbe mehr zählten oder zählen konnten
als späterhin. Es unterliegt wol keinem zweifei, dass zur cor-
rectur des verses überall die älteren längeren formen herzu-
stellen sind.
SEALDENMBTBIK. 515
Das einzelne anlangend, so besteht widerum die mehrzahl
dei hierher fallenden werter aus soleheu mit innerem hiatus,
der später durch contraction oder 'umspringen der Quantität'
getilgt wurde. Hier haben die herausgeber zum teil schon die
alten formen hergestellt An beispielen führe ich auf:
büendr BJ9rn H. 646 (M. 143). Sigvatr H. 222. 2&3 (= fcörör S. H.
107. F. 25). 417. 490. 527 (F. 98). 527. Stüfr F. 122. tjötJölfr H. 606
(M. 66. F. 133). börtJr K. H. 154. torleikr H. 574 (M. 59. F. 126.)
anon. H. 602. M. 113; büand-manna Sigvatr H. 499; sceing Tindr
H. 157.
Femer
jafn]>arfr bUum hrafni — Amörr H. 543 (F. 105)
barmfogr hdum armi — B9lverkr H. 547
^-8 bring f4um Hanga — Tindr U. 157
graius y9r bl^um hjorvi — t>6rt$r K. H. 214
eyöendr säu ytJrar — I>orbJ9rn Sk. H. 740,
WO später bläm, häm, -fäm, sä üblich wurde. Femer
öfiU B^a kn&tti — £inarr Sk6l. M. 200
ormfrdn s6a h4nnm — Sigvatr H. 491 (OH. 217)
iÖlikt 8 6a mitJjan — ValgarÖr M. 19 (F. 114)
vinbeims fiandr sina — Einarr SkAl. H. 122
Iandmen8 klar sanda — Eyjölfr H. 140
vefgefn J^riar stefnur — tfööölfr H. 540
für späteres sjä, fjandr , kjdr , prjdrA) Am nächsten hierzu
stehen beispiele wie
^unn gälkD iBarnmuiinam — Halldörr ökr. H. 216
ok at isarnleiki — Sigvatr H. 491 (OH. 217),
doch vgl. auch schon
gunnt'inga jarnhringa — Ottarr H. 225
jarnstükar vel lüka — Sigvatr H. 416.
Ferner
Bunds I>orketill undaii — Hallfre^ H. 216
U'lfketill bl4r skulfu — l>örÖr K. H. 232»),
neben
Steinkels gefin beljn — Ij6t561fr H. 605.
Es sind das alles so bekannte doppelformen, dass ich wol
<) Sviar und kvij kviar sind aucb im späteren islSodischen wegen
des vorausgebenden v geblieben, wie aucb nach v die alte brechang ia
ver&cbwindet {verk : bjarga). Näheres hierüber an einem anderea orte.
») Oder irifkeli bldar skulfu wegen s. 456 regel III?
33*
516 SIEV£RS
darauf verzichten darf, weitere beispiele daftlr aus den allge-
mein zugänglichen lexicalischen htüfsmitteln hier zusammen-
zustellen.
Von flexionsänderungen mache ich zunächst namhaft die
einfuhrung von formen der schwachen declination statt starker.
So ist z. b. gewis zu lesen
allvaldi tv4 ßnjalla — HallfretJr H. 211 (F. 62. OT. 53)
statt des überlieferten allvaldr, obschon diese schwache form
sonst meines wisseus nicht bezeugt ist (doch vgl. übereinstim-
mend ags. ealwealda, alts. alouualdo, ahd. alauuaiio). Eigen-
tümlich sind die Verstümmelungen, welche der name O'Sins er-
fahren hat Wir lesen nämlich
lifk9ld H&rs drifu — Einarr Sk&l. H. 116
Berkrjö^r H&rs (H&lfs MF) merk! — Einarr SkiU. H. 717 (M. 200.
gall hü Hars stila — Refr H. 491 [F. IftS)
vertJung Hirs gert^ar (Hilfs H) — Steinn M. 130 (H. 635).
Für die junge analogiebildung Bars, welche das nominativ-r
zum stamme gezogen hat, ist ohne zweifei älteres Hdva einzu-
setzen, eine form, die ja zur genüge bekannt ist Wie man
dazu gekommen ist, in einigen handschriften Bäifs daf&r zu
substituieren, weiss ich nicht zu sagen, aber ich glaube, wir
dürfen es wagen, auf diese Verwechselung gestützt, auch noch
einen andern vers durch einsetzung von Hdva gegen das Bälfs
aller handschriften zu heilen, nämlich
niMall Half 8 galla — I>j6t$61fr H. 606 (M. 66. F. 133).
Sachlich passt diese änderung vollständig, denn die kenning
Hdva galii 'der schaden O'Sins' kann sehr wol die erforder-
liche bedeutung 'feuer' haben: man braucht sich nur an die
in Grlmnismäl geschilderte Situation O'Sins zu erinnern.
Leicht heilbar sind femer die verse
limsorg nser himni — Björn H. 646 0
\fegnB gnött mölregni — Einarr Sk&l. H. 116
fallsöl brivallar — Eyvindr H. 111 (fallsölar falsch F. 29)
fölkrakkr vann fylkir — Glümr F. 27 im text (A falsch fölkrakkar,
B desgl. föUcrakkum)
ü'lfs vas J?at atJra — Sigvatr OH. 27 >)
hauklitrs en hvita — I>orm6t$r OU. 222.
*) Die heilung dieser beiden verse verdanke ich freundlicher mit-
teilung des herm prof. MObius.
SKALDENMETRIK. 517
Man lese im ersten verse mit Fms. VII, 41 Umsorg 6b ncer
himniy im zweiten pegna (die kenning ist auka l>undi pegns
gnött 'numerum eivium Odinis augere, caesos ad Valhallam
raittere* Egilss. 927); im dritten mit der Frissbök (Egilss. 76)
hräa vallar , im vierten mit H. 110 um (oder of) vann, im
fünften mit H. 230 iflfs fetSr vas (vgl die abweichenden les-
arten Fms. IV, 69), im sechsten mit H. 497 hauka setrs.
Nur zwei verse bleiben dann noch übrig, welche einem
einfacheren beilungsversuche widerstehen:
veÖr9rr tvd knorru — Ottarr H. 234 (OH. 26)
regndjarfr tv4 ^egna — Refr H. 491 (OH. 218)
und diese darf ich wol der fürsorge einer geschickteren band
überlassen, ohne fürchten zu müssen, dass die Sicherheit der
aufgestellten regel unter diesen ausnahmen leide.
Inhaltsfibersicht.
Seite
Einleitung (Bestimmangen der S. E. 451) 449
A. Das gesetz der silbenverschleifung 455
I. Auflösungen der ersten silbe.
A. Regelmässige (1. atSaihending: nomina 458, verba,
adverbia 459; — 2. skothending: nomina,
verba 460, adverbia 461) 458
B. Seltenere (zwei monosyllaba 461, correption vor
vocalen 462) 461
C. Ausnahmen 463
IL Auflösungen der zweiten silbe.
A. Regelmässige (1. atSalhending: verba finita,
Partikeln 464; — 2. skothending: verba finita
464, adverbia und partikeln 467) 463
B. Seltenere (zwei monosyllaba 467, correption 468) 467
C. Ausnahmen 468
III. Auflösungen der beiden silben des ersten
takte s 468
IV. Auflösungen im zweiten takt {nema, etSa,
httlfsverba 469, metSal, me^an, composita 470) 468
y. Auflösungen im dritten takt 470
üebersichtstabelle über I— V 471
518 SIEVEBS - SKALD£NMETEIK.
B. Tilgung überschüssiger sllben. g^^^^
I. Elision 473
II. Einsetzung kürzerer wortformen (nnd strei-
chnngen) 475
1. adjectivadverbia auf -la 475; — 2. die partikeln tvM,
pot, pvit 477; — \S, praepositionen und adverbia 479
{ept — epiir , und — undir 483, fyr — fyrir 484,
of — yftr 486); — 4. verbalformen 487 {hef, hefk, he fr
487, emk, -st, -s, -vs, erum, erutS, eru 489); — 5. nega-
tion {-a, -at, -t 495, eigi 496); — 6. die relativpartikel €S
497; — 7. das prononien ek 501 (gewöhnliches -/r 501, bei
negation 503, nach conjnnctionen 504; fehlen desselben
506; selbständiges ek 508); — 8. das pronomen fni 508;
— 9. das pronomen hann 512; 10. reste (suffigierter ar-
tikel, en etc.) 513.
C. Ergänzung fehlender süben 5i4
JENA, 29. mai 1878. E. SIEVERS.
KLEINE BEITRÄGE ZUR DEUTSCHEN
GRAMMATIK.
IV. Das nominalsnfflx tra im germanischen.
in der umfassenden Untersuchung, welche H. Osthoff
neuerdings einigen europäischen Vertretern des Suffixes ira ge-
widmet hat (s. desselben Forschungen im gebiete der nominalen
Stammbildung I. Jena 1875), sind die germanischen ausläufer
dieses suffixes nur mehr gelegentlich herangezogen worden, da
es dem Verfasser weniger auf einen tiberblick des im germa-
nischen erhaltenen materiales als auf die anführung einzelner
charakteristischer beispiele zur erläuterung insbesondere latei-
nischer formbildungen ankam. Aber auch in älteren werken
sucht man vergeblich nach einer bequemen Zusammenstellung
der einschlagenden bildungs weisen. In J. Grimms deutscher
grammatik sind die ableitungen von tra noch mit denen auf
-ra, 'la vermischt ; erst der neudruck des zweiten bandes bringt
s. 348 die aufstellung einer ableitungsform -/>r, belegt durch
smair-pr und maür-pr. Die erste Sammlung etymologisch klarer
beispiele gab ßopp, gr. IIP 199 ff. (§ 817). Fortgeführt
wurde die Untersuchung sodann besonders durch Lottner,
KZ. XI, 194 f., A. Kuhn, ebenda XIV, 215 ff., Leo Meyer,
got. spräche § 275. 289 (enthaltend eine aufzählung der goti-
schen belege, wobei jedoch mehreres zweifelhafte mit unter-
läuft), A. Bezzenberger, KZ. XXII, 276 ff. und Osthoff
a. a. 0. und KZ. XXIII, 313 ff. — Wenn ich nun hier auf
grund dieser vorarbeiten an eine übersichtliche Zusammen-
stellung der typen gehe, in welchen das suffix tra und seine
ableitungen im germanischen erscheinen, so geschieht das in
520 SIEVERS
der zweifachen holiiiung, dasB es einerseits manchem leser
dieser beitrage willkommen sein werde, das bereits bekannte
an Einern orte vereinigt za finden, und dass es mir anderer-
seits gelingen werde, einige bisher nicht beachtete oder ab-
weichend erklärte typen als angehörige unseres sufßxes zu er-
weisen.
A. Die r- formen.
Am augenfälligsten geben sieh überall diejenigen abkömm-
linge des Suffixes tra im germanischen zu erkennen, welche
das r des suffixes gewahrt haben. Die durch die lautverschie-
bung entstandenen lautgruppen -pr- resp. -ftr- (nach Verners
grsetz), got. 'pr- und -</r-, ahd. -dr- und -tr- bieten keinen
anlass zu ungewöhnlielien Veränderungen irgendwelcher art;
noch weniger natürlich die unverschobenen -tr- nach wurzeln,
die auf muta oder tonlose spirans auslauten (z. b. altn. aus^fr
das schöpfen, hlas-tr das blasen etc.). Sobald also die wursel-
gestalt feststeht, welcher ein bestimmtes wort zugehört, kann
hier auch über das ableitende suffix kein zweifei sein.
Die in dieser weise auftretenden formen, in denen das
suffix tra erscheint, sind:
1) germ. -pro-, nach betonter silbe auf Sonorlaut,
got. altn. -/>r-, ags. -9r-*), alts. -thr-, -9r-, dr-, ahd. -dr-. Hier-
her fallen folgende sichere beispiele:
germ. *eprd(ny ader, altsw. aper, apra Rydqv. II, 69 (nor-
rönes cep-r. gen. rep-ar liegt ab), ags. f^dre (mit unregelniftssi-
0 Ich laspo hier die p:anz willkürliche scheidnng fallen, welche die
hcraiisgeber altn. und ags. texte auf ^rund der ortbofin^aphie Bpäter
handschrifren zwischen /> und tf zu machen ptlcgen; schreibe vielmehr
mit den ältesten handschriften altn. nur /», a^s. nur ts. Im altn. amfasst
das Zeichen /> natürlich sowol die tonloi>e als die tönende spirans der
interdentalreihe (urgerm. /> und tf, got. p und (f), aber die Scheidung
dieser beiden lautwerte darf gewis nicht von dem schrei bgebraach der
späteren zeit abhängig gemacht werden. Im ags. dagegen kann 9, so-
wie das spätere />, ursprünglich nur die tonlose spirans bezeichnet
haben, da die entsprechende t^incnde spirans bereits westgermanlBch sur
media d geworden war. Erst durch spätere 'erweichung* erscheint im
ags. resj). englischen auch wider ein tönendes & (vgl. Beitr. I, 501 ♦♦. V,
134*^, gegen Sweet, Pastoral (;arc4%t!., History of english sounda '6 ff.
DAS NOMINALSÜFFIX TRA. 521
gern d), altK mra, ahd. ädra Fick I, 15. 486. 11, 300. III, 15.
J. Schmidt, Voc. II, 469.
germ. ^ flu-pro-, "^ flo-pro-^ ahd. fhidar rates, fluodar fluor
Graff III, 754. Bopp III \ 202.
germ. * hro-pro- rubm, an. hrdpr^ ags. hrobor, KZ. VIII,
61. XIV, 295. Fiek III, 85.
germ. * rö-pro- rüder, ags. r6bor, ahd, ruodar, vgl. an. rdpr
das rudern ; Bopp III \ 202. KZ. II, 478. III, 353. VIII, 267.
XI, 195. XX, 139. XXIII, 119. Curtius* 345. Fiek I, 21.
495. II, 304. III, 22. 259. J. Schmidt, Voc. II, 455. — Hier-
nach ist auch anzusetzen
germ. * ^ro-pro- wuchs, an. gröpr^ bezüglich dessen das
an. p allein nicht über die suffixform entscheidet.
germ. *md'pro-] ^hd.muodar mieder, Fick I, 705.
germ. ^hleu-pro- sonitus, ags. hledbor, alid. hliodar Fick I,
62. 553. II, 338. III, 89. KZ. XXIII, 119.
germ. * lau-pro-, an. laupr seife, schäum, ags. ledSor nitrum
Lye. KZ. XX, 13.
germ. ^hU-prö-j got hleipra hütte, Bopp IIP 203. KZ.
VII, 128. Gurtius * 150. J. Schmidt, Voc. II, 252.
germ. ^ha-pro- lumpen, ahd. hadara Graflf IV, 812. Fick
I, 518.
germ. *ber'pro- geburt, im ags. hyse-beorSor Puerperium,
Fick I, 093.
germ. ^her-pro- eingeweide, got halrpra pL, ahd. herdar
Pa. gl. K. I, 170, 8 (der ahd. glossen von Steinmeyer und
Sievers). Fick III, 68.
germ. *mor-pror mord, got. maürpr, ags. mortfor, vgl. ahd.
murdreo mörder, murdren morden, gramm. IP, 348. KZ. XI,
195. XIV, 311. Fick I, 172. 716. Curtius* 333.
germ. *kwar-pro- heerde; ags. cortior, ahd. chortar mit
abweichendem f, Fick I, 73. 566. II, 347.
germ. * smer-pro schmeer, got, smairpr, gramm. IP, 348.
Fick II, 502. III, 356.
germ. ^sper-pro- ^das spornen*, in s,\\A, spirdren niti, Graff
VI, 363, vgl. Fick I, 631 f.
germ. *wtil-pro- rühm, got. vulpr Gal. 2, 6 (neben häufi-
gerem 'mlpHs =^ an. ullr), ags. wuldor, ahd. rvoldar, wültar in
522 SlEVEßS
eigeunainen, Graff I^ 54S. Förstemann, namenbuch I, 1338 f.
liopp IIP-, 202. KZ. I, 154. III, 354.
Zweifelhaft wegen des wurzelauslautes sind nur ahd.
querdar esca, alts. querthar lyehnuH gL Prud. 33 (eigentlich
Lockspeise*, zu got qairru^'i)^ ahd. mardar marder (verhält
sich zu an. morpr, ags. mcarti wie got. vulpr zu vulpus^ vgl.
KZ. VII, 18i»), ahd. skerdar neben skerdo cardo GraffVI, 543.
Fick I, 810; ferner au. hrüpr 'a crust, scab on a sore', vgl.
ahd. hrüda räude Graff II, 490; und an. lüpr trompete (zu
Ijdp, ahd. //Od/?; an. lepr, ags. leSer, ahd, ledar leder, Fick
III, 278 ; ahd. /ledar- in fledar-müs. Hier könnte überall Buffix
ra vorliegen, wie z. b. im germ. *feprd feder, an. /jgprj ags.
feber, as. /-ethara, ahd. fedara KZ. XVI, 55. XVIII, 2S. XXUI,
119. Fick I, 134. 059. II, 399. Curtius* 210. 699. Osthoff,
Forsch. I, 179. Wahrscheinlich hierher aber fallen noch an.
arpr 'das pflügen' KZ. VIl, 22. XI, 195. XX, 138. Fick I,
496. II, 306. III, 24. Curtius* 344. J. Schmidt, Voc II,
145 (vgl. oben an. gröpr, hrdpr, ropr) und an. flypra flunder
KZ. II, 50, bei denen formell nicht sicher zu entscheiden ist,
ob urgerm. suffix -pro- oder -Sro- anzusetzen ist. — Dagegen
enthält as. luthara gl. Prud. 356, ahd. ludara cunabulum wol
sccundiirsuffix ra (zu Inda, loda loden, Fick III, 273).
£s fällt auf, dass mit öincr ausnähme nur vocalisch oder
auf r ausgehende wurzeln mit der suflSxform -pro- verbunden
erscheinen ; und in dieser ausnähme selbst (yulpr : ags. tvuldor)
besteht ein schwanken zwischen p und d. Es ist darnach
zweifelhaft, ob nicht auch consonantische einflltsso unabhängig
vom accent die Überführung von p in b resp. d veranlasst
haben können. Dieses vorausgesetzt, würde eine reihe der
alsbald unter 2) anzuführenden formen eventuell unter 1) sa
stellen sein,
2) germ. -bro-, nach unbetonter silbe auf sonor-
laut, got. -dr-, an. -dr- {'pr-)j ags. alts. -dr-, ahd. -/r-, Hier-
lier gehören:
germ. * ble-broiii)- blatter, an. blapra, ags. blcedre, as. blädra
gl. Prud. 308, ahd. bläira, KZ. VIII, 256. XIV, 219. Fick
III, 219. Curtius* 301.
germ. 7}edrd{n)-, an. fiapr, ags. n^dre, as. nädra, ahd. ndtra
Fick I, 643. III, 156.
DAS N0MINAL8ÜFFIX TRA. 523
germ. * ß-bro- futter, scheide, ao. fdpr (modern), agg,
föt5or, ahd. fuotar = skr. patra gefäss , Bopp III ^, 202. KZ.
XIV, W6. 221. Das gleichlautende wort für pdbulum wird
von einigen als mit suffix -ra- aus einer wurzelform "^pa-i,
germ. */8Ö- (vgl. got. /8e(;*an etc.) gebildet angesehen, s. OsthoflF,
Forschungen I, 146 f.
germ. "^hn-brö- sieb, ags. hrider, ahd. hritra, KZ. XIV,
216 f. J. Schmidt, Voc. II, 459, vgl. 366. 371.
germ. * hiai-tSro- leiter, ag&. M^der, ahd. Meitra Bopp IIP,
203. Fick I, 62. J. Schmidt, Voc. II, 251.
germ. ^tve-bro" wetter, an. vepr, ags. rveber , as. uuedar,
ahd. uuetar Bopp IIP, 201. KZ. XI, 195. XVI, 267. XVII,
17. XXIII, 99. Fick II, 474. III, 307.
germ. * cU-Öro- alter, an. aldr, ags, eaidor, as. aldar, ahd.
altar Fick III, 27.
germ. *gal'bro- zaubergesang, an. gaidr, ags. gealdor, KZ.
XI, 195. XXIII, 315; ähnlich an. hjaldr lärm, zu kjala, Vig-
füsson 265 b.
germ. *mal-ÖrO' malter, as. maldar, ahd. malter Graflf II,
737. Mhd. wb. H, 1, 29.
germ. *m6l't5rd' mulde?, ahd. muoltra, m\\d.muolter, Grafif
II, 727. Mhd. wb. II, 1, 232 f. Schade wb.2 628.
germ. *fi/b!-brd' Schmetterling, an. verstümmelt ßfrildi,
fiSrildi, ahd. /ifolira KZ. XVII, 32. XXIII, 380. Fick III, 182.
germ. * spaikol-brö-, as. spScaldra gl. Prud. 632, ahd.
speicholtra Graflf VII, 365. gramm. IP, 315. Wie sich hierzu
neben ahd. speichilla das got. spaiskuldr stellt,, vermag ich
nicht sicher anzugeben. Mit Leo Meyer, Got. spräche 299 an
composition zu denken, halte ich nicht für richtig.
Hier sind ferner ohne zweifei anzuschliessen die germani-
schen baumnamen auf -dr-, -tr-, die nach dem vorgange
von gramm. II, 332. 530 gewöhnlich als verstümmelte compo-
sita mit triu bäum gefasst werden. Es sind dies (s. Grimm
a. a. 0.) an. apaldr, ags. apuldre, ahd. affoUra apfelbaum (KZ.
XI, 197. Fick III, 18), ags. mapuldre acer, ahd. mazoltra desgl.,
ahd. uuehhoUra juniperns, hiofeltra tribus und as. holondar gl.
Prud. 126, ahd. holuntar sambucus. Von einer composition
mit st. trewo' kann schon wegen des d^ wie man sieht, keine
rede bciu (was Lottner, KZ. XI, 197 zur erklärung anführt
524 SIEVERS
ist hinföllig). Auf dem richtigen wege zur erkiftrung war Graff
I, 174 f., der, zwar selbst noch der annähme einer composition
huldigend, doch über ahd. affolira bemerkt; 'auffallend bleibt
aber die nochmalige Zusammensetzung mit bäum in affalter-
baum, sowie die bedeutung des adjectivs aphultirin . . .
Eine ähnliche endung erscheint auch in speihhaltra Spu-
tum^ bei welcher an treo nicht zu denken ist'. Das ge-
meinsame aller dieser bildungen ist offenbar antritt des Suf-
fixes ira an einen stamm auf /a, das, in unbetonter silbe sein
a verlierend, bereits gemeingermanisch durch / sonans hindurch
sich zu ul, Ol entwickelt hatte. i) So steht an. apdldr zu st
aplo-, ags. mapuldre zu st maplo- (engl, maple), ist ebenso wie
speicholtra zu einem stamme spai-klo- (vgl. got. aina-kla /isiiO'
va)fiiv7j 1. Tim. 5, 5). Die entwicklung ist * opte-Örrf-, apl-tfrö,
*dpul-SrO' u. s. w. Die bedeutungsentwicklung ist etwa wie
bei candelabrum Michtträger', so * apulSro- 'apfeltrftger' u. s. f.
— Bei holundar haben wir natürlich einen entsprechenden
stamm auf -na- anzusetzen.
An zweifelhaften formen führe ich noch an: an. japarr^ ags.
eodor^ as. edar, ahd. eiar KZ. IX, 73. Fick III, 37; ^otsaldra
spott, L. Meyer, got. spr. 299; ahd. fultar Graff III, 517; ags.
sculdre, ahd. sculfra schulter, KZ. VIII, 399. XI, 200; ahd.
zeotar dcichsel, Graff V, 640; an. undr, ags. wundor, ahd. uim/OTi
Bopp IIP, 202; an. haldr, ags. bealdor. Nicht zu suffix tra
gehören got. *mu7idrs in mundrei, ahd. muntctr, vgl Fick I,
180. Curtius ^312 gegen L. Meyer got. spr. 299. Zu ahd.
shitar vergleicht Schade wb. 767 ksl. ^f^ra Xdxiöfjuxy O-gofißag.
Auch ahd. zantro und zuntra zu zünden sind natürlich auszu-
schliessen. Ahd. zatre, zature meretrix stellt sich wol zu an.
^) Dies folgt aus den ags. formen apuldre, mapuldre, für welche
man sonst *(sppeldre etc. hätte erwarten müssen, wäre die n&chBtvor-
ausgehcnde form noch *aplatfro gewesen. Ahd. ist affolira die einzige
lantgesetzlich entwickelte form, apfoltra mit pf ist erst unter dem ein-
fluss von apfol ans * aplo- entstanden , bei welchem das p vor / natür-
lich westgerm. gemination erfahren mnste. — Es ist übrigens nicht not-
wendig, für alle diese banmnamen einfachere stamme auf -la- vorauB-
zusetzen: die cxistenz einzelner alter formen wie * apultfro- genttgte
völlig, um eine reihe analoger neubildungen (durch falsche suffixabtren-
nung) hervorzurufen.
DAS NOMIMALSIJFFIX TRA. 525
toturr lumpen, totrugr zerlumpt Ueber ahd, lotar vgl. Bechtel,
Haupts zs. XXI, 215 (gegen Gurtius^ 365). Ganz fern liegt
natürlich auch an. heipr, ags. hädor = skr. cetas.
3) germ. -tro- nach indog. verschlusslaut oder s.
Hierher gehören:
germ. *half'trd' halfter, ags. hcelftre, ahd. hcUftra GraflF
IV, 925. Schade 366. KZ. I, 39.
germ. ^kUf-irb- klafter, ahd. kUftra, Fick II, 352.
germ. '^hwilf-triö-, got. hvilftrjds pl. öoqoI\ Fick I, 543.
n, 333.
germ. *hlah'trO' gelächter, an. hldir, ags. hleähtor, ahd.
hlahtar KZ. XI, 195. XIV, 292. Fick I, 42. 540. II, 331.
III, 87.
germ. * lah-iro- lager (zu got ligan)^ an. lätr^ Fick I, 749.
II, 450. III, 262.
germ. * lah-tro- tadel (zu as. lahan)^ ags kahior, KZ.
VIII, 253.
germ. *leh-trO' matrix, secundae, B,hd.lehtar Graffll, 162.
germ. * meih-tro- in ahd. chü-melhtra multra, GraflF II, 722
= Docen Mise. I, 206 b.
germ. * slah-irO' das schlagen, B,Ji.sldir, engl, slaughter KZ.
XI, 195. Fick m, 358.
germ. *blds-irO' Opfer, got *bldstr in gupbldstreis , an.
hlöstr, ahd. hluostar, KZ. XI, 195. XXIU, 315. Fick III, 223.
germ. *fds'tro' nahrung, an. /dsir^ ags. fdstor (lehnwort?)
KZ. XI, 195. XIV, 221. XXIII, 315. Fick II, 398.
germ. ^reus-iro- pflugschar, ahd. riostar GraflF H, 553, zu
ahd. riutjan reuten, GraflF II, 489, s. Schade wb.^ 717.
germ. *gels-irO' opfer, got gilstr, ahd. gelstar, KZ. XI,
195. XXIU, 315 f. Fick II, 358. III, 105.
germ. *aus'ir(h das schöpfen, au. ou^/r, KZ. III, 171. 450.
Fick II, 293. UI, 8.
germ. *bles'irO' das blasen, an. bldstr, KZ. XXIII, 315.
J. Schmidt, Voc. II, 472.
germ. *les'trO' das lesen, an. lestr.
germ. * hwes-tro-'i das zischen, in ags. hwäsirian, hrv^siran
murmurare Lye, vgl. an. hvcesa 'to hiss', KZ. XV, 318.
Während flir die vier letztgenannten werte ihre bedeutung
das Suffix tra einigermassen sicher stellt (sie sind sSmmtlich
526 SIEVEBS
verbalsubstantiva wie grdpr, arpr etc.), ist yielmehr suflKx ra
anzusetzen iu folgenden Wörtern:
irenn. ^aus-t-rd- 'ostern', an, austr, ags, edstoTy ag. abd.
dstra, vgl. lit. auszra morgonröto und verwantes (lat ausler,
deutsch östar 'osten' Bind wol fern zu halten) , KZ. III, 171.
450. Fick II, 293. III, 8. Curtius* 402.
i^erni. ^pins-t-ro- dunkel, ags. pedstre, preöstre, a«. (hiusiri,
ühd, finsiar, KZ. XI, 166. XIII, 311. XV, 239. XIX, 80
[Fick I, 90. 594. II, 368. 371], J. Schmidt, Voc. I, 168.
Das gleiche gilt auch wol von ahd. fledar-müs-t-ro vesper-
tilio Gratf II, 873, und ahd. ustri industria, Fick I, 512. III,
35, abgeleitet von dem adjectivum ustar gierig, guloBus, Graff
I, 500, aus *?/5-rö-; vgl. us-ii-ndn Graff I, 500. (Die Zweifel,
welche Bechtel, Haupt XXI, 225* gegen den deutBchen Ur-
sprung des Wortes erhebt, erledigen sich durch den hinweis
auf das betreffende a(\jectiv.)
In allen diesen fällen muste t eingeschoben werden, da
das germanische bekanntlich die lautgruppe 9r nicht duldet
{s't-raum zu indog. ^srau-ma zu sru, got svis-t-rs aus europ.
*sves'rds u. dgl.j.
4) germ. -s-tro mit einschiebung eines s. Hierüber han-
delt ausführlich Osthoff, KZ. XXIII, 313 ff. Ich fllhre an:
an. hak'S-tr das backen, KZ. XXUI, 315. Fick III, 197.
an. blum-s-fr blume.
an. hdl'S-tr, ags. bolster, ahd. boUstar poIster, Fick III, 209.
ahd. gal'S'iar zaubergesang, KZ. XXIII, 315. Fick I1I|
104; vgl. oben galdr s. 523.
ags. geol'S'tor sanies Lye, gillestre, giliester pituita Lye,
vgl. uiscum quod est rhiblood siue gillistr gl. Marb., rindbiood
siue biilistr gl. Erf. bei Haupt III, 122, pituita giUistrae gL
Epinal. 678 (Mone, Anz. VII, 148); auch ahd. gils cerebrum
Graff VI, 197.
ags. heol'S'tor versteck, KZ. XXIII, 316.
got. huli'Str versteck, an. hulstr KZ. VIII, 253. XI, 195.
XVI, 197. XXII, 266 f. XXUI, 315.
as. ahd. la-^-tar tadel, für *lah'S'tra' zu lahan (vgL ahd.
mist zu got. inaihstuSj abd. uuastum zu tmahsa^i)^ KZ. VIII, 253
|Fick I, 747. II, 453. HI, 267 1.
an. lem-s-tr das lähmen, KZ. XXIII, 316.
DAS NOMINALSÜFFIX TRA, 527
an. rak'S'tr das vertreiben, ib.
ahd. gana-S'tra (voc. S. Galli), ganei-s-ira, granim. IP,
351. KZ. XXI, 1. Fick II, 329. III, 80.
an. i-s-tra fett, altpreuss. instran, KZ. XIX, 355 (aus *ih-
S'trd'U' für * inh'S'trdn- zu w. anj salben).
got. avi'S-tr schafstall (ags. edtvestre KZ. XXII, 276 flf.
Fick I, 502. II, 309. Curtius *54. 90. 393) und ^navi-s-tr
^grab' in ganavistron begraben (KZ. XXII, 276 fif.) will Osthoflf
KZ. XXIII, 316 als Verkürzungen aus *avi'Vis-tr und *navi'
vis-ir fassen. Sie gehörten dann zur vorigen abteilung.
Zu diesen r-bildungen des suffixes tra stellen sich, abge-
sehen von den got. adverbialbildungen auf -pro, -dre und verwan-
ten, die ich hier übergehe, formell am nächsten die ableituugeu
von den nominibus agentis auf -tar, welche abgesehen von
den verwantschaftsnamen , ihr femininum auf -irla-, nom. -irt
bilden. Im germanischen ist diese gruppe sehr zusammen-
geschmolzen. Nur die verwantschaftsnamen sind unverändert
geblieben. Die übrigen sind durchaus zur schwachen declina-
tion übergetreten. Fürs masculinum haben wir zudem nur
noch mit eingeschobenem s ahd. hamastro, as. hamstra hamster
^der Schädiger, fresser' (vgl. got. hamfs, ahd. ham-al und ab-
leltuugcn Graflf IV, 945; andere bedeutungsentwicklung setzt
J. Grimm zweifelnd an 2 GDS. I ^ 337) \ flirs femininum ahd.
ägalastra, as. ägaslria (für ägalsiria) pica, KZ. XVI, 45 f.,
und wol auch ramesdra lupina (pflanzenname, Diut. III;
244 aus dem Summ. Hoiurici, vgl. gramm. 11*^, 350)-, ausser-
dem aber eine grosse anzahl weiblicher uomina agentis auf
ags. -estre^ nnl. -ster, s. gramm. IP, 128 f.
B. Die /-formen.
Von den /-formen des suffixes /ra und seiner ableitungen
sind bisher weit weniger erkannt und besprochen worden, als
von den entsprechenden r- formen. Der grund hierfür liegt
deutlich in dem umstände, dass nur einige solche formen sich
») Gehört hierher auch as. do-dro, ahd. io-ioro dotter?
528 SIEVEKS
durchaus rein erhalten haben. In vielen ßlllen hat nAmlichy
und gerade in denjenigen sprachen, welche die meisten bei-
spiele uns aufbewahrt haben , die lautgruppe -/>/- resp. -d/-
eine Veränderung erfahren ^ welche die Zusammengehörigkeit
ganzer formreihen nicht sofort mehr erkennen lässt Es wird
sich dies alsbald aus einer aufzühlung der einzelnen fälle er-
geben.
I. Unveränderte formen.'
1) germ. -plo- nach betonter silbe auf sonorlaat
erhalten, got. -/>/-, an. -[ä]/-, ags. -pl-, -dl-, as. 'thl-, -d/-,
-hl-, ahd. -dl-, -hl-. Beispiele:
germ. *7ie-pld' nadel, got. nepla, an. 710 1 {^r*nghltij ags,
7i(jedl, as. näthla (gl. Prud. 404), ahd. tiädla {mlda Tat. etc.)
Bopp IIP, 203 KZ. VIII, 260. XI, 195. Fiek II, 392.
III, 156.
germ. * ma-plo- rede, got mapl ayoQcc, an. mdl (Wv ^ma-hh-j
ags. nuet^l, as. ahd. mahal, in composition ahd. madai- gramm.
112 95. KZ. XIV, 220. XXIIl, 119. Fiek I, 166. 713.
HI, 229.
germ. *sta-plo-, an. stdl (bei Vigfüsson confundiert mit
sidl acies), ags. siabol fundamentum, ahd. slatlal stadel Oraff
VI, 653. KZ. XIV, 220. Fiek III, 340. (Dazu Bhd. stedii
fundamentum, acc. pl. stedila Is. 3, 4 W.?)
germ. * sto-plo-, ahd. -siuodal fundamentum, Graff VI, 653 f.
germ. * stu-plio- in as. tan-stuthlia pectine gL Prud. 373
(oder ist * stup-lio abzuteilen, vgl. an. stop a post, stypja stützen,
stut5-ill stütze ?) 0
germ. * wa-plo- wedel, ahd. uuadal flabellum, Graff I, 622.
Das gleichlautende uuadal penuria, ags. woedl f. desgl., wesdla
pauper, zu dem Graff VI, 776 auch ags. watiol vagabuuduB
vergleicht, liegt jedenfalls fern.
germ. * haimö-plo- heimat, in got haimöplja u. pl. dyQol,
nach Grimm, gr. II, 100 gewöhnlich als compositum mit *6pl
= ahd. tiodal gefasst, richtig als ableitung von *haomo^ er-
kannt von Leo Meyer KZ. VII, 285. Got spr. 317. Hierzu
*) An slubill steht zu *slu-plo- ähnlich wie das oben angaflihrle
ahd. wedil zu * wa-plo-.
DAS NOMINALSÜFFIX TRA. 529
an. heimold {heimill) , heimoll (heimill) nebst ableitungen, Vig-
füsson 250 f. (vgl. Beiträge V, 68).
2) germ. -blo- nach unbetonter silbe auf sonor-
laut, an. 'Id-, as. -dl-, ags. -tl-, -Id-, ahd. -//-.
germ. * bo-blo- wohnung, as. bodlds pl., ahd. Botal-unc
Förstemann namenb. I, 290; ags. botl mit Verhärtung (wie in
botm zu ahd. bodam) oder bold mit metathese; KZ. XX, 138.
Tidskr. for phil. VIII, 291.
germ. spai-tHo- Speichel, ags. späil mit Verhärtung.
germ. se-blo- sieb, am besten erhalten in karelisch siekla,
an. Said für *W&/, Bugge KZ. XX, 139 f.
3) germ. -tlo- nach geräuschlaut ist, so weit ich sehe,
nur in Einern sichern beispiele erhalten, nämlich got hvöftuü,
stamm *hv6f'tlid-, über dessen form ich einstweilen auf Beitr.
V, 8. 150 anm. 2 verweise, üeber an. basil turmoil, bustl
bustle und dtcstl desgl. (Vigfüsson hat nur ein verbum dusla
to bustle) vermag ich keine sichere aufklärung zu geben.
Ags. bristl KZ. XI, 379 gehört zu ags. byrst börste, ags. Örostle
neben brösle (KZ. IV, 177) hat eingeschobenes t.
II. Veränderte formen.
1) an. ags. -W-.
Bereits unter I. haben wir für das an. und ags. die nei-
gung feststellen können, die gruppe dl in Id umzuwandeln.
So steht ags. bold für ''bodl, an. sdld für *sdbl] analog ist
die Umsetzung von -pl- in -Ip-, d. h. //, in an. heimoll zu got
heimöpli (die obliquen casus vereinfachen das // in unbetonter
silbe), dem gegenüber heimold wol auf eine form mit germ. -Ö/-
zurückweist. Es stimmt dies gut zu der sonstigen neigung
dieser sprachen, Umstellungen von lautgruppen eintreten zu
lassen, deren zweites glied ein Sonorlaut ist; man vergleiche
namentlich die bekannte Umgestaltung des Suffixes -slio-j nom.
-sli zu -Isi, gramm. IP, 317 ff. und das unten nochmals zu
erwähnende an. innylfi, ags. innilfe neben an. innyflL Wir
werden hiernach berechtigt sein, ags. und an. ableitendes -Id-
überhaupt als Umstellung von dl zu fassen, da eine suffixgruppe
-al'ta- oder -al-dha- sich schwerlich wird wahrscheinlich
machen lassen. — Hierher gehören dann:
Beitrüge sur geticbicbtc der deutfchen spraobe. V. ^4
530 SIEVERS
germ. *fari-tilo weg, ags. fosreld nebst infcereld, iUfmreld^
8. Lye 8. vv. Grein I, 271 ; au. mit a in ursprünglicher penul-
tima farald n. a journey (daneben faraldr m. und farald n.
pestileuce, f^. Vigfüssou 8. vv.; gr. 11*^, 316, wo das wort als
compositum gcfasst wird, gibt nur das m. an).
germ. ^hafi-blo-, ags. hefeid lieiuni (Lye und Steinmeyer-
Sie vers, alid. glossen I, 382, anni. 15), an. hafald Hhe perpen-
dicular thrums tliat hold the reft*.
germ. *lafi'blO' ebene im ags. adjectivum Icefelde eben,
engl, kvel, vgl. got. löfa, an. löfi flache liand, ahd. Ic^a palma,
palmula Graff* II, 205. Das wort ist nur einmal bei Lye aus
einer hs. Aelfricscber glossen belegt; Icefeldre f<et erscheint
dort als glosse zu planum iias , patinum, paropsis, caümis.
Gramm. II ^, 316 wird kefeldre als noniinativ eines adjeetivs
im positiv gefasst; richtiger bemerkt EttmüUer, Lex. anglosax.
71 Ucefeldre . . ., quod aut gen. dat. fem. aut comparativus
esse vidctur'. Das letztere ist ohne zweifei das einzig mög-
liche. Nach Ettmüller setzt auch Leo 216, 31. 655, 53 einen
nominativ Icefeld an, man wird aber eher als y^-stamm Icefelde
schreiben nulsscn, das sich zu dem vorausgesetzten *l€efeld =
* la/itSlo- ebenso verhält wie ags. infcerelde (pl. infcereldu pe-
netralia Lye) zu fcereld.
germ. * presko-tülo- schwelle, an. preskoldr, ags. tfrescoM,
berscold gr. 11, 232. KZ. XXIII, 381. Fick III, 341. Das
misA erstandene wort ist in verschiedener weise volksetymolo-
gisch umgestaltet worden, so an. preskjgldr, neuisL prepsl^öldr,
ags. Öerscwold, berscwald etc.
An an. farald, hafald schliessen sich noch mehrere an.
neutra ^nf-ald, welche granim. II ^, 316 und Vigfüsson XXXIII*
aufgezählt werden: gimald Öffnung (modern neben ^i-ma) ; kafald
a thick fall of snow, \'^\, kafa to dive, swim under watcr;
rekald wreck, a thiug drifted ashore, zu reka\ von uomiuibus
abgeleitet kerald gefäss, folald füllen. Hierher auch wol eiskgld
und eiskolär herz (Egilsson 128), vj;l. eiskra fremere.
Von ähnlichen neutris auf -ald , welche als abstracta zu-
nächst zu adjectivis aufzufassen sind, sind dann die zahlreichen
sithwachen masculina auf -aldi abgeleitet, die meist als Spott-
namen gebraucht, werden, wie digr-aldi, glopaldi, pwnbaldi eto,
s. gram in. 11'^, 316; und diesen stehen endlich moderne abRtraot-
DAS N0MINAL8ÜFFIX TRA, 631
bilduQgen auf -ildi n. zur seite: punnildi the thin edge of a
cut-ui) codüsh, pykkildi a lump, tliickuess, kuglldi a toagh sub-
stance, zu den adjectivis punnr, pykkr, kügr. Dieselbe enduug
zei^t auch fifrddl (modern fibrildi mit aulelinung an fiiiri, 8.
Vigiüsson ö. V. gegen gramm. 11*^, 3 IG), das aber au» */lfildri
entstellt ibt (s. oben ^'. 523); für skripildi monstrum, gramm. IP,
316, kennt Vigfüsson nur die form skripindL
2) Ahd. 'ß, 'fili und verwantes.
Die wenigen ahd. Wörter auf -fli, -fili bilden schon lauge
eine crux der erklären Es sind driscufli schwelle (nebenformen
driscufili und driscubili, Graff V, 260, Schmeller P, 570);
mndvili einge weide (nebenformen 'mnuouili, inniuoli, innupli,
Graif 1, 298 f.) und zweifelhaftes mtöftli spatium (Haupt X,
370 = XVI, 32 (Graff 1,71. 771, nebenform mtuobili). Dem
zweiten dieser worte steht an. innyfliy innylfi, ags. innelfe, m-
nilfe (Lye und Ettmüller 8) zur seite. Das nordische weist
ausserdem noch daupy/U 'a careaise, lifeles» thing* auf; mit
diesem ist widerum das got. adjectiv daupubleis hotid-avaxioq
aufs nächste verwant. Diese Wörter sind schon gr. IP, 178.
111 7 431 Hämmtlich zusammengestellt, am letzteren orte ist
auch bereits richtig für den Charakter der enduug -uofili als
blosser ableitungsendung entschieden worden, während Graff
1, 71. 771 und Holtzmann ad. gr. 1, 245 mt-uobili (ersterer
zweifelnd) als compositum ansetzen; dasselbe tun auch Cleasby-
Vigfüsson für an. innyfll, daupyfli und Ettmüller für ags. innilfe.
Um die ursprüngliche form dieser ableitungsendung fest-
stellen zu können, hat man vor allem auf die weiteren ver-
wanten der angeführten worte rücksicht zu nehmen. So ge-
hört zu driscufli das an. oben s. 530 erwähnte preskoldr, ags.
^erscold, neben inndvili steht gleichbedeutend ahd. innödili
mit den ne])cufornien innddUy inyiadoli, innidoli Graff I, 298,
welche klärlich die annähme einer composition mit subst. ödil
verbieten; ferner alts. innathri in vtgeinyiathridimo euiscerata
gl. Prud. 399, ahd. innadri, innadiri, von Graff I, 157 und J.
Schmidt, Voc. 11, 469 als compositum mit ädra gefasst, wo-
gegen alsbald die alte form iymuadri Ja. Nyerup 184 Wider-
spruch erhebt , die das wort vielmehr mit innSdli, inmwfili auf
34*
532 SIEVERS
dne stufe stellt: dasselbe ist identisch mit altir. inathar, s.
Curtius* 309.
Das ergebnis dieser vergleich uDg ist, dass wir sowol bei
preskoldr — driscufli, wie bei innödili — hmdvili ein iiebenein-
ander der lautgruppeu dl und fl resp. germanisch pl und fl zu
constatieren haben , welche auf jeden fall iu directe lautliche
beziehung zu bringen sind. Welche von diesen forpen die
filtere ist, kann nicht schwer fallen zu entscheiden. Ein suflix
'plO' oder -bhlo-y das für die bildungen mit -//- augesetzt wer-
den m liste, existiert bekanntlich nicht, ausser iu den zahlbil-
dungen wie lat. du-plo, tri-plo etc., zu denen sich aus dem
germanischen got. tvei-fl etc. stellen (s. darüber ausf&hrlich J.
Schmidt KZ. XVI, 430 ff^O? andererseits ist nichts bekannter
als die Vertretung der anlautenden gotischen pl durch fl in
den übrigen germanischen sprachen. Ich wüste nicht, was
uns hindern könnte, die möglichkeit desselben lautwandels
auch fUr den inlaut zu statuieren, und damit rücken die an-
geführten werte ohne weiteres in den kreis der -ila- bildungen
ein; innöfili und mlöfiU haben ihr genaues vorbild in got hat-
möpli] innuadri und verwante repräsentieren eine nebenform
des Suffixes mit -tro-.
Allerdings ist diese erklärung noch mit einigen formellen
Schwierigkeiten verknüpft.
Zunächst got daupubieis] dies setzt einen substantivstamm
*danpu-UO' 'tod' voraus, mit dem labiallaut des suffixes im
gotischen , das sonst von der labialen affection der pl frei ist
Darf man hier nicht vielleicht an eine dissimilation denken?
Sodann die verschiedene lautverschiebungsstufe, mit der
das sufGx erscheint: got haimöpli und daupubleis für "^daupu-
Sieis, an. heimoll und heimold etc. Diese Schwierigkeit lOst
sich durch die erwägung, dass auch bei mehrsilbigen werten
das sufGx ursprünglich bald nach betonter, bald nach unbe-
tonter silbe stehen, also nach Verners gesetz die formen -pla-
und 'blO' entfalten muste. Nach dem eintritt der germanisohen
*) Auch in -ufni, -übni kann das ^ h schwerlich als Vertreter eines
alten labialverschlnsslantes gefasst werden, s. Beiträge V, s. 150 anm. 2«
gegen Bugge, KZ. XXII, 437. Got sÜubr etc. ist klärlich fremdwort, vgL
Ilehn, KulturpÜ. und haustiere^ s. 4tfU.
DAS NOMINALSUFFIX TRÄ. 533
BtammsilbenbetonuDg aber entstand ein schwanken, das sogar
zu doppelformen innerhalb desselben wertes führen konnte.
Wegen der ahd. formen -fili und 'hili vergleiche man das Ver-
hältnis von miur und äbur. Drittens muss die unregelmässige
behandlung der lautgruppen pl, dl in den einzelsprachen auf-
fallen. Im nordischen scheint pl nach betonter silbe überall
zunächst zu hl, dann zu / mit dehnung des vorausgehenden
vocales geworden zu sein: mal aus *mahl für *maplo, stäl
aus * stahl Air "^slaplo, nol aus *7whlu fWr *nSpld^)] dagegen
erlitt vorauszusetzendes 9/ nach der Stammsilbe metathese in
säld für *set^lo. Weiter ab von der Stammsilbe erfolgt meta-
these in heimold und heimoll, farald, preskoldr etc. (s. oben),
daneben aber auch Übergang in /7, z. t. mit nachfolgender
metathese, vgl. daupypi und inmjfli, innylfi. Es scheint mir
nicht undenkbar, dass bei den letztern vielleicht eine art volks-
etymologische sonderung des wertes in zwei compositionsglieder
die Ursache der conservierung des spirans gewesen ist, wie im
deutschen gewis Innädri (neben innuadri) als mit ädra verwant
gefühlt wurde.
Im angelsächsischen begegnet nach betonter Stammsilbe
ein Wechsel von Ö und d, wo wir p als gemeingermanischen
grundlaut ansetzen müssen: mcet5el, stabol nebst ableitungen,
aber 7i(cdl, wcedl] weder/* noch h unmittelbar nach der wurzel-
^) Diese art des Übergangs ist mir wahrscheinlicher als der von
Bugge, ROksten s. 41 angesetzte directe ansfall des p, wie er beson-
ders in der composition vorr,/ oft eintritt: Hrs'rekr, pjörekr, Gorspr,
gölegr, ölega flir *Uröfyrikr^ * pjöprikr, Gopr0pr, *göplegr, öplega.
Vielleicht sind selbst diese ebenso zn beurteilen ; man vergleiche nament-
lich die dehnung in Gör&pr (; störan bei tjötJölfr, Bugge a. a. c). Man
wird vermutlich zwei verschiedene perioden der tilgung der gruppen pl
anzusetzen haben, eine ältere mit dehnung des vorhergehenden vocals
(durch hl hindurch?) und eine spätere mit assimilation des (durch syn-
cope entstandenen) pl zu II ohne dehnung, z. b. in frilla zu fripül,
i inille neben i miple, hrapalligr zu hrapapr (Gislason, forml. 43), brälla,
traulla (Vigfüsson s. v. und Stockh. h. 22, 32. 24, 4) zu hrdpr, traupr.
Zu den letzteren gehört auch brullaup, altschw. hrullöp, gotl. bryllaup
Rydqvistll, 106. Schlyter XIII, 93 f. Ich halte brullaup oder bryllaup
für die gemeinnordische form, die formen mit pl, dl etc., welche sowol
west- wie ostnordisch vorkommen, fasse ich als etymologisierende recon-
structionen, ebenso wie die formen miple, miplom u. a. (vgl. dazu Bei-
träge V, 489 flf.).
534 SIEVEBS
silbe, wol aber f nach unbetonter silbe in itmilfe, Dae aus
pl entstandene dl bleibt, altes dl aber wird in boil, spätl zu
/ oder erfährt metathese, in })old\ des^^leichen nach unbetonter
silbe in fcereld, hefeld etc.
Altsächsisch ist pl erhalten in näthla und tanstuthlia, zu
hl geworden regelmässig in mahal und ableitungen ; dl bleibt
in hodlds. Alles übrige ist unbelegt.
Die grösten Unregelmässigkeiten aber treten im althoch-
deutschen auf. Im allgemeinen bleibt pl nach der Wurzelsilbe
als dlf dal erhalten: stadal, stödal, wadal, 7iädla\ einmal dia-
lectisch raetathese in nälda (Lexer II, 14. Weinhold, mhd. gr.
§ 194); hl nur in mdhal und dessen ableitungen, wie im alt-
sächsischen, daneben aber in der composition madal- in zahl-
reichen eigennamen: auch in der koseform Madala und im
zweiten gliede in Cunimadal und Rimadal (?), s. Förstemann,
namenbuoh I, 920 flf. 315. 1049. Eine genügende erklärung
hierfür weiss ich nicht zu geben. In anschluss daran, dass
madal eben nur in der com])osition erscheint, und zwar eigent-
lich nur als erstes glied (denn Cunimadal und I^{c)madal sind
offenbar erst späte bildun;i:en nach dem Modal- des ersten
gliedos), d. h. also in einer form, welche wie der nom. acc
sg. das stammauslautende o nach langer silbe frühzeitig syn-
copieren muste, könnte man annehmen, dass dl der regelrechte
Vertreter des pl mit sonantischem / gewesen sei, hl der Ver-
treter des pl mit consonantiscliem /; mit andern werten, dass
man ursprünglich flectiert habe *mapl, *mapi(l (vgl. apfiil eiCj
aucli ol>en s. 524), mahles, verbal *mahlien^) (praet. *mapulda
oder mahlida?) Dann hätte in mahal , vielleicht unter dem
einflussc des verbums "^mahlten, die form der casus mit erhal-
tener vocalischer endung überwogen, in stadal, stodal, wadal
al)er hätten wir die alten formen des nom. ace. sg. Aber
diese rochnung wird, scheint mir, durch nädla ungültig ge-
macht^ falls für dieses nicht eine besondere erklärung gegeben
werden kann. Sollte der Wechsel von pl und hl vielleicht
nur auf worte mit kurzem vocal beschränkt gewesen sein?
— Einen grund für diese beschränkung wüste ich freilieh
0 Dreisilbig, mit BÜbenbildendem t, vgl. Beitr. V, b. 125 fL
DAS NOMINALSÜFFIX TRA. 535
uiclit anzugeben; ich muss mich also mit einem non liquet
begnügen.
Nach unbetonter silbe widerholen sich dieselben Schwie-
rigkeiten mit den lautgruppen dl und fl in driscufli, mtdfili,
innöftli einerseits und irinödUi andererseits; doch glaube ich
hier mit mehr Zuversicht eine der obigen analoge erklärung
aufstellen zu können. Dazu muss ich aber zuvörderst, da wir
es überall hier mit Verbindungen einer liquida mit nachfolgen-
dem suffixalen / zu tun haben (stamm driscuflio- etc.), noch-
mals auf die behandlung solcher gruppen im ahd. zurück-
kommen, über die ich bereits Beiträge V, s. 93 und s. 150 anm.
2 einige bemerkungen gemacht habe.
Ich habe in jenen stellen von einer möglichkeit gesprochen,
dass sich im ahd. gruppen von der form /i, ri -f- vocal in
silbenbildendes /, r -f- y + vocal umsetzen, woraus weiterhin
{ul, iir oder) il, ir + j + vocal sich entwickelt. Ueber den
Wechsel der vocale vor dem Sonorlaut gehe ich hier hinweg,
da darüber eine Untersuchung von Paul demnächst neues licht
verbreiten wird ; ich glaube aber mit beziehung auf die be-
sprochene erscheinung jetzt den satz aufstellen zu können,
dass jene gruppen die Umsetzung zu (uij) iJJ etc. im
ahd. erleiden müssen, dass ausnahmen sich nur durch ein-
wirkungen von solchen formen erklären, in welchen jene be-
dingungen nicht vorhanden waren. Der beweis hierfür liegt
darin, dass Schwankungen so gut wie nicht vorkommen, wo
in allen flexionsformen eines Wortes oder einer wortgruppe,
vor allem aber im nom. acc. der nomina, jene bedingungen
vorhanden sind ; dahin gehören namentlich die ableitungen auf
-ion m. und -id(n) f. von stammen auf -r(ö)-, -/ö-, -n(o)- etc.
Man vergleiche in dieser richtung z. b. ahd. kilstirro GrafflV,
194 opferer, st. gilstrmi- zu st. gelstro- opfer; fuotirra nutrix
Graff III, 380 , st. fbdribn- zu st. fbdro- futter ; zimbirra struc-
tura Graff V, 670, st. timridti' zu st. timro-] lidirra plecta
Graff II, 204, st. liprion- zu st. lepro- leder; faiureo, fatirro
vetter Graff III, 377, st fabrion- zu st. /aöar (yg\AB,tpatrhis)]
sidillo {ein-, lant-sidillo) sitzer Graff VI , 340 , st. siplion- zu
st. seplO' sitz; duahilla mappa Graff V, 268, st. pwahlidn- zu
st. prvahlO' bad; speichilla Speichel Graff VI, 365, st spair
536 SIEVERS
kli6n' zu st. spaiklo-j vgl. ahd. speicholtra aus *spaikladro
oben B. 523; mit n gehören hierher vielleicht die movierten
feminina*) auf 'Un{na\ -in{na), soweit diese ihrem typus nach
auf arz-stämme mit schwacher suffixform im femininum, noooi.
-ni', zurückgehen 2) (iu allen diesen gruppen aber mögen sich
ursprüngliche bildungen auf -ß, -n, -rA mit solchen auf -oÄ,
-ari, -ani vielfach gemischt haben). Eine seltene ausnähme
bildet das subst. murdreo latro Graff II, 856 zu st morpro-
mord, ohne zweifei veranlasst durch die einwirkung des ver-
bums murdren, worüber unten mehr.
Ziemlich constant sind sodann die Umsetzungen auch noch
bei den neutris auf -i. So haben wir ahd. fugili, st fuglio-
zu st fo^lO' vogel; negili, st naglio- zu st. naglo-\ epftli,
st ap{p)UO' zu st ap{p)lO' apfel; fingiri, st ftngrio- zu
st finyro- finger, ga-rvitiri, st rviSrio- zu st rvetiro- wetter.
Anderwärts haben wir schwanken, so in gazimbri und gazim-
hiri Graif V, 670, wo die kürzere form abermals durch den
einfluHS des verbums zimhren, zimbron und des nomens zimbar,
zimbres bedingt zu sein scheint (vgl. oben murdreo). Zu den
*) Die nnverfälBchteste form der movierten feminina anf -I liegt
vor in den eigennamen auf -hvrn , -hirin zn den mascnlinis anf -bim,
altn. 'hjgrn (M. Arnesen KZ. XXII, 93 f.); zu st. bemo- gehOrte regel-
recht f. *'b%rniy daraus durch einfachen abfaU des t (s. Beiträge V, 8. 142
über mägin) nom. -bim (mit erhaltung der consonantischen geltang des
n nach Sonorlaut, vgl. Osthoif in seinen und Brugmans morphol. Unter-
suchungen I, 227 anm. 1 ; die form -hirn ist von Förstemann mehrfach
aus dem 9. jahrh. belegt). Aus den casibus obliquis ^-birniöz, *-birmäm
etc. ergaben sich gen. ahd. ^-birinja, acc. *'birine , daraus wider ange-
glichen an den endungslosen nominativ die form -birin (vgl. daza Hen-
ning, QF. III, 91 ff.).
') Auf das n im allgemeinen die für r, l gegebene regel aassn-
dehnen, geht nicht an, weil verba wie hnnhnen, zeihnen, fougneHf wäfnen
in derselben zeit ahd. nur -nen, -nan haben, wo verba mit r (/) vielmehr
-arren aufweisen ; nur das kurzsilbige kagannen Beitr. V, 93 macht eine
ausnähme; hier aber fällt das a der mittelsilbe unter ein anderes geseta,
es ist aus kagan eingeschleppt; ebenso erklären sich die jüngeren /oif-
genen, rväfenen etc. Es ist ans diesem gründe die Wahrscheinlichkeit,
dass dem typus der ahd. movierten feminina auf 'Un{na), 'in{nd) der
typus movierter -an -stamme zu gründe liege (Beitr. \', s. t&O anm. 2)
eine sehr geringe.
DAS NOMINALSÜFFIX TRA. 537
schwankenden gehören auch die Wörter mit flij fili sowie
innadri, innuadri, s. die belege bei Graflf.
Das hauptgebiet der Schwankungen aber liefern die
schwachen verba, wie finstaren, fluobaren, heitaren, hlütaren,
hungaren, nidaren, spirdaren, sübaren, widarm, zimharen, zota-
ren^ mahalen, nagalen:, neben diesen gewöhnlichen formen liegen
teils solche ohne mittelvocal, teils solche mit mittelvocal /, wie
ftuobirerij sübireti etc. (Tatiau s. 31 etc.). Diese drei typen
weisen auf dreierlei verschiedenen Ursprung hin. Die formen
ohne mittelvocal entspringen dem typus der formen, welche
nach dem r, l einfachen vocal i hatten (2. 3. sg. ind. praes.,
2. sg. imperat. , praet. auf -ita , part. praet. auf -It) ; die for-
men mit ir, il weisen, wie die oben besprochenen ableitungen
auf -irro, -illa, -ili, deren i kein a parallel geht % auf die for-
men mit / -f vocal (inf., 1. sg. ind. und plural und conj. praes.,
2. pl. imperat., part. praes.); die formen mit a endlich weisen
teils zurück auf das praeteritum ohne /, teils insbesondere auf
einen modificierenden einfluss der zu gründe liegenden nomina,
wie ftnstar, heitar etc. Der eigentliche typus eines hierher ge-
hörigen verbums wäre also gewesen etwa inf. *sübirjen, praes.
"^sübirju, sübris, sübrit, * sübirjem etc., conj. *sübirje, imp.
sübri, praet. sübarta und sübrita, part. praet. gasübrit, pl.
gasübarte.
Um nun auf den Wechsel des d und /* in mnddili und
innoftli zurückzukommen, so handelt es sich dabei wesentlich
um die frage, ob die Umsetzung des // zu ij bereits vor dem
eintritt des ahd. vocalischen auslautsgesetzes eingetreten sei.
Diese frage muss im hinblick auf die Schwankungen wie dri-
scufli driscuftU, innodli innödili etc. verneint werden. Denn,
hätten wir noch auf die Stammform -lio, -lid zu recurrieren,
so hätten nur die formen mit innerem i, also driscuftii, aus
*dnscufli9 etc., entstehen können. Verlegen wir aber jene
Umsetzung in die zeit nach dem abfall des themavocales, so
') Die einzige ausnähme bildet fataro, fatnreo neben fetiro,, aber
hier scheint sich faiaro an den alten accusativ * fatar^ *fatureo an den
alten gen. dat. sg. * fatur, -ar (aus */ö/r) angelehnt zu haben, oder man
mu88 mit Fick 111, s. 16« direcf fatureo aus *faturrvjo = skr. pitrvya
hervorgehen lassen.
53b SIEVERS — DAS NOMINALSUFFIX TRA.
erlangeu wir als älteste ahd. formeu nom. acc. *00i6pli, gen.
*inndpiljesy pl. uom. acc. * innopilju etc. Hieraus erwachsen
dann nom. i7md/U, pl. inn6dU{i)u und mit weiterer gegenseitiger
beeiuflussung inndfili und innodli, dergestalt dass jede form
sich zu einem vollständigen paradigma ergänzt oder ergänzen
kann, ähnlich wie wir das eben bei den schwachen verbis
gesehen haben.
JENA, 6. august 1878. E. SIEVERS.
zu FRIEDRICH VON SONNENBURG.
I
n Oswald Zingerles neuer ausgäbe der lieder Friedrichs
von Sonnenburg beiiiht, wie der giöste teil des literarhisto-
rischen abschnittes der einleitung »), so der ganze text wie es
scheint ausschliesslich auf dem in HMS. gebotenen materiale.
Eine erneute prtifung der handschriften hat nicht stattgefunden,
aber selbst bekannte ältere und neuere textabdrücke sind, wie
die genaue Übereinstimmung mit v. d. Hagens Variantenapparat
lehrt, nicht berücksichtigt worden. Selbst Pfeiffers abdruck der
Heidelberger hs. D (von Zingerle s. 45 auch so bezeichnet,
im apparat aber nach v. d. Hagen irreleitend durch H ange-
deutet!), der von nahezu einer ganzen strophe (IV, 1 — 8) ein
facsimile beigegeben ist, ist nicht einmal erwähnt oder benutzt
*) Im übrigen ist die ganze einleitung eine oft bis zu wörtlicher
entsprechung, jedenfallß bis in alle erheblicheren details hinein sich er-
streckende nachbildung der einleitung zu Strauchs Marner. Eine ver-
gleichiing dieser beiden stücke (insbesondere des dritten abschnittes beiZ.
* spräche und stil' s. 28 ff. mit Strauchs viertem ^Mamers spräche und
Stil' s. 46 ff. sowie des folgenden *kunst' (Zingerle 39 ff.) und *Marners
kunst' (Strauch 59 ff.) bietet eine sehr lehrreiche illustration zu dem
was Paul neulich in diesen beitragen V, 438 f. über das * mechanisieren
der niethoden' bemerkt hat. Lüsst sich doch Zingerle durch seinen
nachahmungstrieb geradezu zum begehen arger Sprachfehler verführen.
Strauch s. 70 heisst es: *Die Wörter auf -cere werden im reime nie ge-
kürzt: zw'ivelcere : fröudehcere XIV, 202, wol aber im innem verse, so-
gar in der letzten Senkung (II, 15. 48. III, 1. 14)'. Die letzten beispiele
sind ganz richtig, nämlich merker und wahier. Bei Zingerle aber lesen
wir s. 44: 'Die Wörter auf -cpr^ sind im reime unverkürzt: liigencere : un-
mccre II, 17 ... u. a. Kürzung findet sich aber im innern verse (II,
69), auch in der letzten Senkung: meister tobe 11, 60, meister niht IV,
252.' II, 69 steht ebenfalls meister. Was hat denn aber meister mit
den nominibus auf -cere zu tun?
540 SIEVERS
worden. Da dieser abdruck in aller bänden ist, so hegrnOge
ich mich hier, <iie abhfin^ijLrkeit der angaben Zingerles (Z) von
V. d. Hjigen (H) durch die mitteilunj? der gemeinBchaftlichen
fehler resj). Kicken im ap])arate der ersten drei Strophen von
1) (IV, 1 — 36) zu erweisen.
l wundertverc HZ ohne Variante] miäer wert D. 2 a/-
machticheit HZ] almehtlkeit D. \ geschopfede HZ] geschophede
D. 5 schulte Z nach H.s tcxt] Schulte D. 6 schulte Z desgl.]
sult D. höhten HZ] ho*h(en I). 12. wan schwo der HZJ wand
schfro d' I). 10 wer HZ] w' D (Zingerle gibt sonst die bei H.
nicht aufgelösten abkürzungen genau an). 22 gehuweti HZ]
gehufven D t'mre wnndei'sät HZ ohne Variante] wnö^ tvre sat
D. 21 al Z durch misverständnis des al[le] in H.s text] alle
1) Chore HZ] cho're D. 27 daz ist HZ] das ist D in not Z
nach H.s tcxt] in fehlt D. 35 sine Z nach H.s text] si D.
In zwei fällen weicht allerdings Zingerle hier von v. d
Hagen ab, indem er fllr IV, 31 ein hrot und fl!r 36 vor weit
als lesart der hs. angibt. Da aber Hagens angaben sin brat
und WT weit zu IMcirt'ers abdruck stimmen, so darf man diese
abweichungen sicher einem versehen des herausgebers zu-
schreiben.
Ks ist sehr zu beklagen, dass der herausgeber nun auch
bei der jenaischen handschrift, welche die mebrzahl der Stro-
phen des dichter» überliefert, allzu gläubig dem abdrucke und
api)arate v. d. Hagens gefolgt ist, dessen bekannte unzuver-
lässigkcit durch die eben gegebenen beispiele nur aufs neue
widor belegt wird. Und selbst v. d. Hagen wird nicht völlig
ausgenutzt. Ks wird schwer sein, den herausgeber von dem
Vorwurf zu grosser bequemlichkeit bei seiner arbeit freizu-
sprechen, wenn man sieht, wie er in den Strophen I, 3 und
11, \ falsche lesarten aus H.s Variantenapparat aufftlhrt, offen-
bar ohne die von H. im vierten teile mit den singweisen ge-
gebenen l)uchstäblichen nachbildungen dieser Strophen (und
IV, ')) zu berllcksichtigen, also wenn er nach H. I, 35 umh,
II, 54 wurd, 56 do angibt; während die nachbildungen ebenso
richtig hier r/w, jvord , da darbieten, wie die von H. im texte
verworfene und in den Varianten nicht angemerkte form Bai-
dnchone 11, 50, die besser zu dem Baldichone von 0 passt als
das willkürlich von H. eingesetzte Baldaköne.
zu FRIEDRICH VON SONNENBÜRG. 541
Um nun meinerseits einen kleinen beitrag zur besserung des
in dieser ausgäbe versäumten zu geben, lasse ieh eine collation
der in der jenaischen handschrift erhaltenen Strophen folgen,
halte mich jedoch dabei innerhalb der schranken, welche sich
der herausgeber in nachahmung v. d. Hagens seinerzeit selbst
gesteckt hat, d. h. orthographische und dialectische abweichun-
gen gebe ich im allgemeinen nur da, wo direct eine als hand-
schriftlich angegebene form im Z.schen apparate von der Schrei-
bung von J abweicht^); sonst verzeichne ich meist nur solche
abweichungen vom texte, welche mindestens in metrischer be-
ziehung auf die textconstitution von einfluss sind , d. h. min-
destens eine silbe mehr oder weniger enthalten als Z.s text.
Den benutzer von Zingerles apparat muss ich aber vorher
noch darauf warnend hinweisen, dass, den dringendsten notfall
abgerechnet, alle im apparat angeführten worte einzeln zu
nehmen sind. Wenn es also z. b. zu IV, 25 Ir lobt gar im
apparat heisst ^ lohet gar fehlt J ' (ohne grösseres spatium zwi-
schen den beiden werten), so lasse man sich nicht verleiten
an ein fehlen von lohet zu denken; nur gar fehlt, und lohet
ist wegen seines plus -e angeführt. Dass mau in vielen fällen
hierbei trotz aller vorsieht im dunkel bleibt und deshalb auf
die älteren drucke recurrieren muss, ist nicht zu verwundern,
aber nun einmal nicht mehr zu ändern.
I, 33 und\ mid und so immer mit anlautendem v (yh, vnde)
J, das im wortanfang überhaupt nur v schreibt; diese (und
0 Dass die anzahl der hier notwendigen correcturen eine ziemlich
bedeutende ist, erklärt sich aus der eigentümlichen Vorstellung, welche
sich Z. über das Verhältnis der texte H.s zu den hss., hier also speciell
auch zu J, gemacht zu haben scheint. Wenn er viele Varianten vou J
statt in ihrer handschriftlichen gestalt vielmehr 'in der gibt, welche sie
bei H. im texte haben, so ist das zwar in vielen fällen durch den mangel
einer neuen collation erklärlich ; wenn darunter aber auch solche dinge
wie krvam statt quam angemerkt werden , das wie jeder weiss nur der
Il.schen textnormalisierung angehört, handschriftlich aber eben so
wenig in J vorkommt wie solche aus H.8 text eingeschleppte umlauts-
formen wie hoeren etc., so muss man notwendig annehmen, der heraus-
geber habe es abermals versäumt, sich zur richtigen zeit durch eine ver-
gleichung der nachbildungen mit den singweisen in HMS IV, sowie des
Myllerschen abdruckes über die Umgestaltungen der handschriftlichen
Orthographie von J zu orientieren, welche H. durchgehends vorgenom-
men hat.
542 SIEVERS
{lueli die iiilauteuden) v fllr u merke ich weiterhin nicht an,
ebenso nicht die zahlreichen abweichungeu von wid, dessen
g-e/vvnlinlichöte form vnde ist. i55 vm alle dinc. 39 vär brauchte
nicht anp:emerkt zu werden; es ist die einzige form, welche J
für mhd. inlr und vor icehraucht. 67 vnde vlüchen ohne in J;
Z.s Variante ist niisverständlich. 69 i;ör| by, wol] ho, 71 aiso
(wird sonst von Z. bemerkt). 72 yn doch nemofi kaiu 73 He-
schelten, das // blau (es liegt ein versehen des rubricatorB vor,
das H gebührte erst dem Her von v. 75). 76 geviunynmt vnde
immer en. W so er lest er liehen, 98 der mtfchtez, 104 s6 fehlt
(ist bei Z. unverständlich). 107 tzv^ und so immer. 112 wJr
Cdrnckfehler). kehi (ivhel (desgl.). 120 nemene (bei Z. doppel-
angäbe nemende und nemene). 122 hymele. 124 daz ist. 127
streiche die worte 7ieman den, die aus der Variante zu 128
hierher geraten sind. 142 ez] daz. 143 daz] syn, 148 kegen
und so inmier. 151 deme. do ne, 157 myt eren vnde myt,
lb9 hette. kegeiu 191 hette got vil woL
II , I Tzvnde, 2 gesender, 4 spe \ besieh. 8 vntzvndeL
17 erenschuwe diz merke. 20 machet. 25 d}f aller guten tat
viir kivs, 21 dienebloz (7j, misverstandlich). 43 kvnific und so
immer; desgl. kvninges etc. oder kvnynges etc.; wird nicht
weiter berücksichtigt, wo nicht Z. direct falscheR gibt 49
Salat yn. 50 haldachone, 53 geb. 55 tvord. 56 da. 59 gyn.
64 /zy**. 72 so] io. 74 viirtragen. 76 tilge das erste /r scande,
1. vn^/e a/ /r ere. 91 rf/^ übergeschrieben, r/cÄ? wol corrigicrt
aus riche. 92 gar übergeschrieben. 96 mv'^tnnUefi. 98 der\
her. 101 ,9flr^e w^re*. 111 syme.
V\\ 1 to///. 2 maniye. 3 /e fehlt (Z. mis verständlich). 5
VWd. v/i/Ze sine werc vnde sine wort. 1 1 schelten (sonst wird das
fehlen des / der 3. pl. praes. ind. augemerkt, obwol dies f&r
J ül)erhaupt die rege! ist). 13 meyne. IS were du (Z. misver-
ständlich). 21 wunder wunder (bei Z. steht aussenlem durch
druck fehler Tl statt 21). "l'l vnde irbuwet. manige. 25 kvninc.
26 wvrlt und so immer; i>ei Z. nur teilweise angegeben (wird
nicht weiter berücksichtigt). 27 in fehlt. 29 werlt. bescichi,
30 hymele. 33 hymel. 34 alsiilher. 37 Genifge livte sprechen
auf rasur. 3^ werlde und so immer (wird nicht weiter berttek-
sichtigt, wo nicht Z. direct falsches angiiit). doch\ noch. 40
nymmer keyne. 42 ane beidemal. I. 'fehlen * (es steht also wirk*
zu FRIEDRICH VON SONNENBURG. 543
lioh kvHe werme rverme vnde ir labe, 45 iz^ der rverlde, 47
m] an. 59 sfile: , n ausradiert. 60 syn, 62 a//er engele (der
fehlt, bei Z. niisverstflndlich). 69 trtzalt 73 vn. 74 {/yw. 77
miizelUcher, 82 dt/7ier, 83 t^w«?e ä<w ^/>. gehohet. hymelen. 89
a//^. 90 brachte, 93 vreude, 9S geweset e\ 100 /zv**. 102
iscbliesßt Äer //^t// ^ö^e m ^mer gotheit was (bei Z. misver-
ständlich). 104 ho, 105 my^. 106 geeret vnde geseizet ho
vber alle syne, 110 hoeste (d. h. hdeste, dreisilbig). 111 vn
vnder, ?7i</^r auf rnsur. 113 :ovch, w ausradiei*!. 115 aldo] do.
ze] tzv*^ eyn\ 117 vmine hegrifen, J^ ausgestrichen. \\% aleyne.
vüller. 119 syn. 120 tugent, kristeiiheyt, 121 worL kegen,
122 ^?i &?^r/] die bort. \T1 dyne, \1% kviüngin, W^ vrloüben,
vr auf rasur. 148 ja büezent'] io bosent. 149 wen, 150 wib,
152 Äo/jf 7nynneii^ das ä^ auch noch durchstrichen. 154 kref-
tich. 156 ^we« ich iaht lobete. 158 w/cÄ< wil. 164 kegen,
166 wew. 168 vürlorn. 169 werlde. 170 tf/e vursten. 175
lautet also ^ö^ t;n ^«We kvnste nicht negan, 180 nymmer. 190
a?Mihergeschrieben. 193 5cÄöne. \91 maniger. 2()2vuze. 203
/zi;*^ ^". 208 j/;/im'. 210 Äöre. 211 t;". 216 ^n iamerlichez,
218 tzierenl, eynen, 220 werlde. werdicheit, 222 twrfe tf^
riehen. 225 /m] m. 228 wynnent. 230 ^/«w. Äor^. manigen,
23 1 w;^re. 236 r//ww^r. 237. 238 /lir] v?/r beidemal, wie über-
haupt stets. 239 md, werlde. 242 wirdichliche. 243 worde.
249 5/?i^n ^ö^e/i tzv^berwin. 251 kegen. 253 werlde, 254 ^rwöz]
^02:/ ^ auf rasui'. 258 ww. 265 ^yne* kvninges, manigen,
111 horte. 282 were dv kvnync. quam, hohen. 290 divtschen.
wyden. 293 a//^ beidemal. 297 «//m /zy** herren ymmer. 303
Ä' übergcschriel)en. 311 ze einem] vns tztf eynem, 324 secht
so, ymmer. 325 vreuwet, 330 geeret. 331 werlde, 334 ^?-
w^ere (Z. misverständlich). 335 rfaz tibergeschrieben. 342 ^zv®.
343 iu] vch. 346 tzwyer, 347 t;n maze. 349 ^^e; ir^e steht
eist von 351 an. 362 werdichliche. 367 iu] vch. 369 tzv^
(f. 68^») 7/öre^ 371 menye. sunder, 378 5/ Ä/*] ,v/e o/". 385
vfdlestu, 395 öz/cä übergeschrieben. 397 ^i/n. 407 werlde,
40S lazent. 4\2 volzieret] wo/ /z/ere/ (Z. misverständlich). 416
quam, 417 genaden. 419 hie vür vür. 433 tzeyme. 435 ^ö//e.
43s /rtj*» et/we. 441 wen. 442 /zw;/. 443 rife. 445 stindich-
lichez. 448 ^f/w. 453 ruoches du. wynt, t auf rasur für we/.
454 bri7it \ netj net durchstrichen und dfiflir / am Schlüsse der
544 SIEVERS
vorliergeliendeii zeile Daclig:etrageD. 456 tivhels, 461 werben.
41)2 tztf vnrechte, 463 gldicheii. 466 caie keyser. 467 eynen
beidemal. 468 nymtner, 469 vniruwe immer. 470 ie und ie\
e. vn e*\ All izlich. 478 manige, 480 nymmer werdet, 481
tvmme vrye. 489 loben. 497 nemen in kerken, 502 tz^. 503
dytie alemose.
Anhan,ii: IV, 5 a — e. 6 schone, 9 tete, 11 eyme engele.
13 garte, 14 /o;"^; zwischen dem o und fe war erst ein grosses
V übergeschrieben, dieses ist aber ausradiert und durch ein
kleineres ersetzt. 16 hymelriche, 36 oiLch, 50 myt, 53 hymele,
IV, IIa. b da: (n ausradiert) übergeschrieben, zini] tztf
yme, 5 schänden, dir fehlt. 6 deyi hosen, tztfn besten, 9
prube, 10 Ey biderber, 11 du übergeschrieben.
IV, 34 a. 12 hymele,
IV, 42 a. 2 nem^. 3 hispil, 11 /ez^/. 12 reyne,
JENA, 4. august 1878. E. SIEVERS.
MHD. SELPWEGE.
JJie vei-teidiger der ansieht, dass der Erec nach der
teilnähme Hai-tmanns an einem kreuzzuge gedichtet sei, beru-
fen sich unter andern argumenten auch auf die bekannte er-
zählung von der selpwege im ersten büchlein 352 ff., das nach
allgemeiner annähme nach dem Erec entstanden sein soll:
rehte als des meres flnot;
b6 daz der ober wlnt verlät
nnd ez mit ganzen ruowen stut
und dar üf guot ze wesen ist,
SU knmet ez Ithte in kurzer vrist
daz sich beweget der grünt
(daz ist allen den wol kunt
die da mite gewesen sint)
nnd hebet sieb üf von gründe ein wint:
daz heizent si selpwege
nnd machet gröze iindeslege
und hat vil manne den tot gegeben
ze boe.sem wehsei für daz leben
und vil manegen vesten kiel
versenket in des meres giel.
MHD. SELPWEGE. 545
Nun ist schou mehrfach richtig bemerkt worden (von Schreyer,
Leben Hartmanns s. 14, E. Naumann, Zs. f. d. alt. XXII, 51),
dass diese worte durchaus nicht für autopsie si)rechen. Es
ist ja doch schon von sprachlicher seite natürlicher, die die da
mite gewesen sint als gcwährsleute, denn als versteckte bezeich-
nung der eigenen person des dichters zu fassen, ganz abge-
sehen von der absurdität, die wir llartmann aufbürden wür-
den, wenn wir ihm zumuteten, dass er ein solches mürchen
als eigenes erlebnis vorgetragen habe. Wenn nun aber
Schreyer a. a. 0. fortfährt, die erzählung schmecke nach über-
triebenen und fabelhaften berichten heimkehrender kreuzfahrcr,
so scheint damit die eigentliche quelle der sage nicht getroffen
zu sein. Diese hat vielmehr wie es scheint schon längst im
abendlande bestanden, ehe jemand an kreuzzüge dachte.
Alle diejenigen, welche unsere stelle bisher besprochen
haben, haben, soweit ich sehe, unberücksichtigt gelassen, dass
das wort selpwege bereits ahd. zweimal belegt ist (Graff 1,
660). Der eine beleg aque motum sjlpuufgk (d. h. selpiiuegi)
stammt aus den Xanthener bibelglossen (Mone, Quellen und
forschungen I, 279 h) und gehört zu Job. 5, 3, d. h. der er-
zählung yon der wunderbaren bewegung des wassers im teiche
Bethcsda. Wichtiger ist die zweite stelle, aus den Mainzer
glossen, Diut. II, 284: terram gennesar greco uocabulo quasi
generans sibi anram selbuuegi. Die glosse gehört zu Matth. 14,
34, d. h. dem Schlüsse der erzählung vom wandeln Christi und
Petri auf dem stürmisch erregten meere. Die erklärung des
Wortes gennesar mag der glossator wol zunächst aus Isidors
Orig. XIII, 19, 6 geschöpft haben, welcher berichtet: Genesar
lacus ainplissimiLS , . . crispantibus aquis, auram non ventis
sed ipso sibimet excreans. Unde et Genesar dicitur graeco voca-
bido quasi generans sibi auram: denique per diß'usiora spacia
lacus frequentibus auris spiranlibus agitatur. Der Urheber dieser
hier so widerspruchsvollen erklärung ist aber weiter rückwärts
zu suchen; wie schon Huet, Notae in Origenem (Rothom. 1668
= Colon. 1685) p. 34 bemerkt (widerholt von Delarue, Orig.
(Paris 1740) III, 483 und von Vallarsi zu Hieron. VII, 109
anm. a., ed. Venet. 1769), ist es der Pseudohegesippus. Bei
Josephus (de hello Jud. III, 10, 7, cd. J. Bckker V, p. 280 f.)
ist natürlich von ihr noch keine rede, da sie einen lateiner
Uoitrüge zur gesuhichte der üeutaoheu hpraohe. V. 35
546 SIEVERS
als erfinder voraussetzt: tj öh Xlfivtj FswijöäQ fikp axo r^
jtQooexovg X^Q^^ xakstrai . . . yXvxsla rs ofia^q h6x\ xal
jroTifKDTOTr), . . . jcorafiov (isv ?} xQijvfjg jrQoöfjvsöriQa, fl>vxQO'
riga 6* ?} xarä Xlnv7]q öicqyCiv ael (livovöa. In der lateiuischen
bearbeitung des Heges. III, 26 (ed. Weber) finden wir die stelle
so erweitert : Namque locus ipsiiis . . . crlspaniibus aquis auram
de se ipso sibi excitans. Uixde et Genesar dicitur graeco voca-
hulo quasi generans sibi auram, aquae dulcis et ad potandum
hdbilis . . . Et temperatior est fluviali aut fontis rigare, frigidior
tarnen placidae paludis aequore eo ipso quod non stagni more
sierniiur aqua, sed per diffusiora spatia lacus frequentibus auris
spirantibus agitatur.
Die stelle hat dann weiter ihren weg durch die süttel-
alterliehe commentarliteratur gemacht. Mit einigen abändenm-
gen und Umstellungen ist sie abgeschrieben von Beda zu Luc
5, 1 (ed. Colon. 1688, V, 270), aus diesem von Hraban zu
Matth. 14, 34 (ed. Colon. 1626, V, 92 b), dem sie dann wider
Thomas von Aquino (Opus aureum super quatuor evangelia^
Yenet. 1506, fol. 62 d) entlieh. Nicht minder bemerkt Pascha-
sius Radbert zur angeführten Matthäusstelle: et dicitur Genesch
reth quod ipse sibi generat auras (Opera ed. Sirmond, Paris.
1618 p. 632) und die glossa interlinearis des Anselmus Lau-
dunensis: Genesar generans auram ex crispantibus undis, und
wahrscheinlich wird sich bei weiterer umschau noch ein häu-
figeres vorkommen dieser stelle im kreise der eigentlichen
kirchenschriftsteller ergeben. Dagegen habe ich nur bei einem
der mir zugänglichen mittelalterlichen orientfahrer eine ein-
schlagende notiz gefunden. Jacobus de Vitriaco (gest. 1240)
berichtet nämlich in seiner Historia Hierosolymitana bei Bon-
garsius, Gesta Dei per Francos, Hanov. 1611, p. 1075 (citiort
bei Robinson, Palaestina, Halle 1842, III, 2, 572): Dicitur
praeter ea quandoque stagnum Genesar eth, quod tnierpretatur
auram generans eo quod ex foniibus montium circumstantium
frequenter ventum colUgit validum, ex quo facta m stagno per-
turbatione et invalescente tempestate undis fluctuantibus naviculae
plerwnque submergwitur. Wie man sieht, haben wir hier auch
nur wider eine Umgestaltung unserer alten stelle, die noch
dazu in einer weise geschehen ist, dass die alte wunderbare
erkläruug des generare auras kaum noch erkenntlich durch-
MHD. SELPWEGE. 547
schimmert. Die gesammte Überlieferung über die wunderbaren
stürme auf dem tiberischen meere trägt somit occidentalisches
gepräge.
Aber was hat alles dieses mit Hartmanns büchlein zu
tun? Ich meine einfach dies. Wenn wir in Deutschland be-
reits im 9. oder 10. jahrh. nach aus weis der glossenbelege
dasselbe technische wort flir die eigentümliche von Hartmann
geschilderte meeresbewegung antreffen und dieses wort an
einer stelle wenigstens mit jener hegesippischen deutung des
namens Genezareth in Verbindung gesetzt sehen, so dürfen wir
daraus unbedenklich schliessen, dass bereits damals volkstüm-
liche sagen über derlei naturereignisse in Deutschland existier-
ten; und es liegt weiterhin nicht allzu fem anzunehmen, dass
jener weitverbreitete bericht des Hegesippus in letzter Instanz
den anstoss zu der betreffenden sagenbildung gegeben habe.
Zu einer Zeitbestimmung irgend welcher art kann demnach
Hartmanns selprvege nicht verwant werden.
JENA, 16. sept 1878. E. SIEVEBS.
35*
DEll SKLE CRANZ.
Swer sich zu gote wil kercn,
einen list wil ich in leren,
wi er s!n dinc suUe ane van,
daz her gotis hulde muge hän:
5 \vi er daz sulle beginne,
daz her daz himelrlche gewinne.
Der erste unt der beste rät,
den man an der schrift hat,
der ist gchcizen also:
10 vcra cordis contricio.
daz sal man also verstän:
man sal ganzce rfiwe hän
unde bitterliche smerzcen
tragen in dcme herzcen
15 umb die sunde unt umb die missetät,
die der lip begangen hat.
JJ eh er Schriften: Ditz bvchel heizet der tvget kratz Daz machvns ander
sele glantz {rot) D, Der krantz der gütlicher lieffden C, 1—4 fehlen C.
I . 2. IS wer zv gut sich kereu wil Einen list ich in leren wil B, 2. Eine A.
3. dinc sin mit den getvöhnlicken zeichen der Umstellung A, an Ä 4. er
daz hiiiielrich B. 5. G fehlen B. liier beginnet der kränz der minnen
wie man dat hemelrich sal -gewinnen C. 7. Kein ahsatz ABC, und euch
der lestc C, Den ersten uö den l)esten r. A. s. inder B, Ala men in
der heiigen s. li. C. 9. Der fehlt C, 11. sol B, 12. ganzen rawen ۥ
Daz man gantze riwe so han B, 13. Vnd bitter C, bitterlichen B,
II. fc^al men dra^. C. dem BC. 15. Vmbe B, die swaren sundcn C. nfi
A, vnde B, und 6'. umb die fehlt BC. lü. lip] miusche C.
^
MILCHSACK — DER SÄLE CRANZ. 549
swenne s6 daz ist gesch^D,
so sal man der sunde voijSn:
mit weinen unt mit grözer clage
20 sal man sie deme prlstere sage:
herzce unt ougen suUen weinen.
sus sal sich der mensche reinen.
dar nach sal die büze gän.
die sal man vröllchen entfän
25 unt sal sie tragen an die zeit,
daz der mensche tot 11t.
wirt her an der büze vunden,
wol in der lieben stunden,
daz in sin müter ie getrüc;
30 got gibt imo aller wunne gnüc,
der sin herzce kiesen wil
beide äne ende unt äne zcil.
swer zu der vroude wirt erkorn:
wol ime, daz er ie wart gebom.
35 Wilch dise büze sulle sin,
daz wlset uns diz büchelln.
die ougen sullen vllzen
unde heize trcne glzen
unt gote innecUchen clagen,
17. Wenne A^ Wanne C. so fehlt C. geschehen B, also geschein
C. 18. So svile wir ß, der sunden v'iehen i?, die sunden verghein 6'.
19. schreien C. groizen C, fehlt A, ciagß BC. 20. Sei B. si B,
fehlt C. dem B, den C. prister B, preistor C. sagen BC. 22. Also B,
Alsus C. sich fehlt C\ rainsch C. von (syn) sundö reynö AC,
2:\. crgan B. D. n. s. men zo der bicht gain C. 24. vrolich B, Und
vur die sunden penitentie entfain C. 25. sal sie fehlt C. biz an
BC\ 2G. Biz daz A. Als he den doit leit C. 27. Un wirt A. in peni-
tencie C. erfvnden B, gefunden C. 28. So wol A. im zv den st. By im
dan der vroelicher st. C. 29. ym C. 30. im BC. allerj dan C, vrevden
BC. 31— :U fehlen C. 32. Ane zal vnd B. 33. Wer ^Ä den
vrevden B. 34. im ß, 35. Kein absatz BC. Welch (sonst stets wilch)
A. Wie aver die penitentie sal sin 6', Wie aber die sei gestalt B. 30.
boechelgin 6'. Daz svlt ir prvfen manicvalt ß. 37. sleissen C. 3«. Und
daz herze Bj Und van C. tränen C. giezen BC. 39. got B. myn-
neclichen Af innenklichen B, innichlichen C,
550 MILCHSAGK
40 daz die sele in sunden I!t erslagen.
weinen ist so ein gut dinc,
daz Jhesum, der meide kint,
niemant so wol erbiten mac,
so der da weinet nacht unt tae.
45 an deme bftche geschreben ist
von unseme herren JhSsd Grist^
daz s!n reiner kftseher munt
gelachte nie zu keiner stunt
wir vinden euch geschriben^ daz
50 sine ougen worden dicke naz
unt sin vil schönen wangen
niit heizen treuen bevangen.
6wt unde owS
unde owe, hüte unt iemer m6!
55 wilch rät wirt unser danne,
daz wir s6 gerne zäune
unde also gerne lachen
unt deme tüvele vroude machen?
der vil süze geweinete trän
1)0 der get vor Jhesum Gristum stän
unde vei-süuet den sunder
vor deme zornigen richten
daz tut aliiz des sunders tr&n:
so wol ime, der in mac gehän.
40. die] sin B, in don sund. ^^. mit sunden si gesl. C. 41. Want
w. 6'. Bd fehlt BC\ svze dinch By soez dink C. 42. leBom christvm B,
Diit Jesus Cliristus Marien k. C. 4'\, Nieman B, Ghein man C. gebidden
C, 4 1. da fehlt B. schriet C, unde A, vD B, und C, 45. In den boichen
C. In der schrift mau list B. 46. unserm B, ansen C, ihesvm B, 47.
reine wäre mont C. 4S. Nie gelachte By Nie anlachten C. cheiner
Aj einiger C. 49. 50 fehlen C. 50. Daz sin o. wurden nai B, 51. sine
A. vil schonen] minnenclichen B, sueze C. 52. heizen fehlt C. trehen
B, trauen 6'. vmbe vangen By al umbhangen C, 53—108 fehlen C. 53.
Owe vnd o. B, 54. Wafen geschreit sei immer me B, 55. Welch r. sol
u. werden daunc B, 56. zäunen AB, 57. Vnd — gern B. 68. Uli Ä^
Vndo B, dem tevfel B, 59. vilj klare B, geweinte (ge ist van
alter hand ühergeschriehen) B, 61 fehlt B. 62. Zv dem Eomigem ge-
richte vfi fvrchtet sich vor nihte B, 63. Ditz tvn aliez d. 8. trelieii B.
64. Su fehlt B. ime A, in] dich B. gehän] sehen B.
DER S&LE CRANZ. 551
65 unde 6w6 herre Jh6sft Grist,
daz mir der trän so solsen ist:
daz st dir herre got geclait
unde Marien, der kuschen mait
yil sundigen ougen mtn,
70 wt lange wolt ir trocken sin?
ir beitit al zu lange.
begtzet mir die wange.
von weinen sult ir wesen rot;
die sele Itt in sunden tot.
75 swer sus kan gebären,
der sele s6 wol mite gevaren,
daz ist der bfizen eine,
die dl sele machit reine.
Die andere bftze ist so gestalt,
80 daz du tegellch gedenken salt
an die marter unt an die not
unde an den jemerllchen tot
unde an die grözen arbeit,
dl her durch dtnen willen leit.
85 dlne sundo wolde her tragen,
do her an daz crfizce wart geslagen.
dar an stfint her nackit unde blöz:
daz blüt von slner slten vlöz,
von vüzen unt von henden
90 üf die erde allen enden;
sin Itp was allenthalben wunt,
euch was sin rösen röter munt
65. Eya svze B. herre fehlt B, 66. daz weinen B, so fehlt B.
seltzen B, 67. 68. D. sei d. svzes kint gekleit vnd dir mvter reine
meit Marien der kvnegin aller sünder ein trösterin B, 70. weit B,
trvcken B. 71. alze B, langen Ä, 72. wangen A, 73. werden
B. 74. die leit B. in den ß. AB, 75. 76 feh'en B, 77. bvze B.
79. ander B. 80. teglich B. 82. bitterlichen B. 84. her got B.
85. wolt er B, 86. Da AB, er wart an d. c. g. B, 87. hiench er B,
88. sinen B, Oo. erden B. 91. wart allen enden A. 92. wart B.
rosen varber B.
552 MILCHSACK
beide varwelös unt blech:
(laz houbit ime üf die erden w6ch.
95 ezic wart ime geschenket,
mit gallen wart he getrenket:
an allen leden glich
wart her gemartert durch dich.
daz tet her alliz umbe daz,
100 daz du dine sunde deste baz
woldest keren an sine ere.
Maria, kuneginne hgre,
wie was deme herzcen dln,
do dfi dln libez kindelln,
105 unsen herren Jhcsum Cristum,
dinen eingoborncn sun,
an deme crüczo sehe hangen
mit blute gar bevangen?
vil reine kuneginne,
110 wilch wären dlne sinne
in deme gr5zen herzceleide
unt in des jamers ougen weide?
kh spreche daz mit wärheit,
daz nie möter geleit
115 also groze smerzc^n
an Ilbe noeli an herze<3n,
also du tetc an den stunden
unib diiies üben kindes wunden.
icli vil sundiger mensche, waz sal ich?
{)X ]>eiile fc'/fit /?. undo AB. bleich : weich B, 94. Sin houbt im
ut' »in nclisel w. B. 9i>. er />. 97. Helen pelich B. «9. allez dvch das
B, too. (liiie t«uiHle| in B. doster B. tot. Soldes halden vnde keren
an »in lup vnd an sin eren B. t02. X M. svze kvnegin Sag mir wie w.
dem h. d. />. tot. Du A. lol. t()5. Da du ihesmu xpm. 106. einen geb. ^.
Den lielten dinen einen sun B. 107. dem i9. sehest^. ]{)\} -\\2 fehlen
B. 109. O edel koeninjcinne 6'. 1 10. Wat deden C. 1 1 1 . dem gr. bitteren
lyde ('. 112. der iemerlichon (jamerlicher C) AC. 113. sprechen C. mit der
C, ))i der />. 111. nie kein B. dar enicit C. 115. 110 sind m C umge-
stellt. tir>. AI äulehen C. ^rozeu B, smerzcc : hcrcze A, am — am C*
117. AUoe C, Als B, dedest C. an] zv B. IIb. Umbe AB. 119. fehU
B, vil fehlt C. sündige 6'. mensche fehlt C,
DER SÄLE CRANZ. 553
120 war sal ich vorbergen mich
an deme tage, so JhSsus Crist
an daz uii;eil zu kunftic ist
unde her urteil wil geben
über mtnen 11p unt min leben?
125 so lezt her mich stn wunden sen.
eiä, waz sal ich denne jen?
waz mac ich sprechen zfi der zit,
s6 iz vor mir geschriben Ut,
daz ich sunder habe getan?
130 vor deme tage müz ich angest hän.
swer dise wort unt diso dinc,
die hie nü geschriben sint,
dicke in dem munde treit
und in slme herzen uberleit,
135 daz ist der seien groz heil
unt löschet sunden ein teil.
120. Wasol^. verbergende. 121—122. Als got an daz ge-
rillte sich wil mit sinen heiligen kvmen als ich han ander schrift
v'nvme B. 121—124. In dem dage Jeans Christus unse here dan mit
groizer maiestait und ere wirt komen zo ordelon over min lif nnd
over alle man nnd wif und heischet rede van unser dait so wie sich
der ergangen halt ein iglich vur dat sin alein he si daegroiz of dein
he si arm of rieh dat ordel galt dair gelich C. 122. künftic-*^. 123.
Ynd u. wirt gegeben B, 124. min B. vfi vber min B, 125. 126 fehlen
B, 125. AI dae C, laizt C, lezet A, uns C. sine A. 126. waz A, 0
WC wes suUen wir dan beghein C. 127. mac] sei B, ander zit B, 128.
Wen B. iz alliz A, 127. 28. Alsoe vur uns stait geschreven die
SUD de die wir begangen haint mit haut und monde C. 129. D. i. ze
svndcn ie gctet B^ Und wie sie sint gedain C. 130. Vur den dage
aullen wir sorch hain 6', Mich enhelfe denne din gebet Svxe kvneginno
So sol ich vbel gedingene So bin ich vMorn immer mer Gonade svze
iiiaget her ^. 131—136 fehlen A. 131. 2. Soe wer dese dink und dese
wort die ir hie vur hain gehoirt C. 131. dincli vint B, 133. Ducke C.
dem] sinem B. 134. wail overlecht C. Vnde si in sin herze leit B.
135. Daz ist dir ein michel heil B, 136. Vnde lest/;, der sund. C, ein
michel t. B.
NOcli sintovch ander gvte werk, 5 Swen si von dem übe scheidet
Da mit man zv himel vert. vnd des letsten vrteils bcitet.
Die sele wol ovch singen mak Daz ist zvht vnde kevscheit
Swenne so kvmet der letzte tack vnde des libes reinikeit:
554
MILCHSACK
Switch mensche sich wü l&ze
üf die himelischen str&ze,
der yindet b! deme wege stän
140 edele blfimen wol getan,
die ime den wec gebreiten
unde in wol geleiten,
ir smac der ist so gut,
daz her Jhesft Gristö samfte tdt
145 swer einen crancz bricht
von den blfimen unde vlicht
unt in vor JhSsum bringet,
eiä, wie wol deme gelinget
die blfimen, die man da siht,
150 die wahsen in dem himel niht,
tdoch sint st da harte wert,
want man ir da sere gert.
swer fif den wec zu himelrlch
kumen wil, der vllze sich.
Daz ist der reine magetym,
10 an hühvart vnd ane rvm.
Swen wo die zwei volgen nach,
Dazistdersele ein michel schach.
Beten, vasten, wachen,
Daz tvt die heiligen engel lache
15 Yü twinget si dar zv,
Daz si spat vü frü
vmbe den menschen mvzen varn,
Daz si liep vnde sele bewam.
Swer gerne höret gotes wort
20 Da von wirt er dvrch bort,
Daz er die kevsheit enphet,
Die vor gotes antivtze get
Daz ist daz vrone himelrlch
Do (l daz) geit got einem ietslich,
25 Der gerne höret von got ssgen
vndiz in sinem herzen wil trage. ^.
137. kein ahsatz C, Wilch AC, WElch B. minsch sich na C.
lazen BC. KiS. Hin vf B, himelische A, rechten hemelschen Cy himel
B. strazen BC, 139. dem BC. 140. Zwelf ^, Menich edel C. bloem-
gin 6\ 141. im B, eme einen sachten wech C, bespreiten BC. 142.
Vnd senften wck (einen soe/.en gank C) bereiten BC. 143. 4. Ir
smach und roich is wunnenclich dat gelust gode van hemelrich C.
1 15— US fehlen C. 145. kränz da von dringet B. 146 fehUB. 147. inj
den B. ihm xpm B. 148. Der sol im wiliekomen sin vnde der Üben
mvtcr sin Marien der himel kvnegin vnd allen sinen engelin vli heiligl
B. 140—152 fehlen A. 149. da entsprlgen siht B^ heir snicht C. 150.
Si cnwassen im hemelrich nicht C. 151. do ^. Dair sint si wert C.
152. Wen B. si ser begert C. 153. 4. Dar vmbe so vleize sich Ein
ictslich vf den weck zv himelrlch B^ Soe vlize sich dairzo ein iglioh
der dair begert den wech zom hemelrich C. 153. Wer A.
DER s£lE GRANZ. 555
155 daz her dt blümen breche
unt sich da mite besteche
unt mache d& von einen krancz,
den her trage an der engel tancz,
so sint sie ime alle dinsthaft
160 durch der edelen blftmen craft
unde durch ire wirdekeit:
wol ime, der in da treu
Disse blümen wil ich ü nenne,
daz ir sie moget erkenne.
165 ein Küschcr lip mit demfttikeit,
daz ist ein blftme so gemeit,
die harte werdis lobis ist
vor unsen herren Jhesü Crist
unt vor der süzen kunegin
170 Marien, der müter stn —
daz wizzet endellche —
zu vorderst in himelrlche.
Noch stSt ein edele bläme da,
die heizet obedienciä.
175 Gehorsam heizt daz blfimelln,
155. dese soeze blomen C. Da er d. bl. br. vn allez leit im da yon
ze breche B, 156. sich selves dair mit C. bestecke vfi sine sele er
wecke B, 157. dair C, 158. engele Äj megede C, 159. im aber alle
(alle ist übergeschrieben) B^ im al C 160. AI durch die C, 161. Vn
B, Und C. ire] des kranzes BC. 162. Wol im B, Wail dem C.
d. desen kränz dreit C da uflfe A. 163. Dje B, Nu wil ich uch
dese bloemen C, nennen BC, 164. Up dat C, mvget B^ recht leren
C, erkennen B^ kennen C, 165. Ein kuscher munt Äy Eine
heizet lop By Kuische liefde C. mit] und C. demuticheit Äy Die-
mvtikeit By oitmocdicheit C. 166. sd gemeitj daz si evch geseit B.
Dese blomen sint angeseit C, 167—172 fehlen C* 167. here werdis A,
harte grozez B. 168. ihih A, In der kamer ihfi k. B, 169. vor fehlt B.
170. Sente marien B. 171. 2. Die blvme ist so schone In dem himel-
riche vroue B, 173. ^ein absatz AC. Noch soe steit C, edeie fehU
BC, aldae C. 174. Und heyscht C. 175. Gehorsam heizet By Gehor-
samekeit heizit Äy Dat is gehoirsamheit heyscht C. bloemgin (7,
556 MILCHSACK
iz müz euch an deme krancze sin.
sin ruch der ist so süzUch,
iz gelüstet got von himelrlch.
Zwü bifimen ir noch merkdii sult:
180 EiNVALDiKEiT unde Gedult.
sie sint mit den krenksten niet;
got sie selber gerne siet
vor sime antlitze stän.
man mfiz sie an deme kränze hän.
185 Ein edel blüme noch da st6t,
die heizet Barmherzik^.t,
ir gespil stet dar bie:
ich wene ez Miltikkit sie.
läzet sie ü nicht vorsmän,
190 got wil sie mit den besten hän.
So man beginnet vorbaz gän
zwü blümen vindet man da stän:
KastIgen unde Mazk:
man sal sie nicht da läze.
170. Daz B, Si 6'. ouch fehlt B. dem BC, kränz C. 177. 78. Si
gift vur godc liebten gelanz nnd ziret wail der megede kränz C, 177.
Ir ruch A, Siu sniiick B. 178. Daz sin gel. B. 179. Kein äbsaiz
AC. Noch zwei bloirogin ir mirken s. C 1^0. Dat is einveldicheit C
ufi AB, und goit 6\ Darauf folgen noch: Daz sint zwu edele blv-
men Si smeckoii vns an dem gvmen B. 181. ensint C» bi den C,
beide die B. krcnkisten B, krenken C. 182. Got selbe si vil gerne siht
B^ Als dat got 81 gerne van herzen sieht C, 183. sinem B^ einen C.
antivtze B^ angesichtc C. Is4. an] ouch zo C. dem BC. kränz C. 185.
Kein absatz AC, Ein vrisehe bloeme noch dair steit C, Ein ander bl.
stet do uoeli gemeit B, isG. Und heyscht die C, barmeherzekeit A^
barnihcrzikeit BC. 1S7. da B, nae dair C. bi ABC. 188. meine C.
daz ez B, dat it die C. demuticheit A. si BC. 189—192 fehlen C.
1S9. Nu lazot B. vch A, evch B. v'smähen (hen ist durchstrichen)
B. 190. den werdestcn B. 191. Kein absatz AB. gdn:8t6n ß. 193.
Absatz B. Kastigvnge B, Castigeren C. vD B, zo C m&zen B^
malzen C. 194. M. sol si doch niht lazen By Sal men niet hinder
laizeu 6'.
DER SÄLE CRANZ. 557
195 sie sint ouch an deme kränze gut,
ob in der mensche rechte tut
Noch ist der krancz nicht volbracht.
süze Gebet unt reine Andacht,
daz sint zwfi edele blfimen,
200 die da wol smecken an deme »^fimen;
so man si leget in den munt,
die sele wirt da von gesunt.
Eine schone blüme stßt noch doi-t,
die heizt Hör gerne gotes wort.
205 sie gibt vor gote lichten glänz
unt zlret wol der cngel tancz.
wir suln sl an der sträzen
zu himele nicht läzen.
Noch sint zwü blümen wol gestalt,
210 die bie den besten sint gezalt.
von einer lese wir also,
die heizet Mansuetüdö,
die andere Taciturnitas,
die gote in deme munde was.
215 die eine heizet Senftikeit,
die ander heizet Stillekeit.
195. Sie is C, ouch fehlt B, zv dem By kränz C, 196.
Als 6'. im BC. minsch recht C. 197—218 folgen in C nach 219—
228. 197. Kein absaiz AC. Dese kränz en is noch neit C, vollen
braht BC\ 198. Innich C. rein C. 199. 200 fehlen C. 200. Si sm. vns
an dem B. 201. 202 fehlen A. Wer die draget in sinen mont der
macht siu sele gesunt C. 203. Kein absaiz AC. Noch soe stcit ein
blome dort C. Ein seh. bl. stet dort verre B. 204. Und heyscht C.
heizet AB. höre A. gotes wort höre ich gerne B. 205. 206 sind
in B umgesleUt, 205. Si gibet B, got B, schein C, 206. Di B,
engele A. kränz B. Ind nioiz ouch an dem kränz sin C 207. 208
fehlen C. 207. sullen AB, 208. Niht hinderstellich 1. B, 209. Kein ab-
saiz C. Doch sin A. sint fehlt C, Zwu edele bl. B. *il0. Die zv dem
B, Mit den C, sin A. si gez. C, 211. Von der einen B, Ich lese van
der einen a. C. 212. Dat si heyscht C. 213. ander BC, 214. got ie
minncnde B. Die nnse here lief havendo was C. 215. senftichcit A^
sachtmoedicheit 6'. 216. stilleheit Ay stillicheit Cy stetikeit B.
558 MILCHSACK
ir 8ult st gerne brechen
unt den kränz dar mite bestechen.
Noch hän ich eine bidme ersen,
220 der müz ich alles gutes jgn.
die heizet Sunde weine
unde ist der besten eine;
wan got durcli iren willen tftt
alliz, daz st dunket gfit
225 Noch stet da, als ich wene,
ein blüme, die ist seltsene:
Trüwe heizt daz blftmelin.
iz müz euch an deme kranzce stn.
Nu tret wir vroltchen vor
230 in daz himelische tor.
da sten zwü blümen hgre,
der bedarf man harte sere,
daz man sie lege an den kranz^
so ist her yil nach worden ganz.
235 HoFFNUNOB unde Geloube,
an dise zwü sint d' andern toube.
217. Man sol B, Men aal C. si onch C. 218. Unde J, fehlt B, Und
C. da mit bestecken B, 219. Kein absatz AC, have C. ein C. blmne
A. er sen Ay ersein C, gesehen B, 220. D. wil i. vil nahen des beatan
iehen B, Gerne weinen van den besten ein C. 221. 22 fehlen C, 221.
sunde] gerne B. 222. Si ist B, 223. Want Cj Wenne B. iren] der blo-
men C, 224. AUet wat der minsch begert nnd d. g. C. 225. ICem «6-
saiz AC. da fehlt A, do B, Noch so stait dair eine C. 226. Ein bloem
as ich meine C. 227. Triwe B. heizit Ay heizet B^ so heyscht C. dat
fin bloeimegin C, 228. Si moiz onch mit an desem kränz sin C,
Iz mach wol der besten eine sin B, 229. Kein absatz AB, Nu tretit
her Ay Nu gain wir C. vroelicher C 230. Zv der himellBchen tvr J?,
AI entegen des hemels dner C, 231. Dair C. here] ain gevere (7. 232.
bedarfft C, wail harde C. 233. si stecke (steche C) BC. 234. bie ß,
he C. nae C. 235. Daz ist hoff. A, Hoffen C. \m Aj ynde B, und C.
gelouve sonder do C 236. dise] die B, so sint A. die AB. Dese
synt die a. alle toube B. anderen due C\
DEB S£l£ CBANZ. 559
swer diser zweier blümen entpirt,
gotis kint her nummer wirt.
Nu wol bin an daz himelstor.
240 da stet ein edele blüme vor,
die selbe ist die leste
unde ist die alier beste.
swer zu der pforteu sal in gän,
der vint s! bl deme wege stän
245 halp fizeu unt halp inne:
daz ist die wäre Minne.
niekein blüme ist ir glich:
sie breitit sich in himelrlch,
ouch guten smac und edelen ruch
250 hat die blüme äne allen bruch.
swie ez den andern ergg,
dise ervalwet nummer m§.
sie gebot gote von himelrtch,
daz her durch uns Itz martern sich;
255 wan in die minne dar zu twanc,
daz he verkös stnes vater lant
unde durch uns leit den bittern tot,
als ime die wäre minne gebot
237. See wer C, Wer A, dirre B, 238. (Jodes vrunt C. nimmer
B. enwirt C. 239. Kein absaiz A, himelische tor A^ ander tor B. Na
gain wir vroelichen in die doir C* 240. Ind dair C, edele fehlt Bj riche
C. vur C. 241. Die blvme By Dese bloeme C. die ist A. letst By
beste A, 242. ist fehlt B, Und aller blomen b. C, best By leste A.
243—246 folgen in C nach 247—250. 243. Und wer C. sal] wil C. in
sei gen B, 244. vindet ABC, inder tvr sten By in der doeren staen
C. 245. dair buizen C, nnde A, halbe B. dair inne C, 246. w. godes
minne C, 247. Nirchein Ay Kein B, Gbein C, enis C. gelich By ge-
lijche C. 24S. Wani sie spreidet C, sich] sie A. in daz himelrich By
in dem hemclriiche C, 249. 50. Und gift uns up erden ouch soeze
smach und guido rouch C, Si gibet vns vil svzen smak vnd svzen rvch
als si wol mack B. 251. 252 fehlen C. 251. Wie A, andern blvmen e.
B. 252. versalwet A. nimmer B. 253. Die blvme By Deser bloemen C.
gelvt (?) Ay entboet C. got BC. 254. durch si liez B. Als doe he
neder quam np ertrich C. 255. 256 fehlet^ C. 255. Avch in B, twanch
B. 256. verlos A, 257. Und B, Ind leit vnr u. d. bitteren d. C. 258.
8oe C, im B. entboit C.
560 MILCHSACK
swer an sinen schatchüt
200 diso schönen blümen tfit
zu der andeni blümen schar,
80 ist der kränz bereitet gar.
swer also hie geringet,
daz her den kränz vor gote bringet,
205 der ist säliclich geborn
uude hat daz beste teil erkoni.
Eiä, milde Karitas,
hilf uns in daz palas,
daz wir uns da gevrow^en
270 unde got dar inne bcschowen
unde <lie Üben müter sin,
die himelischen kunegin,
die ist schone unt wunnenclich,
daz mac nü wol sprechen ich.
275 swer eine stunde solt da sin,
unde were die werlt rot guldin,
die nemo ich vor die vroude nicht
noch vor daz wunnecllche licht
eiä, milde Jhesü Crist,
280 wi sälic der geborn ist,
der iemer bi dir wesen sol;
259—262 fehlen A. 259. Bchaten hvt B. Absatz C. See wer an
desen eilcln kränz unt hoet C. 200. Alle dcde schono bl. doet C. 261.
Und tzo den C. 262. Dan is C. gemachet. C. 263. alBvst B. hir A^
fehlt B. Soe wer nae deocn bloeiiien ringet 6'. 264. Und Bulchen k. C.
vor gote bringet] vol bringet B. 265. ind der (7. selick B^ wall selich
C. 266. Und 6', Er B. bezzer B. uizerkoren C. 267. milde] du vil
Boeze C. 26S. daz Bcbone (vroeliche C) p. ^. 269. Da w. v. inne
vrewen B. Dat w. u. dair inne moegen ervreuwen C. 270. goto A.
Vnde got mvzen bescho^wen Bj Ind godc van hemelrich moizen bo-
sehouwen 6\ 271—331 fehlen C\ 271. 72. Vnde Bine mvter sente Ma-
rien Die kvneginue vrien B. 273. so schone B. unde Ay vfi Ä
wüneuclichj iiht B. 274. Man mag da von geBprechen niht B. 275. ein
B. Bulde A, fehlt B. da mohte Bin B. 276. Wer dise B. röt fehlt ß.
277. nem er fvr B, 278. fvr des himelrichcß B, 279. milde] avzc B,
280. öclick er B. 281. Der bi dir immer w. b. B,
DER Sl&LE CRANZ. 561
deme ist äne mäze wol.
swer dln antlicze sohowen müz,
deme ist aller sorgen büz;
285 der mac vro sin ummer me,
want ime wirt da niemer we.
sin herzce müz in vrouden wesen,
du bist sin lip, du bist stn genesen,
swaz her gert von dlner hant,
290 daz gibestü ime alzuhant;
wan du himels unde erde gewaldie bist
unde allis, daz dar inne ist.
da schowet man die kunegin
sente Marien, die müter sin,
295 unde mangen engel schönen
mit guldtnen krönen
unde ander heiligen gar vil,
äne zcal unde äne zil.
sne noch rlfe da gelit;
300 da ist Summer zaller zlt,
da hat der winter keine gewalt.
vil manic sfize brunne kalt
in der wisen entspringet.
die nachtegal da singet
305 unde ander deine vogelln.
set, da wolle wir gerne sin.
swen wir sulche mere hören lesen,
so wolle wir gerne zu himele wesen.
doch so kome wir so gähs nicht dar,
282. Dem B. ane zwivel B, 283. antlvtz ß. 284. Dem ß. 285. D.
mag sin vro imm. m. B. 286. Wen Ä, Sine übe wert immer ane we
B, 287. wirt inden vrevden sweben B. 288. genesen] leben B, 289.
Swes B. 290. im B. 291. Wenne B, erden Aß. gewaldie bis A^ wal-
des B. 292. alliz A, Und allez richez haldes B, 293. Daz seh. an A,
294. die] der A. 295. Die macht die engele schone A, 296. Mit der g.
crone A. 297. U. a. engel harte v. ß, 299. 300 sind umgestellt B. 299.
da nimmer lit B. 300. zu aller A, D. 1. ovch summer allezit B. 301.
Der Winter hat da kein g. B. 302. Ivter B. 304. da Ivte s. B. 305.
and'e^. deine] manich^. 306. En trvwen da wolte Ä 307. Swenne^
30«i. wolde B. himel B. 309. D. kvmt nieman so B. nahes A, nicht
fehlt B.
Beiträge znr geschichte der deatsohen gprache. V. 36
562 MILCHSACK
310 daz wir beschowen der engel schar,
wirn haben ez hie eramet
got hat uns gewarnet
iz st man oder wtp,
iz sal kasttgen slnen Itp
315 unt nach guten werken ringen,
80 mae ime wol gelingen,
swer aber in den sunden Itt
unde werltlicher ere phllt,
daz her daz vieisch mestet
320 unde edel gwant an sich bestet:
swer nach des vleisches willen lebet
unde nicht nach gotes hulden strebet,
der müz zur helle, des dunket mich,
des mac her nicht entsagen sich:
325 da müz her inne
beide braten unde brinne,
in deme hellischen vüre:
da wirt ime alliz daz zu sflre,
daz her ie begangen hat.
330 da hüt fich vor, daz ist mtn rät,
unde vor allen dingen,
die üch zur helle kunnen bringen,
unde dtnet umbe daz ewige leben,
ich wil der rede ein ende geben.
335 Gotes müter, der sunder tröst,
hilf uns, daz wir werden erlöst
310. er besehe we B. eogele A, 311. Wir A, Em B, habe es
niht e. ^. ez fehUA, 312. Da bi sei ein ieglich g. B, 313. weip oder
man B. 314. Si svllen nach gyten werken stan B. 315. Dar n. svUe
wir r. Ä 316. So Wirt vns ^. 317. Wer ^. 318. 6re] vrevden ^. 319.
Swer daz B, 320. gewant A. Vfi riche kleider B, 321. Wer aber A.
lebt : strebt B, 322. nach dem tode B. 323. zu d' helle AB. des fehU
B. 325. er immer innen B, 326. beide fehlt B. brinnen B. 327. dem
B, fiwre B. 328. im B, savre B, 329. 30. Des er hie was gewon
hie hvte sich ein ielich von B. 330. hütet A, de<^z A. 331. Vnde hvte
sich von a. B, allen den d. A. 332. uch] in B, zu der helle AB.
mvgen B. 333. Unde fehlt B. 334. Hie wil ich der ^. 335. sunden A.
DER S£:LE CRANZ. 563
von Bunden unt von schände,
daz wir heim zu lande
komen alle yröliehe
340 in daz schöne himelrtche.
daz uns daz müze gesehen,
so sprechit alle amen.
335—542. Des laz vns got mit seiden leben vnde gebe vns dort daz
immer lebe B, Dit is uiz ich enhain is neit me beschreven got
brenge vns allen in dat ewige leven dat wir moizen aldae werden
bekant mit allen heiigen in dat hemelsche lant des moiz nns
gnnnen der heiige geist und der vader mit dem sone allermeist ind
dat dit geschei alzosamen zo ewigen ziden so sprecht alle amen C.
Aus der Sammlung ' Geistliche gedichte des XIV. und XV.
jahrh. vom niederrhein', welche Schade nach drucken aus
dem beginnenden 16. jahrh. herausgegeben hat, sind zwei
stücke*) schon von Lübben in älteren hss. aufgefunden und
zum abdruck gebracht worden. Ein drittes, Der krantz der
gotlicher Ueffden Schade a. a. o. s. 229 — 35, ist ausser in die-
sem Kölner drucke noch in zwei handschriften erhalten, mit
deren zuhülfenahme in vorstehender ausgäbe eine kritische her-
stellung des textes versucht werden konnte. Es bezeichnet
A die Leipziger pergamenths. des Sachsenspiegels
(no. 946) in folio aus der zweiten hälfte^) des 14. jahrh., in
*) Van dem begyngyn van parisz Schade a. a. o. s. 337 — 56 und
bei LUbben, Mittelniederdeutsche gedichte (Oldenburg 1868) bo. I, s. 1—17
nach einer Oldenburger papierhs. des 15. jahrh. Zweitens Sent Ansei-
mus vrage tzo marien Schade a. a. o. s. 248 — 86 und in Lübbens Zeno,
oder die legende von den heiligen drei kOnigen. Ancelmus, vom leiden
Ciiristi (Bremen 1876) s. 103—44 nach einer Oldenbarger papierhs. des
14. jahrh.
^) lieber das alter der hs. bemerkt v. d. Hagen im Grnndriss
s. 399, dass sie ^gewis noch aus dem 14. jahrh.' stamme. Ebenso hat
sie Moriz Haupt, der sich zwar einer abschrift Ho£fmanns bediente
(vgl. die folgende anm.), ohne zweifei aber auch die hs. selbst gekannt
haben wird, ohne genauere angäbe des früher oder später in dieses
Jahrhundert verwiesen, Altd. blätter I, s. 104. R. Hildebrand dagegen
vindiziert sie schon in der dritten aufläge des Sachsenspiegels s. XI anm.
'(\(^-n Bchriftzügen und der ganzen haltung nach' mit bestimmtheit dem
an fang des 14. jahrh. (und ihm folgend Weinhold , Mhd. grammatik
36*
564 MILCHSACK
welcher das gedieht auf bl. 60 vw. sp. a bis bl. 62 vw. sp. b
gelesen wird. Eine umfängliche beschreibung derselben hat
schon von der Hagen, im Grundriss s. 399 — 406, nebst angäbe
des einganges und Schlusses der angehängten gedichtet) ge-
geben, die indessen von Schade übersehen worden ist Aber
auch von den auf s. 227 von letzterem zum beweise f&r die
niederrheinische herkunft des gedichtes aus dem druck ange-
zogenen reimen würde nur der eine ersein {erseheii) : ein v. 123.
24 geltung haben, wenn er nicht einem niederrheinischen ab-
schreiber zur last gelegt werden mtiste, vgl. oben v. 219. 20;
denn leit v. 26 ist jacety nicht patiehatur, dinc : kmt v. 41. 42
ist nicht specifisch niederrheinisch und gevSre Qdre AB) : sire
V. 231. 32 ein guter mitteldeutscher reim. Eine sorgfältige
und genaue copie dieser handschrift danke ich herm gymna-
siallehrer T. Hayner;
B die Heidelberger pergamenths. no. 341 in folio, eben-
falls dem 14. jahrh. angehörig, bl. 78c— bl. 80d;
C den Kölner druck vom jähre 1513. Vgl. Schade
a. a. 0. s. 225 f.
Die mundarten, in denen diese drei texte niedergeschrie-
ben wurden, sind nach der hcimat ihrer Schreiber verschieden.
8. 482) und bemerkt zur vierten aufläge ebenda, dass eine'verglelchimg
der sprachfonnen mit denen in den Urkunden der Stadt und des Stiftes
Meisscn deutlich noch für das 13. spräche. Allein wenn sehon die
Leipziger Sacbsenspiegelhs. no. 946 noch eine recht hübsche genannt
werden darf, so ist sie doch in bezug auf feines pergament, eleganz und
Sauberkeit der schrift und künstlerische ausstattung keineswegs so
prächtig, dass ihr nicht eine ziemliche anzahl zum teil schönerer aus
dem 14. jahrh. an die seite gestellt werden könnte. Auch seigen Ihre
Schriftzüge schon nicht mehr die scharfe fraktur, welche das besondere
kennzeichen der hss. des 13. jahrh. ist, sondern die stumpferen und brei-
teren Züge des 14. Den sichersten terminus a quo der entstehung dieser
hs. ergibt aber die schon von Homeyer gemachte beobachtong, dass
sie zur Buchschen recension gehört, der zufolge sie denn auch von die-
sem den dieser gattung angehörenden sämmtlich in die zweite hälfte
des 14. jahrh. fallenden texten beigesellt worden ist.
*) Von den fünf gedichteu der hs. sind meines Wissens bisher nur
zwei veröffentlicht, das fünfte Der spüer durch Ho£fmann v. F. in den
Altd. blättern I, s. H3— 65 und das erste Spiegel der fügende durch
Haupt mit herbeiziehung der Dresdener papierhs. M, 6b in folio vom
jähre 1447, ebenda I, s. 88—104.
TA
DER SÄLE CRANZ. 565
Aß geben nämlich die mitteldeutsche, jedoch A das nördliche
nächst der niederdeutschen grenze gesprochene idiom, B ein
mehr südliches : C ist dagegen aus der feder eines niederrhein-
länders geflossen. Die reime beweisen, dass auch der Ver-
fasser des gedichtes ein mitteldeutscher war und dass die
spräche der hs. A der seinigen sehr nahe steht Man ver-
gleiche vän : hän 3. 4 ; gestalt : salt 79. 80 ; hlech : rvech 93.
94; breche : besteche 155. 56; niel : siet 181. 82; bie : sie 187.
^b] brechen : bestechen 217. 18; vor : tor 229. 30 und 239. 40;
nicht : licht 211. 78; vüre : süre 327, 28. Eine eigentlimlich-
kcit des Mitteldeutschen sind auch die apokopierten Infinitive
beginne : gewinyie 5. 6; {clage:)sage 19. 20; {danne i) zanne 56.
57; läze {:sträze) 137. 38; 7ien7ie : erkenne 163. 64; {Mäze:)läze
193. 94; weine {: eine) 221.22 und {inne :) brinne 325. 26.
Unter den reimen sind ausserdem noch folgende assonanzen
zu beachten : erstens vocalische gebären : gevaren 75. 76 (vor-
ausgesetzt, dass diese beiden nur in A erhaltenen verse echt
sind); glich : dich 97, 98; himelrich : sich 153.54 und 253.
54; zweitens consonantische : Cristum : sun 105. 6; dinc : kint
41. 42; ; sint 131. 32; tfvanc : lernt 255. 56.
Die Unabhängigkeit der drei handschriften unter einander
ergil)t sich schon aus dem bestände ihrer texte. Es fehlen
nämlich in A v. 131—36, 149—52, 259—62; in B v. 5. 6
109—112, 119, 125. 26; in C v. 1—4, 31—34, 49. 50;
53—108, 145, 147, 167—72, 189—92, 199. 200, 207. 8, 221.
22, 251. 52, 255. 56, 271—334. Zwischen BC bestehen jedoch
engere verwantschaftliche beziehungen, das beweist die grosse
auzahl ihnen gemeinsamer und zum teil fehlerhafter lesarten,
von denen i"h die wichtigsten anführe. V. 18 sunden {sunde
A); 42 ihesum Christum B, Jesus Christus C {Christ, fehlt A); 113
mit {bi B) der rvarheit {der fehlt A). In allen drei fällen wird
die lesart von A durch den vers gefordert. Bedeutender ist
das fehlen des vcrbums {sint A) v. 209. 10; v. 166, wo B
daz ist ein blvme daz si evch geseit und C dese blomen sint an-
geseit lesen, aber A daz ist ein blüme s6 gemeit gewis die echte
lesart bewahrt. V. 140 — 42, wo BC lesen
Edcle blvmen (menich edel bloemgin C) wol getan,
die im den weck (eme einen sachten wech C) bespreiten
vnd senften wek (einen soezen gank C) bereiten,
566 MILCHSACK
dagegen A
zwelf blumen wol getan ,
die ime den weg gebreiten
unde in wol geleiten,
und man Bich un])edenklich für die Überlieferung in A ent-
scheiden wird, obschon gebreiteti in dieser bedeutung nicht
gerade sehr häufig ist. V. 220 lautet in B
der wil ich vil nahen des besten iehen,
mit stärkerer änderung in C
gerne weinen van den besten ein
und in A
der mfiz ich alles gutes jen,
wodurch der pleonasmus mit v. 222 vermieden ist Vgl. auch
V, 228, wo sich derselbe ausdruck in B widerholt. Ferner v.
153 — 55, die in A folgende fassung haben
swer üf den wec zu himelrlch
kumen wil, der vltze sich,
daz her dl blümen breche,
in B in C
Dar vmbe so vleize sich soe vlize sich dairzo ein iglich,
Ein ietslich vf den weck zv himel- der dair begert den wech Eom
rieh u. s. w. hemelrich u. s. w.
und endlich v. 249. 50, wo der Wortlaut in A
ouch guten smac unde edelen ruch
hat die bldme äne allen bruch
widerum zweifach umgewandelt wurde, nämlich
in B in C
Si gibet vns vil svzen smak und gift uns up erden ouch
vnd svzen rvch als si wol mack, soozc smach und guide rouch.
In beiden stellen ist die Übereinstimmung in BC in die äugen
fallend und besonders bei der zweiten die lesart von A un-
verkennbar die ursprüngliche. Was zu den änderungen in BC
rcsp. deren vorläge Veranlassung gegeben, ist nicht recht zu
ersehen; bei v. 249. 50 war es vielleicht der ausdruck äne
allen bruch, welcher dem abschrciber anstoss erregte, da bruch
in beiden handschriften beseitigt ist.
Allerdings finden auch zwischen AG mehrmals bemerkens-
werte Übereinstimmungen statt. So v. 22 vo7i (sy7i C) swiden
(fehlt B); 40 m den sunden {den fehlt B); 112 iemer liehen A,
jamerlicher C (v. 111. 12 fehlen B); 175 gehorsamekeit A>
DER s£lE CRANZ. 567
gehoirsamheit C {gehorsam Vi)\ dieselben sind jedoch nicht der
art, dasB eine specielle verwantschaft von AC aus ihnen ge-
folgert werden dürfte.
Obsclion A der zeit und dem orte der entstehung des ge-
dichtes ohne zweifei sehr nahe steht , ist es doch nicht wahr-
scheinlich, dass sie unmittelbar aus dem original entstanden
ist. Von geringfügigeren, ABC gemeinsamen fehlem absehend,
hebe icli nur die tiefere Verderbnis in v. 165 hervor, wo weder
A ein kuscher mimt, noch C kuische lief de das richtige haben
und die lesart von B Eine heizet lop völlig nichtssagend ist.
Gemeint ist o£fenbar 'keuschheit des leibes' und auf Up weist
sowol lop B, als liefde C, so dass sich eiii küscher Rp mit
sieherlieit als das echte erkennen lässt
Demnach ist das handschriftenverhältnis so zu construieren:
Original
i
B C
Zur Charakteristik der einzelnen hss. bemerke ich noch
folgendes. C ist nicht nur sehr lückenhaft, sondern auch
durchweg so stark überarbeitet, dass die vergleichung einer
beliebigen stelle mit AB genügt, um sich von dem geringen
kritischen werte dieser hs. zu überzeugen. Ebenso ist auch B
von willkürlichen und den originalen text wesentlich umgestal-
tenden iinderungen nicht frei. Ersichtlich ist dies schon in v.
4, wo für golis hulde aus v. 6 daz himelrich eingesetzt wurde,
um dann v. 5. 6 als überflüssig auszulassen. Ganz eclatant
ht aber die beseitigung von reimen, welche der mundart des
Schreibers nicht gemäss waren und die er, um sie dieser anzu-
bequemen, entweder durch andere reimwörter ersetzte, wie in
V. 63. 64 trän : gehän A, trehen : sehen B und 185. 86 stSt
: barmherzeket AC , gemeit : barmherzikeit B , oder durch ein-
fügung ganz neuer verse aus dem wege räumte, wie mit aus-
lassung von v. 61 nach 62, um sunder : richtSr und nach 155
und 156, um breche : besteche zu entfernen, während er den
letzteren reim in v. 217. 18 unbeanstandet gelassen hat Andere
gründe, die vielleicht bloss in seinem besonderen geschmack
568 MILCHSACK
zu suchen sind, bewogen ihn bei v. 35. 36, 54, 101 — 105,
119—22, 129. 30, 145—48, 171. 72, 203. 4, 271. 72, 286,
291. 92, 313—15, 329. 30 und 335—42 von seiner vorläge ab-
zugehen. Die Umstellungen von 205 und 206, 299 und 300
sind dagegen wol als blosse versehen zu betrachten. Hiernach
macht es keine Schwierigkeit, die allein in B vorkommenden
verse, deren zwei nach OS, je vier nach 130 und 148, zwei
(= 199. 200) nach 180 und 26 nach 136 sich finden, aha selb-
ständige Zusätze desselben Schreibers zu nehmen. Die hinter
V. 148 eingeschobenen vier verse sind ersichtlich in folge der
unmittelbar voraufgehenden umdichtung von v. 145 — 48 ent-
standen, und die grössere Interpolation nach v. 136 hat haupt-
sächlich später auftretende dinge vorweg genommen.
In A lassen sich dagegen eigene Veränderungen von
einiger bedeutung nicht nachweisen. Die mängel dieser hs.
bestehen meist in flüchtigkeiten des abschreibers (vgl. Hilde-
brand, Sachsensp. s. XI f.) und konnten daher gewöhnlieh
durch einfache mittel gebessert werden.
Bei der reconstruierung des textes war mithin A zu gründe
zu legen, BC aber erst in zweiter linie herbeizuziehen.
Zum Schlüsse will ich noch auf einige anklänge an ältere
oder ungefähr gleichzeitige gcdichte hinweisen, die indessen
wol mehr als einzelne im gedächtnisse des Verfassers haftende
reminiscenzen aus seiner lectllre, denn als directe entlehnungen
anzusehen sein mögen. V. 67 steht ebenso im Leben d. heiL
Franciscus (vgl. PfeifiFer, Altd. ttbungsb. s. 60 ff.) v. 59 daz si
dir herre got geklcelt. Ferner ist zu vergleichen v. 15. 16 mit
Francisc. 76 — 78 daz ich mich bekere mit ritve von der misse-
tat die min lip begayigoi hat] v. 321. 22 findet sich schon bei
Reinmar (Wackernagel leseb. I* s. 506) Vil mayxeger nach der
Tverlte strebet, dem si doch baesez ende gehet, und meman
weiz , wie lange er lebet, und dann öfter, z. b. im Helmbrecht
(Haupt in seiner zschr. IV, s. 321 ff.) 519 — 26 sun, vil schemer
jungeliyiCj du soll sagen mir ein dinc {ob dir tvonent rvitze M),
welher baz lebender st, dem man fluochet unde schiltet und
des al diu weit engiltet und mit der Hute schaden lebet und
wider gotes hulde strebet, und daselbst v. 973 ff. der ist nü der
wise, der losen unde liegen kan, . . . leider michels mSre dtmne
DER S£lE CRANZ. 569
ein man der rehie lebet und nach gotes hulden strebet \ vgl.
noch Warnung (Haupt in seiner zscbr. I, s. 438 flF.) v. 2269.
70 und Francisc. 177. 78. Mit br. Philipps Marienl. v. 8678.
79 da Jesus Christus vüert den tanz und treit von bluomen
einen kränz sind zu vergleichen v. 157. 58 und mit br. Phil.
V. 8697 — 99 diu spise ist ouch s6 gestalt, srvem rf kamt in sinen
munt, der bUbet immer mir gesunt v. 201. 2 unseres gedichtes.
WOLFENBÜTTEL. GUSTAV MILCHSACK.
DTE SKALDLSCHEN VERSMASSE UND IHR
VERHÄLTNIS ZUR KELTISCHEN (IRISCHEN)
VERSKUNST.
jjass die wunderlich gezierten und überküustlichen,
reim überladenen versniasse der skaldendichtung ohne fremden
einfluss jjicli entwickelt hätten*), ist mir — und wol jedem,
der sich mit diesem gegenstände beschäftigt hat 2) — von an-
fang an nicht recht glaubhaft erschienen: stehen doeh die
Nordmänner mit dieser kunstform völlig vereinzelt da unter
allen germanischen stammen. Und in der tat hat sie sich
nicht selbständig aus der altgermanischen verskunst heraus ent-
wickelt, sondern die anregung ist von der keltischen dichtung
ausgegangen, die in vielen punkten offenbar das Vorbild der
skaldischen kunstformen war. — Diese tatsjiche wird, wenn-
schon die bemcrkung nicht ganz neu ist 3), den meisten doch
wol unbekannt geblieben sein — erörtert ist sie meines
Wissens nirgends — , und da sie von ungemeiner Wichtigkeit
ist, möclite ich einige vorläufige bemerkungen dartlber
nicht so lange zurückhalten, bis ich durch genauere kenntnis
von keltischer spräche und metrik in die läge gesetzt sein
werde, die frage gründlicher zu behandeln.
Es bedarf zunächst einer kurzen skizze der entwicke-
lungsgeschiclite der altnordischen versniasse, die in-
*) Wie Olafsen (Nordens gamlc digtekonst b. 45) meinte.
«) S. iMöbius, IslendingJidr. 25; midebrand, Z. Z. Ergbd. 8. 78;
VVilkeii, üiiters. zur Sii. E. s. *2;{3.
3) nildebraiid bat a. a. o. p. 78, anm. l darauf beiläufig hin-
gewicßen.
EDZARDI — DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 571
dessen liier ganz allgemein zu halten ist und nur in grossen
Zügen entworfen werden kann.
Die beiden skaldiscben versmasse, drottkvsßtt und run-
henda, haben bekanntlich zwei kennzeichnende eigenheiten ge-
mein, den regelmässigen *) Stabreim und das princip der silben-
Zählung. Im übrigen gehen beide ihre eigenen wege, indem
l) drottkv. den biunenreim, runh. hingegen den endreim (und
zwar stumpfen neben klingendem) einführt, 2) aber drottkv.
die silbenzahl — zunächst und hauptsächlich — auf (5 fest-
setzt (später auch 4; toglag, und 8: hrynheuda) mit stets
stumpfem ausgange^); während die runh. vom viersilbigen
verse ausgeht, dann aber auch vereinzelt mit 6 silben auf-
tritt 3). Indessen die zurückführung beider auf ein einfacheres
veranlass, das sich von dem älteren eddischen fornyrSalag nur
durch geregeltere Stellung der reimstäbe sowie durch durchge-
führte silbciizählung unterschied, scheint mir zweifellos, wenn
wir die entwickelung des drottkv. (und der runhenda) in um-
gekehrter richtung verfolgen. Wir kommen dann, wie wir
sehen werden, von den verschiedenen formen des regelrechten
drottkv. durch verschiedene Zwischenstufen mit in aufsteigender
linie immer ungenaueren und selteneren binnenrcimen auf die
hättlausa (Hättatal no. 68, Hättalykill no. 26, Olafsen s. 57 f.)
vollständiges diottkva^tt ohne biunenreim*); mälahattr (Hätt-
•) Stets drei stäbe an bestimmten stellen.
*) Genaueres über den bau dieses verses s. bei Sievers, Skalden-
raetrik in diesem bände s. 455 flf. [Ich benutze diesen gediegenen auf-
satz in einem vom verf. mir gütigst zugesanten Separatabdruck.]
^) Nach Ildttatal s.231, 28 (ich citiere gewöhnlich nach Jonsson) wäre
diese form dem di'öttkv. nachgebildet. Da übrigeus runh.-strophen ver-
hältnismässig sehr selten erhalten sind, lassen sich regeln und entwicke-
lungsgang dieses versmasses lange nicht so sicher beurteilen wie beim
drottkv. Dreisilbige sowie sieben- (hezw. acht-) silbige runh.-strophen,
wie sie in Sn. K. (Hattatal no. 83 und IM)) wol nur als beispiele princi-
piell angenommener versarten stehen, sind mir tatsächlich vor Snorre
nicht begegnet — abgesehen von dem Hdttalykill des jarl Rögnvald (Sn.
E., Reykjaviker ausg. s. 239 flf.) no. 7 (Rekit) und den MdlshdttakvaeÖi
(des Bjarne Kolbeinsson?). — Später wird dies versmass bekanntlich
die grundform der rfmur-dichtung.
^) Die hättlausa findet sich z. b. in Egilssaga (Reykjavik 1856),
s. 17^/179 (besondere anklänge an keltische zwischenreime: sendi : fun-
dar\ bera : varir\ gestir : nest)\ 183>; 205/206, 1—4; HallfretJars. (Fs.) s.
572 EDZARDI
atal no. 93), bei dem die fllnfsilbigkeit (genauer wol der ein-
Schub eines meist langen, jedenfalls al)er tonfähigen wortos*)
zwischen den ersten und zweiten takt) wesentlich zu sein
seheint-), und das balkarla^^^) (Hättatal no. 95, Uättalykill
no. 19) mit vier ȟben und zuweilen einem auftakt (wie ok,
i, af u. dgl.).**) Die beiden letzteren scheinen sich aus den
länireren und kürzeren versen des alten fornyröalag (kviSuh&ttr)
entwickelt zu haben, wol unter einfluss der keltischen vers-
kunst ^), der die hattlausa Überhaupt euluommen zu sein scheint
(s. unten). Malahattr findet sich schon in den Atlamjd vor-
hersehend, ebenso in den jüngeren teilen der AtlakviSa und
den IlamÖismal (Uugge, Z. Z. Vli, 386) ; balkarlag findet sich,
wenn auch nicht immer streng durchgeführt, in manchen Edda-
liedern.^) Andererseits kommen in manchen Eddaliedern
s() ; [Sverrissa^a ( üng^er) p. :U0 V] Eine abart findet sich in Egilss. 8. 7S
und 90*. — Mit dem auftreten der h«AttIauBa in den Kr&kumdl hat es
eine andere bewantni» (s. IStonu, Ilii^ar Lodbrok s. 118 f.).
*) Ferner drei reimstäbe, deren Stellung jedoch noch nicht fest ge-
regelt ist — soweit man nach dem beispiel in Hättatal urteilen kann.
2) Bugge (Z. Z. YII, 3S6) fasst diese eigentUmlichkeit als < erweite-
runi? der verszeile um eine hebung* auf.
3) Starkat^arlag (Hatttital no. 90) scheint damit im wesentlichen
identisch zu sein.
*) Eine abart des balkarlag bespricht Olafscn s. 50. Sie hat im
ersten halbvorse fast durchweg drei silbeu neben vier silben (event mit
auftakt) im zweiten halbvcrtiie des verspaars. Ziemlich durchgeführt ist
dies im Yn^lingatal und UaleygjatAl, in Egils Sonartorrek und Arinbjar-
nardrapa, in Tliorarios Gla'Iognskvic^a, Sturla Tliordarsons Il&konarkvitte
u. s. w. Dagegen in dem regelrechten balkarlag sind z. b. verfasst
Gisl Illugasons lied auf Magnus Barfuss, Ivars Sigurt^arbalkr, 2 Strophen-
paare in der Bjamarsaga Hitd. (1S47) s. 23 f. und 2S f. u. s. w.
''*) Für den mdlalidttr beachte man das tlinfsilbige versmass bei
Zeuss, Gr. Celt.», 904. 900.
^) Z. b. in der ganzen Hymiskvit^a, wie ich schon Germ. XXIII,
s. 439 andeutete, wenn man die von Sievers, Beitr. V, s. 455 flf. be>
sprochenen ])unkte berücksichtigt. Natürlich muss Überall ^s statt er
stehen, femer bragarmal (3,7; 32, t.3: kannkak 32,0 fSievers s. 467 f.],
pvi's'k 32, ^; svät 25, 3; — verschleifung : munum 16, 5; skulu 39, 6;
Ci)la 20, 5; nema 2S, s; ;u), 1. 5 (?)•, 3S, 5 (?); — elision, bozw. verschlei-
fung: 3. 2; 0, 1 ; 7, 7; 20, 8; 20, l *, 37, 7. S; — pronomen su streichen:
/>M nacligestellt 11, 1; 12, 1; 17, 5; vor dem verb: 26, 3; 17, 6; 19, 8
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 573
mehr als vereinzelte — ja in Atlamil recht zahlreiche*) —
binnenreime vor, und die zahl derselben wird noch grösser,
wenn wir die wahrscheinlich ältesten fälle dieser art — nach-
ahniungen der keltischen 'zwischenreime', s. unten — auch in
den zwischenreimen der Eddalieder zu finden uns gewöhnen.
Ich meine reime wie hrretiask halir \ a helvegum, drepr kann
af mötii I Mibgarbs viurr, oder rijbr ragna siot \ rauöum
dreyra, sal sä hon standa sölu fiarri u. s. w., worüber unten
mehr. — Dass auch der endroim in den Eddaliedern schon
gelegentlich 2) — und in den meisten fällen nicht ohne ab-
sieht 3), jedenfalls nicht ohne Wirkung (vgl. H. H. I. 13, 7 f.;
(in den beiden letzteren fällen könnte man anch auftakt von ef en anneh-
men); er 38, 1; kann nachgestellt 3, 5; 7, 5; 25, 5; 27, 7-, 29, 5 (?);
35, 5; 36, l ; 38, 7; pär 1, 7 (25, 2?)-, — Veorr, veurr (11, 10; 17, 1;
21, 7) und ve'ar werden nach Sievers s. 462 einsilbig gebraucht. — So-
dann müssen wir, wie in den beispielstrophen des balkarlag, einsilbigen
auftakt unbetonter Wörter zugestehen: 0/ 4, 4; at 5, 4; und 9, 4; 12, 2;
i 11, 2; Ol U, 4; af 11, 6; fyr 29, 8; ör 32, 4; metS 3^ 6; ferner ef
33, 2; fl&r 15, 6; er 7, 8; 25, 2 (?); 29, 2. Es ist zu beachten, dass
dies, wie in den beispielen des balkarlag, nur im zweiten halbverse
vorkommt. Unregelmässig bleibt demnach 14, 5 {väru statt 6inersilbe);
29, 7 (bdru ebenso); 7, 4 (unz Hl im auftakt); ferner 22, 6, wo fia zu
lesen sein wird (Sievers s. 515), darnach auch 32, 4 kne'am und ör als
auftakt; 27, 6 wird me^ zu streichen sein, ebenso 28, 5 mann, was hier
auch die regeln des Stabreims erfordern; in den parallelversen 34, 5 und
36, 1 ist zunächst upp (34, 5) und kann (36, 1) zu streichen, dann aber
möglicherweise auch ser in beiden versen; 29, 6 und 34, 3 wird gögnum
statt i gögnum zu lesen sein. — Ich gehe auf diesen punkt nicht weiter
ein, um der von Sievers (s. 450) angekündigten Untersuchung nicht vor-
zugreifen.
^) Vgl.Grundtvig, hist.tidskr.IV, bd. I, s. 78 f. Ausserdem nenne ich
noch in Atlam. 6, 2 (9, 2?); 11, 7 (13, 6?); 21, 4; 25, 5; 28, 5; 29, 5;
33,5; 35,3; 3S, 1; 39, 2; 43,2; 47, 5. 6; 51,6; 53, 1; 54,2; 54,8; 61,
2; 67, 6; 68, 3; 74, 2 (?); 76, 3; 77, 7; 78, 6; 79, 8; 83, 11; 84, 6; 89,
3; 90, 2; 91, 5; 93, 8; 95, 6; 96, 5; 99, 2; 101, 2; 101, 5; in Vsp. 10,
6; 20, 4; 20, 5; 23, 9 ('23, 12?); 24, 7; 33, 3 (36, 4?): 53, 4; 53, 5;
53, 7: 56, 6; 57, 2; 5S, 8; 64, 3 (?); 64, 7; 68, 1 (?); 68, 3 u. s.w.
2) Vgl. Wenzel, Die ältere Edda s. XXI und übrigens unten s. 574
anmerk. 1.
3) An allen stellen finden sich 4 silben und fast tiberall 3 reim-
stäbe, also vollständige runhenda.
574 EDZARDI
28, 1 f.; Hym, 24, 1 f. A; Vsp. 53, 5 f. Drkv. 24, 5 f. 0 —
sich findet, ist bekannt
Das balkarlag seheint nun der ausgangspunkt geworden
zu sein für die viersilbige (grund-) form der runhenda, sowie
flu* die kürzere viersilbige form des drottkvaett, das toglag,
die ungefähr ein Jahrhundert^) nach der runhenda zuerst
auftritt, weshalb die silbenzahl desselben auch durch nacb-
ahmung der runhenda bestimmt sein könnte."*) Etwa gleich-
zeitig^) mit dem toglag tritt auch eine verlängerte form des
drottkv., die achtsilbij^c hrynhenda auf, auf deren — schwer-
lich von aussen her unbeeinflusste — entstehung ich noch zu-
rückkomme. — Eine regelmässig füufsilbige form des mä,lah&ttr
findet sich vereinzelt^) bei Skalden, daraus entwickelte sich
das fttnfsilbige drottkvsett (HaÖarlag, H&ttatal no. 80, H&tta-
lykill no. 27).
0 oxa : laxa, dena auch ungenaue reime gehören hierher, wie
ifyggvar -. hyggja Vsp. (iO, 5; hyggja : tveggja Vsp. C5, 5; sagtSak : pegja
Vgtkv. u. s. w.
2) Toglag, in dem Übrigens die xweisilbigkeit des endwortes auf-
gegeben ist, tritt zuerst bei Thorarin loftunga (erste hälfte des 11. jh.)
in der togdrapa auf, nach welcher das versmass seinen namen erhalten
zu haben scheint, ^ighvat dichtete »eine Knütsdrdpa (ed. TemstrOm, Om
Skalden Sighvat Thordssun, Lund 1S71, s. :{0 ff.) in diesem versmasse,
welches ausserdem selten crsclieint, z. b. haben wir aus dem !2. jahrh.
2 Strophen von Thorvald blonduskald (Msk. 157), l strophe vun Thorarin
stuttfeld (Ilkr. 602, Msk. 157), beide mit mehreren reimlosen versen;
2 Strophen vonUalldor [skvaldre], 12 jh. anfg., Msk. 200; eine halbstr.
von Kinar Skulason ebenda, eine anonyme halbstrophe in Sn. E. 137,
21 u. s. w.
'') Anders, aber schwerlich richtig, Sn. E. 231,7. Andererseits
scheint das achtsiibige drottkvictt (hrynhenda) in der 7 — 8 silbigen run-
henda (die der rimur-strophc />u gründe liegt) nacligebildet zu sein. So
auch Möbius, Z. Z. Ergbd. s. 22 ; vgl. aber die unten besprochenen Bieben-
silbigcn irischen verse.
-^) Meines wissens das erste überlieferte, und wol auch das erste
übrrliaiipt in hrynhenda YOrfasäte gedieht ist Amor jarlaskalds Magnus-
drapa l(.'4t>. Eine andere hrynhenda dichtete viel später Stnrla Thord«)r-
son (gedruckt bei VViscn, U rval s. 75 ff.). Inzwischen haben wir wenige
spuren (z. b. Strophen des iMarkus [^keggjason] um llOO, Sn. £. 106,
IS; 17(), 20) dieses später beliebt gewordenen versmasses, s. u. s. 584*.
^) Z. b. in den Ilrafusmal des Thormod Treffilsson (£yrb. s. 43
[122]. ü^[192J. b'6 [232]. lOh [28bJ. 113 [312j) mit noch nicht streng durch-
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 575
Die entstehung des sechssilbigen dröttkvsett können wir
nicht mehr völlig verfolgen, und wenn die dem Brage sowie
Harald Harschöns hofskalden (besonders Thiodolf und Horn-
klofi) zugeschriebenen Strophen und gedichte wirklich um 820
(?) bezw. 900 gedichtet sind^), so verlieren sich die anfange
in vorhistorische zeit. Doch können wir eine stufenweise fort-
schreitende Vervollkommnung in der reimtechnik beim dröttkv.
verfolgen. Die versmasse, welche in Hättatal als solche be-
zeichnet sind, er fornskald hafa kvebit (Egilshättr uo. 57 [55],
Torf-Einarshittr no. 56 2); Ragnarshattr LoÖbrokar no. 55)
stehen tatsächlich auf einer primitiveren entwickelungsstufe
als die meisten andern.^) Die von Torf-Einar (um 900) in
Hkr. citierten Strophen entsprechen tatsächlich dem Torf-Einars-
hättr im wesentlichen; auch in jenen ist je der erste halbvers
vorwiegend reimlos, je der zweite meist gereimt, und zwar
meist in skothenda. Ueberhaupt tritt eine grundsätzliche
Unterscheidung zwischen skothending und aöalhending erst mit
der zeit hervor und wird erst allmählich durchgeführt; ofiFen-
bar war sie zunächst nicht beabsichtigt: man reimte so gut es
gieng, genau oder ungenau, und erst die späteren skalden
Hessen sich diese gelegenheit, ihr metrisches System noch
künstlicher zu gestalten, nicht entgehen. Insofern nähert sich
auch der skothendr hättr (Hättatal no. 53) den reimverhält-
nissen der ältesten drottkvaßttstrophen. — Zu bemerken ist,
dass der vierte halbvers stets am genauesten reimt, dass hier
am seltensten der reim fehlt, hier am häufigsten aSalhending
steht. Es hängt das mit dem allgemein bekannten streben
geführten binnen- (übrigens auch mehreren end-) reimen; also tibergang
zum Hafiarlag, welches vollständig vorliegt in Sturla Thordarsons (wol
nach diesem liede) ebenfalls ^Hrafnsmär genannten gedichte. Vielfache
anklänge zeigen die Haraldsmdl des Uornklofe. Dies versmass behält
den klingenden ausgang bei und ii^t nicht zu verwechseln mit dem ver-
kürzten dröttkva'tr mit stumpfem ausgange, welches ebenfalls fUnfasilbige
vorse hat, z. b. bei Ottar (Ön. E. 165, 1—4; 168, 33 ff.; 172, 3 ff.; 174,
5 iT.) und Orm Stein thorsson (Sn. E. 138, 19 ff.).
') Vgl. Germ. XXIII, s. 431 f. und unten s. 576, anm. 1).
2) Vgl. munnvorp no. 67 (fast identisch damit), in welchem versmasse
die J6m svikingadräpa abgefasst ist, s. Möbius, Islendingadr. s. 26 [Hdtt-
alykill no. 8, fehlt].
^) Nur dass hier eine ktinstliche regelmässigkeit hergestellt ist.
576 EDZABDI
zusammeu, gegen das ende zu das versmass am reinsten und
deutlichsten hervortreten zu lassen. Ein solches ende lag aber
bei dein Schlüsse jeder halbstrophe vor, denn die halbstropbe
bildet bei den skalden so gut wie durchweg eine einheit fttr
sich; weshalb uns auch bei citaten in Sn. £. fast nur halb-
Strophen überliefert sind (vgl. unten s. 583).
Wir können nun in der tat eine zunehmende regelmässig-
keit der reim Verhältnisse beobachten, die der chronologischen
folge — die riehtigkeit der Überlieferung der verfassernamen
im allgemeinen hier zunächst vorausgesetzt — entspricht, von
Torf-Einar und Brage (Kagnarsdr&pa) zur Haustlong [Thio-
dolf?*)] und weiter zu Egil [und Eyvind], zur Hüsdräpa (Ulf
Uggasou), t>(>rsdrapa (Eilif Gudrunarson), zu Hallfred u. s. w.,
endlich zu Sighvat (Aruor) u. s. w. Auf eine weitere ausflih-
ruug und begriindung dieses Satzes, die massenhafte belege er-
fordern würde, muss ich eben deshalb vorläufig verzichten und
beschränke mich daher darauf, den allmählichen (Ibergang
durch eine tabellarische Zusammenstellung zu veranschaulichen,
deren Zahlenverhältnisse — wenn auch im einzelnen yielleicht
noch zu berichtigen 2) — in der hauptsache doch zuverlässig
sein werden; und darauf kommt es hier ja nur an. Als bei-
spiele habe ich gewählt: I. die einzelstrophen, die unter Torf-
Eiuars und Brages^) namen citiert sind — 8 Vi Strophen;
IL die (Brageu zugeschriebene) Haustlong — 20 Strophen;
ni. die letzten 20 drottkvaettstrr. in der Egilssaga. Diese sind
allerdings nur mit vorsieht zu benutzen, weil ein teil derselben
wahrscheinlich nicht von Egil herrührt, andererseits aber in den
0 Der reimtechDik nach wtirde diie HaustloDg eher in die zweite
hiUt'te des lo. jh. zu setzen sein.
') Die noch nicht gcnU<j^end untersuchten reim Verhältnisse hinsicht-
lich (los M- Umlautes o [meiuü bemcikungen in Beitr. IV, 8. 141 anm.
halte ich nicht mehr alle aufrecht], sowie des mitreimens der ableitungs-
consuiianten, ferner der rcimtahigkeit einzelner Wörter u. 8. w. lassen in
maucher hinsieht verschiedene beurteilungen zu [b. u. b. 590]. Ich habe
solche fraglichen falle, die von der hauptzahl in abrechnung kommen
könnten, in | ] hinter diese gesetzt. — Dass in manchen fUUen nnregel-
mässigkeiteu unserer Überlieferung, oder auch nur unseren texten zur
last fallen können, ist natürlich auch mit in anschlag zu bringen.
3) Ohne die von mir zur Husdrapa gezogenen, vgl. Germ. XXIII,
B. 431 f.
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 577
Unregelmässigkeiten manchmal doch wider eine gewisse regel-
mässigkeit berscht, so dass beabsichtigte kuustformen vorliegen
können — 20 strr. ; V. die Dorsdräpa des Eilif Gudrunarson —
19 strr.; VI. die Hüsdräpa des Ulf Uggasou, wie ich sie teil-
weise in Germ. XXIII, s. 426 flf. versucht habe herzustellen
(um 985) — 113/4 strr.; VII. Hallfreds O'lafsdiäpa von 1001/2
— 25 strr.; VIII. Sighvats Austrfararvisur (ed. Ternström
a. a. 0. s. 12 flf.) nebst der (p, 10) dort vorhergehenden
Strophe — 20 Strophen:
vers reimlos skoth. at^alh. vers reimloB skoth. aSalh.
I. l. 15 2 — 2. 3 10 4
3. 9 6 [2] 2 [1] 4. 2 9 [t] 6
t + 3. 24 8 [2] 2 [t] 2 + 4. 5 19 [l] 10
IL t. 13 [1] 7 [l] — ?. 1 12 7»)
3. 8 11 [2] 1 4. 1 5 14
14-3. 21 [1] 18 [2] l 2 + 4. 2 17 21
III.
1.
3.
11 [1]
5 [2]
25 [2]
29 [2]
4
6
2.
4.
2[1]
38 [3]
40 [6]
1
4- 3.
16 [3]
54 [4]
10
2 + 4.
2[1]
78 [9]
IV.
1.
3.
8[1]
8 [1]
27
28
5
4
2.
4.
20
20 [1]
1
+ 3.
16 [2]
55
9
2 + 4.
—
40 [1]
V.
1.
3.
3 [1]
1
32 [1]
28
3
9
[1]
2.
4.
_-
3(1]
35 [4]
38
1
+ 3.
4[1]
60 [1]
12
[t]
2 + 4.
—
3[1]
73 [4]
VI.
l
1.
3.
2
4
18
16
2
3
2.
4.
—
2
1
20 [2]
22
+ 3.
6^)
34
5
2 + 4.
3
42 [2]
VII.
1.
3.
4
38
44
8
6
2.
4.
^.^
1
60 [1]
49
1
+ 3.
4
82
14
2 + 4.
—
1
99 [1]
0 Sn. £. 146, 32 f. wird vermutlich zu lesen sein: svd yt sem
orrosiu \ leiii ce pöit etti\ der vers (mit endreim) ist ofifenbar entstellt
überliefert.
^) Davon kommen vielleicht zwei (8, 1 und 3) auf fehlerhafte über-
Beitrüge xur gesohiohte der deatfohen spräche. V. 37
578 EDZAEDI
vers reimlos skoth. aSalh. vers reimlos skoth. attelh.
YIII. l. 2 34 4 2. — 1 89
3. — 36 4 [1] 4. — — 40 [1]
1 + 3. 2 ~7Ö sllf 2 + 4. — 1 79 [1]
Um das Verhältnis der reimtechnik der einzelnen dichter,
bezw. gedichte zu einander besser zu veranschaulichen, stelle
ich die verhältniszahlen, fbr je 20 Strophen berechnet, neben
einander. Es kommen auf je 20 Strophen im ganzen in
gereimt
reimlos
skoth.
at$alh.
regelm.
nnregelm.
I. (8V2 : 20)
GS
64
28
42
50
IL (10:20)
46
70
44
76
36
TTT.
16
56
88
132
12
IV.
16
55
89
135
9
V. (10 : 20)
4
66
90
140
16
VI. (II3/4 : 20)
10(7?)
66(69?) 84
135(138)
15
VII. (25 : 20)
3
67
90
145
12
VIIL
2
71
87
149
9
Als regelmässig oder unregelmässig bezeichne ich hier die
reime, je nachdem skoth. und at^alh. nach den regeln des aus-
gebildeten druttkvsßtt au rechter stelle steht oder nicht Man
sieht hier deutlich den entwickelungsgang des dröttkvflett:
das allmähliche verschwinden ungereimter verse, die sich doch
im anfange der hall)strophcn am längsten halten, während
der zweite und namentlich der vierte vers bald ziemlich regel-
mässig adalhending zeigen. Die zweite hälfte der halbstrophe
ist also im ganzen regelmässiger gebaut als die erste. Im
dritten (und auch im ernten) verse steht nicht selten adalh^
und diese unregelmäsRigkcit bleibt am längsten.
Können wir so, zwar nicht die entstehung, aber doch den.
entwickelungsgang des drottkva^tt verfolgen, so liegt die sache
anders bei der runhcnda [vgl. Möbius, Z. Z. Ergbd. s. 22 f.].
Die erste in diesem versniasse vorkommende dichtung — ab-
gesehen von einer dem iSkaIlap;rim zugeschriebenen Strophe in
der Egilssaga^) — ist die HofuSlausn des Egil, ein lied,
Hoferung. — Für Ulfs reimtechnik kommt auch noch die atrophe Fidb.
II, 230 in betracht
1) Rey kj. Ib56 s. 54. Diese [um 878 (?) angesetzt, 8. s. 286] tbiv
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 579
welches dem Egil abzusprechen kein grund vorliegt — wol
aber spricht vieles für die echtheit Dies gedieht wird also in
der ersten hälfte des 10. jahrh. gedichtet sein. Von da ab
folgen mehrere lieder und Strophen in dieser versform, die
vielleicht nachahmungen jener berühmten dräpa waren, so
Gunnlaugs drapa auf Adalrad (aufang des 11. jahrh.), Thord
Kolbeinssons spottlied (3 Strophen) in der Bjamarsaga Hitd.
1847 8. 42 f., Thjodolf des Jüngern dripa auf Harald harÖriÖe,
Sn. E. 155, 16—30, Fsk. 106, Hkr. (Unger) 547; eine Strophe
des Berse (um 985^?), der in nahen beziehungen zu Olaf Pfau^)
stand, citiert die Laxd. (Akureyri 1867) s. 71. In Sn. E.,
Hkr., Fsk., Msk. finden sich sehr wenige runhendastrophen.
Ausser den angeführten habe ich nur folgende notiert: eine
Strophe des Thord Sjareksson in Sn. E. 88, 12 ff. vom anfange
des 11. jahrh., desgl. eine strophe des Porgils Hglluson (um
1010) in Laxd. (1867) s. 189 f.; aus dem 12. jahrh. sind
atrophen (auf Eystein) von Einar Skulason überliefert in Sn.
E. 169, 8; 170, 21; 175,25; ferner in Msk. 223, 5; 225, 1—8.
23—24. 27—30; 226, 1—4. 8—11. 13—16; Hkr. s. 741 f.
(7 Strophen). In der Sverrissaga (Unger s. 73, 16 ff.) ist eine
Strophe des Bjarne Ealfsson citiert, diese hat aber schon
seehssilbige verse, wie auch die strophe des Thorgils in der
Laxd. Wir kommen damit auf eine Verbindung der runhenda
mit der grundform des drottkvsBtt (über die Übergangsformen
s. unten). Anonyme runhenda verse finden sich in Hkr. 729
(2 verse) und im vierten grammatischen traktat der Sn. E., AM.
II, 200. 224. 240. Diese Zusammenstellung macht keineswegs
anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber mindestens so viel,
dass die runhenda überhaupt selten angewant ist, und däss
vor der HofuSlausn Egils, ausser der zweifelhaften strophe
Skallagrims, vorkommen der runhenda nicht nachweisbar ist
— Siebensilbigc runhenda, die üborgangsform zu der rlmur-
vcrsform , findet sich , wie erwähnt, in den M&lsh&ttakvsBÖi
(Z. Z. Ergbd. 1 ff.).
Es erübrigt nun noch, einiger künstlicherer formen des
anlasste wol Keysers angäbe (s. 83), dass runhenda schon im 9. jahrh.
sich finde.
<) Dem Schwiegersohn Egils. Vgl. hierzu auch Germ. XXIII,
s. 429 anm.
37*
r>80 EDZARDI
drottkviett zu crwrihncn, in der das wesentliche der runhenday
der endreiui oder zwisehenreim noch hinzugetreten ist £s sind
dies zunächst die liÖhendur (HattatuI no. 42. 54 [vgl. 59] und
dunhenda (Hattatal m. 25, llattalykill no. 33, Olafsen s. 62
und s. 108 f.). Das wesentliche dabei ist, das» die skothend.
des ersten mit der adalli. des zweiten hall)verse8 unter einan-
der durch reim oder assonanz gebunden werden, so dass am
ende der lialbverse zwisclien halbvors 1 und 2, H und 4 skoth.
oder adalh., unter umstünden auch vollständiger endreim ent-
steht. Dies scheint man im allgemeinen mehr als einen er-
wünschten schmuck denn als eine consequent durchgeführte
kunsttorm i)ctrachtet zu liaben. weshalb denn auch die liShenda
oft nur 1 mal, seltener 2 mal, sehr selten 3 — 4 mal in einer
Strophe auftritt. Manche dichter zeigen eine besondere ver-
liebe für dies künstliche versmass, so namentlich Egil (z. b. in
der Keykj. ausg. einmal s. 119», 5 f.; 165/166, 7 f., 180*, 1 f.;
206/207, 1 f.; — zweimal 116, 3 f. 5 f.; 160 1, 1 f. 7 £;
160'^, 3 f.; 209, 1 f. 3 f.; 226, 5 f. 7 f.; — dreimal 125, 1 f.
3 f. 7 f.; 127, 1 f. 3 f. 7 f.; 136, 3 f. 5 f. 7 f. u. ß. w.),
ferner Ulf Uggason (s. Germ. XXIIl, s. 433). In der Sn. E.
tritt diese neiguug namentlich bei Einar skAlaglam^) hervor:
82, 30; 136, 11; 137, 10; 142,6 und 8; 164, 3 und 5«); auch
bei Arnor jarlaskald: 105, 22; 153, 1, und sonst noch reich-
lich 20 mal in einzelstrophen der Sn. E. Besonders häufig
tritt auch liMiending auf in den Strophen, w^elche die Hkr. dem
Hornklofe zuschreibt, nämlich s. 54», 1 f.; 60 ^ 1 f. 5 f. 7 f.;
64, 1 f. 3 f. 7 f. — Eine andere, auf dem gleichen princip
— Verbindung der beiden lialbverse durch silbenreim, bezw.
assonanz — beruhende kunstforni habe ich Genn. XXIII, &
433 bei Ulf l)esprochen. Sie besteht in dem reime eines nicht
von der skoth. (oder adalli.) getroffenen wertes mit der adalh.
(oder skoth.) des andern verses, z. b. Sn. E. 155, 3 (Amorr):
[pessj penqils [sessa] \ : pung : ung/r, ebenso z. b. Sn. E. 155,
11 (Kormakr); Ilkr. 207, 3 f.; 206, 1 f.; — oder Sn. E. 154,
29 (Sntebjorn): vWjar : slff^/a \ : (stäls) bntSlunga {tndii)y ebenso
*) Aus den in Hkr. citierteu Btrophen der Vell-ekla habe ich 12
fälle notiert. - [Vgl. Ubrigona z. b. Hkr. 651* l f. 3 f.j
*) Ausserdem mehrere unter dem namen Einarr [Skülason? vgl.
Sn. £. 115, 29. 104, S und lOj : 82, 14; 164, 29; 168, 21.
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 581
z. b. Sn. E. 100, 3 (Dörsdr.); 101, 23 (ebenda); Hkr. 206, 7;
2742, 3 f.; — oder 82, 30 (Eiiiarr sk&laglam): vottS : f^fttSa \ :
fjBTt5-{leggjar : dreggjar), ebenso 97, 17 (Porsdr.): 98, 17 (eben-
da): 138, 19 (Ormr Stein J^örsson) : 164,31 (Einarr); Egilssaga
137, 3 f.; 180 2, \ f.. 1832, 1 f.; Hkr. 206, 3 f. — oder Sn.
E. 101, 11 (Dörsdr.): itr {gulU : Ullar) \ : jötr^-; /»rjötf, ebenso
Egilss. 1612, 5 (?), Endlich kann auch, wenn die skoth. fehlt,
ein wort, das eigentlich skoth, tragen sollte, mit der adalh.
reimen, z. b. Sn. E. 101, 25 (Porsdr.); 140, 32 (Bersi); Egilss.
158*, 1; 208, 3 und 7; 225, 7.
Ferner findet sich ziemlich häufig reim zwischen dem
ersten und dritten, seltener zwischen dem zweiten und vierten
halbverse. Wenn hierbei auch manchmal der zufall walten
mag*), so kommt doch auch diese form vorwiegend bei ein-
zelnen dichtem, bei andern selten oder gar nicht vor. Unter
denen, die auf diese art einen reim zwischen vers 1 und 3
(2 und 4) herzustellen lieben, ist besonders wider Einar skä-
Uglam zu nennen, auch Ulf Uggason u. s. w.2) Als beispiele
können dienen Hkr. s. 56 (Hornklofi); Sn. E. s. 159, 6 flF. (Ha-
rald r); Hkr. 134* (Glümr Geirason). Hier also verbindet der
binnenreim die beiden langverse, wie in den keltischen (irischen)
Strophen, zu deren besprechung ich nach dieser orientierenden
Übersicht über die nordischen versmasso und ihre entwickelung
nunmehr übergehe.
Hinsichtlich der keltischen (irischen) verskunst bin ich
vorläufig allerdings auf die benutzung dessen angewiesen, was
sich darüber bei Zeuss, Gr. Celtica s. 913 — 963 (2. aufl. s.
936 — 977) und bei O'Donovan, gramm. of the irish language
s. 412 — 427 findet, sowie auf gütige mitteilungen des herm
prot. Windisch 3); wenn ich aber trotzdem eine vergleichung
der irischen mit der nordischen verskunst versuche, so hoffe
ich aus den im anfange angedeuteten gründen auf nachsieht
^) Wie denn auch vereinzelt dergleichen zwischen vers 1 und 4, ja
auch zwischen vers 2 und 3 sich findet.
2) Z. b. Sn. E. 145, 5; 142, 31; 175, 9; 132, 3; 136, 16; 81, 11;
86, 15; 134, 19; 137, 16; 138, 3; 142, 1; 109, 29; 116, 8 u. s. w.
^) Der mich auch die metrischen bemerkungen seines demnächst er-
scheinenden Werkes ^Irische texte' gütigst benutzen Hess.
582 EDZARDI
rechucD zu dürfen. DaH für diese vergleiehnng wesentliche
lässt sich etwa so zusamnicufasscn :
Die ül)lichftte form (Zeuss^, s. 956) ist diese ^): die atrophe
besteht aus je zwei laugverseu oder vier kurzversen, deren
jeder siebcnsilbig ist'^). Dazu kommt der eudreim, wobei aber
die consouanten, auch beim vollrcim, nur ähnlich zu sein
brauchen (». Windisch s. 1 55-— 157). Entweder (no. I) sind
nun die langverse unter sich durch endreini (consonantia copu-
lativa) verbunden oder (no. II) je die beiden halbverse (con-
sonantia coutraposita), so dass jeder langvers seinen endreini
für »"ich hat. Ob dabei auch binnenreim innerhalb desselben
lialbverses (cntsprecliend der uordis^cheu skothendiug und adal-
liendin^) vorkommt, wage ich nicht zu entscheiden.') In I
verbindet innerer reim (binnenreim) die beiden halbverse eines
jeden langvcrses unter sich; besonders gern lilsst man das
letzte wort des ersten halbverses mit dem vorletzten Worte des
zweiten reimen. Endlich kommt dazu die alliteration, die aber
in der re<cel innerlialb des lialbverses (nicht beide halbverse
verbindend) und besonders gern in den letzten drei Wörtern
gebraucht wird. Eine solche Strophe sieht also beispielsweise
so aus:
I mit consonantia copulativa (bei Windisch s. 158):
OguiJi il-lia, lia u:i8 locht, bali i teigti» focht fir,
iniic ri^h Erend ro g;iot and do gao gand oh gabur gil.
') 8. Wiiidiöch, IriHcho tcxto s. 155 ff.
*) DioKC ont^prechoii dou vorsen (nach dor Üblichen bezoichnung,
oif^cntHch halbveräon) im nordischen.
**) Ks will mir Bchoinen, als wenn man in manchen Strophen solche
anorkonnon miis'c. Wenn aber überhaupt, so kommen solcho reime doch
im irischen höchstens verein/.elt vor. Dass indessen dieser (dem nordi-
schen entsprech(nide) binnenreim dem keltischen überhaupt nicht fremd
ist, dafür darf ich mich wol auf Schuchardts scherzhafte nachalimang
neu-kymrischer verse (A. A.Zt^. 1*<78 no. 171 s. 2555^) berufen, wo die
reime landcd : London, sight : quHe, mermaid : Mormon, nigger : nugged,
view : nrw u. s. w. vorkommen. Man vergleiche auch was Zeuss*, e. 9(i6
über die ncuuMilbigcn kyntrischon verse (mit * consonantia lateralis in
eodem vcrsiculo') und s. 971 (*in singulis versibus binae sylhibae, tertia
lere et sexta, sibi rci<pondent*) sagt, und die daselbst gegebenen bei-
spiele, z. b. hcnoid inWvlu n\\ gunnaur \ mi am/Van^- ^am anca/atir (963)
oder och oe /eith maur a ^eith y deuth an \ . . . i hid atUA y daeth
rad kyidauan (971) u. s. w.
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 583
II mit cousonantia coutrapositiva (bei O'Donovan s. 423):
Puirt riogh achaidh fhionnlogha, Siodh Chathail a g-comhladha,
D'a ghoin d*arm 1 UghaFne, Do mharbh soin an siodhuigho.
Vergleichen wir diese form mit den skaldischen versformen, so
fallen sofort au (lallende ähnlichkeiten neben nicht unwesent-
lichen abweichungen in die äugen. Wir haben auch hier silben-
zählung, auch hier neben dem Stabreim den endreim (der run-
henda), namentlich aber auch den binnenreim (des drottkvsßtt).
Endlich besteht auch hier die strophe aus vier halb- oder
kurzversen , wie die selbständige (s. oben s. 576) halbstrophe
bei den skalden.^) Dagegen sind folgende unterschiede zu be-
tonen: 1) die silbenzalil ist in dem üblichen versmasse nicht
6, sondern 7 — aber es gibt auch versmasse mit anderer
silbenzahl, namentlich mit 6, 8 und 4 silben (s. unten); — 2)
der Stabreim verbindet nicht die beiden halbverse des lang-
verses (verspaares) , sondern ist meist nur ein schmuck des
einzelnen verspaars für sich — hierin ist also die skaldische
versform dem germanischen princip treu geblieben; — 3)
der endreim verbindet in I, d, h. wol in den meisten fällen,
nicht die halbverse, sondeni die langverse unter einander;
ebenso regelmässig der binnenreim — aber es gibt auch eine
grosse zahl von fällen, in denen (der runhenda entsprechend)
die halbverse durch endreim verbunden sind, nämlich in II
[und in viersilbigen (Zeuss^, s. 971 f. 975 f.) und fünfsilbigen
versen (ibid. s. 964)] ; ob in diesen auch binnenreim, und zwar
innerhalb der halbverse, stehen kann, darüber s. s. 582 anm. 3.
— 4) im [endreim und] binnenreim ist der voeal das wesent-
liche, nicht wie im nordischen (in skothending) der consonant.
— Besonders zu betonen ist noch, dass es ein versmass
(^Rionnard', O'Üonovan s. 424) gibt, welches sechssilbige verse
hat, die auf ein zweisilbiges wort ausgehen müssen, z. b.
O'Donovan s. 424: Lasair greine aine,
Apstol Eirenn oigho,
Patraic coimet mile,
Rop ditia diar trolgho.
<) Schon im kyit5uh4ttr föUt die stärkste Interpunktion zwischen die
Strophenhälften, in der skaldischen atrophe sind beide hälften, wol unter
cinfluss der keltischen strophe, ganz auseinander gefallen.
584 EDZARDI
Dies yersmass scheint das vorbild des dröttkv., sunftchst der
h&ttlausa gewesen zu sein.^)
Es scheint hiernach so viel einleuchtend, dass das prinoip
der Silbenzählung der keltischen verskunst entlehnt ist; auch
die seclissilbigen verse des drottkv. und die zweisilbigkeit des
letzten wertes scheinen im 'Rionnard' ihr Vorbild gehabt zu
liaben, während die kürzeren, viersilbigen verse des balkarlag,
der ininhenda und des toglag in den ktlrzeren keltischen')
versen (s. oben s. 583) ihre entsprechung finden.') Daneben
hat die skaldendichtung das germanische princip des Stab-
reims behalten, während die keltische Verwendung desselben,
wie oben gesagt, eine ganz andere ist — So denke ich mir
den silbenzählenden vers entstanden, auf den runhenda und
druttkvsett zurtlckgehen (m&lahättr, balkarlag; h&ttlausa).
Schon die Eddalieder zeigen zum teil ziemlich durchge-
führte viersilbigkeit (bezw. fünfsilbigkeit) der verse , wie ich
das oben hinsichtlich der Hfmiskvit^a ausgeführt habe. Sie
sind aber auch vom zweiten princip nicht unbeeinflusst^ welches
die skaldendichtung der keltischen verskunst entlehnt^^ d. h.
vom silbenreim, sowol als binuenreim wie als endreim.
Den letzteren könnte man sich allenfalls wol auch anders-
woher entlehnt denken; da aber endreim und binnenreim sieh
sehr nahe berühren, letzterer aber ziemlich sicher aus dem
keltischen stammt^), wird man das auftreten des endreims im
nordischen wol ebenso erklären müssen.
Ist es nun aber richtig, dass der nordische silbenreim
überhaupt keltischen Vorbildern nachgebildet ist, so haben wir
zunächst nicht so sehr auf die im drottkv. ausgebildete form
') Die verse no. II entsprechen mit binnenreim im halb verse einer
lit$henda bei den skalden, s. oben s. 5S0.
*) Viersilbige verse konnten übrigeos, wenn das princip der silben-
zUhlung einmal angenommen war, am leichtesten und natürlichsten sich
aus dem tbrnyröalag entwickeln, so dass vielleicht dem balkarlag hin-
sichtlich der Silbenzahl kein fremdes versmass als vorbild diente.
3) Ob die hrynhenda direet keltischem vorbilde nachgebildet ist
oder der lateinischen hymnenpoesie, mag hier unerOrtert bleiben.
*) Der binnenreim, namentlich neben dem Stabreim, ist etwas so
eigentümliches, germanischer dichtungsform so fremdes, dass wir schwer-
lich anstehen dürfen, ihn auf keltischen einflnss zorttckznführen.
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 585
desselben (binnenreim im balbyorse) zu achten als vielmehr
auf solche fälle, die der im irischen üblichen form (reim zwi-
schen zwei halbversen, 'zwischenroim') entsprechen, sowie auf
den cndreim zwischen zwei langversen ('überschlagenden reim*).
Darauf haben wir wol die mancherlei künstlichen formen des
drottkvaett, die liöhendur und andere oben s. 579 — 581 be-
sprochene künsteleien zurückzuführen.
Derartiges ist nun auch in den Eddaliedern zu beachten,
was bisher noch nicht geschehen ist. Von dem neu gewon-
nenen gesichtspunkte aus werden wir manche ungenauen end-
reime *) nicht für unbeabsichtigt halten und namentlich werden
wir in den reimen — [^- bezeichnet das reimwort] — :
_ ^ , z. b. (jnd gaf O'&inn,
^ _ o& gaf H(Bnir.2)
') 8. oben s. 574 anm. 1; aacb endreime nach den gesetzen des
WnnenreimB wie Löt^ur : götia Vsp. 21, 7, ritüa : pjöt5ar Vsp. 31 , 5
II. i. w. — Im priucip dieselben sind natürlich auch reime wie Vsp. 36,
hA^v sitr Sigyn | l?eygi um smum; Vgt. 7, 7 ff. u. ö. nautJug sa^tJak | nü
man'k f^^^ja; 8, l u. ö.; j^^^iattu, volva | \\\i vil'k fr^^a; 14, 1 heim
xitS }7Ü, O'Ö^inn, ok ver hxöt5\gv\ H>hmkv. 19, 5 verk ^ykk]9. ]?in | verri
mtXrlu; 6, 1 veiztü, ef l?wjum | j^ann lö^velli(?); 38, 2 gotJmö/ugra | g9rr
at sktTja; Rigs]?. mit^ra fl^/ja | meir s^^dsk h6n*, 31, 1 fram ^etii
hön I fulla skw/la; 47, 3 kolfi fl^^^Öi, | kyrt5i fw^la (?); Hyndl. 15, 2 en
bann slö S/^tiygg | meÖ svolum e^^jum (?); 49,3 ]7Öttu brüÖr iöftms | bolvi
\ieit\T u. 8. w. Dazu etwa noch ^rkv. 20, 1: Hym. ^7, 3 u. s. w.
2) Vsp. 21, 5. Ferner Vsp. 8, 1 s61 varp (?) ^nnan | sinni m4na,
21,8 \k nö Iceü. n6 litvL g6t$a; 47, 3 at inu gallK \ £!ta//arhomi ; 48, 5
brc^tJask haüx \ ä A^/vegum; 58, 5 drepr bann af motu \ mt^gartSs y^urr;
58, 11 neppr frd natSxi \ ni75& ökviÖnum; 68, 3 naör frinn n^^an | ixk
iVj^rafioIlum; Vgtkv. 8, 3 unz alktinna | vilk enn vita; trkv. 9, 7 ok
/«^^jandi | lygi um bellir; 17, 3 l?egi l?ti, pörx \ />e«ra orÖa; 26, 5 4t vcetx
Freyja | ättd. nöii\xxsi\ Hym. 3, 7 Joanne ek p//um yÖr | gl of heita; 5, 5
4 minn fa^ir | md^ugr ketil; 7, l föru dnu^um | diog J'ann fram; 8, 7
brwnbvit herdk | &fdrveig syni, 10, 3 hartJraÖfr Hymix \ heim af v^töfum;
14, 5 par vdru piördkX \ prir of teknir; 15, 3 ok k seytfi \ «Öan b4ru;
17, 3 ef ballr igtunn \ heitJix gaefi; 30, 1 unz J^at in friTSdk | ^nöla (?)
kendi; 33, 7 stötJ at hväru \ hverr kyrr fyrir; 37, 5 var skaer skgk-
uls I skakx i bcini; 38, 5 hver af bratinbüa | bann \aun um fekk; RigsJ?.
11, 3 sat bjd b^nni | s<9nr büss; 21, 5 rati^an ok riötfan | n9ut$u anga;
22, 7 karta at görys, | ok keyra plög; 37, 7 b61ag figll \ unz at hgliu. kom;
40, 1 öku cerix | tirgar brautir; 44^ 5 meir kunni bann | mpnnum biarga ;
46, 3 br9g9um beiiti \ ok betx kunni; 49, 5 ]7eir konnu yW | kiöl at rit$a;
586 EDZARDI
oder f - z, b. rj^Ör ragna sigt
*- raubum dreyra.*),
auch wol * _ z. b. raub hann 1 n;^u
_ X nauta bWÖi *)
vielfach absichtliche nachbildungeu keltischer reimarten sehen,
zumal derartiges keineswegs gleich massig, sondern hier häufi-
ger, dort seltener sich findet.*) — (Vgl. noch den anhang.)
Hyndl 3, 5 byri gefr hann brpgnum \ on brag skaldum; 4, 5 p6*ti hinnm
6tiitj I vii) iotxma brüt^ir; 5, 3 h\t hann retitisk \ met$ run& mmam; 9, 5
skylt'ä at v^//a | svat »katl ungi; 15, 7 61u l'an ok äitn \ ättUn sona;
16, 9 u. ö. ait's j^at wit ]nn \ O'tivLrr hcimski; 17, 1 var Hildigtmii | h^iuiar
mötiir; 21, 7 um lond ok log \ sem logi fa?ri; 44, 1 }^& kömr onnarr | enn
matkari; M\y 7 skutiisk ]>&r fLeir'i \ und fyrirskyrtu u. 8. w. Zu diesen
/Jomlich sicheren fallen in den mythol. kviÖuhdttr-Iiedem kommen hier
wie in den anderen reiniverzeichnissen eine grosse zahl mehr oder minder
zweifelhafter, wo nämlich der reim sehr ungenau ist oder ein unbetontes
wort im reim stehen würde, wie Vsp. 7, 1; 46, 5; Vgt. 7, 3; I^rkv. 24,
5; Ilym. 35, 3 u. s. w. |l>rkv. 29, 3; 31, 5?; Hyndl. 19, 3.]
*) Vsp. 42, 3. Ferner Vsp. 7, 3 perr's miögar^ | mter^n sköpu ; 7^. 5
861 sk^m sunnan | (i, salsiv stet/ta; 11, 7 dmä^kar miok | 6t toAinheimum;
27, 7 etSa skyldi (?) got$ oll | gildi eiga; 3S, 2 Mtf fyr nort$an | 4 Nt9t-
vollum; 39, l sal ser h6n standa | söln fiarri; 66, 1 sal s6r h6n stsnda |
sohl fegra; Vgtkv. 9, 1 Botfr berr hdvan | hr ötirh&tim Jnnnig; Hym. 13,
7 siönxim leiddi | sinn andskota; 15, 5 at Sißtn verr | ^r sofa gi'ngi^
17, 7 briötr bergdana | beUnr soekja; 20, 3 ättTvmn apa | fi/ar fosra; 29, 3
brätt let bresta | brattstein gulli ; Rigs]?. 4, 3 pung&n ok l^ykkan | pnmg-
inn sdt5um; 23, 1 heim ökn ]fi \ hanginltiMa; 23, 7 btuggu hiön \haugK
deildu (?); 40, 7 hvitw ok horska | heiM Erna; 44, 1 en koni ungr j Artfnni
runar; Ilyndl. 20, 3 var mogv hennar | mdgv l'ins f9t$ur! 25, 3 S^xMw
miigi I tilyti (J^u) sogu minni; 48. 5 ber ]7Ü O'ttari | biör at hendi u. s. w.
Dazu zweifelhafte talle wie Hym. 36, 5; Rig8j?.44, 7; Hyndl. 6, 3; 49,7,
femer Vsp. 40, 9; Hym. 14, 7; RigsJ?. 4, 1; 30, 1; Hyndl. 19, 5 u. s. w.
^) Hyndl. 10, 5. Ferner Vgtkv. 3, 7 hann kom at hivu | Heljar
tanm\ 1, 7 unx n/zti^ig reis | nds-ort^ um kva9 (?); kkv. 10, 7
nema ha/ium fasri j Freyju at kv/i/i; 26, 5 at vaetr Freyja | itta nöttnm;
Hym. 5, 3 \\und\\%% Hytmv \ at Atmins end2k\ 9, 5 er mtiui fri | m9rg^
smni; 9, 7 g\pggT vi5 gesti | g9rr ills hif^ar; 33, 5 Tgr leita5i | tysvar
hrora; Rigs]?. i, 7 sod var i bolla, setti & bto9; öfter Ri^r knnni ^im |
rat$ at s^^ja; Hyndl. 1, 7 til Va/hallar | ok til v^s h^ibgs; 30, 9 skatil-
giarn ipiunn | hans var Skac$i döiär u. s. w. Dazu noch an unsicheren
fällen Vsp. 45, 7 u. ö.; Rigs)*. 41, 7; Vsp. 43, 3 u. s. w.
3) Vollständige lit^henda haben wir in Vsp. 4, 5 vii^ at ek Va^|p8r,
vel fyr te\ja und eine abart davon tritt hervor z. b. in Vsp. 58, 1 1 neppr
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 587
Solche einwirkung keltischer*) verskunst auf die nor-
dische, speciell isländische [und norwegische] erklärt sich nun
aber sehr wol, denn wir wissen nicht nur, dass Island vor der
norwegischen bebauung schon von einigen Kelten besiedelt
war (s. Islendingabök ; Maurer, Island s. 2), sondern auch,
dass ein nicht unwesentlicher teil (der zweite hauptzuzug) der
einwanderer sich vorher längere zeit an den keltischen küsten
(in Irlaud, Schottland und auf den inseln) aufgehalten hatte,
wo * gegen die mitte des 9. Jahrhunderts, und von da ab immer
häufiger, norwegische nicderlassungen bleibender art*, kleine
nordische i'eiche 'sich bildeten* (Maurer, Island s. 25). 'Es
konnte aber nicht fehlen , dass die vielfachen Verbindungen,
welche hier von den nordischen heerleutcn mit den einheimi-
schen fürsten und deren Untertanen augckniipft worden waren,
auf die von hier aus nach Island hinüberwandernden colonisten
gar mancherlei einfluss gewannen' (Maurer s. 27). Endlich
witsen wir von verschiedenen skalden, dass sie sich in kelti-
»tjhen landen aufgehalten haben, z. b. von Gunnlaug und
r^amcntlicli von Egil, in dessen Strophen und liedem sich be-
sonders anklänge an keltische kunstformen zeigen — hat er
doch wahrscheinlich in der HofuÖlausn zuerst die runhenda
eingeführt.
Ein Seitenstück zu der hier angenommenen einwirkung
keltischer dichtkunst auf die nordische 2) bietet die lateinische
der Iren, die ebenfalls deutlich einwirkung der nationalen
verskunst zeigt. Darüber hat schon Zeuss, Gr. celt^ p. 938 — 48
so ausführlich gehandelt, dass ich mich hier auf kurze hin-
weise beschränken kann. Silbeuzählung und endreim findet
sich bekanntlich in der lateinischen hymnenpoesie wie in der
keltischen nationalpoesie. Ob in dieser hinsieht ein innerer Zusam-
menhang zwischen beiden besteht, diese schmerige frage lasse ich
frä uA'dri \ 7i{bs 6kv{^num\ ebenso I>rkv. 26, 5; Hyin. 33, 7; der iimge-
kelirte fall liegt vor in Vsp. (»8, 3 na5r fränn neJan | frd Mtiafjpllum,
und ebenso in Vgtkv. U, l; Hyiu. 14, 5; Hyndl. 30, 9 u. s. w.
0 Ueber * keltische wOrter im nordischen Sprachschatz, vorzüglich
der skalden poesic* vgl. die literaturzusamnienstellung bei Hildebrand,
Z. Z. Ergbd. s. 78 amn. 1 [Olafsen s. 87 f.].
^) Vgl. auch was Maurer (Island s. 452) über mögliche entlehnung
der harte von den Kelten seitens der nordleute sagt
58S EDZARDI
hier aus dein spiele. Es ist aber von Wichtigkeit, dass da-
iieheii der Stabreim vorkommt, und zwar vorwiegend nicht in
der germanischen, sondern in der keltisclien Verwendung (a.
oben s. 583). Dass der Stabreim der lateinischen hymnenpoesie
in erster linie auf den keltischen Stabreim zurQckgeht| wird
auch dadurch wahrsclieinlicli, dass daneben deutliche spuren des
binnenrcims sich finden, z. b. Columban (bei Zeuss' b. 945):
pliirima discenli semper sapientia crescit; sit tibi cura ttioe tota
t;/rtut^ saluiis (p. »)4G), Virluietn Wiulis vWam qui quaerit ho-
7icstam; fei tnoTum meritis caelestia regyia merm; — ^Anony-
mus ad Anonymum : (947) Mihi cara magnopere \ xUque ^nara
in opere] — Bonifhcius (il)id.): Qua martyres in eüneo regem
CMoil aethereo u. dgl.
Nach allem anj^eführten wird, denke ich, der einfluss der
keltischen vcrskunst auf die cntwickelung der nordischen mehr
als wahrscheinlich, zumal auch die sagaschreibung in mancher
hinsieht einfluss des keltischen sageustils zu verraten scheirit;
ich denke namentlich an die eingestreuten verse*), die auff»*
frihrlichcn «^cspräclie , die eingehende Schilderung der pcr-
soueu'^). Ich muss mir vorläufig versagen, auf diesen pankt
weiter einzu';:chen , wie überhaupt diese bemerkungen nur
vorläufige sein wollen, die nur eben andeuten ^ was ich
in nicht zu langer zeit hoffe ausfahren und begründen su
können.
Anhang. Das eindringen von zwischen -silbeureimen in
die Eddadichtung, das oben mit beis])ielen aus den mythisch-
mythologischen liedern in kvifiuhattr belegt ist, zeigt sich sehr
deutlich auch in dem liede, welches überhaupt in seiner form
sich der skaldischon am meisten nähert, in den Atlamä.1. —
Ich stelle anhangsweise hier die bctreflfenden beispiele zu-
sammen :
*) Die als quellen bcuutzteu uud als Zeugnisse citierten verse sind
hier natürlich nicht gemeint. Ucbrigens kommen auch solche in der
keltischen sage vor.
^) Dagegen ist die Übereinstimmung, dass beide lange stammbäame
einschieben, wol eine zufällige.
DIE SKALDISCHEN VERSMASSE. 589
Zu 8. 585 anm. 1: 10, 3 dröttldta : Ycelki] *14, 1 ganga
: )>angat; 18, 5 heitnm : Atlsi] 29, 1 \ysi\ : füsir] *36, 5 8l/7wu8ii
: hrotnu^xx] *46, 7 rd'6'usk : kvdöu; 51, 5 tigir \ pegnixr yigliffir]
*61, 5 niiuiia : ^enua; *65, 3 sagÖi : bregÖa ; *69, 9 ekki
: )>ykki; 71, 1 grunnyö'gi : trwöi ; 89, 3 veiSL \ j^ann's p6Y vel
trüir; 91, 5 uaut väru ceriu \ nutiim af sWrum; 94, 1 Atli: Uli
rcekja; 101, 3 i/rboriuu : h^/7a (?); 102, 1 siÖan : foeÖa; 102,3
afr^Xri : Giük\\ — ferner etwa 14, 5; 49, 5; 57, 1; 100, 5 [* mit
endreiiii).
Zu 8. 585 anm. 2: 1, 7 ok it sama sonxxm Giüka | er
vä,ru sarmikhmY] 2, 1 skioldww^2^ \ skyld\i'Sit\ 2, 3 AÜsl: dtti]
10, 7 Hogm : hygg'6M\ 17, 3 Äw^Öir : )>ar luun \\xegg\ 19, 5
M\2i I hva^ki; 25, 3 \>iöst\ \ ^eyst\fik\ 28, 3 for p6 | alls po's
/ara letlat; 43, 1 oÖir \>k wröu | er )?at orö bet/röu; 43, 3
farÖuÖu ßigwxm \ ok /en^u i snoeri; 49, 3 anwat | er U7in\x\
51, 1 rö?&a : rWÖr vaeri; 70, 5 hni^a : td^ undan; 80, 7 t/Ö-
Uga I tniöir; 83, 11 storan | ^eri\ 93, 1 I>yMja | sem ekki
T^i; — ferner etwa noch 35, 1; 39, 1; 44, 3; 52, 5; 61, 7;
Zu 8. 586 anm. 1: 7, 3 syn : sin gaeÖi; 9, 1 kenA. : kunxÄ\
10, 5 sa^Öi : p^^ars; 10,9 f&r: far; 25, 7 g^Öi-at:v^a;
29, 1 lit\w : läusk ; 29, 5 foru : fleiri (: väru) ; 30, 5 bliÖr : bro-
8ir; 30, 9 Igttn : ietu-Ri] 32, 1 sor : s6r (:eira); 33, 3 ^f^liÖ
: sigY] 34, 1 Nggui : hugt5i (?); 41, 7 fyrr : firra; 49, 9 högysi
: hugr {dygt5i)\ 52, 1 brä?Ör : BwÖla; 58, 1 beitiibryti-, 67, 7
silfxi snaebvitu | 8em pü sialf vilir; 71, 3 = 7, 3 syn sin
gaeÖi; 83, 7 A^/m8ku . . . | i heim\\ 86, 1 hug i Hggii9,{^)\ 87,
3 kendi : band8; 90, 1 heidAx : biöja (?); 91, 5 naut : nw/um;
98, 3 ^ok : 8b/fÖir ; ferner noch etwa 2, 5 ; 99, 7.
Zu 8. 562 anm. 2: 40, 3 exarrhixti; 56^ 3 skeriÖ : gör-
vir ; 59, 7 sinn : svinum ; 60, 9 feginn : )>aBgi ; 64, 3 16tu : i]>r6tta;
68, 7 hr^fÖailifÖi; 74, 1 lokkaÖi : (16k :) stokki; 80, 1 tök
ek : steiktak ; 85, 3 hendusk : unÖi (?) ; 85, 7 gat : Atla ; 90, 5
van : reyndum; 94, 9 hroldi : 8kyldi; 102, 7 )>eira :heyrir; —
ferner noch etwa 9, 1; 35, 3; 96, 7.
LEIPZIG, im 8eptember 1878. A. EÜZARDL