Skip to main content

Full text of "Beiträge zur operativen Chirurgie. Herrn Hofrath Professor Dr. Theodor Billroth in Wien, zu seinem fünfundzwanzigjährigen Doctor-Jubiläum"

See other formats


W  )«' 


,r  v-i.- 


f'  / 


*/ 


h 


'^^^M^^X^ 


BEITEÄGE 


ZUR 


OPERATIVEN  CHIRURGIE. 


BEITRÄGE 


ZUR 


OPERATIVEN  CHIRURGIE. 


HERRN  HOFRATH  PROFESSOR 

W  THEODOE  BILLEOTH  IN  WIEN 

Zü  SEINEM  FÜNFÜNDZWANZIGJÄHRIGEN  DOCTOR  -  JUBILÄUM 

GEWIDMET   UND   HERAUSGEGEBEN 
vox 

PROF.  DR   V.  CZERNY, 

GROSSH.  BAD.  HOFRATH  UND  DIRECTOR  DER  CHIRURGISCHEN  KLINIK 
IN  HEIDELBERG. 

MIT  ZWEI  LITHOGR.  TAFELN  UND  HOLZSCHNITTEN. 


^wxaec^ 


STUTTGART. 
VERLAG   VON   FERDINAND    ENKE. 

1878. 


3Z 


Druck  von  (ieliriider  Kröner  in  Stuttgart. 


Hocliverelirter  Lelirer  iind  Freimd 


xleute  sind  25  Jahre  verflossen,  seitdem  Sie  an  der  Berliner 
Universität  mit  der  Dissertation:  »De  natura  et  causa  pulmonum 
affectionis,  quae  nervo  utroque  vago  dissecto  cxoritur«  in  die  Reihe 
der  wissenschaftlichen  Arbeiter  eingetreten  sind. 

Durch  die  lange  Reihe  Epoche  machender  Arbeiten,  welche 
seitdem  Ihren  Namen  berühmt  gemacht  haben,  sind  Sie  immer  dem 
Grundsatze  treu  geblieben,  welchen  Sie  in  der  Vorrede  Ihrer  Dis- 
sertation ausgesprochen  haben :  Manches  mag  zweifelhaft  oder  selbst 
falsch  sein  in  meiner  Arbeit,  allein  das  weiss  ich  gewiss,  dass  die 
strengste  Liebe  zur  Wahrheit  und  die  glühendste  Begierde,  sie  zu 
finden  stets  meine  Leitsterne  gewesen  sind  und  auch  immer  sein 
werden.  Unsere  Wissenschaft  hat  desshalb  guten  Grund,  diesen 
Tag  zu  feiern. 

Zehn  Jahre  sind  es  her,  seitdem  Sie  Ihr  wissenschaftliches 
Banner  auf  österreichischem  Boden  entfaltet  haben  und  in  Wien 
zahlreiche  Schüler  aus  aller  Herren  Länder  um  dasselbe  versammeln. 
Möge  es  Ihnen  noch  lange  Jahre  vergönnt  sein,  daselbst  ebenso 
segensreich  und  anregend  zu  wirken  wie  bisher. 


VI 

Sie  haben  mit  Recht  hervorgehoben,  von  welcher  Bedeutung 
die  continuirliche  Fortpflanzung  der  Lehre  vom  Lehrer  auf  den 
Schüler  für  unseren  Fortschritt  ist.  Möchte  Ihnen  diese  kleine  Gabe 
den  Beweis  liefern,  dass  der  Zweig,  welcher  von  Ihrem  wissen- 
schaftlichen Stammbaume  auf  deutschen  Boden  verpflanzt  worden 
ist,  kräftige  Wurzeln  gefasst  hat  und  reife  Früchte  zu  tragen 
beginnt. 

In  aufrichtiger  Verehrung  und  treuer  Freundschaft 

Ihr 
dankbar  ergebener  Schüler 

Dr.  Y.  Czerny. 

Heidelberg,  geschrieben  am  30.  September  1877. 


Inhalt. 


Seite 

Widmung, 

I.     Beiträge  zur  Radikaloperalion  der  Hernien  von  Prot'.  Dr.  V.  Gzerny  1 

1.  Die  Radikaloperation  bei  Kindern  und  Greisen       14 

2.  Die  Radikaloperation  bei  eingeklemmten  Brüchen       20 

3.  Die  Radikaloperation  bei  Gegenwart  von  Kothfisteln  im  Bruchsacke  23 
II.     Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs  von  Dr.  H.  Braun       ...  39 

1.  Resection  des  Oesophagus 41 

2.  Exstirpation  einer  Struma  accessoria  posterior 52 

3.  Exstirpation  eines  Lymphosarcoms  der  Tonsille  und  des  weichen 

Gaumens  mit  temporärer  Resection  des  Unterkiefers       ...  60 

4.  Oesophagotomia  interna 70 

III.  Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen  von  Dr.  F.  F.  Kaiser       .     .  93 

Hierzu  Tafel  I. 

IV.  lieber    die    Plastik     mit    granulirenden    Hautlappen    von    Prof.    Dr. 

V.  Gzerny 161 

Hierzu  Tafel  II. 

1.  Heilung  eines  durchbohrenden  Fusssohlengeschwüres      ....  165 

2.  Heilung  eines  varicösen  Fussgeschwüres  durch  einen  Lappen  vom 

anderen  Unterschenkel 168 

3.  Verschluss  des  Scheideneinganges  bei  einem  unheilbaren  Blasen- 

defect 174 

V.     Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen 

von  Dr.  W.  Stark 181 

1.  Resection  des  Schultergelenks 195 

2.  Resection  des  Ellenbogen gelenks 222 

3.  Resection  der  Fingergelenke 272 

4.  Resection  des  Hüftgelenks 278 

5.  Resection  des  Kniegelenks 317 

6.  Resection  des  Fussgelenks 358 


I. 

Beiträge  zur  Radikaloperatioii  der  Hernien 


von 


Professor  Dr.  Czerny. 


Czerny,  Beiträg:e  zur  operativen  Chirurgie. 


Ubvvohl  es  schon  A.  G.  Richter  bekannt  war,  dass  zur 
Radikalkur  der  Unterleibsbrüche  nicht  nur  der  Bruchsack  verödet, 
sondern  auch  die  Bruchpforte  verengert  werden  müsse,  so  waren 
doch  die  bisher  angewendeten  Kurmethoden  immer  blos  auf  die 
Erreichung  entweder  des  einen  oder  des  anderen  Zieles  gerichtet. 
Sie  konnten  desshalb  blos  in  seltenen  Fällen  sichere  Erfolge  auf- 
weisen. Ich  habe  es  vor  Kurzem  versucht  ') ,  eine  Methode  der 
Radikalbehandlung  in  die  Praxis  einzuführen,  welche,  unter  Benützung 
der  antiseptischen  Behandlungsmethode  und  der  carbolisirten  Darin- 


^)  Studien  zur  Radikalbehandlung  der  Hernien  von  Prof. 
Dr.  Gz  er  ny.  Wiener  med.  Wochenschrift  Nr.  21  bis  24,  1877.  Durch  eine 
freundliche  Zusendung  (Correspondenzblatt  des  Vereins  der  Aerzte  im  Reg.-Bez. 
Merseburg  etc.  Oktober  1876)  erfuhr  ich,  dass,  ausser  den  schon  1.  c.  erwähnten 
Vorgängern  meiner  Operation  auch  Herr  Dr.  Risel  in  Halle  sich  seit  zwei  Jahren 
mit  der  Radikalbehandlung  der  Hernien  beschäftigt.  Die  Hernien ,  an  denen 
Risel  eine  Radikalheilung  versuchte,  waren  „freie  Skrotalhernien  geringen 
Umfangs  bei  jüngeren  Individuen".  Anfangs  stülpte  er  den  Fundus  des  isolirten 
Bruchsackes  möglichst  weit  in  den  Bruchsackhals  ein  und  befestigte  ihn  daselbst 
mit  4  Catgutnähten.  Da  er  aber  mit  dem  Erfolg  dieser  Operation  nicht  zu- 
frieden war,  eröffnete  er  in  drei  weiteren  Fällen  den  Bruchsack,  um  sich  von  der 
Leerheit  desselben  Gewissheit  zu  verschaffen  und  legte  um  den  Bruchsack- 
hals eine  Catgutligatur.  Der  Bruchsack  wurde  dann  mit  ö'/o  Garbolsäure  irrigirl, 
mit  einem  Drainrohr  versehen,  und  die  Wunde  durch  die  Naht  geschlossen. 

Ich  glaube  wohl,  dass  diese  (mit  der  v.  Nu  ssba  um 'sehen  gleich werthige) 
Methode  bei  reponiblen  kleinen  Hernien  jugendlicher  Individuen  Erfolge  aufzu- 
weisen haben  wird,  wie  ich  selbst  den  Schwalbe 'sehen  Alkohohnjectionen 
(Deutsche  med.  Wochenschrift  Nr.  38,  1876)  in  solchen  Fällen  nicht  jeden  Erfolg 
absprechen  möchte.  Wusste  ja  doch  schon  Richter,  dass  bei  diesen  Patienten 
manchmal  eine  oberflächliche  Aetzung  in  der  Gegend  der  Bruchpforte  zum  Ziele 
führt.  Allein  es  ist  immer  dem  Zufall  mehr  weniger  anbeim  gegeben,  ob  sich 
die  Bruchpforte  nach  der  Ligatur  des  Bruch sackhalses  spontan  verengern  wird. 
Ich  halte  desshalb  meine  Gombination  der  Ligatur  des  Bruchsackhalses  mit  der 
Naht  der  Bruchpforte  für  ein  sehr  wesentliches  Erforderniss  der  Radikalbehand- 
lung,  welche  wohl  den  Namen  einer  eigenen  Methode  verdient. 


4  Dr.   Czerny. 

Saiten,  zu  gleicher  Zeit  die  Verödung  des  Bruehsackes  und  die  Ver- 
engerung der  Bruchpforte  zu  erzielen  sucht,  und  bin  schon  jetzt  im 
Stande,  weitere  Erfahrungen  über  solche  Operationen  zur  allgemeinen 
Kenntniss  zu  bringen.  Im  Wesentlichen  besteht  meine  Operations- 
methode in  folgendem  Verfahren: 

Zuerst   wird   das   ganze   Operationsfeld   rasirt,   gesäubert   und 
desinficirt,    dann    wird    der    Bruchsack    durch   einen    6 — 10    Gtm. 
langen    Hautschnitt,    nach    der    Durchtrennung    der    aufgelagerten 
Schichten ,    biosgelegt    und    sein  Hals    nur  so  weit  aus  seiner  Um- 
gebung gelöst,   dass   mit   der  Aneurysmennadel   ein  dicker  Gatgut- 
faden  um   denselben    gelegt    werden  kann.     Wenn  der  Bruchinhalt 
leicht  reponirbar  ist  und  durch  das  Gefühl,  ja  vielleicht  selbst  durch 
das  Gesicht  die  Leerheit  des  Bruchsackes   sicher  festgestellt  werden 
kann,  dann  kann  man  die  Ligatur  des  Bruchsackhalses  zuschnüren, 
ohne  vorher  den  Bruchsack  zu  eröffnen.  Ist  die  Hernie  nicht  reponibel, 
so    muss    vorher   der   Bruchsack   eröffnet    und   die    angewachsenen 
Darmschlingen  und  Netzpartien  aus  ihren  Verbindungen  gelöst  wer- 
den.    Bei   der  Lösung    der  Därme    muss  man    besonders  vorsichtig 
sein.     Frische  Adhäsionen   lassen    sich    in  der  Regel  leicht  mit  den 
Fingern    lösen.     Aber   auch    bei  älteren  Adhäsionen  ist  oft  blos  die 
Ansatzlinie  der    freien    Bruchsackwand    auf   die    Darmschlinge   von 
festerer  Structur    und   muss   vorsichtig   mit    dem   Messer    oder    der 
stumpfen  Scheere    durchtrennt    werden.     Wenn    das  geschehen   ist, 
lassen   sich    die   übrigen  Adhäsionen    oft   stumpf  trennen.     Derbere 
Adhäsionen   enthalten    meistens  blutende  Gefässe,    welche  nach  der 
Durchschneidung  mit  einem  feinen  Gatgutfaden  unterbunden  werden 
müssen.     Wenn   die  Darmschlinge    seitlich    geknickt    oder   halb  um 
die  Achse  gedreht  und  in  dieser  Stellung   durch  Verklebungen  fixirt 
ist,  muss  man   durch   leichten  Zug   an  den  Schenkeln  der  Schlinge 
die  Adhäsionen  zu  lösen  suchen.    Wenn  das  Netz  verdickt  und  ver- 
längert oder  angewachsen  ist,    wird  es  in  der  Höhe  der  Bruchpforte 
in  einer  oder  mehreren  Portionen  mit  Gatgutligaturen  fest  umschnürt, 
dann  abgeschnitten   und  reponirt.     Erst  wenn   auf  diese  Weise  der 
Gesammtinhalt   des   Bruchsackes   in  die  Bauchhöhle  zurückgebracht 
worden  ist,  wird  die  Ligatur  des  Bruchsackhalses  möglichst  hoch  oben 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  5 

in  der  Nähe  der  Bruchpforte  fest  zugeschnürt  und  mit  einem  drei- 
fachen Knoten  gesichert.  Die  Fadenenden  werden  kurz  abgeschnitten. 
Nun  folgt  die  directe  Naht  der  Bruchpforte.  Da  ich  die 
Operation  bisher  immer  blos  bei  Leistenbrüchen  auszuführen  Gelegen- 
heit hatte,  obwohl  ich  schon  in  meiner  ersten  Arbeit  darauf  hin- 
gewiesen habe,  dass  sie  sich  mit  einigen  Modifikationen  auch  für 
andere  Brüche  eignen  würde,  werde  ich  die  Verhältnisse  so  schildern, 
wie  sie  beim  Leistenbruche  liegen.  Während  ein  Assistent  den 
Hautschnitt  möglichst  nach  aussen  und  oben  verzieht,  um  die 
Bruchpforte  recht  zugänglich  zu  machen,  dringe  ich  mit  dem  linken 
Zeigfinger  dicht  an  dem  Bruchsackhalse  in  die  erweiterte  Bruch- 
pforte ein  und  suche  mir  die  beiden  Schenkel  des  Leistenringes  auf 
dem  Fingerballen  möglichst  hervorzuheben.  Nun  wird  zunächst 
dem  oberen  äusseren  Winkel  des  Leistenringes  durch  jeden  Schenkel 
desselben  je  eine  kurze  starkgekrümmte  Nadel  von  innen  nach 
aussen  durchgeführt  und  die  in  die  Nadeln  eingefädelten  zwei  Enden 
eines  dicken  Catgutfadens  (Nr.  2  oder  3)  nachgezogen.  Bei  meinen 
früheren  Operationen  benutzte  ich  die  Enden  desselben  Fadens,  um 
durch  die  fortlaufende,  gekreuzte  Miedernaht,  indem  ich  die  beiden 
Fadenenden,  nachdem  sie  sich  gekreuzt  hatten,  noch  3  bis  4  mal 
durch  die  beiden  Schenkel  des  Leistenrings  führte,  den  Leistenring 
so  weit  zu  verengern,  dass  man  kaum  mit  der  Spitze  des  kleinen 
Fingers  einzudringen  im  Stande  war.  Bei  den  letzten  Operationen 
habe  ich  gefunden,  dass  3  bis  4  isolirte  Knopfnähte  den  Verschluss 
der  Bruchpforte  ebenso  sicher  herbeiführen,  wie  die  Miedernaht. 
Da  ausserdem  zu  fürchten  ist ,  dass  bei  der  Miedernaht  die  ganze 
Vereinigung  auseinandergeht,  wenn  an  irgend  einer  Stelle  der 
Gatgutfaden  nachgiebt,  während  bei  3  bis  4  Knopfnähten  jede  für 
sich  eine  gewisse  Garantie  der  Festigkeit  bietet,  so  bin  ich  zur 
Knopfnaht  zurückgekehrt.  Das  Durchführen  der  Nadeln  durch  die 
Schenkel  des  Leistenringes  ist  der  difficilste  Akt  der  ganzen  Operation. 
Das  Poupartische  Band  ist  in  der  Regel  deutlich  sichtbar  zu  machen 
und  es  ist  nur  die  Vorsicht  zu  gebrauchen,  dass  die  Nadel  nicht  etwa 
die  wichtigen  unter  dem  Bande  liegenden  Gebilde  verletze.  Der 
innere  Schenkel   des  Leistenringes   ist  bei  vielen  Individuen  weniger 


6  Dr.  Czerny. 

deutlich  als  wulstiger  Rand  zu  fühlen.  Ich  umgreife  dann  mit  der 
Nadel  nicht  bloss  den  unteren  Rand  der  Sehne  des  äusseren  schiefen 
Bauchnmskels ,  sondern  auch  die  Muskelfasern  der  beiden  inneren, 
breiten  Bauchmuskeln ,  die  quer  über  den  Bruchsackhals  ziehen. 
Da  in  der  Regel  der  innere  Schenkel  des  Leistenringes  länger  ist 
als  der  äussere,  so  liegen  die  Ausstichspunkte  der  Nadeln  bei  dem 
ersteren  ein  klein  wenig  weiter  auseinander,  als  bei  letzterem.  Auch 
die  Grenze ,  bis  zu  welcher  der  Leistenring  verengt  werden  soll, 
kann  erst  durch  Uebung  und  Erfahrung  festgestellt  werden,  und 
dieser  Umstand  bedingt  wohl  zum  grössten  Theil  die  grössere  oder 
geringere  Sicherheit  des  Resultates.  Eine  Abtragung  der  Ränder  des 
Leistenringes  behufs  der  Anfrischung  halte  ich  mindestens  für  überflüssig, 
wenn  nicht  schädlich,  da  die  sehnigen  Ränder  mit  lockerem,  gefässreichem 
Zellgewebe  überkleidet  sind,  welches  sich  gut  zur  Verwachsung  eignet. 
Nachdem  die  Nähte  der  Bruchpforte,  welche  gleichsam  die 
zweite  Etage  bilden,  ebenfalls  kurz  abgeschnitten  und  versenkt  sind, 
wird  die  Höhle  des  Bruchsackes  (die  entweder  schon  eröffnet  ist, 
oder  erst  jetzt  eröffnet  wird)  mit  einer  concentrirten  Garbollösung 
(ich  habe  meistens  5"/o  wässerige,  nur  selten  50°/o  alkoholische 
verwendet)  ausgewaschen  und  ein  dickes  Drainrohr  eingelegt.  Darüber 
wird  in  der  dritten  Etage  die  Hautwunde  vernäht,  so  dass  bloss  das 
Drainrohr  herausmündet,  Gefässligaturen  werden  ebenfalls  kurz 
geschnitten  und  versenkt.  Darüber  kommt  ein  grosser  Lister'scher 
Verband,  der,  durch  Salicylwattepolsterung  und  Bindentouren  ver- 
vollständigt, die  ganze  Umgebung:  das  Skrotum,  die  untere  Bauch- 
gegend und  Kreuzbeingegend  umfasst,  und  nur  das  Glied  und  den 
After  frei  lässt.  Die  ganze  Operation  wird  im  Garbolnebel  gemacht, 
welcher  am  besten  durch  einen  Dampfspray,  dem  5°/o  Garbollösung 
vorgesetzt  ist,  erzeugt  wird.  Diess  sind  im  Wesentlichen  die  Akte 
meiner  Operation ,  welche  allerdings  in  manchen  Fällen  kleine  Ab- 
änderungen erlitten  haben. 

Zu  den  ersten  Operationen  dieser  Art  wurde  ich  durch  irreponible 
Hernien  veranlasst,  welche  ihren  Trägern  grosse  Beschwerden  ver- 
ursachten, die  weder  durch  wiederholte  Repositionsversuche,  noch 
durch    Bandagen    gemildert   werden   konnten.      Obwohl    ich   weiter 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  7 

unten  abermals  Beiträge  zu  dem  inductiven  Beweise  liefern  werde 
für  meine  Behauptung,  dass  unter  strenger  Beobachtung  der  anti- 
septischen Methode  die  Operation  ungefährlich  ist,  so  ist  doch  nicht 
zu  leugnen,  dass  durch  eine  unglückliche  Verquickung  von  Umständen 
auch  zu  dieser  Operation  einmal  unglückliche  Zufälle  hinzutreten 
können.  Ich  möchte  dieselbe  vorläufig  blos  dann  für  angezeigt 
halten ,  wenn  die  Hernie  nicht  durch  Bandagen  zurückgehalten 
werden  kann.  Hernien ,  die  durch  Bandagen  gut  zurückgehalten 
werden  können ,  sind  nach  meiner  festen  Ueberzeugung  nach  wie 
vor  Object  der  palliativen  Therapie.  Man  wird  vielleicht  bei  solchen 
Kranken  einfachere  oben  ^)  angedeutete  Methoden  versuchen  dürfen ; 
ich  hatte  dazu  aber  keine  Gelegenheit,  da  solche  Kranke  nur  äusserst 
selten  die  Hilfe  des  Klinikers  in  Anspruch  nehmen. 

Da  meine  erste  Schrift  über  die  Radikaloperation  der  Hernien 
nicht  allen  Lesern  dieser  Zeilen  zugänglich  sein  dürfte,  will  ich  ein 
kurzes  Resume  der  dort  mitgetheilten  Fälle  geben: 

Erster  Fall.  Johann  Geiser,  36  Jahre  alt,  Taglöhner  ,  litt 
seit  30  Jahren  an  einer  linksseitigen  Hernia  inguinalis  directa,  ohne 
je  ein  Bruchband  zu  tragen.  Seit  zwei  Jahren  hatte  er  öfter 
Schmerzen  in  der"  zwei  Faust  grossen  Geschwulst,  die  bis  auf  einen 
fingerdicken,  empfindlichen  Strang  leicht  reponirbar  war.  Die  Bruch- 
pforte war  bequem  für  drei  Finger  durchgängig.  Rechts  Hernia 
inguinalis  incipiens.  Nach  mehrtägiger  Vorbereitung  durch  Sup- 
pendiät, Klystiere  und  Ricinusöl  schritt  ich  zur  Operation  am 
12.  Januar  1877.  8  Gtm.  langer  Hautschnitt.  Der  im  Grunde  des 
Bruchsackes  festgewachsene  Netzstrang  w^urde  mit  Catgut  unter- 
bunden, abgeschnitten  und  ebenso  wie  die  Därme  reponirt.  Dann 
folgte  die  sehr  mühsame  blutige  Lösung  des  mit  einem  Divertikel 
versehenen  Bruchsackes  aus  seiner  Umgebung,  der  am  Halse  abge- 
schnitten und  mit  einer  fortlaufenden  Catgut-Kürschnernaht  zugenäht 
wurde.  Verschluss  der  Bruchpforte  durch  die  3fach  gekreuzte  Mieder- 
naht mit  Catgut.  Heilung  nach  47  Tagen  mit  17  Verbänden.  Ein 
phlegmonöser  Abscess   im  Skrotum   verursachte  Fieber  und   musste 


^)  Siehe  Anmerkung. 


g  Dr.  Czerny. 

incidirt  werden.    Bei  der  Entlassung  am  26.  März  war  weder  beim 
Stehen  noch  beim  Husten  eine  Spur  von  der  Hernie  zu  sehen. 

ZAveiter  Fall.  Karl  Götz,  45  Jahre  alt,  Bierbrauer,  früher 
Gavallerist,  bemerkte  vor  25  Jahren  einen  rechtsseitigen  Leisten- 
bruch, der  von  1866  an  nicht  mehr  durch  ein  Bruchband  zurück- 
gehalten werden  konnte.  Die  Bruchgeschwulst  war  18  Ctm.  lang, 
9  Ctm.  breit  und  Hess  sich  durch  Druck  auf  die  Hälfte  verkleinern. 
Die  Bruchpforte  war  4  Ctm.  breit  und  3  Ctm.  hoch.  Operation 
am  8.  Februar  1877.  Hautschnitt  10  Ctm.  lang.  Eine  Dünndarm- 
schlinge Hess  sich  leicht  stumpf  lösen  und  reponiren,  dagegen  musste 
eine  Dickdarmschlinge  mühsam  und  blutig  gelöst  werden.  Etwa 
6  Catgutligaturen  mussten  an  der  mit  Pseudomembranen  bedeckten 
Darmoberfläche  angelegt  werden.  Bei  der  Reposition  fühlte  man, 
dass  die  Adhäsionen  der  Darmschlinge  sich  bis  in  die  Bauchhöhle 
fortsetzten.  Aus  dem  verdickten  Bruchsacke  wurde  bloss  dem 
Schnittrande  entsprechend  ein  elliptisches  Stück  excidirt,  dann  der 
Bruchsackhals  mit  einer  dicken  Catgutligatm-  zugeschnürt.  Die 
Bruchpforte  wurde  mit  3  Knopfnähten  aus  Catgut  vereinigt.  Höchste 
Temperatur  am  dritten  Tage  war  38,5  '^  G.  Am  vierten  Tage  spon- 
taner Stuhlabgang.  Heilung  in  27  Tagen  mit  11  Verbänden.  Am 
15.  April  war  der  Anprall  in  der  Leistengegend  normal. 

Dritter  Fall.  Karl  Heuberger ,  10  Jahre  alt,  aus  Freiburg, 
hatte  (wie  ich  aus  nachträglich  gefundenen  Notizen  ersehe),  beider- 
seits einen  angeborenen  Skrotalbruch,  wegen  dessen  er  schon  zweimal 
durch  mehrere  Wochen  in  der  Freiburger  Klinik  behandelt  wurde. 
Durch  Bettlage,  schmale  Diät  war  wohl  die  linke  Hernie  geheilt, 
dagegen  blieb  die  rechtsseitige  bloss  so  lange  zurück,  als  der  Kranke 
lag.  Beim  Versuche  aufzustehen,  schlüpfte  sie  unter  dem  Bruch- 
bande sogleich  hervor.  Die  Geschwulst  war  11  Ctm.  lang,  8  Ctm. 
breit  und  liess  sich  scheinbar  vollständig  reduciren.  Im  Bruchsacke 
fanden  sich  bei  der  Operation  am  21.  Februar  1877  zwei  Darm- 
schlingen, von  denen  eine  —  das  unterste  Stück  des  Ileum  —  den 
Blinddarm  sammt  Wurmfortsatz  mit  herabgezogen  hatte.  Erst  nach 
vieler  Mühe,  nachdem  die  Bruchpforle  nach  oben  aussen  erweitert 
war,  gelang  es,    den  Blinddarm   sammt  seinem  Peritonaealüberzuge 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  9 

in  die  Bauchhöhle  zurückzuschieben.  Nun  wurde  der  schon  isolirte, 
aussen  liegende  Theil  des  Bruchsackes  am  Halse  abgeschnitten  und 
mit  einer  Kürschnernaht  aus  Gatgut  zugenäht,  worauf  sich  die 
Nahtlinie  hinter  die  Bruchpforte  zurückzog.  Die  Bruchpforte  wurde 
mit  der  Miedernaht,  die  Hautwunde  mit  7  Knopfnähten  vereinigt. 
Die  Temperatur  stieg  am  dritten  Tage  bis  39.5*^  G.  Am  fünften 
Tage  kam  nach  einer  Eingiessung  Stuhl  und  Erleichterung.  An 
demselben  Tage  musste  eine  Incision  in  die  Skrotalhaut  gemacht 
werden.  Heilung  bis  Anfang  April.  Im  August  1877  wurde  der 
Knabe  von  Herrn  Dr.  Kaiser  untersucht.  Eine  Hernie  war  nicht 
nachweisbar,  ob  zwar  das  Bruchband  schon  längst  zerbrochen  war. 
Vierter  Fall.  Doppelseitige  Radikaloperation. 
Jacob  Kautz ,  28  Jahre  alt,  Bäcker,  hatte  schon  als  Kind  eine 
linksseitige  Hernie,  zu  der  sich  vor  etwa  10  Jahren  auch  rechts  ein 
Leistenbruch  gesellte.  Beide  Brüche  Hessen  sich  durch  ein  doppel- 
seitiges Bruchband  zurückhalten ,  welches  jedoch  in  letzter  Zeit  zer- 
brochen war.  Nach  einem  groben  Diätfehler  trat  8  Stunden  vor 
der  Aufnahme  in  die  Freiburger  Klinik  am  5.  März  1877  eine  Ein- 
klemmung mit  heftigen  Symptomen  ein.  Nach  einem  warmen  Bade 
liess  sich  der  eingeklemmte  linksseitige  Bruch  in  der  Narkose  repo- 
niren.  Da  der  Kranke  schon  wiederholt  an  Kotheinklemmung  und 
Schmerzen  im  Bruche  gelitten  haben  soll  und  das  Bruchband  die 
linksseitige  Hernie  angeblich  in  der  letzten  Zeit  nicht  ganz  zurück- 
hielt, wurde  er  am  9.  März  beiderseits  in  einer  Sitzung  operirt. 
Beiderseits  waren  Leistenhernien  vorhanden;  die  Bruchpforte  war 
links  bequem  für  zwei,  rechts  für  einen  Finger  durchgängig.  Links 
wurde  durch  einen  10  Gtm.  langen  Hautschnitt  der  Bruchsack  bios- 
gelegt, sein  Inhalt  reponirt  und  dann  der  nur  wenig  verwachsene 
Bruchsack  aus  seiner  Umgebung  gelöst,  mit  in  ö^/o  Garbollösung 
gekochter  Seide  am  Halse  doppelt  unterbunden  und  unterhalb  der 
Ligatur  abgeschnitten.  Dann  folgte  die  Verschliessung  der  Bruch- 
pforte durch  die  dreimal  gekreuzte  Miedernaht,  wozu  ebenfalls  Gar- 
bolseide  verwendet  wurde.  Vier  Gefässligaturen  mit  Garbolseide 
wurden  kurz  geschnitten ,  versenkt  und  darüber  die  Haut  mit  der- 
selben Seide  vernäht,  nachdem  zwei  Drainröhrchen  eingelegt  waren. 


10  Dr.  Gzerny. 

Der  rechtsseitige  Bruch  wurde  genau  in  derselben  Weise  un- 
mittelbar darauf  operirt.  Nur  war  der  Hautschnitt  etwas  kürzer 
und  es  war  blos  nöthig,  zwei  Gcfässligaturen  zu  versenken.  Die 
herausgeschnittenen  ßruchsäcke  fassten  links  460,  rechts  140  Cc. 
Wasser.  Der  Verlauf  war  bis  zum  16.  aseptisch  und  fast  fieberlos. 
Nach  einer  Gabe  Ricinusöl  besudelte  der  Kranke  seinen  Verband 
so  sehr,  dass  der  aseptische  Verlauf  unterbrochen  wurde.  Es  trat 
starke  Eiterung  und  am  10.  eine  Temperatur  von  39.3  ein.  In 
Folge  dessen  stiessen  sich  am  20.  und  24.  März  die  Nahtfäden  der 
beiden  Bruchpforten  ab.  Am  11.  April  musste  noch  ein  Abscess 
im  rechten  Hodensacke  eröffnet  werden  und  am  20.  April  waren 
die  Wunden  geschlossen.  Bei  einer  Untersuchung  am  8.  Mai  1877 
war  rechts  kein  Bruch  nachweisbar.  Links  trat  beim  Husten  eine 
taubeneiergrosse  Geschwulst  vor,  die  sich  durch  ein  Bruchband  leicht 
zurückhalten  liess.  — 

Wenn  wir  einen  kurzen  Rückblick  auf  diese  zuerst  mitgetheilten 
vier  Fälle  werfen,  so  muss  uns  zunächst  auffallen,  dass  trotz  schwerer 
Gomplicationen  Erscheinungen  von  Peritonitis  fast  ganz  fehlten.  In 
der  Regel  fühlten  sich  die  Patienten  so  lange  unbehaglich,  bis  der 
erste  Stuhl  erfolgte.  Ueber  Schmerzen  haben  sie  fast  nie  geklagt. 
Dasselbe  konnten  wir  auch  bei  allen  folgenden  Operationen  sehen. 
Wenn  kein  Stuhl  spontan  erfolgt  war,  haben  wir  desshalb  in  der 
Regel  schon  am  dritten  Tage  durch  (eventuell  wiederholte)  Ein- 
giessungen  die  Darmentleerung  herbeigeführt,  worauf  augenblickliche 
Erleichterung  und  oft  von  da  an  spontane  geregelte  Stuhlentleerung 
erfolgte. 

Abscesse  im  Skrotum  traten  in  drei  Fällen  ein,  bei  welchen 
der  Bruchsack  exstirpirt  worden  war,  während  der  zweite  Fall  ganz 
glatt  verlief.  Ich  hatte  bei  diesem  den  Bruchsack  zurückgelassen 
und  ihn  blos  am  Halse  mit  Gatgut  zugebunden,  wesshalb  ich  schon 
in  meiner  ersten  Arbeit  dafür  plaidirte,  den  Bruchsack  niemals  zu 
exstirpiren,  sondern  ihn  blos  am  Halse  abzubinden  und,  nachdem 
er  mit  Carbolsäure  an  der  Innenfläche  bestrichen  ist,  zu  drainiren. 
Allerdings  muss  erst  eine  längere  Erfahrung  ergeben,  ob  durch  die 
Zurücklassung  des  Bruchsackes   dem  Kranken  nicht  neue  Gefahren, 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  j^j^ 

etwa  von  Gystenbildung  erwachsen.  Allein  sowohl  die  Erfahrungen 
von  Dr.  Risel,  als  auch  meine  weiter  unten  niitgetheilten  sprechen 
durchaus  für  diese  Praxis, 

Als  Materiale  für  die  Nahl  und  Ligatur  benützte  ich  in  den 
ersten  drei  Fällen  Catgut,  im  vierten  dagegen  in  fünfprocentiger 
Garbolsäure  gekochte  Seide.  In  den  ersten  Fällen  handelte  es  sich 
mir  wesentlich  darum,  nach  der  Operation  eine  gut  passende  Ban- 
dage anlegen  zu  können.  Dazu  musste  wohl  die  Naht  der  Bruch- 
pforte und  die  Ligatur  des  Bruchsackes  mit  Catgut  ausreichen. 
Die  guten  Erfolge  machten  mich  jedoch  kühner  und  ich  wollte  dess- 
halb  auch  bei  dem  vierten  Falle  die  Heilung  versuchen ,  bei  dem 
vielleicht  ohne  Operation  eine  gute  Bandage  genügt  hätte.  Das  Ziel 
der  Operation  war  hier  also  wo  möglich  eine  dauernde  Radikal- 
heilung. Da  Catgut  erfahrungsgemäss  im  menschlichen  Körper  wohl 
einheilt,  aber  mit  der  Zeit  resorbirt  wird,  so  war  mir  die  Dauer 
meiner  Heilungen ,  die  mittelst  Gatgutnähten  erzielt  worden  sind, 
etwas  zweifelhaft.  Ich  musste  desshalb  nach  einem  Nähmateriale 
suchen,  welches  ebenso  sicher  einheilt  wie  Catgut,  ohne  mit  dem- 
selben die  Eigenschaft  der  Resorbirbarkeit  zu  theilen.  Ich  wusste 
recht  gut ,  dass  dieses  Desiderat  schon  längst  von  den  Chirurgen 
empfunden  und  seit  Decennien  vergeblich  gesucht  worden  ist,  allein 
die  guten  Erfolge  mit  carbolisirten  Darmsaiten  durften  wohl  von 
Neuem  zu  solchen  Versuchen  ermuthigen.  Die  oft  gemachte  Er- 
fahrung, dass  auch  Catgut  losgestossen  wird,  wenn  der  Wundver- 
lauf nicht  aseptisch  ist,  zusammengehalten  mit  der  Erfahrung,  dass 
auch  Seide  oder  Hanffäden,  die  zur  Ligatur  des  Ovarienstleles  benützt 
und  versenkt  worden  waren,  manchmal,  aber  nicht  immer  einheilen, 
führte  mich  zu  der  Vermuthung,  dass  ein  chemisch  und  mechanisch 
indifferentes  Materiale  wie  Seide  blos  gründlich  desinficirt  zu  werden 
braucht,  um  bei  aseptischem  Wundverlaufe  ebenso  einzuheilen,  wie 
Catgut.  Diese  Desinfection  erzielte  ich  am  einfachsten  auf  die  Weise, 
dass  chinesische  Seide  10  Minuten  hindurch  in  57o  Carbolwasser 
gekocht  und  dann  in  2"/o  Carbolwasser  bis  zum  Gebrauche  auf- 
gehoben wurde.  Versuche,  welche  mit  dieser  Seide  in  Paste  ur- 
Bergmann'scher  Nährflüssigkeit  angestellt  worden  waren,  ergaben, 


12  Dl-   Czerny. 

dass  sie  keine  Fäulniss-  und  Zersetzungserreger  mehr  enthalte.  Der 
Versuch,  einen  grösseren  Knäuel  dieser  Seide  in  die  Bauchhöhle 
eines  Hundes  einzuheilen,  gelang  vollständig.  Die  Untersuchung  des 
30  Tage  später  getödteten  Thieres  ergab,  dass  die  Seide  im  Netz 
vollständig  abgekapselt  lag.  Die  Seidenfäden  waren  mit  dem  zellig- 
infiltrirten  Netz  vollständig  verfilzt,  von  Eiterung  in  der  Umgebung 
keine  Spur.  Dieselbe  zellige  Infiltration  sieht  man  übrigens  auch 
um  eingeheilte  Catgutfäden. 

Ebenso  günstige  Resultate  wie  bei  Thieren  ergab  die  Ver- 
wendung dieser  präparirten  Seide  zur  Gefässunterbindung  und  Naht 
bei  Operationen  am  Menschen.  Die  versenkten  Seidenligaturen 
störten  nicht  im  geringsten  die  Heilung  per  primam.  Noch  in  diesem 
Sommersemester  beobachtete  ich  mehrere  Amputationen  (zwei  der 
Brustdrüse,  zwei  des  Unterschenkels,  eine  nach  Chopart)  die  per 
primam  heilten,  obwohl  zahlreiche  Seidenligaturen  versenkt  worden 
waren.  Aber  selbst  wenn  die  Heilung  durch  Eiterung  erfolgte,  sahen 
wir  nur  äusserst  selten  eine  Losstossung  der  Seidenligaturen,  so 
lange  der  Verlauf  aseptisch  war.  Kurzum  ich  glaube,  dass  diese 
carbolisirte  Seide  wohl  ebenso  sicher  einheilt  und  ebensowenig  reizt 
wie  carbolisirte  Darmsaiten  und  zweifle  nicht,  dass  sie  besonders 
bei  der  Operation  intra-abdomineller  Tumoren  eine  grosse  Zukunft 
haben  wird.  Ob  für  diese  carbolisirte  Seide  nicht  noch  ein  besseres 
Materiale  substituirt  werden  kann ,  muss  die  Zukunft  entscheiden. 
Wir  wissen,  dass  fremde  Körper  oft  Jahre  lang  ruhig  im  Körper 
verweilen ,  dann  plötzlich  durch  Entzündung  und  Eiterung  aus- 
gestossen  werden.  Wie  ich  oben  erwähnte,  war  um  die  in  die 
Bauchhöhle  eingeheilte  Seide  am  30.  Tage  eine  plastische  Infiltration 
vorhanden.  Es  wird  sich  wahrscheinlich  in  späterer  Zeit  ein  schlecht 
vascularisirtes  derbes  Narbengewebe  um  den  fremden  Körper  finden. 
Wenn  dann  irgend  ein  entzündung-  oder  fiebererregender  Stoff  in's 
Blut  kommt,  wird  er  sich  an  solchen  Punkten  mangelhafter  Circu- 
lation  so  sehr  anhäufen  können ,  dass  er  hier  Eiterung  verursacht. 
Bei  einem  resorptionsfähigen  Körper  wie  Gatgut  stehen  die  Verhält- 
nisse allerdings  günstiger,  und  es  ist  möglich,  dass  auch  ein  Körper, 
der    weniger    porös     ist    als    gedrehte    Seide,    vielleicht    günstiger 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  ;1^3 

ist.  Darüber  kann  jedoch  erst  eine  langjährige  Erfahrung  ent- 
scheiden. 

Wenn  gleich  der  erste  Versuch,  die  in  Carbolvvasser  gekochte 
Seide  zur  Bruchoperation  zu  verwenden,  im  vierten  Fall  missglückt 
war,  so  lag  doch  die  Ursache  des  Missglückens  —  die  Kothinfiltration 
unter  dem  Verband  —  so  auf  der  Hand,  dass  ich  noch  weitere 
Versuche  mit  demselben  Materiale  wagen  wollte,  obzwar  mir  auf 
Grund  meiner  ersten  Publikation  von  verschiedenen  Seiten  anderes 
Nähmateriale  empfohlen  worden  war.  So  machte  mich  Dr.  Mural t 
aus  Zürich  auf  die  jüngst  von  List  er  mit  Ghromsäure  präparirten 
Darmsaiten  aufmerksam ,  die  ebenso  sicher  einheilen  sollen  wie 
gewöhnliches  Catgut,  ohne  resorbirt  zu  werden,  und  Herr  Dr.  Passa- 
vant  aus  Frankfurt  überschickte  mir  eine  Probe  des  von  ihm  mit 
Recht  protegirten  chinesischen  sogenannten  Seegrases  (Fil  de 
Florence).  Ich  theile  unten  vier  Bruchoperationen,  die  bei  drei 
Kranken  (Fall  5,  6  [doppelseitig]  und  7)  vorgenommen  worden  sind, 
mit,  bei  welchen  carbolisirte  Seide  in  Verwendung  kam.  Von  diesen 
trat  bei  dreien  Heilung  per  primam  ein,  so  dass  damit  die  Verwend- 
barkeit der  carbolisirten  Seide  für  die  Radikaloperation  bewiesen  ist. 
Die  Billroth'sche  Forderung:  »Könnten  wir  Gewebe  von  der 
Festigkeit  und  Derbheit  der  Fascien  und  Sehnen  künstlich  erzeugen, 
so  wäre  das  Geheimniss  der  Radikalheilung  der  Hernien  gefunden,« 
ist  somit,  wenn  auch  in  etwas  modificirter  Form  erfüllt  und  da- 
mit überhaupt  die  Radikalheilung  der  Hernien  gefunden. 

Von  ganz  besonderem  Interesse  war  der  Fall  6.  Bei  dem 
l'/ä  jährigen  Knaben  war  beiderseits  gleichzeitig  die  Radikaloperation 
vorgenommen  worden.  Trotz  grosser  Mühe  und  Sorgfalt  im  Wechseln 
und  Anlegen  des  Verbandes,  die  besonders  Herr  Dr.  Kaiser  auf  das 
Kind  verwendete,  war  es  doch  unmöglich,  die  Durchtränkung  des- 
selben mit  Urin  ganz  zu  verhindern.  Wahrscheinlich  weil  das  Kind 
anfangs  meist  auf  der  rechten  Seite  lag,  wurde  hier  der  aseptische 
Verlauf  unterbrochen.  Es  trat  auf  dieser  Seite  eine  phlegmonöse 
Eiterung  hinzu,  welche  die  Ausstossung  der  carbolisirten  Seiden- 
ligaturen veranlasste.  Links  erfolgte  Heilung  per  primam,  die  Seide 
heilte   ein.     Einen   besseren  Beweis   für    die  Behauptung,   dass   gut 


j^^  Dr.   Gzerny. 

desinficirte  Seide  bei  aseptischem  Verlauf  einheilt,  bei  loealer  Sepsis  aber 
ausgestossen  wird,   dürfte  man  kaum   beizubringen  im  Stande  sein. 
Ich  zweifle  nicht,   dass  in  kurzer  Zeit  eine  Generation  junger 
Chirurgen   heranwachsen    wird,    die   es    gar   nicht    mehr  verstehen 
wird ,  warum  man  an  der  so  einfachen  Radikaloperation  der  Her- 
nien jemals   verzweifeln   konnte.     Dem   ist   jedoch  noch    nicht   so. 
Wiederholt  musste  ich  noch  in  jüngster  Zeit  die  Erfahrung  machen, 
dass  Kranke   mit    grossen  Bruchbeschwerden,    die   durch  Bandagen 
nicht   beseitigt    werden   konnten ,    bei  mir  Rath  suchten ,   aber  vor 
der   Operation,    die   ihnen   sichere  Hülfe   bringen   konnte,   zurück- 
schreckten, weil  ihr  Hausarzt  im  guten  Glauben  an  die  alten  Lehren 
seiner  Bücher    dringend  von   der   Operation   abgerathen  hatte.     Da 
mir   aber  an  der  allgemeinen  Verbreitung  und  weiteren  Ausbildung 
dieser,  wie  ich  fest  überzeugt  bin,  guten  Methode  der  Radikaloperation 
gelegen  ist,   so   theile  ich  die  Erfahrungen  dieses  Sommersemesters, 
welche  ich  auf  diesem  Felde  in  Heidelberg  zu  machen  Gelegenheit 
hatte,  schon  jetzt  mit.     Durch  den  Umstand,  dass  die  Operationen 
auch  in  anderer  Richtung  Licht  verbreiten,  mag  ihre  geringe  Zahl  ent- 
schuldigt werden.  Ich  werde  dieselben  nicht  chronologisch,  sondern  nach 
dem  Interesse,  welches  sie  in  verschiedener  Richtung  bieten,  ordnen. 

1.    Die  Radikaloperation   bei  Kindern   und   Greisen. 

Bei  der  Frage  nach  den  Gontraindikationen  der  Radikaloperation 
selbst  innerhalb  der  Grenzen,  welche  ich  für  dieselbe  gezogen  habe, 
wird  unzweifelhaft  das  Alter  der  Patienten  eine  grosse  Rolle  spielen. 
Da  zum  gefahrlosen  Gelingen  der  Operation  der  aseptische  Verlauf 
nahezu  Conditio  sine  qua  non  ist,  so  werden  sich  Kinder,  die 
noch  Kotli  und  Urin  unter  sich  lassen,  nur  schlecht  zu  der  Operation 
eignen.  Ausserdem  wird  das  Schreien  und  Pressen  der  Kinder 
beim  Verbandwechsel  sehr  gefürchtet,  und  man  findet  desshalb 
ziemlich  allgemein  die  Regel  angegeben,  man  solle  wo  möglich  bei 
eingeklemmten  Brüchen  der  Kinder  die  Hernotomia  externa  ohne 
Eröffnung  des  Bruchsackes  nach  J.  L.  Petit  vornehmen,  um  das 
Ilervorstürzcn  der  Gedärme  ohne  Bauclifellbedeckung  zu  verhindern. 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien,  j^5 

Vor  der  Imbibition  des  Verbandes  mit  Koth  und  Urin  hoffte  ich 
mich  dadurch  zu  schützen,  dass  ich  über  den  Lister'schen  Verband 
mehrere  Schichten  von  Salicylwatte  und  Guttaperchapapier  ab- 
wechselnd legte.  Wie  wir  sehen  werden,  ist  es  uns  aber  trotz 
vieler  Mühe  nur  auf  einer  Seite  gelungen,  Uebrigens  war  ich  auf 
das  Misslingen  dieses  Versuches  vorbereitet,  hoffte  aber  doch  Radi- 
kalheilung zu  erzielen,  da  bei  Kindern  bekanntlich  jeder  anhaltende 
Reiz  genügt,  um  die  Bruchpforte  zu  verengern,  wenn  während 
längerer  Zeit  der  Bruchinhalt  dauernd  zurückgehalten  wird.  Leider 
ist  diese  Hoffnung  nicht  erfüllt  worden. 

Da  die  Brüche  der  Kinder  fast  immer  reponibel  sind,  so  wird 
es  meist  möglich  sein ,  den  Bruchsackhals  bloszulegen  und  zuzu- 
schnüren, ohne  dass  vorher  der  Bruchsack  und  damit  die  Bauch- 
höhle eröffnet  wird.  Dadurch  wird  jedenfalls  die  Gefahr  der  Operation 
bei  Kindern  wesentlich  vermindert,  selbst  wenn  der  Verlauf  nicht 
aseptisch  ist. 

Was  die  Ungeberdigkeit  der  Kinder  beim  Verbandweclisel 
betrifft,  so  hatte  ich  beim  Falle  3  die  Erfahrung  gemacht,  dass 
selbst  unartige  Kinder  nach  der  Herniotomie  beim  Verbandwechsel 
ganz  ruhig  sein  können.  In  dem  folgenden  Falle  erregte  die  stoische 
Ruhe  des  1^2 jährigen  Knaben  bei  dem  langwierigen,  oft  wieder- 
holten und  lästigen  Verbandwechsel  geradezu  die  Bewunderung  der 
ganzen  Umgebung, 

Fünft  er  F  a  11,  J.  Ehret  aus  Sulzbach ,  1 V2  Jahre  alt,  der  Jüngste 
einer  kinderreichen  Familie,  soll  bei  der  Geburt  ganz  gesund  gewesen 
sein.  Erst  am  4.  oder  5.  Tage  später  bemerkten  die  Angehörigen 
das  Hervortreten  von  Geschwülsten  in  beiden  Leistengegenden.  An- 
fangs Hessen  sich  dieselben  leicht  in  die  Bauchhöhle  zurückbringen; 
da  jedoch  der  Knabe  viel  schrie,  wuchsen  sie,  und  als  nach  einigen 
Monaten  ein  Bruchband  und  dann,  da  es  zu  schwach  zu  sein  schien, 
ein  stärkeres  angelegt  wurde,  gelang  es  nicht  mehr,  die  Brüche  für 
längere  Zeit  zurückzuhalten,  ob  zwar  sich  der  behandelnde  Arzt 
viel  Mühe  gab  und  wochenlang  das  Band  selbst  täglich  anlegte. 
Die  Geschwülste  wuchsen  immer  mehr  und  hatten  bei  der  Aufnahme 
in  die  Heidelberger  Klinik  am  23.  Juli  1877  eine  Länge  von  13  Gtm. 


\Q  Dr.   Czerny. 

Der  Penis  kam  zwischen  den  zwei  Geschwülsten  kaum  mehr  zum 
Vorschein.  Im  Schlafe  Hessen  sich  beide  Brüche  zurückbringen, 
nicht  aber  im  wachen  Zustande.  Die  Bruchpforte  war  rechts  für 
drei,  links  für  zwei  Finger  passirbar.  Der  Knabe  wurde  auf  reine 
Milchdiät  gesetzt  und  nach  der  üblichen  Vorbereitung  am  26.  Juli 
zuerst  der  rechte  Bruchsackhals  durch  einen  5  Ctm.  langen  Haut- 
schnitt blosgelegt.  Unmittelbar  nach  dem  ersten  Ansatz  des  Messers 
bekam  der  Knabe  einen  Anfall  von  Synkope  und  musste  durch 
Hängen  des  Kopfes  und  künstliche  Respiration  zu  sich  gebracht 
werden.  Dann  erfolgte  Stuhlgang,  der  eine  sorgfältige  Ausspülung 
des  Mastdarmes  erforderte.  Erst  jetzt  konnte  die  Operation  weiter 
fortgesetzt  werden.  Der  Bruchsack  war  äusserst  zart  und  dehnbar, 
die  Isolirung  des  sehr  weiten  und  faltigen  Bruchsackhalses,  welche 
versucht  wurde,  nachdem  die  Eingeweide  reponirt  worden  waren, 
sehr  schwierig.  An  seinem  hinteren  Rande  fühlte  ich  einen  gänse- 
kieldicken Strang,  den  ich  für  verdickten  Samenstrang  hielt.  Die 
Aneurysmennadel  wurde  desshalb  vor  diesem  Strange  um  die  isolirten 
Theile  des  Bruchsackhalses  herumgeführt  und  dann  derselbe  mit 
carbolisirter  Seide  Nr,  2  zugeschnürt.  Hierauf  nähte  ich  die  beiden 
Schenkel  des  Leistenringes  mit  4  Knopfnähten  aus  carbolisirter  Seide 
so  weit  zu ,  dass  eben  noch  die  Fingerspitze  eindringen  konnte. 
Als  ich  nun  den  Bruchsack  in  grösserer  Ausdehnung  eröffnete,  um 
ihn  mit  5 o/o  Garbolwasser  auszuwaschen,  entpuppte  sich  der  oben 
erwähnte  Strang  als  fingerlanger  Wurmfortsatz ,  der  noch  nicht 
reponirt  worden  war.  Er  Hess  sich  ziemlich  leicht  reponiren ,  wo- 
durch der  Beweis  geliefert  war,  dass  die  Ligatur  den  Bruchsack- 
hals nicht  ganz  umfasste,  sondern  durch  die  Höhlung  desselben 
geführt  wurde.  Da  ich  übrigens  durch  den  Reiz  des  Fadens 
adhäsive  Verklebung  des  Bruchsackes  zu  erzielen  hoffte,  und  die 
Bruchpforte  genügend  verengert  zu  sein  schien,  drainirte  ich  den 
ßruchsack,  nähte  die  H^autwunde  mit  3  Knopfnähten  zu  und  bedeckte 
die  ganze  Leistengegend  provisorisch  mit  einem  desinficirten  Schwamm. 
Vier  bis  sechs  kurz  geschnittene  Gefässligaturen  aus  Seide  wurden 
versenkt. 

Nun  schritt  ich  zur  Operation  des  linken  Bruches.   Die  Operation 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  j[7 

verlief  glatter  als  rechts.  Der  Bruchsackhals  liess  sich,  während  die 
Eingeweide  noch  in  demselben  lagen,  viel  leichter  vollständig  isoliren 
und  wurde,  nachdem  sein  Inhalt  reponirt  war,  mit  Garbolseide 
abgebunden.  Zwei  kurz  geschnittene  Gefässligaturen  wurden  ver- 
senkt. Die  Bruchpforte  wurde  durch  3  Knopfnähte  fast  vollständig 
verschlossen.  Drainage  des  Bruchsackes  und  Hautnaht  wie  rechts. 
Dann  wurde  über  beiden  Operationswunden  ein  Lister'scher  Verband 
angelegt,  wie  oben  angegeben  und  darüber  noch  3  bis  4  Lagen 
Salicylwatte  durch  Guttaperchapapier  und  Carbolbinden  geschichtet. 
Die  Operation  hatte  IV*  Stunde  gedauert.  Der  Knabe  erwachte 
bald  aus  der  Narkose  und  war  nicht  im  geringsten  collabirt.  Nur 
am  ersten  Abend  erbrach  er  sich  einigemale,  nahm  aber  schon  in 
der  folgenden  Nacht  seine  Milch  wie  gewöhnlich.  Durch  den  Urin 
wurden  die  carbolisirten  und  gestärkten  Gazebinden  dunkel  violett 
gefärbt  (Garbol-Urin)  und  mussten  sehr  oft,  der  ganze  Verband  jedoch 
2 — 3mal  im  Tage  gewechselt  werden.  Die  erste  Stuhlentleerung 
erfolgte  am  28.  Juli  nach  einem  Einlauf.  Die  Nähte  wurden  am 
4.,  die  Drainröhrchen  am  6.  Tage  entfernt.  Links  erfolgte  Heilung 
per  primam,  nahezu  ohne  Eiterung.  Die  Nähte  und  Ligaturen  heilten 
ein.  Rechts  dagegen  entstand  eine  subcutane  phlegmonöse  Eiterung, 
die  sich  unter  der  Haut  etwa  8  Gtm.  weit  nach  hinten  oben  er- 
streckte und  am  10.  August  eine  Incision  erforderte.  Die  Nähte 
der  rechten  Bruchpforte  fanden  sich  am  31.  Juli,  die  Ligatur  des 
Bruchsackes  am  12.  August  im  Verband.  Vom  10.  Tage  an  wurde 
blos  ein  einfacher  Salicylwatteverband  mit  Protektiv  angelegt  und 
vom  10.  August  an  wurde  der  Knabe  täglich  gebadet.  Die  im 
Rectum  gemessene  Temperatur  schwankte  in  ziemlich  steilen  Curven 
um  38°  C.  und  erreichte  ihren  Höhepunkt  (38.6)  am  1.  August. 
Am  25.  August  wurde  der  Knabe  geheilt  und  ohne  Bruch- 
band entlassen.  In  den  ersten  Tagen  des  September  wurde  er  mit 
einem  kleinen  Abscesse  an  der  linken  Narbe  wieder  gebracht,  welcher 
eröffnet  wurde.  Eine  Ligatur  kam  nicht  zum  Vorschein.  Am  8.  Sept. 
stellte  er  sich  wieder  vor.  In  der  Mitte  der  linken  Narbe  wucherten 
einige  oberflächliche  Granulationen.  Die  linke  Bruchpforte  ganz  klein, 
Anprall   deutlich,    aber   kein   Vortreten    von   Eingeweiden.     Rechts 

Czeiny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  2 


j^y  Dr.  Czerny. 

trat  beim  Schreien  deutlich  Darm  heraus,  der  aber  in  der  Ruhe 
wieder  zurückging.  Am  25.  September  wurde  der  Knabe  wieder 
aufgenommen ,  da  die  Geschwulst  rechts  zunahm.  Beim  Schreien 
war  sie  hühnereiergross ,  Hess  sich  sehr  leicht  reponiren,  allein  es 
blieb  ein  Strang  zurück,  der  nach  dem  Befunde  bei  der  Operation 
wohl  als  Wurmfortsatz  aufzufassen  ist.  Es  ist  die  Frage,  ob  trotz- 
dem ein  Bruchband,  welches  zunächst  angelegt  wurde,  vertragen 
werden  wird.  Jedenfalls  ist  es  von  hohem  Interesse,  dass  auf  der 
rechten  Seite ,  wo  die  Nähte  und  Ligaturen  auseiterten ,  wo  der 
Bruchsackhals  nicht  ganz  abgebunden  wurde,  trotz  der  heftigen 
entzündlichen  Reizung  so  bald  ein  Recidiv  auftrat ,  während  links 
die  Heilung  nach  der  Operation  stabil  blieb.  Freilich  macht  mich 
das  Wiederauftreten  der  Fistel  um  das  Schicksal  der  Seidenligaturen 
besorgt,  dennoch  glaube  ich  den  Schluss  ziehen  zu  müssen,  dass  man 
auch  bei  Kindern  für  die  Radikalheilung  der  Brüche  Bruchsack  und 
Bruchpforte  mit  einem  versenkbaren  Materiale  schliessen  müsse, 
und  dass  man  auch  hier  wenigstens  in  der  ersten  Zeit  das  Tragen 
eines  Bruchbandes  empfehlen  solle. 

Marantische  Greise  galten  bei  allen  früheren  Versuchen 
der  Radikaloperation  so  ziemlich  als  Noli  me  tangere.  Unter  dem 
Lister'schen  Verfahren  habe  ich  wiederholt  bei  ganz  decrepiden  Indivi- 
duen ebenso  rasche  Heilungen  gesehen,  als  bei  jugendlichen  Patienten. 
Ja  es  schien  mir  sogar  manchmal,  als  ob  die  trockenen,  saftlosen 
Gewebe  leichter  ohne  Eiterung  per  priraam  heilten,  als  jene  voll- 
saftiger Individuen.  Es  war  mir  desshalb  von  ganz  besonderem 
Interesse ,  eine  Radikaloperation  bei  einem  70jährigen  Manne  zu 
beobachten,  der  noch  durch  heftigen  Husten,  welcher  von  Lungen- 
emphyscm  abhing,  eine  der  für  die  Herniotomie  unangenehmsten 
Gomplicationen  darbot.  Lange  sträubte  ich  mich,  die  Operation  zu 
machen.  Da  jedoch  eine  intensive  Gruralneuralgie  wahrscheinlich 
mit  dem  grossen  Skrotalbruche  zusammenhing,  Bruchbänder  nichts 
mehr  halfen  und  der  Kranke  bestimmt  erklärte,  so'  nicht  weiter 
existiren  zu  können,  so  entschloss  ich  mich  dazu.  Auch  im  Fall  7 
handelte  es  sich  um  einen  63jährigen  Mann,  der  jedoch  lange  nicht 
so  greisenhaft  aussah,  wie  jener  im  Fall  6. 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  19 

Sechster  Fall.  Fr.  Rachel,  70  Jahre  alt,  verheirathet,  Tag- 
löhner  aus  Wiesloch,  war  bis  auf  verschiedene  Verletzungen  (unter 
anderen  eine  Luxatio  capituli  radii  nach  vorne,  die  noch  besteht, 
ohne  die  Function  des  Armes  zu  stören)  in  irüheren  Zeiten  immer 
gesund.  Vor  10  Jahren  entwickelte  sich  durch  schwere  Arbeit  ein 
rechtsseitiger  Leistenbruch,  der  anfangs  durch  ein  Band  zurück- 
gehalten wurde,  was  in  letzter  Zeit  nicht  mehr  gelang.  Seit  einem 
Jahre  leidet  er  an  Husten,  in  Folge  dessen  nicht  blos  die  rechte 
Bruchgeschwulst  rasch  wuchs,  sondern  auch  links  ein  apfelgrosser 
Leistenbruch  entstanden  war. 

Der  Kranke    sah  bis   auf  sein   starkes  Emphysem  und  starke 
Varicen  noch  verhältnissmässig  kräftig  aus.     Haarwuchs  und  Zähne 
noch  ziemlich  vorhanden,  Arterien  rigide.     Im  rechten  Oberschenkel 
klagte   er   über    ziehende  Schmerzen.     Die   rechtsseitige  Hernie  war 
weit  über  2  Faust  gross  und  hatte  die  Penishaut  fast  ganz  zu  ihrer 
Bedeckung   herangezogen.      Der   Bruch    Hess    sich    im    Liegen    ganz 
reponiren;  der  Leistenring  für  3  Finger  durchgängig.    Nachdem  der 
Darm  gründlich  entleert  war,  wurde  am  2.  August  die  Operation 
gemacht.     Hautschnitt   7   Ctm.   lang.     3  Gefässligaturen    von   Seide 
kurz   abgeschnitten.     Währenddem  die  Eingeweide  noch  im  Bruch- 
sacke   lagen,    wurde  sein  Hals   mit  dem  Finger  isolirt  und  mit  der 
Aneurysmennadel     ein    dicker    Seidenfaden     herumgeführt.      Dann 
wurden  die  Eingeweide  reponirt  und  die  Seidcnligatur  festgeschnürt. 
Nun  folgte  die  Naht  der  Bruchpforte  mit  3  Knopfnähten  von  Seide, 
worauf  der  Bruchsack   eröffnet   und    mit    5>    Garbolwasser    aus- 
gewaschen wurde.    Ein  Drainrohr  wurde  nach  oben  und  ein  bedeu- 
tend   längeres    nach    unten   eingelegt  und  dann  die  Hautwunde  mit 
7  seidenen  Knopfnähten  verschlossen.   Lister'scher  Verband.   Wegen 
des  Hustens  bekam   der  Kranke  Abends  1  Gtgrm.  Morphium.     Der 
Verlauf   war    ganz    merkwürdig    glatt.     Schon    am    folgenden  Tage 
behauptete    der   Kranke    sich    viel    wohler    als    sonst    zu    fühlen. 
Schmerzen    traten   nie   ein.     Die    Wunde  heilte  bis  auf  eine  kleine 
Fistel  per  primam.   Temperatur,  Puls  und  Respiration  blieben  voll- 
kommen normal.     Die  Nähte  und  Drainröhren  wurden  am  5.  August 
entfernt.     Der   Stuhl    kam   regelmässig    spontan    jeden    Tag.      Der 


OQ  Dr.   Czerny. 

Verband  musste  jeden  zweiten  Tag  gewechselt  werden,  da  der  Kranke 
sehr  unruhig  war  und  wurde  schon  vom  10.  August  an^  wegen 
eines  Garboleczems  durch  einen  Salicylwatteverband  ersetzt.  Vom 
14.  Tage  an  war  Patient  regelmässig  tagüber  ausser  Bett.  Bei  der 
dringend  verlangten  Entlassung  am  12.  September  wurde  ihm  ein 
doppelseitiges  Bruchband  mitgegeben,  ob  zwar  an  der  operirten 
Seite  von  einem  Bruche  nichts  zu  merken  war.  Bei  den  senilen 
Bauchmuskeln  war  der  Anstoss  beim  Husten  nach  aussen  von  der 
Narbe  stärker  als  normal.  Noch  immer  zeigte  sich  in  der  kleinen 
Fistel  ein  Zellgewebsfetzchen,  welches  sich  nicht  lösen  wollte. 


2.  Die  Radikaloperation  bei  eingeklemmten  Brüchen. 

Es  war  für  mich  als  Lehrer  der  Chirurgie  immer  ein  beäng- 
stigendes Gefühl,  dass  oft  ein  Semester  verging,  ohne  dass  meine 
Schüler  in  den  klinischen  Stunden  eine  Herniotomie  zu  sehen  Ge- 
legenheit hatten.  Das  ist  nicht  nur  ein  Uebelstand  der  kleinen 
Schulen.  Ich  kenne  fleissige  Schüler  grosser  Kliniken,  die  während 
ihrer  ganzen  Studien  keine  Operation  eines  eingeklemmten  Bruches 
gesehen  haben.  Es  gehört  ein  ganz  ungewöhnliches  Talent  dazu, 
wenn  ein  solcher  Arzt  nach  dem  blossen  Hörensagen  mit  der  erfor- 
derlichen Ruhe  an  eine  oft  so  dringende  und  wichtige  Operation 
herangehen  soll.  Die  Radikaloperationen  hatten  desshalb  für  mich 
ungeheuren  didaktischen  Werth.  Ich  konnte  nun  mit  Müsse  am 
Lebenden  während  der  Operation  meinen  Zuhörern  die  Blosslegung 
und  Erkennung  des  Bruchsackes,  die  Eröffnung  desselben  und  die 
Manipulationen  am  Darm  und  Netz  demonstriren  und  in  den  letzten 
zwei  Semestern  wird  kein  befähigter  Zuhörer  von  der  Klinik  ab- 
gegangen sein  ohne  das  Bewusstsein,  er  werde  bei  einem  ein- 
geklemmten Bruche  machen  können,  was  dabei  überhaupt  gemacht 
werden  kann. 

Aber  auch  für  die  Operation  der  eingeklemmten  Brüche  wird 
diese  Methode  der  Radikaloperation  von  Werth  sein.  Wenn  sich 
erst  die  Erfahrung  mehr  einbürgert,  dass  die  Eröffnung  des  Bruch- 
sackes unter  den  Cautolen  der   antiseptischen  Methode  ganz  gefahr- 


Beiträge  zur  Rudikaloperatioii  der  Hernien.  21 

los  ist,  so  wild  die  Meinung,  welche  schon  alte,  glückliche  Hernio- 
tomisten  aufgestellt  haben,  dass  die  vorsichtig  ausgeführte  Operation 
weniger  gefährlich  sei,  als  eine  lange  fortgesetzte,  gewaltsame  Taxis, 
immer  mehr  Boden  gewinnen.  Wenn  die  Taxis  nicht  bald  zum 
Ziele  führt,  wird  man  um  so  eher  zur  Operation  zureden  dürfen, 
da  man  um  so  sicherer  eine  Radikalkur  versprechen  kann,  je  früher 
man  zur  Operation  gelangt.  Zwar  ist  von  manchen  Operateuren 
behauptet  worden,  dass  auch  nach  der  gewöhnlichen  Operation  eines 
eingeklemmten  Bruches  in  der  Regel  eine  Radikalheilung  zu  Stande 
komme.  Allein  diese  Meinung  ist  so  oft  Lügen  gestraft  worden, 
dass  man  nach  der  allgemeinen  Erfahrung  ein  solches  Resultat 
wohl  blos  bei  jugendlichen  Individuen  unter  den  schon  oft  erwähnten 
Umständen  erwarten  kann.  Aber  selbst  in  solchen  Fällen  wird 
man  wo  möglich  die  sichere  Methode  der  vielleicht  eintretenden 
Naturheilung  vorziehen  müssen.  Ich  möchte  also  bei  der  Operation 
einer  eingeklemmten  Hernie  die  nachfolgende  Ligatur  des  Bruch- 
sackhalses und  die  Naht  der  Bruchpforte  dann  für  angezeigt  halten, 
wenn  aus  dem  ganzen  Verlaufe  der  Operation  hervorgeht,  dass  nach 
der  Lösung  der  Einklemmung  keine  Störungen  in  der  Blut-  und 
Kothcirculation  des  Darmes  zu  erwarten  sind.  Wenn  schon  heftige 
Symptome  von  Entzündung  und  Stase  vorhanden  sind,  wird  man 
von  dem  Versuche  der  Radikaloperation  lieber  abstehen. 

Von  Anfang  April  bis  Mitte  August  1877  hatten  wir  in  der 
Heidelberger  Klinik  5  eingeklemmte  Brüche  zu  beobachten  Gelegen- 
heit. Von  diesen  wurden  4  operirt  und  endeten  mit  Genesung. 
Durch  die  Taxis  wurde  einer  wieder  hergestellt.  Einen  Unglücksfall 
hatten  wir  nicht  zu  beklagen.  Von  den  Operirten  fand  sich  bei 
einer  Frau  ein  sehr  verdickter  und  entzündeter  aber  leerer  Schenkel- 
bruchsack vor.  Merkwürdiger  Weise  kam  bald  darauf  ein  42jähriger 
Mann  mit  eben  solchem  Leistenbruchsacke  zur  Operation.  Bei  einem 
Manne  von  28  Jahren  waren  die  Darmschlingen  schon  bei  der  Er- 
öffnung des  Bruchsackes  sugillirt  und  die  Taxis  bot  so  viele  Schwierig- 
keiten und  erforderte  so  viel  Zeit,  dass  wir  von  dem  Versuche  der 
Radikalkur  lieber  abstanden.  Der  Verlauf,  der  allerdings  schliess- 
lich in  Genesung   ausging,    war  so   sehr   durch  Erscheinungen  von 


22  Dr.   Gzerny. 

gestörter  Kothcirculation   unterbrochen,   dass   wir  mit  dieser  Unter- 
lassungssünde sehr  zufrieden  sein  durften. 

Bios  in  folgendem  Falle,  der  durch  seinen  ausserordentlich 
günstigen  Verlauf  sicher  bemerkenswerth  ist,  haben  wir  der  Be- 
seitigung der  Einklemmung  sogleich  die  Radikaloperation  nach- 
folgen lassen. 

Siebenter  Fall.  Martin  Walbauer,  63  Jahre  alt,  aus  Leimen, 
kam  am  8.  August  in  die  Klinik.  Er  trug  seit  12  Jahren  ein  Bruch- 
band, welches  den  rechtsseitigen  Leistenbruch  angeblich  ganz  zurück- 
gehalten haben  soll.  Bei  der  Operation  wurde  festgestellt,  dass  diese 
Angabe  auf  einer  Täuschung  beruhte,  indem  das  Netz  im  Bruch- 
sacke festgewachsen  war.  Am  6.  Abends  hatte  er  den  letzten 
Stuhlgang  gehabt,  am  7.  Morgens  war  er  ohne  Bruchband  aufgestan- 
den ,  um  das  Vieh  zu  füttern  und  dabei  war  der  Bruch  plötzlich 
unter  Schmerzen  ausgetreten  und  konnte  nicht  mehr  zurückgebracht 
werden. 

Der  Puls  war  ruhig,  kräftig,  Erbrechen  von  dünnen,  gelb  gefärb- 
ten Massen  sehr  häufig.     Der  Unterleib  nicht  besonders  schmerzhaft. 
Die  Geschwulst  ganseigross,  hart  gespannt,  empfindlich,  gab  gedämpft 
tympanitischen   Schall.     Von    einem    Arzte    waren    draussen    einige 
Repositionsversuche  gemacht  worden  und  da  uns  die  Reposition  in 
der  Narkose    nach   5  Minuten    ebenfalls  nicht  gelang,   schritten  wir 
am    8.  um   11  Uhr   Morgens   zur   Operation.     Die   Einklemmung 
war   durch   den    verdickten   Bruchsackhals   bedingt,    welcher    nach 
Eröffnung  des  Bruchsackes  eingeschnitten  wurde.     Das  Bruchwasser 
war  hämorrhagisch  gefärbt  und  enthielt  Faserstoffgerinnsel.   Die  ein- 
geklemmte  Darmschlinge    war   stark   hyperämisch   und  zeigte  einen 
blaurothen  Einschnürungsring.     Sie  Hess  sich  leicht  reponiren.     Vor 
derselben  lag  stark  injicirtes  Netz,  welches  am  Fundus  angewachsen 
war   und    sich   durch   zwei  rosenkranzförmige  Divertikel  des  Bruch- 
sackes, welche  es  vollständig  ausfüllte,  nach  abwärts  erstreckte.   Das 
Netz    wurde   in   der  Höhe    der  Bruchpforte    in   zwei  Portionen    mit 
dicken  Catgutfäden  abgebunden,  darunter  abgeschnitten  und  reponirt. 
Der   im   Bruchsack    befindliche    Theil    des    Netzes    wurde    entfernt. 
Einige  kleine  Gefässe  in  der  Wunde  wurden  mit  Carbolseide  unter- 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  03 

bunden  und  die  Ligaturen  versenkt.  Nun  wurde  der  Bruchsackhals 
mit  einer  dicken  Seidenligatur  abgebunden;  seine  Höhle  mit  5  proc. 
Carbolsäure  ausgewischt  und  drainirt.  Dann  folgte  die  Naht  der 
Bruchpforte  mit  3  seidenen  starken  Knopfnähten,  so  dass  kaum 
die  Klippe  des  Fingers  eindringen  konnte.  Darüber  wurde  die  Haut- 
wunde mit  Knopfncähten  von  Seide  geschlossen.  Lister's  Verband, 
Eisblase  auf  die  Wunde  und  10  Tropfen  Opiumtinktur  innerlich. 
Der  Verlauf  nach  der  Operation  war  ausserordentlich  günstig.  Die 
Temperatur,  welche  am  Tage  der  Aufnahme  38"  G.  betrug,  überstieg 
diese  Grenze  nicht  mehr  und  war  vom  zweiten  Tage  an  vollkommen 
normal.  Ebenso  zeigten  der  Puls  und  die  Respiration  keine  Ab- 
normitäten. Ein  leichtes  Unbehagen  und  Gefühl  von  Völle,  welches 
in  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation  vorhanden  war,  verlor 
sich,  nachdem  vom  9.  an  durch  täglich  wiederholte  Wasserein- 
giessungen  bis  zu  1000  Cc.  regelmässiger  Stuhlgang  erzielt  worden 
war.  Vom  14.  an  spontaner  Stuhlgang.  Die  Nähte  und  das  Drain- 
rohr wurden  am  12.  entfernt,  und  da  am  14.  August  —  6  Tage 
nach  der  Operation  —  die  ganze  Wunde  per  primam  geheilt  war, 
wurde  von  diesem  Tage  an  beim  dritten  Verbandwechsel  nur  ein 
leichter  Salicylwatte verband  angelegt. 

Der  Kranke  stand  zuerst  am  24.  August  auf  und  wurde  am 
28.  August  entlassen.  Bei  der  Entlassung  war  die  Wunde  solid 
vernarbt,  nicht  empfindlich.  Beim  Stehen  und  Drängen  war  von 
einer  Hernie  keine  Spur  vorhanden. 


3.  Die  Radikaloperation  bei   Gegenwart    von  Kothfisteln 

im  Bruchsacke.     Heilung  der  Kothfisteln  durch  die 

Enteroraphie. 

Unsere  jetzt  üblichen  Methoden  der  Behandlung  des  widernatür- 
lichen Afters  ruhen  wesentlich  auf  den  Schultern  Scarpa's  und 
Dupuytren 's.  So  glänzend  auch  die  Erfolge  bei  einem  früher  unheil- 
baren Leiden  genannt  werden  müssen,  so  ist  doch  nicht  zu  läugnen, 
dass  die  Resultate  ziemlich  theuer  erkauft  wurden.    Ganz  abgesehen 


24  Dr»  Gzerny. 

von  der  nicht  abzuläugnenden  Gefahr  der  Operation,  die  für  den  ver- 
antwortlichen Chirurgen  um  so  unangenehmer  ist,  weil  er  die  Wir- 
kung der  in  der  Tiefe  der  Darnihöhle  verborgenen  Darmscheere 
nicht  controliren  kann,  ist  die  lange  Dauer  der  Behandlung  und 
das  so  häufige  Zurückbleiben  von  Kothfisteln  ein  sehr  grosser  Uebel- 
stand,  welcher  dieser  Operation  anhaftet. 

Wenn  der  rücklaufende  Schenkel  der  eröffneten  Darmschlinge 
sehr  verengt,  oder  ganz  verschlossen  ist,  so  lässt  sich  die  Dupuy- 
tren'sehe  Darmscheere  gar  nicht  verwenden.  In  solchen  Fällen 
und  vielleicht  auch  in  jenen,  wo  der  Darm  nicht  direct  nach  Aussen, 
sondern  in  andere  Leibeshöhlen  z.  B.  in  die  Blase  mündet,  die  bis- 
her ihrem  traurigen  Schicksale  überlassen  werden  mussten^  möchte 
ich  vorschlagen,  unter  antiseptischen  Gautelen  die  Bauchhöhle  zu 
eröffnen,  die  Darmschlinge  von  der  Bauchwand  zu  lösen,  die  Oeff- 
nung  des  Darmes  zuzunähen  und  dann  die  Bauchwunde  zu  schliessen. 
Da  das  Uebel  nicht  nur  jeden  Lebensgenuss  stört,  sondern  in  der 
Regel  auch  über  kurz  oder  lang  zum  Tode  führt,  dürfte  ein  solcher 
Vorschlag,  den  ich  auf  Grund  der  unten  folgenden  zwei  Beobach- 
tungen (Fall  8  und  9)  zu  machen  wage ,  wohl  gerechtfertigt  sein  ^). 

Wenn  schon  die  Behandlung  des  falschen  Afters  unter  gewöhn- 
lichen Umständen  eine  langwierige  und  lästige  Operation  ist,  so 
gehört  »die  Heilung  des  falschen  Afters  in  einem  Bruche  zu  den 
»schwierigsten  Unternehmungen.  Wenigstens  ist  sie  bei  weitem 
»schwieriger  als  die  des  gewöhnlichen«^).  Dieffenbach,  der 
diesem  Thema  ein  eigenes  Kapitel  widmete,  stellte  die  Aufgabe  des 
Chirurgen  je  nach  der  Verschiedenheit  des  Zustandes  als  verschieden 
hin:  1)  Heilung  des  widernatürlichen  Afters  des  Bruches;  2)  Hei- 
lung des  widernatürlichen  Afters  und  des  Bruches. 

Die  Heilung  des  falschen  Afters  ohne  Beseitigung  des  Bruches 


')  Es  ist  vielleicht  nicht  uninteressant,  dass  fast  zur  selben  Zeit,  als  ich 
die  erste  Enteroiapliie  bei  einer  Kothfistel  machte,  Hofrath  Billroth  die  Gastro- 
raphie  zur  Heilung,'  der  Magenfistel  ausführte,  ohne  dass  einer  von  den  Inten- 
tionen des  anderen  Kenntniss  hatte.  Es  liegt  also  auch  obiger  Vorschlag  wohl 
schon  in  der  Luft. 

')  Dieffenbach.   Die  operative  Chirurgie  I.  Bd.  p.  723. 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  25 

sei  angezeigt,  wenn  der  Skrotalbruch  sehr  gross  und  an  vielen  Stellen 
verwachsen  ist;  wenn  nur  eine  Darmwand  perforirt,  der  Darm  nicht 
verengert  und  die  Bruchpforte  so  weit  ist,  dass  nach  der  Schliessung 
der  äusseren  Oeffnung  die  gewisse  Aussicht  vorhanden  ist,  dass  die 
C'ontenta  des  Darmes  keine  Störung  in  ihrem  Laufe  erleiden  werden. 
Die  Heilung  suchte  er  besonders  durch  Cauterisation  und  die  Schnür- 
naht zu  erzielen. 

Die  Heilung  des  widernatürlichen  Afters  des  Bruches  und  des 
letzteren  könne  nur  dann  in  Erwägung  gezogen  werden,  1)  wenn 
der  Skrotalbruch  massig  gross  ist ,  2)  \venn  er  eine  einfache  Darm- 
schlinge enthält,  3)  wenn  die  Bruchpforte  eng  ist. 

Wenn  die  Darmschlinge  bis  auf  die  Fistelöffnung  reponibel 
oder  doch  beweglich  ist,  so  suchte  er  sie,  eventuell  nach  blutiger 
Erweiterung  der  Bruchpforte,  ohne  jedoch  dabei  den  Bruchsack  zu 
eröffnen,  durch  sanfte  Manipulationen  in  die  Bauchhöhle  zu  bringen, 
dann  die  Oeffnung  des  Darmes  durch  Cauterisation  zu  schliessen. 
Der  Bruch  wurde  dann  durch  ein  Band  zurückgehalten. 

In  einem  Falle ,  wo  die  Darmschlinge  theilweise  oder  ganz 
verwachsen  Avar,  verdickte  kailöse  Wandungen  zeigte  und  unterhalb 
des  falschen  Afters  zu  einem  engen  kailösen  Kanal  zusammengezogen 
war,  eröffnete  er  den  Bruchsack  wie  bei  dem  Bruchschnitte  und  löste 
die  Verbindungen  der  Schlinge  mit  dem  Bruchsacke,  ohne  die  Adhäsio- 
nen in  der  Bruchpforte  zu  trennen.  Dann  wurde  die  vor  der  Bruch- 
pforte liegende  Schlinge,  welche  den  widernatürlichen  After  enthielt, 
abgeschnitten  und  auf  diese  Weise  ein  gewöhnlicher  widernatür- 
licher After  erzeugt,  der  nach  den  üblichen  Methoden  geheilt  wurde. 

Ich  habe  in  einem  Falle  von  widernatürlichem  After  ^) ,  bei 
dem  die  vorliegende  Schlinge  des  S  romanum  durch  drei  Oeffnungen 
nach  aussen  communicirte ,  die  Heilung  in  der  Weise  herbeigeführt, 
dass  ich  durch  eine  modificirte  Darmscheere  das  Colon  descendens 
mit  dem"  Rectum  direct  in  Verbindung  setzte  und  dann  die  vor- 
liegende Darmschlinge  mit  dem  Glüheisen  zerstörte.     Allein  daneben 


*)  Czerny.     Widernatürliclier   After   mit    Vorfall  der    Flexura    sigmoidea. 
Heilung  etc.  von  Langenbeck's  Archiv,  XXI.  Bd.  I.  Heft. 


26  Dl'-   Gzerny. 

blieb  ein  Brucli  bestehen  und  die  sehr  lange  Dauer  der  nicht  un- 
gefährlichen Operationen  befriedigte  mich  keineswegs. 

Da  ich  zwei  Kothfisteln  im  Bruchsacke,  welche  schon  Hofrath 
Simon  Iheils  zu  wissenschaftlichen  Untersuchungen,  theils  zu  opera- 
tiven Eingriffen  Veranlassung  gegeben  hatten ,  zur  Beobachtung 
bekam,  glaubte  ich  auf  Grund  der  Erfahrung,  dass  die  Eröffnung 
des  Bruchsackes  unter  anti septischen  Cautelen  gefahrlos  sei  und  auf 
Grund  von  zahlreichen  Experimenten  über  die  Darmnaht  bei  Thieren, 
welche  theilweise  Herr  Dr.  Kaiser  unten  publiciren  wird,  wohl 
berechtigt  zu  sein ,  die  Kothfisteln  auf  andere  Weise  direct  anzu- 
greifen. 

Zunächst  möchte  ich  bei  dieser  Gelegenheit  erwähnen,  dass 
beide  Patienten  Herrn  Hofrath  Simon  zu  seinen  Wassereingiessungs- 
versuchen  dienten.  In  beiden  Fällen  kam,  wenn  man  in  aufrechter 
Stellung  des  Patienten  bei  circa  1  Meter  Druckhöhe  Wasser  in  das 
Rectum  einlaufen  liess,  schon  nach  einem  Einlauf  von  2000  Gctm. 
das  Wasser  im  Strahle  zur  Fistel  heraus.  Bekanntlich  hatte  Simon 
an  Cadavern  gefunden  ^) ,  dass  unter  9  Fällen  das  Wasser  sieben- 
mal bis  über  die  Valvula  Bauhini  drang.  Nichtsdestoweniger  wurden 
auf  Grund  obiger  Versuche,  welche  scheinbar  durch  die  mikro- 
skopische Untersuchung  der  Schleimhaut  und  durch  die  Lage  der 
Fisteln  unterstützt  wurden,  beide  Fälle  nach  der  Versicherung  der 
Hrn.  DD.  Ha  dl  ich  und  Braun,  welche  bei  den  Experimenten  assistirt 
hatten,  für  Gökalfisteln  gehalten.  Ich  konnte  mich  nicht  dieser  An- 
sicht anschliessen ,  da  die  Kothentleerungen  aus  denselben  verhält- 
nissmässig  rasch  nach  der  Nahrungsaufnahme  erfolgten,  da  der  ent- 
leerte Darminhalt  stets  dünnflüssig  war,  kaum  fäkulent  roch  und 
da  in  beiden  Fällen  der  Bruchinhalt  relativ  frei  beweglich  war.  Ich 
hoifte  somit  Dünndarmfisteln  vor  mir  zu  haben,  und  diese  Hoffnung 
bestätigte    sich    bei    der    Operation.      Jedenfalls    wäre    dieselbe   viel 


^)  (i.  Simon.  Ut'her  die  Einiülirung  langer  elastischer  Rohre  etc.  Langen- 
beck  Arch.  f.  kiin.  Chirurgie  XV.  Bd.  p.  122.  Von  dem  9.  Falle  (K.  Kraus  aus 
Neulussheim)  existirt  noch  aus  dem  Nachlasse  Simon's  eine  Photographie,  welche 
den  Kranken  in  aufrechter  Stellung  darstellt,  während  ein  Wassereinlauf  gemacht 
wird  und  gleichzeitig  Wasser  im  Strahle  aus  der  Kothfistel  herausläuft. 


Beiträge  zur  Iliidikaloperalion  der  Hernien.  27 

schwieriger  aiiszufütiren  gewesen,  wenn  festverwachsenes  Cökiun  im 
Bruchsack  gelegen  hätte.  Nach  der  Eröffnung  des  Bruchsackes 
konnte  man  in  beiden  Fällen  durch  die  fehlenden  muskulösen  Längs- 
streifen, durch  den  Mangel  der  Haustra,  endlich  durch  den  Umstand, 
dass  die  beiden  Schenkel  der  Schlinge  frei  zurückliefen,  den  Dickdarm 
und  besonders  das  Cökum  sicher  ausschliessen.  Es  ist  dadurch  meines 
Wissens  zuerst  am  lebenden  Menschen  direct  nachgewiesen  worden, 
dass  Wassereinglessungen  weit  über  die  Valvula  Bauhini  hinauf 
vordringen  können. 

Wenn  wir  uns  fragen,  warum  die  Kothfisteln  im  Bruchsacke 
so  schwer  heilen,  so  dürfte  die  Antwort  nicht  schwer  fallen.  Da 
das  Darmlumen  unter  solchen  Verhältnissen  mehrfach  winklig  geknickt 
und  stellenweise  verengt  ist,  so  müssen  manchmal  Stauungen  der 
Kothcirculation  eintreten.  Dazu  kommt  noch ,  dass  die  Peristaltik 
in  der  vorliegenden  Darmschlinge  vermindert  oder  aufgehoben  ist. 
Wenigstens  habe  ich  an  flächenhaft  angewachsenen  und  bei  der 
Radikaloperation  gelösten  Darmschlingen  niemals  peristaltische  Be- 
wegungen gesehen.  Auch  bei  der  Operation  eingeklemmter  Darm- 
schlingen sieht  man  oft  eine  solche  locale  Darmparalyse,  wenn  die 
Girculation  längere  Zeit  gestört  war.  Wahrscheinlich  ist  im  ersten 
Falle  Verfettung  der  Muskelfasern  durch  Nichtgebrauch,  im  zweiten 
dagegen  temporäre  Lähmung  durch  Oedem  und  mangelhafte  Er- 
nährung eingetreten.  Die  temporären  Kothstauungen ,  welche  ich 
nach  der  Operation  angewachsener  und  mitunter  auch  eingeklemmter 
Plernien  eintreten  sah,  sind  wahrscheinlich  häufiger  die  Folge  einer 
solchen  localen  Lähmung,  als  einer  eigentlichen  Stenose  des  Darmes. 
Wenn  auch  die  Kothfistel  zeitweilig  vernarbt,  so  wird  bei  der  ersten 
Kothstauung,  die  durch  irgend  eine  Gelegenheitsursache  hervor- 
gerufen wird,  die  Narbe,  wie  ein  Sicherheitsventil,  zuerst  aufbrechen. 
Durch  den  begleitenden  Reiz  werden  die  Adhäsionen  immer  aus- 
gedehnter. Zugleich  wird  der  Bruch  immer  voluminöser  und  so- 
mit werden  die  Bedingungen  für  die  Ausheilung  immer  ungünstiger. 

Diese  Betrachtung  führte  mich  zu  dem  Schlüsse,  dass  man  in 
solchen  Fällen  die  Darmschlinge  von  ihren  Adhäsionen  befreien 
müsse,  wenn  man  dauernde  Heilung  erzielen  will.     In  diesem  Sinne 


28  Dr.  Czerny. 

habe  ich  die  l'olgenden  zwei  Operationen  und  zwar  mit  dem  besten 
Erfolge  ausgeführt. 

Achter  Fall,  Georg  Kinzinger,  48  Jahre  alt,  aus  Schönau. 
Im  Jahre  1867  trat  bei  einer  heftigen  Anstrengung  plötzlich  eine 
Hernie  im  rechten  Leistenkanale  auf,  die  sehr  starke  Einklemmungs- 
erscheinungen  hervorrief.  Als  er  fünf  Tage  später  in  die  Klinik  zu 
Prof.  G.  0.  Weber  gebracht  wurde,  musste  ein  langer  Schnitt  in 
die  Geschwulst  gemacht  werden,  wobei  viel  Koth  und  Eiter  hervor- 
quoll. Es  trat  wohl  bedeutende  Erleichterung  ein,  allein  der  Koth 
entleerte  sich  von  da  an  ganz  aus  der  Wunde.  Durch  wiederholte 
Anlegung  der  Darmscheere  und  durch  Aetzungen  wurde  nach 
22  Wochen  die  Heilung  des  widernatürlichen  Afters  erzielt.  Bis 
zum  Januar  1875  blieb  Alles  in  Ordnung.  Wahrscheinlich  unter 
gleichzeitiger  Vergrösserung  der  Hernie  trat  um  diese  Zeit  ein  neuer 
Kothabscess  auf.  Nachdem  dieser  gespalten  war,  konnte  der  Finger 
einen  vorspringenden  Sporn  fühlen  und  zu  beiden  Seiten  desselben 
in  die  beiden  Darmenden  vordringen.  Es  ging  wieder  fast  der  ganze 
Koth  durch  die  Fistel  ab,  und  beim  Umhergehen  stülpte  sich  die 
Darmschleimhaut  mehrere  Zoll  weit  vor. 

Zur  Heilung  der  Fistel  wurden  von  Hofrath  Simon  ihre 
Ränder  etwa  1  Ctm.  breit  angefrischt,  die  vorquellende  Schleimhaut 
theils  abgelöst,  theils  weggeschnitten  und  mit  11  tiefen  und  ober- 
flächlichen Nähten  vereinigt.  Zu  beiden  Seiten  der  Fistel  wurden 
Entspannungsschnitte  durch  die  Haut  geführt.  Der  grösste  Theil 
heilte  per  primam  bis  auf  2  Fisteln  ,  von  denen  eine  bald  spontan 
heilte,  während  die  andere  erbsengrosse  erst  nach  wiederholten 
Aetzungen  zum  Verschluss  gebracht  war  de.  Die  Stuhlentleerungen 
wurden  anfangs  durch  Eingiessungen  bewerkstelligt,  erfolgten  aber 
später  regelmässig  von  selbst.  Der  Bruch  Hess  sich  durch  ein  Bruch- 
band zurückhalten,  und  der  Patient  vi'urde  am  25.  Februar  1876 
nacli  13monatlichem  Aufenthalte  im  Krankenhaus  geheilt  entlassen. 
Schon  im  November  öffnete  sich  die  Wunde  ohne  besondere  Ver- 
anlassung von  Neuem,  wesshalb  Kinzinger  am  3.  Dezember  1876 
abermals  Hilfe  in  der  Klinik  suchte. 

Rechts   war   eine  zwei  Faust  grosse  Skrotalhernie  vorhanden. 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  29 

an  deren  yoiderfläche  zwei  weisse  derbe  Narben  von  ca.  8  Clm.  Länge 
verliefen.  Zwischen  denselben,  von  kallösem  Gewebe  und  excoriirler 
Haut  umgeben,  befand  sich  eine  federkieldicke  Fistel,  die  im  unteren 
Drittel  des  Skrotums  lag  und  aus  der  sich  20  bis  40  Minuten  nach 
der  Nahrungseinnahme  eine  massige  Menge  einer  gelbweissen,  theils 
rahmigen ,  theils  schaumigen  Flüssigkeit  entleerte.  Der  Bruch  liess 
sich  bis  auf  einen  zur  Fistel  verlaufenden  Strang  reponiren,  die 
Bruchpforte  war  für  zwei  Finger  durchgängig. 

Nachdem  vielfache  Aetzungen  mit  dem  Lapis  und  dem  Glüh- 
eisen Iheils  bei  ruhiger  Bettlage,  theils  mit  Abwechslung  in  der  Diät 
keine  Heilung  herbeigeführt  hatten,  schritt  ich  nach  der  üblichen 
Vorbereitung  des  Patienten  durch  Diät  und  Darmentleerung  am 
14.  Mai  zur  Operation.  Nachdem  die  ganze  Umgebung  des  Skro- 
tums rasirt,  gewaschen  und  desinficirt  war,  wurde  in  der  Ghloro- 
formnarkose  zunächst  die  Kothfistel  mit  einer  provisorischen  Kürsch- 
nernaht verschlossen,  um  das  Herausfliessen  von  Darminhalt  während 
der  Operation  zu  verhindern.  Dann  wurde  ein  8—10  Gtm.  langer 
Schnitt  durch  die  äussere  Narbe  geführt,  weil  an  dieser  Stelle  die 
Darmschlingen  mit  dem  Bruchsacke  nicht  verwachsen  zu  sein  schienen, 
und  der  Bruchsack  eröffnet.  In  demselben  befand  sich  ein  feder- 
kieldicker Netzstrang,  der  im  Grunde  des  Bruchsackes  festgewachsen 
war,  und  eine  Dünndarmschlinge,  die  überall  frei  war  bis  auf  eine 
fünfmarkgrosse  Stelle  in  der  Umgebung  der  Fistel.  Diese  feste  Ver- 
wachsung musste  blutig  mit  dem  Messer  und  der  Scheere  gelöst 
werden,  wobei  drei  spritzende  Gefässe  am  Darme  mit  Gatgut  unter- 
bunden wurden.  Da  ich  mich  möglichst  weit  vom  Darmlumen  zu 
halten  suchte,  blieben  ziemlich  dicke  Schwarten  am  Darme  hängen. 
Zuletzt  wurde  der  Fistelrand  abgetrennt  und  die  Darmschlinge  vom 
Assistenten  comprimirt,  um  den  Kothaustritt  zu  verhindern.  Nun 
wurden  die  Fistelränder  geglättet  und  mit  drei  Knopfnähten  aus 
Gatgut  zugenäht.  Die  Fäden  wurden  3—4  Millimeter  weit  vom 
Rande  der  Fistel  von  Seite  der  Serosa  eingestochen  und  dicht  vor  der 
Schleimhaut  herausgeführt.  Ueber  dieser  ersten  Nahtreihe  wurden 
die  benachbarten  Pseudomembranen  gleichsam  in  zweiter  Reihe 
noch   durch    fünf  Gatgutnähte    vereinigt.     Diese    wurden    durch    die 


30  Dr.  Czerny. 

Serosaseite  des  Darmes  nach  Art  der  Lembert'schen  Darmnähte 
geführt,  ohne  dass  jedoch  ihre  Fadenschlingen  bis  in  das  Darni- 
lumen  eingedrungen  wären. 

Nachdem  die  Darmschlinge  gründlich  gesäubert  und  mit  5> 
Garbolwasser  desinficirt  war,  wurde  sie  in  die  Bauchhöhle  zurück- 
gebracht. An  der  Stelle  der  Verwachsung  war  sie  zu  einem  flachen 
Divertikel  ausgezogen,  so  dass  in  diesem  Falle  durch  die  zweireihige 
Naht  keine  wesentliche  Verengerung  des  Darmlumens  herbeigeführt 
wurde.  Der  Netzstrang  wurde  ebenfalls  mit  Gatgut  abgebunden, 
dann  abgeschnitten  und  reponirt.  Nun  wurde  der  Bruchsackhals 
mit  einem  dicken  Gatgutfaden  umgeben  und  abgebunden,  die  Wan- 
dungen des  Bruchsackes  mit  5%  Garbolwasser  gewaschen  und  ein 
Drainrohr  eingelegt.  Die  Bruchpforte  wurde  mit  einer  vierfach 
gekreuzten  Miedernaht  aus  dickem  Gatgut  verschlossen  und  darüber 
die  Hautwunde  mit  10  Nähten  vereinigt.  Etwa  4  Gefässligaturen 
wurden  in  der  Skrotalwunde  nöthig.  Lister'scher  Verband,  Eisblase 
und  einige  Tropfen  Opiumtinktur  in  den  ersten  zwei  Tagen. 

In  der  Nacht  und  am  folgenden  Tage  musste  sich  der  Kranke 
fünfmal  erbrechen.  Da  aber  Puls,  Temperatur  und  Respiration,  wie 
aus  der  Fiebercurve  S.  31  ersichtlich  ist,  kaum  eine  wesentliche  Schwan- 
kung zeigten,  da  der  Unterleib  nicht  empfindlich  und  keine  Dämpfung 
nachweisbar  war,  kann  man  dasselbe  sicher  nicht  auf  peritonitische 
Reizung  beziehen.  Vielleicht  stand  es  mehr  mit  dem  Gebrauche 
der  Opiumtinktur  in  Zusammenhang.  Der  erste  Verbandwechsel 
fand  erst  am  16.  Juni  statt,  nachdem  eine  durchaus  normale  Stuhl- 
entleerung spontan  erfolgt  war.  Von  da  an  stellte  sich  vollständige 
Euphorie  ein.  Am  19.,  21.  und  23.  Juni  wurde  noch  Stuhlgang 
durch  Eingiessungen  erzielt,  während  von  da  an  täglich  regelmässige 
Entleerungen  spontan  auftraten. 

Beim  zweiten  und  dritten  Verbandwechsel  am  20.  und  25.  Juni 
wurden  die  Nähte  und  Drainröhrchen  entfernt.  Beim  vierten  Ver- 
bandwechsel am  30.  Juni  —  IG  Tage  nach  der  Operation  —  war 
die  Wunde  vollkommen  geheilt,  so  dass  blos  ein  leichter  Salicyl- 
dcckverband  applicirt  wurde.  Von  da  an  wurden  dem  Kranken 
auch   feste  Speisen    erlaubt.     Am    9.  Juli   durfte  er  zuerst  aufstehen 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien. 


31 


CD 


cd 

t/5 

ü 

p 


bß 
O 


CS 


<D 
fcß 


IHI 

n  niHHJiHiiiiiiii 

1  n  III  Hl  Hin 

C5 

.^ 

II 

1    IIIIIIIIIKiilll 

1 H     1  im 

II 

IIIKSIII 

1  n     1 HH 

00 

r^ 

1 

HIHI 

1  11       IHI 

<M 

"-C 

lüSii 
!«!  II 

1  II        IIIH 

t^ 

1 

1 

11      1 

ffJ 

«^ 

1 

llil  U 

II      1 

CO 

1  Ksrii 

ilH    M 

a;     - 

IN 

1    Hill 

IIIHH    Hll 

—    'n 

Ä 

IIK! 

iiiinsi 

i  > 

(M 

IIIH 

MHHBI 

■■^  5 

•«i< 

lllül 

11  IHI    Hl 

IS 

C^ 

"3* 

Hliil 

1  1  IIB    Hl 

II   II 

e(5 

<1 

1 

Sill 

i      II!     1 

II   " 

,  X 

(N 

;=t 

sai 

1  1    llilll 

1  ^ 

1 

ffl 

<t3 

1 1 

Kill 

1  IH   lüH  n 

1 

(N 

S 

1 

inn 

ni    lüH  H 

1 

<^ 

ISi 

im  Hl 

1 

(M 

•'r' 

iii 

1  III  Hl 

1 

O 

^ 

ü; 

IHI  Hl 

CM 

■^ 

1 

K 

IHI  Hl 

cn 

-', 

N 

Iii 

IIIH 

1—1 

'^ 

II 

f» 

MIH 

o 

00 

II 

MI  II  1 

o 

»^ 

U 

IIHII  1 

1 

^  > 

t- 

^ 

l        I 

1 

CD     3 

^ 

\        \ 

1 

c.  ^ 

?D 

<1 

Vi           I  1 

1  ni 

r  II 

1—1 

■s; 

n           11 

U  III      H 

m 

<f, 

IBIH     1 

1       HH 

" 

^ 

HÜSI     1 

1       IlH 

•^ 

<r* 

WX\    1 

II  1    IMH     1 

iiinii  1 

H       UHU     1 

^~ 

lr^OlOO        lOOiooio 

3 

"-s 

p:;|iniO-<i<->*<coeo<N(Mf-i                          || 

Cl. 

^ 

00in)t>»o«oiOir:io^                        1 

^    1          «           O          "^           O          •=«         O"         <»          Ö"         «5                                JJ 

32  Dr.   Gzerny. 

und  wurde  Mitte  Juli  entlassen.  Am  7.  August  stellte  er  sich  wieder 
vor  und  sah  sehr  vergnügt  und  wohlgenährt  aus.  Die  Operationswunde 
und  die  Fistelnarbe  waren  solid  verheilt,  von  einer  Hernie  keine 
Spur  nachweisbar.  Das  Tragen  des  Bruchbandes  wurde  noch  ferner- 
hin empfohlen. 

Neunter  Fall.  Konrad  Kraus,  40  Jahre  alt,  aus  Neuluss- 
heim,  soll  im  18.  Lebensjahre  durch  Tragen  schwerer  Lasten  einen 
rechtsseitigen  Leistenbruch  erworben  haben.  Dieser  Hess  sich  zwar 
anfangs  durch  ein  Bruchband  zurückhalten,  bei  Anstrengungen  der 
Bauchpresse  jedoch  traten  Eingeweide  unter  der  Pelotte  hervor. 
Seit  etwa  10  Jahren  wiederholte  sich  dieser  Vorfall  immer  häufiger, 
so  dass  das  Band  seinen  Dienst  nicht  mehr  that.  Am  30.  Sep- 
tember 1875  Morgens  5  Uhr  trat  der  Bruch  plötzlich  mit  heftigen 
Schmerzen  hervor  und  konnte  weder  von  dem  Patienten  selbst, 
noch  von  dem  behandelnden  Arzte  in  W,  während  der  Narkose 
zurückgebracht  werden.  Mit  Einwilligung  des  Kranken  wurde  hier 
der  Bruchschnitt  gemacht,  worauf  anfangs  Erleichterung  eintrat. 
Jedoch  schon  am  2.  Oktober  traten  wieder  heftige  Einklemmungs- 
erscheinungen  und  Kotherbrechen  ein,  welche  den  Arzt  veranlassten, 
nochmals  zu  operiren.  Seitdem  ging  durch  6  Wochen  der  sämmt- 
liche  Koth  durch  die  Wunde  ab.  Der  Kranke  fühlte  sich  immer 
elender.  Sein  Arzt  in  W.  versuchte  vergebens  die  Heilung  durch 
die  Naht  der  Wunde  zu  erzielen,  ätzte  dann  wiederholt  die  Fistel- 
ränder, wodurch  sich  der  widernatürliche  After  allmählig  zu  einer 
engen  Kothfistel  gestaltete,  aus  der  blos  ein  kleiner  Theil  des  Darm- 
inhaltes abging.  Mit  diesem  Zustande  entlassen,  fing  er  wieder 
leichte  Arbeit  zu  leisten  an.  Nach  3  Wochen  bekam  er  wieder 
heftigen  Kopfschmerz  und  Fieber,  die  Leistengegend  schwoll  stark 
an,  und  nach  einem  neuen  Durchbruche  kam  fast  der  ganze  Darin- 
inhalt  aus  der  nunmehr  vergrösserten  Fistel ,  aus  der  sich  jetzt  die 
Darmschleimhaut  hervorstülpte.  Da  er  durch  das  Fieber  und  die 
mangelhafte  Verdauung,  wozu  sich  Athembeklemmungen  gesellten, 
sehr  heruntergekommen  war,  trat  er  am  18.  April  1876  in  das 
klinische  Hospital  in  Heidelberg  ein.  Die  Fistel  war  bei  der  Auf- 
nahme etwa  markgross.     Hier  verkleinerte  sie  sich  allmählig  unter 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  TTernien.  33 

geeigneter  Behandlung  so  weit,  dass  der  meiste  Koth  auf  natür- 
lichem Wege  abging,  wenn  er  die  Fistel  durch  einen  Charpieballen 
zustopfte.  Da  ich  den  Kranken  einmal  im  Ambulatorium  gesehen 
hatte,  Hess  ich  ihn  am  27.  Juni  kommen,  nachdem  wir  bei  dem 
vorhergehenden  Falle  einen  so  schnellen  Erfolg  erzielt  hatten.  Ich 
schlug  ihm  die  Operation  vor,  auf  welche  er  bereitwilligst  einging, 
da  er  sich  und  seiner  Gemeinde  eine  Last  war  und  in  diesem  Zu- 
stande für  seine  Familie  nur  wenig  thun  konnte. 

Im   rechten  Hodensacke    befand   sich    eine  Geschwulst,    deren 
Länge  vom  Leistenringe  bis  zum  unteren  Ende  des  Scrotum  25  Gtm. 
betrug.     Der   Umfang   derselben    (sammt   Wurzel    des    Penis)    war 
32  Gtm.     Neun  Gtm.  unterhalb  des  äusseren  Leistenringes  fand  ich 
eine  für  den  Daumen  bequem  durchgängige  Oeffnung,  aus  welcher 
ein    5  Gtm.   langes,    deutliche   peristaltische   Bewegungen   zeigendes 
Darmstück  prolabirte.    Die  Schleimhaut  desselben  zeigte  quer  gerun- 
zelte Falten  und  eine  etwas  chagrinirte  Oberfläche.    Die  Geschwulst 
Hess   sich   bei   horizontaler  Rückenlage   sehr   bedeutend  verkleinern, 
so  dass  blos  ein  derber  Strang  von  dem  Leistenkanale  zu  der  äusseren 
Oeffnung  zog.     Der  Leistenring  war  ca.  3  Gtm.  lang,  2  Gtm.  breit. 
Operation    am  2.  Juli.      Nachdem    der  Kranke    schon   zwei 
Tage  vorher  auf  flüssige  Diät  gesetzt  und  sein  Darm  gründlich  aus- 
gespült  worden   war,   wurde  nach  der  localen  Reinigung  und  Des- 
infection   die  Fistel    wieder   provisorisch   durch   eine   Kürschnernaht 
verschlossen.     Durch   einen   über  10  Gtm.  langen  Hautschnitt,    der 
nach    aussen   von    der  Fistel  lag,    wurde  der  Bruchsack  blosgelegt. 
Schon   vor  der  Eröffnung   desselben    mussten   10  Gefässe  —   theil- 
weise    erweiterte  Venen  —  mit    Gatgut   unterbunden   werden.     Um 
an    den    freien    Darmtheil    zu    gelangen,    musste    der   Schnitt    im 
Bruchsacke    bis    dicht    an    die    Bruchpforte    verlängert    und    dann 
auch    bis   an   den   Grund    des   Hodensackes    herabgeführt    werden, 
um  bei  der  Lösung  der  an  der  Vorderfläche  angewachsenen  Dünn- 
darmschlinge Ueberblick    zu   gewähren.     Zum  Glück   Hess   sich   die 
Darmschlinge   bis  in  die  Nähe  des  Fistelrandes  stumpf  vom  Bruch- 
sack   ablösen,    nachdem    der    Anheftungsrand    blutig    durchtrennt 
worden  war.    Auch  bei  diesem  Geschäfte  mussten  sowohl  am  Darme, 

C  z  e  r  n  y  ,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  '' 


34  Dr.  Czerny. 

als    am  Bruchsacke  Ligaturen    angelegt   werden.     Die  Darmschlinge 
war  jedoch    seitlich  geknickt   und    ihre  beiden  Schenkel  unter  sich 
verwachsen.      Auch    diese   Adhäsionen    mussten    theilweise    blutig 
gelöst  werden,    wobei   die  Darmwandung  an  einer  kleinen  Stelle  so 
dünn  erschien,  dass  zur  Sicherung   an  derselben  3  Gatgutnähte  an- 
gebracht werden  mussten.   Nun  wurde  die  Darmschlinge  vom  Fistel- 
rande  abgeschnitten,    und   obwohl    sie   vom  Assistenten  so  gut  als 
möglich  comprimirt  wurde,  floss  dabei  doch  eine  kleine  Menge  grün- 
lich gelben  Darmschleimes  in  den  Bruchsack.    Die  Fistel  im  Darme 
war  jetzt  3—4  Gtm.  lang,  wurde  sorgfältig  geglättet  und  mit  7  Gat- 
gutknopfnähten    vereinigt.     Darüber    folgte   noch   eine   zweite  Reihe 
von  7  Knopfnähten,  über  welchen  an  einigen  weniger  dichten  Stellen 
sogar  noch  in  einer   dritten  Reihe  3  Nähte  angelegt  wurden.     Da- 
durch  war  das  Darmlumen  allerdings  um  die  Hälfte  seines  Durch- 
messers   verengert,    allein    ich    glaubte    doch    eine   solche    Stenose 
lieber    in    den  Kauf  nehmen   zu  sollen,    als   die  Ausschaltung    des 
ganzen  angewachsenen  Darmstückes,  obgleich  ich  für  den  schlimmsten 
Fall    auch    auf  diesen  Schritt   gefasst   war.     Jedenfalls   würden   die 
zahlreichen    Arkaden    der    Mesenterialgefässe    zahlreiche    Ligaturen 
nöthig  machen.     Nach  der  vollständigen  Reinigung  und  Desinfection 
der  Darmschlinge   und   des  Bruchsackes   wurde    die   erste  reponirt. 
Vom  letzteren  und  der  Skrotalhaut  schnitt  ich  ein  elliptisches  Stück, 
welches  die  infiltrirten  Hautränder    der   alten  Fistel    enthielt,    weg, 
um  die  Vereinigung  der  Wunde  in  einer  Linie  vollziehen  zu  können. 
Auch    dabei    waren    mehrere   Gefässligaturen    nöthig.     Eine    unan- 
genehme Erscheinung   war  die  hartnäckige  Flächenblutung  von  der 
gelösten    Darmschlinge.     Nachdem   sie    schon  reponirt  war,   kamen 
Bauchschwämme,  welche  durch  die  noch  offene  Peritonealwunde  in 
die  Bauchhöhle  getaucht  wurden,  noch  lange  Zeit  blutig  heraus. 

Die  nun  folgende  Ligatur  des  Bruchsackhalses  schloss  die 
Bauchhöhle  nicht  vollkommen  ab,  da  der  Schnitt  noch  höher  hinauf 
ging,  als  die  Ligatur  angelegt  werden  konnte.  Auch  beim  Ver- 
schluss der  Bruchpforto,  welcher  durch  eine  fünfmal  gekreuzte  Gat- 
gut-Miedernaht  erzielt  wurde,  waren  Schwierigkeiten  vorhanden,  da 
der   innere  Schenkel   des   Leistenringes   nicht   gut   ausgeprägt   war. 


Beiträge  zur  Radikaloperation   der  Hernien. 


35 


Nachdem  der  Bruchsack  drainirt  war,  wurde  die  Hautwunde  mit 
circa  15  Knopfnähten  vereinigt  und  darüber  ein  gut  comprimirender 
Verband  angelegt.    Täglicli  10  Tropfen  Opiumtinktur.   Die  Operation 


PQ 


W 


.2       I 


M 


W 


I 

II 
II 


< 


11 
11 

n 
n 
II 
11 


I 
I 
I 

lU 


IIH 


■B""" 


II 


Sil 

~  SS!I 


li 


im 


lliS 


U 


H 


ni 
in 
im 


r-      <D 

O    & 


cc 


1^  ^ 


1 


(M  (N  rH 


-1  ,-1  ili  «3» 


»O^         tO  »O  lO  o  ■«* 


hatte  2'/*  «Stunden  gedauert  und  wurde  in  Gegenwart  der  Herren 
Geh.  Hofrath  Dr.  Tenner,  Prof.  Dr.  Lossen,  mehrerer  auskändischer 
Aerzte    und  des    ganzen  Gollegiums   ausgeführt.     Obgleich   auch  in 


36  D^"«  Czerny. 

diesem,  Falle,  wie  schon  aus  der  beigegebenen  Fiebercurve  hervor- 
geht, der  Verlauf  ganz  ausserordentlich  günstig  war,  so  war  doch 
in  den  ersten  3—4  Tagen  der  durchaus  nicht  empfindliche  Leib 
etwas  aufgetrieben,  der  Kranke  klagte  über  Unbehagen  und  Kollern 
im  Leib  und  musste  sich  sogar  4 — 5mal  erbrechen.  Vom  4.  Juli 
an  wurden  täglich  Wassereingiessungen  bis  zu  1500  Gctm.  gemacht, 
welche  Blähungen  und  Stuhl  zur  grossen  Erleichterung  des  Patienten 
zu  Tage  förderten.  Vom  12.  an  erfolgte  regelmässig  täglich  Stuhl 
ohne  Kunsthilfe.  Die  Nähte  und  zwei  Drainröhrchen  wurden  beim 
1.  und  2.  Verbandwechsel  am  4.  und  7,  Juli  entfernt.  Eine  massige 
Eiterung  machte  alle  3  Tage  den  Verbandwechsel  nöthig.  Einmal 
wurde  auch  eine  Gatgutligatur  im  Eiter  gefunden.  Erst  beim 
7.  Verbandwechsel  am  23.  Juli  wurde  die  Carbolgaze  gegen  Sali- 
cylwatte  vertauscht,  da  die  Eiterung  fast  ganz  aufgehört  hatte. 
Vom  14.  an  erhielt  der  Kranke  Fleischspeisen  und  durfte  am  16. 
zuerst  mit  Bruchband  und  Suspensorium  aufstehen.  Bei  der  Ent- 
lassung am  7.  August  war  die  Wunde  geheilt,  der  Anstoss  in  der 
Leistengegend  etwas  stärker  als  normal ,  aber  keine  Hernie  nach- 
weisbar. Aus  seiner  Heimath  erhielten  wir  von  dem  sehr  dank- 
baren Patienten  fortlaufend  gute  Nachrichten. 

Diese  zwei  Krankengeschichten  lassen  sicher  die  directe  Entero- 
raphie  bei  Kothfisteln  im  Bruchsacke  gerechtfertigt  erscheinen, 
sobald  die  gewöhnlichen  Methoden  der  Behandlung  nicht  zum  Ziele 
führen,  oder  bald  vom  Wiederaufbruch  der  Fistel  gefolgt  sind.  Für 
die  leichte  oder  schwere  Ausführbarkeit  wird  ganz  besonders  die 
Ausdehnung  der  Verwachsungen  massgebend  sein.  Je  mehr  sich 
die  Bruchgeschwulst  durch  Druck  in  der  Rückenlage  verkleinern 
lässt,  um  so  geringer  sind  die  Adhäsionen.  Ein  bedeutender  Pro- 
laps eines  Darmrohres  lässt  darauf  schliessen,  dass  es  nicht  an- 
gewachsen ist.  Ob  die  Fistel  ihren  Sitz  im  Dünndarm  oder  Dick- 
darm hat,  wird  man  aus  der  Schnelligkoil  des  Kothaustrittes  nach 
der  Nahrungsaufnahme  und  aus  der  Beschaffenheit  des  Darminhaltes 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  schliessen  können.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  der  Schleimhaut  liess  im  zweiten  Falle  fälschlich  auf 


Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  37 

Dickdarm  schliessen ,  obgleich  sie  von  compelenten  Ilistologen  vor- 
genommen wurde.  Am  schlimmsten  wäre  es,  wenn  sich  Cöcum  im 
Bruchsacke  vorfände.  Ich  habe  es  bei  angeborenen  Hernien  zwei- 
mal (Fall  3  und  5)  getroffen  und  sollte  wohl  meinen,  dass  man 
selbst  bei  Gegenwart  einer  Fistel  die  Schwierigkeit  ungestraft  über- 
winden könnte.  Wenn  die  Darmwand  in  der  Umgebung  der  Fistel 
soweit  zerstört  oder  verwachsen  wäre,  dass  man  sie  nicht  mehr 
durch  die  Naht  zu  einem  geschlossenen  Kanäle  umgestalten  könnte, 
müsste  dieses  Stück  aus  der  Continuität  des  Darmrohres  ausgeschaltet 
werden.  Es  wird  sich  jedoch  wohl  nicht  empfehlen,  nach  Dieffen- 
b ach 's  Vorgange  einen  widernatürlichen  After  in  der  Bruchpforte 
herzustellen,  sondern  man  wird  besser  thun,  die  beiden  getrennten 
Enden  des  Darmrohres  direct  zusammenzunähen,  wie  das  schon 
Brasdor  bei  gangränösen  Darmschlingen  empfohlen  hat.  In  dem 
letzten  Falle  sind  die  günstigen  Erfolge  allerdings  selten,  weil  man 
es  immer  schon  mit  localer  Fäulniss  und  Entzündung  zu  thun  hat. 
Bezüglich  der  Darmnaht  verweise  ich  auf  die  oben  geschilderten 
Operationen  und  die  Versuche,  welche  von  Herrn  Dr.  Kaiser  weiter 
unten  mitgetheilt  werden. 


Wenn  man  die  mitgetheilten  Radikaloperationen  überblickt,  so 
kann  man  sich  der  Erfahrung  nicht  verschliessen,  dass  es  bei  der 
antiseptischen  Wundbehandlung  in  der  That  möglich  ist,  in  längstens 
3 — 4  Wochen  die  Heilung  eines  Leistenbruches  zu  erzielen  und  zwar 
bei  Fällen,  welche  früher  nur  ausnahmsweise  ein  Object  der  Radi- 
kalbehandlung bildeten.  Reponible  Hernien,  welche  durch  Bruch- 
bänder zurückgehalten  werden  können,  bilden  zunächst  wenigstens 
kein  Object  meiner  Behandlungsmethode.  Nichtsdestoweniger  werden 
vorsichtige  Chirurgen  Auskunft  über  die  Dauer  der  Heilungen, 
über  die  Nothwendigkeit  auch  nach  der  Operation  eine  Bandage  zu 
tragen,  verlangen,  und  ich  möchte  mich  selbst  am  wenigsten  der 
Beantwortung  dieser  wichtigen  Fragen  entziehen.  Allein  so  lange 
mein  Material  noch  so  klein  ist ,  genügt  es  mir ,  das  Interesse  an 
der  Frage  wieder   in  weiteren  Kreisen   angeregt  zu  haben,  und  ich 


38  Dr-   Czerny. 

werde    nicht    verfehlen,    auch    über   die  weiteren  Schicksale  meiner 
Patienten  gelegentlich  zu  berichten. 


Nachschrift. 

In  den  ersten  Novembertagen  1877  Hess  ich  mir  die  Patienten  Rachel 
(sechster  Fall),  Walbauer  (siebenter  Fall),  Kinzinger  (achter  Fall)  und  Kraus 
(neunter  Fall)  zur  Untersuchung  kommen.  Der  Befund  in  der  Leistengegend 
war  bei  allen  Vier  derselbe,  wie  bei  der  Entlassung.  —  Der  äussere  Leistenring 
war  entweder  gar  nicht  oder  höchstens  für  die  Spitze  des  kleinen  Fingers  pas- 
sirbar.  Nur  bei  Kraus  und  noch  mehr  bei  Rachel  war  der  Anprall  entsprechend 
der  äusseren  Leistengrube  beim  Husten  etwas  stärker,  als  normal.  Bei  Rachel, 
der  übrigens  sein  doppelseitiges  Bruchband  mit  einem  linksseitigen,  dem  nicht 
operirten  Bruche  entsprechenden  vertauscht  hatte,  schien  auf  der  operirten  Seite 
eine  Hernia  incipiens,  welche  jedoch  die  Sehne  des  äusseren  schiefen  Bauch- 
muskels noch  nicht  überschritten  hatte,  in  Bildung  begriffen  zu  sein.  Allen  4  Pa- 
tienten habe  ich  noch  fernerhin  das  Tragen  des  Bruchbandes  empfohlen.  Die 
Narben  waren  bei  Allen  durchaus  unempfindlich,  der  zurückgelassene  Bruchsack 
bis  auf  einen  höchstens  kleinfingerdicken  Strang  geschrumpft. 

Erst  während  des  Druckes  dieser  Schrift  kamen  mir  die  Arbeiten  von 
Dr.  Otto  R  i  s  e  1  (Versuche  zur  Radikalheilung  freier  Hernien ,  Deutsch,  med. 
Wochenschr.  Nr.  38  u.  39,  1877)  und  von  Dr.  Max  Schede  (Zur  Frage  von  der 
Radikal-Operation  der  Unterleibsbrüche,  Gentr.-Rl.  f.  Chirurgie,  Nr.  44,  1877)  in 
die  Hände ,  weshalb  ich  blos  ganz  kurz  auf  dieselben  eingehen  möchte.  R  i  s  e  1 
hat  bisher  blos  freie  Hernien  operirt,  welche  ich  ebenso  wie  Schede  noch 
von  diesen  Versuchen  so  lange  ausschliessen  möchte,  bis  uns  über  ihre  Resul- 
tate bei  denjenigen  Brüchen,  welche  durch  Bandagen  nicht  zurückgehalten  werden 
können,  mehrjährige  Erfahrungen  vorliegen.  Auf  seine  zwei  letzten  Operationen 
war  offenbar  meine  erste  Arbeit  (Studien  etc.  1.  c.)  nicht  ohne  Einfluss ,  indem 
er  hier  ebenfalls  die  äussere  Bruchpforte  durch  eine  versenkte  Katgutnaht  ver- 
schloss.  Jedoch  halte  ich  die  Abtragung  der  Ränder  und  des  äusseren  Leisten- 
ringes zu  diesem  Zwecke  mindestens  für  überflüssig.  Ich  stülpe,  nach  der  Ab- 
bin düng  des  Bruchsackhalses,  die  Reste  der  von  der  Bauchwand  auf  den  Bruchsack 
sich  fortsetzenden  Schichten  (Fascia  Cooperi,  Cremaster  und  Tunica  vaginalis 
communis)  mit  dem  linken  Zeigefinger  in  den  Leistenkanal  ein  und  dränge  nun 
die  beiden  Schenkel  des  Leistenringes,  welche  sich  jetzt  als  rundliche  dicke 
Ränder  präsentiren,  mit  dem  Fingerballen  so  weit  heraus,  dass  sie  mit  der  Naht 
vereinigt  werden  können.  Dadurch  gewinne  ich  den  Vortheil,  dass  nicht  scharfe 
Schnittränder  einer  dünnen  Fascie,  sondern  breite  Flächen  derselben,  welche 
mit  einer  gefässreichen  Bindegewebsschichte  überzogen  sind,  in  Berührung  kom- 
men. Ferner  wird  durch  die  eingestülpten  Bedeckungen  des  Bruchsackes  dem 
Verschlusse  des  Leistenkanales  auf  ähnliche  Weise ,  wie  es  ja  auch  die  älteren 
Invaginationsmethoden  anstrebten,  grössere  Sicherheit  gewährt. 

Schede  hat  die  seltene  Gelegenheit  benutzt,  seine  Versuche  der  Radikal- 
heilung auch  auf  Schenkel-  und  Bauchbrüche  zu  übertragen.  Im  wesentlichen 
setzte  er  die  älteren  Versuche  fort,  die  Radikal heilung  durch  blosse  Obliteration 
des  Bruchsackes  zu  erzielen.  Da  diese  Methoden  schon  einmal  wegen  ihrer  Un- 
sicherheit verlassen  worden  sind ,  so  ist  nicht  zu  erwarten ,  dass  er  auf  diesem 
Wege  sichere  Resultate  erzielen  wird.  Ausserdem  gibt  er  wohl  selbst  zu,  dass 
zur  Radikalheilung  auch  der  Verschluss  der  BruchpfoiLe  gehört,  und  es  ist  dann 
doch  rationeller ,  diesen  Verschluss  gleich  bei  der  Operation  herbeizuführen ,  als 
ihn  dem  Zufalle  zu  überlassen.  Ausserdem  beweisen  meine  Krankengeschichten, 
dass  durch  die  Naht  der  Bruchpforte  die  Gefahr  der  Operation  nicht  erhöht 
wird,  und  es  sind  deshalb  wohl  theils  theoretische  Gründe,  theils  die  eigenthüm- 
lichen  Verhältnisse  seiner  bisher  operirten  interessanten  Fälle  gewesen,  welche 
ihn  von  diesen  Versuchen  abgehalten  haben. 


IL 

Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs 


von 


Dr.  Heinrich  Braun, 

Privatdocent  und  Assistenzarzt  der  chirurgischen  Klinik  in  Heidelberg. 


1)  Resection  des  Oesopliagus.    S.  41. 

2)  Exstirpation  einer  Struma  accessoria  posterior.  S.  52. 

3)  Exstirpation  eines  Lymphosarcoms  der  Tonsille  und  des  weichen 
Gaumens  mit  temporärer  Resectiou  des  Unterkiefers.    S.  60. 

4)  Oesophagotomia  interna.    S.  70. 


Unter  diesen  Beiträgen  zur  Chirurgie  des  Schlund- 
rohrs  sollen  einige  casuistische  Mittheilungen  vereinigt  werden, 
Fälle  betreffend,  die  sämmtlich  im  Laufe  des  verflossenen  Sommer- 
Semesters  in  der  chirurgischen  Klinik  zu  Heidelberg  zur  Beobachtung 
gelangten. 

In  den  drei  ersten  Fällen  handelte  es  sich  um  verschiedene 
Geschwülste,  von  denen  eine  in  der  Wandung  des  Oesophagus  selbst 
ihren  Sitz  hatte,  während  die  anderen  in  der  Nähe  derselben  gelegen 
waren  und  mit  diesem  in  naher  Beziehung  standen.  Bei  zweien 
wurde  mit  dem  vorzüglichsten  Erfolge  die  Zugängigkeit  zur  voll- 
ständigen Exstirpation  derselben  gewonnen  durch  den  bei  der  Oeso- 
phagotomia  externa  gewöhnlich  ausgeführten  Schnitt  längs  des 
vorderen  Randes  des  M.  sternocleidomastoideus ,  bei  dem  dritten 
durch  temporäre  Resection  des  Unterkiefers.  Die  vierte  Mittheilung 
enthält  Betrachtungen  über  die  Oesophagotomia  interna. 


1.  Resection  des  Oesophagus  ^). 

Zu  Anfang  Mai  dieses  Jahres  kam  auf  unsere  chirurgische 
Klinik  eine  51  Jahre  alte  Frau,  die  mager,  aber  nicht  gerade  elend 
aussehend,  über  Schluckbeschwerden  klagte.   Dieselben  sollten  schon 


1)  Nach  einem  bei  der  Versammlung  mittelrheinischer  Aerzte  in  Frank- 
furt a.  M.  am  23.  Mai  1877  gehaltenen  Vortrage. 

Gzerny:  Neue  Operationen  Nr.  1  Resection  des  Oesophagus.  Centralblatt 
für  Chirurgie  1877  Nr.  28,  S.  433. 


42  Dr-  Heinrich  Braun. 

im  Jahre  1875  einmal  vorübergehend  bestanden  haben,  darauf  völlig 
verschwunden,  zuletzt  im  December  1876  mit  erneuter  Heftigkeit 
wiedergekehrt  sein.  Feste  Speisen  konnten  damals  gar  nicht,  weiche 
nur  mit  Mühe  geschluckt  werden,  während  flüssige  noch  leicht 
hinunter  gingen.  In  der  letzten  Zeit  verursachten  aber  auch  diese 
öfters  eine  gewisse  Schwierigkeit. 

Aussen  am  Halse  konnte  nichts  abnormes  gefühlt  werden, 
geschwellte  Lymphdrüsen  waren  keine  zu  finden.  Bei  der  Inspection 
des  Mundes  war  ebenfalls  nichts  Besonderes  wahrzunehmen,  während 
man  mit  dem  tief  eingeführten  Finger  auf  eine  weiche,  leicht  blutende 
Anschwellung  kam.  Die  Einführung  der  Schlundsonde  war  ganz 
unmöglich,  auch  mit  dem  feinsten  Katheter  konnte  man  selbst  in 
der  Narkose  und  mit  Leitung  des  Fingers  an  keinem  Punkte  weiter 
in  die  Tiefe  vordringen.  Mit  Hülfe  des  Kehlkopfspiegels  war  auch 
kein  genauerer  Aufschluss  über  den  Sitz  und  die  Beschaffenheit  des 
Tumors  zu  erhalten,  kaum  konnte  man  das  oberste  Ende  desselben 
erkennen.  Auf  keine  Weise  war  es  also  möglich  eine  Vorstellung 
darüber  zu  bekommen,  wie  weit  der  Tumor  nach  unten  sich 
erstreckte. 

Aus  der  Anamnese,  dem  Alter,  dem  Aussehen  der  Patientin 
und  dem  localen  Befunde  konnte  man  mit  ziemlicher  Sicherheit  die 
Diagnose  auf  ein  Garcinom  des  oberen  Theiles  des  Oesophagus 
stellen.    Es  handelte  sich  darum  zu  entscheiden,  was  geschehen  sollte. 

Man  konnte,  wie  dies  meistens  geschieht,  die  Kranke  ihrem 
Schicksale,  d.  h.  im  vorliegenden  Falle  ihrem  baldigen  Tode  überlassen, 
höchstens  vielleicht  durch  ernährende  Klystiere  ihre  Lebensdauer  auf 
kurze  Zeit  hinausschieben,  allenfalls  auftretende  Schmerzen  durch 
Narcotica  besänftigen.  Nach  dem  Allgemeinbefinden  der  Kranken 
zu  urtheilen,  war  dieselbe  jedoch  noch  im  Stande,  eine  eingreifende 
Operation  auszuhalten ,  so  dass  desshalb  von  dieser  einfachsten 
Behandlung  Abstand  genommen  und  ein  operatives  Vorgehen  in's 
Auge  gefasst  wurde.  t 

Hier  hatte  man  die  Wahl,  entweder  die  Oesophagotomia  interna 
auszuführen,  oder  einen  neuen  Weg  für  den  Zugang  der  Speisen  in  den 
Magen    anzulegen   durch   eine   Oesophagus-   oder  Magenfistel,    oder 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  43 

man  konnte  viertens  nach  dem  von  Billroth  gemachten  Vorschlage 
die  Exstirpation  der  Geschwulst  auszuführen  versuchen. 

Von  der  Oesophagotomia  interna»),  die  bei  Garcinomen 
des  Oesophagus,  soweit  bekannt,  von  Maisonneuve  und  Schütz 
versucht  wurde,  ist  wohl  nicht  viel  zu  erwarten;  möglicherweise  wird 
für  geringe  Zeit  die  Fähigkeit  zu  schlucken  gebessert  werden  können. 
Schütz  war  fünf  Mal  zu  schneiden  genöthigt  und  erzielte  jedesmal 
geringe  Besserung,  wodurch  seine  Kranke  noch  einige  Zeit  am 
Leben  erhalten  wurde. 

Die  Erfolge  der  Oesophagotomia  externa  innerhalb  und 
unterhalb  der  carcinomatösen  Stelle  sind  bis  jetzt  äusserst  ungünstig, 
wohl  meistens  desshalb,  weil  immer  nur  in  den  extremsten  Ver- 
hältnissen bei  ganz  herabgekommenen  Individuen  die  Operation  aus- 
geführt wurde.  Nach  den  Zusammenstellungen  von  Terrier^)  und 
König  3)  wurde  diese  Operation  bei  Garcinomen  des  Oesophagus 
nur  3mal  ausgeführt.  Die  Patientin  von  Monod*)  starb  allerdings 
erst  3  Monate  nach  der  Operation,  dagegen  die  47  Jahre  alte  Frau 
von  Willet^)  nach  18  Tagen  an  Erschöpfung  und  Billroth's^) 
Kranker  schon  am  folgenden  Tage.  Bei  den  anderen  dort  auf- 
geführten Fällen  ist  es  zweifelhaft,  ob  es  sich  um  carcinomatöse 
oder  anderartige  Verengerungen  handelte,  so  bei  Tar enget ')  (Pa- 
tientin starb  16  Monate  später),  Watson»)  (Mann,  starb  zwei  Mo- 
nate nachher)  und  De  Lavacherie^)  (Tod  des  Mannes  nach 
14  Tagen).  — 


')  S.  unten  Oesophagotomia   interna  Beobachtung  5  und  11. 

2)  Terrier,  L.  F.:  De  l'oesophagotomie  externe.     These   de  Paris  1873. 

P.  118. 

3j  König:  Die  Krankheiten  des  unteren  Theiles  des  Schlundes  und  der 
Speiseröhre.  Handbuch  der  allgem.  und  spec.  Chirurgie  von  Pitha-Billroth. 
Bd.  III.  Abth.  I.  Lieferung  4,  1872,  S.  70. 

*)  F ollin:  Des  retrecissements  de  l'oesophage.  These  d'agregation  en 
Chirurgie  1853.  P.  116.    Terier  1.  c.  P.  118. 

"5)  St.  Bartholomew's  Hosp.  Reports  Vol.  IV,  1868,  P.  204. 

*)  Menzel,  A.:  Zwei  Oesophagotomien.  Wien. med,  Wochenschr.  1870Nr.56. 

')  Journal  de  med.  chirurg.  et  pharm.  T.  68.  1786.  P.  2,50. 

8)  Dublin  Journal  XXVII.  1845,  P.  260.  Terrier  1.  c.  P.    118. 

ä)  Bull,  de  l'academie  royale  de  med.  de  Belgique  1844—45.  T.  IV.  P.  758. 


44  Dr.  Heinrich  Braun. 

Seit  der  Ziisainnienstellung  dieser  Tabellen  wurde  der  äussere 
Schlundschnitt  bei  Carcinom,  soweit  mir  bekannt,  noch  in  folgenden 
Fällen  ausgeführt. 

Von  Evans  ^)  im  Jahre  1866  bei  einer  43  Jahre  alten  Patientin 
wegen  eines  im  oberen  Drittel  des  Oesophagus  sitzenden  Garcinoms. 
Tod  nach  50  Stunden. 

Von  Podrazki^)  1873  bei  einem  40  Jahre  alten  Manne,  der 
nach  zwei  Tagen  starb. 

Von  Kappeier  3)  zum  ersten  Male  bei  einem  42jährigen, 
zum  zweiten  Male  bei  einem  65jährigen  Manne,  der  eine  starb  4, 
der  andere  2  Tage  nach  der  Operation. 

Von  Simon  im  Jahre  1875.  Die  Krankengeschichte  dieser 
Patientin,  die  seiner  Zeit  auf  meiner  Abtheilung  lag,  möchte  ich, 
da  sie  noch  nicht  mitgetheilt  ist,  hier  kurz  einschalten. 

Es  wurde  im  Februar  1875  die  40  Jahre  alte,  etwa  im  7.  Mo- 
nate schwangere  Frau  K.  aufgenommen.  Ihre  Schluckbeschwerden 
die  sie  seit  dem  Sommer  1874  datirte,  hatten  sich  in  letzterer  Zeit 
zu  einem  Grade  gesteigert,  dass  das  Schlucken  von  Flüssigkeit  fast 
unmöglich  war;  eine  Schlundsonde  einzuführen  gelang  nicht.  Bei 
der  localen  Untersuchung  fand  man  an  der  hinteren  Wand  des 
Kehlkopfs,  gegen  die  Pharynxhöhle  vorragend,  eine  gerade  eben  noch 
mit  dem  Finger  erreichbare  Geschwulst.  Am  20.  Februar  wurde  die 
Oesophagotomie  ausgeführt,  sie  verlief  gut  ohne  jeglichen  Zwischen- 
fall; der  Oesophagus  wurde  unterhalb  des  Hindernisses  incidirt  und 
durch  7  Nähte  mit  der  äusseren  Haut  vereinigt,  beiderseits  wurden, 
um  die  entstandene  starke  Spannung  der  Haut  etwas  zu  vermindern, 
Entspannungsschnitte  gemacht.  Durch  die  eingelegte  Schlundsonde 
wurden  Eier,  Milch  und  Bouillon  eingegossen.  Am  21.  Februar 
fühlte  sich  die  Operirte  äusserst  schwach,  spürte  Nachmittags  Kinds- 


*)  Mackenzie,  M.:  Lectures  on  Cancer  of  the  Oesophagus,  based  on 
100  fatal  cases.  Med.  Times  and  Gaz.  1876.  Vol.  II.  P.  137. 

')  Weich  sei  bäum,  Dr.  A. :  Strictura  oesophagi.  Oesophagotomie.  Tod. 
Wien,  medic.  Wochenschrift  1873,  S.  774. 

')  K  a  p  p  e  1  e r:  Zwei  Oesophagotomien.  Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie. 
Bd.  VII.  S.  879. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  45 

bewegungen,  aborlirte  Abends  um  8  Uhr  und  starb  um  10  Uhr  an 
Erschöpfung;  34  Stunden  nach  Ausiüiirung  der  Operation. 

Zieht  man  das  Facit  aus  diesen  8  Fällen,  bei  denen  wegen 
sicher  constatirten  Garcinoms  die  Oesophagotomia  externa  ausgeführt 
worden  war,  so  ergibt  sich,  dass  die  Operation  überlebte  ein  Patient 
3  Monate,  einer  18  Tage,  einer  4  Tage  und  fünf  nur  1  bis  2  Tage. 

Wohl  ebenso  schlechte  oder  noch  schlechtere  Resultate  gaben 
die  wegen  Oesophaguscarcinom  ausgeführten  Gastrotomien,  keine 
war  im  Stande  längere  Zeit  den  Kranken  das  Leben  zu  erhalten, 
meist  desshalb  weil  auch  sie  in  einem  zu  weit  vorgerückten  Stadium 
der  Krankheit,  die  schon  alle  Kräfte  erschöpft  hatte,  vorgenommen 
worden  waren  ^).  Wird  man  sich  entschliessen  können,  die  Gastro- 
tomie  sowohl  als  die  Oesophagotomie  früher  zu  machen,  nicht  erst 
dann,  wenn  längere  Zeit  nur  sehr  wenig  oder  gar  nichts  mehr 
geschluckt  werden  konnte ,  so  werden  wohl  auch  bessere  Resultate 
mit  diesen  Methoden,  die  man  immer  wieder  wird  versuchen  müssen, 
zu  erzielen  sein.  Ist  doch  die  Möglichkeit,  die  Ernährung  sowohl 
durch  Magen-  als  Oesophagusfisteln  zu  unterhalten,  genügend  erwiesen. 

Die  dritte   noch  in  Betracht  kommende  Methode  der  Behand- 


^)  In  einer  Anzahl  von  Gastrotomien  war  aber  auch  die  Art  der  Anlegung 
der  Fistel  selbst  an  dem  schlechten  Ausgange  schuld,  und  man  wird  desshalb 
nach  Methoden  suchen  müssen,  wenigstens  diese  Fälle  zu  eliminiren.  Gewöhnlich 
wurden  die  Fisteln  in  der  Weise  angelegt,  dass  man  in  den  bald  in  der  Linea 
alba,  bald  nach  links  davon  angelegten  Baucbschnitt  den  Magen  einnähte  und 
sogleich  incidirte.  Bei  dieser  Methode  ist  das  Einfliessen  von  Mageninhalt  in 
die  Bauchhöhle,  sowohl  bei  der  Operation,  als  in  der  ersten  Zeit  nachher  mög- 
lich. Sicherer  würde  man  diese  Misserfolge  vermeiden,  wenn  man  die  Mageufistehi 
anlegt,  wie  es  von  manchen  Physiologen  geschieht,  und  wie  ich  es  bei  früheren 
Ihitersuchungen  über  den  Modus  der  Magensaftsecretion  bei  Hunden  (Eckhard's 
Beiträge  zur  Anatomie  und  Physiologie  Bd.  VII.  S.  34)  ebenfalls  in  mehr  als  20  Fällen 
ausführte ,  ohne  jemals  ein  Thier  in  Folge  der  Operation  zu  verlieren  oder  ein 
Ausbleiben  von  Adhäsionen  zwischen  Magen  und  Bauchwand  zu  beobachten. 

Die  Anlegung  der  Fistel  geschah  in  der  Weise,  dass  die  Bauchhöhle  in 
der  Linea  alba  geöffnet  wurde,  dann  die  vordere  Fläche  des  Magens,  an  welcher 
nur  kleinere  Gefässe  verlaufen,  mit  zwei  Fingern  gepackt,  aus  der  Wunde  her- 
vorgezogen und  mit  einem  dicken  seidenen  Faden  fest  umschnürt  wurde.  Dieses 
abgebundene  Divertikel  wurde  dann  in  die  Bauchwand  mit  mehreren  Knopfnähten 
so  befestigt,  dass  der  Peritoneal  Überzug  des  Magens  unterhalb  der  Ligatui*  mit  dem- 
jenigen der  Bauchwaud  in  innigen  Contact  gebracht  wurde.  Die  Bauchwunde  selbst 
wurde  dann  bis  dicht  an  die  Magenhernie  heran  mit  tiefen,  das  Peritoneum  mit  um- 


46  Dr.  Heinrich  Braun. 

limg  unseres  hochgelegenen  Oesophaguscarcinoms  war  die  totale 
Exstirpation  desselben  durch  Resection  des  Oesophagus  oder, 
wie  Hüter  ^)  diese  Operation  bezeichnet  haben  möchte,  die  Oeso- 
phago-ectomie.  Bekanntlich  wurde  dieser  Vorschlag  von  Billroth  2)  im 
Jahre  1870  gemacht.  Die  Ausführbarkeit  der  Methode  wurde  da- 
mals durch  Experimente  an  Hunden  bewiesen,  die  theils  von  Bill- 
roth, theils  von  Gzerny  und  Menzel  ausgeführt  worden  sind. 
Das  erste  Versuchsthier  überstand  die  Operation  nicht,  da  ihm  durch 
Unvorsichtigkeit  eines  Wärters  mit  der  Schlundsonde  der  Oesophagus 
durchstossen  und  Milch  statt  in  den  Magen  in  das  vordere  Media- 
stinum hineingegossen  worden  war.  Bei  dem  zweiten  Hunde,  dem 
ein  IV2  Zoll  langes  Stück  des  Oesophagus  resecirt  war,  kam  da- 
gegen die  Heilung  schnell  zu  Stande,  schon  nach  wenigen  Wochen 
war  dieselbe  eine  vollständige  und  definitive,  so  dass  man  mit  einer 
dicken  Schlundsonde  vom  Munde  aus  in  den  Magen  passiren  konnte. 


greifenden  Knopfnäljten  geschlossen.  Nach  3  Tagen,  zu  einer  Zeit,  in  welcher 
sich  schon  feste  Adhäsionen  ausgebildet  hatten,  war  fast  jedesmal  die  Etab- 
Jirang  der  Fistel  zu  Stande  gekommen ,  nur  ausnahmsweise  am  vierten  Tage. 
Bei  der  Anlegung  von  Magenfisteln  nach  dieser  Methode  muss  man  vor  Allem 
wissen  ,  wieviel  man  abbinden  muss,  um  eine  Fistel  zu  erhalten,  durch  einige 
Uebung  lernt  man  beurtheilen ,  wie  viel  man  fassen  muss ,  damit  eine  passende 
Oeffnung  im  Magen  zu  Stande  kommt. 

Bei  dieser  Methode  hätte  man  ausserdem  noch  den  Vortheil  einen  Lister- 
schen  Verband  in  der  ersten,  gefährlichsten  Zeit  anlegen  zu  können,  was  bei 
den  anderen  Methoden  nicht  möglich  ist.  Mit  dieser  Modifikation  versuchte  ich 
in  der  letzten  Zeit  einigemale  Magenfisteln  an  Hunden  anzulegen;  einmal  blieb 
dabei  die  Bildung  einer  Fistel  aus,  obgleich  der  Magen  so  fest  umschnürt  worden 
war,  wie  in  den  anderen  Fällen;  es  hatte  sich  das  abgeschnürte  Magenstück  so 
innig  an  die  Baucli Wandungen  angelegt,  dass  es  durch  Adhäsionen,  die  von 
diesen  ausgingen,  ernährt  wurde;  ein  Stückchen  Protectiv,  das  man  zwischen 
Magen  und  Bauchwand  hineinlegte,  würde  diesen  Zufall  verhindern.  —  Diese 
Methode  würde  wünschenswerth  machen,  den  Patienten  womöglich  bis  zum  zu 
Stande  kommen  der  Fistel  durch  ernährende  Klystiere  zu  erhalten;  selbstver- 
ständlich würde  sie-  auch  nicht  bei  der  äussersten  Erschöpfung  des  Kranken 
ausführbar  sein,"  da  3—4  Tage  zu  ihrer  Ausführung  nothwendig  sind ;  in  diesem 
Zustande  wird  aber  auch  jede  andere  Methode  zur  Anlegung  einer  Magenfistel 
keine  guten  Resultate  zu  liefern  vermögen. 

1)  Jahresbericht  über  die  Leistungen  und  Fortschritte  in  der  gesammten 
Medicin  vpn  Virchow  und  Hirsch  1871.  IL  S.  427. 

*)  Billroth,  Th.:  lieber  die  Resection  des  Oesophagus,  Archiv  für  khn. 
Chirurgie  von  Langenbeck  Bd.  XIIL  S.  65. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  47 

Am  Menschen  die  Operation  auszuführen  hatte  Bill  rot  h  keine 
Gelegenheit,  und  ist  auch  bis  jetzt  noch  keine  nach  dieser  Methode 
ausgeführte  Operation  bekannt  gemacht  worden.  Schuld  mag  sein,  dass 
dieser  jedenfalls  höchst  rationelle  Vorschlag,  besonders  beim  Mangel 
jeder  anderen ,  bis  jetzt  empfehlenswertheren  Operationsmethode, 
noch  nicht  zur  Ausführung  gelangt  ist,  zum  Theil  das  ablehnende 
Urtheil  einzelner  Chirurgen,  die  es  von  vornherein  für  zweifelhaft 
hielten,  ob  auf  diesem  Wege  jemals  Erfolge  zu  erzielen  seien.  Ob 
die  Seltenheit  der  zu  einer  solchen  Operation  geeigneten  Fälle  mit 
Schuld  trägt,  mag  zweifelhaft  erscheinen.  Man  könnte  diess  nach 
einem  Theile  der  pathologisch-anatomischen  Untersuchungen  aller- 
dings vermuthen.  Nach  der  Zusammenstellung  von  Förster^)  haben 
die  Oesophaguscarcinome  nämlich  ihren  Sitz  in  der  Hälfte  der  Fälle 
am  unteren  Ende  des  Schlundes  vor  der  Gardia ,  in  einem  Viertel 
der  Fälle  am  oberen  Ende  und  in  einem  Viertel  in  der  Mitte.  Nach 
den  Untersuchungen  von  Petri^)  befällt  das  Garcinom  in  der  Hälfte 
der  Fälle  das  untere ,  nächstdem  das  mittlere ,  am  seltensten  das 
obere  Drittel.  Jedoch  gestalten  sich  die  Verhältnisszahlen  nach 
anderen  Untersuchungen  etwas  anders,  zum  Theil  vielleicht,  weil 
unter  Garcinomen  am  oberen  Ende  des  Oesophagus  noch  solche 
mitgezählt  werden,  die  etwas  auf  den  unteren  Abschnitt  des  Pharynx 
übergegriffen  haben.  Sind  diese  Ausbreitungen  nicht  zu  bedeutend, 
so  werden  solche  Garcinome  immer  noch  der  Exstirpation  zugängig 
sein.  Unter  100  von  Macken zie  3)  von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
gesammelten  Fällen  von  Oesophagustumoren  sassen  44  (37  Epi- 
theliome, 3  Scirrhus,  4  Encephaloid)  im  oberen  Drittel,  28  (21  Ep., 
3  Sc,  4  En.)  im  mittleren,  22  (8  Ep.,  10  Sc,  4  En.)  im  unteren 
Drittel  und  6  (je  2  von  jeder  Art)  in  der  unteren  Hälfte.  —  Unter 
14  Präparaten  der  hiesigen  pathol.  anat.  Sammlung,  die  mir  durch 


^)  Förster,  A. :  Handbuch  der  speciellen  pathologischen  Anatomie. 
2.  Auflage  1863.  S.  59. 

*)  Petri:  Ueber  44  im  pathol.  Institute  zu  Berlin  in  der  Zeit  von  1859 
bis  zum  März  1868  vorgekommene  Fälle  von  Krebs  der  Speiseröhre.  Dissert. 
Berlin  1868. 

^)  L.  c.  Med.  Times  and  Gaz.  1876  Vol.  II.  p.  82. 


48  Dr-  Heinrich  Braun. 

die  Güte  des  Herrn  Professor  Arnold  zur  Einsicht  standen,  fan- 
den sich  2,  die  für  eine  Operation  günstige  Objecte  abgegeben 
hätten. 

Im  Allgemeinen  bieten  aber  gerade  die  Garcinome  des  Oeso- 
phagus für  die  Exstirpation  günstigere  Verhältnisse,  als  diejenigen 
der  meisten  übrigen  Organe.  Meist  sind  dieselben  ringförmig,  cir- 
cumscript  von  geringer  Längenausdehnung ;  nur  ganz  ausnahmsweise 
kommen  sie  in  doppelter  Anzahl  am  Oesophagus,  hoch  oben  und 
weit  unten,  dicht  über  der  Cardia  vor,  wie  in  einem  Präparate  der 
hiesigen  pathol.  anatom.  Sammlung.  Sie  greifen  oft  nicht  über  die 
Mucosa  hinaus,  inficiren,  weil  sie  am  häufigsten  Epitheliome  sind 
(bei  Mackenzie  unter  100  Oesophagusgeschwülsten  68mal)  nicht 
constant  oder  erst  spät  die  Lymphdrüsen,  und  verursachen  seltener 
Metastasen  in  andere  Organe. 

Auf  solche  Reflexionen  gestützt  wurde  bei  unserer  Patientin 
beschlossen ,  die  Geschwulst  zu  exstirpiren,  oder  wenn  diess  wegen 
allzu  grosser  Ausdehnung  derselben  nicht  möglich  sei,  eine  Fistel 
unterhalb  der  Neubildung  anzulegen. 

Am  2.  Mai  wurde  die  Operation  von  Herrn  Professor  Gzerny 
in  der  Klinik  ausgeführt.  In  tiefer  Narkose  der  Patientin  wurde 
am  vorderen  Rande  des  linken  M.  sternocleidomastoideus  von  der 
Höhe  des  Zungenbeins,  bis  gegen  die  Incisura  sterni  hinab  ein,  etwa 
8  Gtra.  langer,  Schnitt  geführt.  Der  M.  omohyoideus,  welcher  in 
denselben  fiel,  wurde  in  der  Mitte,  ebenso  wie  die  VV.  thyreoideae 
mediae,  welche  mit  ziemlicher  Gonstanz  an  dieser  Stelle  quer  über  den 
Hals  verlaufen,  nach  ihrer  doppelten  Unterbindung  durchschnit- 
ten. Die  Schilddrüse,  wenig  entwickelt,  konnte  nach  oben  und  innen, 
die  A.  thyreoidea  superior  nach  unten  gezogen  und  vor  Verletzung 
bewahrt  werden.  Erst  jetzt  war  es  möglich  in  der  Wand  des 
Oesophagus  eine  Verdickung  zu  fühlen,  die  hinter  dem  Kehlkopf  lag, 
aber  nicht  mit  ihm  verwachsen  war,  sondern  leicht  hin-  und  her- 
geschoben werden  konnte.  Zugleich  vermochte  man  jetzt  die  infiltrirte 
Partie  des  Oesophagus  nach  oben  und  unten  deutlich  von  dem 
weichen  Gewebe  der  anliegenden  Theile  abzugränzen,  und  damit 
war  die  Möglichkeit  der  totalen  Entfernung  der  carcinomatösen  De- 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  49 

generation  gegeben.  Die  Neubildung  wurde  von  der  Seite  gelöst,  die  blu- 
tenden Gefösse  gefasst  und  unterbunden,  der  Oesophagus  oben  etwa  in 
der  Gegend  seines  Ueberganges  in  den  Pharynx  abgeschnitten,  von  der 
Wirbelsäule  getrennt,  und  zuletzt  unterhalb  des  Kehlkopfs  quer  abge- 
schnitten, wobei  eine  Anzahl  in  der  Wand  des  Oesophagus  verlaufender 
Gofässe  ziemlich  stark  bluteten  und  (mit  Catgut)  unterbunden  werden 
mussten. 

Das  Magenende  des  Oesophagus  wurde  mit  8  Nähten  an  die  äussere 
Haut  befestigt,  da  es  leider  wegen  der  Spannung  unmöglich  war,  dasselbe 
mit  dem  untern  Theile  des  Pharynx  zu  vereinigen.  Ein  Nelaton' scher  Ka- 
theter mit  möglichst  weitem  Lumen,  durch  den  die  Nahrungsmittel  ein- 
gegossen werden  sollten,  wurde  eingelegt,  die  Wunde  zuerst  mitö^/o  Ghlor- 
zinklösung  ausgeätzt,  dann  mit  Knopfnähten  geschlossen,  nachdem 
2  Drain  röhren,  die  eine  nach  oben,  die  andere  nach  unten  eingeführt 
waren,  und  zuletzt  mit  Salicylwatte  und  Gompressionsbinde  bedeckt. 

Die  Länge  des  exstirpirten  Stückes  betrug  6  Ctm. ;  die  Neu- 
bildung, welche  circulär  die  Wand  des  Oesophagus  eingenommen, 
durch  ihre  Wucherungen  die  Lichtung  desselben  ganz  verlegt  hatte 
und  theilweise  oberflächlich  ulcerirt  war,  erwies  sich  bei  der  mikro- 
skopischen Untersuchung  als  ein  Epithelialcarcinom. 

Von  der  Nachbehandlung  ist  wenig  und  nur  günstiges  mitzutheilen. 

Die  Wunde  eiterte  minimal,  nur  war  eine  starke  Vermehrung 
der  Schleim-  und  Speichelsecretion  im  Munde  wahrnehmbar.  Die 
Umgebung  der  Wunde  schwoll  niemals  an,  war  niemals  geröthet 
oder  schmerzhaft.  Temperaturerhöhung  stellte  sich  kaum  ein,  nur 
am  4.  und  5.  Tage  stieg  dieselbe  Abends  auf  38,2°  und  38,4^  G., 
sonst  war  sie  immer  normal;  im  Verhältniss  dazu  stand  die  Puls- 
frequenz. Die  Nähte  aus  der  Hautwunde  wurden  vom  2.  Tage  ab 
weggenommen,  die  anderen,  welche  den  Oesophagus  an  die  äussere 
Haut  befestigten,  am  4.  Tage,  beide  Theile  waren  fest  mit  einander 
verwachsen.  Die  Ernährung  ging  von  der  Wunde  aus  sehr  gut  von 
Statten ,  besonders  nachdem  bald  der  Katheter  durch  eine  weite 
Schlundsonde  ersetzt  worden  war.  Nach  acht  Tagen  wurde  letztere, 
die  bis  dahin  ohne  Unannehmlichkeiten  zu  veranlassen  permanent 
gelegen  hatte,  entfernt  und  nur  bei  der  Nahrungsaufnahme  eingeführt. 

Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Cliirurgie.  ^ 


50  Dr.  Heinrich  Braun, 

Im  weiteren  Verlaufe  handelte  es  sich  um  die  Entscheidung 
der  Frage,  ob  man  die  Fistel  am  Halse  bestehen  lassen  sollte,  um 
für  das  ganze  übrige  Leben  der  Patientin,  die  Ernährung  von  dort 
aus  fortzuführen,  oder  ob  man  versuchen  sollte,  eine  Gommunication 
zwischen  dem  Munde  und  dem  Oesophagus  wieder  herzustellen.  Die 
letztere  Möglichkeit  war  vorhanden;  Hess  man  nämlich  die  Patientin 
schlucken,  so  floss  die  geschluckte  Flüssigkeit  seitlich  aus  der  Fistel  ab, 
hielt  man  dieselbe  zu,  so  gelangte  die  Flüssigkeit  durch  die  am  Halse 
vorhandene  Vertiefung  aus  dem  Munde  in  den  Oesophagus,  ebenso 
auch,  wenn  man  eine  Kautschuckröhre  mit  dem  einen  Ende  in  den 
Pharynx,  mit  dem  andern  in  den  Oesophagus  steckte,  wobei  je- 
doch die  obere  Oeffnung  sich  nicht  ganz  dicht  abschliessen  Hess. 
Von  weiteren  Versuchen,  die  natürliche  Gommunication  wäeder 
herzustellen,  hielt  uns  Anfangs  die  Gefahr  des  Recidivs,  welche  durch 
die  damit  verbundene  Reizung  wohl  erhöht  worden  wäre,  in  späterer 
Zeit  der  Umstand  ab,  dass  die  Patientin  mit  ihrem  Zustande  voll- 
kommen zufrieden  war.  Die  Kranke  ist  jetzt  allerdings  genöthigt, 
sich  mit  Milch,  Suppen,  Brei,  fein  gehacktem  Fleisch  und  Eiern  zu 
erhalten,  sie  genügen  aber  auch  hinlänglich  zur  vollständigen  Ernährung. 
Ich  machte  auch  Versuche  grössere  Stücke  fester  Nahrungsmittel 
schlucken  zu  lassen,  indem  ich  sie  in  die  Oesophagusfistel  hinein- 
steckte ;  sie  blieben  jedoch  jedesmal  liegen  und  wurden  nicht  in  den 
Magen  hinabbefördert.  Besondere  auf  diesen  Punkt  gerichtete  Versuche 
zeigten,  dass  Schwammstücke,  die  an  Fäden  gebunden  in  die  Fistel 
gelegt  wurden,  nicht  durch  peristaltische  Bewegungen  des  Oesophagus 
in  den  Magen  hinabgeführt  wurden.  Nur  wenige  Male  sah  man, 
wenn  die  Schwämme  sehr  tief  in  den  Oesophagus  hineingesteckt 
waren ,  an  dem  schnell  nachfolgenden  Faden ,  dass  sie  nach 
dem  Magen  hinunter  rückten.  Diese  Beobachtungen  stimmen  voll- 
ständig mit  den  bei  Experimenten  an  Hunden  gewonnenen  Re- 
sultaten von  Wild'),    der  vom    oberen  Theil   des   Oesophagus   nie 


')  Wild:  Ueber  die  peristaltische  Bewegung  des  Oesophagus,  nebst  einigen 
Bemerkungen  über  diejenigen  des  Darmes.  Zeitschrift  für  rationelle  Medicin  von 
Henle  und  Pfeuffer,  Bd.  V.  S.  76. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  5  j^ 

oder  nur  höchst  schwierig  Reflexe  auslösen  konnte,  während  dies 
von  der  Schleimhaut  des  Brusttheils  des  Oesophagus  aus  leichter 
möglich  war.  Dass  eine  willkürliche  Schluckbewegung  des  Pharynx 
eine  Weiterbewegung  des  unten  in  den  Oesophagus  hineingesteckten 
Bissens  besorgt  hätte,  wie  man  es  nach  den  Versuchen  von  Mos  so*) 
vermuthen  sollte,  war  nicht  zu  beobachten. 

Am  6.  Juni  wurde  die  Kranke  nach  Hause  entlassen;  sie  war 
im  Stande  sich  eine  ziemlich  weite  Canüle,  mit  der  durch  einen 
kleinen  Kautschukschlauch  ein  Trichter  verbunden  werden  konnte, 
in  den  Oesophagus  einzuführen  und  ihre  Nahrungsmittel,  von  denen 
sie  sogar  Geschmack   zu  haben   versicherte,   sich  einzugiessen. 

Am  2.  October,  also  genau  5  Monate  nach  der  Exstirpation  des 
Tumors,  besuchte  uns  die  Patientin  wieder,  sie  fühlte  sich  vollständig 
gesund,  und  arbeitete  wie  früher  im  Hause  und  auf  dem  Felde.  Die  Er- 
nährung geschieht  durch  den  Trichter  und  die  Canüle.  Local  war 
kein  Recidiv  nachweisbar.  Die  Fistel  am  Halse  war  lippenförmig  über- 
häutet. Die  Gommunication  nach  oben  war  durch  ein  etwa  ^2  Gtm. 
dickes  Septum  verschlossen.  Die  Ganüle,  welche  mit  einem  dicken 
Kautschukschlauch  überzogen  war,  um  die  0 Ösophagusschleimhaut 
vor  Verletzungen  zu  bewahren,  hatte  einen  Kanal  von  2  Gtm.  Durch- 
messer unterhalten. 

Durch  diesen  einzigen  Fall  ist  der  unumstössliche  Beweis  geliefert, 
dass  die  Resection  des  Oesophagus  bei  hochgelegenen  Garcinomen 
ohne  allzugrosse  Lebensgefahr  ausführbar  ist  und  gute  Resultate 
geben  kann,  jedenfalls  bessere,  als  die  Oesophagotomia  externa  und 
die  Gastrotomie  sie  bis  jetzt  bei  diesem  Leiden  zu  geben  im  Stande 
waren.  — 


')  Mos  so,  A. :  Movimenti    dell    esofago.     Giornale    della  R.  academica  di 
Medicina  di  Torino  1873.   Centralblatt  für  die  med.  Wissenschaften  1874  S.  263. 


52  Dr.  Heinrich  Braun. 


2.  Exstirpation  einer  Struma  accessoria  posterior  0- 

Wie  in  dem  soeben  mitgetheilten  Falle  der  gewöhnlich  zur 
Ausführung  der  Oesophagotomia  externa  geübte  Schnitt  am  vorderen 
Rande  des  linken  M.  sterno-cleidomastoideus  eine  äusserst  gute 
Zugängigkeit  zur  Exstirpation  eines  Carcinoma  oesophagi  verschafft 
hatte,  so  wurde  uns  bald  Gelegenheit  geboten,  ihn  wiederum  aus- 
zuführen zur  Entfernung  einer  etwas  höher  oben  am  unteren  Theile 
des  Pharynx  und  am  oberen  des  Schlundes  sitzenden  Geschwulst. 
Auch  hier  war  es  möglich ,  die  localen  Verhältnisse  vollständig  zu 
übersehen  und  die  Exstirpation  mit  aller  Sicherheit  und  Genauigkeit 
vorzunehmen. 

Es  handelte  sich  um  eine  30  Jahre  alte  Frau,  die  am  Abend 
des  26.  Mai  1877  in  unsere  chirurgische  Klinik  aufgenommen  wurde 
mit  der  hochgradigsten  Erstickungsnoth.  Als  Ursache  für  dieselbe 
erkannte  man  einen  Tumor,  dessen  oberer  Abschnitt  vom  Munde 
aus  sichtbar,  dife  hintere  und  linke  Wand  des  Pharynx  vorwölbte,  dessen 
unterer  Abschnitt  aber  von  der  Epigloltis  und  den  Gartilagines  arytae- 
noideae  verdeckt  wurde.  Die  Geschwulst  fühlte  sich  weich,  elastisch, 
wie  fluctuirend  an,  war  kaum  verschieblich  und  hatte  eine  glatte,  von 
unveränderter  Schleimhaut  überzogene  Oberfläche.  Bei  der  sogleich 
vorgenommenen  Probepunction  entleerte  sich  jedoch  keine  Flüssigkeit. 
Zur  Beseitigung  der  bestehenden  Erstickungsgefahr  wurde  von  Herrn 
Professor  Czerny  die  Eröffnung  der  Luftwege  im  Ligamentum 
conicum  vorgenommen;  worauf  unmittelbar  die  Athmung  eine  voll- 
kommen freie  wurde. 

Die  laryngoskopische  Untersuchung  ergab  eine  Verengerung  des 
Kehlkopfeinganges  durch  einen  Tumor,  der  die  linke  Cartilago  arytae- 
noidea  um  einige  Millimeter  nach  vorn  und  innen  verdrängt  hatte  und 
die  Stimmbänder  vollkommen  überdeckte.  Aussen  am  Halse  konnte 
man  ausser  einem  geringen  Grade  von  Struma,  wie  er  hier  zu  Lande 


')  Czerny:  Neue  Operationen  Nr.  2.  Exstirpation  eines  retrooosoi)li;i^ealen 
Kropfes.     C:enlrall)latt  für  flliiriirs^io  1877  Nr.  28.  S.  433. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundruhrs.  53 

häufig  gefunden  wird ,  in  der  Tiefe  unbestimmt  eine  vermehrte 
Resistenz  bemerken.  Mit  einiger  Vorsicht  gelang  es,  den  Sclilund- 
stösser  neben  der  Geschwulst  vorbei  in  den  Oesophagus  einzuführen. 
Beim  Zurückziehen  merkte  man,  dass  die  Schlundsonde  zuerst  circa 
7  Ctm.  unterhalb  des  Zungenbeines  festgehalten  wurde,  wodurch 
sich  die  Ausdehnung  der  Geschwulst  nach  abwärts  annähernd 
bestimmen  Hess. 

Die  Anamnese  ergab,  dass  die  Patientin  früher  immer  gesund 
war,  bis  vor  4  Jahren,  zu  welchem  Termin  sie  eine  Pleuritis  durch- 
gemacht hatte,  während  deren  sie  auch  mit  einem,  etwa  erst  5  Monate 
alten  Kinde  nieder  kam.  Die  vorhin  erwähnte  Struma  bestand  schon 
lange  Zeit,  ohne  irgend  welche  Beschwerden  zu  veranlassen.  Ueber 
das  Entstehen  der  Geschwulst  im  Halse  konnten  keine  Angaben 
gemacht  werden.  Dieselbe  schien  zum  ersten  Male  vor  wenigen 
Wochen  Erscheinungen ,  als  Schmerzen  beim  Schlucken ,  im  Kopfe 
und  im  linken  Ohr  verursacht  zu  haben,  die  sich  jedoch  alle  wieder 
verloren,  bis  zu  dem  plötzlichen  Erstickungsanfalle  der  Kranken,  der 
ohne  nachweisbare  Veranlassung  auftrat,  aber  die  Kranke  bestimmte, 
das  Spital  aufzusuchen.  Man  muss  wohl  annehmen,  dass  entweder 
damals  plötzlich  die  linke  Gartilago  arytaenoidea  mehr  nach  vorn 
verschoben  wurde,  oder  dass  eine  ödematöse  Schwellung  der  Stimm- 
bänder oder  der  Schleimhaut  des  Kehlkopfs  hinzutrat.  Lungen,  Herz, 
Unterleibsorgane  völlig  gesund;  Urin  klar,  sauer  reagirend,  ohne 
Eiweiss.  — 

In  den  Tagen  nach  Ausführung  der  Tracheotomie  Hess  die 
Athemnoth  völlig  nach,  die  Kranke  gewöhnte  sich,  mit  der  Canüle 
zu  athmen. 

Mit  ziemlicher  Sicherheit  konnte  man  den  Tumor  im  Halse, 
welcher  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit  für  ein  Sarcom  gehalten 
werden  musste,  als  Ursache  für  die  Athemnoth  ansehen;  es  musste 
desshalb  jedenfalls  der  Versuch  gemacht  werden,  denselben  zuexstirpiren, 
selbst  auf  die  Gefahr  hin,  schon  so  bedeutende  secundäre  Veränderungen 
der  Kehlkopfmuskulatur  und  der  Kehlkopfknorpel  zu  finden,  dass  eine 
vollkommene  Wiederherstellung  der  normalen  Functionen  des  Kehl- 
kopfs unmöglich  sei. 


54  Dr»  Heinrich  Braun. 

Die  Entfernung  der  Geschwulst  wurde  von  Herrn  Professor 
Gzerny  am  5.  Juni  1877  vorgenommen.  Vor  der  Ghloroform- 
narkose  wurde  eine  subcutane  Inj ection  von  0,015  Morph,  hydrochlor. 
gemacht. 

Der  Hautschnitt  wurde  entsprechend  dem  vorderen  Rande  des 
linken  m.  sterno-cleidomastoideus  von  der  Höhe  des  Zungenbeins 
bis  in  die  Nähe  der  Glavicula  geführt.  Die  grossen  Gefässe  mit  dem 
Kopfnicker  nach  aussen ,  die  vergrösserte  Schilddrüse  nach  innen 
gezogen ;  der  M.  omohyoideus  wurde  ebenso  wie  die  Vv.  thyreoideae 
mediae  durchtrennt,  während  die  Art.  thyreoidea  superior  intakt  blieb. 
Darauf  erschien  in  der  Tiefe  der  Wunde  der  völlig  abgekapselte 
Tumor,  der  von  dem  Munde  aus  bequem  sich  vordrängen  und  nun 
leicht  ohne  bedeutende  Blutung  aus  seinen  Verbindungen  lösen 
liess;  nur  einige  kleine  Gefässe  wurden  mit  gekochter  Seide  unter- 
bunden, die  Ligaturen  kurz  abgeschnitten.  Die  Geschwulst  blieb 
zuletzt  an  einem  Stiele  hängen,  der  die  Gefässe  enthielt ,  welche  mit 
der  Art.  und  V.  thyreoid.  sup.  in  direkter  Verbindung  standen  und 
in  toto  abgebunden  wurde. 

Die  ganze  Wundhöhle  wurde  darauf  mit  5°/o  Ghlorzinklösung 
ausgepinselt  und  mit  2^2^/0  Garbollösung  ausgespült;  nach  oben  und 
unten  wurde  eine  Drainage  eingelegt  und  bis  auf  diese  Stellen  die 
ganze  Wunde  mit  Nähten  vereinigt,  über  die  dann  ein  Gompressions- 
verband  mit  Garbolwatte  angelegt  wurde.  Die  Trachealcanüle  blieb 
unverändert  liegen. 

Am  folgenden  Tage  war  das  Schlucken  unbehindert,  Athraung 
frei,  Patientin  fühlte  sich  bedeutend  erleichtert.  Wunde  in  ihrer 
Umgebung  nicht  geröthet  oder  geschwellt.  Beim  Zuhalten  oder  Ent- 
fernen der  Trachealcanüle  war  die  Respiration  äusserst  behindert 
und  bald  völlig  unmöglich. 

8.  Juni:  Die  Wunde  ist  in  ihrer  Umgebung  nach  oben  zu 
ein  wenig  geschwellt,  sie  wird,  da  eine  kleine  Eiterverhaltung  an- 
genommen wird,  mit  dem  Finger  etwas  dilatirt,  worauf  sich  auch 
eine  kleine  Menge  Eiter  entleert.  Am  Nachmittag  ist  geringe  Athem- 
noth  vorhanden,  wie  es  scheint  in  Folge  einer  etwas  engen  Ganüle, 
sie   bessert  sich  schnell,  nachdem  diese   Ganüle  mit  einer  weiteren 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  55 

vertauscht  worden  ist.  Alle  2  Stunden  werden  Inhalationen  einer 
Lösung  von  Natr.  bicarb.  gemacht.  Die  Temperatur  stieg  am  Abend 
der  3  letzten  Tage  auf  38—38,4"  C.  Ab.  Morphiumpulver  0,015 
zur  Beruhigung  der  äusserst  unruhigen  und  ängstlichen  Patientin. 

9.  Juni:  Nacht  gut  geschlafen.  Die  Wunde  secernirt  wenig, 
die  Drainagen  werden  gereinigt  und  wieder  eingefi^ihrt.  Zweimal 
täglich  Verbandwechsel.  Die  Schwellung  nimmt  nicht  mehr  den 
ganzen  Hals,  sondern  mehr  die  Gegend  der  Glandula  thyreoidea  ein. 
Beim  Zuhalten  der  nach  oben  gefensterten  Canüle  ist  die  Sprache 
ziemlich  laut  und  deutlich,  die  Athmung  immer  schlecht.  Die 
Inhalationen  von  Natr.  bicarb.  werden  fortgesetzt.  Ab.  Morphium 
0,015.     Temperatur  normal. 

10.  Juni:  Die  Nahtlinie  ist  vollständig  per  I  geheilt,  nur  ent- 
sprechend der  Mitte  der  Wunde  kommt  aus  einem  Stichkanal  ein 
wenig  Eiter. 

11.  Juni:  Befinden  befriedigend.  Sowohl  aus  den  Drainagen, 
wie  aus  dem  Stichkanale  kommt  etwas  Eiter.  Die  Inhalationen 
werden  immer  noch  fortgesetzt. 

12.  Juni:  Der  seither  eiternde  Stichkanal  hat  sich  vollkommen 
geschlossen.  Patientin  kann  ohne  irgend  welche  Beschwerden  feste 
Speisen  geniessen.     Fieber  besteht  nicht  mehr. 

13.  Juni:  Die  Athmung  mit  Canüle  ist  leicht,  ohne  dieselbe 
immer  nur  wenige  Minuten  möglich,  indem  Patientin  sogleich  ängstlich 
wird  und  ungestüm  nach  ihrer  Canüle  verlangt.  Die  Stimme  hat 
ziemlich  viel  Klang. 

15.  Juni:  Die  Schwellung  des  Halses  hat  jetzt  fast  vollständig 
aufgehört. 

Bei  der  laryngoskopischen  Untersuchung,  die  heute  wieder  vor- 
genommen wird,  zeigt  sich  die  linke  Cartilago  arytaenoidea  inmier 
noch  in  derselben  Weise  verlagert,  wie  früher,  das  linke  Lig.  ary- 
epiglotticum  ist  immer  noch  etwas  entzündlich  verdickt;  jedoch 
ist  jetzt  von  dem  vorderen  Theile  der  Stimmbänder  ein  kleines 
Stückchen  sichtbar. 

17.  Juni:  Die  Eiterung  lässt  bedeutend  nach,  die  nach  oben 
gehende  Drainage  wird  verkürzt  und  2  Tage  später  völlig  entfernt. 


56  Dr.   Heinrich  Braun. 

Aus  der  unteren  Wunde  kommt  immer  noch  etwas  Eiter,  es  dauert 
diess  bis  zum  25.  Juni ,  an  welchem  Tage  auch  die  letzte  Drainage 
entfernt  werden  kann. 

Am  1.  Juli  ist  die  Schnittwunde  vor  dem  linken  M,  sterno- 
cleidomastoideus  vollständig  geheilt.  Die  Athmung  ohne  Caniile 
immer  noch  so  schlecht,  wie  früher. 

Die  laryngoskopische  Untersuchung,  die  Herr  Dr.  Jurasz 
vorzunehmen  die  Güte  hatte,  zeigte  immer  noch  dieselbe  Verlagerung 
der  Gartilago  arytaenoidea  sinistra,  wie  früher ;  der  Stellknorpel  konnte 
mit  einer  Sonde  leicht  nach  hinten  geschoben  werden,  wich  aber  im 
Augenblicke  des  Nachlassens  des  Druckes  sogleich  wieder  nach  vorn 
aus.  Eine  wesentliche  Verengerung  der  Glottis  konnte  nicht  constatirt 
werden.  Vom  7.  Juli  ab  electrisirte  Herr  Dr.  Jurasz  täglich  die 
Kehlkopfmuskulatur,  besonders  den  M.  crico-arytaenoideus  posticus. 
Nach  der  ersten  Sitzung  war  die  linke  Gartilago  arytaenoidea  etwas 
nach  hinten  gerückt. 

Bis  zum  15.  Juli  war  aussen  am  Halse  alles  geheilt.  Die 
Electricität  war  die  ganze  Zeit  über  beständig  angewendet  worden, 
an  einigen  Tagen  ein-,  an  den  meisten  aber  zweimal.  Die  Stellung 
des  linken  Aryknorpels  wurde  wenig  besser,  jedoch  konnte  man  jetzt 
das  rechte  Stimmband  vollkommen,  das  linke  in  seinem  vorderen 
Abschnitt  deutlich  sehen,  während  man  vorher  immer  Mühe  hatte 
nur  die  vordere  Commissur  zu  erblicken.  Trotz  aller  dieser  Fort- 
schritte konnte  aber  die  Kranke  immer  noch  nicht  ohne  Canüle 
athmen. 

Die  Anwendung  der  Electricität  wurde  bis  zum  25.  Juli  täglich 
fortgesetzt,  ohne  eine  weitere  Besserung  in  der  Stellung  des  linken 
Aryknorpels  zu  erzielen;  bei  der  Phonation  sah  man  ihn  allerdings 
kleine  Bewegungen  ausführen. 

In  der  Annahme,  dass  nicht  nur  die  Stellungsanomalie  der 
Gartilago  arytaenoidea  und  eine  Lähmung  des  M.  crico-arytaenoideus 
posticus  Schuld  an  der  schlechten  Athmung  der  Patientin  trage, 
sondern  vielleicht  ein  Oedem,  oder  eine  entzündliche  Schwellung  der 
Stimmbänder  und  der  übrigen  Schleimhaut  des  Kehlkopfes,  bedingt 
und  unterhalten  durch  den  fortwährenden  Reiz  der  im  Lig.  conicum 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs. 


57 


liegenden  Canüle,  wurde  von  Herrn  Professor  Czerny  am 
1.  August  dicht  oberhalb  der  Incisura  sterni  eine  zweite  Tracheo- 
tomie  ohne  besondere  Schwierigkeit  ausgeführt  und  die  obere  Canüle 
entfernt. 

In  der  Nacht  vom  2.  auf  3.  August  fiel  durch  eine  plötzliche, 
ungeschickte  Bewegung  der  Patientin  die  Trachealcanüle  heraus, 
wodurch  eine  bedeutende  Erstickungsnoth  herbeigeführt  wurde.  Die 
obere  Trachealwunde  heilte  rasch  vollkommen  zu;  auch  die  untere 
schloss   sich   fest   um  die  Canüle  an.     Eiterung  in  dem  subcutanen 


Zellgewebe  trat  keine  auf.  Der  laryngoskopische  Befund  hatte  sich 
in  der  Folge  nicht  geändert  und  Patientin  wurde  auf  ihren  Wunsch 
einstweilen  mit  Canüle  nach  Hause  entlassen,  um  später  wieder  zu 
kommen,  damit  man  auf  irgend  welche  Art  versucht,  eine  Dis- 
lokation der  Gartilago  arytaenoidea  nach  hinten  künstlich  zu  erzeugen, 
etwa  durch  die  Naht  oder  Aetzungen. 

Die  exstirpirte  Geschwulst  hatte  etwa  die  Grösse  und  das  Aussehen 
eines  Gänseeies;  auf  ihrer  glatten  Oberfläche  sassen  einzelne  kleine, 
Iheilweise  cystisch  entartete  Geschwulstpartien  auf  (die  beigegebene 
Abbildung  wurde  in  natürlicher  Grösse  von  Herrn  stud.  Halla  aus 
Prag  gleich  nach  der  Operation  gütigst  gezeichnet).  Auf  dem 
Durchschnitte  sah  man  ebenfalls  wieder  cystische  Partieen  zwischen 
denen  coUoides  und  theilweise  hämorrhagisches  Gewebe  lag.     Wenn 


58  Dr.  Heinrich  Braun. 

man  schon  während  der  Operation  die  exstirpirte  Geschwulst  für 
eine  Struma  hielt,  so  wurde  diese  Meinung  durch  den  makroskopi- 
schen Befund  des  Querschnittes  wahrscheinlich  gemacht  und  durch 
die  mikroskopische  Untersuchung  zur  Gewissheit  erhoben. 

Ausser  diesem  eben  mitgetheilten  Falle  von  Struma  retro- 
oesophagealis  fhidet  sich  nur  noch  eine  analoge  Beobachtung  von 
Schnilzler  ^),  bei  welcher  jedoch  keine  Operation  versucht  wurde. 
Auffallend  erscheint  es ,  dass  in  der  gesammten  Literatur  bis  jetzt 
keine  ähnlichen  Fälle  verzeichnet  waren  und  nun  in  kurzer  Zeit 
hintereinander  zwei  zur  Beobachtung  kommen.  Manchmal  mag 
gewiss  schon  eine  solche  Geschwulst  bestanden  haben  und  für  ein 
retro-oesophageales  oder  retro-pharyngeales  Sarcom  oder  Fibrom 
gehalten,  nicht  exstirpirt,  oder  nach  dem  Tode  des  Trägers  nicht 
genau  untersucht  worden  sein. 

Durchaus  dürfen  diese  seltenen  Fälle  nicht  verwechselt  werden 
mit  jenen,  in  welchen  ebenfalls  Athem-  und  Schluckbeschwerden 
entstehen  dadurch,  dass  eine  Struma  zwischen  Trachea  und  Oeso- 
phagus sich  entwickelt,  oder  dass  die  hintersten  Partien  der  Schild- 
drüse selbst  anschwellen  und  dann  zwingenförmig  den  Oesophagus 
einschliessen ,  wie  es  von  Hub  er  2)  und  Lotzbeck^)  beschrieben 
worden  ist.  Bei  dem  Schnitzler'schen  und  dem  unsrigen  Falle 
handelt  es  sich  um  hypertrophirtes  und  entartetes  Schilddrüsen- 
gewebe, das  unabhängig  von  der  eigentlichen  Schilddrüse  lag  und 
entweder  für  sich  oder  im  Zusammenhang  mit  einer  allgemeinen 
Struma  sich  entwickelte;  es  .sind  dieses  Fälle  von  Hypertrophie 
accidenleller  Schilddrüsen.  Genaue  anatomische  Untersuchungen 
über  solche  Schilddrüsen  sind  von  W.  Gruber*)  angestellt  wor- 
den.    Er    beschreibt   als    glandula   thyreoidea   accessoria    posterior, 


')  Sc  Im  11  zier,  Job.:  Zur  Diagnose  und  Therapie  der  Laryngo-  und 
Tracheoslenosen.  Wiener  KHnik  III.  Jahrgang,  Heft  1,  Januar  1877. 

')  Huher:  Dysphagia  strurnosa.  Deutsches  Arch.  für  klin.  Medicia  1869. 
Bd.  VI.  S.  106. 

')  Lotzbeck:  Verengerungen  der  Speiseröhre  durch  Druck  von  Seite  der 
hinteren  Schilddrüsen-Partien.     Deutsche  Klinik  1859.  S.  58. 

*)  Gruber,  Wenzel:  lieber  die  glandula  thyreoidea  accessoria.  Archiv 
für  pathol.  Anatomie  von  R.  Virchow  Bd.  66.  S,  447. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  59 

Drüsengewebe,  das  hinter  den  lobi  laterales  im  Bereiche  des  Ueber- 
gangs  von  Pharynx  zu  Oesophagus  gelegen,  durch  Ablösung  von 
dem  Körper  der  Glandula  thyreoidea  zu  selbständigen  Drüsen  werde. 
Unter  100  auf  diese  Drüsen  untersuchten  Leichen  fand  Gruber  die 
Glandula  thyreoidea  accessoria  posterior  nur  5mal;  bei  1  beider- 
seits, bei  1  rechtsseitig,  bei  3  linksseitig  einfach,  Imal  links  doppelt.' 
Sie  hingen  an  kurzen  Stielen  mit  Gefässen,  die  mit  den  anderen 
Schilddrüsengefässen  in  Verbindung  standen,  die  einen  förmlichen 
Balg  hatten,  aus  dem  sie  sich  ausschälen  liesen,  die  rund  oder  läng- 
lich rund  5—9  Mm.  lang,  5— G  Mm.  breit  und  3,5 — 4  Mm.  dick 
waren. 

Denkt  man  sich  nun  dieses  Drüsengewebe  hyperplaslisch ;  so 
erhält  man  eine  Geschwulst,  eine  Struma  retro-oesophagealis, 
retro-pharyngealis  oder  meiner  Ansicht  nach  allgemeiner  und 
bezeichnender  genannt,  eine  Struma  accessoria  posterior  von 
der  Lage  und  der  Beschaffenheit  der  beiden  mitgetheilten  Geschwülste. 

Die  Seltenheit  der  Beobachtung  mag  einen  ganz  kurzen  Ver- 
gleich mit  dem  einzigen  analögen  Schnitzler'schen  Falle  rechtfertigen. 
Die  von  Schnitzler  gegebenen  Zeichnungen  von  der  Lage  des 
Tumors  stimmen  so  genau  mit  den  von  uns  gefundenen  Verhält- 
nissen überein,  dass  man  glauben  könnte,  wenn  sie  auf  der  linken 
Seite  lägen,  sie  wären  nach  diesen  angefertigt ;  ich  möchte  desshalb 
auf  jene  Abbildungen  verweisen.  Der  laryngoskopische  Befund  bei 
Schnitz  1er  war  ebenfalls  genau,  wie  in  unserem  Falle;  die  Sec- 
tion  ergab  ihm  eine  Verwachsung  der  Articulatio  crico-arytaenoidea 
und  eine  Verengerung  der  Glottis;  bei  unserer  Patientin  kann  man 
eine  solche  Verwachsung  ausschliessen ,  indem  es  gelingt ,  die  linke 
Cartilago  arytaenoidea  leicht  von  vorn  nach  hinten  an  ihren  nor- 
malen Platz^  ja  selbst  über  denselben  hinaus  nach  hinten  zu  ver- 
schieben. Wahrscheinlich  ist  bei  uns  eine  Lähmung  des  M.  crico- 
arytaenoideus  posticus  Ursache  der  Dislocation;  dieselbe  mag  wohl 
mehr  bedingt  sein  durch  eine  Atrophie  der  Muskelfasern  in  Folge  des 
continuirlichen  Druckes  der  Geschwulst,  als  durch  den  Druck  auf 
die  End Verzweigungen  des  N.  recurrens.  Von  Schnitzler  wurde 
d?e  Atrophie  der  Muskulatur  in  seinem  Falle  anatomisch  nachgewiesen. 


gQ  Dr.  Heinrich  Braun. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  bemerken,  dass  die  Exstirpation 
einer  solchen  Struma  vom  Munde  her,  wie  sie  Schnitz  1er  für 
möglich  hielt,  kaum  ausführbar  sein  dürfte.  Wenn  sie  ein  solches 
Volum  erreicht  hat,  dass  sie  heftige  Athemnoth  und  Erstickungs- 
anlälle  hervorruft,  wird  sie  auch  so  weit  nach  unten  gehen ,  dass 
eine  bei  der  Operation  eintretende  Blutung  nicht  mit  genügender 
Sicherheit  gestillt  werden  könnte.  Wegen  des  bedeutenden  Volums 
der  Geschwulst  wird  auch  nicht  die  Ausführung  der  Pharyngotomia 
subhyoidea  indicirt  sein,  sondern  nur  der  seitliche  Schnitt  am  vor- 
.deren  Rande  des  M.  sternocleidomastoideus ,  rechts  oder  links,  je 
nach  dem  Sitze  der  Geschwulst,  man  wird  sicher  sein,  ihre  ganze 
Basis,  mag  sie  sich  auch  weit  nach  unten  oder  hinten  hin  erstrecken, 
mit  aller  Genauigkeit  zu  übersehen  und  mit  Sicherheit  zu  entfernen. 


3.  Exstirpation  eines  Lymphosarcoms  der  Tonsille  und 
des  weichen  Gaumens  mit  temporärer  Resection  des 

Unterkiefers. 

Die  nachfolgende  Krankengeschichte  soll  zur  Vermehrung  des 
casuistischen  Materiales  über  den  Werth  der  seitlichen  Durchsägung 
des  Unterkiefers  zur  Exstirpation  von  Geschwülsten  der  Ton- 
sillen und  der  nächst  gelegenen  Partien  dienen.  Sind  der- 
artige Geschwülste  schon  sehr  ausgedehnt,  oder  beabsichtigt  man 
keine  vollständige  Entfernung  derselben,  so  mag  es  genügen,  die- 
selben mit  Hilfe  von  Gauterien  zu  zerstören,  Stücke  derselben  mit 
dem  Messer,  dem  Tonsillotom,  dem  Ecraseur,  dem  scharfen  Löffel, 
der  Ligatur  oder  der  Glühschlinge  mit  oder  ohne  Spaltung  des  wei- 
chen Gaumens  zu  entfernen.  Mit  mehr  Aussicht  auf  Heilung  wird  man 
aber  in  diesen  Fällen  nach  den  Erfahrungen  von  Billroth,  Czerny 
u.  Win i  warter  die  innerliche  und  parenchymatöse  Anwendung  von 
Liquor  arsenicalis  Fowleri  ver.suchen.  Hofft  man  aber  noch  eine 
totale  Entfernung  der  Geschwulst  vornehmen  zu  können,  so  wird  man 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  gl 

mit  diesen  erwähnten  Operationsmethoden  nicht  ausreichen,  sondern 
wird  sich  dann  von  aussen  her  einen  Zugang  bahnen  müssen.    Von 
Gheevcr^)    geschah    es    bei    einem    Garcinom    der   Tonsille    in    der 
Weise,    dass    er   einen    Winkelschnitt    führte,    dessen    einer,    etwa 
8 1/2  Zoll  langer   Schenkel,  vor  dem  M.  sterno-cleidomastoideus   von 
der  Höhe    des   Ohres   aus    nach  unten  über  die  Geschwulst,  dessen 
anderer  Schenkel  von  demselben  Punkte  nach  vorn  längs   des  hori- 
zontalen Unterkieferastes  verlief.     Es  mag  möglich  sein,   wie    es   in 
dem  vorliegenden  Falle  war ,    von  dieser  Wunde  aus  eine  völlig  ab- 
gekapselte Geschwulst  ausschälen  zu  können ,    nicht  aber  wird  diese 
Schnittführung  genügen  für  einen  Tumor,   der  schon  weiter  auf  die 
Gaumenbögen,  die  Zungenbasis  oder  die  Pharynxschleinihaut  über- 
gegangen ist.     Geht  die  Geschwulst  von  der  Tonsille  aus  mehr  nach 
oben  auf  den  weichen  Gaumen   und   nach  hinten  in  die  Fossa  pte- 
rygo-palatina ,    so  wird  man  gute  Zugängigkeit  erhalten  durch  tem- 
poräre   Resektion   des  ganzen  Oberkiefers  und  des  Jochbeines,   wie 
es  neulich  durch  Herrn  Prof.  Gzerny  ausgeführt  wurde  bei   einem 
Neoplasma,  das  den  weichen  Gaumen  und  die  Gegend  der  Choanen 
bis   zur  Schädelbasis    hinauf  eingenommen   hatte.     Bei  diesem  Pa- 
tienten wurde,  nach  Spaltung  der  Nase  und  Oberlippe  in  der  Mittel- 
linie, der  untere  Orbitalrand  durch    einen   horizontalen   Schnitt,   der 
mit  dem    ersteren    rechtwinkelig    zusammenstiess   und   nach  aussen 
über  den  Processus  frontalis   des  Jochbeines  sich   erstreckte,   bloss- 
gelegt.     Mit  der  Kettensäge  wurde  der  Processus  frontalis  des  Joch- 
beines   durchsägt    und    mit    der    Stichsäge    der    Boden    der    Orbita 
und  der   Nasenfortsatz  des  Oberkiefers    durchtrennt.     Nachdem  der 
rechte  mediale  Schneidezahn  extrahirt  und  die  Weichtheile  des  harten 
und  weichen  Gaumens    etwas   nach   rechts  von   der    MitteUinie  ge- 
spalten waren,   wurde   der  Gaumenfortsatz   des  rechten    Oberkiefers 
dicht  neben  dem  Vomer  mit  der  Stichsäge  durchtrennt  und  in  dieser 
Sägespalte  ein  festes  Elevatorium  eingesetzt.     Durch  einen  kräftigen 


')  G  li  e  e  V  e  r :  Encephaloid  Tumour  of  tonsil.  Removed  by  externa!  dissec- 
tion.  Boston  med.  and  surg.  Journ.  1869.  —  Ausführlich  erwähnt  bei  A.  Poland: 
On  Cancer  of  the  tonsil  glands.  British  and  foreign  niedico-chirurgical  Review. 
April  1872  Vol.  49,  p.  492. 


62  Dr.  Heinrich  Braun. 

Druck  desselben  gelang  es,  mit  einiger  Nachhülfe  von  aussen,  den 
Jochbogen  einzuknicken  und  den  rechten  Oberkiefer  und  das  Joch- 
bein so  weit  nach  aussen  umzulegen,  dass  man  bequem  mit  2  Fin- 
gern und  Instrumenten  die  hintere  Wand  des  Schlundkopfes  er- 
reichen konnte.  Nachdem  der  Vomer  mit  einer  kräftigen  Scheere 
weggeschnitten  war,  konnte  auch  die  linke  Nasenhöhle  übersehen, 
die  linke  Highmorshöhle  mit  dem  Finger  abgetastet  werden.  Durch 
keine  andere  Methode  der  temporären  Resektion  wird  der  Schlund- 
kopf mit  allen  Nebenräumen  so  gut  blossgelegt,  wenn  auch  die 
Seitwärtslagerung  des  ganzen  Oberkiefers  ziemliche  Gewaltanwendung 
nothwendig  macht. 

Unser  Patient  hat  die  Operation  sehr  gut  überstanden,  die 
äussere  Wunde  ist  vollkommen  per  primam  geheilt,  und  selbst  der 
Spalt  des  harten  Gaumens,  der  wegen  drohenden  Gollapses  des  Pa- 
tienten nur  mangelhaft  vereinigt  wurde,  scheint  sich  spontan  voll- 
kommen zu  schliessen. 

Verbreitet  sich  dagegen  die  Geschwulst  der  Tonsille  mehr 
nach  unten,  sind  vielleicht  auch  Lymphdrüsen  am  Kieferwinkel 
schon  geschwellt,  so  wird  man  zur  Exstirpation  nur  genügen- 
den Raum  erhalten  können  durch  Entfernung  des  Unterkiefers, 
oder  was  dasselbe  leisten  wird,  wenn  der  Knochen  nicht  schon 
afficirt  ist,  durch  temporäre,  osteoplastische  Resection  desselben. 
Der  Kiefer  wird  dabei  zwischen  dem  Eckzahn  und  ersten  Backzahn 
oder,  was  besser  ist,  zwischen  den  Backzähnen  durchtrennt,  das 
hintere  Stück  nach  aussen  gezogen  oder  selbst  luxirt.  Nach  dieser 
Vorarbeit  kann  man  die  Tonsillargegend ,  die  Zungenbasis ,  den 
Pharynx  vollständig  gut  übersehen.  Nach  der  Exstirpation  des 
Tumors  wird  der  Unterkiefer  reponirt  und  seine  Sägeflächen  mit 
einer  Knochennaht  vereinigt.  Die  feste  Vereinigung  kommt  meist 
nach  mehreren  Wochen,  allerdings  manchmal  erst  nach  Necrose  der 
Sägeflächen  zu  Stande,  aber  selbst,  wenn  sich  nur  ein  fibröser  Callus 
ausbildet,  ist  diese  Verbindung  so  straff,  dass  ziemlich  feste  Nahrung 
mit  dem  Kiefer  zerkleinert  werden  kann. 

Die  erste  Mittheilung  eines  auf  diese  Weise  entfernten  Lympho- 
sarcoms,  das  schon  weit  um  sich  gegriffen  hatte,  stammt  von  Bill- 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Sclilundrohrs.  63 

roth^)  aus  dem  Jahre  1861.  Er  mu=;sle  die  A.  carotis  ext.  und 
int.  unterbinden ,  Stücke  aus  dem  N.  hypoglossus ,  lingualis  und 
vagus,  der  in  dem  Tumor  verlief,  excidiren.  Der  Ausgang  war  kein 
glücklicher,  indem  3  Tage  später  der  Tod  an  Lungenödem  erfolgte. 
Nach  einer  neueren  Mittheilung  war  schon  1859  durch  v.  Langen- 
beck^)  ein  Garcinom  der  Tonsille,  das  mit  der  Zunge  und  den 
Gaumenbögen  verwachsen  war,  nach  derselben  Methode  entfernt 
worden.  Zum  3.  Male  wurde  dann  diese  Operation  1865  von 
Lange nbeck  wegen  Fibroms  der  Tonsille  mit  ebenso  günstigem 
Verlaufe ,  wie  im  vorigen  Falle ,  ausgeführt.  In  dem  nämlichen 
Jahre  auch  noch  von  Hüter^)  wegen  Sarcoms  der  Tonsille  und 
ihrer  nächsten  Umgebung  jedoch  mit  tödtlichem  Ausgange  durch 
Pneumonie  in  der  3.  Woche  nach  der  Operation  1868  von  Blll- 
roth*)  nochmals  zur  Entfernung  eines  malignen  Lymphoms.  Bei  der 
Operation  wurde  die  Carotis  auf  3  Zoll  blossgelegt  und  am  Nacli- 
mittag  musste  wegen  Nachblutung  die  A.  carotis  communis  unter- 
bunden werden;  der  exitus  letalis  folgte  am  3.  Tag.  Ausserdem 
wurde  noch  in  ähnlicher  Weise  operirt  von  Weber 5)  wegen  eines 
colossnlen  Lymphosarcoms,  von  Watson^)  wegen  einer  histologisch 
nicht  näher  bezeichneten  Tonsillargeschwulst  mit  glücklichem  Aus- 
gange, und  von  King^)  wegen  eines  fibrösen  Tumors.  Im  letzteren 
Falle  erfolgte  bald  nach  der  Operation  der  Tod  durch  Erysipel. 


')  Billroth,  Th. :  Osteoplastische  Resectionen  des  Unterkiefers  nach 
eigener  Methode.    Arch.  für  klinische  Chirurgie  1861,  Bd.  II.  S.  651. 

^)  Langenbeck,  B.  v.:  lieber  Totalexslirpationen  der  Zunge  mittelst  seif- 
licher Durchsägung  des  Unterkiefers.  Verhandknigen  der  deutsch.  Gesellsch.  f. 
Chirurgie  4.  Congress.  Bedin  1876,  S.  111. 

^)  Referat  der  chirurgischen  Krankheiten  des  Kopfes  etc.  in  dem  Jahres- 
bericht von  Virchow  und  Hirsch  1869.  II.  S.  435. 

*)  A.  Wini warter:  üeber  das  maligne  Lymphom  und  Lymphosarkom, 
Archiv  für  klin.  Chirurgie,  Bd.  XVIII,  S.  123  und  145. 

^)  Weber,  C.  0.:  Die  Krankheiten  des  Gesichtes.  Handbuch  der  allgem. 
und  speciell.  Chirurgie  von  Pitha  und  Biilroth.     Bd.  III.  Abth.  1.  Hft.  2.  S.  314. 

^)  Watson:  Gase  of  tumour  originating  in  the  pterygoid  fossa  and  de- 
veloping  towards  the  buccal  cavity,  successfully  removed.  Jahresbericht  von 
Virchow  und  Hirsch  1869.  II.  S.  435. 

')  King,  Kelburne:  Gase  of  tumour  originating  in  the  soft  palate  and 
protuding  into  the  isthmus  of  the  fauces,  removed  by  Operation.  Lancet.  1871.  Feb. 


ß4  Dl"'   Heinrich  Braun. 

Wir    lassen   hier    die  von   uns  gemachte  Beobachtung  folgen: 

T.  J,,  34  Jahre  alt,  von  R. ,  ein  kräftig  aussehender  Bahn- 
wart, war  früher  niemals  krank.  Den  Beginn  seines  jetzigen  Lei- 
dens wollte  er  nach  seiner  Angabe  zuerst  vor  12  Wochen  bemerkt 
haben,  es  entstanden  damals  ziehende  Schmerzen  am  Kieferwinkel, 
welche  beim  Schlucken  zunahmen,  die  er  aber  sonst  wenig  beachtete. 
Erst  vor  3  Wochen  suchte  er  wegen  Zunahme  dieser  Beschwerden 
den  Arzt  in  seiner  Heimath  auf,  der  eine  wunde  Fläche  im  Halse 
gefunden  haben  wollte,  die  er  mit  Argent.  nitr.  ätzte  und  gegen 
die  er  ausserdem  ein  Gurgelwasser  anwenden  liess.  Da  die  Beschwer- 
den nicht  besser  wurden ,  im  Gegentheil  dieselben  beim  Schlingen 
mehr  zunahmen,  auch  Athemnoth  hinzutrat,  suchte  er  unsere  Klinik 
auf  und  wurde  in  dieselbe  am  10.  Juni  1877  aufgenommen. 

Status  präsens:  Aeusserlich  flndet  man  am  linken  Kieferwinkel 
eine  Härte  und  eine  etwa  nussgrosse  Anschwellung,  die  von  nor- 
maler Haut  bedeckt  ist.  Im  Munde  sieht  man  eine  an  ihrer  Ober- 
fläche ulcerirte  und  vorspringende  Geschwulstmasse,  welche  die  linke 
Hälfte  des.  weichen  Gaumens  bis  zur  Mitte  der  Uvula,  den  linken 
Arcus  pharyngo-palatinus ,  die  linke  Tonsille  und  einen  Theil  der 
linken  Pharynxwand  einnimmt,  während  die  Zungenbasis  und  der 
linke  Arcus  glosso-palatinus  gesund  sind.  Bei  der  Untersuchung 
mit  zwei  Fingern  kann  man  nicht  vollständig  bis  an  das  untere 
Ende  der  Neubildung  kommen,  immer  fühlt  man  noch  leicht  blutende, 
geschwürige  Massen.  Einige  Verschieblichkeit  besitzt  die  Geschwulst. 
Geschwellte  Lymphdrüsen  sind  aussen  am  Halse  nicht  zu  fühlen. 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  hatte  man  es  mit  einem  Lympho- 
sarcom  zu  thun,  das  von  der  linken  Tonsille  ausgegangen,  dann 
aber  auf  die  angrenzenden  Theile  des  Pharynx  und  des  weichen 
Gaumens  übergegangen  war.  Die  Exstirpation  der  ziemlich  circum- 
script  erscheinenden  Geschwulst  wurde  besclilossen  und  von  Herrn 
Professor  Gzerny  am  15.  Juni  1877  in  der  folgenden  Weise 
ausgeführt. 

Zunächst  wurde,  um  den  Patienten  tief  chloroformiren  zu 
können  und  das  Hinabfliessen  von  Blut  in  die  Trachea  mit  Sicher- 
heit   zu    vermeiden,    die    prophylactische    Tracheotomie    ausgeführt. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  ß5 

Von  der  Einführung  der  Trendelenburg' sehen  Tamponcanüle  musste 
abgesehen  werden,  da  ihr  Ballon  einriss,  sie  ausserdem  auch  etwas 
voluminös  war;  es  wurde  dagegen  die  Rachenhöhle  mit  an  Seiden- 
fäden befestigten  Schwämmen  fest  ausgestopft,  nachdem  eine  gewöhn- 
liche Canüle  in  die  Trachea  eingeführt  war. 

Nach   diesen  Vorbereitungen    wurde   ein   Schnitt    geführt,   der 
vom   linken  Mundwinkel    ausging,   schräg    nach  unten   und  aussen, 
am  vorderen  Rande  des  M.  masseter  vorbei,  bis  hinab  in  die  Höhe 
des   Zungenbeins   reichte.     Die    Gefässe ,    welche   bluteten ,    wurden 
immer  sogleich  gefasst  und  mit  Garbolseide  unterbunden.    Man  kam 
hierauf  am  Kieferwinkel  auf  die  äussere  und  untere  Abtheilung  der 
Geschwulst,  die  nur  theilweise  eine  Art  Kapsel  besass,  grösstentheils 
dagegen  mit  der  Umgebung  innig  verwachsen,  auf  sie  übergegangen 
war.     Um   mehr  Zugängigkeit   zu  dem    oberen   Abschnitt   der    Ge- 
schwulst zu  erhalten,  wurde  der  Unterkiefer  etwas  schräg  von  oben 
und  innen,  nach  unten  und  aussen  zwischen   dem  2.  und  3.  Back- 
zahn durchsägt,  und  die  beiden  Stücke  auseinander  geklappt.     Nun 
konnte  man  den  ganzen  Tumor  deutlich  übersehen  und  exstirpiren ; 
es  wurden  dabei  die  Mm.  digastricus,  stylohyoideus  und  styloglossus 
durchtrennt,   die   Nn.   hypoglossus,   glossopharyngeus   und   lingualis 
ebenso    wie    die    A.   lingualis   und   einige    andere   stärkere   Gefäss- 
stämme  durchschnitten.     Aussergewöhnlich  stark  war    die   Blutung 
nicht.     Die    Geschwulst  wurde   entfernt  bis  auf  einige  kleine,  ver- 
dächtig aussehende  Gewebstheile  nach  der  Fossa  pterygo-palatina  hin, 
die  mit  dem  Thermocauter  von  Paquelin  betupft  wurden.    Blut  floss 
während  der    ganzen    Operation    nicht   in   die  Trachea   hinein,   die 
Narkose    war    einigemale    schlecht,   indem   Patient    cyanotisch   und 
ohne  Respiration  war,   so  dass  mehrmals  künstliche  Athmung  aus- 
geführt werden  musste.     Ausnahmsweise   hatte  in  diesem  Falle  die 
gemischte  Ghloroformnarkose  mit  vorhergehender    subcutaner   Mor- 
phiuminjection  ihren  Dienst  nicht  gethan. 

Die  ganze  grosse  Wundhöhle  wurde  nun  mit  einer  b^/o  Ghlor- 
zinklösung  ausgeätzt;  darauf  zunächst  die  Sägeflächen  des  Unter- 
kiefers durch  eine  in  seiner  Mitte  angelegte  Silberdrahtnaht  und  dann 
noch  mit  einem  um  den  2.  und  3.  Backzahn  geschlungenen  Silber- 

Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Cliirurgie.  5 


66 


Dr.  Heinrich  Braun. 


draht  vereinigt;  hierauf  die  Wunde  mit  Suturen  geschlossen  bis  auf 
die  Stellen,  aus  denen  die  nach  oben  und  unten  eingeführten  Drain- 
röhren aus  derselben  hervorragen.  Ebenso  konnte  innen  die  Mund- 
schleimhaut vorn  mit  Suturen  vereinigt  werden,  auch  hinten  die 
Schleimhautränder  etwas  vernäht  werden,  wodurch  die  Wundhöhle 
im  Munde  ein  wenig  verkleinert  wurde.  Ueber  das  ganze  wurde 
ein  Salicylverband  angelegt.     Die  Trachealcanüle  blieb  liegen. 

Am  Abend  des  Operationstages  sass  Patient  schon  aufrecht 
im  Bett,  hatte  den  Nachmittag  über  nur  ganz  wenig  Blut  ausgehustet. 
Die  Schmerzen  waren  unbedeutend.     Temp.  37.4.  Puls  88. 

16.  Juni:  Patient  hat  gut  geschlafen,  klagt  wenig;  nur  wird 
er  etwas  gequält  durch  den  Auswurf  von  zähem  Schleim,  dem 
jedoch  kein  Blut  beigemischt  ist.     Täglich  zweimal  Verbandwechsel. 

17.  Juni:  Entfernung  oberflächlicher  Nähte,  am  18.  werden 
alle  weggenommen. 

19.  Juni:    Die  Ganüle    wird    heute,    nachdem    die    Schleim- 
secretion  bedeutend  abgenommen  hat,  entfernt.     Aus  den  nächsten 
Tagen   ist   kaum   etwas    zu    erwähnen.      Das    Schlucken    flüssiger 
Speisen    ging   immer   leicht.     Die  Hautwunde    war   in   ganzer  Aus- 
dehnung per  I.  geheilt;  die  Trachealwunde  am  22.  Juni  bis  auf  eine 
kleine    oberflächliche,    gut    granulirende    Wunde   geschlossen.      Die 
Bronchitis  Hess  nach,   ebenso   die  Speichelsecretion,  die  anfangs  be- 
deutend  vermehrt   war.     Fieber   war    vom  21.  Juni    ab  nie  wieder 
aufgetreten,   bis  dahin  war  es  einmal  am  zweiten  Abend  auf  39.5 
gestiegen,    dann    aber   nie   höher   als  38.5  gekommen.     Der  Unter- 
kiefer war  ziemlich  fest  vereinigt,   Hess  sich  aber  an  der  Sägefläche 
noch  verschieben,  das  hintere  Ende  stand  etwas  über  dem  vorderen. 
Die  linke  Zungenhälfte,  die  vollkommen  anästhetisch  war,  sah  etwas 
schmäler  als  die  rechte  aus,  die  Zungenspitze  wich  etwas  nach  der 
linken  Seite  beim  Herausstrecken  ab,  konnte  aber  nach  rechts  und 
links  bewegt  werden.    Am  1.  Juli  wurde  der  um  die  Zähne  gelegte 
Draht  entfernt,  die  andere  Knochennaht  blieb  liegen ;  an  ihrer  Stelle 
hatte    sich    eine   kleine  Fistel,    die   wenig    secernirte,  gebildet.     Die 
Wunde  am  Halse  verkleinerte  sich  rasch,  die  Speichelsecretion  Hess 
ebenso  wie  die  Bronchitis  immer  mehr  und  mehr  nach. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  67 

Bei  der  Entlassung  des  Kranken  am  21.  Juli  sah  man  im  Munde 
nur  noch  eine  kleine  Wundfläche;  die  linke  Zungenhälfte  sah  etwas 
gerunzelt  und  dünner  aus,  als  die  rechte;  an  der  linken  Seite  sah 
man  geringe  zuckende  Bewegungen,  während  an  der  rechten  Seite 
diese  Flimmerbewegungen  bedeutend  stärker  waren,  besonders  wenn 
die  Zunge  aus  dem  Munde  heraus  gestreckt  wurde.  Die  Kieferstücke 
Hessen  sich  immer  noch  etwas  an  einander  hin  und  herschieben, 
trotzdem  ging  das  Kauen  von  Brod  und  weichem  Fleisch  ziemlich  gut. 
Acht  Tage  später  stellte  sich  der  Kranke  wieder  vor;  der 
Unterkiefer  federte  noch  etwas.  Die  linke  Zungenhälfte  sah  mehr 
atrophirt  aus ,  sie  zeigte  immer  noch  die  in  Folge  der  Hypoglossus- 
durchschneidung  aufgetretenen  Flimmerbewegungen,  am  stärksten 
merkwürdiger  Weise  auf  der  rechten  Seite.  Hinten  im  Halse  be- 
merkte man  an  der  Stelle  der  Geschwürsfläclie  eine  kleine  Hervor- 
ragung. Innerlich  erhielt  Patient  täglich  5  gtt.  Liquor  arsenicalis 
Fowleri. 

In  der  nächsten  Zeit  stellte  sich  der  Kranke  öfters  vor,  und 
man  konnte  eine  stete  Zunahme  der  Geschwulst  constatiren,  trotzdem 
fortwährend  Liquor  Fowleri  genommen  worden  war.  Die  Geschwulst 
hatte  zuletzt  im  Munde  die  Grösse  eines  Hühnereis  erlangt,  legte  sich 
über  den  Eingang  zum  Kehlkopf  und  Oesophagus  weg,  so  dass  sie 
anfing  wieder  Athem-  und  Schluckbeschwerden  zu  veranlassen.  Es 
wurde  dem  Kranken  desshalb  gerathen  sich  einer  nochmaligen  Ope- 
ration zu  unterziehen,  die  in  Abwesenheit  von  Herrn  Prof.  Gzerny 
am  1.  September  von  mir  ausgeführt  wurde. 

Zunächst  wurde  wieder  die  Tracheotomie  in  der  alten  Narbe 
gemacht,  die  wegen  starker  Blutung,  welche  in  dem  starren  Gewebe 
immer  nur  durch  Umstechung  der  Gefässe  gestillt  werden  konnte, 
ziemlich  schwierig  war.  Darauf  die  alte  Hautnarbe  gespalten  und 
der  Kiefer,  der  nur  durch  fibrösen  Gallus  an  der  Sägefläche  vereinigt 
war,  mit  einem  starken  Knochenmesser  getrennt;  die  nicht  abge- 
grenzte Geschwulst  wurde  hierauf  wieder  entfernt,  man  war  genöthigt, 
um  in  gesunde  Partien  zu  kommen,  einen  Theil  der  Zungenbasis  und 
der  Pharynxwand  mit  weg  zu  nehmen.  Die  Blutung,  die  nur  einmal 
etwas  stärker  war,  wurde  überall  durch  Unterbindung  mit  Seide  gestillt. 


ßg  Dr,  Heinrich  Braun. 

Die  Wunde  wurde  mit  5V  Chlorzinklösung  ausgeätzt,  der  Kiefer  durch 
eine  um  die  dem  Schnitt  zunächst  stehenden  Zähne  gelegte  Draht- 
schlinge vereinigt.  Die  Narkose  war  dieses  Mal  vollkommen  gut,  es  war 
zu  Anfang  0.03  Morphium  subcutan  injicirt  worden.  Auch  dieses  Mal 
ging  unmittelbar  nach  der  Operation  alles  gut,  die  Schleim-  und  Spei- 
chelsecretion,  die  wieder  etwas  stärker  auftrat,  war  nicht  so  reichlich 
wie  früher,  Blutung  kam  keine.  Temp.  am  3.  Tage  Abends  39.0", 
Morgens  38.4°,  vom  4.  September  ab  war  sie  Morgens  normal,  Abends 
höchstens  38°  C.  Die  Naht  heilte  wieder  bis  auf  eine  kleine  Stelle 
am  unteren  Ende,  die  der  früheren  Fistel  entsprach  und  in  der  nun 
eine  Drainage  lag.  Am  7.  September,  7  Tage  nach  der  Operation, 
wurde  nach  mir  geschickt,  da  der  Kranke  Blut  aushustete,  bei 
meiner  Ankunft,  die  rasch  erfolgte,  stand  eine  ganze  Schüssel  voll 
Blut  am  Bett;  die  Respiration  hatte  aufgehört,  der  Puls  war  noch 
zu  fühlen.  Es  wurde  sogleich  die  linke  Carotis  communis  comprimirt, 
Blut  mit  elastischem  Katheter  aus  den  Lungen  gezogen,  künstliche 
Respiration  eingeleitet,  aber  ohne  damit  irgend  etwas  zu  erreichen, 
der  Tod  erfolgte  Mittags  ^2  4  Uhr. 

Die  am  nächsten  Morgen  von  Herrn  Professor  Dr.  Thoma 
vorgenommene  Section  ergab  folgendes,  was  für  uns  an  dieser  Stelle 
von  Interesse  ist: 

Die  linke  Lunge  durch  ausgedehnte  Bindegewebsmassen  an  die 
Costalwand  adhärent,  sehr  gross,  leicht,  in  den  Bronchien  stark  blutig 
gefärbte  Flüssigkeit,  Bronchialschleimhaut  blutig  imbibirt.  Im  Bron- 
chus des  oberen  Lappens  ein  grösseres  Blutgerinnsel,  das  sich 
forterstreckt  bis  in  den  mittleren  Bronchus,  Art.  pulmonalis  frei. 
Das  Gewebe  des  oberen  Lappens  ist  sehr  luftreich ,  enthält  aber  im 
unteren  Abschnitte  derbe,  dunkelrothe  Flecken,  die  luftleer  sind  und 
auf  der  Schnittfläche  prominiren;  im  Uebrigen  ist  das  Lungengewebe 
massig  feucht,  das  Gewebe  des  unteren  Lappens  ist  stärker  durch- 
feuchtet, blutreicher  und  enthält  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  eine 
grössere  Anzahl  ebensolcher  dunkelrother ,  blutleerer  Heerde.  Die 
rechte  Lunge  ergibt  im  Ganzen  denselben  Befund,  nur  sind  nahezu 
sämmtliche  Bronchien  mit  Blut  erfüllt,  dagegen  die  dunkelrothen 
Heerde  fast  ausschliesslich  auf  den  unteren  Lappen  beschränkt. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  69 

Im  Magen  viel  blutig  gefärbte  Flüssigkeit,  die  Magenschleimhaut 
blutig  imbibirt,  zeigt  nichts  Abnormes.    Im  Duodenum  galliger  Inhalt, 
an  seinem  Ende  finden  sich  einige  markige  Geschwülste,  über  welche 
die  Mucosa  und  Serosa  scheinbar  unverändert  hinweg  gehen,  welche 
jedoch  auf  dem  Durchschnitt  sowohl  die  Mucosa  als  Serosa  umfassen. 
Im  Dünn-   und  Dickdarm    schwach    gallig   gefärbter,   grösstentheils 
flüssiger  Inhalt,  Schleimhaut  unverändert.    Im  Ileum  in  der  Submucosa 
ein  erbsengrosses   nach  allen  Seiten    frei  bewegliches  Knötchen   von 
markiger  Beschaffenheit.    An  der  Grenze  zwischen  Ileum  und  Jejunum 
eine  markige,  flache  Geschwulst   mit  deprimirtem  Gentrum,  3  Ctm. 
im  längsten  Durchmesser,  1  Ctm.  dick.     In  der  Serosa  des   kleinen 
Beckens  zwei  kleinere,  flache,  ebenso  beschaffene  Geschwülste.     Die 
grössere  Geschwulst   des  Dünndarms   hat  dieselben  Beziehungen  zur 
Mucosa  und  Serosa,  wie  diejenige  des  Duodenum. 

Im  Mesenterium  sind  zahlreiche  Drüsen  vergrössert  und  in  eine 
weisse  hirnmarkähnliche  Masse  verwandelt;  Milz  stark  vergrössert. 

An  der  linken  Seite  des  Halses  eine  Schnittwunde,  welche  vom 
linken  Mundwinkel  etwa  5  Ctm.  weit  nach  unten  und  aussen  reicht; 
im  oberen  Abschnitt   ist  diese  Wunde  linear  verklebt,    im  unteren 
führt  sie  direct  in  die  Mundhöhle.    In  letzterer  findet  sich  zur  linken 
Seite  ein  ausgedehnter  Substanzverlust;  es  fehlt  der  linke  Abschnitt 
der  Zungenwurzel,   der  linke  Gaumenbogen,    ein  beschränkter  Theil 
der   linken  Pharynxwand,   eine  beträchtliche  Masse  Gewebe  an  der 
Innenfläche  des   aufsteigenden  Kieferastes,   ferner  die  linke  Tonsille. 
Die  Wundflächen   sind   mit  Granulationen  bedeckt,   welche   an    der 
Innenfläche  des  Unterkiefers  und  an  seinem  hinteren  Umfang  an  ein 
derbes,  markiges  Gewebe  anstossen,  während   der  übrige  Theil   der 
Granulationen  an  gesundes  Gewebe  grenzt.    Am  Boden  dieses  Substanz- 
verlustes findet  sich  eine  3  Mm.  weite  Oeffnung,  welche  das  Lumen 
der  Art.  lingualis  darstellt,  aus  dem  sich  in  dickem  Strahle  Wasser 
ergiesst,  welches  in  die  A.  carotis  communis  eingespritzt  wird.     Die 
Mundhöhle  selbst,  die  Rachenhöhle  sind  mit  dicken  Blutgerinnseln  erfüllt, 
welche  sich  auch  in  Kehlkopf  und  Trachea  hinein  erstrecken.     Der 
linke  Unterkieferast  ist  entsprechend  der  Grenze  zwischen  2.  und  3. 
Backzahn  und  entsprechend  der  äusseren  Hautwunde  quer  durchtrennt. 


70  Dr.  Heinrich  Braun, 

Die  Schleimliaut  des  Mundes,  Rachens,  Kehlkopfs  und  Trachea  zeigt 
im  Uebrigen  diffuse  Röthung  und  Blutimbibition.  An  der  Vorderseite 
der  Trachea  eine  nach  aussen  führende  Operationswunde.  Im  retro- 
pharyngealen  Zellgewebe  und  zu  den  beiden  Seiten  des  Halses 
vergrösserte,  markig  aussehende  Lymphdrüsen. 

War  auch  in  unserem  Falle  der  schliessliche  Ausgang  ein  un- 
günstiger, so  wird  doch  auch  durch  diese  Beobachtung  erwiesen, 
dass  man  sich  völlig  genügenden  Zugang  zur  Exstirpation  von  Ton- 
sillengeschwülsten  ohne  allzu  bedeutende  Nebenverletzungen  durch 
die  osteoplastische  Resection  des  Unterkiefers  verschaffen  kann. 
Bessere  Erfolge  wird  man  allerdings  mit  dieser  Operation  bei  den 
melir  abgekapselten  Tumoren  der  Tonsillen  erhalten,  als  bei  diesen 
meist  bald  diffus  auf  ihre  Umgebung  übergehenden  malignen  Lym- 
phomen, bei  denen  man  überhaupt  zweifeln  kann,  ob  man  ihre  Ex- 
stirpation versuchen  soll. 


4.  Oesophagotomia  interna. 

Unter  den  verschiedenen  Behandlungsmethoden  der  narbigen 
Verengerungen  des  Schlundes,  wie  sie  am  häufigsten  nach  Einwirkung 
ätzender  Substanzen  entstehen,  ist  die  Oesophagotomia  interna 
bis  jetzt,  besonders  bei  uns  in  Deutschland  nur  in  äusserst  seltenen 
Fällen  ausgeführt  worden.  Aber  auch  die  Zahl  der  übrigen,  besonders 
französischen  Beobachtungen,  ist  eine  so  geringe,  dass  eine  ganz 
bestimmte  Ansicht  über  die  Vor-  und  Nachtheile  dieser  Methode, 
gegenüber  von  anderen  noch  nicht  gefällt  werden  kann.  Gasuistische 
Mittheilungen,  mögen  sie  gute  oder  schlimme  Erfahrungen  bringen, 
sind  desshalb  unbedingt  erforderlich ;  und  von  diesem  Gesichtspunkte 
aus  erlaube  ich  mir  die  folgende  Krankengeschichte  mit  epikritischen 
Bemerkungen  zu  geben. 

Luise  Seh.  8  Jahre  alt  von  L.  wurde  am  20.  Februar  1877 
in    unsere    chirurgische    Klinik    aufgenommen    wegen    bedeutender 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs,  7I 

Schluckbeschwerden,  welche  vor  etwa  10  Monaten  in  Folge  von 
Verätzung  des  Schlundes  durch  Laugenessenz  (enthielt  hauptsächlich 
Aelznatron),  die  das  Kind  aus  Versehen  statt  Wasser  getrunken  hatte, 
entstanden  waren.  Ueber  die  heftigen  Erscheinungen  der  Oesophagitis 
und  Gastritis,  die  nach  der  Beschreibung  der  Mutter  des  Mädchens 
damals  aufgetreten  waren,  konnten  keine  genauen  Angaben  erhalten 
werden ;  nur  soviel  ist  gewiss,  dass  die  Schwierigkeit  beim  Schlucken 
itnmer  mehr  und  mehr  zunahm,  so  dass  zuletzt  nur  noch  Flüssig- 
keiten langsam  und  in  kleinen  Quantitäten  m  den  Magen  gebracht 
werden  konnten. 

Bei  der  Aufnahme  sah  die  kleine  Kranke  mager  und  blass  aus ; 
das  Schlucken  ging  nur  in  der  eben  beschriebenen  Weise. 

Die  Inspection  des  Mundes  und  Pharynx  ergab  keine  Verände- 
rungen, ebenso  wenig  die  Untersuchung  mit  dem  Kehlkopfspiegel.  Bei 
Einführung  der  Schlundsonde  fand  man  18  Gtm.  vom  Zahnbogen 
entfernt,  etwa  in  der  Höhe  der  hicisura  slerni,  eine  Verengerung  des 
Oesophagus,  in  die  man  schwierig  mit  einem  elastischen  Katheter 
von  4  Mm.  Durchmesser  eindringen  konnte,  beim  weiteren  Vorschieben 
des  histrumentes  wurde  dasselbe  fest  engagirt,  so  dass  eine  zuver- 
lässige Ansicht  über  die  Ausdehnung  der  Strictur  nach  unten  nicht 
gewonnen  werden  konnte. 

Alle  übrigen  Organe  des  Kindes  waren  gesund. 

Vom  Tage  der  Aufnahme  an  wurden  täglich  Versuche  gemacht, 
mit  conischen  Bougies  die  Strictur  allmählig  zu  erweitern;  dieselben 
hatten  anfangs  auch  einigen  Effekt,  indem  man  bis  zum  5.  März 
mit  einem  Katheter  von  6  Mm.  Durchmesser  durch  die  Strictur 
hindurchkommen  konnte.  Die  Einführung  geschah  in  der  Weise, 
dass  jeder  Katheter ,  der  in  die  verengerte  Partie  des  Schlundes  ein- 
gedrungen war,  wenige  Minuten  liegen  blieb  und  dann  mit  der  nächst- 
folgenden dickeren  Nummer  vertauscht  wurde.  In  Folge  dieser 
Erweiterungen,  die  sich  ohne  Schmerzen  und  ohne  jemals  die  geringste 
Blutung  zu  veranlassen,  ausführen  Hessen,  ging  das  Schlucken  leichter 
und  schneller  von  Statten;  ausser  Flüssigkeiten  konnten  um  diese 
Zeit  Mehlspeisen  und  weiches  Brod  ganz  gut  geschluckt  werden. 

Am  25.  März  gelang  es  ohne  besondere  Mühe  einen  Katheter 


'j'2  •  Dr.  Heinrich  Braun. 

von  7  Mm.  Durchmesser  einzuführen.  Das  Schlucken  von  fein 
zerschnittenem  Fleisch  war  möglich ;  die  Ernährung  der  Kleinen  hob 
sich  wesentlich. 

Am  8.  April  wurde  das  Kind  auf  Wunsch  seiner  Eltern  entlassen, 
da  die  Ernährung  trotz  dieses  geringen  Lumens  des  Schlundes  eine 
vollständig  gute  war.  Ein  Fortschritt  in  der  Erweiterung  des  Oeso- 
phagus war  in  der  letzten  Zeit  trotz  aller  Mühe  und  Ausdauer  nicht 
zu  erreichen. 

Den    16.  Mai    wurde   aber  die   Kleine   schon  wieder   in    das 
Krankenhaus   gebracht,  weil   die  Schwierigkeit  beim  Schlucken   sich 
wieder  einstellte  und   ein   fortgesetztes  Einführen   der   Schlundsonde 
in  der  Heimath   nicht   möglich  war.     Bei   der  Untersuchung  konnte 
man  eine  Wiederverengerung  des  Oesophagus  constatiren;   nur  mit 
Mühe  vermochte  man  ein  Bougie  von  5  Mm.  Durchmesser  einzuführen, 
man   fühlte   bei   dieser    Gelegenheit  jetzt   verschiedene   dicht  hinter 
einander  liegende  Hindernisse  von  denen  das  letzte  am  schwierigsten 
zu  überwinden  war.     Auch  mit  den  von  Billroth  zur  Dilatation  von 
Oesophagusstricturen   angewendeten  Zinnsonden   konnte  nicht   mehr 
erreicht  werden;    manchmal  blieb    eine  dünnere  Nummer,    als    der 
erwähnte  Katheter  war,  auf  einem  elastischen  Wiederstande  stehen 
und  konnte  oft  erst  nach  mehrmaligen  vergeblichen  Versuchen  weiter 
vorgeschoben  werden.     Jedenfalls   waren   verschiedene  Leisten   oder 
Membranen  vorhanden,  die  gegen  das  Lumen  vorsprangen  und  alle 
Instrumente  aufliielten.    Die  Zinnsonden  hatten  ausserdem  die  kleine 
Unannehmlichkeit,  dass   man  sie   nicht  lange   konnte  liegen  lassen, 
indem  sie  bald  Dyspnoe  erzeugten,  wohl   hauptsächlich  durch  Vor- 
drängen  des   Kehlkopfs  und  gleichzeitige   Ueberlagerung   des  Aditus 
laryngis.     Bei  den  jetzt  vorgenommenen  Bougierungsversuchen  klagte 
das  Mädchen  mehrmals  über  Schmerzen  im  Hals;  Blut  an  der  Sonde 
oder  im  Auswurf  war  aber  niemals  zu  bemerken.     Auch  dieses  Mal 
besserte  sich  anfangs  wieder  der  Zustand  etwas,  aber  bald  kam  man 
mit  der  Erweiterung  nicht  nur  nicht  vorwärts,  sondern  im  Gegentheil 
die  Strictur  schien  immer  enger  zu  werden,  das  Kind  immer  empfindlicher 
und  elender. 

Am    29.   Mai   gelang  es   überhaupt   nicht    mehr  die  dünnste 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  »J'g 

Zinnsonde  einzuführen,  man  mochte  sie  drehen  wie  man  wollte,  sie 
wurde  festgehalten,  nur  ein  elastischer  Katheter  von  4.8  Mm.  Durch- 
messer liess  sich  noch  mit  vieler  Mühe  engagiren,  auch  in  der  Narkose 
konnte  man  absolut  kein  Weiterwerden  der  Stenose  beobachten, 
kein  dickeres  Bougie  hineinbewegen. 

Den  9.  Juni  wurde  wegen  der  immer  gleich  bleibenden  schlechten 
Ernährungsverhältnisse  zunächst  versucht,  mit  einem  Jameson'schen 
Diktator  ^),  dessen  Sonde  etwa  2  Mm.  Durchmesser  hatte,  die  Strictur 
zu  erweitern;  man  musste  jedoch  von  diesen  Versuchen  abstehen, 
da  es  nicht  gelang,  den  etwas  dickeren  Knopf  in  die  stenosirte  Stelle 
hineinzuschieben.  Es  wurde  desshalb,  nachdem  alle  Versuche  einer 
allmähligen  Dilatation  fehlgeschlagen  waren,  an  dem  nämlichen  Tage 
von  Herrn  Professor  Gzerny  die  Oesophagotomia  interna  in 
Narkose  der  Kranken  ausgeführt.  Das  hierzu  verwendete  Oesophagotom 
war  dem  Ivanchich'schen  Urethrotom  in  seinem  Mechanismus 
nachgebildet,  nur  bedeutend  länger,  als  dieses  gearbeitet.  Es  wurde 
damit  die  Strictur  beim  Ausziehen  des  gedeckt  eingeführten  Listrumentes 
von  unten  nach  oben  einmal  nach  rechts  und  einmal  nach  hinten 
gespalten ,  die  Schneide  des  Messers  mochte  dabei  jedesmal  etwa 
2  Mm.  über  ihre  Deckung  hervorragen.  Blutung  folgte  den  Schnitten 
fast  gar  keine,  nur  eine  Spur  wurde  an  dem  mit  dem  Oesophagotom 
ausgezogenen  Schleime  gefunden.  Unmittelbar  nach  dem  Schnitte 
konnte  man  mit  Leichtigkeit  einen  elastischen  Katheter  von  8  und 
10  Mm.  Durchmesser  durch  die  Strictur  hindurch  führen. 

Nach  dem  Erwachen  aus  der  Narkose  wurde  wenig  Schmerz 
im  Halse  geklagt.  Nur  stellte  sich  einigemale  heftiges  Erbrechen 
ein.  Am  Abend  fiel  eine  Anschwellung  des  Halses  von  der  Glavicula 
an  bis  in  die  Gegend  des  Kehlkopfes  auf,  für  die  sich  die  Ursache 
zunächst  nicht  genau  bestimmen  liess,  man  konnte  zweifelhaft  sein, 
ob  man  es  mit  einem  Blutergusse  oder  mit  Luft  in  den  tief  ge- 
legenen Zellgewebslagen  des  Halses  zu  thun  hatte.  Am  folgenden 
Morgen  erst  wurde  die  Natur  dieser  Schwellung  sicher,  indem  man 


^)  König,  F.:  Die  Krankheiten  des  unteren  Theiles  des  Schlundes  und 
der  Speiseröhre,  Handbuch  der  allgem.  und  spec.  Chirurgie.  1872,  Bd.  III.  Ab- 
thlg,  I.  Liefr,  4  S,  30  gibt  eine  Abbildung  dieses  Instrumentes. 


74  Dr.  Heinrich  Braun. 

jetzt  in  den  beiden  Fossae  supraclaviculares  und  in  der  Furche  vor 
den  Mm.  sternocleidoniastoidei  beiderseits  deutlich  Emphyseniknistern 
nachweisen  konnte. 

In  den  nächsten  Tagen  wurde  das  Emphysem  immer  deutlicher, 
es  breitete  sich  auch  auf  die  Gegenden  hinter  den  Mm.  sternoclei- 
domastoidei  aus;  der  ganze  Hals  vom  Unterkiefer  bis  zur  Glavicula 
hinab  zeigte  hellen  tympanitischen  Ton.  Druck  auf  den  Hals  wurde 
empfindlich,  das  Schlucken  beschwerlich.  Die  Temperatur  stieg 
bis  zu  38.6  und- 39.0°  G. 

Vom  17.  Juni  an  nahm  das  Emphysem  allmählig  ab,  am 
längsten  hielt  es  sich  über  der  rechten  Glavicula  und  vor  dem 
rechten  Sternocleidomastoideus,  am  19.  war  es  vollständig  ver- 
schwunden. Die  kleine  Kranke  hatte  nur  Flüssigkeiten  und  täglich 
2  rohe  Eier  genommen.  Die  physikalische  Untersuchung  der  Brust 
ergab  niemals  Anhaltspunkte  für  irgend  welche  pathologische  Ver- 
änderungen der  Lungen  oder  der  Pleurae. 

Am  21.  Juni  fand  man  auf  der  linken  Tonsille  und  auf  der 
linken  Hälfte  des  weichen  Gaumens  einen  deutlichen  diphtherischen 
Belag,  die  cervicalen  Lymphdrüsen  geschwellt.  Kali  chloricum  wird 
innerlich  und  local  applicirt. 

In  der  folgenden  Zeit  blieben  die  Schmerzen  im  Halse  immer 
bedeutend,  der  Belag  gewann  aber  keine  weitere  Verbreitung.  Die 
Kranke  stöhnte  beständig  und  athmete  vielleicht  etwas  schwerer  wie 
seither;  eine  deutliche  Einziehung  der  Intercostalräume,  der  Fossae 
supraclaviculares,  des  Scrobiculum  cordis  konnte  aber  nicht  bemerkt 
werden.  Ohne  ein  Weitergreifen  des  diphtherischen  Processes  zu 
beobachten  und  ohne  das  Hinzutreten  irgend  welcher  besonderer 
Erscheinungen  verfiel  das  Kind  immer  mehr,  bis  am  24.  Juni 
Morgens  4  Uhr  der  Tod  eintrat. 

Aus  dem  von  Herrn  Professor  Arnold  bei  der  Section  dictirlen 
Protocolle  lasse  ich  die  uns  hier  interessirenden  Angaben  über  den 
Befund  des  Halses,  des  Oesophagus  und  der  Lungen  folgen: 

»Die  Untersuchung  der  Weichtheile  des  Halses  ergibt  eine  be- 
trächtliche Schwellung  der  Drüsen  des  Halses  und  zwar  auf  der 
linken  Seite  stärker,   als   auf  der  rechten.     Das  Gaumensegel,   die 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  ^5 

Uvula  zeigen  in  ihrer  Schleinihaulbekleidiing  starke  Röthe  und  be- 
trächtliche Inliltration  des  submucösen  Gewebes.  Beide  Tonsillen 
gleichfalls  grösser,  auf  der  linken  ein  weisslicher  Schorf,  der  ziem- 
lich tief  ins  Tonsillargewebe  eingreift. 

Zellgewebe  zwischen  Oesophagus  und  Wirbelsäule  zeigt  vom 
3.  Halswirbel  an  eitrige  Infiltration  und  findet  sich  daselbst  ein 
Abscess,  der  sich  in  der  Richtung  nach  unten  bis  in  die  Höhe 
des  3.  Brustwirbels  erstreckt.  In  der  Höhe  des  Manubrium  sterni 
dehnt  der  Abscess  sich  ziemlich  stark  nach  links  und  rechts  aus 
und  auf  der  rechten  Seite  ist  derselbe  in  die  Pleurahöhle  durch- 
gebrochen. Auch  links  scheint  eine  Gommunication  der  Höhle  des 
Abscesses  mit  der  Pleurahöhle  zu  bestehen.  In  der  Höhe  des  5. 
und  6.  Halswirbels  findet  sich  an  der  hinteren  Oesophagealwand 
eine  circa  2  Ctm.  lange,  glattrandige  Wunde,  deren  Ränder  etwas 
infiltrirt  sind.  Das  periösophageale  Zellgewebe  zeigt  in  der  ganzen 
Ausdehnung  des  Oesophagus  bis  beinahe  zur  Einmündungssteile  in 
den  Magen  ausser  der  bereits  geschilderten  eitrigen  Infiltration  den 
Zustand  der  Schwellung  und  Infiltration.  Muscularis  beträchtlich 
verdickt  und  zwar  gleichfalls  in  der  Ausdehnung  von  ^/a  des  Oeso- 
phagus. 'Im  unteren  Drittheil  ist  die  Schleimhaut  in  grosser  Aus- 
dehnung defect  und  durch  narbige  Massen  ersetzt,  es  springen 
einzelne  starke  Leisten  an  mehreren  Stellen  vor.  Ebendaselbst  be- 
steht eine  ziemlich  ausgedehnte  Gommunication  zwischen  dem  Oeso- 
phaguslumen  und  dem  periösophagealen  Abscess.  In  beiden  Pleura- 
höhlen jauchiger  Eiter.  Pleurablätter  getrübt  und  in  den  oberen 
Abschnitten  mit  jauchigem  Eiter  belegt. 

Beide  Lungen  hochgradig  comprimirt. 

Ausser  trüber  Schwellung  in  Nieren  und  Leber  wird  keine 
pathologische  Veränderung  gefunden.« 

Die  Todesursache  in  diesem  Falle  ist  jedenfalls  zu  suchen  in 
der  Durchtrennung  der  ganzen  Dicke  des  Oesophagus,  der  in  Folge 
davon  entstandenen  Abscessbildung  im  hinteren  Mediastinum  mit 
dem  kurz  vor  dem  Tode  entstandenen  Durchbruch  in  beide  Pleura- 
höhlen. Vielleicht  wurde  der  Exitus  letalis  etwas  beschleunigt  durch 
die  in  den  letzten  Tagen  hinzugekommene  Diphtherie. 


Yg  Dr.  Heinrich  Braun. 

Im  Anschluss  an  die  soeben  mitgetheilte  Krankengeschichte 
möchte  ich  etwas  näher  eingehen  auf  die  verschiedenen  Methoden 
der  Behandlung  der  Narben-Stricturen  des  Oesophagus,  wie  sie  am 
häufigsten  nach  Verletzung  dieses  Organes  durch  ätzende  Flüssig- 
keiten entstehen,  in  specie  auf  die  Oesophagotomia  interna. 

Gewiss    ist    nach    der    Ansicht     aller  Autoren    die    allmählige 
Dilatation  mit  Sonden,  oder  eigens  construirten  Dilatationsinstrumenten 
die  einfachste,  sicherste  und  ungefährlichste  Behandlungsmethode  der 
eben   angegebenen  Schlundverengerungen,   die   ausserdem   noch   den 
grossen  Vortheil  hat,  bei  einem  jeden  beliebigen  Sitze  der  Strictur  an- 
wendbar zu  sein.    Ausnahmsweise  gibt  es  jedoch  Stricturen,  in  denen 
man  mit   diesen   einfachen  Mitteln   nicht   ausreicht,   in   denen   trotz 
lange  fortgesetzter  Behandlung,   trotz   aller  aufgewandten  Mühe  und 
Ausdauer  die  Verengerung  nicht  weiter,  sondern  im  Gegentheil  immer 
enger  wird,   Fälle,   bei  denen  man  dann  zu  anderen,   energischeren 
und    damit   auch   gefährlicheren  Mitteln   greifen   muss.     Mir  scheint 
wenigstens    dies    aus   der   oben  ausgeführten  Krankengeschichte  und 
einer  Anzahl  anderer,  ganz  ähnlicher  Beobachtungen  hervorzugehen, 
entgegen   der  Behauptung  Hüter'si),    wonach  jede  Strictur,  durch 
welche  eine  Sonde  respective  ein  Oesophagotom  hindurchgeht,   auch 
durch  Dilatation  geheilt  werden  kann.    Ausdrücklich  möchte  ich  aber 
gleich  an  dieser  Stelle   mich  dagegen  verwahren,    als  wenn    diesen 
anderen  energischeren  Mitteln  das  Wort  geredet  werden  sollte.     Im 
Gegentheil,   man  wird   sich,   meiner  Ansicht   nach,    dazu   erst  ent- 
schliessen  dürfen,    wenn   die   allmählige  Dilatation  auf  alle  mögliche 
Art  und  Weise,  mit  der  grössten  Geduld  vergeblich  versucht  worden 
ist.     Man  wird  in  dieser  Beziehung  zu  der  äussersten  Vorsicht  in  der 
Stellung  der  Indicationen  zu  eingreifenden  Operationen  gemahnt  durch 
Beobachtungen,   wie  sie  z.  B.  von  Ashurst^)  und  Hutchinson^) 


')  Jahresbericht  über  die  Leistungen  und  Fortschritte  in  der  gesammten 
Medicin  von  Virchow  und  Hirsch  1873.  Bd.  II.  S.  485. 

2)  As  hurst,  Sam.:  Stricture  of  the  Oesophagus  from  swallowing  lye, 
Americ.  Journ,  of  med,  scienc.  1870,  p.  393. 

ä)  Hutchinson,  Jonathan:  Gase  of  stricture  of  the  Oesophagus  after 
swallowing  caustic  potash.  Gastrotomy  proposed  but  not  performed.  London 
Hosp.  Rep.  IV.  p.  56,    Jahresbericht  von  Virchow-Hirsch  1869.  IL  S.  125. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  'J'^ 

mitgetheilt  worden  sind.  In  dem  Falle  des  ersteren  hatte  sich 
bei  einem  4^2  Jahre  alten  Kinde  zweimal  eine  enge  Strictur  des 
Oesophagus  von  selbst  wieder  gelöst.  Bei  Hutchinsons  Patien- 
tin, die  eine  Strictur  nach  Verschlucken  einer  kaustischen  Kali- 
lösung  acquirirt  hatte",  war,  da  nur  noch  Flüssigkeiten  geschluckt 
werden  konnten,  die  Gastrotomie  vorgeschlagen  und  angenommen 
worden ,  als  sich  auch  wiederum  die  Strictur  löste  und  später 
vollständige  Heilung  durch  Dilatation  ohne  jegliche  Operation  zu 
Stande   kam. 

Diejenigen  Methoden,  die  gewählt  werden  können  zur  Heilung, 
wenn  man  mit  der  allmähligen  Dilatation  keine  Fortschritte  mehr 
macht,  sind  verschieden  je  nach  der  Höhe  des  Sitzes  der  Strictur. 
Am  besten  unterscheidet  man  vom  therapeutischen  Standpunkte  aus 
zwei  Abschnitte  am  Oesophagus,  von  denen  der  eine  oberhalb  einer 
Horizontalebene  liegt,  die  man  sich  in  der  Höhe  der  Incisura  sterni 
gelegen  denkt,  die  vom  Halse  aus  zugängig  ist  und  einen  unterhalb 
dieser  Ebene  gelegenen,  der  hier  gewöhnlich  nicht  mehr  vom  Halse 
aus  erreicht  werden  kann.  Die  Methoden  unterscheiden  sich  dem- 
gemäss  in  solche,  die  nur  bei  hochgelegenen  Stricturen  (oberhalb  der 
genannten  Horizontalebene)  und  solche,  die  bei  einem  jeden  Sitze 
und  besonders  bei  tiefgelegenen  Stricturen  in  Anwendung  gezogen 
werden.  Methoden,  die  nur  bei  tiefgelegenen  Verengerungen,  nicht 
aber  auch  bei  höher  oben  gelegenen  Anwendung  finden  könnten, 
wären  wohl  nicht  zu  erwähnen. 

Ausschliesslich  anwendbar  bei  den  hoch  gelegenen  Stricturen 
des  Oesophagus  sind:  die  Excision  der  Strictur,  die  directe 
Incision  der  Strictur  und  die  Oesophagotomia  externa  unter- 
halb des  Hindernisses,  um  für  die  Nahrungsmittel  einen  neuen  Weg 
herzustellen  und  um  vielleicht  gleichzeitig  mit  mehr  Aussicht  auf 
Erfolg  die  Strictur  von  unten  nach  oben  dilatiren  zu  können. 

Die  Excision  der  Strictur,  die  von  Billroth  i)  vorge- 
schlagen, meines  Wissens  aber   bis  jetzt  noch  nicht  in  Anwendung 


*)  Billroth,  Th.:    Ueher   die   Resertion    des   Oesophagus.    Arch.  f.  klin. 
Chirurgie.  Bd.  XIIT.  S.  66. 


78  Dr.  Heinrich  Braun. 

gebracht  worden  ist,  wird  nach  Analogie  der  Exstirpation  von  Gar- 
cinomen  des  Oesophagus  ausführbar  sein  in  Fällen,  in  welchen 
die  Strictur  circulär  ist  und  nur  höchstens  eine  Strecke  von  5 
bis  6  Gtm.  Länge  umfasst;  es  wird  dann  wohl  möghch  sein,  die 
Enden  des  Oesophagus  wieder  direct  mit  der  Naht  zu  vereinigen. 

Geht  die  Strictur  über  die  angegebenen  Zahlen  hinaus,  so  wird 
man  die  directe  Incision  mit  folgender  Sondirung  auszuführen 
haben,  eine  Methode,  die  noch  kürzlich  von  Gilles p^)  mit  dem 
besten  Erfolge  in  Anwendung  gezogen  wurde.  Die  Oesopha- 
gotomia  externa  unterhalb  der  verengten  Stelle  würde  ausgeführt 
werden,  wenn  man  glaubte,  wegen  allzu  grosser  Ausdehnung  der 
Strictur  nach  der  directen  Incision  die  Dilatation  nicht  genügend 
ausführen  zu  können. 

Ob  sich  die  Ausführung  einer  Oesophagotomia  externa  empfiehlt 
bei  einer  innerhalb  der  Brusthöhle  gelegenen  Stenose,  um  von  dieser 
Wunde  aus  die  Dilatation  besser  als  durch  die  Mundhöhle  vornehmen 
zu  können,  muss  als  zweifelhaft  dahin  gestellt  bleiben.  Der  Patient 
von  Horsey2),  bei  dem  die  Strictur  IV2  Zoll  abwärts  von  der 
Glavicula  lag ,  starb  bald  darauf  und  B  r  y  k  ^)  konnte  von  der 
Oesophagotomiewunde  aus  nur  mit  Hilfe  von  Beleuchtungsapparaten 
durch  die  tief  gelegene  Strictur  hindurchkommen. 

Für  die  tiefgelegenen  Stricturen  vorwiegend  zu  verwerthen, 
aber  auch  bei  höher  gelegenen  anwendbar  ist  die  Aetzung,  die 
gewaltsame  Durchstossung,  die  Oesophagotomia  interna 
und  die  Gastrotomie  zur  Anlegung  einer  permanenten  Magen- 
fi  s  tel. 

Die  Aetzung  wird  in  Fällen,  in  denen  es  sich  nicht  um  die 
Beseitigung  geschwüriger  Vorgänge,  sondern  melir  um  derbe  Narben- 
stricturen  handelt,  wohl  kaum  einen  günstigen  Einfluss  haben  können ; 
mag  sie   vielleicht  momentan    auch    eine   kleine  Besserung   herbei- 


')  Gillesp,  W.  A. :  Gonstriction  of  the  Oesophagus.  Boston  med.  and 
surg.  Journ.  Decemhr.  1869.     Virchow-Hirscdrs  Jahresbericht  1870.  II.  S.  146. 

')  H  or  s  e  y  :  Strictiire  of  tlie  Oesophagus  from  the  action  of  caustic  potash  ; 
oesophagotomy ;  death  ,  post  mortem.   Americ.  Journ.  of  med.  scienc.  July  1876. 

^)  ]j  r  .y  k  :  Narbige  .Strictur  des  Oesophagus.  Oesophagotomie.  Wiener 
medicin.  Wochenschrift  1877,  Nr.  40  sqq. 


Beitrcage  zur  Chirurgie  des  Schlund rohi-s.  >^g 

führen,  so  wird  sie  nachlier  nur  zu  einer  um  so  stärkeren  Zusammen- 
ziehung Veranlassung  geben.  Man  wird  von  ihr  als  einer  zu 
unsicheren  Methode  gänzlich  Abstand  nehmen  müssen.  Derselbe 
Vorwurf  trifft  aber  auch  die  gewaltsame  Durchstossung  der 
Strictur,  die  ausserdem  noch  wegen  der  möglichen  Nebenver- 
letzungen als  zu  gefährlich  von  der  Hand  zu  weisen  ist. 

Es  bleibt  demnach  zunächst  zu  untersuchen  die  Anwendbarkeit 
der  Oesophagotomia  Interna,  die  von  Maisonneuve  zuerst  bei 
diesem  Leiden  in  Anwendung  gezogen  worden  ist.  Um  einen  bes- 
seren Ueberblick  zu  erhalten  und  dem  Leser  die  Möglichkeit  zu  geben, 
sich  selbst  eine  eigene  Anschauung  zu  bilden,  möchte  ich  die 
anderen  Publikationen  von  innerem  Schlundschnitt,  soweit  mir  die- 
selben bekannt  geworden  sind,  einschalten.  Die  wenigen  Fälle 
der  Ausführung  dieser  Methode  bei  carcinomatöser  Verengerung  habe 
ich  geglaubt  der  Vollständigkeit  wegen  mit  aufführen  zu  sollen, 
obwohl  sonst  in  dieser  Abhandlung  von  diesem  Leiden  abgesehen 
wurde. 

Beobachtung  I.  Maisonneuve^)  führte  zuerst  die 
Oesophagotomia  interna  bei  einer  jungen  Frau  aus,  die  aus  Ver- 
zweiflung eine  grosse  Dosis  Schwefelsäure  getrunken  hatte  und  in 
Folge  davon  eine  etwa  3  Gtm.  lange,  dicht  über  der  Cardia  sitzende 
Verengerung  des  Oesophagus  acquirirt  hatte.  Trotzdem  die  Kranke 
mehrere  Monate  lang  von  ihrem  Arzte  durch  die  Schlundsonde  er- 
nährt wurde,  zog  sich  die  Strictur  immer  mehr  zusammen,  so  dass 
nur  noch  Flüssigkeiten  passiren  konnten.  Am  16.  Juli  1861  wurde 
die  Operation  ausgeführt  mit  einem  Oesophagotom  %  das  dem  be- 
kannten Urethrotom  von  Maisonneuve  nachgebildet,  nur  etwas  stärker 
und  länger  ist;  es  wurde  damit  von  oben  nach  unten  geschnitten, 
ohne  irgend  welchen  Zwischenfall.  Unmittelbar  nachher  konnte 
Suppe  geschluckt  werden,  am  folgenden  Tag  Brod,  Eier  und  Wein. 

Beobachtung  IL     Maiso  nneu  v  e^)    führte  zum   zweiten 

'}  Maisonneuve,  J.  G.:    Clinique  cbirurgicale  1864,    Tome  II.  p.  409. 
'^j  Albert:    Lehrbuch  der  Chirurgie.    Bd.  I.  S.  601  gibt  eine  Abbildung 
des  Instrumentes. 

'J  Maisonneuve  1.  c.  p.  411, 


30  Dr.  Heinrich  Braun. 

Mal  dieselbe  Operation  aus  bei  einer  jungen  Frau,  die  seit  3  Tagen 
nichts  in  ihren  Magen  hinunterbringen  konnte  und  fast  sterbend  war. 
Ihre  Strictur  lag  unterhalb  der  Cartilago  thyreoidea,  war  nach 
tuberculöser  Entartung  des  Oesophagus  entstanden  und  liess  kaum 
noch  eine  dünne  Sonde  hindurchdringen.  Nach  der  am  20.  Juli  1861 
ausgeführten  Operation  konnte  eine  dicke  Sonde  eingeführt  werden 
und  die  Kranke  vollkommen  gut  schlucken. 

Die  beiden  Patientinnen,  obwohl  8  Tage  von  einander  operirt, 
wurden  an  einem  Tage  von  akuter  Peritonitis  befallen  und  starben 
die  eine  am  31.  Juli,  die  andere  am  1.  August. 

Bei  der  Section  der  ersten  fand  sich  das  die  Strictur  umgebende 
Bindegewebe  intakt,  das  kranke  Gewebe  nur  zum  Theil  durchtrennt, 
ohne  Spur  von  Entzündung.  Weder  am  Oesophagus  noch  am 
Magen  war  irgend  eine  Verletzung  zu  entdecken ;  nur  am  Peritoneum 
die  Folgen  einer  heftigen  Entzündung,  für  welche  aber  die  Ursache 
im  kleinen  Becken  zu  hegen  schien. 

Auch  bei  der  zweiten  Patientin  fand  sich  Oesophagus  und 
Magen  nicht  verletzt,  dagegen  Exsudat  in  der  Bauchhöhle. 

Beobachtung  III.  Mai  sonn  enive  ^)  sah  im  April  1862 
einen  58  Jahre  alten  Mann  wegen  einer  Oesophagusstrictur,  die  vor 
2  Jahren  begonnen  und  allmählig  sich  so  gesteigert  hatte,  dass  zuletzt 
nur  Suppe  und  dünner  Brei  geschluckt  werden  konnte;  sie  lag,  wie  die 
Sondenuntersuchung  ergab,  am  Uebergang  des  oberen  in  das  mittlere 
Drittel  des  Schlundes.  Am  3.  April  wurden  2  Schnitte  innerlich  durch  die 
Strictur  geführt,  eine  Elfenbeinkugel  von  1  ^2  Ctm.  Durchmesser  liess 
sich  sogleich  danach  ohne  Schwierigkeit  einführen.  Die  Incision 
hatte  einen  leicht  zu  ertragenden  Schmerz  gemacht;  nur  ein  klein 
wenig  Blut  kam  nach.  Abends  schon  ass  der  Kranke  wieder  Fleisch 
und  konnte  8  Tage  später,  ohne  dass  irgend  ein  Zwischenfall  ein- 
getreten wäre,  nach  Hause  entlassen  werden. 

Beobachtung  IV.     Lanelongue^)   führte  1864,   ohne  die 


')  Mai  sonne  u  ve  1.  c.  p.  413  und  Rousselot-Beauiieu:  Des 
Retrecissements  de  l'oesophage.  These.  Paris  1864,  p.  34. 

')  Lanelongue:  ObseiTation  avec  quelques  consideralions  pom*  servir 
k  l'hisloire  de  i'oesophagotomie  interne.  IMemoires  de  la  societö  de  Chirurgie 
de  Paris.  1865.  T.  VI.  p.  U7. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  SchlunJrohrp.  Q\ 

Maisonneuve'schen  Fälle  zu  kennen,  ebenfalls  eine  Oesophagotomia 
interna  aus.  Sein  23  Jahre  alter  Patient,  der  im  November  1853 
Schwefelsäure  statt  Wein  getrunken  hatte,  wurde  am  22.  Oktober  1864 
in  das  Hospital  aufgenommen.  Unmittelbar  nach  der  Verätzung 
seines  Schlundes  hatte  er  heftige  Schluckbeschwerden,  die  bald  nach- 
liessen,  aber  nach  2  Jahren  sich  von  Neuem  einstellten,  der  Zustand 
wurde  damals  durch  Einführung  von  Bougies  gebessert.  Anfangs 
setzte  er  zu  Hause  das  Bougiren  noch  fort,  vernachlässigte  es  dann 
aber  wieder  vollständig  und  die  Schluckbeschwerden  nahmen  auch 
im  Laufe  der  Jahre  immer  mehr  und  mehr  überhand. 

Bei  der  Untersuchung  fand  man  25  Gtm.  vom  Zahnbogen 
entfernt,  etwa  in  der  Höhe  der  Cartilago  cricoidea  die  Schlundsonde 
beim  Einführen  angehalten;  mit  einer  Sonde  von  1  Mm.  im  Durch- 
messer konnte  man  aber  durch  die  verengte  Stelle  kommen  und 
ihre  Länge  auf  2  Ctm.  bestimmen,  sie  lag  etwas  nach  links,  während 
rechts  der  Oesophagus  obliterirt  war.  Nach  der  Sondirung  war  der 
Kranke  unfähig  etwas  zu  schlucken  und  bekam  Fieber,  ein  am 
zweiten  Tag  darauf  vorgenommener  Sondirungsversuch  hatte  den- 
selben Effekt. 

Am  8.  November  1864  wurde  desshalb  die  Oesophagotomia 
interna  mit  einem  von  Lanelongue  angegebenen  Instrument  aus- 
geführt, es  wurde  damit  nach  vorn,  nach  hinten  und  nach  rechts  ge- 
schnitten; es  folgte  darauf  weder  Schmerz  noch  Blutung,  noch  später 
irgend  eine  Reaction.  Nach  8  Tagen  konnte  man  eine  Sonde  von 
15  Mm.  Durchmesser  einführen.  Nach  einem  Jahre  konnte  die 
Heilung  der  Strictur  noch  constatirt  werden. 

Beobachtung  V.  Maisonneuve  i)  nahm  in  sein  Hospital 
am  1.  Mai  1865  einen  57  Jahre  alten  Mann  wegen  einer  dicht  über 
der  Cardia  sitzenden  carcinomatösen  Strictur  auf,  die  so  eng  war, 
dass  alle  genossenen  Speisen  sofort  regurgitirten.  Mehrfach,  aber 
immer  vergebens,  wurden  Versuche  angestellt,  ein  Oesophagotom 


')  Lanelongue  1.  c.  p.  555.  Obgleich  in  diesem  Falle  der  innere  Schlund- 
schnitt gar  nicht  zur  Ausführung  kam,  nahm  ich  doch  denselben  in  meine  Zu- 
sammenstellung auf,  da  er  überall  als  die  4.  Oesophagotomia  interna  von  M  a  i- 
s  o  n  n  e  u  V  e  cilirt  wird. 

Czcrny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  6 


32  Dr-   Heinrich  Braun. 

einzuführen,  um  damit  die  Strictur  zu  incidiren.  Am  20.  Mai  wurde 
eine  mit  Mandrin  versehene  Schlundsonde  eingeführt  und  Bouillon 
durch  dieselbe  eingeschüttet;  unmittelbar  nachher  bekam  der  Kranke 
Angstgefühl,  heftige  Schmerzen  im  Rücken,  kalte  Schweisse,  kleinen 
Puls  und  starb  am  folgenden  Tage. 

Die  Section  ergab  Emphysem  und  Flüssigkeit  im  hinteren 
Mediastinum,  Perforation  des  Oesophagus  4 — 5  Ctm.  oberhalb  der 
Gardia. 

Beobachtung  VI  wurde  von  Dolbeau^)  in  der  Sitzung  der 
Academie  vom  16.  März  1870  mitgetheilt.  Bei  einem  jungen  Mädchen 
hatte  sich  die  Verengerung  ausgebildet,  nachdem  sie  sich  18  Monate  vor- 
her mit  Schwefelsäure  hatte  tödten  wollen.  Zuletzt  konnte  nur  Milch 
und  Bouillon  geschluckt  werden;  8  Tage  wurde  vergebens  versucht, 
durch  Katheterismus  die  Strictur  zu  erweitern;  Dolbeau  konnte  nur 
die  kleinste  Olive  der  Charriere' sehen  rosenkranzförmigen  Sonde  ein- 
führen und  auf  5 — 6  Mm.  erweitern.  Da  die  Sonde  immer  nur  mit 
Mühe  aus  der  verengerten  Stelle  herausgezogen  werden  konnte ,  so 
wurde  die  Incision  mit  einem  von  Robert  und  Gollin  nach  Dolbeau's 
Angaben  gefertigten  Oesophagotom  ausgeführt,  ohne  dass  dabei 
Schmerz  entstand  oder  ein  Tropfen  Blut  floss.  Die  Dilatation  konnte 
bald  auf  1  Ctm.  gebracht  werden. 

Beobachtung  VII.  Dolbeau  hatte  dann  im  Jahre  1869 
zum  2.  Male  Gelegenheit  im  Hospital  Beaujon  eine  Oesophagotomia 
interna  auszuführen  bei  einer  Patientin,  die  2  Jahre  vorher  Sch^vefel- 
säure  geschluckt  hatte.  Nachdem  hier  ebenfalls  die  Strictur  bis  auf 
5  oder  6  Mm.  erweitert  war,  gelang  es  nicht  mehr,  mit  der  Dilatation 
vorwärts  zu  kommen,  es  würde  die  Incision  auch  hier  ohne  Schmerz 
und  Blutung  gemacht.  Nachdem  die  Verengerung  bis  auf  1  Gtm. 
erweitert  war,  wurde  die  Kranke  mit  der  Weisung  entlassen,  sich 
täglich  noch  zu  sondiren. 

Beobachtung  VIII.     T  r  e  1  a  1 2)   theilte   diesen  Fall   in  der 


')  Dolbeau:  Gazette  des  höpitaux  1870.  p.  159. 

*)  Tr61at,  M. :  Sur  l'oesophagotomie  interne  dans  les  retrecissements 
cicatriciels  de  Toesophage  Bullet,  gener.  de  therapeut.  med.  et  chirurg.  1870, 
Tome  78  p.  252,   dann  Gazette    des   höpitaux    1870  |).  115  (in  beiden  Abband- 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs.  g3 

Sitzung  der  Academie  vom  8.  März  1870  mit,   es  handelte  sich  um 
einen  31  Jahre  alten  Mann,  der  Ende  Oktober  1869  aufgenommen 
wurde.    Er  hatte  am  26.  Mai  1867  ein  Glas  verdünnter  Salpetersäure 
(verre  d'eau  seconde)  getrunken,   worauf  sogleich  lästige  Schmerzen 
und  Erbrechen  von  schwarzer  Flüssigkeit   und  reinem  Blute  folgte. 
Feste    Speisen    konnten   wochenlang   nicht   geschluckt   werden.     Im 
Oktober  1867  kam  Patient  zu  Verneuil,  wurde  8  Monate  lang  mit 
Sonden  behandelt  und  verliess  dann  in  guter  Gesundheit  das  Kranken- 
haus.    Einige  Zeit  sondirte   er  sich   selbst   zu  Hause,   unterliess  es 
dann  aber  bald.     Im  Juli  1869  kam  er  wieder  nach  dem  Hospital. 
Man  fand  eine  Strictur  am  untern  Ende  des  Oesophagus  von  etwa 
8  Mm.  Durchmesser.    Anfangs  wurden  mit  der  Dilatation  Fortschritte 
gemacht,   später  aber  nicht  mehr,  so  dass  sich  Trelat  entschloss, 
die  innere  Oesophagotomie  auszuführen  mit  einem  Instrumente,   das 
nach   eigener   Angabe  von   Robert  und    Collin   gefertigt  war.     Am 
2.  Dezember  wurde  die  erste  Incision  gemacht,   der  nur  wenig  Blut 
und   Schmerzen    in    der  Höhe    des  Proc.    xiphoideus    folgten.     Am 
6.  Tage  konnte  eine  Olive  von  9  Mm.   und  am  7.   eine  solche  von 
10  Mm.    die    verengerte    Stelle    passiren;    von    da    ab    war    keine 
Besserung  mehr  zu  erreichen.    Am  16.  December  wurde  eine  zweite 
Incision   gemacht,   der  kein  unangenehmer  Zufall,   aber   auch  keine 
wesentliche  Besserung  folgte;  einmal  konnte  eine  Olive  von  11  Mm. 
Durchmesser  eingeführt  Averden,  dann  aber  nicht  mehr.    Am  31.  Dec. 
wurde  desshalb  eine  3.  Incision,  mit  2  Gtm.  weit  schneidendem  Instru- 
mente, leicht  und  ohne  Schmerzen  ausgeführt.     Bald  darauf  wurde 
aber   ein  Glas  Blut  ausgeworfen   und   am  nächsten  Tag  durch  Blut 
schwarz    gefärbter   Stuhlgang    entleert.     Etwas   Schmerz    hinterblieb 
in   der  Höhe  des  Processus  xiphoideus  beim  Passiren  von  Speisen, 
besonders  von  Wein.    Am  11.  Januar  trat,  während  der  Kranke  bei 
einer  Defäcation  sich  stark  anstrengte,   eine  neue  Blutung   ein,   die 
sich  am  folgenden  Tage  wiederholte  und  deren  Menge  auf  400  Grm. 
geschätzt  wurde.    Schmerzen  dauerten  fort.    Am  17.  Januar  erfolgte 
nochmals  eine,  allerdings  weniger  abundante  Blutung,  beim  Versuche 


lungen  auch  Zeichnung  und  Beschreibung  des  angewandten  Oesophagotoms)  und 
Bullet,  de  l'academie  imperiale  de  medicine.  1870.  Tome  35  p.  241. 


g4  Dr.   Heinrich  Braun. 

ZU  schlucken  heftige  HustenbewegungeU;  wodurch  die  Speisen  wieder 
ausgestossen  wurden;  Zeichen  von  Oesophagitis.  Bis  zum  15.  Februar 
werden  die  Sondirungen  ausgesetzt,  dann  wieder  zuerst  eine  Sonde  von 
11,  dann  von  12  Ctm.  eingeführt,  die  man  deuthch  über  eine  etwa 
3  Ctm.  lange  Rauhigkeit  hingleiten  fühlte.  Vom  28.  Februar  an 
regurgitirten  weder  Speisen  noch  Schleim.  Am  25.  März  wurde  con- 
statirt,  dass  noch  eine  Olive  von  13  Mm.  Durchmesser  passirte. 

Beobachtung  IX.  T  i  1 1  a  u  x  ^)  heilte  durch  die  innere 
Oesophagotomie  einen  48  Jahre  alten  Sattler,  der  am  15.  Okt.  1872 
im  Hospital  St.  Louis  aufgenommen  wurde.  Er  hatte  10  Jahre 
zuvor  statt  Branntwein  eine  ihm  nicht  näher  bekannte  kaustische 
Flüssigkeit  geschluckt.  Ausser  Brennen  hinter  dem  Sternum  folgte 
anfangs  keine  Reaction,  aber  allmählig  bildete  sich  seit  jener  Zeit 
eine  Dysphagie  aus,  die  manchmal  jedes  Schlingen  unmöglich  machte. 
Zuletzt  konnte  nur  noch  Flüssigkeit  geschluckt  werden,  so  dass 
Patient  schwach  wurde  und  bedeutend  abmagerte.  Die  Verengerung 
sass  am  Uebergang  des  Pharynx  in  den  Oesophagus  und  liess  nur 
die  kleinste  Olive  passiren.  Bis  zum  5.  November  wurden  die 
Dilatationsversuche  fortgesetzt,  dann  aber  als  erfolglos  aufgegeben 
und  an  diesem  Tage  der  innere  Schlundschnitt  mit  dem  Oesopha- 
gotom  von  Trelat  ausgeführt.  Derselbe  verursachte  kaum  etwas 
Schmerz  und  war  nur  von  einigen  Blutstreifchen  gefolgt.  Nach 
einigen  Tagen  konnten  feste  Speisen  genommen  werden.  Am 
3.  December  wurde  der  Kranke  geheilt  entlassen,  mit  dem  Auftrage, 
sich  manchmal  noch  einen  Katheter  einzuführen. 

Beobachtung  X.  Studsgaard's 2)  Beobachtung  bezieht  sich 
auf  ein  8 jähriges  Mädchen,  das  3  Jahre  früher  eine  Mischung  von 
Kalk  und  Pottasche  geschluckt  und  in  Folge  davon  mehrere  cica- 
tricielle  Stricturen  erlitten  hatte,  von  denen  die  tiefste  in  der  Nähe 
der  Cardia,  21  Ctm.  von  den  Schneidezähnen  entfernt  lag  und  eine 
Sonde  Nr.  10—11  der  Gharriere'schen  Scala  passiren  liess.      Am 


*)  Ti  1 1  a  u  X  :  Contribution  k  Thistoire  de  Toesophagotomie  interne.  Bullet. 
g6n6ral.  de  thf;rapeut.  nned.  et  Chirurgie.  1873.  Tome  84.  p.  14. 

*)  S  t  u  d  s  g  a  a  r  d  ,  C:  Oesophagotomie  int.  ved.  cicatriciel  Stricture.  Hosp. 
Tid.  16.  März  S.  17.S,  mir  bekannt  geworden  durch  Canstatt's  Jahresbericht  1873. 
IL  S.  487.  und  1875,  Vol.  II,  Ahth.  2,  S.  297. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs,  35 

16.  September  1873  wurde  die  Oesophagotomia  interna  mit  einem 
durch  Nyrop  jun.  construirten  anterograden  Oesopliagotom  ausge- 
führt; es  folgte  ihr  am  ersten  Tage  manchmal  Athembeschwerden, 
vielleicht  in  Folge  einer  Verletzung  von  Vaguszweigen.  Drei  Wochen 
nach  der  Incision  wurde  die  Kranke  entlassen.  Trotz  der  Einfüh- 
rung von  Bougies  nahm  später  die  Narbencontraction  wieder  über- 
hand, so  dass  am  5.  Juni  1874  mit  demselben  Instrumente  ohne 
irgend  welchen  schlimmen  Zwischenfall  die  Oesophagotomie  wieder- 
holt wurde ;  es  konnten  darauf  Bougies,  die  2  Mm.  mehr  im  Umfang 
hatten  als  Nr.  28,  eingeführt  werden. 

Schlitz^)  theilte  in  der  Sitzung  des  Vereins  der  Aerzte  des 
Regierungsbezirkes*  Köln  vom  12.  December  1876  zwei  Fälle  von 
Oesophagotomia  interna  mit,  die  er  vor  einigen  Jahren  ausgeführt 
hatte.  Es  wurde  dazu  ein  Instrument  benutzt,  welches  einem 
von  Schlitz  selbst  angegebenen  und  gearbeiteten  Urethrotom  nach- 
gebildet ist;  leider  ist  aber  letzteres  noch  nicht  veröffentlicht  wor- 
den, sondern  soll  erst  nach  Einführung  des  deutschen  Patentgesetzes 
mitgetheilt  werden. 

Die  Beobachtung  XI  betrifft  eine  carcinomatöse  Oesophagus- 
strictar  bei  einer  seit  Monaten  an  Schluckbeschwerden  leidenden  Frau, 
bei  der  durch  Schlitz,  da  die  Sondenbehandlung  nichts  nützte,  der 
innere  Schlundschnitt  zur  Ausführung  kam,  Schmerz  uud  Blutung  waren 
dabei  unbedeutend.  Die  Kranke  war  wieder  im  Stande  Fleisch  und 
Brod  zu  schlucken,  mit  einer  dicken  Sonde  konnte  man  bis  in  den 
Magen  gelangen.  Allmählig  verengerte  sich  die  Strictur  wieder,  so 
dass  nach  einigen  Wochen  die  Incision  wiederholt  werden  musste, 
sie  hatte  denselben  Erfolg  und  Verlauf.  Im  Ganzen  wurden  die 
Ineisionen  5  mal  wiederholt  ohne  Blutung  und  Schmerz,  aber  immer 
nur  mit  vorübergehendem  Erfolge.  Eine  schon  lange  bestehende 
Tuberculose  machte  dem  Leben,  das  bis  zuletzt  durch  die  Sonde 
erhhlten  wurde,  schliesslich  ein  Ende.    Section  wurde  keine  ausgeführt. 

Beobachtung  XII.     Der   zweite  Patient  von  Schlitz   hatte 


')  Schütz:    Gorrespondenzblatt    der    ärztlichen    Vereine    in   Rheinland, 
Westphalen  und  Lothringen  1877.  April  Nr.  19.  S.  19. 


36  Dr.    Heinrich  Braun. 

eine  Oesophagusstrictur  wahrscheinlich  in  Folge  eines  vernarbenden 
Geschwüres,  das  durch  Genuss  von  scharfem  Branntwein  hervor- 
gerufen war,  auch  hier  folgte,  als  die  Sondenbehandlung  keine 
Fortschritte  mehr  machte,  die  Oesophagotomie.  Nach  der  Operation, 
die  nicht  ganz  unbedeutenden  Schmerz  verursachte,  konnte  eine  dicke 
Sonde  etwas  mehr  wie  einen  Zoll  tiefer,  jedoch  nicht  in  den  Magen 
eingeführt  werden;  eine  dünne  Sonde  gelangte  hinein  und  constatirte 
eine  zweite,  tiefer  gelegene  Strictur.  Da  Patient  nach  der  Operation 
eine  5  Stunden  lang  andauernde  Nachblutung  hatte,  die  weder  durch 
.Eisenchlorid,  noch  durch  liegenbleibende  Sonden  gestillt  werden  konnte, 
verweigerte  er  die  Incision  der  zweiten  Strictur.  Acht  Tage  später 
trat  unter  zunehmender  Entkräftung  der  Tod  ein.  Bei  der  Section 
zeigte  sich  die  Incisionswunde  vernarbt,  dicht  darunter  eine  enge 
den  Gardiatheil  einnehmende  Strictur,  durch  die  ein  dünner  Bleistift 
massig  leicht  eingeführt  werden  konnte. 

Schlitz  bedauert  nicht  früher  die  beiden  Stricturen  erkannt 
und  in  einer  Sitzung  incidirt  zu  haben,  indem  seiner  Meinung  nach 
dieser  Fall  durch  die  Operation  wäre  geheilt  worden.  — 

Sehen  wir  von  der  wegen  carcinomatöser  Strictur  vorgenommenen, 
günstig  verlaufenen  Oesophagotomie  von  Schütz^)  ab,  so  bleiben 
11  Fälle,  von  denen  8  g  ehe  ilt  oder  gebessert  wurden  (M a i s o n- 
neuve,  Lanelongue,  Dolbeau2mal,  Trelat,  Tillaux, 
Studsgaard,  Schütz),  3  tödtlich  endeten  (Maisonneuve 
2  mal,  Gzerny).  Der  Tod  war  zweimal  (Maisonneuve)  durch 
eine  akute  Poritonitis,  die  aber  in  keine  direkte  Beziehung  zu  der 
im  Schlünde  vorgenommenen  Operation  gebracht  werden  konnte  ^),  und 
nur  einmal  (Gzerny)  durch  die  vorhergegangene  Operation  bedingt. 


')  Der  4.  Fall  von  Maisonneuve  (Beobachtung  V.)  ist  aus  der  Liste 
von  Fällen  der  Oesophagotomia  interna  auszuschliesseu ,  indem  dieselbe  nur 
versucht,    aber   nienmals  wirklich  ausgeführt  wurde.  . 

*)  Möglicher  Weise  war  die  Peritonitis  bei  diesen  zwei  in  ganz  ähnlicher 
Weise  letal  verlaufenen  Fällen  der  Effect  einer  durch  die  dünne  Leitsonde  des 
Oesophagotorns  veranlassten  Perforation  des  Magens,  die  nur  wegen  ihrer  Klein- 
heit bei  der  Section  nicht  aufgefunden  werden  konnte.  Aber  auch  in  diesem 
Falle  wäre  der  Tod  nicht  der  Oesophagotomia  interna  als  solcher,  sondern  nur 
dem  dabei  angewendeten  unzweckmässigen  Instrumente  zur  Last  zu  legen. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Sclilundrohrs.  87 

Bei  dem  2.  Falle  von  Schütz  trat  8  Tage  nach  der  Incision  der 
Tod  ein ,  er  ist  jedoch  auch  nicht  auf  die  Operation  zu  beziehen, 
sondern  abhängig  von  der  fortdauernd  mangelhaften  Ernährung  in 
Folge  einer  gleichzeitig  vorhandenen  tiefer  gelegenen  Strictur,  die 
nicht  mit  in  Behandlung  genommen  worden  war.  Die  durch  die  Oeso- 
phagotomie  gesetzte  Incisionswunde  fand  sich  bei  der  Section  geheilt. 
Bevor  man  jedoch ,  auf  die  nicht  ungünstigen  Erfolge  dieser 
Zusammenstellung  gestützt,  die  Oesophagotomia  interna  als  berechtigte 
Operationsmethode  empfiehlt,  müssen  doch  noch  verschiedene  Punkte 
eine  nähere  Prüfung  erfahren. 

Was  zunächst  die  Ausführung  der  Operation  anlangt,  so  würde 
zunächst  die  Frage  zu  entscheiden  sein,  welches  Instrument  angewendet 
werden  soll,  und  wie  tief  man  ohne  Gefahr  die  Incision  der  Strictur 
vornehmen  darf.  Leider  lässt  sich  bis  jetzt  aus  den  mit  den  verschie- 
denen Instrumenten  gemachten  geringen  Erfahrungen  noch  nicht  ab- 
leiten, welches  Instrument  die  meiste  Empfehlung  verdient,  welches  zu 
verwerfen  ist.  Im  Allgemeinen  werden  jedenfalls  am  wenigsten  Neben- 
verletzungen anrichten  diejenigen  Instrumente,  bei  denen  die  Schneide 
gedeckt  durch  die  Strictur  hindurch  geführt  und  dann  durch  einen 
besonderen  Mechanismus  auf  ein  genau  zu  bestimmendes  Maass 
hervorgedrückt  werden  kann.  Durch  Instrumente,  die  beim  Einführen 
von  oben  nach  unten  schneiden,  wird  leichter  eine  weitergehende  Ver- 
letzung möglich  sein;  ohne  Leitungssonde  dürfte  man  jedenfalls  nie 
solche  Oesophagotome  anwenden. 

Um  genau  angeben  zu  können,  wie  tief  ohne  Gefahr  geschnitten 
werden  darf,  muss  man  die  topographisch-anatomische  Lage  des 
Oesophagus,  besonders  in  der  Brusthöhle  berücksichtigen;  eine  ganz 
bestimmte  Antwort  wird  man  jedoch  auch  dadurch  nicht  erhalten, 
indem  die  Lagerungsverhältnisse  des  Schlundes,  die  Dicke  seiner 
Wandung  durch  die  vorausgegangenen  Verletzungen  mit  ätzenden 
Flüssigkeiten  öfters  andere  werden.  Schwierig  ist  es,  so  genau  die 
Lage  anzugeben,  wie  es  für  Ausführung  der  Operation  nothwendig 
wäre;  die  Lagebeziehungen  zu  den  verschiedenen  Avichtigen  Organen 
der  Brusthöhle  sind  zu  wechselnd.  Am  ehesten  wird  man  nach 
der   rechten   Seite   zu  tiefer   schneiden  dürfen.     Will  man  desshalb 


88  Dr.    Heinrich  Braun. 

sicher  sein  vor  bedeutenden  Nebenverletzungen ,  so  wird  man  nach 
keiner  Seite  hin  tiefe  Incisionen  machen  dürfen,  sondern  es  wird 
sicherer  und  ebenso  vortheilhaft  sein,  mehrere  kleine  Incisionen  nach 
verschiedenen  Seiten  hin  auszuführen.  Als  Nachbehandlung  wird 
dann  der  Incision  immer  eine  Bougirung  etwa  vom  2.  oder  3.  Tage 
an  folgen.  Vielleicht  dürfte  es  sich  empfehlen  den  Kranken  in  den 
ersten  Tagen,  bis  die  Schni'ttwunden  ein  wenig  übernarbt  sind,  mit 
der  Schlundsonde  zu  ernähren,  um  die  Nahrungsmittel  von  den 
Wundflächen  möglichst  abzuhalten;  auf  der  anderen  Seite  liegt  aber 
die  Gefahr  auch  wieder  nahe,  mit  der  Sonde  Verletzungen  des  Oeso- 
phagus zu  machen,  wenn  man  etwa  in  der  Wunde  mit  der  Spitze 
des  Instrumentes  sich  fängt.  Als  üble  Ereignisse  während  und  nach 
der  Operation  sind  zu  erwähnen  der  Schmerz,  die  Athem- 
beschwerden,  die  Blutungen  und  das  Emphysem. 

Der  Schmerz  war  in  allen  Fällen,  die  ohne  Narkose  operirt 
wurden,  höchst  unbedeutend,  so  dass  dieselbe  bei  Erwachsenen 
wohl  überflüssig  sein  dürfte. 

Die  Athembeschwerden  wurden  nur  einmal  von  Studs- 
gaard  beobachtet;  ob  sie  abhängig  waren  von  Verletzungen  der 
Verzweigungen  des  N.  vagus,  muss  als  zweifelhaft  dahingestellt 
bleiben. 

Mehr  Berücksichtigung  verdiefien  die  Blutungen.  Sie  können 
Folge  sein  einer  Verletzung  grösserer  benachbarter  Gefässstämme  oder 
der  in  dem  Oesophagus  selbst  verlaufenden  Arterien,  die  schon  zu  einer 
ganz  beträchtlichen  Blutung  Veranlassung  geben  können,  wie  wir  in 
unserem  Falle  von  Resectio  oesophagi ')  zu  sehen  Gelegenheit  hatten, 
in  den  meisten  Fällen  findet  man  keine  Blutung  bei  Ausführung  der 
Oesophagotomia  interna  erwähnt,  in  einzelnen  Fällen  blutete  es  ganz 
wenig.  Stärkere  Blutverluste  sind  nur  erwähnt  in  dem  einen  Falle 
von  Schütz,  wo  dieselbe  5  Stunden  anhielt,  dann  aber  stand 
und  nicht  mehr  wiederkehrte  und  bei  dem  geheilten  Patienten 
von  Trelat.  Zwei  Incisionen  waren  bei  diesem  Kranken  schon 
ohne  Blutungen  ausgeführt  worden,  erst  bei  dem  drittenmale  trat  sie 

')  Vgl.  S.  41». 


Beilräye  zur  C.hirui'y'  e  des  Scliluudrolirs.  g9 

oin,  als  mit  einer  Doppelklinge,  die  2  Ctm.  im  Durclimesser  hatte, 
gesclmitten  wurde.  Gleich  bei  der  Operation  wurde  etwa  ein  Glas 
voll  Blut  und  an  dem  folgenden  Tage  auch  blutiger  Stuhl  entleert; 
am  11.  Tage  trat  nochmals  eine  Blutung  ein,  ebenso  am  12.;  die 
damit  abgegangene  Blutmenge  wurde  auf  400  Gramm  geschätzt; 
weniger  abundant  wiederholte  sie  sich  nochmals  am  6.  Tage  danach. 
Sicherlich  war  in  diesem  Falle  weiter  geschnitten  als  unbedingt 
nöthig.  Man  sollte  glauben,  wenn  man  mit  Luschka  die  Weite 
des  Oesophagus  auf  10—12  Mm.  und  seine  überhaupt  mögliche 
Erweiterungsfähigkeit  auf  20—23  Mm.  annimmt,  dass  die  Ernährung 
des  Kranken  durch  ein  Lumen  des  Oesophagus  von  10—11  Mm. 
Durchmesser,  wie  es  vor  der  3.  Incision  vorhanden  war,  hätte  voll- 
kommen genügend  ausgeführt  werden  können. 

Das  Emphysem  wurde  nur  in  dem  hier  operirten  Falle 
beobachtet.  Bei  seinem  Auftreten  konnte  man  zweifelhaft  sein,  ob 
die  Luft  in  das  Zellgewebe  des  Halses  gekommen  sei  allein  in  Folge 
eines  die  ganze  Dicke  des  Oesophagus  durchdringenden  Schnittes, 
oder  einer  gleichzeitigen  Lungen  Verletzung. 

Emphysem  in  Folge  von  Oesophagusverletzung  allein  ist  mehrfach 
beobachtet;  so  wird  z.B.  ein  durch  die  Section  bewiesenerFall  mitgetheilt 
aus  Demarquay's  ^)  Klinik.  Es  handelte  sich  um  einen  5  Jahre  alten 
Knaben,  dem  ein  Sou  beim  Schlucken  im  Halse  stecken  geblieben  war. 
Versuche,  das  Geldstück  am  Tage  nach  dem  Unfall  auszuziehen, 
misslangen ,  aber  auch  von  einer  Oesophagotomie  wurde  wegen 
Unsicherheit  der  Diagnose  abgesehen.  4—5  Stunden  nach  diesen 
Extractionsversuchen  sah  man  eine  Schwellung  des  Halses,  für  die 
ein  Emphysem  als  Ursache  sich  nachweisen  Hess.  Bei  der  Section 
fand  sich  am  Uebergang  des  Pharynx  in  den  Oesophagus  die  hintere 
Wand  durchbohrt,  und  ein  grosser  Abscess,  der  in  die  Pleurahöhle 
durchgebrochen  war. 

Auch  bei  Perforationen  des  Oesophagus,  wie  sie  manchmal  durch 
heftiges  Erbrechen  herbeigeführt  werden,  kommt  Emphysem  als  ein 


^)  G  r  e  q  u  y  :  Observations  de  corps  etrangers  arretes  dans  loesophage ; 
Oesophagotomie;  opportunite  de  cette  Operation.  Gazette  hebdomadaire  de  med. 
et  de  Chirurgie  1861.  p.  700. 


90  Dr.  Heinrich  Braun. 

häufiges  Symptom  vor,  häufiger  als  bei  den  Perforationen  durch 
fremde  Körper.  Bei  dem  Erbrechen  mögen  die  heftigen  Würg- 
bewegungen wohl  das  Eintreiben  von  Luft  in  das  benachbarte  Zell- 
gewebe begünstigen  ;  auch  in  unserem  Falle  ist  wohl  derselbe  Mecha- 
nismus zu  beschuldigen,  da  einigemale  heftiges  Erbrechen  eintrat, 
nachdem  das  Kind  aus  seiner  Chloroformnarkose  erwacht  war. 
Fremde  in  der  Oesophaguswand  steckende  Körper  werden  leichter 
die  Perforationsöffmmg  decken  und  ein  Eindringen  von  Luft  ver- 
hindern können ;  letztere  wird  erst  dann  eindringen,  wenn  der  fremde 
Körper  ganz  in  das  lose  Zellgewebe  an  der  hinteren  Fläche  des 
Oesophagus  getreten  ist,  wie  es  in  dem  oben  angeführten  Falle 
von  Demarquay  wohl  in  Folge  der  Extractionsversuche  ge- 
schehen ist, 

Dass  aber  in  unserem  Falle  das  Emphysem  wohl  auch  nur 
durch  eine  einfache  Verletzung  des  Oesophagus  entstanden  sei, 
konnte  man  vermuthen  aus  dem  Ausbleiben  jeglicher  entzündhcher 
Erscheinungen  von  Seite  der  Pleurae  oder  der  Lungen  unmittelbar 
nach  der  Operation.  Weder  pleuritisches  Reiben,  noch  Dämpfung, 
noch  Bronchialathmen ,  noch  blutiges  Sputum  war  nachweisbar. 
Zur  Sicherheit  wurde  aber  diese  Vermuthung  erhoben  durch  Unter- 
suchung des  anatomischen  Präparates;  an  der  Stelle  der  deutlich 
noch  erkennbaren  Oesophagusverletzung  lag  die  vollkommen  gesunde 
und  unverletzte  Lunge  so  weit  vom  Schnitte  entfernt,  dass  sie  un- 
möglich durch  die  Schneide  des  Messers  konnte  lädirt  worden  sein. 
Die  Luft  drang  durch  den  nach  hinten  gelegenen  Schnitt  in  das 
hintere  Mediastinum,  von  da  in  die  Höhe  und  wahrscheinlich  um 
die  Art.  thyreoidea  inf.  nach  vorn  über  die  Clavicula  und  an  den 
Mm.  sternocleidomastoidei  in  die  Höhe ;  wahrscheinlich  folgend 
denselben  Spalträumen  des  Bindegewebes,  in  denen  sich  nach  den 
Untersuchungen  von  Henke  und  König  die  Abscesse  der  Hals- 
wirbelsäule von  oben  nach  unten  vertheilen. 

Wohl  nur  die  Verletzung  der  hinteren  Wand  des  Oesophagus 
wird  zu  einem  solchen  Emphysem  Veranlassung  bieten,  da  nach 
den  andern  Seiten  zu  der  Schlund  nur  durch  geringe  Bindegewebs- 
massen   mit   den  benachbarten  Theilen   in  Verbindung  gebracht  ist. 


Beiträge  zur  Chirurgie  des  Schlundrohrs,  9>[ 

Aus  diesen  mitgetheilten  Beobachtungen  und  Betrachtungen  er- 
gibt sich  wohl,  dass  die  Oesophagotomia  interna  trotz  möglicher 
Nebenverletzungen  in  der  Reihe  der  Behandlungsmethoden  der  Narben- 
stricturen  ihre  Berechtigung  hat  *).  Ihre  Ausführung  wird  indiclrt 
sein  besonders  bei  tiefgelegenen,  nur  einen  kleinen  Abschnitt  des 
Oesophagus  einnehmenden  Stricturen,  die  vom  Halse  aus  nicht  mehr 
erreichbar  sind.  Ausführen  wird  man  sie  mit  einem  von  unten 
nach  oben  schneidenden  Instrumente,  dessen  Klinge  in  einer  genau 
zu  bestimmenden  Weise  verschieden  gestellt  werden  kann,  indem 
man  damit  kleine  Incisionen  nach  verschiedenen  Seiten  hin  macht. 

Bei  tief  gelegenen  Narbenstricturen,  die  einen  grossen  Abschnitt 
des  Oesophagus  einnehmen,  bei  Stricturen,  bei  denen  die  Oesophago- 
tomia interna  zu  keinem  genügenden  Resultate  geführt  hat,  oder 
bei  denen  absolut  keine  Sonde,  auch  nicht  in  der  Narkose  mehr 
durch  den  Oesophagus  in  den  Magen  eingeführt  werden  kann,  wird 
die  Gastrotomie  am  Platze  sein. 


*)  Diese  Meinung  steht  allerdings,  wie  mir  wohl  hekannt  ist,  in  direktem 
Gegensatze  zu  den  in  unseren  Lehrbüchern  vertretenen  Ansichten.  Es  sagt,  um 
nur  ein  Beispiel  zu  erwähnen ,  A 1  b  e  r  t  in  dem  neusten  Lehrbuche  der  Chi- 
rurgie, 1877,  Bd.  L  S.  601  über  diese  Operation:  „Die  innere  Oesophagotomie 
ist  ein  Verfahren,  welches  auch  ein  der  Anatomie  vollkommen  Unkundiger  ver- 
werfen müsste.  Maisonneuve  hatte  unter  4  Fällen  drei  tödtliche  Aus- 
gänge ,  den  ersten  kann  ihm  die  Chirurgie  verzeihen,  die 
anderen  nur  Gott!"  Mit  einem  solchen  bon  mot  kann  man  doch  wohl 
nicht  die  Frage  über  die  Zulässigkeit  oder  Verwerflichkeit  einer  Operations- 
methode entscheiden.  Warum  werden  nur  diese  Fälle  von  Maisonneuve, 
von  denen  der  eine  überhaupt  keine  Oesophagotomia  interna  ist ,  allein  ange- 
führt und  der  übrigen  günstig  verlaufenen  Fälle  keine  Erwähnung  gethan? 


III. 
Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen. 

Von 
Dr.  F.  F.  Kaiser, 

Assistenzarzt  an  der  chirurgischen  Klinik  in  Heidelberg. 


Hiezu  Tafel  I. 


Als  Carl  Theodor  Merrem  in  seiner  Inauguraldissertation  ^) 
J  810  auf  einige  Thierexperimente  gestützt  den  Vorschlag  der  Exstir- 
pation  des  carcinomatös  entarteten  Pylorus  machte,  wurde  derselbe  als 
kühner  Jugendtraum  betrachtet,  und  als  Guriosum  noch  von  einigen 
Autoren  referirt,  von  der  Mehrzahl  aber  vollständig  ignorirt.  Die 
alte  hippokratische  Ansicht  von  der  absoluten  Tödtlichkeit  der  Magen- 
wunden ")  war  zwar  schon  längst  durch  zahlreiche  Beobachtungen 
widerlegt,  allein  die  Aerzte  jener  Zeit  waren  noch  zu  sehr  in  der 
Furcht  des  Peritoneum  aufgewachsen,  als  dass  der  kühne  Vorschlag 
Anklang  gefunden  hätte. 

Es  fehlten  noch  die  reichen  Erfahrungen  der  letzten  Jahrzehnte 
über  die  relative  Gefahrlosigkeit  der  Eröffnung  der  Bauchhöhle. 
Noch  waren  keine  Hunderte  von  glücklich  verlaufenen  Ovariotomieen 
bekannt.  An  die  Exstirpation  von  Uterus,  Milz  und  Nieren  wagten 
sich  die  Chirurgen  jener  Zeit  kaum  heran.  Der  Magen  war  noch 
wie  in  der  Fabel  des  Menenius  Agrippa  das  Centrum  der  Ver- 
dauung und  für  den  Chirurgen  ein  noli  me  tangere. 

Jetzt  kaum  ein  halbes  Jahrhundert  später  ist  es  ein  so  er- 
fahrener und  bedeutender  Chirurg  wie  Billroth,  der  mit  seinen 
Schülern  Merrem's  Vorschlag  neuerdings  aufnimmt,  nachdem  er 
selbst  zum  ersten  Mal  und  mit  dem  besten  Erfolge  zur  Heilung 
einer  allen  andern  Heilmethoden  hartnäckig  Trotz  bietenden  Magen- 


^)  Animadversiones  quaedam  chirurgicae  exjierimentis  in  animalibus  factis 
illustr.  Gissae  1810. 

^)  Aphorismata,  Sect.  VI.,  18. 


96  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

iistel  den  Magen  direkt  in  Angriff  genommen  und  durch  die  Gastror- 
rhaphie  geschlossen  hat.  Er  schliesst  seinen  Artikel  ^)  mit  den  Wor- 
ten: »Es  ist  von  dieser  Operation  zur  Resection  eines  Stückes 
carcinomatös  degenerirten  Magens  nur  noch  ein  kühner  Schritt  zu 
machen,  wie  ihn  jüngst  Czerny  von  der  Oesophagotomie  zur  Resec- 
tion eines  carcinomatös  degenerirten  Stückes  Oesophagus  mit  glück- 
lichstem Erfolge  gemacht  hat.« 

Die  Operationen  von  Labbe  und  Verneuil  haben  neuerdings 
ein  weit  über  die  chirurgischen  Fachkreise  hinausgehendes  Aufsehen 
erregt.  In  den  Kreisen  zeitunglesender  Laien  wird  noch  das  Schick- 
sal des  jungen  Florentiners,  der  im  Januar  1872  eine  Gabel  ver- 
schluckt haben  soll,  besprochen,  zum  Theil  die  Thatsache  bezweifelt 
und  über  dessen  weiteres  Schicksal  die  verschiedensten  Muthmassungen 
aufgestellt.  Eine  Reihe  von  Aerzten  verhält  sich  diesem  Falle  gegen- 
über ebenso  skeptisch,  als  hätte  die  Literatur  nicht  eine  Reihe  von 
solchen  Fällen  aufzuweisen.  Durch  diese  Facta  ist  die  Frage  von 
der  Zugänglichkeit  des  Magens  für  chirurgische  Eingriffe  wieder  in 
den  Vordergrund  gerückt  und  wird  vielfach  ventilirt.  Auf  dem 
letzten  deutschen  Ghirurgencongress  wurde  sie  besprochen.  Leider 
sind  dessen  Verhandlungen  noch  nicht  veröffentlicht  und  es  fehlen 
auch  in  allen  unsern  medicinischen  Blättern  Referate  darüber,  indem 
die  begonnenen  Berichte  wieder  abgebrochen  wurden ,  bevor  sie  an 
unser  Thema  gelangten. 

Gussenbauer  und  v.  Winiwarter  2)  haben  den  Weg  des 
Thierexperimentes  betreten  und  auf  dieses  gestützt  die  Resection 
des  carcinomatösen  Pylorus  beim  Menschen  befürwortet. 

Bei  dem  Studium  der  einschlägigen  Frage  fand  ich ,  dass  das 
zu  Grund  liegende  Material  nicht  genügend  bekannt  ist.  König 2) 
z.  ß.  erwähnt  als  bekannt  11  Fälle  von  Gastrotomie  zur  Anlegung 
von  künstlichen  Magenfisteln,  Verneuil  deren  15,  und  so  beschloss 


*)  Th.  Billroth,  Zur  Diskussion  über  einige  chirurgische  Zeit-  und  Tages- 
fragen. Ein  Beitrag  zu  den  Opei'ationen  am  Magen.  Gastrorrhaphie.  Wiener 
med.  Wochenschrift  Nr.  38.  1877. 

2)  Die  partielle  Magenresection,  Arch.  f.  klin.  Chir.    XIX.  Bd„  S,  347. 

')  K  ö  n  i  g ,  Lehrbuch  der  spec.  Chirurgie.     Berlin  1876.  Bd.  II,  S.  90. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  97 

ich  der  Mittheilung  von  eigenen  Experimenten  über  Magenresection 
eine  Zusammenstellung  der  bereits  am  Menschen  ausgefülirten  Er- 
öffnungen des  Magens  vorauszuschicken. 

Was  die  Bezeichnung  der  Operationen  am  Magen  betrifft ,  so 
werde  ich  alle  Fälle,  in  welchen  eine  bleibende  Magenfistel  zur  künst- 
lichen Ernährung  angelegt  wurde,  nach  Sedillot's  Vorschlag  als 
Gastrostom ieen  bezeichnen.  Die  Eröffnung  des  Magens  zur  Ent- 
fernung von  Fremdkörpern  werde  ich  als  Gastrotomie  und  die 
Exstirpation  von  Stücken  aus  dem  Magen  als  Gastrektomie  oder 
Magenresection  anführen.  Es  ist  sehr  zu  wünschen,  dass  die  Be- 
zeichnung Gastrotomie  für  die  Eröffnung  der  Bauchliöhle  zu  anderen 
Zwecken  aufgegeben  und  dafür  der  Name  Laparotomie  resp.  Laparo- 
enterotomie  etc.  angewendet  wird. 

Die  Literatur  über  die  Gastrostomieen ,  nur  aus  den  3  letzten 
Jahrzehnten  stammend,  lässt  sich  genau  verfolgen  und  verwerthen, 
während  die  grösstentheils  alten  Angaben  über  Gastrotomieen  meist 
sehr  lückenhaft  und  ungenau  sind.  Der  Vollständigkeit  halber  werde 
ich  sie  auch  anführen. 

Die  älteren  Fälle  von  Gastrotomie  sind  schon  öfters  zusammen- 
gestellt worden;  Günther i)  zählt  6  auf,  ebenso  viele  Sedillot^), 
Holmes^)  deren  7  und  Adelmann*)  9. 

Eine  Uebersicht  über  15  Gastrostomieen  findet  sich  bei  Jacobi^); 
bei  Holmes  finden    sich  9    und   bei  Günther  deren  5  aufgezählt. 

Es  folgen  nun  zunächst  die  Fälle  von  Gastrotomie,  die  ich 
auffinden  konnte: 


')  Günther,  Lelire  von  den  blutigen  Operationen,  Leipzig  und  Heidel- 
berg 1860,  IV.  Abth.  2.  Unterabth.  S.  26. 

2)  Sedillot.  Gontributions  ä  la  Chirurgie.    Paris  1868.    Tome  II.  p.456. 

')  Holmes,  A.,  System  of  surgery.     London  1870.    Vol.  II.,  p.  549. 

*)  Adelraann,  Beiträge  zur  chirurg.  Pathologie  und  Therapie  der  Er- 
nährungsorgane.    Prager  Vierteljahrschrift  1863.  Bd.  78,  S.  47. 

*)  The  New- York  Medical  Journal.    1874.   Vol.  XX,  p.  142. 


Cze^ny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie. 


93  Dr.  F.  F,  Kaiser. 


I.     Fl.  Mathis  1602. 

Günther,  Lehre  von  den  blutigen  Operationen,  Heidelberg  und  Leipzig  1860. 
IV.  Abth.,  2.  Unterabtheilung.  Die  Operationen  am  Bauche.  S.  26.  J.  N.  Rust, 
Handbuch  der  Chirurgie.     Berhn  und  Wien  1831.  Bd.  V.  S.  416. 

Der  Prager  Messerschlucker.  Ein  36jähriger  böhmischer  Bauer 
Mathäus  schluckte  beim  Vorzeigen  von  Taschenspielerkünsten  ein  Messer  von 
9';2  Zoll  Länge.  Nach  Anwendung  von  Pflaster  etc.  habe  nach  7  W^ochen  die 
Spitze  angefangen  durchzudringen.  Auf  seine  dringenden  Bitten  hat  Florian 
Mathis  aus  Brandenburg  am  Donnerstag  nach  Ostern  auf  dasselbe  eingeschnitten 
und  es  herausgeholt.    Nach  wenig  V\''ochen  war  der  Kranke  vollständig  hergestellt. 

II.     D.  Schwabe  1635. 

De  Cultivoro  Prussiaco  a  Daniele  Beckher o.  Regiomonti  1636.  J.  N.  Rust, 
a.  a.  0.  S.  416. 

Der  Königsberger  Messerschlucker.  Ein  22jähriger  Bauer 
Namens  Grunheide  Avollte  sich  am  29.  Mai  1635  mit  dem  in  den  Schlund  ein- 
geführten Messergriff  Erbrechen  erregen.  Da  entglitt  das  Messer  seinen  Fingern 
und  wurde  mit  Landsberger  Bier  gar  in  den  Magen  gespült.  Am  25.  Juni 
wurde  von  dem  Consilium  der  Königsberger  Facultät  und  anderer  Aerzte  die 
Ausführung  der  Gastrotomie  beschlossen  und  diese  am  9,  Juli  von  Daniel 
Schwabe^)  ausgeführt  in  Gegenwart  der  Königsberger  medicinischen  Fa- 
cultät und  der  Studirenden.  Nach  Anrufung  von  Gottes  Segen  und  Beistand 
wurde  der  Patient  auf  ein  Brett  gebunden  und  die  Einschnittslinie  mit  Kohle 
vorgezeichnet.  2  Querfinger  breit  links  von  der  linea  alba  wurde  unter  den 
falschen  Rippen  ein  Längsschnitt  durch  Haut,  Muskeln  und  Bauchfell  gemacht. 
Der  Magen  sank  etwas  ein  und  wich  vor  den  eingeführten  Fingern  zurück.  Er 
wurde  mit  einem  spitzen  Hacken  vorgezogen ;  das  Messer  wurde  sogleich  ent- 
deckt nach  oben  gezogen  und  über  demselben  der  Magen  etwas  eingeschnitten 
und  das  Messer  unter  dem  Beifall  der  Umstehenden  herausgezogen,  worauf  die 
Wunde  des  Magens  sofort  zusammensank.  Die  Bauch  wunde  wurde  gereinigt  vRiä 
mit  5  Nähten  geschlossen ;  in  die  Zwischenräume  wurde  warmer  Balsam  ge- 
träufelt und  Kataplasmen  auf  die  Wunde  gelegt. 

Am  10,  und  11.  wurden  je  2  Nähte  entfernt.  An  den  ersten  Tagen  war 
der  Urin  blutig;  der  erste  Stuhlgang  war  schwarz  gefärbt.  Bis  zum  14.  Tage 
nach  der  Operation  wurde  strfjnge  Diät  beobachtet.  Dann  war  der  Kranke  voll- 
ständig geheilt. 

Der  von  Poland^)  citirte  Fall  von  Shoval's  Onkel  scheint  mit  dem 
eben  angegebenen  Fall  identisch  zu  sein. 

Auch  Holmes  zählt  diesen  Fall  2  mal,  einmal  wird  er  unter  dem  Namen 
Shoval,  das  zweitemal  als  Fall  von  Schwaben  angeführt,  wenn  auch  mit 
einigen  Abweichungen. 


')  In  Froriep's  Notizen,  Erfurt  1825,  Bd.  IX,  S.  14,  wird  der  Operateur 
Shoval  genannt. 

*)  Guy's  Hospital  Reports.     III.  Series.  Vol.  IX.  p.  300. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  oa 

III.     Wisener  (?).     1692. 

J.  N.  Rust,  Handbuch    der   Chirurgie,    Bd.  V,  S.  417.     Ephemeridum   n  a- 
turae  curiosorum  Decur.  II.  Ann.  X.  p.  1  und  419.     Norimbergae  1692. 

Am  3.  Januar  1691  brachte  sich  ein  16jähriger  Bauernknabe,  Namens  Rud- 
luff  ein  Messer,  das  er  aus  einer  Bank  ausziehen  wollte  und  mit  den  Zähnen 
gefasst  hatte ,  beim  Spielen  in  den  Rachen.  Die  Gespielen  vermochten  es  nicht 
auszuziehen  und  beförderten  es  mit  Bier  und  Oel,  das  sie  dem  Patienten  gaben, 
ganz  in  den  Magen.  Da  die  Beschwerden  nicht  besonders  gross  waren,  sah 
Dr.  W  i  s  e  n  e  r,  kursächsischer  Physikus,  von  einer  Operation  ab.  Etwa  3  Finger- 
breit unter  der  Herzgrube  entstand  eine  Yorwölbung,  die,  als  sie  reif  geworden 
war,  am  11.  August  (aus  dem  Text  ist  nicht  mit  Bestimmtheit  ersichthch,  ob 
desselben  oder  des  folgenden  Jahres)  mit  einer  Lancette  eröffnet  wurde.  Mit 
dem  Eiter  kam  auch  die  Spitze  des  Messers  zum  Vorschein;  letztere  wurde  an- 
gebunden, die  Wunde  etwas  erweitert,  das  stark  verrostete  und  zerfressene 
Messer  ausgezogen.    Vollkommene  Heilung  stand  in  Aussicht. 

IV.  Hübner  1720. 
Günther,  a.  a.  0.,  S.  26. 

Eine  Frau  wollte  1720  dadurch  Brechen  erregen,  dass  sie  den  Stiel  eines 
7  Zoll  langen  Messers  in  den  Schlund  brachte.  Es  entschlüpfte  ihren  Fingern  und 
glitt  in  den  Magen,  wo  es  drei  Tage  blieb,  ohne  Schmerz  zu  verursachen.  Dann 
aber  empfand  die  Kranke  einen  stechenden  Schmerz  und  kurze  Zeit  darauf  konnte 
man  die  Messerspitze  in  der  hnken  Seite  fühlen.  Dr.  Hübner  machte  am  11. 
Tag  einen  Einschnitt  in  dem  linken  Hypochondrium  auf  das  Messer,  an  einer 
Stelle,  an  welcher  sich  leichte  Eiterung  zeigte,  da  die  Messerspitze  die  Magen- 
wandung bereits  durchstochen  hatte.  Es  wurde  mit  einer  kleinen  Zange  entfernt. 
Die  Kranke  genas  in  kurzer  Zeit. 

V.  Fritz  ak  1786. 

Larrey,  Medicin.-chirurg.  Denkwürdigkeiten.     Leipzig  1813.    Bd.  I.    S.  480. 

»Ich  erinnere  mich  jedoch,  dass  als  ich  noch  ein  Schüler  des  F  r  i  t  z  a  k, 
eines  der  geschicktesten  Wundärzte  in  Toulouse  war,  ich  ihn  bei  einem  Last- 
träger emen  Einschnitt  in's  Epigastrium,  mit  der  weissen  Linie  parallel,  machen 
sah,  wodurch  er  die  Spitze  der  Klinge  eines  Messers  fühlte,  das  bereits  die 
Wände  des  Magens  durchbohrt  hatte.  Er  fasste  sie  mit  einer  Pincette,  erweiterte 
die  Oeffnung  mit  einem  gekrümmten  Bistouri  und  erhielt  augenblicklich  dieses 
Messerstück,  das  ungefähr  2  Zoll  Länge  hatte.  Er  machte  nun  2  sogenannte 
verlorene  Hefte  in  die  Magenlefzen  und  eine  Zapfennaht  in  die  Unterleibswunde. 
Der  Kranke  genas.  Den  3.  Tag  war  die  Heilung,  wahrscheinlich  durch  Adhäsion 
an  das  Bauchfell  und  die  Vereinigung  bewirkt.« 

VL    Cayroche  1819. 

SediUot,  Contributions  ä  la  Chirurgie,  Paris  1868.    Vol.  II.  p.  457.     Rust's 
Magazin  Bd.  VHI.  S.  124. 

Eine  24jährige  Frau  suchte  den  18.  Sept.  1818  dadurch  Erbrechen  zu  er- 
regen,  dass  sie  den  Stiel  einer  silbernen  Gabel  in  den  Schlund  brachte,   wobei 


100  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

ihr  derselbe  entschlüpfte.  Man  konnte  die  Gabel  deutlich  im  Magen  fühlen. 
Der  Stiel  lag  in  der  rechten  Seite  des  Epigastrium  2  Querfinger  über  und  seitlich 
vom  Nabel ,  die  Spitzen  lagen  links.  Im  5.  Monat  erbrach  Patientin  nach  einer 
Indigestion,  wobei  die  Gabel  ihre  Lage  veränderte.    Von  da  an  heftige  Schmerzen. 

Am  Ende  des  6.  Monats  trat  noch  einmal  Erbrechen  ein  und  es  entstand 
in  wenigen  Tagen  eine  stark  vorspringende  hühnereigrosse  Geschwulst,  in  welcher 
die  Gabelzinken  zu  fühlen  waren.  Die  Haut  nicht  geröthet.  Am  1.  Mai  1819 
machte  Dr.  Gayroche  die  Operation.  2  Zoll  langer,  von  oben  nach  unten 
verlaufen'Jer  Schnitt  über  die  Convexität  der  Geschwulst  durch  die  Fasern  des 
linken  geraden  Bauchmuskels.  2  Gefässligaturen.  Nachdem  er  sich  vom  Bestehen 
von  Adhäsionen  des  Magens  mit  dem  Peritoneum  der  Bauchwand  überzeugt  hatte, 
wurde  die  Gabel  vorgedrängt  und  der  Magen  eröffnet.  Die  Zinken  der  Gabel 
wurden  durch  mehrere  kleine  Einschnitte  frei  gemacht  und  dann  die  7  Zoll  lange 
Gabel  leicht  extrahirt. 

Keine  Blutung.  Charpieverband.  Nach  der  Operation  ein  Aderlass,  der  am 
nächsten  Tage  wiederholt  wurde.    Etwas  Wundfieber,    Klystiere  von  Fleischbrühe. 

Am  Abend  des  3.  hörte  der  Ausfluss  aus  der  Wunde  auf.  Am  6.  nimmt 
Patientin  feste  Nahrung  zu  sich.    Den  20.  Mai  ist  die  Wunde  vollständig  vernarbt. 

►  VII.     Reynaud  vor  1822. 

F  r  0  r  i  e  p '  s  Notizen  1822.  Th.  II.  S.  223,     A  d  e  1  m  a  n  n  ,  Beiträge  zur  chirurg. 

Pathologie  und  Therapie  der  Ernährungsorgane.     Viertel]  ahrschrift  für 

die  praktische  Heilkunde.  Prag  1876.  Bd.  131,  S.  78. 
Ein, Taschenspieler  Lajarisse  verschluckte  eine  Gabel  während  seiner 
Produktionen.  Diese  gelangte  in  den  Magen,  wo  sie  31  Tage  verblieb.  Die 
Operation  wurde  von  Dr.  Reynaud  in  dem  Hospital  zu  Romans,  an  der  rechten 
Seite  des  Unterleibs,  wo  man  den  Fremdkörper  fühlte,  ausgeführt  und  hatte 
einen  glücklichen  Erfolg.     Der  Operirte  lebte  im  Jahre  1875  noch. 

VIII.  Dr.  L.  1823. 
Sedillot,  a.  a.  0.   S.  456. 

Ein  Cavallerist,  der  seit  einigen  Wochen  Magenschmerzen  hatte,  bekam 
im  Jahr  1823  eine  Geschwulst  im  Epigastrium,  welche  allmähhg  weicher  wurde. 

Dr.  L.  machte  eine  Explorativpunction  und  kam  dabei  auf  einen  harten, 
resonirenden  Körper.  Nach  Erweiterung  des  Schnittes,  um  einen  Finger  einzu- 
führen, fasste  der  Operateur  mit  einer  Pincette  den  Fremdkörper  und  zog  ihn 
ohne  Mühe  aus.  Es  war  ein  silberner  Kaffeelöffel,  welchen  der  Soldat  vor  einigen 
Wochen  gestohlen  und  bei  einer  unerwarteten  Visitation  auf  diese  Weise  ver- 
borgen hatte.  Die  Magenwand  überall  mit  der  Bauchwand  fest  verwachsen. 
Einfacher  Verband.     Rasche  und  vollständige  Heilung. 

IX.  Fedeli   1835. 

Medicinisch- chirurgische  Zeitung,  fortgesetzt  durch  Job.  Nep.  Erhart,  Edeln 
von  Ehrhartstein.  III.  Bd.  1836.  S.  142.  Merkwürdige  Krankengeschichte, 
mitgetheilt  von  Dr.  F.  Fedeli,  Gemeindephysikus  in  Riva  am  Gardasee. 

Eine  50jährige  Frau,  Domenica  Borselti  Chiacarini,  früher  hysterisch, 
wurde  nach  dem  Tode  ihres  Sohnes  wahnsinnig  und  machte  einen  Selbstmord- 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  101 

versuch,  indem  sie  eine  Handvoll  Glasscherben  und  2  Nägel  und  später  erst 
das  Heft  einer  Essgabel  und  dann  die  10  Ctm.  lange  Gabel  selbst  verschluckte. 
Heftige  Schmerzen  bis  zur  Entfernung  des  Fremdkörpers,  so  oft  sie  Speise 
und  Trank  zu  sich  nahm.  Vor  15  Monaten  entstand  im  rechten  Hypochon- 
drium  eine  Geschwulst,  die  mit  erweichenden  Umschlägen  behandelt  wurde; 
nach  2  Monaten  entleerte  sich  eine  grosse  Menge  Eiter  durch  den  Mund  und 
1  Monat  später  öffnete  sich  der  Abscess  auch  nach  aussen.  Die  Geschwulst 
schloss  sich  wieder  und  brach  noch  2mal  auf.  Das  letztemal  kam  das  in  das 
Heft  gehörige  spitze  Gabelende  in  der  Abscessöffnung  zum  Vorschein.  11  Monate 
blieb  der  Zustand  nahezu  unverändert ;  dann  entscbloss  sich  Patientin  nach  einer 
Vision  zur  Operation.  Auf  der  Hohlsonde  wurde  die  Fistel  erweitert  (1835)  und 
die  Gabel  mit  leichter  Mühe  ausgezogen.  Geringe  Blutung.  30  Stunden  lang  lloss 
die  Nahrung,  die  Patientin  zu  sich  nahm,  durch  die  Wunde  ab. 
Nach  14  Tagen  war  die  Wunde  vollständig  geheilt. 


X.     Tilanus  1848. 
Adelmann,  Prager  Vierteljahrschrift,  Bd.  131,  S.  80. 

Ein  geisteskrankes,  32jähriges  Mädchen,  das  schon  2  Selbstmordversuche 
gemacht  hatte,  schluckte  am  14.  Januar  1848  eine  silberne  Essgabel.  Mit  der 
Schlundsonde  fühlte  man  die  Gabel  im  Magen  der  Patientin.  Die  Manualunter- 
suchung der  Bauchdecken  ergab  am  äusseren  Rande  des  linksseitigen  geraden 
Bauchmuskels  eine  längliche  Härte  in  verticaler  Richtung.  Am  dritten  Tage 
wurde  das  Schlingen  sehr  schmerzhaft. 

Am  17.  Januar  wurde  in  der  Aethernarkose  von  Professor  Tilanus  die 
Gastrotomie  ausgeführt.  Bauchschnitt  in  der  linea  alba  3  Ctm.  unterhalb  des 
Schwertfortsatzes,  8  Ctm.  lang.  Der  linke  Leberlappen  im  oberen,  Därme  im 
unteren  Theil  der  Wunde.  Mit  Zeige-  und  Mittelfinger  wurde  der  Magen  unter 
dem  hnken  Wundrande  erkannt,  sanft  in  die  Bauch  wunde  vorgezogen,  mit  Pin- 
cetten  fixirt  und  schliesslich  die  vordere  Wand  angestochen  und  die  Oeffnung  mit 
der  Scheere  auf  21/2  Ctm.  erweitert.  Ziemlich  starke  Blutung  aus  der  vorquellenden 
Schleimhaut.  Die  21  Ctm.  lange  Gabel  wurde  links  von  der  Wirbelsäule  gefunden 
und  ausgezogen.  Darauf  wurde  noch  ein  2  Ctm.  langes  Thonstück  aus  dem  Fundus 
mit  der  Polypenzange  ausgezogen.  Die  Magenwunde  wurde  mit  5  Lembert'schen 
Darmnähten  geschlossen  und  die  Fäden  zum  unteren  Wundwinkel  herausgeleitet; 
die  Wunde  der  Bauchdecken  wurde  durch  einfache  Naht  geschlossen  und  mit 
Heftpflaster  bedeckt.  Am  17.  und  18.  bisweilen  Erbrechen  gelbgrüner  Flüssig- 
keit, Unterleib  etwas  schmerzhaft.  Am  19.  Morgens  7V2  Uhr  starb  Patientin. 
Die  30  Stunden  nach  dem  Tode  ausgeführte  S  e  c  t  i  0  n  ergab :  Plastisches  Ex- 
sudat in  der  Umgehung  der  Wunde,  Verlöthung  der  Bauchwand  mit  der  Leber. 
Die  Magenwunde  vollständig  von  dem  Fibrinbelag  bedeckt  und  geschlossen.  Der 
Magen  füllt  allein  fast  die  ganze  Unterleibshöhle  aus.  Die  Operationswunde  im 
oberen  Drittel  gleich  weit  von  der  grossen  und  kleinen  Gurvatur  entfernt.  Gulden- 
grosser  rother  Fleck  in  der  Schleimhaut  da,  wo  der  Griff  der  Gabel  gelegen 
hatte.  Die  Wundränder  der  Schleimhaut  runzelig  geschwellt.  Das  obere  Dritt- 
theil  des  Oesophagus  ist  bedeutend  verwundet  und  in  der  Nähe  des  Larynx  per- 
forirt;  Eitergang  bis  neben  die  Schilddrüse, 


j^02  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

XI.     Bell   1855. 
The  american  Journal  of  the  medical  sciences,  1855,  July,  p.  272. 

Dr.  Bell  von  Walpello,  Iowa,  wurde  an  Weihnaclit  1854  zu  einem  Mann 
gerufen,  der  eben  ein  Bleistück,  mit  dem  er  Gauklerkunststücke  machte,  ge- 
schluckt haben  sollte.    Der  Mann  hatte  keine  Beschwerden. 

Eine  genaue  Untersuchung  am  1.  Januar  1855  ergab  ein  negatives  Besultat. 
Am  nächsten  Tag  Erbrechen  und  Prostration.  Am  3.  Januar  Gastrotomie  in  der 
Chloroformnarkose.    Schnitt  von  der  Spitze  der  zweiten  falschen  Rippe  zum  Nabel. 

Die  eingeführte  Hand  fühlte  den,  den  Bleibarren  enthaltenden  Magen. 
Der  Barren  lag  von  rechts  nach  links.  Das  obere  Ende  rechts  von  der  Cardia 
an  die  Magenwand  gestützt,  das  untere  Ende  an  der  grossen  Curvatur  links  und 
unterhalb  vom  Pylorus.  Bell  fasste  das  untere  Ende,  zog  es  auf-  und  rück- 
wärts, schnitt  unter  Leitung  des  eingeführten  Zeigefingers  den  Magen  auf  dem- 
selben ein  parallel  seinen  Muskelzügen.  Das  10^8  Zoll  lange,  QVz  Unzen  schwere 
Bieistück  wurde  mit  einer  Zange  ausgezogen. 

Die  Operation  dauerte  20  Minuten  und  wurde  verzögert  durch  die  Repo- 
sition vorgefallener  Eingeweide.  Die  äussere  Wunde  wurde  mit  Knopfnähten  und 
Heftpflasterstreifen  geschlossen. 

Die  Nachbehandlung  bestand  in  Morphiuminjectionen ,  2  Venäsectionen 
und  einzelnen  Klystieren.  Am  8.  war  die  äussere  Wunde  geheilt  und  am  17. 
ging  Patient  weit  umher. 

XII.     Glück  1856. 
Günther  a.  a.  0.  S.  27. 

Ein  Katheter,   welcher  zu  Einspritzungen   in  die  Trachea  benutzt  werden 
sollte,  gerieth  durch  den  Oesophagus  in  den  Magen.     Gastrotomie.     Tod. 
Nähere  Angaben  fehlen.     Keine  Quelle  angegeben. 

XIII.     Labbe  1876. 
Gazette  medicale'de  Paris  1876,   29.  Avril,  p.  214. 

Am  30.  März  1874  verschluckte  ein  ISjähriger  Commis,  Namens  Lausseur, 
bei  der  Ausführung  von  Taschenspielerkunststücken  eine  Gabel.  Der  Versuch, 
dieselbe  noch  aus  dem  Pharynx  auszuziehen,  misslang.  In  den  ersten  sechs 
Monaten  hatte  der  Patient  wenig  Beschwerden.  Von  da  an  wechselte  sein  Be- 
finden häufig.  Eine  Untersuchung  gegen  Ende  von  1875  ergab,  dass  die  Spitzen 
der  Gabel  fest  in  der  Magenwand  sassen.  Vor  der  blutigen  Operation  wollte  man 
durch  Anwendung  von  Aetzmitteln  Adhäsionen  zwischen  Bauchwand  und  Magen 
herbeizuführen  suchen.  Trotz  vielfacher  Anwendung  von  Wiener  Aetzpaste  und 
Canquoin'scher  Paste  entstanden  keine  Adhäsionen.  Zuerst  ätzte  er  an  der  Stelle, 
wo  die  Gabelspitzen  bisweilen  gefühlt  werden  konnten.  Dann  liess  er  die  Stelle 
vernarben  und  wählte  eine  neue  Stelle  für  Aetzungen. 

Endlich  am  9.  April  1876  wurde  von  Dr.  Leon  Labbe  die  Gastrotomie 
gemacht.  Bauchschnitt  1  Ctm.  einwärts  von  den  linken  falschen  Rippen  und 
parallel  mit  denselben ,  4  Ctm.  lang ,  dessen  unteres  FJnde  die  Verbindungslinie 
der  Knorpel  der  9.  Rippen  erreichte.  Lage  für  Lage  wurde  durchtrennt;  zwischen 
Magen  und  Bauchwand  keine  Adhäsionen.    Der  Magen  wurde  mit  einer  Hacken- 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^Qg 

pincette  stark  vorgezogen  und  vor  der  Eröffnung  mit  8  starken  Nähten  an  die 
Bauchwunde  fixirt  und  dann  eröffnet.  Die  Gabel  wurde  unter  Führung  eines 
Fingers  mit  einer  Polypenzange  gefasst,  aus  den  umgebenden  fungösen  Wuche- 
rungen mobil  gemacht  und  ausgezogen. 

Es  wurde  auf  den  Bauch  ein  Collodiumpanzer  angelegt.  Vom  fünften  Tage 
an  erhielt  der  Patient  feste  Nahrung.  Am  24.  April  war  nur  noch  eine  kleine 
Magenflstel  übrig. 

Schliesslich  sind  noch  zwei  Fälle  anzuführen,  bei  denen  aber  alle  Details 
fehlen : 

XIV. 

Adelmann  citirt,  Prager  Vierteljahrschrifl,  Bd.  131,  S.  78,  als  Fall  VII. 
einen  Fall,  in  welchem  Bouchet  in  Lyon  einer  Frau  einen  silbernen  Löffel 
aus  dem  Magen  durch  Gastrotomie  entfernt  haben  soll. 

XV. 

Sedillot  berichtet  a.  a.  0.  S.  463,  dass  vor  beiläufig  12  Jahren  ein  junger 
Mediciner  sich  in  Montpellier  immatriculiren  Hess,  bei  dem  früher  eine  Gabel 
aus  dem  Magen  ausgeschnitten  worden  sein  soll;  zur  Bekräftigung  seiner  Er- 
zählung \vies  derselbe  die  Narbe  in  der  Magengegend  vor. 

Sedillot  verdankt  die  Nachricht  darüber  dem  Dr.  Bouisson. 

Die  beiden  letzten  Fälle  nehme  ich  nicht  mit  in  die  Tabelle  auf,  da  im 
ersten  Falle  nicht  einmal  das  Resultat  der  Operation  angegeben  ist  und  auch  im 
zweiten  Fall  die  Nachricht  nur  auf  Angaben  des  Patienten  beruhen. 


104 


Dr.  F.  F.  Kaiser. 


I.  Zusammenstellung  der  Gastrotomieen. 


6 

Operateur 

Patient 

Fremd- 
körper 

Ausge- 
schnitten 
nach 

Erfolg 

Be- 
merkungen. 

1 

1602 

Florian 
Mathis 
aus  Bran- 
denburg 

36  jähriger 
Mann 

9\'2" 

langes 
Messer 

7  Wochen 

Heilung 
nach 
wenig 

Wochen 

— 

2 

1635 

Daniel 
Schwabe 
V.  Königs- 
berg 

22jähriger 
Mann 

5y 

langes 
Messer 

41  Tagen 

Heilung  in 
14  Tagen 

Magen  nicht 
adhärent. 

3 

1692 

Wisener? 
von  Halle  . 

16  jähriger 
Knabe 

Messer  im 
Magen 

7  Monate? 

Heilung  in 
Aussicht 

Abscess  im 
Epigastrium. 

4 

1720 

Hübner  v. 
Rasten- 
burg 

Frau 

7"  langes 
Messer 

11  Tagen 

Heilung 
rasch 

Magenwand 

bereits  per- 

forirt. 

5 
6 

1786 

•p 

1819 

Fritzak 

in 
Toulouse 

Cayroche 
in  Mendes 

Last- 
träger 

24jähriö'e 
Frau 

2"  lange 
Messer- 
klinge 

Silberne 
Gabel 

229  Tagen 

Heilung 

nach 
5  Tagen 

Heilung  in 
20  Tagen 

Magenwand 
etwas  durch- 
bohrt, 
2  Magennähte. 
Magen 
adhärent. 

7 

vor 
1822 

Reynaud 

von 
Grenoble 

Junger 
Mann 

Gabel 

31  Tagen 

Heilung 

— 

8 

1823 

Dr.  L. 

Soldat 

Silberner 
Kaffee- 
löffel 

einigen 
Wochen 

Heilung 

Magen  fest- 
verwachsen. 

9 

1835 

Fedeli 
in  Riva 

50jährige 
Frau 

Gabel 

10  Ctm. 

lang 

ca.  2^2 
Jahren 

Heilung  in 
14  Tagen 

Abscess. 

10 

1848 

Tilanus 
von 

Amster- 
dam 

32jähriges 
Mädchen 

Silberne 
Essgabel 

3  Tagen 

Tod  nach 
2  Tagen 

Keine 
Adhäsionen; 
isolirte  Naht 
des  Magens. 

11 

1855 

Bell 

von 

Walpello 

Mann 

10  Vs" 
lang.  Blei- 
stück   von 
9'/2  Unzen 
Gewicht 

11  Tagen 

Heilung  in 
5  Tagen 

Magen  nicht 
adhärent. 

12 

1856 

Glück 

— 

Katheter 

— 

Tod 

13 

1876 

Leon 

Labbe 

in  Paris 

20jähriger 
Mann 

Gabel 

2  Jahren 

und 
10  Tagen 

Heilung 

Magen  nicht 
adhärent. 

Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  105 

Die  Zusammenstellung  ergiebt  13  Fälle,  in  welchen  die  Gastro- 
tomie  wegen  Fremdkörpern  ausgeführt  worden  ist. 

Je  5mal  gaben  verschluckte  Messer,  resp.  Gabeln  Anlass  zur 
Operation,  Imal  ein  Löflel,  Imal  ein  Bleistück  und  Imal  ein 
Katheter. 

Der  Zeitraum  vom  Verschlucken  derselben  bis  zur  Entfernung 
durch  die  Operation  wechselt  von  3  Tagen  bis  zu  2^2  Jahren. 

Das  Resultat  ist  in  11  Fällen  Heilung  und  nur  in  2  Fällen 
erfolgte  ein  ungünstiger  Ausgang.  In  dem  ersten  Fall  ist  der  Tod 
wohl  die  Folge  der  umschriebenen  Peritonitis.  Woran  der  Patient 
Glück's  starb,  lässt  sich  bei  dem  Mangel  aller  näheren  Angaben 
nicht  beurtheilen. 

Wie  aus  den  Krankengeschichten  hervorgeht,  haben  wir  es 
offenbar  mit  Fällen  von  sehr  verschiedener  Dignität  zu  thun,  denn 
wenn  die  Magenwand  an  der  Bauchwand  adhärent  ist,  oder  der 
Fremdkörper  dieselbe  schon  perforirt  und  zu  einem  Abscess  Veran- 
lassung gegeben  hat,  so  ist  einerseits  die  Operation  viel  leichter  aus- 
zuführen, andererseits  deren  Gefahren  viel  geringer,  besonders  der 
Austritt  von  Mageninhalt  in  die  Bauchhöhle  nicht  zu  befürchten. 

Je  länger  der  Fremdkörper  im  Magen  verweilt  und  je  voluminöser 
er  ist,  je  näher  er  sich  der  vorderen  Magenwand  anlegt,  also  auch 
je  deutlicher  er  zu  fühlen  ist,  um  so  wahrscheinlicher  erscheint  es, 
dass  sich  Adhäsionen  zwischen  Magen-  und  Bauchwand  gebildet 
haben.  So  war  es  auch  in  Fall  6,  wo  nach  229  Tagen  die  Gastro- 
tomie  gemacht  und  der  Magen  adhärent  gefunden  wurde.  Im  vier- 
ten Fall  war  bereits  nach  11  Tagen  die  Magenwand  vom  ver- 
schluckten Messer  perforirt  und  im  Fall  8  nach  einigen  Wochen 
sehr  solide  Verwachsungen  des  Magens  mit  den  Bauchdecken  ein- 
getreten. Andererseits  beweist  der  Fall  von  Labbe  (13),  dass 
auch  nach  2  Jahren  und  trotz  Anwendung  von  Aetzmitteln  auf  die 
Bauchdecken  die  Adhäsionen  fehlen  können. 

Es  sind  Fälle  genug  bekannt,  in  welchen  grosse  verschluckte 
Gegenstände  auf  dem  natürlichen  Wege  durch  den  Darmkanal  wieder 
aus  dem  Körper  herausbefördert,  oder  lange  Zeit  ohne  gefährliche 
Symptome  zu  erregen  im  Magen   ertragen  wurden.     iMan   darf  des- 


106  Dl".  F.  F.  Kaiser. 

halb  keineswegs  gleich,  nachdem  ein  ungewöhnlicher  Fremdkörper 
verschluckt  worden  ist,  an  die  Operation  gehen.  Erst  wenn  derselbe 
auf  dem  natürlichen  Wege  nicht  eliminirt  wird  und  wenn  durch 
denselben  erhebliche  Beschwerden  verursacht  werden,  ist  man  zum 
operativen  Eingriff  berechtigt.  Ebenso  wenn  in  der  Magengegend 
sich  eine  Vorwölbung  zu  bilden  beginnt  oder  gar  schon  Fluktuation 
zu  fühlen  ist.  In  den  letzteren  Fällen  sind  wohl  stets  Adhäsionen 
zwischen  Bauchwand  und  Magen  vorhanden  und  der  operative  Ein- 
griff einerseits  ungefährlich,  und  andererseits  doch  im  Stande,  den 
Eliminationsprozess  wesentlich  abzukürzen  und  den  Patienten  viel 
früher  von  seinen  Beschwerden  zu  befreien. 

In  den  Fällen,  wo  eine  Vorwölbung  der  Magengegend  oder  ein 
Abscess  der  Bauchdecken  vorhanden  ist,  wird  man  über  den  Ort 
der  Operationsstelle  nicht  im  Zweifel  sein.  Man  wird  sich  nur  hüten 
müssen,  den  Einschnitt  weiter  zu  machen,  als  absolut  nothwendig 
ist,  um  dem  Fremdkörper  Ausgang  zu  verschaffen,  um  nicht  über 
den  Bereich  der  vorhandenen  Adhäsionen  hinauszukommen. 

Fühlt  man  den  Fremdkörper  durch  die  Bauchdecken  und  kann 
man  ihn  sich  entgegendrücken,  so  ist  der  Ort  für  den  Einschnitt 
ebenfalls  gegeben. 

Günther  kritisirt  eine  Reihe  der  von  verschiedenen  Autoren 
gemachten  Vorschläge  zur  Ausführung  der  Gastrotomie  und  räth 
seinerseits  den  Magen  folgendermassen  aufzusuchen:  Man  macht 
einen  Schnitt  in  der  linea  alba,  welcher  vom  processus  xiphoideus 
anfängt  und  1^2  Zoll,  unter  Umständen  weiter  herabgeführt  wird 
und  dann  einen  zweiten  nach  links,  welcher  parallel  der  unteren 
Rippe  läuft  durch  den  musculus  rectus.  Ferner  räth  er  den  Magen 
nach  Entfernung  des  fremden  Körpers  durch  mehrere  aneinander- 
liegende Nähte  an  die  Bauchwand  zu  befestigen  und  er  zieht  dieses 
Verfahren  der  isolirten  Naht  der  Magen-  und  Bauchwunde  vor. 

Labbe's  Argimientation  ist  folgende:  Der  Magen  ist  für 
chirurgische  Eingriffe  an  seiner  Vorderwand  zugänglich  in  einem 
Dreiecke  mit  nach  unten  gerichteter  Basis,  dessen  Seiten  gebildet 
werden  durch  den  Rand  des  linken  Leberlappens  und  durch  den 
linken    Rippenbogen.     Die   Basis   entspricht    der    grossen   Gurvatur. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^QY 

Nach  zahlreichen  Untersuchungen  am  Cadaver  steht  die  grosse 
Curvatur  nie  höher  als  die  Verbindungslinie  der  Basis  der  Knorpel 
der  beiden  neunten  Rippen.  Man  mache  also  1  Gtm.  einwärts 
von  den  linken  falschen  Rippen  und  mit  denselben  parallel  einen 
Einschnitt  von  4  Ctm.  Länge,  dessen  unteres  Ende  die  Verbindungs- 
linie der  Knorpel  der  neunten  Rippen  erreicht.  Dabei  werden  die 
Fasern  des  musculus  rectus  abdominis  geschont.  So  trifft  man  auf 
die  Vorderfläche  des  Magens  an  dem  Uebergang  von  Pylorus-  und 
Fundustheil. 

Der  Schnitt  in  der  weissen  Linie,  wie  er  von  Tilanus  (Fall  10) 
geführt  wurde,  erwies  sich  nicht  als  besonders  günstig.  Im  oberen 
Theil  der  Wunde  erschien  die  Leber,  im  unteren  Darm  und  der 
Magen  musste  erst  unter  dem  linken  Wundrande  aus  der  Tiefe 
herausgezogen  werden  trotz  oder  vielleicht  wegen  seiner  ungewöhn- 
lichen Grösse. 

Hat  man  vollständig  die  freie  Wahl  der  Incisionsstelle ,  so  ist 
nach  den  unten  bei  der  Gastrostomie  zu  gebenden  Regeln  vorzugehen, 
weshalb  ich,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  auf  den  nächsten 
Abschnitt  verweise. 

Ist  der  Magen  glücklich  blosgelegt  und  nicht  adhärent,  so  muss 
er  durch  einige  durchgeführte  Fadenschlingen  fixirt,  vorgezogen  und 
erst  dann  eröffnet  werden.  Nach  der  Entfernung  des  Fremdkörpers 
wurde  in  den  citirten  Fällen  verschieden  vorgegangen. 

Schwabe  (2)  hat  offenbar  die  Magen  wunde  nicht  genäht, 
denn  sonst  hätte  Beckher us  in  seinem  sorgfältigen  Bericht  darüber 
nicht  versäumt  es  zu  erwähnen  und  einige  Positiones  über  die 
Zweckmässigkeit  dieses  Verfahrens  hinzuzufügen.  Auch  bin  ich  ge- 
neigt in  diesem  Falle  entgegen  Günther  den  Passus:  licet  ventriculus 
alicjuo  modo  subsideret,  digitorumque  apices  fugiendo  non  ita  statim 
apprehensionem  admitteret  etc.  als  Beweis  für  das  Fehlen  von  Ad- 
häsionen zwischen  Magen-  und  Bauchwand  aufzufassen. 

Larrey  berichtet,  dass  in  Fall  5  zwei  verlorene  Hefte  in  die 
Magenwand  gelegt  wurden. 

Tilanus  schloss  die  Magenwunde  mit  Lembert 'sehen 
Darmnähten  und  leitete  die  Fäden  zum  unteren  Wundwinkel  heraus. 


108  Dr-  F.  F.  Kaiser. 

Bell,  der  den  Magen  unter  Leitung  des  Zeigefingers,  wie  es 
scheint,  ohne  denselben  zu  Gesicht  bekommen  zu  haben,  eröffnete, 
überliess  die  Magenwunde  mit  gutem  Erfolg  ihrem  Schicksal. 

Labbe  endlich  fixirte  den  Magen  vor  der  Eröffnung  mit 
8  Näliten  an  die  Bauchwand.  Nach  3  Wochen  bestand  noch  eine 
Magenfistel. 

In  den  Fällen,  wo  die  Magen  wand  bereits  verlöthet  war,  heilten, 
wie  es  scheint  die  entstandenen  Magenfisteln  sämmtlich  spontan. 
Um  aber  der  eventuellen  Bildung  einer  bleibenden  Magenfistel  aus- 
zuweichen und  den  Status  quo  ante  möglichst  herbeizuführen 
empfiehlt  es  sich  sicher,  den  Magen  direct  durch  Nähte  zu  schliessen 
und  dieselben  kurz  abgeschnitten  in  die  Tiefe  zu  versenken.  Am 
besten  eignet  sich  hiezu  die  modificirte  Lembert'sche  Daimnaht, 
die  wir  bei  unseren  Thierexperimenten  nach  Gussenbauer's 
Angabe  stets  verwendeten  oder  eine  zweireihige  Etagennaht. 

Die  Nachbehandlung  muss  selbstverständlich  eine  sehr  sorg- 
fältige sein.  In  den  ersten  Tagen  nur  Eispillen  und  Wasser  und  in 
jedem  Fall  erst  nach  14  Tagen  wieder  gewöhnliche  Kost,  wie  es  auch 
Billroth  bei  seiner  Patientin  nach  der  Gastrorrhaphie  mit  gutem 
Erfolg  ausgeführt  hat. 


Ich  wende  mich  nun  zu  den  Fällen  von  Gastrostomie  und 
lasse  zunächst  die  einzelnen  Krankengeschichten  in  chronologischer 
Anordnung  folgen: 

I.     Sedillot   1849. 
Gazette  medicale  de  Strasbourg,    1849.  Nr.  11,  p.  366. 
Sedillot,  Conlributions  k  la  Chirurgie.    Paris  1868.    Vol.  II.  p.  484. 

Jean-Pierre  Monthavon,  52jähriger  Metzger,  wurde  im  Jahre  1849 
auf  der  Strasshurger  Khnik  aufgenommen.  Früher  ganz  gesund;  vor  einem  Jahre 
empfand  er  zum  ersten  Mal  Schlingbeschwerden,  wenn  er  die  Speisen  nicht  voll- 
ständig zerkaute,  seil  3  Monaten  ernährte  er  sich  nur  noch  mit  Flüssigkeiten  und 
seit  5  Wochen  war  er  nur  noch  von  Zeit  zu  Zeit  im  Stande  einige  Löffel  voll 
dünnen  Getränkes   zu   schlucken,   welches  er  häufig  wieder  ausbrach.    Grosse 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  J09 

Abmagerung;  sein  Körpergewicht  hatte  in  Jahresfrist  um  54  Kilo  abgenommen. 
Die  Strictur,  33  Ctm.  hinter  den  Schneidezähnen,  war  für  die  feinsten  Sonden 
undurchgängig. 

Am  13.  Nov.  1849  wurde  von  Sedillot  die  Gastrostomie  ausgeführt. 
Operation  in  der  Chloroformnarkose.  4  Ctm.  langer  Kreuzschnitt  über  dem 
musc.  rectus,  6  Ctm.  nach  unten  und  links  vom  Schwertfortsatz.  Der  Muskel 
selbst  wurde  durchschnitten.  Nach  Eröffnung  des  Bauchfells  kam  in  der  Tiefe 
das  ausgebreitete  grosse  Netz  zum  Vorschein.  Dasselbe  wurde  vorgezogen  und 
der  Quergrimmdarm  zur  Wunde  herausgezogen ,  aber  wegen  grosser  Spannung 
wieder  zurückgebracht.  Mit  Hülfe  des  Netzes  wurde  die  grosse  Curvatur  des 
Magens  in  die  Wunde  gezogen.  Nach  Reposition  des  Netzes  machte  er  eine 
Function  in  die  Magenwand  am  Uebergang  des  Pylorustheiles  in  den  Fundus 
und  führte  eine  Doppelcanüle  ein,  durch  welche  der  Magen  an  die  Bauchwunde 
angedrückt  erhalten  werden  sollte.  Magen  und  Canüle  wurden  sofort  stark  zu- 
rückgezogen. Lauwarme  Umschläge  auf  den  Leib.  Zuckerwasser  und  Hühner- 
suppe wurden  mehrmals  durch  ein  Gummirohr  in  den  Magen  eingespritzt.  Wenn 
man  den  Stöpsel  der  Canüle  wegnahm ,  floss  grünliche  Galle  aus ;  etwas  floss 
auch  neben  der  Canüle  ab.  Keine  peritonitischen  Erscheinungen.  Der  Tod  er- 
folgte 21  Stunden  nach  der  Operation. 

Die  S  e  c  t  i  0  n  ergab :  Links  unterhalb  des  Magens  im  grossen  Netz  ein 
Einriss  von  5  Ctm.  Länge;  Netz  etwas  geröthet,  einzelne  kleine  Ecchymosen, 
da  und  dort  an  die  Magenwand  angelötbet ;  etwas  blutiges  Serum  im  Unken 
Hypochondrium.  Die  Bauchfellwunde  hat  2,5  Ctm.  Durchmesser,  ist  von  einem 
leicht  ecchymotischen  Ring  umgeben.  Magenwunde  ziemlich  in  der  Mitte  der 
vorderen  Wand,  etwas  näher  der  grossen  Curvatur.  Die  Canüle  passirt  1,2  bis 
1,5  Ctm.  weit  frei  die  Bauchhöhle ,  nur  links  ein  wenig  vom  Netz  bedeckt.  Die 
Magenwand  zeigt  in  der  Nähe  der  Wunde  ebenfalls  Ecchymosen.  Epithehom 
des  Oesophagus  am  Ursprung  der  6.  Rippe ;  Tumor  3,5  Ctm.  hoch ,  2,8  breit 
umgiebt  den  linken  nerv,  vagus.  Die  Wände  des  Oesophagus  nicht  wesentlich 
verändert. 

Sedillot  beschliesst  1)  in  andei'en  Fällen  den  Magen  an  die  Bauch- 
wand zu  fixiren  und  2)  in  den  ersten  Tagen  keine  Nahrung  in  den  Magen 
einzuführen. 

IL     Sedillot   1853. 

Gazette  medicale  de  Strasbourg,    1853.    Nr.  3.    p.  65. 
Sedillot   a.  a.  0.    S.  494. 

Benoit  Petit,  58iäbriger  Fuhrmann,  litt  seit  9  Monaten  an  Schling- 
beschwerden; seit  272  Monaten  konnte  er  nur  noch  flüssige  Nahrung  zu  sich 
nehmen.  Aus  Furcht  zu  verhungern  Hess  sich  der  sehr  schwache  Kranke  am 
21.  Januar  1853  ^)  in  das  Spital  aufnehmen.  Die  unter  dem  Larynx  befindliche 
Strictur  des  Oesophagus  war  für  keine  Sonde  durchgängig. 

Am  20.  Januar  1853  wurde  von  Sedillot  die  Gastrostomie  in  folgender 
Weise  ausgeführt :  Kreuzschnitt  mit  kürzerem  horizontalem  Schenkel,  2  Querfinger 


')  Das  Datum  der  Aufnahme  ist   offenbar  im  Original  falsch  angegeben, 
man  vergleiche  das  Datum  der  Operation. 


110  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

links  von  der  linea  alba,  2  Gtm.  unter  dem  Rand  der  linken  falschen  Rippen. 
Geringe  Blutung.  Nach  Eröffnung  des  Bauchfells  wurde  der  Magen  unter  Füh- 
rung des  Zeigefingers  mit  einer  gefensterten  Zange  gefasst  und  vorgezogen  und 
sofort  mit  5  oder  6  Nähten,  welche  nur  die  Serosa  und  Muscularis  des  Magens 
lassten,  an  die  Bauchhaut  befestigt.  Die  Eröffnung  des  Magens  wurde  bis  zur 
Bildung  von  Adhäsionen  mit  der  Bauchwand  verschoben.  Warme  Umschläge 
auf  die  Wunde. 

Nach  einer  Stunde  zog  sich  nach  einem  heftigen  Hustenanfall  das  vor- 
gelagerte Magenstück  wieder  in  die  Bauchhöhle  zurück,  hi  nochmaliger  Narkose 
gelang  es,  da  nicht  alle  Nähte  ausgerissen  waren,  leicht  den  Magen  wieder  vor- 
zuziehen. Die  Nähte  wurden  ausgezogen  und  ein  kleines  Stück  des  Magens  wurde 
mit  einer  Assalini'schen  Pincette  gefasst,  um  es  langsam  zur  Gangrän  zu  bringen, 
■während  sich  Adhäsionen  in  der  Umgebung  ausbilden  würden. 

Am  23.  wurde  die  Pincette  entfernt  und  eine  Ligatur  um  das  vorliegende 
Magenstück  gelegt;  es  waren  bereits  Adhäsionen  vorhanden. 

Am  25.  wurde  die  gangränöse  Partie  der  vorderen  Magenwand  mit  einigen 
Scheerenschnitten  entfernt.  Die  Ränder  im  ganzen  Umfang  adhärent.  Von  da 
an  sofort  Ernährung  durch  die  Fistel.  Patient  litt  an  Durchfall  und  Husten.  Die 
eingeführte  silberne  Canüle  wurde  bald  wieder  entfernt. 

Am  26.  und  27.  kam  etwas  Blut  aus  der  Wunde.  Fieber.  Um  den  Aus- 
fluss  von  Mageninhalt  zu  verhüten,  wurde  nach  dem  Einspritzen  von  Nahrung 
die  Fistel  zeitweilig  mit  den  Fingern  zugehalten,  nachdem  verschiedene  Pelotten 
und  Tampons  sich  nicht  bewährt  hatten. 

Am  30.  Januar,  10  Tage  nach  der  Operation,  starb  der  Patient. 

Die  Autopsie  ergab :  Allgemeine,  eitrige  Bauchfellentzündung,  Die 
Magenwunde  liegt  in  der  Mitte  zwischen  Pylorus  und  Fundus  und  gleichweit  von 
beiden  Gurvaturen  entfernt.  Es  finden  sich  dünne  Adhäsionen  im  ganzen  Um- 
kreis der  Magenwunde  mit  Ausnahme  einer  kleinen  Stelle  links  oben ,  wo  sie 
ganz  fehlen.  In  der  Speiseröhre  finden  sich  zwei  enge  ulceröse  krebsige  Stric- 
turen;  die  obere  ist  11  Gtm.  unterhalb  der  Giessbeckenknorpel. 

Sedillot  glaubt  die  Peritonitis  der  Infection  durch  die  damals  in  seiner 
Abiheilung  herrschende  Nosocomialgangrän  zuschreiben  zu  müssen. 

III.     F  eng  er  1853. 

E.  Fenger,  Ueber  Anlegung  einer  künstlichen  Magenöffnung  am  Menschen 
durch  Gastrotomie.  Virchow's  Archiv,  VI.  Bd.  1854.  S.  350. 
Mathias  Mort,  55  Jahre  alt,  wurde  am  10.  Jan.  1853  in  das  Friedrichs- 
Hospital  in  Kopenhagen  aufgenommen.  Er  litt  vor  mehreren  Jahren  wiederholt 
an  blutigem  Erbrechen.  14  Tage  vor  der  Aufnahme  Schmerz  beim  Schlucken 
oberhalb  der  Herzgrube.  Seit  5  Tagen  konnte  er  nur  noch  Flüssigkeiten  schlucken. 
Die  Sonde  kam  13  Zoll  hinter  den  Schneidezähnen  auf  ehien  harten  Wider- 
sland, der  nicht  zu  passiren  war.  Die  Schlingbeschwerden  nahmen  zu.  Patient 
magerte  sichtlich  ab.  Der  Versuch  die  Strictur  zu  dilatiren  scheiterte.  Nach 
sorgfältigen  Vorstudien  an  der  Leiche  wurde  am  23.  März  von  E.  Fenger  die 
Gastrostomie  ausgeführt.  Schnitt  von  der  Spitze  des  Brustbeins  schräg  nach 
unten,  aussen  und  links  bis  an  den  äusseren  Rand  des  musc.  rect.  abdominis. 
Stillung  der  Blutung.  Der  linke  Leberlappen  wurde  durch  das  Bauchfell  durch- 
gesehen  und   dieses   längs   der  Rippenknorpel   eröffnet  und  mittelst   Zeige-  und 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^H 

Mittelfinger  die  vordere  Magenwand  in  die  Wunde  gezogen.  Durch  die  Falte 
wurden  2  Seidentäden  durchgezogen.  Der  innere  Theil  der  Bauchwunde  wurde 
mit  umschlungenen  Nähten  geschlossen,  dann  der  Magen  mit  dem  Bistouri 
eröffnet,  die  Fäden  in  der  Mitte  durchschnitten  und  geknotet.  Mit  weiteren 
8  Nähten  wurde  die  Schleimhaut  an  den  Rand  der  Hautwunde  festgeheftet. 

Nach  dem  Erwachen  des  Patienten  aus  der  Narkose  wurde  durch  einen 
Glastrichter  V2  Tasse  Haferschleim  in  den  Magen  gebracht,  was  öfters  wieder- 
holt wurde ;  dabei  floss  meist  etwas  klare,  sauere  Flüssigkeit  ab,  bisweilen  auch 
ein  Theil  der  eingeführten  Nahrung. 

Den  25.  etwas  Schmerz  in  der  Umgebung  der  Wunde.  Unterleib  weich, 
eingesunken ;  ziemlich  starker  Ausfluss  aus  der  Fistel.  Der  Tod  erfolgte  58  Stun- 
den nach  der  Operation. 

Sectionsbefund:  Die  Oeffnung  im  Magen  2^2  Zoll  nach  rechts  von 
der  Cardiaöffnung  und  nahe  der  grossen  Curvatur.  Die  Magenwunde  lag  der 
Bauchwunde  genau  an.  Von  der  Gardia  aufwärts  2  Zoll  langes,  nicht  exulcerirtes 
Carcinom,  das  Lumen  der  Speiseröhre  fast  ganz  verschliessend.  In  der  Umgebung 
der  Milz  eine  spärliche  Menge  dickflüssiger,  pflaumensaftfarbiger  Flüssigkeit. 
Zwerchfellflberzug  links  stark  ecchymosirt.    Keine  Krebsmetastasen. 

Der  Tod  erfolgte  durch  partielle  Peritonitis  bei  dem  sehr  herabgekommenen 
Individuum. 

IV.     Gooper-Forster   1858. 

S.  O.  Habers  hon,    Gase   of  epithelial  cancer  of  Oesophagus.     Guy's  Hospilal 

Reports.    III.  Series.    Vol.  IV.    1858,    p.  1. 
Gooper-Forster,  Description  of  the  Operation  of  Gastrotomy.    Ebendaselbst 

S.  13. 

Bei  einem  47jährigen  Mann,  der  im  October  1857  Schlingbeschwerden 
bekam,  wurde  hn  folgenden  Februar  ein  Tumor  im  Anfangstheil  des  Oesophagus 
diagnosticirt.  Wegen  hochgradiger  Dyspnoe  wurde  am  2.  März  die  Tracheotomie 
gemacht.  Hochgradige  Schwäche  und  Abmagerung.  Ernährende  Klystiere  wurden 
schliesslich  nicht  mehr  ertragen. 

Von  Dr.  Habershon  zur  Gonsultation  beigezogen ,  fährte  Gooper- 
Forster  am  26.  März  die  Gastrostomie  aus.    Keine  Narkose. 

Schnitt  3^2  Zoll  lang,  vom  Rippenknorpel  zwischen  8.  und  9.  Rippe 
beginnend  nach  abwärts  über  der  linea  semilunaris.  Der  äussere  Piand  des 
musc.  rectus  wurde  freigelegt,  die  Sehne  der  schrägen  Bauchmuskeln  durchschnitten 
und  1  Gefäss  hgirt.  Das  Bauchfell  wurde  der  ganzen  Länge  der  Wunde  ent- 
sprechend auf  der  Hohlsonde  eingeschnitten.  Im  oberen  Winkel  wurde  der  linke 
Leberlappen  sichtbar  und  darunter  der  Magen  ,  durch  seine  rahmig  weissen, 
dicken  Wandungen  erkenntlich.  Derselbe  wurde  mit  einem  Haken  möglichst 
weit  links  gefasst  und  vorgezogen.  Eine  krumme  Nadel  mit  Seide  wurde  durch 
die  vordere  Magenwand  gestochen  und  dieselbe  durch  eine  fortlaufende  Naht  an 
die  vordere  Bauchwand  befestigt.  Nach  den  ersten  2  Nähten  wurde  der  Magen 
durch  einen  Einschnitt  eröffnet  und  dann  die  Wundränder  sorgfältig  mit  der 
Bauchwunde  vernäht.  Der  übrige  Theil  der  Bauchwunde  wurde  mit  einer  fort- 
laufenden Naht  geschlossen,  ohne  das  eröffnete  Peritoneum  mit  zu  fassen.  Viele 
Mühe  machte  die  Vernähung  der  Magenschleimhaut  mit  der  äusseren  Haut.  Es 
blieb  eine  Oeffnung,  um  einen  kleinen  Finger  einzuführen. 


^\2  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

Unmittelbar  nachher  wurden  2  Unzen  warmer  Milch  und  l  Ei  eingegossen; 
*/2stündlich  Einführung  von  2  Unzen  Milch  mit  Ei  oder  Rum.  Beim  Husten  wurde 
Mageninhalt  durch  die  Wunde  ausgetrieben.  Patient  fühlte  sich  sehr  erleichtert. 
Vom  Abend  des  27.  an  Schwäche  und  Collaps.  Tod  44  Stunden  nach  der 
Operation. 

Die  S  e  c  t  i  o  n  ergiebt :  Carcinom  im  Halstheil  des  Oesophagus ,  welches 
in  die  Trachea  perforirt  war.  Hochgradigste  Verengerung  in  der  Höhe  des 
manubrium  sterni.  Eine  Drüse  im  Nacken  infiltrirt.  Lobuläre  pneumonische 
Heerde  in  der  linken  Lunge. 

Peritoneum  gesund;  keine  Entzündung  nachweisbar.  Leichte  Adhäsionen 
der  serösen  Blätter  an  der  Wunde,    Dünndarm  sehr  eng. 

Gooper-Forster  glaubt,  dass  die  Operation  zu  spät  gemacht  wurde 
und  der  Tod  ohne  diese  gleich  schnell  erfolgt  wäre. 

V.     Gooper-Forster   1859. 

J.  Coop  er-Forster ,  Gontraction  of  Oesophagus  from  corrosive  poison.Gastrotomy 
Guy's  Hospital  Reports,  IIL  Series.  Vol.  V,  p.  1. 

James  G.  4  Jahre  und  4  Monate  alt,  wurde  am  2.  Februar  1859  auf- 
genommen. Er  hatte  vor  17  Wochen  Aetzkalilauge  geschluckt,  worauf  heftiges 
Erbrechen  und  Auswurf  einiger  Theelöffel  voll  Blut  erfolgte;  einige  Zeit  bestanden 
Schlingbeschwerden,  dann  Besserung.  Vor  14  Tagen  traten  wieder,  seitdem  zu- 
nehmende Schlingbeschwerden  auf.  Bei  der  Aufnahme  kann  der  ausserordentlich 
abgemagerte  Patient  nichts  schlucken.  Er  erhält  alle  4  Stunden  ein  ernährendes 
Klystier.     Später  vorübergehend  Besserung. 

Den  12.  März.  Patient  hat  seit  2  Tagen  nichts  geschluckt,  ist  sehr  er- 
schöpft. 

Den  13.  März  machte  Gooper-Forster  die  Gastrostomie  in  der  Narkose. 
2  Zoll  langer  Schnitt  dem  äusseren  Rand  des  linken  musc.  rectus  entsprechend, 
vom  7.  Intercostalraume  beginnend;  mehrere  Gefässe  wurden  unterbunden.  Das 
Bauchfell  wurde  auf  der  Hohlsonde  eröffnet.  Dünndarmschlingen  wurden  zur 
Seite  geschoben,  während  2  Finger  gegen  das  Zwerchfell  vordrangen,  um  den 
Magen  zu  fassen,  der  an  seiner  Dicke  und  den  sammtartigen  Wandungen  leicht 
erkannt  wurde.  Die  grosse  Gurvatur  wurde  vorgezogen  und  eröffnet.  Ein  blu- 
tendes grosses  Gefäss  musste  doppelt  unterbunden  werden.  Die  Wundränder 
wurden  sehr  sorgfältig  mit  einer  Kürschnernaht  mit  der  Bauchwand  vereinigt 
und  die  übrige  Bauchwunde  genäht.  Alle  '/4  Stunden,  später  stündlich  wurde 
abwechselnd  Milch  und  Ei  oder  Ei  mit  Wein  durch  ein  Rohr  in  den  Magen  ein- 
geflösst.     Gleichzeitig  4stündhch  ernährende  Klystiere,  die  behalten  wurden. 

Zwei  Tage  nach  der  Operation  keine  Peritonitis.     Die  Wunde  sieht  gut  aus. 
Pat.   am   3.  Tage  anfänglich  munter;   nach  der  Einführung  von  Nahrung 
plötzlich  Schmerzen  im  Bauch,  Collaps;  der  Tod  erfolgte  2  Uhr  Nachmittags. 

Die  S  e  c  t  i  0  n  ergiebt :  Hochgradige  Abmagerung.  Verdickung  und  Ver- 
härtung der  Submucosa  des  Oesophagus  bedingte  eine  bedeutende  Verengerung. 
Frische  allgemeine  Bauchfellentzündung  durch  die  Lockerung  der  Nähte,  denn 
es  \vurde  Mageninhalt  im  Bauch  gefunden.  Die  Oeffnung  im  Magen  fand  sich 
an  dem  unteren  Theil  der  vorderen  Fläche.  Fast  keine  Adhäsionen  an  der 
Wunde. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^h  q 

VI.     Sydney   Jones    1859. 
Transactions  of  the  pathological  Society,  XI,  p.  101, 

Eine  44jährige  Frau  klagte  erstmals  im  Juli  1858  über  Schmerzen  im 
Schlund  mit  Heiserkeit  und  etwas  Husten.  Die  Beschwerden  nahmen  rasch  zu, 
so  dass  im  Februar  1859  die  Tracheotomie  ausgeführt  werden  musste;  von  da 
an  keine  Athemnoth  mehr.  Die  Schlingbeschwerden  steigerten  sich  fortwährend. 
Im  Mai  konnte  ein  elastischer  Katheter  Nro.  9  nicht  mehr  in  den  Oesophagus 
eingeführt  werden.  Im  Juni  gelangte  keine  Nahrung  mehr  in  den  Magen;  Er- 
nährung durch  Klystiere.  Kleiner  und  schwacher  Puls;  Patientin,  von  Hunger 
und  Durst  gequält,  droht  zu  verhungern. 

Den  14.  Juli  1859  wird  von  Sydney  Jones  die  Gastrostomie  gemacht. 
3'/2  Zoll  langer  Schnitt  vom  8.  linken  Intercostalraum  abwärts,  dem  äusseren 
Rand  des  musc.  rectus  entsprechend.  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  macht 
das  Vorziehen  des  Fundustheiles  des  Magens  wegen  einiger  Netzadhäsionen  etwas 
Schwierigkeit.  In  die  vordere  Magenwand  wird  ein  Einschnitt  von  '/4  Zoll  Länge 
gemacht.  Die  Ränder  der  Magenwunde  werden  mit  5—6  Nähten  von  doppelter 
Seide  an  die  Bauchwand  fixirt.  Eine  Doppelcanüle  wird  eingelegt  und  gut  er- 
tragen. Durch  dieselbe  wird  mehrmals  Milch  mit  Brandy  eingegossen.  Patientin 
fühlt  sich  erleichtert.  Hunger  und  Durst  haben  nachgelassen.  Stündlich  wird 
Nahrung  zugeführt,  daneben  ernährende  Klystiere.  Tod  36  Stunden  nach  der 
Operation.  Magenfistel  in  der  Mitte  zwischen  Cardia  und  Pylorus  und  in  der 
Mitte  zwischen  grosser  und  kleiner  Gurvatur.  Der  Magen  in  der  unmittelbaren 
Nachbarschaft  der  Wunde  durch  Fibrinauflagerungen  mit  der  Bauchwand  ver- 
klebt. Keine  Peritonitis.  Im  Pharynx  ulcerirtes  Carcinom  von  der  Epiglottis 
bis  zum  Ringknorpel. 

VII.     V.  T  h  a  d  e  n   1865. 

Scharffenberg,  Gastrotomiae  propter  oesophagi  stenosin  institutae  historia. 
Dissert.  inaug.    Kiliae  1867. 

A  nna  Vossbeck ,  54  Jahre  alt,  wird  im  März  1865  in  das  Spital  in 
Altena  aufgenommen;  zunehmende  Schlingbeschwerden  seit  Sommer  1864.  Sie 
konnte  in  den  letzten  4  Tagen  keine  Nahrung  mehr  zu  sich  nehmen.  Nur  am 
ersten  Tag  gelang  es  die  Schlundsonde  einzuführen,  bei  allen  späteren  Versuchen 
wurden  die  Bougies  von  einem  unüberwindlichen  Hinderniss  hinter  dem  Sternum 
aufgehalten.  Die  Speisen  werden  unverändert  ausgeworfen.  Ernährende  Klystiere 
werden  behalten.  Vorübergehende  Besserung;  bald  aber  kann  der  quälende 
Hunger  und  Durst  nicht  mehr  gestillt  werden. 

Am  24.  Mai  1865  wird  von  v.  Thaden  in  der  Narkose  die  Gastrostomie 
ausgeführt.  Schräger  Schnitt  von  dem  Schwertfortsatz  neben  dem  linken  Rippen- 
rand durch  den  geraden  Bauchmuskel;  mehrere  Arterien  werden  unterbunden. 
Im  oberen  Theil  der  Wunde  sieht  man  den  linken  Leberlappen  durchscheinen. 
Nach  Eröffnung  des  Bauchfells  wird  mit  Zeige-  und  Mittelfinger  der  zusammen- 
gefallene Magen,  der  an  seiner  Farbe  leicht  erkannt  wird,  hervorgezogen.  An 
dem  unteren  Theil  der  Wunde  wird  die  vordere  Magenwand  mit  4  Nähten  be- 
festigt. Der  obere  Theil  der  Bauchvvunde  wird  mit  9  Knopfnähten  geschlossen. 
C  z  e  r  ti  y ,  Beiträge  zur  operativen  Chiriir{?ie.  8 


j^j[4  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

Die  Luft  wird  möglichst  aus  der  Bauchhöhle  ausgedrückt.  Die  Wunde  wird  mit 
Geratläppchen  verbunden.  Anfänglich  Schmerzen  im  Magen  und  Brechreiz,  Am 
folgenden  Tage  klagt  Patientin  über  Durst  und  Hitze  und  Brennen  an  der 
Operationswunde.  Der  Magen  hatte  die  Bauchwand  trichterförmig  eingezogen. 
Die  Magenwand  wird  durch  die  Suturen  gespannt  und  jetzt  in  der  Ausdehnung  der 
äusseren  Wunde  gespalten  und  darauf  die  Schleimhaut  mit  2  Nähten  mit  der  Haut 
des  unteren  Wundwinkels  vernäht.  Bei  Eröffnung  des  Magens  Austritt  von  Luft 
und  sauerer  Flüssigkeit.  Durch  einen  Nelaton'schen  Katheter  werden  150  Gramm 
Fleischbrühe  mit  Ei  eingeflösst,  was  öfters  wiederholt  wird.  Meist  fliesst  dabei 
etwas  Mageninhalt  aus.  Patientin  fühlt  sich  erleichtert.  Tod  nach  47  Stunden. 
Die  S  e  c  t  i  o  n  ergiebt :  Circumscripte  Peritonitis  in  der  Umgebung  der 
Wunde  und  am  linken  Leberlappen.  Die  Fistel  befindet  sich  näher  dem  Pylorus 
als  der  Gardia.  Die  Schleimhaut  nicht  vollständig  mit  der  Haut  vereinigt.  Die 
Magenserosa  ist  vollständig  mit  der  Haut  verklebt.  2  Zoll  oberhalb  der  Gardia 
ein  exulcerirtes  Epitheliom;  die  beiden  Vagi  von  der  Neubildung  umschlossen. 
Lymphdrüsen  infiltrirt. 


Vm.     Gurling  1866. 
The  London  Hospital  Reports  lll,  p.  218. 

William  G.,  57  Jahre  alt,  wurde  am  31.  Jan.  1866  in  das  London  Hospital 
aufgenommen.  Seit  4  Wochen  Schlingbeschwerden,  rascher  Verfall  der  Kräfte. 
Bei  der  Aufnahme  klagt  der  äusserst  abgemagerte  Patient  über  lebhaftes  Hunger- 
und  Durstgefühl.  In  den  letzten  4  Wochen  hatte  er  alle  feste  Nahrung,  die  er 
zu  sich  zu  nehmen  versuchte,  erbrochen ;  Zunge  dick  belegt,  Athem  übelriechend. 
Patient  kann  nur  mit  grossen  Schwierigkeiten  und  Schmerz  Flüssigkeiten  schlucken. 
Sonden  treffen  ca.  10  Zoll  hinter  den  Zähnen  auf  ein  unüberwindbares  Hinderniss. 

Patient  erhält  einige  Zeit  ernährende  Klystiere.  Da  die  Schwäche  des 
Patienten  zunahm  und  Tod  durch  Erschöpfung  drohte,  so  wurde  bei  aussetzendem 
Puls  am  16.  März  1866  unter  localer  Aethernarkose  von  Gurling  die  Gastro- 
stomie ausgeführt. 

3  Zoll  langer  Schnitt  vom  vorderen  Ende  der  7.  Rippe,  vertical  nach  ab- 
wärts, dem  äusseren  Rande  des  m.  rectus  entsprechend.  Geringe  Blutung.  Nach 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  wurde  der  blasse  und  zusammengefallene  Magen  so- 
fort erkannt  und  mit  Pincetten  in  die  Wunde  gezogen.  In  die  Magenwand  wird 
mit  der  Scheere  ein  ^ji  Zoll  langer  Schnitt  gemacht  und  mit  5  dicken  Seiden- 
nähten die  Magenwunde  mit  der  Bauchwunde  vernäht.  Die  Bauchwunde  ober- 
halb und  unterhalb  wird  mit  Metallnähten  geschlossen.  Dauer  der  Operation 
20  Minuten.  Alle  ^jz  Stunde  wird  ein  Katheter  durch  die  Fistel  eingeführt  und 
abwechselnd  einige  Esslöffel  Milch,  Wein,  Fleischbrühe  und  Eier  eingeflösst. 
Jedesmal  nach  der  Herausnahme  fliesst  sauerer  Magensaft  ab.  Die  Wunde  stark 
eingezogen.  Nachts  1  ernährendes  Klystier,  die  Einspritzungen  in  den  Magen 
werden  fortgesetzt.  Patient  fühlt  sich  besser;  Hunger  und  Durst  liaben  nach- 
gelassen.    Der  Magen  schien  nicht  gereizt  durch  die  Injectionen. 

Den  17.  fortschreitende  Abnahme  der  Kräfte,  Tod  durch  Erschöpfung,  32 
Stunden  nach  der  Operation. 

S  e  c  t  i  0  n  s  befund  :  Bedeutendes  Atherom  der  Aorta  und  grösseren 
Arterien.  —  Oeffnung   in   der  Magenwand   zwischen   den  Knorpeln    der   8.   und 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  H5 

9.  Rippe.  Alle  Gewebe  um  den  Einschnitt  herum  missfarbig  und  von  Blut- 
extravasaten  durchsetzt.  Eine  der  oberen  Nähte  hatte  durchgeeitert.  Die  Oeff- 
nung  im  Magen  an  der  grossen  Curvatur  nahe  dem  Fundus.  Keine  Anzeichen 
von  Peritonitis.  4'/2  Zoll  oberhalb  des  Magens  im  Oesophagus  ein  exulcerirtes 
Epitheliom,  welches  bereits  in  den  rechten  Bronchus  durchgebrochen  war. 

IX.     Sydney   Jones   1866. 

The  Lancet  1866.  II.  Dec.  15,  p,  665.  Gastrotomy  for  stricture  of  the  Oeso- 
phagus. Death  from  pneumonia  on  the  twelfth  day.  Under  the  care  of 
Mr.  Sydney  Jones. 

Am  24.  August  1866  wurde  ein  6 Ij ähriger  Mann  mit  Schlingbeschwerden 
in  das  St.  Thomas  Hospital  aufgenommen,  die  seit  Mitte  Mai  bestanden.  Der 
Patient  ist  nur  im  Stande  kleine  Mengen  Flüssigkeit  zu  sich  zu  nehmen.  Viel- 
fache Versuche,  den  Oesophagus  zu  bougiren ,  waren  stets  ohne  Erfolg ;  in  der 
Höhe  des  Sternum  befindet  sich  ein  derber  Widerstand. 

Da  die  Dysphagie  immer  zunahm,  Patient  von  Hunger  und  Durst  gequält 
und  aufs  Aeusserste  abgemagert  war,  so  wird  am  22.  September  von  Sydney 
Jones  die  Gastrostomie  vorgenommen. 

Unter  localer  Aethernarkose  3'/2  Zoll  langer,  verticaler  Schnitt  vom 
Knorpel  der  9.  Rippe  abwärts  dem  äusseren  Rand  des  M.  rectus  sin.  ent- 
sprechend. Das  Bauchfell  wird  auf  der  Hohlsonde  eröffnet,  der  Magen  unter  dem 
linken  Leberlappen  gefasst,  vorgezogen,  mit  2  Seidennähten  an  die  Bauchwand 
fixirt  und  nach  der  Eröffnung  werden  seine  Wundränder  mit  5 — 6  Seidennähten 
mit  der  Haut  vereinigt ;  2  Gefässligaturen,  1  in  der  Bauchwand,  1  in  der  Magen- 
wunde. Keine  Ganüle  eingelegt;  2stündlich,  vom  5.  Tage  an  seltener,  wird  ein 
Rohr  eingeführt  und  durch  einen  Trichter  Nahrung  in  den  Magen  eingegossen. 
Bisweilen  entleert  sich  wieder  ein  Theil  dm'ch  die  Fistel.  Der  locale  Befund 
stets  günstig.     Der  Tod  erfolgt  an  Pneumonie  am  12.  Tag. 

Bei  der  S  e  c  t  i  o  n  findet  sich  in  der  Höhe  des  1,  und  2.  Brustwirbels 
eine  carcinomatöse  Geschwulst,  welche  den  Oesophagus  fast  ganz  verschloss. 
Metastatische  Geschwulst  in  der  hnken  Niere.  —  Keine  Spur  von  Peritonitis; 
Magen-  und  Bauchwunde  vollständig  verheilt.  In  beiden  unteren  Lungenlappen 
croupöse  Pneumonie,  links  rothe,  rechts  graue  Hepatisation. 

X.     Bryant   1866. 

The  Lancet  1877,  II.  July  7,  Nr.  I.  Gases  of  dysphagia.  Under  the  care  of 
Mr.  Bryant. 

Thomas  G.,  48  Jahre  alt,  wurde  am  1.  Oct.  1866  auf  der  Abtheilung  von 
Dr.  Habershon  in  Guy's  Hospital  aufgenommen.  Patient  war  mit  20  Jahren 
syphilitisch  gewesen,  hatte  aber  seitdem  keine  Erscheinungen  von  Syphilis  mehr 
gehabt.  Seit  4  Monaten  rasch  zunehmende  Schlingbeschwerden,  so  dass  er  bald 
nur  noch  flüssige  Kost  zu  sich  nehmen  konnte ;  seit  3  Monaten  Schmerz  an  der 
rechten  Seite  des  Halses;  seit  3  Wochen  Husten.  Bei  der  Aufnahme  ist  Patient 
sehr  abgemagert  und  blass ;  Stimme  schwach.  Jeder  Versuch  zu  schlucken  sehr 
schmerzhaft.  Die  Nahrung  wird  durch  Mund  und  Nase  ausgeworfen.  Mit  dem 
Finger  ist  eine  Geschwulst  hinter  dem  Larynx  zu  fühlen.     Ernährende  Klystiere 


j^lQ  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

Den  24.  November  1866  wird  vonBryant  die  Gastrostomie  in  der  Chloro- 
formnarkose ausgeführt.  Schräger  Schnitt ,  3  Zoll  lang  unter  dem  Rande  der 
linken  Rippen.  Der  Magen  wird  leicht  mit  dem  Daumen  und  Zeigfinger  gefasst, 
dann  eröffnet  und  mit  Zapfennähten  an  die  Wundränder  befestigt. 

In  den  ersten  24  Stunden  nur  ernährende  Klystiere.  Am  nächsten  Tage 
wird  Milch  und  Eier  durch  die  Fistel  in  den  Magen  gebracht.  Der  Patient  scheint 
sich  zu  erholen.  Am  4.  Tag  bekam  er  Delirien  und  am  6.  Tag  starb  er,  130 
Stunden  nach  der  Operation. 

Bei  der  S  e  c  t  i  o  n  findet  man  die  Fistel  gut  aussehend ,  mit  der  Bauch- 
wunde verwachsen.    Keine  Anzeichen  von  Peritonitis. 

Am  hinteren  Theil  des  Pharynx  ovales  torpides,  fast  den  ganzen  Ganal 
umgebendes  Geschwür  von  2  Zoll  Länge,  mit  hartem  Grunde.  Im  Larynx  auf 
einer  Infiltration  hnks  ein  Geschwür  (syph.  Natur).  In  der  rechten  Lungenspitze 
Cavernen  mit  käsigen  Massen.  Die  unteren  Abschnitte  im  Stadium  der  rothen 
und  grauen  Hepatisation.    Links  2  erweichte  Heerde. 


XI.    M  a  c  k  e  n  z  i  e    1867. 

Mackenzie,  Lectures  on  the  Cancer  of  Oesophagus.    Medical  Times  and  Gazette. 
1876.  II,  p.  137. 

Elise  L.,  42  Jahre  alt,  kam  wegen  hochgradiger  Dysphagie  im  October 
1867  in  das  Spital.  Es  wurde  die  Diagnose  auf  Skirrhus  des  unteren  Endes  des 
Oesophagus  gestellt. 

Zunehmende  Abmagerung,  hochgradige  Schwäche,  wachsende  Schüng- 
beschwerden :  Patientin  konnte  seit  einigen  Tagen  auch  keine  Flüssigkeiten  mehr 
schlucken.  Zu  Ende  November  1867  wurde  von  Mackenzie  in  gewohnter  Weise 
eine  künstliche  Magenfistel  angelegt. 

Tod  erfolgt  36  Stunden  nach  der  Operation. 

Xn.     Troup  1867. 
F.  Troup,  Gase  of  Gastrotomy.  The  Edinburgh  medicalJournal,  July  1872,  p.  36. 

Ein  Mann  von  50  Jahren  hat  seit  ca.  1  Jahr  nagenden  Schmerz  im  Epi- 
gastrium  und  erbricht  nun  blutige  Flüssigkeit.  Das  Schhngen  geht  nur  langsam 
von  Statten.  Im  unteren  Theil  des  Oesophagus  finden  sich  2  Stricturen,  die  aber 
passirt  werden  können.  Diese  werden  allmählig  enger.  Ernährende  Klystiere. 
Der  Oesophagus  schliesst  sich  endlich  ganz  und  Patient  lebt  einen  Monat  nur 
von  Klystieren;  erst  lebhafter  Hunger,  später  Durstgefühl  vorherrschend. 

Troup  macht  1867  die  Gastrostomie.  Gerader,  3  Zoll  langer  Schnitt,  hnks 
von  der  Mittellinie,  in  der  Mitte  zwischen  dieser  und  den  Rippenknorpeln.  Die 
Aufsuchung  des  geschrumpften  Magens  ist  etwas  schwierig;  herabgezogen  und 
mit  der  Pincette  fixirt,  wurde  er  eröffnet,  die  Ränder  an  die  Bauchwunde  genäht 
und  eine  mittelgrosse  Trachealcanüle  eingelegt.  Milch  und  Stimulanlien  wei'den 
mit  Leichtigkeit  eingeflösst  und  3  Tage  lang  befindet  sich  Patient  in  vcrliältniss- 
mässigem  Wohlbefinden. 

Der  Tod  erfolgt  am  4.  Tag. 

Das  untere  Ende  des  Oesophagus  ist  von  einer  undurchgängigen  epithe- 
liomatösen  Geschwulst    eingenommen.     Der  Magen  sein'  klein,    ungefähr   in   der 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  J^j^'y 

Mitte  eröffnet.  Die  seröse  Fläche  der  Magen-  und  Bauchwunde  zum  Theil  ver- 
wachsen. Der  Einschnitt  in  seiner  ganzen  Länge  in  Heilung.  Keine  Spur  von 
Peritonitis. 

XIII.     Durham  1868. 

A.  E.  Durham,  case  of  epithelioma  of  the  Oesophagus  in  which  gastrotomy  was 
performed;  with  remarks,  Guy's  Hospital  Reports,  III.  Series;  Vol.  XFV,  p.  194. 
London  1869. 

Am  19.  August  1868  wurde  A.  T.,  ein  TOjähriger  Mann,  der  seit  Monaten 
an  Schlingbeschwerden  litt,  aufgenommen.  Seit  Juü  konnte  er  kein  Fleisch  mehr 
schlucken;  in  den  letzten  Tagen  hatte  er  nur  noch  etwas  Wein  zu  sich  genommen. 
Er  ist  verfallen  und  hochgradig  abgemagert.  Ein  dünnes  Bougie  wird  3  Zoll 
unterhalb  des  Ringknorpels  durch  einen  festen  Widerstand  festgehalten.  — 
Ernährende  Klystiere  Averden  nicht  behalten. 

Am  10.  September  1868  führt  Arthur  E.  Durham  die  Gastrostomie 
aus.  3—4  Zoll  langer  Schnitt  vom  Knorpel  der  8.  und  9.  Rippe  abwärts.  Der 
äussere  Rand  des  musc.  rectus  sin.  wird  freigelegt,  das  Bauchfell  2 — 3  Zoll  weit 
eröffnet,  worauf  das  Netz  zu  Gesicht  kömmt.  Durch  leichten  Zug  an  demselben 
wurde  der  Magen  sichtbar.  Zwei  starke  Seidenligaturen  wurden  durch  die  vor- 
dere Magenwand  geführt  in  einer  Entfernung  von  1  Zoll  von  einander;  dieselbe 
wird  vorgezogen  und  ca.  1  Zoll  weit  eingeschnitten.  Die  Seidenfäden  werden 
in  der  Mitte  durchschnitten  und  damit  der  Magen  an  die  Rauchwand  fixirt. 
Ausserdem  zahlreiche  andere  Nähte.  Die  Schnittränder  der  Schleimhaut  werden 
sorgfältig  mit  der  Haut  vernäht.  Die  Bauchwunde  wird ,  um  Spannung  zu  ver- 
meiden, nach  oben  verlängert  und  das  untere  Ende  mit  mehreren  Nähten 
geschlossen. 

Bei  Eröffnung  des  Magens  fliesst  etwas  braune  Flüssigkeit  bei  einer  Brech- 
bewegung aus,  ohne  dass  etwas  davon  in  die  Bauchhöhle  kommt.  Durch  ein 
elastisches  Rohr  wird  etwas  warme  Milch  eingeflösst,  aber  sofort  wieder  aus- 
gestossen.  Ein  Schwamm  wird  mit  Heftpflaster  auf  die  Wunde  befestigt.  Der 
Patient  erholt  sich  vollständig  von  der  Operation ;  vorübergehend  Schmerz  im 
Epigastrium.  Sechszehn  Stunden  nach  der  Operation  erfolgt  der  Tod,  scheinbar 
blos  aus  Erschöpfung. 

Die  S  e  c  t  i  0  n  ergiebt  ein  ulcerirtes  Carcinom  des  Oesophagus  in  der 
Höhe  der  Bifurcation  mit  1  Zoll  langer  schlitzförmiger  Perforation  in  die  Trachea. 
Keine  Spur  von  Peritonitis.  Der  Magen  liegt  vollständig  an  der  Bauchwand  an. 
Oeffnung  im  Magen  nahe  dem  Fundus,  etwas  näher  der  grossen  als  der  kleinen 
Curvatur. 

XIV.     Maury   1869. 

F.  F.  Maury,  Case  of  stricture  of  the  Oesophagus  in  which  Gastrotomy  was  per- 
formed.    The  American  Journal  of  medical  sciences.    April  1870,  p.  365. 

Ein  25jähriger  Mann,  der  vor  8  Jahren  an  Syphilis  gelitten  hatte,  win-de 
im  Mai  1868  plötzlich  von  Schlingbeschwerden  befallen,  die  anfallsweise  öfters 
wiederkehrten.  Rasche  Abmagerung.  Im  Juli  gelang  es  nur  ein  einziges  Mal, 
eine  Sonde  bis  in  den  Magen  zu  führen.  Jodkalium  und  Subhmat  blieben  ohne 
Erfolg.    Im   April  1869    war   Patient    auf's   Aeusserste    heruntergekommen   und 


j^lg  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

musste  vor  Schwäche  das  Bett  hüten.  Vorübergehend  erholte  er  sich  etwas 
durch  ernährende  Klystiere,  mit  denen  er  6  Wochen  lang  ausschliesslich  ernährt 
wurde. 

Am  25.  Juni  1869  machte  Maury  die  Gastrostomie  in  der  Ghloroform- 
narkose.  Vier  Zoll  langer,  mit  der  Convexität  nach  der  MitteUinie  gerichteter 
Bogenschnitt,  dessen  oberes  Ende  in  der  Höhe  des  7.  Intercostalraumes  beginnt. 
Das  Peritoneum  auf  der  Hohlsonde  eröffnet.  Der  Magen  ragt  unter  dem  Leber- 
rande vor.  Er  wird  mit  der  Pincette  gefasst,  eine  krumme  Nadel  mit  Silberdraht 
von  oben  nach  unten,  2  von" rechts  nach  links  durchgeführt.  Die  Magenwand 
wird  ca.  2  Zoll  links  vom  Pylorus  eröffnet.  Die  Drähte  werden  vorgezogen  und  in 
der  Mitte  durchtrennt.  Zahlreiche  Silbernähte  fixiren  den  Magen  an  die  Bauch- 
wunde. In  die  Fistel  wird  eine  Ganüle  eingelegt.  Alle  ^ji  Stunden  soll  etwas 
Nahrung  in  den  Magen  eingeflösst,  alle  V2  Stunden  ein  Glysma  mit  Brandy 
gegeben  werden.    Patient  erholt  sich  von  der  Narkose. 

Abends  nach  einer  Fütterung  entleert  sich  dicke,  dunkle  Flüssigkeit  aus 
dem  Magen.     Tod  14  Stunden  nach  der  Operation. 

S  e  c  t  i  0  n  s  befund  :  Das  Peritoneum  zeigt  keine  Entzündung.  Am  cardialen 
Ende  des  Oesophagus  eine  fast  vollständige  Obliteration  durch  eine  derbe,  nicht 
ulcerirte  Geschwulst  (nicht  carcinomatöser  Natur). 


XV.    Love    1869. 

J.  Love:  On  Gastrotomy,  with  case.    The  Lancet,  1871;  22.  July,  p.  119. 

Eine  51jährige  Frau,  die  seit  2  Jahren  geringe  Schlingbeschwerden  hat 
und  bei  der  seit  9  Monaten  eine  schmerzhafte  Geschwulst  am  Hals  aufgetreten 
ist,  kann  seit  7  Monaten  keine  feste  Nahrung  mehr  schlucken.  Bei  der 
Aufnahme  in  das  West  Norfolk  and  Linn  Hospital  ist  die  Patientin  sehr  ab- 
gemagert. 

Am  24.  September  1869  wird  von  Love  die  Gastrostomie  ausgeführt. 
Die  Ghloroformnarkose  Avird  ausgesetzt  und  locale  Aethernarkose  dafür 
substituirt.  Links  von  der  Unea  alba  und  bis  2  Querfinger  an  die  linken  Rippen 
wird  ein  Kreuzschnitt  angelegt,  dessen  Schenkel  1^/2  Zoll  lang  sind.  Nach  Stil- 
lung der  Blutung  Eröffnung  der  Bauchhöhle.  Der  Leberrand  ist  sichtbar.  Unter 
Führung  des  linken  Zeigfingers  wird  der  Magen  mit  einer  Pincette  gefasst  und 
in  die  Wunde  gezogen,  darauf  eröffnet  und  mit  4  Silbernähten,  welche  das 
parietale  Bauchfell  nicht  mitfassen,  an  die  Bauchwand  genäht  und  eine 
Silbercanüle  eingelegt  (weite  Trachealcanüle,  IV2  Zoll  lang,  mit  abgerundeten 
Rändern). 

Alle  4  Stund.en  ein  ernährendes  Klystier.  An  den  2  nächsten  Tagen  ist 
das  subjective  Befinden  viel  erleichtert.  Patient  fühlt  sich  wohler  als  seit 
9  Monaten.    Am  3.  Tag  stirbt  Patient  unerwartet  rasch. 

Die  Section  ergiebt :  Wunde  geheilt,  Bauchdecken-  und  Magenwunde 
verklebt;  keine  Spur  von  Peritonitis.  Der  Pharynx  durch  skirrhöse  Massen, 
welche  sich  bis  an  die  Basis  des  Nackens  erstrecken,  ganz  verschlossen.  Der 
Oesophagus  kaum  für  eine  gewöhnliche  Sonde  durchgängig.  —  In  der  Aorta  ein 
grosses  farbloses  Gerinnsel ,  dem  der  Verfasser  den  Tod  zuschreiben  zu  müssen 
glaubt. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  HQ 


XVI.     Tosias   Smith   1872. 
The  Lancet  1872,  1.  p.  862.    CHnical  society  of  London.     Friday  May  24th. 

A.  B.,  38jähriger  Mann,  leidet  seit  8  Monaten  an  Schhngbeschwerden. 
Seit  14  Tagen  angeblich  keine  feste  Nahrung,  in  den  letzten  8  Tagen  ganz  ohne 
Nahrung.  Strictur  mit  Bougies  nicht  zu  passiren.  Er  wurde  in  Bartholomew 
Hospital  aufgenommen. 

Am  21.  März  1872  wird  die  Gastrostomie  von  Tosias  Smith  gemacht. 
Es  wird  eine  Kautschukcanüle  zur  Ernährung  eingelegt.  Vier  Tage  lang  günstiger 
Verlauf;  dann  wird  der  Patient  von  Husten  gequält,  welcher  eine  Peritonitis  zu 
veranlassen  schien,  an  der  er  nach  einer  Woche  starb. 

Die  Section  ergiebt  ein  ringförmiges  Epithelialcarcinom  des  Oesophagus 
in  der  Höhe  der  Bifurcation,  welches  das  Lumen  vollständig  verstopft  und  beide 
Vagi  einschliesst.  Magen  fest  adhärent  an  die  Haut  und  das  Peritoneum  parietale. 
Tod  in  Folge  von  Peritonitis. 

XVIL     Mac  Cormac   1872. 
The  Lancet  1872.     L  p.  862. 

H.  S. ,  40jähriger  Mann,  bemerkte  vor  12  Monaten  eines  Tages  plötzlich 
erschwertes  Schlucken.  Bei  der  Aufnahme  in  St.  Thomas  Hospital  ist  er  abge- 
magert, kaum  im  Stande  etwas  Flüssigkeit  zu  schlucken.  Bei  Schlingversuchen 
Schmerz,  Würgen  und  Husten.     Die  Strictur  kann  nicht  passirt  werden. 

Den  19.  März  1872  öffnete  Mac  G  o  r  m  a  c  den  Magen  und  vereinigte  die 
Magenwundränder  mittelst  Knopfnähten  mit  der  Bauchwunde.  Der  Patient  ertrug 
die  Operation  gut;  weder  Schock  noch  Erbrechen. 

Der  Husten  verschwand,  was  den  Patienten  sehr  erleichterte.  Nahrung 
wurde  in  den  Magen  durch  ein  Gummirohr  mit  einem  Trichter  eingeführt. 
Patient  wurde  schwächer  und  starb  am  21.  März,  45  Stunden  nach  der  Operation. 

Die  Section  ergab  im  unteren  Theil  der  Speiseröhre  eine  krebsige 
Strictur.  Die  Erkrankung  griff  auf  die  Lunge  über,  wo  eine  gangränöse  Abscess- 
höhle  gefunden  wurde.  Die  Wundränder  des  Magens  durch  plastisches  Exsudat 
mit  der  Bauchwand  verklebt.    Keine  Spur  von  Peritonitis. 

XVm.    Le   Gros  Glark   1872. 
The  Lancet   1872.     L  p.  862. 

Bei  einem  Mann,  der  in  Folge  von  rasch  zunehmender  Dysphagie  schliess- 
lich gar  nichts  mehr  schlucken  konnte  und  bei  dem  der  Versuch  zu  bougiren 
erfolglos  war,  machte  Le  Gros  Glark  in  St.  Thomas  Hospital  am  7.  Mai  1872 
die  Gastrostomie.  Nahrung  wurde  erst  30  Stunden  nach  der  Operation  in  den 
Magen  eingeführt. 

Vier  Tage  lang  grosse  Erleichterung  des  Patienten,  indem  das  Würgen  und 
Husten  aufhörte;  darauf  kam  der  Husten  wieder.  Die  Adhäsionen  gaben  zum 
Theil  nach  und  Patient  starb  6  Tage  nach  der  Operation. 

Die  Section  ergiebt  ausgedehntes  Epitheliom  des  Oesophagus  und  eine 
ulceröse  Communication  mit  dem  unteren  Theil  der  Trachea.  Etwas  Peritonitis, 
aber  nur  in  der  Umgebung  der  Wunde. 


120  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

XIX.     B  r  y  a  n  t  (?)   1872. 

The   Lancet,  1877 ;  July  7 ,  Guy's   Hospital.    Gases  of  Dysphagia.     Rep,  by 
Mr.  Giblin. 

Joseph  C,  53  Jahre  alt,  wird  am  10.  October  1872  aufgenommen. 
Vor  1  Jahr  erstmals  SchlingJDeschwerden.  Der  Arzt  versuchte  vergeblich  eine 
Sonde  einzuführen.  Seitdem  bedeutende  Abmagerung.  Seit  40  Wochen  hat  er 
keine  feste  Nahrung  mehr  genossen;  sieht  abgemagert  und  blass  aus.  Unter 
der  Schilddrüse  an  der  hnken  Seite  der  Luftröhre  eine  bei  Druck  schmerzhafte 
Geschwulst.  Husten  mit  reichlichem  Auswurf.  Alle  4  Stunden  verabreichte  er- 
nähi'ende  Klystiere  werden  nur  einige  Tage  lang  ertragen. 

Trotz  grosser  Schwäche  wird  am  17.  September  in  der  Narkose  die 
Gastrostomie  gemacht  (wohl  von  B  r  y  a  n  t).  4  Zoll  langer  dem  Rippenbogen 
paralleler  Schnitt,  ^/2  Zoll  unterhalb  desselben  verlaufend.  Nach  Eröffnung  der 
Bauchhöhle  wölbt  sich  ein  ausgedehnter  Darm  in  die  Wunde,  nach  dessen 
Reposition  der  Magen  an  seinem  cardialen  Ende  gefasst  wird.  Zwei  doppelte 
Suturen  werden  von  unten  nach  oben  durch  Haut,  Peritoneum  und  Magen  ein- 
und  durch  Peritoneum  und  Haut  ausgestochen,  dann  der  Magen  eröffnet,  der 
Finger  eingeführt,  die  Nähte  vorgezogen,  durchschnitten  und  über  2  Stücken 
eines  elastischen  Katheters  als  Zapfennaht  geknüpft,  so  dass  das  eine  in  den 
Magen,  das  andere  nach  aussen  zu  Hegen  kam.  Haut,  Peritoneum  und  Magen 
wurden  auf  jeder  Seite  genau  vereinigt.  Die  Suturen  werden  lang  gelassen, 
um  die  Fistel  bequem  öffnen  zu  können.    Sehr  geringe  Blutung. 

Der  Patient  erholte  sich  gar  nicht  vollständig.  Er  starb  am  folgenden 
Tag  an  Bronchitis,  da  er  zu  schwach  war  zu  expectoriren. 

Die  S  e  c  t  i  0  n  ergiebt :  Bronchopneumonie  in  beiden  Lungen ,  besonders 
im  rechten  Unterlappen.  Im  Oesophagus  unterhalb  des  Larynx  ein  3  Zoll 
langes  ulcerirendes  Carcinom,  das  Lumen  sehr  verengernd,  so  dass  eben  noch 
eine  Hohlsonde  passiren  kann.  4  Zoll  oberhalb  der  Cardia  ein  secundäres,  den 
Oesophagus  ganz  verschliessendes  Carcinom.  Keine  Peritonitis,  Magenwunde  4  Zoll 
vom  Pylorus.     Geringe  Adhäsionen. 

XX. 

In  St.  Thomas's  Hospital  Reports  New  Series,  Vol.  IV,  1873  finden  sich  im 
Surgical  Report  1872  by  G.  E.  Saunders,  Seite  324  in  der  tabellarischen 
Zusammenstellung  der  Operationen  und  später  Seite  340  3  Fälle  von  Gastrosto- 
mie wegen  Oesophagusstrictur  durch  maligne  Tumoren  verzeichnet,  die  alle 
3  lOdtlich  endigten. 

Der  erste  ist  wohl  mit  dem  von  Le  Gros  Clark  (vgl.  Nr.  18)  und  der 
dritte  mit  dem  von  Mac  Cormac  (vgl.  Nr.  17)  identisch. 

Es  bleibt  also  noch  zu  erwähnen  ein  Fall  von  einem  58jährigen  Mann 
mit  einem  malignen  Gewächs  im  oberen  Theil  der  Speiseröhre. 

Gastrostomie.     Tod  nach  einem  Tag. 

XXL     Jacobi  1874. 
The  New  York  Medical  Journal  1874,  Aug.  u.  Sept.   Gastrotomy  in  Slricturo 
of  Oesophagus.     By  A.  Jacobi. 

Jacobi 's  Patientin  bietet  eine  interessante  Anamnese.  Eine  52jährige 
Frau,   Mutter  von   7  Kindern,    war   gesund   bis  zum   40.  Jahr,    wo  sie  viel  an 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  •1^21 

hysterischen  Anfällen  litt.  Im  Jahre  1861  hemerkte  sie  einen  kleinen,  harten, 
schmerzlosen  Knoten  in  der  linken  Brust,  welcher  ziemlich  rasch  wuchs  und 
etAva  1  Jahr  später  die  Wegnahme  der  Brust  nothwendig  machte;  rasche 
Heilung;  4  Monate  später  Recidiv  in  der  Narbe,  das  auch  exstirpirt  wurde  und 
6  Monate  später  entstand  ein  skii-rhöser  Knoten  in  der  rechten  Brust,  die  auch 
amputirt  wurde.  Ein  Jahr  später  wurde  durch  eine  4.  Operation  das  Recidiv 
der  linken  Narbe  und  geschwellte  Achsel drüsen  entfernt.  Bald  trat  eine  neue 
grosse  Reihe  von  tlieilweise  exulcerirenden  Knoten  in  der  ganzen  Ausdehnung 
der  Narbe  auf,  von  denen  öfters  Erysipel  ausging.  Zweimonatliche  Behandlung 
mit  dem  constanten  Strom  bewirkte  vollständige  Vernarbung  und  Schwund  der 
hifiltrationen  (Dr.  H.  Guleke).  Im  Oktober  1873  etwas  SchUngbeschwerden, 
die  durch  Sondiren  gebessert  wurden.  Im  Februar  1874  war  die  Strictur,  die 
sich  ca.  8  Zoll  hinter  den  Vorderzähnen  in  der  Höhe  des  Ringknorpels  und 
etwas  tiefer  befand,  enger  und  verhinderte  das  Schlucken  fester  Nahrung  voll- 
ständig. Urethralbougies  Nr.  18—24  passirten  gut.  Im  April  wurde  Schwellung 
der  Lymphdrüsen  der  Achsel  und  der  Oberschlüsselbeingegend  constatirt.  Den 
18.  April  vollständige  Unfähigkeit  zu  schlucken. 

Den  24.  April  1874  Gastrostomie.  2'/2  Zoll  langer  Schnitt  vertical  nach 
unten,  zwischen  den  Knorpeln  der  7.  und  8.  Rippe  beginnend.  Nach  Eröffnung 
des  Bauchfells  lag  das  Omentum  vor.  Um  den  Magen  zu  suchen,  wurde  erst 
Lösung  von  doppelkohlensauerem  Natron  und  dann  von  Weinsteinsäure  in  den 
Magen  eingespritzt,  aber  ohne  befriedigenden  Erfolg.  Durch  das  untere  Ende 
der  l*/2  Zoll  langen  Peritonealwunde  wurde  eine  krumme  Nadel  ein  und  durch 
die  vordere  Magenwand  durchgeführt ,  diese  vor-  und  an  die  Bauchwand  ange- 
zogen. 1^4  Zoll  höher  Avurde  dasselbe  Verfahren  wiederholt  und  zwischen  diesen 
beiden  Seidenligaturen  der  Magen  1  Zoll  weit  eröffnet ;  eine  Arterie  musste  ligirt 
werden.  8  Seidennähte  wurden  zur  Befestigung  des  Magens  durch  die  ganze  Dicke 
des  Magens  und  der  Bauchwand,  7^ — V*  2oll  von  der  Incision  entfernt,  durch- 
geführt. Die  äussere  Wunde  wurde  noch  durch  eine  umschlungene  und  2  Knopf- 
nähte geschlossen.    Eine  Gompresse  auf  die  Wunde. 

Alle  Nahrung  und  Chinin  wurde  durch  Klystiere  zugeführt.  Morphium 
subcutan.  Alle  2  Stunden  erhielt  Patientin  2  Unzen  Fleischbrühe  oder  Milch 
mit  Brandy.     Abends  Puls  96,  Temperatur  38,5. 

Am  3.  Tag  trockene  Zunge.  Infiltration  der  Bauchwand,  leichte  erysipelatöse 
Röthe,  Tympanites. 

Am  4.  Tag  werden  5  Magennähte  und  die  Bauchnähte  entfernt.  Etwas 
Eiter  aus  dem  unteren  Theil  der  Bauchwunde. 

Den  5.  Tag  nach  dünner  Stuhlentleerung  Erleichterung.  Der  Magen  wird 
mit  Lösung  von  doppelkohlensauerem  Natron  ausgewaschen  und  etwas  Le  übe 'sehe 
Fleischsolution  eingeführt. 

Den  6.  Tag  Erysipel  am  Rücken ,  an  der  linken  Seite  und  am  linken 
Oberschenkel.     Temperatur  89,3°. 

Den  7.  Tag.  Undeutliche  Fluctuation  an  der  linken  Seite  des  Bauches. 
2  Explorativpunctionen  ohne  Erfolg.  Abends  4  Zoll  langer  Einschnitt  links  von 
der  Fistel  durch  Haut  und  Muskulatur,  worauf  sich  Eiter  entleert;  deutlicher 
Zusammenhang  dieses  Einschnittes  mit  der  wieder  aufgebrochenen  Bauch  wunde. 

Den  8.  Tag  trotz  Abfall  der  Temperatur  und  obgleich  die  ernähreiulen 
Klystiere  alle  behalten  werden,  Verfall  der  Patientin.    Transfusion  von  4—5  Unzen 


122  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

defibrinirten  Blutes  in  die  vena  mediana  ohne  wesentlichen  Erfolg.  Tempera- 
tur 41,8", 

Den  9.  Tag  werden  die  Klystiere  erstmals  nicht  mehr  behalten.  Bewusst- 
sein  frei,  grosse  Dyspnoe. 

Den  3.  Mai  Morgens  6  Uhr  tritt  der  Tod  ein. 

Die  S  e  c  t  i  0  n  evgiebt  ^) :  Kein  Erguss  und  keine  Adhäsionen  in  der 
Peritonealhöhle  ausser  an  der  Magenfistel.  Der  Magen  war  IV2  Zoll  vom  Pylorus, 
in  der  Mitte  zwischen  grosser  und  kleiner  Curvatur  eröffnet;  ganz  adhärent  an 
der  Bauchwand  V*  —  V2  Zoll  im  Umkreis.  Zwei  Gänge  von  der  Operations- 
wunde nach  links  in  das  Unterhautzellgewebe  und  zwischen  die  Muskeln  und 
fascia  transversa. 

XXII.     Hjort  1874. 

Norsk  Mag.   3  R,   IV,  12  1874  S.  204    referirt   in    Schmidt's   Jahrbücher 
1875,  Bd.  166,  S.  39. 

Eine  52jährige  Frau,  die  schon  vor  12  Jahren  Schwierigkeiten  beim 
Schlingen  bemerkt  hatte,  wurde  am  1.  Juni  1874  aufgenommen.  Seit  ^ji  Jahren 
plötzliche  Verschlimmerung,  so  dass  sie  bald  nur  flüssige  Nahrung  zu  sich 
nehmen  konnte.  Seit  2  Tagen  ist  das  Schhngen  fast  unmöglich.  Schmerzen 
heftiger;  hochgradige  Abmagerung  und  Schwäche.  Impermeables  Hinderniss 
im  unteren  Drittel  des  Oesophagus. 

Am  9.  Juni  macht  Hjort  die  Gastrostomie.  1^2  Zoll  langer  Schnitt 
einen  Finger  breit  unterhalb  des  linken  Rippenbogens  und  parallel  mit  dem- 
selben. Fascia  transversa  und  Peritoneum  werden  mit  der  Pincette  aufgehoben 
und  eingeschnitten.  Nachdem  die  Leber  mit  stumpfen  Hacken  bei  Seite  geschoben 
war,  sah  man  den  zusammengefallenen  Magen  oben  unter  dem  Rippenbogen 
liegen ;  er  wurde  an  einer  Stelle  der  grossen  Curvatur  vorgezogen  und  in  der 
Richtung  des  Schnittes  eine  Fadenschlinge  durch  die  Wandungen  und  3  tiefe 
Silberdrahtnähte  durch  die  Wundränder,  das  Peritoneum  und  die  Magenwandungen 
geführt  und  nun  längs  der  zuerst  eingeführten  Fadenschlinge  eingeschnitten; 
ein  Paar  spritzende  Arterien  wurden  torquirt.  Nun  wurden  die  Silberdrähte  in 
der  Mitte  hervorgezogen,  getrennt  und  an  den  Seiten  zusammengedreht,  so  dass 
6  tiefe  Suturen  die  Wundränder  im  Magen  und  den  darüberliegenden  Bedeckungen 
zusammenhielten.  In  jedem  der  beiden  Wundwinkel  wurde  eine  gleich  tiefe 
und  ausserdem  in  den  Zwischenräumen  noch  8  oberflächliche  Nähte  gelegt. 
Die  Operation,  bei  der  die  Narkose  halb  mit  Chloroform,  halb  mit  Aether  erzielt 
worden  war,  dauerte  gegen  eine  Stunde. 

Gleich  nach  dem  Ervvachen  wird  etwas  Portwein  mit  Wasser  mit 
einem  Trichter  in  den  Magen  eingegossen.  Nur  geringe  Mengen  konnten  wäh- 
rend der  Inspiration  eingegossen  werden ;  bei  der  Exspiration  floss  ein  Theil 
wieder  ab.  Patientin  coUabirt  immer  mehr  und  stirbt  am  10.  Juni  Abends  6  Uhr, 
ca.  24  Stunden  nach  der  Operation. 

Bei  der  S  e  c  t  i  0  n  findet  man  ein  wohlbegrenztes  Epitheliom  den  Oeso- 
phagus verschliessend;  alle  anderen  Organe  gesund.  Ziemlich  feste  Agglutination 
zwischen  Magen  und  Bauchwunde.  Keine  Zeichen  von  Peritonitis.  Tod  durch 
Erschöpfung. 


')  Es  durfte  nur  die  Bauchhöhle  eröffnet  werden. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  123 

XXIII.     Küster   1875. 
Küster,   5  Jahre  Augustahospital,  Berlin  1877,  S.  114. 

August  Neumann,  55  Jahre  alt,  leidet  seit  October  1874  an  Schling- 
beschwerden, dabei  rasche  Abmagerung;  seit  dem  12.  Februar  1875  kann  er 
keine  Flüssigkeiten  mehr  schlucken.  Die  Strictur  kann  selbst  mit  den  fein- 
sten Sonden  nicht  passirt  werden.  Patient  mager,  noch  in  leidlichem  Kräfte- 
zustand. 

Den  22.  Februar  1875  macht  Küster  die  Gastrostomie.  Sehr  schlechte 
Narkose,  Synkope,  der  grössere  Theil  der  Operation  ohne  Narkose. 

2  "2  —  0  Zoll  langer  Schnitt  vom  processus  ensiformis  in  der  Mittellinie 
nach  abwärts.  In  der  Wunde  erschien  der  linke  Leberlappen,  welcher  den 
Magen  völlig  überdeckte.  Er  wurde  nach  oben  gehoben,  2  Silberdrahtnähte 
rechtwinklig  auf  einander  durch  Bauchwand  und  Magen  gelegt  und  dann  an- 
gezogen. Die  Magenwand  kam  so  in  das  Niveau  der  Haut  und  wurde  dann 
zwischen  2  Pincetten  l'/z  Ctm,  weit  eingeschnitten;  geringe  Blutung.  Die  Drähte 
wurden  in  der  Mitte  vorgezogen,  durchschnitten  und  geknotet;  weitere  Umsäumung 
im  ganzen  Umfang  mit  feinen  Seidennähten.  Im  Magen  findet  sich  etwas  von 
der  zuletzt  genommenen  Nahrung.  In  die  Fistel  wird  eine  Trachealcanüle  ein- 
gelegt und  sofort  etwas  Milch  und  Ei  eingeflösst.  Neben  der  Ganüle  fliesst  fort- 
während etwas  Mageninhalt  ab.  Eine  grössere  passende  Doppelcanüle  mit  ge- 
ringer Krümmung  bewährte  sich  sehr  gut.  Keine  Erscheinungen  von  Peritonitis ; 
Temperatur  stets  normal  oder  subnormal.  Alle  2  Stunden  Nahrungszufuhr.  Hart- 
näckige Obstipation,  hochgradige  Abmagerung  nach  ein  paar  Tagen. 

Den  5.  März  erfolgt  der  Tod  aus  Erschöpfung,  14  Tage  nach  der 
Operation, 

Die  S  e  c  t  i  0  n  ergiebt  hochgradige  Anämie ;  2  Zoll  hohe ,  ringförmige 
krebsige  Striktur  des  Oesophagus  1^/4  Zoll  oberhalb  der  Cardia.  Magen  wände 
in  der  Umgebung  der  Wunde  hyperämisch,  sonst  normal.  Fistel  nahe  der  grossen 
Curvatur,  2^2  Ctm.  vom  Pylorus  entfernt. 

XXIV.     Sydney   Jones    1875. 
The  L  a  n  c  e  t  1875.    I.  p.  678. 

Sydney  Jones  führte  am  3.  März  1875  in  St.  Thomas's  Hospital  die 
Gastrostomie  aus  bei  einem  67jährigen  Manne,  der  seit  10  Monaten  an  Schhng- 
beschwerden  litt;  seit  7  Monaten  Unfähigkeit  feste  Nahrung  zu  schlucken,  seit 
4  Monaten  Verlust  der  Stimme.  Impermeable  Strictur  im  Anfang  des  Oesophagus. 
Bei  nach  vorn  gebeugtem  Kopfe  kann  man  links  von  der  Trachea  hinter  dem 
Slernalende  des  Schlüsselbeins  eine  harte  Geschwulst  fühlen.  Hochgradige  Ab- 
magerung. Bauch  stark  eingesunken.  Viel  Hungergefühl  und  Schmerzen  in  der 
Magengrube.  Die  Beschwerden  beim  Schlingen  in  Zunahme.  Puls  96,  bisweilen 
aussetzend. 

Sydney  Jones  empfiehlt  den  Einschnitt  in  einer  Linie ,  welche  vom 
äusseren  Rand  der  linken  Brustwarze  zum  äusseren  Rand  der  linken  spina  ossis 
pubis  gezogen  wird.  Schnitt  ca.  372  Zoll  lang,  1  Zoll  unter  den  Rippenknorpeln 
beginnend,  verläuft  am  äusseren  Rand  des  musc.  rectus.  Geringe  Blutung.  Der 
Magen  wird  leicht  gefasst,  mit  Zeigefinger  und  Daumen  herausgezogen.  Die  Mageu- 
wunde  wird  mit  Nähten  an  die  Bauch  wunde   fixirt;   die  Bauch  wunde  oben  und 


124  Dl"-  F«  F-  Kaiser. 

unten  vernäht.  Gleich  nach  der  Operation  Klystier  von  Milch ,  Brandy  und  ^jz 
Drachme  Opiumtinktur.     Alle  4  Stunden  ein  Clysma. 

Den  5.  März :  Patient  hat  keine  Schmerzen ;  von  Zeit  zu  Zeit  Krämpfe 
der  Bauchmuskeln.    Patient  raucht  Tabak. 

Den  6.  Euphorie ;  Entfernung  der  Nadeln ;  etwas  Röthung  der  Wunde. 
Entleerung  klarer,  neutral  reagirender  Flüssigkeit  aus  der  Fistel  heim  Husten. 

Den  8.  Erstmals  Ernährung  durch  die  Fistel  (1  Unze  Milch  mit  Brandy). 
Nähte  durchgeeitert. 

Den  10.  Keine  Spannung  des  Bauches;  Patient  erhält  Nahrung  in  den 
Mund;  Ernährung  durch  die  Fistel  und  Klystiere  (zu  je  6  Unzen  Milch  und 
1  Unze  Brandy),  dabei  raucht  Patient  sehr  viel. 

Den  14.  werden  2  und  den  15.  die  übrigen  Nähte  entfernt. 

Den  23.  Täglich  zweimal  Nahrung  durch  die  Fistel ;  Clysmata  werden 
fortgesetzt;  Eis,  Milch  und  Gele  in  den  Mund. 

Den  26.  steht  Patient  auf. 

Den  4.  April  Avirft  Patient  etwas  Blut  aus;  reichliche  Expectoratiön. 

Den  12.  April.  Seit  gestern  hat  die  Expectoratiön  plötzhch  aufgehört. 
Der  Tod  erfolgt  heute  1  Ulu"  Mittags;  40  Tage  nach  der  Operation. 

Bei  der  Section  findet  sich:  Krebs  vom  oberen  Rand  des  Ringknorpels 
3^2  Zoll  abwärts;  der  linke  Schilddrüsenlappen  infiltrirt.  Viel  Schleim  in  den 
Lungen.    Vereinigung  zwischen  Magen  und  Bauchwand  solid.    Tod  durch  Bronchitis. 

XXV.     Waren    Tay  1875. 
The  Lancet  1875,  II.    p.  527.     Gastrotomy  for  Cancer  of  the  Oesophagus. 

Sara  B.,  34  Jahre  alt,  gesund  bis  vor  9  Monaten,  wo  plötzlich  Schling- 
beschwerden auftraten ;  drei  Monate  später  heftige  Schmerzen  bei  der  Aufnahme 
fester  Nahrung ,  welche  an  der  Magengrube  einem  Hinderniss  begegnete  und 
wieder  ausgeworfen  wurde ;  Flüssigkeiten  werden  ohne  Schmerz  geschluckt. 

Bei  der  Aufnahme  im  London  Hospital  am  16.  April  1875  ist  Patientin 
hochgradig  abgemagert  und  anämisch;  sie  klagt  über  Hunger  und  noch  mehr 
über  Durst.  Die  eingeführten  Bougies  werden  15^2  Zoll  hinter  den  Zähnen 
angehalten.  Bauch  eingesunken.  Unmittelbar  unter  dem  Schwertfortsatz  werden 
kleine  Knoten  wie  geschwollene  Lymphdrüsen  gefühlt.  Milch  wird  sofort  wieder 
erbrochen.  Die  Ernährung  geschieht  hauptsächlich  durch  Klystiere,  die  aber  nur 
mit  Brandy-  und  später  mit  Pepsinzusatz  ertragen  werden.  Im  Juni  gelingt  es 
vorübergehend  die  Sonde  einzuführen  und  dadurch  Nahrung  einzuflössen. 

Den  30.  August  1875  wird  von  Waren  Tay  die  Gastrostomie  ausgeführt. 
Zwei  Zoll  langer  Längsschnitt  am  äussern  Rand  des  hnken  musc.  rectus,  am 
Rippenbogen  anfangend.  Der  Magen  wird  ohne  Schwierigkeit  gefunden  und  an 
die  Bauchwand  befestigt  wie  der  Darm  bei  der  Golotomie.  Erhebliche  Blutung 
bei  der  Eröffnung  des  Magens,  2  Ligatui'en.  Eine  Gummicanüle  wird  in  die 
Fistel  eingelegt.     Nach  der  Operation  Klystiere. 

Abends  10  Uhr  wird  Eis  und  1  Unze  Milch  in  den  Magen  eingeführt, 
ohne  Schmerz. 

Den  31.  wird  warme  verdünnte  Milch  eingeführt;  eine  grosse  Menge  Magen- 
saft fliesst  aus.  Die  Ganüle  wird  zugestopft  und  der  Patient  in  rechte  Seitenlage 
gebracht.  Abends  Coma ;  Puls  144.  Der  Leib  erscheint  stark  aufgetrieben.  Der 
Tod  erfolgt  10  Uhr  Abends. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^25 

Die  Section  ergiebt :  Magenvvinule  ungefähr  in  der  Mitte  der  Vorder- 
vvand ;  das  untere  Ende  nahe  der  grossen  Curvatur.  Die  Ränder  der  Bauchwunde 
adhärent.  Peritoneum  in  der  Umgebung  congestionirt ;  frisches  Exsudat  auf  dem 
rechten  (?)  Leberlappen  und  dem  Magen.   Adhäsionen  zwischen  Leber  und  Magen. 

Am  unteren  Ende  der  Speiseröhre  ein  Medullarcarcinom  ungefähr  2  Zoll 
dick,  1^2  Zoll  über  dem  Magen;  das  Lumen  durch  weiche  saftige  Gewebstrümmer 
verlegt.  —  Beginnende  Phthise. 

XXVL    Heath  1875. 
The  Medical  Times  and  Gazette,  1876,  IL  p.  137. 

J.  L.,  47jähriger  Mann,  hat  erst  seit  6  Wochen  Erscheinungen  von  Dys- 
phagie, die  sich  trotz  allgemeiner  und  localer  Behandlung  rasch  steigerten. 
Nachdem  der  Patient  9  Tage  lang  gar  nichts  mehr  geschluckt  hatte,  machte 
Heath  1875  die  Gastrostomie.  Der  Ernährungszustand  war  noch  gut;  noch 
reichliches  Fettgewebe  vorhanden,  aber  schwache  Herzaction.  Die  Operation 
wurde  ohne  Schwierigkeiten  ausgeführt.  Der  Magen  wurde  vor  seiner  Eröffnung 
mit  der  Bauchwunde  vernäht.     Der  Patient  erholte  sich  nicht. 

Der  Tod  erfolgte  20  Stunden  nach  der  Operation  an  Erschöpfung. 

Keine  Spur  von  Peritonitis  bei  der  Section. 

XXVn.     Verneuil  1876. 
Gazette  medicale  de  Paris,  1876,  Nr.  44,  p.  524. 

Ein  17jähriger  junger  Mann  verschluckte  am  4.  Februar  1876  Aetzkalilauge, 
worauf  eine  acute  Oesophagitis  auftrat,  deren  Erscheinungen  nach  14  Tagen 
wieder  ziemlich  verschwanden;  es  blieben  aber  erhebliche  Schlingbeschwerden, 
die  sich  rasch  steigerten. 

Am  31.  März  wurde  der  Patient  in  das  Höpital  de  la  Pitie  aufgenommen. 
Im  Brusttheil  der  Speiseröhre  befindet  sich  eine  Strictur,  die  sich  bei  mehrfachen 
Sondirungsversuchen  als  vollständig  impermeabel  erweist. 

Den  24.  Mai  bei  der  Transferirung  des  Patienten  auf  Verneuil's  Abthei- 
lung hochgradige  Abmagerung,  subnormale  Temperaturen ;  der  Patient  kann  fast 
nichts  schlucken;  was  er  zu  sich  nimmt,  erbricht  er;  Ernährung  durch  Klystiere. 
Vorübergehend  gelingt  es  nach  Einführung  der  Sonde  in  der  Narkose  (8,0  Chloral- 
hydrat)  den  Oesophagus  zu  katheterisiren.  Nach  14  Tagen  war  die  Strictur 
wieder  so  eng  wie  früher.  Rascher  Verfall  der  Kräfte:  der  Patient  droht  aus 
Schwäche  zu  sterben. 

Den  26.  Juli  1876  wird  unter  Lister'schem  Verfahren  von  Verneuil 
die  Gastrostomie  ausgeführt.  5  Gtm.  langer,  schräg  nach  aussen  und  unten  ver- 
laufender Schnitt,  parallel  dem  linken  knorpeligen  Rippenrand.  Ligaturen  mit 
Catgut.  Das  Bauchfell  wird  mit  einer  Hackenpincette  emporgehoben  und  mit  der 
Scheere  eröffnet,  worauf  der  Magen  zu  Gesicht  kommt.  Er  wird  in  die  Wunde 
vorgezogen,  mit  2  Acupuncturnadeln  befestigt.  Die  Ränder  des  Bauchfells  werden 
mit  kleinen  Kornzangen  gefasst  und  darauf  der  Magen  mit  14  Metallnähten  an 
die  Bauchwand  befestigt  und  die  Acupuncturnadeln  wieder  entfernt.  Hierauf 
wird  der  Magen  eröffnet  und  ein  dicker  Kautschukkatheter  7  Gtm.  tief  eingelegt 
und  mit  einer  Metallnaht  an  die  Wunde  befestigt. 

Die  massige  Blutung  wird  durch  Anlegung  von  Pinces  hemostatiques  gestillt 


126  Dl"'  F«  F-  Kaiser. 

lind  darauf  wird  der  Unterleib  mit  Collodium  bestrichen.  Nach  einer  Stunde 
werden  200,0  Gramm  Milch  eingespritzt;  es  läuft  nichts  neben  dem  Katheter  aus. 
Beim  Versuch,  die  Pinces  hemostatiques  wegzunehmen  Blutung;  sie  müssen  wieder 
angelegt  werden.  Verband  mit  Lister-Gaze.  Von  Zeit  zu  Zeit  Garbolspray  auf  die 
Wunde.  Abends :  Entfernung  der  Pinces ;  Einspritzung  von  100,0  Gramm  Milch 
mit  1  Eigelb.     Patient  klagt  über  Schmerzen  im  linken  Hypochondrium. 

In  den  nächsten  Tagen  immer  Nahrungszufuhr  durch  die  Sonde.  Carbol- 
eczem  in  der  Umgebung  der  Wunde,  Garbolurin. 

In  den  ersten  8  Tagen  icterische  Färbung  der  Gonjunctiva.  Das  durch 
die  Nähte  abgeschnürte  Magenstück  ist  gangränös  abgestossen. 

Den  20.  August  steht  Patient  erstmals  auf.  Vom  10.  September  an  ist 
er  immer  auf  und  Patient  kann  als  geheilt  betrachtet  werden.  Das  Körper- 
gewicht nimmt  rasch  zu.  Patient  führt  sich  die  Speisen  durch  die  Fistel  ein. 
Den  Speichel  wirft  er  aus.     Die  Strictur  ist  nicht  durchgängig. 

XXVIII.    Lannelongue   1876. 

Gazette   hebdomadaire    1877,    Avril  13;  Nr.  15,  p.  236.     Academie    de 
medecine;  Seance  du  10  Avril  1877. 

Ein  59jähriger  Mann  bemerkte  plötzhch  Schlingbeschwerden.  Innerhalb 
6  Monaten  nahmen  dieselben  so  rasch  zu,  dass  er  kaum  mehr  einige  Löffel 
Milch  schlucken  konnte.  Das  Hinderniss  lag  in  der  Mitte  des  Brusttheils  der 
Speiseröhre.    Ausserordentliche  Abmagerung,  keine  cachektische  Farbe. 

Lannelongue  von  Bordeaux  macht  die  Gastrostomie.  Diese  wird  leicht 
ausgeführt  und  Patient  durch  die  Fistel  regelmässig  gefüttert. 

Tod  am  26.  Tag  an  Asphyxie  in  Folge  der  Perforation  des  Oesophagus- 
carcinomes  in  einen  Bronchus.  Der  Magen  an  die  Bauchwand  adhärent.  Der 
Operationserfolg  war  vollständig. 

XXIX.    Gallen  der   1876. 

The  american  Journal  ofmedical  seien  ces,  July  1877,  p.  258. 
The  Lancet,  1877,  April  14. 

Bobert  B.,  39  Jahre  alt,  litt  erstmals  im  Februar  1876  an  Schlingbeschwer- 
den, Seit  dem  12.  August  kann  er  keine  feste  Nahrung  mehr  schlucken.  Auf- 
nahme in  St.  Bartholomew's  Hospital  den  16.  October.  Patient  sehr  abgemagert, 
hat  über  V«  seines  Körpergewichtes  verloren.  Bei  den  letzten  Bougirungen  kam 
etwas  Blut.  —  Tumor  nicht  nachweisbar ;  bis  zum  26.  October  kann  ein  dünnes 
Bougie  eingeführt  werden.  Den  28.  Blut  im  Auswurf;  Palpation  des  Magens 
schmerzhaft;  viel  Husten. 

Nachdem  Patient  7  Tage  lang  nur  mit  Klystieren  ernährt  worden  war, 
macht  Gallender  am  6.  November  1876  die  Gastrostomie.  Der  Magen  wird 
leicht  gefasst  und  vorgezogen,  mit  einigen  Silbernähten  an  die  vordere  Bauchwand 
angeheftet  und  erst  dann  eröffnet.  Vernähung  der  Magenwunde  mit  der  Bauch- 
wunde mit  8  Silbernähten.  Eine  Kautschukcanüle  von  3  Zoll  Länge  und  ^2  '^"" 
Dicke  wird  in  den  Magen  eingelegt,  aber  nach  7  Stunden  entfernt.  Dauer  der 
Anästhesie  80  Minuten.  Carbolöl verband.  Abends  11  Uhr  Entleerung  reichlicher 
dunkel  gallig  gefärbter  und  dünner  röthlicher  Flüssigkeit. 

Den  7.  quälender  Husten;  sonst  fühlt  sich  der  Patient  sehr  wohl. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^27 

Den  8.  Gestern  und  heute  Einspritzung  von  Nahrung  in  den  Magen.  Ex- 
coriationen  am  unteren  Wundwinkel.     Bauch  nicht  gespannt. 

Am  9.  Schwäche.  Schmerzen  im  ganzen  Bauch,  Husten,  Delirien.  Aus- 
waschung des  Magens  mit  warmem  Carbolwasser  (1:70),  darauf  wird  wieder 
Nahrung  in  den  Magen  gebracht  und  grösstentheils  zurückbehalten. 

Den  10,,  91  Stunden  nach  der  Operation,  erfolgte  der  Tod. 

Bei  der  Section  findet  man  eine  etwas  über  2  Zoll  lange  ulcerirte  Strictur 
im  unteren  Theil  der  Speiseröhre.  Die  Infiltration  war  auf  den  Herzbeutel  über- 
gegangen. Allgemeine  Peritonitis,  am  intensivsten  in  den  oberen  Abschnitten. 
Leber  verfettet  und  cirrhotisch, 

XXX.     Trendelenburg  1877. 

Nach  einer  gütigen  Notiz  von  Herren  Professor  Czerny  über  den  von  Trendelen- 
burg am  19.  Sept.  1877  auf  der  Naturforscher-Versammlung  zu  München 
gehaltenen  Vortrag. 

Ein  Knabe  von  8  Jahren  hatte  sich  vor  einem  Jahre  durch  Schwefelsäure 
verätzt  und  eine  impermeable  Strictur  über  dem  Magen  acquirirt.  Am  28.  März 
1877  wurde  die  Bauchhöhle  geöffnet,  der  Magen  vorgezogen  und  mit  15  Seiden- 
nähten kranzförmig  in  die  Hautwunde  genäht,  dann  eröffnet  und  ein  Kautschuk- 
rohr eingelegt.  Es  erfolgte  kein  Erbrechen ,  obzwar  von  demselben  wegen  der 
dichten  Naht  keine  Ruptur  zu  besorgen  war. 

In  den  ersten  Tagen  wurde  die  Ernährung  durch  Clysmata  besorgt,  dann 
erst  durch  die  Fistel.  Wegen  Durchfalls,  der  bis  Mitte  Juni  dauerte,  erholte  sich 
der  Kranke  anfangs  nur  langsam,  hat  aber  bis  jetzt  um  ein  Viertel  seines  Ge- 
wichtes zugenommen. 

Trendelenburg  zieht  entgegen  Schönborn  eine  kleine  Oeffnung  vor, 
welche  durch  ein  Kaulschukrohr  ganz  verschlossen  wird.  Die  Ernährung  wird 
so  bewerkstelligt,  dass  der  Kranke  seine  Nahrung  selbst  kaut  und  dann  mit  Hülfe 
eines  Kautschukrohres,  an  welchem  ein  Reagensglas  als  Mundstück  sich  befindet, 
die  Speisen  selbst  in  den  Magen  würgt. 

XXXI.     Schönborn  1877, 
The  London  Medical  Record  1877,  Aug,  15,  p.  338. 

Schönborn  machte  im  Frühjahr  1877  wegen  Garcinom  des  Oesophagus 
die  Gastrostomie.  Vor  der  Operation  wurde  der  Magen  nach  Dr.  Schreiber's 
Vorschlag  mit  einem  Gummiballon  ausgedehnt. 

Schönborn  vernähte  die  Magenwundränder  mit  der  Bauchwunde;  machte 
einen  Verband  mit  antiseptischer  Gaze, 

Am  4.  Tag  etwas  Collaps,  kein  Fieber.  Am  Ende  des  4.  Tages  entfernte 
er  die  Nadeln  und  gab  dem  Patient  wegen  der  Schwäche  mehr  Nahrung,  Am 
10.  Tag  entfernte  er  alle  Nähte. 

Es  besteht  eine  4 — 5  Ctm.  lange  Fistel  für  die  Nahrungsaufnahme. 

Der  Patient  lebt  noch  3  Monate  nach  der  Operation;  ass  täglich  3  Beef- 
steaks ,  die  er  erst  kaut  und  dann  mit  dem  Löffel  durch  die  Fistel  einschüttet. 
Patient  ist  immer  durstig. 

Die  beste  Methode  ist  nahe  der  Mittellinie  parallel  zum  linken  Rippenbogen 
einzuschneiden. 


128  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

II.     Zusammenstellung  der  Gastrostomieen. 


Operateur 


Krankheit 


Operation 
und  Nachbehandlung 


Sedillot        1819 


Cooper 
Forster 


Cooper 
Forster 


Sydney 
Jones 


Curling 


Sydney 
Jones 


Bryant 


Mackenzic 
Troup 


Haury 


18C7 
1867 


Epitheliom  des  unteren 
Theiles  des  Oesophagus ; 
Strictur  impermeabel.  — 
Dauer  :  1  Jahr. 

Carcinom  des  mittleren 
Theiles  des  Oesophagus ; 
Strictur  impermeabel,  — 
Dauer :  9  Monate. 


Carcinom  des  unteren 
Theiles  des  Oesophagus  ; 
Strictur  impermeabel.  — 
Dauer  :  einige  Jahre. 

Carcinom  im  Halstheil 
des  Oesophagus  ;  Strictur 
impermeabel.  —  Dauer : 
6  Monate. 


Narbenstrictur  des  Oeso- 
phagus ;  besteht  seit  51^2 


Carcinom  im  oberen 
Theile  des  Oesophagus ; 
Strictur  impermeabel.  — 
Dauer:  1  Jahr. 


Epitheliom  des  unteren 
Theiles  des  Oesophagus ; 
Strictur  impermeabel.  — 
Dauer:  ca.  10  Monate. 


Carcinom  des  Brust- 
theils ;  Strictur  imper- 
meabel.  —  Dauer  :      2  lA 


Carcinom  im  mittleren 
Theil ;  Strictur  impermea- 
bel. —  Dauer :  4  Monate. 


Syphilit.(?)  Geschwür  im 
oberen  Theil.  —  Dauer ; 
6  Monate. 


Skirrhus  des  unteren 
Theiles  des  Oesophagus. 

Epitheliom  des  unteren 
Theils;  Strictur  imper- 
meabel. —  Dauer  :  circa 
1   Jahr. 


Carcinom  im  mittleren 
Theil ;  Strictur  imper- 
meabel. —  Dauer ;  mehrere 
Monate. 


Syphilitische  (?)  Strictur 
der  Cardia ;  Strictur  im- 
permeabel. -  Dauer;  13 
Monate. 


Carcinom  des  oberen 
Abschnittes;  Strictur  im- 
permeabel. -  Dauer :  9  Mo- 
nate. 


Kreuzschnitt ;  Magen  nicht 
angenäht.  Canüle  eingelegt. 
Nahrung  wird  durch  die  Ca- 
nüle eingeführt. 

Kreuzschnitt ;  oberfiäcliliche 
Nähte;  Magen  In  die  Pincette 
gefasst.  Am  Bten  Tag  Brand- 
schorf entfernt  und  Ernährung 
durch  die  Fistel. 

Schräger  Schnitt ;  Magen 
■wird  angenäht.  Sofort  Ernäh- 
rung durch  die  Fistel. 


Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand ;  Magen  erst  angenäht, 
dann  eröffnet.  Sofort  Ernäh- 
rung durch  die  Fistel. 


Schnitt  dem  äusseren  Rand 
des  musc.  rectus  entsprechend. 
Sofort  Ernährung  durch  die 
Fistel  u.  ernährende  Klystiere. 

Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand  ;  Vernähung  des  Magens 
nach  der  Eröffnung.  Canüle 
eingelegt.  Sofort  Ernährung 
durch  dieselbe. 

Schräger  Schnitt ;  Magen  mit 
der  Bauchwand  vernäht.  Er- 
öffnung des  Magens  am  folgen- 
den Tag,  und  sofort  Einführung 
von  Nahrung. 

Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand ;  Magen  eröffnet ,  dann 
angenäht ;  sofort  Ernährung 
durch  die  Fistel. 

Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand ;  Magen  durch  2  Nähte 
fixirt,  dann  eröffnet  und  um- 
säumt. Sofort  Ernährung  durch 
die  Fistel. 

Schräger  Schnitt ;  Magen  mit 
Zapfennaht  an  dieBauchwand 
befestigt. 


Gerader  Längsschnitt  links 
von  der  linea  alba  Aufsuchung 
des  Magens  schwierig.  Magen- 
wunde  an  die  Bauchwunde  ge- 
näht. Trachealcanüle  einge- 
legt; sofort  Ernährung  durch 
die  Fistel. 

Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand.  Magenwunde  mit  der 
Bauchwunde  sorgfältig  ver- 
näht: sofort  Ernährung  durch 
die  Fistel. 

Nach  innen  convexer  Bogen- 
schnitt.  Zahlreiche  Silberdraht- 
nähte fixiren  die  Magenwunde 
an  die  Bauchwunde.  Canüle 
eingelegt;  sofort  Ernährung 
durch  die  Fistel 

Kreuzschnitt;  Magen  mit  4 
Silberdrahtnähten  an  d.  Bauch- 
wunde fixirt.  Canüle  einge- 
legt; ernährende  Klystiere. 


Tod  nach  21  Stunden  (an 
Erschöpfung?).  Keine  Perito- 
nitis. 


Tod  am  lOten  Tag  nach  der 
Operation.  Allgemeine  eitrige 
Peritonitis  (infectiüs?). 


Tod  ü8  Stunden  nach  der 
Operation.  Partielle  Peritoni- 
tis; noch  keine  Adhäsionen. 
Keine  Metastasen. 

Tod  4t  Stunden  nach  der 
Operation.  Keine  Peritonitis ; 
leichte  Adhäsionen  an  der 
Wunde.    Linksseitige  Pneumo- 


Tod  am  4ten  Tag.  Allge- 
meine Peritonitis  (durch  Aus- 
tritt von  Mageninhalt).  Wenig 
Adhäsionen. 

Tod  36  Stunden  nach  der 
Operation.  Keine  Peritonitis. 
Verklebungen  zwischen  Magen- 
und  Bauchwunde. 


Tod  47  Stunden  nach  der 
Operation.  Circumscripte  Pe- 
ritonitis in  der  Umgebung  der 
Wunde.  Magenserosa  vollstän- 
dig mit  der  Haut  verklebt. 

Tod  32  Stunden  nach  der 
Operation  an  Erschöpfung. 
Keine  Peritonitis.  Carcinom 
in  den  rechten  Bronchus  durch- 
gebrochen. 

Tod  am  12ten  Tag  nach  der 
Operation  an  Pneumonie.  — 
Keine  Spur  von  Peritonitis ; 
Magen-  und  Bauchwunde  voll- 
ständig gebeilt.  —  Krebsmeta- 
stase in  der  linken  Niere. 

Tod  am  6ten  Tag  (130  Stun- 
den) nach  der  Operation.  Keine 
Peritonitis.  Magen-  u.  Bauch- 
wunde verwachsen.  —  Rechts 
croupöse  Pneumonie  und  Ca- 
vernen. 

Tod  36  Stunden  nach  der 
Operation,  an  Erschöpfung. 

Tod  am  4ten  Tag  nach  der 
Operation.  Keine  Peritonitis. 
Adhäsionen  an  der  Fistel. 


Tod  16  Stunden  nach  der 
Operation  an  Erschöpfung. 
Keine  Peritonitis.  Oesophagus- 
carcinom  in  die  Trachea  per- 
forirt. 

Tod  14  Stunden  nach  der 
Operation  an  Erschöpfung.  — 
Keine  Peritonitis. 


Tod  am  Sten  Tag.  Keine  Spur 
von  Peritonitis,  Gerinn.'el  in 
der  Aorta. 


Beiträge  zu  Jen  Operationen  am  Magen. 


129 


II.     Zusammenstellung  der  Gastrostomieen. 


Operateur     Jahr 


Krankheit 


Operation 
und  Nachbehandlung 


Aus  gang 


Tosias 
Smith 


Mao 
Cormac 


Le  Gros 
Clark 


Bryant  (?) 


Saunders 
ref. 


Hjort 


Sydney 
Jones 


Waren 
Tay 


Lanne- 
longue 


Callender     1876 


Trendelen- 
burg 


Schön- 
born 


Carcinom  im  mittleren 
Abschnitt ;  Strictur  im- 
permeabel. —  Dauer  :  8 
Monate. 


j  unteren 
Abschnitt ;  Strictur  im- 
permeabel. -  Dauer :  12 
Monate. 

Epitheliom  im  mittle- 
ren Theil ;  Strictur  imper- 
meabel. 


Carcinom  im  oberen  und 
unteren  Abschnitt :  Stric- 
tur impermeabel.  —  Dauer: 
1  Jahr. 


Carcinom  des  oberen 
Abschnittes. 

Skirrhus  im  oberen  Ab- 
schnitt. Permeabel  für  ca. 
Nr.  18  —  Dauer  ;  5  M«nate. 


Epitheliom  im  unteren 
Abschnitt:  Strictur  im- 
permeabel. —  Dauer :  3/^ 
Jahre. 


Carcinom  im  unteren 
Abschnitt;  Strictur  im- 
permeabel. -  Dauer  der 
Krankheit  :  5  Monate. 


Carcinom  im  oberen 
Abschnitt.  -  Dauer:  10 
Monate. 


Carcinom  des  unteren 
Abschnittes ;  Strictur  im- 
permeabel. -  Dauer  :  14 
Monate. 


Epitheliom. 


Impermeable  Narben- 
strictur.  -  Dauer  :  5  l/a 
Monate. 


Carcinom  des  mittleren 
Theils.  -  Dauer  :  6  Monate. 


Carcinom  des  unteren 
Abschnittes  ;  Strictur  im- 
permeabel. —  Dauer :  10 
Monate. 

Impermeable  Narben- 
strlctur;  besteht  1  Jahr. 


Kautschukcanüle    eingelegt. 
(Viel  Husten.) 


Magen-  und  Bauchwunde  ver- 
näht ;  sofort  Nahrung  durch 
die  Fistel  eingeführt. 


Nahrung  erst  30  Stunden 
nach  der  Operation  eingeführt. 
(Viel  Husten.) 


Schnitt  dem  Rippenbogen 
parallel.  Zapfennaht  und  sorg- 
fältige Umsäumung  der  Magen- 
wunde an  die  Haut. 


Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand.  Magenwunde  mit  8 
Seidennähten  an  die  Bauch- 
wand befestigt.  Erste  Nahrung 
durch  die  Fistel  am  .5ten  Tag. 

Schnitt  parallel  dem  Rippen- 
bogen :  6  tiefe  und  8  ober- 
flächliche Nähte  zur  Vereini- 
gung des  Magens  mit  den 
Bauchdecken ;  sofort  Ernäh- 
rung durch  die  Fistel. 

Schnitt  in  der  linea  alba. 
4  Draht-,  sonst  Seidennähte  zur 
Vernähung  von  Magen  an  die 
Bauchwunde.  Canüle  einge- 
legt :  sofort  Ernährung  durch 
die  Fistel. 

Schnitt  am  äusseren  Rectus- 
rand ;  Magenwunde  wird  an 
die  Bauchwunde  befestigt.  Er- 
nährende Klystiere.  Den  6ten 
Tag  erstmals  Ernährung  durch 
die  Fistel. 

Schnitt  am  äusseren  Rectns- 
rand ;  Magen  mit  der  Bauch- 
wand vernäht.  Canüle  einge- 
legt. Am  gleichen  Tag  Ein- 
führung von  Nahrung  durch 
die  Fistel. 

Der  Magen  wird  vor  der 
Eröffnung  mit  der  Bauchwand 
vernäht. 

Schnitt  parallel  dem  Rippen- 
bogen :  Magen  mit  14  Metall- 
nähten an  die  Bauchwand 
fixirt.  Gummikatheter  bleibt 
liegen  ;  sofort  Ernährung  durch 
die  Fistel. 

Nahrungsaufnahme  durch  die 
Fistel. 


Silbernähte,  Canüle  einge- 
legt. Ernährung  durch  die 
Fistel.     (Husten). 


Tod  nach  11  (?)  Tagen  an 
Peritonitis.  Magen  adhärent  an 
der  Bauchwand. 


Tod  4-5  Stunden  nach  der 
Operation.  Keine  Spur  von 
Peritonitis.  Verklebungen  in 
der  Umgebung  der  Fistel. 

Tod  6  Tage  nach  der  Ope- 
ration. Etwas  Peritonitis  in 
der  Umgebung  der  Wunde.  — 
Perforation  in  die  Trachea. 

Tod  am  folgenden  Tag  an 
Pneumonie.  Keine  Peritonitis. 
Geringe  Adhäsionen  an  der 
Wunde.  Bronchopneumonie 
beider  Lungen. 

Tod  nach  einem  Tag. 


Tod  am  lOten  Tag  an  Septi- 
cämie  nach  Erysipel.  Keine 
Peritonitis.  Adhäsionen  an  der 
Fistel. 


Tod  24  Stunden  nach  der 
Operation  an  Erschöpfung.  — 
Keine  Peritonitis.  Verklebun- 
gen um  die  Wunde. 


Tod   14  Tage  nach  der  Ope- 
ration an  Erschöpfung. 


Tod  40  Tage  nach  der  Ope- 
ration an  Bronchitis.  Keine 
Peritonitis.  Solide  Vereinigung 
von  Magen-  und  Bauchwand. 


Tod  2  Tage  nach  der  Ope- 
ration. Partielle  Peritonitis  in 
der  Umgebung  der  Wunde. 
Verklebungen  an  der   Wunde. 


Tod  20  Stunden  nach  der 
Operation  an  Erschöpfung.  — 
Keine  Peritonitis. 

Heilung  in  einigen  Wochen. 


Tod  am  26ten  Tag  in  Folge 
von  Perforation  des  Carcinoms 
in  einen  Bronchus.  Opera- 
tionserfolg war  vollständig. 

Tod  91  Stunden  nach  der 
Operation.  Allgemeine  Peri- 
tonitis. Metastase  (?)  in  der 
rechten  Nebenniere. 


Magen  erst  kranzförmig  mit 
der  Bauchwand  vernäht,  dann 
eröffnet. 

Magen  durch  einen  Gummi- 
ballon markirt. 


Heilung. 


Heilung.    Lebt  noch  nach  3 
Monaten. 


Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie. 


130  r^i'-  F.  F.  Kaiser.  ^ 

Die  gegebene  Zusammenstellung  umfasst  31  Fälle  von  Gastro- 
stomie. Dieselbe  wurde  23  mal  an  Männern  und  7  mal  an  Weibern 
ausgeführt.  Die  Indication  zur  Operation  wurde  26  mal  durch  Gar- 
cinom ,  2  mal  durch  Syphilis  und  3  mal  durch  Narbenstrictur  des 
Oesophagus  gegeben. 

Ueberblicken  wir  die  Tabelle,  so  finden  wir  28 mal  als  Erfolg 
der  Operation  den  tödtlichen  Ausgang  verzeichnet  und  nur  3  mal 
ist  Heilung  erfolgt.  Bei  näherer  Betrachtung  der  Todesursachen 
ist  aber  der  Erfolg  doch  nicht  so  entmuthigend,  als  es  auf  den  ersten 
Blick  erscheint,  denn  in  der  Mehrzahl  der  tödtlich  verlaufenen  Fälle 
ist  der  Tod  dem  Zustande  äusserster  Erschöpfung,  der  Inanition 
der  Patienten  und   nicht  dem   chirurgischen  Eingriffe  zuzuschreiben. 

Von  den  3  Patienten  mit  Narbenstrictur  wurden  2  geheilt; 
allerdings  ist  nur  in  einem  Falle  von  Gastrostomie  bei  Oesophagus- 
carcinom  Heilung  verzeichnet,  allein  die  von  manchen  Seiten  für 
unausbleiblich  gehaltene  allgemeine  Peritonitis  ist  nur  in  3  Fällen 
(2,  5,  29)  wirklich  eingetreten.  Partielle  Peritonitis  fand  sich  im  3., 
7.,  16.  und  25.  Fall.  In  den  anderen  Fällen  ist  meist  ausdrücklich 
verzeichnet,  dass  keine  Peritonitis  vorhanden  war. 

Ohne  zu  sanguinisch  vorgehen  zu  wollen,  glaube  ich  doch 
folgende  Fälle,  bei  denen  der  Tod  durch  Complicationen  veranlasst 
wurde ,  trotz  des  erfolgten  tödtlichen  Ausganges  als  gelungene 
Operationsresultate  ansehen  zu  müssen:  den  2.  und  3.  Fall  von 
Sydney  Jones  (Fall  6  und  24),  wo  am  12.  beziehungsweise  40. 
Tage  nach  der  Operation  der  Tod  an  Pneumonie  resp.  Bronchitis 
erfolgte;  ferner  den  Fall  10  (Bryant),  wo  der  Patient  am  6.  Tage 
an  croupöser  Pneumonie  starb,  und  den  Fall  28  (Lannelongue), 
wo  der  Tod  am  26.  Tage  an  Asphyxie  durch  Perforation  des  Gar- 
cinoms  in  einen  Bronchus  bedingt  war. 

Sedillot  war  der  erste,  der  den  schon  von  früheren  Autoren 
gemachten  Vorschlag  der  Anlegung  einer  Magenfistel  zur  künstlichen 
Ernährung  ausführte.     In  einer  sehr  gründlichen  Abhandlung^),  die 


*)  Gazette  medicale  de  Paris  1847,  Nr.  1  etc.    Des  cas  auxquels  l'operation 
de  la  gastrostoniie  est  applicable  par  le  professeur  Sedillot. 

S  e  d  i  11  0  t ,  Gontributions  ä  la  Chirurgie,  Paris  1868,  II,  p.  398. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  131 

er  im  Jahre  1846  der  Academie  der  Wissenschaften  in  Paris  vorlegte, 
hatte  er  die  Berechtigung  und  Ausführbarkeit  dieser  Operation  und 
ihre  Indicationen  ausführlich  erörtert  und  er  machte  im  Jahre  1849 
und  1853  2mal  die  Gastrostomie,  leider  beide  Male  ohne  günstigen 
Erfolg. 

In  seiner  operativen  Chirurgie  ^)  erwähnt  er  noch  kurz  einen 
dritten  Fall  von  exulcerirtem  Epitheliom,  der  2  Tage  nach  der 
Operation  an  beginnender  Peritonitis  starb.  Näheres  über  diesen 
Fall  konnte  ich  nirgends  finden. 

Unabhängig  von  Sedillot  hat  F enger  nach  sorgfältigen 
Vorstudien  im  Jahre  1853  die  Gastrostomie  ausgeführt,  ebenfalls  mit 
ungünstigem  Ausgang.  Seitdem  ist  sie  noch  28mal ,  meist  von  eng- 
lischen Chirurgen  wiederholt  worden.  Die  meisten  Operateure  führten 
sie  ohne  alle  Schwierigkeit  aus.  Die  Operation  erwies  sich  als  über- 
raschend leicht. 

Es  ist  somit  heut  zu  Tage  nicht  mehr  nöthig,  die  Ausführbar- 
keit der  Gastrostomie  oder  die  Möglichkeit  der  Ernährung  durch  eine 
Magenfistel  zu  beweisen,  nachdem  darüber  schon  genügend  Erfah- 
rungen vorliegen. 

Die  Indication  zur  Gastrostomie  wird  gegeben  durch  die 
Unfähigkeit  zu  schlucken  in  Folge  von  Verschluss  des  Oesophagus, 
wenn  das  Hinderniss  sich  nicht  durch  eine  Operation  vom  Halse 
aus  erreichen  und  entfernen  lässt,  wenn  also  in  Folge  der  Dysphagie 
der  Tod  durch  Inanition  in  Aussicht  steht. 

Die  Verengerung  resp.  der  Verschluss  des  Oesophagus  kann 
bedingt  sein: 

1)  durch  angeborenen  Defect, 

2)  durch  Narben  nach  Verwundungen  und  Entzündungen, 

3)  durch  Neubildungen  im  Oesophagus   selbst  oder  in  seiner 
Umgebung, 

4)  durch  festgekeilte  Fremdkörper. 

Wenn  bei  Neugeborenen  der,  wie  es  scheint,  sehr  selten  vor- 
kommende Defect   eines  Theiles   der   Speiseröhre  constatirt   werden 


^)  Sedillot,  Traite  de  medecine  opöratoire,  Paris  1866,  Tome  II,  p.  307. 


132  Dr.  F,  F.  Kaiser. 

kann ,  so  wird  man  immerhin  versuchen  müssen,  durch  Bildung 
einer  bleibenden  Magenfistel  das  Kind  vor  dem  Hungertode  zu 
retten.  Es  sind  ja  mehrere  Fälle  bekannt,  wo  bei  Neugeborenen 
die  Colotomie  bei  Verschluss  des  Afters  mit  Erfolg  ausgeführt 
wurde,  warum  sollte  nicht  auch  die  Gastrostomie  in  einem  dringenden 
Falle  versucht  werden? 

Narbenstricturen  nach  dem  Verschlucken  von  kaustischen  Al- 
kalien oder  Mineralsäuren  sind  nicht  gerade  selten.  In  hochgradigen 
Fällen  wird  trotz  Katheterismus  die  Strictur  immer  enger  und 
schliesslich  impermeabel,  so  dass  das  einzige  bei  tiefer  gelegenen 
Stricturen  in  Erwägung  kommende  Mittel,  die  Oesophagotomia  interna, 
nicht  mehr  ausführbar  ist  ^). 

Es  bleibt  somit,  wenn  man  die  Patienten  vor  dem  Hungertode 
retten  will,  als  einziges  Mittel  die  Gastrostomie,  die  hier  bleibende 
Hülfe  schaffen  kann  und  gerade  bei  diesen  Fällen  wird  sich  die 
Gastrostomie,  wenn  auch  jetzt  noch  vielfach  bekämpft,  unzweifelhaft 
bewähren.  Die  Exstirpation  einer  narbig  verengerten  Stelle  ist  nur  am 
oberen  Theile  der  Speiseröhre  ausführbar  und  nur  dann  anzurathen, 
wenn  man  sicher  wäre,  dass  keine  weiteren  Stricturen  sich  unter- 
halb befinden. 

Bei  weitem  die  grösste  Zahl  der  Operirten  litt  an  carcinoma- 
töser  Strictur  des  Oesophagus  und  nur  2mal  waren  es  anderweitige 
Tumoren  (syphilitischer  Natur?),  welche  zur  Gastrostomie  Veran- 
lassung gaben. 

Die  Frage   nach  der  Zulässigkeit   der  Operation   bei   Carcinom 

wird  von  den  meisten   deutschen  Autoren,   die   sie  ja  nicht  einmal 

bei  Narbenstricturen  empfehlen,  verneint.     Vergl.  Günther  a.  a.  0. 

•  Auch  G  a  1 1  a  r  d  ^)  erblickt   in  den   carcinomatösen  Stricturen 

eine  formale  Gontraindication  gegen  die  Operation. 

Bei  Carcinom  bringt  allerdings  die  Operation  keine  radicale, 
sondern  nur  eine  temporäre  Hülfe.  Sie  sichert  den  Patienten  we- 
nigstens vor  dem  schrecklichsten  Tode,  dem  durch  Verhungern  und 


*)  Vergl.  oben  Dr.  Braun.     Oesophagotomia  interna,  S.  70. 
2)  Gallard,    Sur   le    retrecissement    de    l'oesophage.     L'union    medicale, 
Paris  1869,  p.  209. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  133 

Verdursten.  Und  so  berichten  auch  die  meisten  Operateure,  dass 
die  von  ihren  Tantalusqualen  durch  die  Operation  befreiten  Patien- 
ten sich  nachher  in  einem  Zustande  relativer  Euphorie  befanden,  wie 
sie  ihn  schon  lange  nicht  mehr  gekannt  hatten. 

Hat  denn  die  Colotomie  bei  Mastdarmcarcinom  eine  andere 
Bedeutung  als  vorübergehend  den  Fäcalmassen  einen  Ausweg  zu 
verschaffen  und  vielleicht  das  Wachsthum  und  den  Zerfall  der  Neu- 
bildung zu  verzögern,  indem  die  mechanische  Reizung  durch  die 
vorbeigehenden  Fäces  wegfällt?  Genau  dieselben  Erwägungen  gelten 
mutatis  mutandis  auch  für  die  Oesophaguscarcinome.  Ganz  abge- 
sehen von  der  Unmöglichkeit,  immer  mit  Bestimmtheit  die  Malignität 
des  eine  Strictur  bedingenden  Uebels  zu  diagnosticiren ,  darf  man 
auch  annehmen,  dass  nach  Wegfall  der  mechanischen  Insulte  durch 
die  qualvollen  und  doch  immer  wiederholten  Schlingversuche  und  der 
chemischen  Reizung  durch  die  stagnirenden,  sich  zersetzenden  Spei- 
sen, auch  das  fernere  Wachsthum  des  Neoplasma  ein  langsameres 
sein  wird. 

Die  Garcinome  des  Oesophagus  bestehen  häufig  ohne  alle 
Metastasen  und  sind  lange  Zeit  nur  als  locales  Leiden  aufzufassen, 
das  nur  durch  die  mechanische  Verhinderung  der  Nahrungsaufnahme 
eine  so  verhängnissvolle  und  rasche  Rückwirkung  auf  den  ganzen 
Organismus  ausübt. 

Ernährende  Klystiere  nach  Leube's^)  oder  Gzerny  und 
Latschenberger's^)  Angabe  sind  immerhin  zur  ausschliess- 
lichen Erhaltung  eines  Individuums  ein  unvollkommenerer  Ausweg 
als  die  Ernährung  durch  eine  Magenfistel  und  können  vor  Allem  bei 
Narbenstricturen  nur  vorübergehend  in  Frage  kommen.  Bei  der  Nach- 
behandlung der  Operirten  sind  sie  ein  unentbehrliches  Hülfsmittel. 

Die  neben  der  Gastrostomie  noch  in  Frage  kommenden  Ope- 
rationen sind  die  Oesophagotomia  interna  und  externa  und  die 
Oesophagektomie  ^).     Letztere  wäre  hier   wohl   nur  bei  Fall  6  (und 


^)  Deutsches  Archiv  für  klinische  Medicin,  1872,  S.  1. 
^)  Czerny  und  Latschenberger,   Physiologische  Untersuchungen  etc., 
Virchow's  Archiv,  59.  Band. 

^)  Vergl,  oben  Dr.  Braun,  Resection  des  Oesophagus.    S.  43. 


j^34  Dr.  F.  F,  Kaiser. 

vielleicht  bei  10)  ausführbar  gewesen.  Im  Fall  15  und  24  erstreckte 
sich  die  Neubildung  zu  tief  nach  unten  und  in  Fall  21  war  schon 
Drüsenschwellung  in  der  Nachbarschaft  vorhanden. 

Als  formelle  Gontraindication  wäre  der  äusserste  Zustand  der 
Inanition,  welchen  die  meisten  Operateure  abwarteten,  bis  sie  sich 
zur  Ausführung  der  Operation  entschlossen,  aufzustellen.  Zum  Theil 
hatten  die  Kranken  schon  einige  Tage  keine  Nahrung  mehr  zu  sich 
nehmen  können  und  doch  sollten  sie  noch  die  Kraft  besitzen  sich 
wieder  von  der  Operation  zu  erholen. 

Gewiss  mit  allem  Recht  schreiben  die  Autoren  in  vielen  Fällen 
den  tödtlichen  Ausgang  ganz  einfach  der  Erschöpfung  der  Patienten 
zu.  Es  ist  klar,  dass  man  mit  um  so  mehr  Aussicht  auf  guten 
Erfolg  operirt,  je  früher  man  sich,  dazu  entschliesst.  Man  soll  ope- 
riren,  sobald  sich  die  Behandlung  mit  der  Schlundsonde  als  unzu- 
länglich beweist  und  bevor  vollständige  Aphagie  eintritt,  damit  man 
nicht  schon  in  den  ersten  Tagen  gezwungen  ist,  die  Nahrung  durch 
die  Fistel  einzuführen. 

Schönborn  hat  offenbar  früh  genug  operirt,  denn  sonst 
hätte  er  keine  mit  Gummiballon  armirte  Schlundsonde  einführen 
können  und  er  hat  auch  einen  guten  Erfolg  aufzuweisen. 

Sind  schon  Metastasen  nachweisbar,  so  gestaltet  sich  die 
Prognose  viel  schlimmer  und  man  wird  gut  thun,  nunmehr  die  er- 
nährenden Klystiere  allein  ihre  Rolle  spielen  zu  lassen. 

Der  Erörterung  der  Operationsmethoden  schicke  ich  einige 
Bemerkungen  über  die  Lage  des  Magens  nach  den  Angaben  von 
Luschka*)  voraus,  welche  in  den  meisten  Punkten  mit  den  von 
Braune  2)  und  Wagner 3)  gewonnenen  Resultaten  übereinstimmen. 
•  Bei  allem  Wechsel  seines  Volumens  ist  der  Magen  in  der  Art 
auf  den  Raum  der  Oberbauchgegend  vertheilt,  dass  etwa  ^k  des- 
selben im  linken  Hypochondrium  enthalten,  also  vom  Brustkorbe 
umschlossen  sind,  während  nur  V*  J™  Epigastrium  d.  h.  hinter  der 


^)  V.  Luschka,   Die  Lage  der  Baucheingeweide  des  Menschen.    Karls- 
ruhe 1873. 

')  Braune,  Topographisch-anatom.  Atlas.     Leipzig  1872. 

')  Wagner,  Ueber  die  Perlcussion  des  Magens,  Inaug.-Diss.    Marburg  1869. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  135 

zwischen  den  beiden  Rippenbogen  befindlichen  Bauchwand  seine 
Lage  hat.  Die  Erhebung  des  Magens  aus  der  bald  mehr,  bald 
weniger  steil  von  links,  hinten  und  oben,  nach  rechts,  vorn  und 
unten  abfallenden,  beim  weiblichen  Geschlecht  häufig  genug  nahezu 
verticalen  Richtung,  beginnt  gewöhnlich  erst  in  der  Mittellinie  des 
Epigastrium,  in  welcher  dann  auch  das  Organ  am  weitesten  nach 
abwärts  reicht,  so  dass  es  sich  bei  massiger  Füllung  hier  bis  zur 
Mitte  des  Abstandes  zwischen  der  Spitze  des  Schwertfortsatzes  und 
dem  Nabel  erstreckt. 

Wagner  verlegt  die  untere  Grenze  in  der  Mittellinie  durch- 
schnittlich 2V2  Gtm.  über  den  Nabel  oder  in  das  untere  Ende  des 
sechsten  Siebentels  der  Entfernung  zwischen  der  Basis  des  Proc. 
xiphoideus  und  Nabel. 

Bei  normalem  Baue  des  Brustkorbes  erreicht  das  Pylorusende 
des  Magens  kaum  den  rechten  Rippenbogen.  Meist  entspricht  eine 
zwischen  Sternallinie  und  rechter  ParaSternallinie  gezogene  Verticale 
seinem  Gentrum.  In  sehr  vielen  Fällen,  namentlich  beim  weiblichen 
Geschlechte,  überschreitet  der  Magen  die  Medianebene  des  Bauches 
nicht,  so  dass  sich  das  Pylorusende  meist  genau  in  der  Mittellinie 
befindet,  aber  dann  merklich  weiter  als  sonst  nach  abwärts  verlegt 
zu  sein  pflegt. 

Der  leere  Magen  ist  nicht  schlaff  und  hängend,  sondern  so 
stark  in  sich  zusammengezogen,  dass  sein  Volumen  sehr  reducirt 
ist,  er  sich  fest  anfühlt,  und  auf  Durchschnitten  eine  spaltenartig 
enge  Höhle  zeigt.     Die  Wand  ist  dann  auffallend  dick. 

Durch  Einschnitt  in  der  linea  alba  findet  man  also  nach  dem 
Angegebenen,  wie  auch  Küster 's  Fall  (23)  beweist,  den  Pylorus- 
theil  des  Magens.  Ohne  mehr  weniger  Zerrung  lässt  sich  kein 
anderer  Magenabschnitt  dort  befestigen.  Zur  Ausführung  der  Gastro- 
tomie  bietet  er  den  Vortheil,  dass  man  dabei  die  dünnste  Stelle  der 
Bauchwand  eröffnet  und  keine  Muskeln  verletzt,  auch  keine  Blutung 
zu  befürchten  hat. 

Zur  Gastrostomie  aber  eignet  sich  besser  eine  Stelle,  an  welcher 
der  Magen  ohne  alle  Spannung  und  möglichst  nahe  dem  Fundus  an 
die  Bauchwand  befestigt  werden  kann.    Je  näher  dem  cardialen  Ende 


-|3ß  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

die  Magenfistel  angelegt  wird,  um  so  weniger  ist  das  Ausströmen 
von  Mageninhalt  zu  befürchten.  Ist  die  Fistel  am  Pylorustheil,  so 
wird  ein  Theil  der  eingeführten  Nahrung  in  den  Fundustheil  ab- 
fliessen  und  muss  die  Gegend  der  Fistel  nochmals  passiren  auf  dem 
Weg  zum  Duodenum. 

Sedillot's  Kreuzschnitt  6  Gtm.  unterhalb  des  Schwertfort- 
satzes und  links  von  demselben  wurde  ausser  von  ihm  nur  noch  von 
L  o  V  e  (15)  angewandt.  Derselbe  ist  zur  Vernähung  mit  dem  Magen 
sehr  ungeeignet,  weil  er  4  Wundlappen  schafft  und  ist  daher  all- 
gemein zu  Gunsten  eines  linearen  Schnittes  verlassen  worden. 

Der  von  F enger  vorgeschlagene  Schnitt  parallel  dem  linken 
Rippenbogen,  fingerbreit  nach  innen  von  demselben,  schräg  durch 
den  musc.  rectus,  wobei  die  Blutung  nicht  bedeutend  ist,  wurde 
noch  von  Thaden,  Bryant,  Hj  ort,  Verneuil  und  wohl  auch 
von  Lannelongue  benützt. 

Mit  verticalem  Schnitt  am  äusseren  Rectusrand,  oder  über  dem 
oberen  Theil  der  Semilunarlinie ,  wie  auch  Durham^)  empfiehlt, 
operirten  noch  Coop  er-Forster,  Sydney  Jones,  Curling, 
Jacob i  und  Waren    Tay. 

Sydney  Jones  giebt  als  Linie  zum  Einschnitt  an  eine  Linie, 
die  vom  äusseren  Rand  der  linken  Brustwarze  zum  äusseren  Rande 
der  Spina  ossis  pubis  sin.  gezogen  wird.  Diese  Linie  fällt  auf 
Luschka's  Tafel  I  einen  Gtm.  unterhalb  der  grossen  Gurvatur 
und  schneidet  die  Spitze  des  Knorpels  der  zehnten  Rippe. 

Maury  bediente  sich  eines  nach  innen  convexen  Bogen- 
schnittes. 

Nach  den  Versuchen  an  Leichen  muss  ich  dem  von  F  eng  er 
ausgeführten  Schnitt  den  Vorzug  geben,  da  man  von  ihm  aus  auch 
den  Contrahirten  Magen  leicht  unter  dem  Rippenbogen  vorziehen 
kann  und  weil  dort  der  Dickdarm  viel  weniger  leicht  in  die  Wunde 
vorfällt  und  die  Fistel  einer  geringeren  Spannung  ausgesetzt  ist  als 
bei  dem  von  Sydney  Jones  angegebenen  Schnitt.  Die  Fistel  darf 
nicht  zu  nahe  am  Rippenbogen  angelegt  werden  und  um  Zerrung 


')  Holmes,  A  System  of  surgery.     London  1870,  Vol.  11,  p.  544. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  137 

der  Ränder  zu  vermeiden,  soll  sie  auf  allen  Seiten  mit  nachgiebigen 
Weichtheilen  umgeben  sein. 

Bei  allen  Modificationen  der  Schnittführung  wurde  doch  von 
sämmtlichen  Chirurgen  der  Magen  und  zwar  meist  ohne  alle  Schwie- 
rigkeiten gefunden  und  in  die  Bauch  wunde  vorgebracht.  Nur  Se- 
dillot  (1)  und  Troup  (12)  hatten  etwas  Mühe  beim  Vorziehen 
des  Magens. 

Die  weitere  Behandlung  des  vorgezogenen  Magens  war  eine 
verschiedene.  Seit  Sedillot's  erstem  Fall  (1)  wurde  der  Magen 
nie  mehr  freigelassen.  Er  selbst  fixirte  den  Magen  in  seinem  zweiten 
Fall  (2)  durch  oberflächliche  Nähte,  welche  nur  die  Serosa  und 
Muscularis  fassten  und  wie  der  Erfolg  zeigte,  bei  den  Hustenan- 
fällen des  Patienten  in  den  ersten  Stunden  nach  der  Operation 
ausrissen.  Die  späteren  Chirurgen  haben  deshalb  durch  diese  Er- 
fahrungen belehrt  nicht  unterlassen,  den  Magen  bald  mit  den  gan- 
zen Bauchdecken,  bald  nur  mit  der  Bauchhaut  mittelst  Nähten  zu 
vereinigen,  welche  die  ganze  Dicke  der  Magen  wand  fassten.  Meist 
wurden  einige  Sicherheitsligaturen  durch  die  noch  uneröffnete  Magen- 
wand durchgeführt,  welche  nach  der  Eröffnung  vorgezogen  und  in  der 
Mitte  durchschnitten  wurden  und  sich  gleich  als  tiefe  Nähte  benützen 
Hessen.  Darauf  folgte  eine  mehr  oder  weniger  sorgfältige  Umsäu- 
mung der  Fistelränder  mit  der  Bauchwand,  wozu  Draht  und  Seide, 
Knopf-  und  Zapfennähte  und  auch  die  Kürschnernaht  in  Anwendung 
kamen.  Die  Blutung  aus  der  Magenwand  war  fast  nie  nennenswerth. 
Das  grosse  und  gefürchtete  Ereigniss  von  Austritt  von  Mageninhalt 
in  die  Bauchhöhle  Hess  sich  bei  den  Operationen  stets  vermeiden, 
wofern  diese  ausgehungerten  Mägen  überhaupt  etwas  enthielten. 

Der  schon  von  E  g  e  b  e  r  g  ^)  gegebene  Rath,  den  Magen  un- 
verletzt in  die  Bauchwunde  hereinzuziehen  und  mit  mehreren  Su- 
turen  an  die  innere  Fläche  der  Bauchdecken  anzuheften  und  erst 
nach  Verfluss  von  1  oder  2  Tagen,  wenn  er  mit  der  Bauchwand 
verwachsen  ist,  zu  öffnen,  veranlasste  Sedillot  in  seinem  zweiten 
Fall,  sein  Verfahren  zu  modificiren.     Nach  dem  Ausreissen  der  Nähte 


*)  Ganstatt's  Jahresberichte,  1842,   II.  Jahrgang,  2.  Bd.    Rösch,  Be- 
richt über  die  Krankheiten  des- chylopoet.  Systems,  S.  114. 


138  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

versuchte  er,  ein  Stück  der  vordem  Magenwand  durch  Compression 
mit  einer  Zange  zum  Absterben  zu  bringen,  während  sich  in  der 
Umgebung  Adhäsionen  bilden  sollten.  Dieses  Verfahren  hatte  aber 
auch  verschiedene  Nachtheile,  so  dass  Sedillot  schliesslich  den 
Vorschlag  machte,  die  vorgezogene  vordere  Magenwand  mit  einem 
zugespitzten  Elfenbeinstift  quer  zu  durchbohren  und  vorgezogen  zu 
erhalten.     Ein  Vorschlag,  der  aber  nie  ausgeführt  wurde. 

V.  Thaden  (7)  eröffnete  die  Magen  wand  erst  am  Tage  nach  der 
Operation. 

G  a  1 1  a  r  d  ^)  räth  vor  der  Operation  mit  Acupuncturnadeln  oder 
noch  besser  mit  dem  Gausticum  Adhäsionen  zwischen  Magen-  und 
Bauch  wand  zu  erzeugen,  unterlässt  aber  vorsichtiger  Weise  die 
Stelle  anzugeben,  wo  dies  geschehen  soll. 

Labbe  ätzte  an  verschiedenen  Stellen  mit  Wiener  Aetzpaste 
und  Ganquoin'scher  Paste,  aber  ohne  Adhäsionen  zu  erhalten,  was 
bei  der  Dicke  der  Bauch  decken  und  dem  Grössen-  und  Lagewechsel 
des  Magens  nicht  Wunder  nehmen  darf. 

Als  Curiosum  ist  der  glücklicher  Weise  noch  nie  in  Anwendung 
gebrachte  Vorschlag  von  Bar^)  zu  erwähnen.  Er  räth  nach  einer 
tiefen  Inspiration  des  Patienten  am  Rande  des  musc.  rectus  2  Ctm. 
vom  unteren  Rande  der  falschen  Rippen  entfernt  einen  Trokar  ein- 
zustossen  und  dann  durch  die  Ganüle  einen  Stift,  der  an  seinem 
Ende  4  aus  einander  federnde  spitze  Stahl-Lamellen  trägt,  einzu- 
führen und  damit  die  Magenwand  an  die  vordere  Bauchwand  zu 
fixiren;  nach  24 — 48  Stunden  sollen  Adhäsionen  gebildet  sein  und 
man  schneide  auf  die  Häckchen,  die  man  durchfühlt,  ein.  Daraus, 
dass  man  leicht  das  Golon  anstechen  und  so  einen  widernatürlichen 
After  erzeugen  kann,  macht  sich  der  Erfinder  gar  nichts. 

Der  Vorschlag  von  Schreiber  3),  den  Magen  vor  der  Ope- 
ration durch  einen  an  einer  Schlundsonde  eingeführten  und  im 
Magen  aufgeblasenen  Gummiballon  für  die  Palpation   zugänglich  zu 


')  A.  a.  0. 

")  A.  Bar,  De  la  Gastrostomie.  Th^se  de  Strasbourg  1865.  2.  Serie,  Nr.  877. 
')  Schreiber,  Eine  neue  Methode  zum  Nachweis  der  Lage  des  Magens. 
Deutsches  Archiv  für  kUnische  Medicin  1877,  S.  616. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  139 

machen,  ist  vonSchönborn  bei  der  Gastrostomie  benützt  worden. 
Er  setzt  zu  seiner  Ausführung  noch  eine  ziemliche  Weite  der  Speise- 
röhre voraus.  In  den  übrigen  aufgezählten  Fällen  hätte  sie  wohl  nie 
Verwendung  finden  können. 

Jacobi's  Versuch,  den  Magen  durch  Brausepulver  auszudeh- 
nen, gelang  zwar  bei  einer  früheren  Probe  gut ;  bei  der  Ausführung 
der  Operation  Hess  ihn  die  Methode  im  Stich.  Diese  setzt  ebenfalls 
Permeabilität  der  Strictur  voraus. 

Die  Vorschläge,  das  gefasste  Stück  des  Magens  abzuklemmen  i) 
oder  erst  nach  Bildung  der  Adhäsionen  zu  eröffnen,  haben  sich  kei- 
ner Beliebtheit  erfreut  und  mit  Recht,  denn  eine  glatte  und  gut 
vernähte  Schnittwunde  giebt  uns  die  grösste  Aussicht  auf  Heilung 
per  primam  intentionem.  Wir  haben  es  in  der  Hand,  die  Nähte 
mehr  oder  weniger  tief  zu  legen,  wir  können  dadurch  Adhäsionen  in 
geringerem  oder  grösserem  Umkreis  herbeiführen.  Die  Grösse  der 
Schnittwunde  im  JNIagen  steht  vollständig  in  unserer  Hand.  Hat 
man  aber  ein  Stück  der  vorderen  Magenwand  abgeschnürt,  oder 
den  Magen  kranzförmig  mit  der  Bauchwunde  vernäht  und  überlässt 
man  das  abgeschnürte  Stück  sich  selbst,  so  geht  es  viel  länger,  bis 
man  eine  gut  benarbte  Fistel  bekommt,  hii  abgeschnürten  Stück 
entsteht  zunächst  venöse  Stase  und  für  weitere  chirurgische  Eingriffe 
ist  dieses  Gewebe  nicht  mehr  geeignet.  Wartet  man  die  spontane 
Abstossung  ab,  so  geht  es  ungleich  länger,  bis  sich  die  Ränder  des 
Substanzverlustes  gereinigt  haben,  als  wenn  man  gleich  genäht  hat. 

Die  Furcht  vor  dem  Austritt  von  Mageninhalt  in  die  Bauch- 
höhle, die  zu  all  diesen  Vorschlägen  geführt  hat,  ist  sehr  übertrie- 
ben. In  keinem  der  angeführten  Fälle  kam  dieses  unliebsame 
Ereigniss  vor.  Man  darf  nur  den  von  den  älteren  Autoren  gegebe- 
nen Rath,  den  Magen  vor  der  Operation  durch  schleimige  Getränke 
auszudehnen,  nicht  befolgen.  Will  man  den  Magen  ausdehnen,  so 
gebe  man  die  Ingredienzien  des  Brausepulvers  getrennt,  oder  man 
wende  nach  Schreiber 's  Vorschlag  die  Ausdehnung  durch  einen 
Gummiballon  an. 

Der   erste   und    oberste   Grundsatz   für   die  Wundbehandlung, 
')  Vergl.  oben  Dr.  Braun,  S.  46. 


140  Dr.  F.  F.  Kaiser, 

wenn  man  erste  Vereinigimg  erzielen  will,  das  Fernhalten  von  Rei- 
zen von  der  Wunde  und  Ruhe  der  vereinigten  Theile,  gilt  auch  hier 
bei  der  Nachbehandlung  in  erster  Linie,  nur  ist  er  nicht  so  leicht 
zu  erfüllen.  Schon  die  Athembewegungen  und  die  peristaltischen 
Bewegungen  des  Magens  und  der  Därme  zerren  an  den  Wundrändern 
und  wenn  gar  noch  Hustenstösse  sich  dazu  gesellen,  so  hat  die  Naht 
die  Probe  ihrer  Solidität  zu  bestehen. 

Alle  ferneren  mechanischen  Störungen  an  der  Wunde  sind 
sorgfältig  zu  vermeiden  und  die  Operateure  sind  sämmtlich  darüber 
einig,  dass  die  Einfuhr  der  Nahrung  durch  die  Fistel,  wenn  möglich, 
in  den  ersten  Tagen  unterbleiben  soll.  Leider  erlaubte  der  herab- 
gekommene Zustand  vieler  Patienten  nicht,  diese  goldene  Regel  zu 
befolgen  und  zum  Reiz  der  häufigen  Einführung  eines  Katheters 
durch  die  Fistel  kam  noch  der  des  Auslaufens  der  eingeführten 
Nahrung.  Im  5.  Fall  rührte  die  Peritonitis  von  einer  mechani- 
schen Zerreissung  der  jungen  Adhäsion  bei  der  Nahrungszufuhr  her 
und  so  veranlasste  diese  den  Tod  des  Patienten.  Im  2.  Fall  wurde 
erst  am  5.  Tag,  im  7.  schon  am  nächsten  Tag,  im  18.  Fall  30 
Stunden  nach  der  Operation,  im  21.  Fall  am  5.,  und  im  24.  Fall  am 
6.  Tag  nach  der  Operation  Nahrung  durch  die  Fistel  eingeflösst. 

Verneuil  ernährte  seinen  Patienten  gleich  durch  die  Fistel, 
Trend elenburg  erst  nach  einigen  Tagen. 

Wenn  es  der  Kräftezustand  des  Patienten  irgend  erlaubt,  so 
muss  man  ihn  in  den  ersten  Tagen  nur  mit  ernährenden  Klystieren 
erhalten  und  erst  möglichst  spät,  nicht  vor  dem  5.  Tage  durch 
die  Fistel  ernähren  und  auch  dann  im  Anfang  nur  kleine  Quanti- 
täten, 50—100  Gc.  flüssiger  Nahrung  einführen. 

Das  Liegenlassen  einer  passenden,  verschliessbaren  Canüle,  wie 
es  in  den  Fällen  1,  6,  12,  14,  15,  16,  23,  25,  27  und  29  geschah, 
erleichtert  die  in  den  ersten  Tagen  etwa  nöthige  Nahrungszufuhr,  ver- 
hütet die  Reizung,  die  durch  das  öftere  Einführen  eines  Gummirohrs 
in  die  Fistel  erzeugt  wird  und  verhütet  gleichzeitig  auch  das  Aus- 
fliessen  von  Mageninhalt.  Je  kleiner  die  Fistel,  um  so  weniger  ist 
Ausfluss  von  Nahrung  zu  befürchten  und  um  so  geringer  sind  die 
Beschwerden,  die  der  Patient  von  seiner  Fistel  hat. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  ^^\ 

Es  ist  erfreulich  zu  sehen,  dass  gerade  die  neuesten  Fälle  von 
Gastrostomie  in  Heilung  ausgingen  und  es  steht  zu  hoffen,  dass  die 
Fortschritte  in  der  rechtzeitigen  Stellung  der  Indication  und  in  der 
Operationstechnik  fernerhin  bessere  Erfolge  erzielen  werden,  als  die 
bisherige  Statistik  sie  ergeben  hat,  so  dass  die  Gastrostomie  die 
verdiente  Anerkennung  finden  wird  und  ihre  auch  jetzt  noch  be- 
strittene Berechtigung  ausser  allen  Zweifel  kommen  wird. 


Nachdem  ich  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  gezeigt  habe, 
welche  Operationen  am  menschlichen  Magen  schon  ausgeführt  wor- 
den sind,  wende  ich  mich  jetzt  zu  einer  Reihe  von  Thierexperimenten, 
welche  von  uns  gemacht  worden  sind. 

Ich  weiss  wohl,  dass  man  sich  sehr  hüten  niuss,  die  am  ge- 
sunden Hunde  gemachten  Erfahrungen  direct  auf  den  kranken 
Menschen  zu  übertragen.  Aber  über  gewisse  Cardinalpunkte  kann 
uns  das  Thierexperiment  doch  eine  bestimmte  Antwort  geben ;  eine 
Reihe  von  wohlberechtigten  und  eingebürgerten  Operationen  ist  erst 
nach  gelungenen  Hundeexperimenten  am  Menschen  ausgeführt  wor- 
den.    Ich  erinnere  an  die  Exstirpation  von  Larynx  und  Niere. 

Es  war  die  Arbeit  von  C.  Gussenbauer  und  A.  v.  Wini- 
warter^)  »lieber  die  partielle  Magenresection ,«  welche  für  uns 
den  Anstoss  gab,  die  dort  erhaltenen  Resultate  zu  prüfen  und  fort- 
zuführen. Herr  Professor  Czerny  veranlasste  seine  Assistenten, 
Herrn  Dr.  J.  Scriba  und  mich,  eine  Reihe  von  Experimenten  mit 
ihm  anzustellen,  die  er  grösstentheils  mit  ausführen  half  und  bei  denen 
wir  einander  abwechselnd  assistirten. 

Die  Versuche  sind  folgende: 

1.  Versuch.  Am  31.  März  1876  operirten  wir  einen  grossen  Hülineriiund 
unter  Carbolspray,  mit  Beobachtung  aller  Li  st  er 'sehen  Cautelen. 

Bauchschnitt  vom  processus  xiphoideus  bis  2  Ctm.  über  dem  Nabel, 
8  Ctm.   lang.    Dicke  präperitoneale  Fettschicht.    Das   adhärente  Netz   wird  mit 


»)  Archiv  für  klinische  Chirurgie.    XIX.  Bd.,  1876,  S.  347. 


142  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

den  Fingern  zerrissen,  worauf  die  Eingeweide  frei  liegen.  Der  Magen  wird  unter 
dem  Leberrand  hervorgezogen  und  ein  ringförmiges  Stück  mit  dem  Pylorus  von 
3'/2  Ctm.  Länge  resecirt. 

Beim  Ablösen  des  Mesenteriums  müssen  4  spritzende  Gefässe  unterbunden 
werden  (Catgutligaturen).  Zur  Vereinigung  des  Duodenum  und  Magens  wird  an 
letzterem  erst  ein  Zwickel  gebildet  und  hierauf  die  beiden  Lumina  durch  17  Seiden- 
nähle  vereinigt.  Die  Nadeln  werden  0,5  Ctm.  vom  Schnittrand  der  Serosa  ent- 
fernt eingestochen  und  hart  am  Wundrand  der  Schleimhaut  ausgestochen  und 
in  entgegengesetzter  Folge  weiter  geführt,  dann  geknotet  und  kurz  abgeschnitten. 

Die  Bauchwunde  wird  durch  4  tiefe  und  4  oberflächliche  Nähte  ge- 
schlossen. Li  st  er -Verband.  Dauer  der  Operation  2  Stunden.  Zur  vollständigen 
Narkose  waren  0,12  Morphium  subcutan  erforderlich. 

20  Stunden  nach  der  Operation  erhielt  der  Hund  zum  ersten  Mal  etwas 
Milch.    Leib  nicht  aufgetrieben,  nicht  schmerzhaft. 

Am  3.  Tage  erhielt  er  durch  eine  geisteskranke  Patientin  eine  Schüssel 
voll  Suppe  mit  Fleisch  und  Gemüse,  die  er  gierig  leerte,  was  vorübergehend 
etwas  Fieber  veranlasste.  Weitere  Störungen  in  der  Reconvalescenz  erfolgten 
nicht.  Am  5.  Tage  werden  die  oberflächlichen,  am  8.  die  tiefen  Bauchnähte 
entfernt.  In  der  nächsten  Zeit  erhält  der  Hund  nur  fein  gehacktes  Fleisch 
und  Milch. 

Später  wurde  der  Hund  noch  mehrfach  zu  Geschwulstimplantationen,  zum 
Einnähen  von  Catgut  und  Seide  und  zuletzt  zu  Beinhautinjectionen  in  die  Lunge 
benützt.  Am  3.  April  1877  wird  er  durch  Curare  vergiftet.  Der  Sectionsbefund 
ergiebt : 

Mesenterium  und  Netz  vollkommen  frei.  An  der  Nahtlinie  schöne  lineare 
Narbe,  vor  welcher  die  Magenschleimhaut  als  flacher,  ringförmiger  Wulst  vor- 
springt. Oben  vorn  eine  Seidennaht  in  das  Lumen  vorragend,  um  welche  herum 
eine  kleine  linsenförmige  Vertiefung  sich  findet.  An  der  Aussenseite  weisse 
Bindegewebsauflagerungen ;  viele  Nähte  von  aussen  zu  erkennen,  vielleicht  von 
einem  dünnen  Endothelhäutchen  überkleidet,  andere  eingekapselt. 

2.  Versuch.  Am  4.  April  wird  ein  mittelgrosser  Seidenhase,  nachdem 
er  0,015  Morphium  erhalten  hatte,  unter  Garbolspray  operirt. 

Bauchschnitt  5  Ctm.  lang,  in  der  linea  alba.  Im  unteren  Wundwinkel 
kommt  der  Magen  in  Sicht.  Prolaps  des  Netzes.  Der  Magen  stark  gefüllt,  das 
Duodenum  nur  von  der  Dicke  eines  kleinen  Fingers.  Es  wird  nun  das  Duodenum 
hart  hinter  dem  Pylorus  durchtrennt  und  ein  Stück  des  Pylorustheiles,  im  Ganzen 
3  Ctm.,  abgeschnitten  und  darauf  das  Duodenum  mit  dem  Magenlumen  vernäht; 
die  AVände   des   ersteren  sind  ausserordentlich  viel  dünner  als  die  des  letztei'en. 

Das  Kaninchen  erholte  sich  nicht  von  der  Operation  und  starb  ^/a  Stunde 
später. 

3.  Versuch.  Am  27.  April  wurde  ein  weisser  Pudel  von  mittlerer  Grösse 
vorgenommen;  er  erhielt  0,1  Morphium  subcutan. 

Der  Bauchschnitt  wurde  5  Gtm.  lang  gemacht.  Der  Magen  wurde  dicht 
hinter  dem  Pylorus  durchschnitten  und  ein  5^2  Gtm.  langer  Ring  abgetragen ; 
7  Gefässligaluren.  Ein  grosser  Zwickel  am  Magen  mit  19  Nähten;  zur  Ver- 
einigung des  Darmlumens  mit  dem  Magen  werden  17  Nähte  angelegt;  4  tiefe 
und  4  oberflächliche  Bauchnähte.     Lister 'scher  Verband. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  143 

Nach  36  Stunden  erhält  der  Hund  etwas  Milch,  am  3.  Tage  schon  '/2  Liter 
und  in  den  nächsten  Tagen  noch  eingeweichtes  Brod  ohne  allen  Schaden. 

Die  Nähte  werden  theils  am  8.  Tag,  theils  erst  3  Wochen  später  entfernt. 

Im  Juni  und  Juli  wurde  der  Hund,  der  sich  in  sehr  gutem  Ernährungs- 
zustand befindet,  mehrfach  zu  Transfusionen  benutzt  und  verunglückte  hei  einem 
dieser  Experimente. 

Am  Magen  erkennt  man  innen  die  Narbe  deutlich  als  flachen  Wulst. 
Am  Duodenum  hart  an  der  Narbe  noch  2  Seidenligaturen,  welche  in  2  kleine 
Gruben  führen,  die  vollständig  von  Adhäsionen  umgeben  sind,  l'/z  Ctm.  von 
der  ringförmigen  Narbe  finden  sich  noch  2  Seidennähte  vom  Zwickel.  An  der 
Aussenseite  ist  die  Ringnarbe  kaum  zu  erkennen.  An  einigen  Stellen  derbe 
weisse  Auflagerungen ;  Nähte  von  aussen  nicht  zu  sehen.  Einige  strangförmige 
Adhäsionen  ziehen  zur  Leber. 

4.  Versuch.  Am  25.  September  wird  bei  einem  schwarzen,  kräftigen 
Pintscher  der  Bauch  in  der  linea  alba  eröffnet.  Reichliches  präperitoneales  Fett. 
Der  Magen  lässt  sich  leicht  vorziehen.  Es  wird  aus  der  vorderen  Magenwand 
ein  querelliptisches  Stück  mit  der  Scheere  ausgeschnitten.  Gefässe  sind  keine  zu 
unterbinden.  Die  Magenwunde  wird  mit  27  Seidennähten  geschlossen ;  4  tiefe, 
5  oberflächliche  Bauchnähte.  Dauer  der  Operation  l'/4  Stunde;  0,1  Morphium. 
Carbolspray. 

Am  ausgeschnittenen  Stück  misst  die  Serosa  4  Ctm.  Länge  und  2'/2  Gtm. 
Breite,  die  Schleimhaut  6  Gtm.  Länge  und  4  Gtm.  Breite. 

Am  27.  ist  der  Bauch  bei  Druck  empfindlich ;  der  Hund  läuft  herum. 

Am  6.  Oclober  werden  die  Nähte  entfernt,  der  Hund  ist  völlig  munter 
und  frisst  wieder  wie  früher. 

Später  wird  eine  Magenexstirpation  an  demselben  vorgenommen,  vgl.  Nr.  14. 

5.  Versuch.  Am  6.  October  wird  bei  einer  8  Wochen  alten,  1,5  Kilo 
schweren  Katze  in  der  gemischten  Narkose  (0,02  Morphium)  unter  Spray  operirt. 
Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  kommt  die  halbe  Leber,  das  Netz  und  Dünn- 
darmschhngen  zu  Gesicht.  Die  Reposition  der  letzteren  macht  viele  Mühe.  Aus 
dem  kleinen  Magen  wird  ein  längselliptisches  Stück  von  1^2  Gtm.  Länge  und 
1  Gtm.  Breite  herausgeschnitten,  wobei  ziemlich  starke  Blutung  eintritt,  die  aber 
nach  Anlegung  von  7  Magennähten  vollständig  steht;  4  tiefe  und  5  oberfläch- 
liche Bauchnähte. 

In  der  nächsten  Nacht  trinkt  die  Katze  ziemlich  viel  Milch.  Den  Lister- 
schen  Verband  entfernt  sie  mit  den  Krallen.  Das  Allgemeinbefinden  erscheint 
gut;  der  Leib  etwas  empfindhch. 

Am  12.  werden  alle  Bauchnähte  entfernt.     Heilung  per  primam  intent. 

Das  weitere  Befinden  der  Katze  war  ganz  gut.  Sie  behielt  nur  eine  kleine 
Bauchhernie.     Im  Frühjahr  1877  warf  sie  Junge. 

6.  Versuch.  Den  16.  Mai.  Das  Versuchsthier  ist  ein  schwarzer',  glatt- 
haariger Hund,  bei  dem  im  Winter  vergeblich  Garcinomimplantationen  in  die 
Bauchhöhle  versucht  worden  waren. 

Vor  3  Wochen  sollte  der  Pylorus  exstirpirt  werden,  allein  nach  Eröffnung 
der  Bauchhöhle  prolabirte  der  ganze  Magen  und  das  Duodenum  und  der  Hund 
war  so  unruhig,  dass  die  Operation  aufgegeben  wurde.  Die  Eingeweide  wurden 
reponirt  und  die  Bauchwunde  zugenäht ;  es  erfolgte  rasche  Heilung, 


j^44  Dl'-  F.  F.  Kaiser. 

Heute  erhält  der  Hund  0,12  Morphium  subcutan  und  Chloroform  nach 
Bedürfniss,  Nach  sorgfältiger  Desinfection  des  Operationsfeldes  wird  mit  allen 
Li  st  er 'sehen  Cautelen  operirt.  Aus  Rücksicht  für  die  Hände  des  Operateurs 
wird  nur  l'/o  Carbolwasser  zerstäubt, 

4  Gtm.  langer  Bauchschnitt  in  der  früheren  Narbe  vom  Schwertfortsatz 
nach  abwärts.  Keine  Blutung.  Der  Magen  kommt  nach  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle gleich  zum  Vorschein  und  wird  ganz  herausgezogen,  ebenso  das  Duodenum, 
Mit  dem  Magen  wird  die  Milz  und  ein  Theil  des  Netzes  herausgenommen. 

Erst  doppelte  Unterbindung  eines  grossen  Gefässstammes  an  der  kleinen 
Curvatur;  dann  werden  die  Gefässe  im  Netz  unterbunden. 

Darauf  wird  das  Duodenum  nahe  dem  Pylorus  durchschnitten,  ohne  dass 
Blutung  erfolgt;  der  Magen  wird  nach  links  herübergeklappt,  das  Pylorusende 
wird  zugebunden,  um  den  Austritt  von  Mageninhalt  in  die  Bauchhöhle  zu  ver- 
hüten. Das  Netz  wird  langsam  durchtrennt;  die  Milz  bleibt  mit  dem  Magen  in 
Verbindung,  Endlich  wird  der  Magen  auch  im  Gardiatheil  möglichst  hoch  durch- 
trennt. Letzterer  lässt  sich  nur  mit  Mühe  vorziehen  und  bietet  starke  Spannung. 
Das  Duodenum  lässt  sich  bequem  so  weit  nach  links  ziehen,  als  zur  Vernähung 
desselben  mit  dem  Magenrest  nothwendig  ist.  Bei  dem  grossen  Unterschied  der 
zu  vereinigenden  Lumina  wird  erst  am  hinteren  Umfang  des  Cardiatheiles  ein 
Zwickel  gebildet  und  dann  mit  der  Vereinigung  angefangen.  Erst  werden  die 
hinteren  Nähte  angelegt.  Als  das  Lumen  des  Duodenum  fast  ganz  mit  dem 
Magenrest  vernäht  war,  stellte  sich  die  Nothwendigkeit  heraus,  einen  zweiten 
Zwickel  an  letzterem  anzulegen,  da  sein  Lumen  durch  den  ersten  nicht  genügend 
verkleinert  worden  war.  Im  Ganzen  wurden  28  Nähte  von  carbolisirter  Seide 
angelegt. 

Zum  Schluss  wird  noch  ein  spritzendes  Gefäss  im  Omentum  unterbunden; 
die  vorhegenden  Eingeweide  werden  gewaschen  und  reponirt.  Ferner  4  tiefe 
und  4  oberflächliche  Bauchnähte.  Lister' scher  Verband.  Dauer  der  Operation 
Vjz  Stunde. 

Am  Abend  hat  sich  der  Hund  den  Verband  schon  abgerissen. 

Am  17,  säuft  der  Hund  die  angebotene  Milch  nicht,  Bauch  nicht  auf- 
getrieben. 

Den  18,   Temperatur  Morgens  38,2  °C,  Der  Hund  munter,  trinkt  etwas  Milch, 

Am  19,  anscheinend  munter.  Frisst  gierig  gereichtes  kleingeschnittenes 
Fleisch,  erbricht  es  jedoch  sofort  wieder  und  verschlingt  es  von  Neuem ;  stürmische 
Brechbewegungen.    Abends  39,4o. 

Den  20,  Die  Nähte  werden  entfernt;  Bauchwunde  fast  ganz  durch  erste 
Vereinigung  geheilt.  Der  Hund  geberdet  sich  hungrig,  säuft  Wasser  ohne  zu 
erbrechen,  frisst  gierig  Hache. 

In  der  nächsten  Zeit  wird  er  nur  mit  kleinen  Portionen  von  Milch,  Brod 
und  gehacktem  Fleisch  aber  öfters  gefüttert  und  befindet  sich  dabei  anscheinend 
ganz  wohl.  Leib  nicht  empfindlich.  Nur  ausnahmsweise  erbricht  er,  besonders 
wenn  er  zu  gierig  frass,  oder  wenn  er  eine  grössere  Portion  erhielt.  Fäces  meist 
fest  und  geformt. 

Den  27.  Der  Hund  ist  munter,  springt  herum,  frisst  langsam,  kaut  Brod- 
rindenstückchen sehr  sorgfältig;  er  frisst  Brod  viel  lieber  als  Hache. 

Täglich  vorgenommene  W^ägungen  ergeben  nur  geringe  Schwankungen 
des  Gewichtes,  vorübergehend  eine  geringe  Gewichtszunahme  von  5490  auf  5520 
(einmal  5660)  Gramm. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  ^AK 

Am  6.  Juni  erscheint  der  Hund  weniger  munter,  er  läuft  nur  wenig 
herum;  Fäces  halbflüssig,  Leib  etwas  aufgetrieben;  er  nimmt  nur  Brodstückchen 
zu  sich,  berührt  sein  Fressen  nicht. 

Abends  6  Uhr  wird  er  todt  gefunden. 

Die  2  Stunden  nach  dem  Tod  angestellte  Section  ergiebt:  In  der  Bauch- 
höhle ca.  V*  Liter  penetrant  stinkender,  blutig  gefärbter  Flüssigkeit;  Netz  livid 
roth.  Das  Peritoneum  parietale  sehr  hyperämisch  und  missfarbig,  zum  Theil 
mit  feinen  Ecchymosirungen  durchsetzt.  Darmserosa  wenig  injicirt.  Im  Mastdarm 
fester  Koth,  in  den  oberen  Darmabschnitten  kein  Inhalt. 

Netz  und  Leber  mit  einander  verwachsen.  Von  vorn  kein  Einbhck  auf 
das  Operationsfeld. 

Nach  Herausnahme  von  Leber,  Zwerchfell,  Oesophagus  und  Duodenum 
wird  der  Oesophagoduodenaltractus  von  hinten    eröffnet.     (Vgl.  Tafel  I,    Fig.  1). 

Die  Nahtlinie  eben  noch  zu  erkennen.  Vom  Cardiatheil  des  Magens 
1,5  Ctm.  übrig.  Das  Pankreas  ist  mit  dem  Duodenum  hinaufgezogen.  An  der 
vorderen  Wand  der  Narbenlinie  ein  kleiner  erbsengrosser  Divertikel,  welcher  für 
die  eingeführte  Knopfsonde  bhnd  endigend  erscheint;  daselbst  Leber,  Netz  und 
Duodenum  durch  Adhäsionen  so  verklebt,  dass  man  von  vorn  keinen  Einblick 
in  diese  Gegend  hat.  Die  Leber  hyperämisch.  Die  mittlere  Partie  derselben 
missfarbig,  enthält  in  der  Tiefe  stinkenden  Eiter. 

7.  Versuch.  Am  19.  Juni  wurde  an  einem  9890  Gramm  schweren, 
weissen  Pudel  operirt. 

Bauchschnitt  in  der  linea  alba  6  Ctm.  lang;  geringe  Blutung.  Der  Magen 
ist  rasch  gefunden  und  wird  mit  den  Fingern  vorgezogen  und  vollständig  mit 
Milz  und  Netz  entwickelt.  Mit  der  Aneurysmennadel  werden  an  der  kleinen  €ur- 
vatur  möghchst  hoch  ol^en  2  grosse  Gefässstämme  doppelt  unterbunden  und 
durchschnitten;  dann  werden  die  Gefässstämme  nach  innen  vom  Pylorus  und 
schliesslich ,  nachdem  der  Magen  nach  oben  geklappt  worden  war ,  die  mäch- 
tigen Milzgefässe  unterbunden.  Im  Ganzen  wurden  etwa  10  Seidenligaturen 
angelegt.  Nach  Sicherung  der  Gefässe  wird  der  Magen  1,5  Ctm.  nach  innen  vom 
Pylorus  mit  einem  Scheeronschlag  durchtrennt  und  dann  ebenfalls  am  cardialen 
Theil  möglichst  hoch  abgeschnitten.  Der  Magen  reichlich  mit  Speise  gefüllt. 
Beide  Lumina  werden  sorgfältig  gereinigt.  Vereinigungsnaht  erst  an  der  Vorder- 
seite und  dann  mit  etwas  mehr  Mühe  an  der  Hinterseite  angelegt. 

Das  submucöse  Gewebe  der  Schnittränder  suffundirt  blutig,  zum  Theil 
quillt  es  ödematös  vor  (Carbolreiz?).  Zwickel  braucht  diesmal  nicht  gemacht  zu 
werden.  Das  grössere  Cardialumen  wird  dem  Pylorustheil  angepasst;  Toilette 
der  Peritonealhöhle.  30  Magennähte;  3  tiefe  und  8  oberflächliche  Bauchnähte, 
Lister'scher  Verband.     Dauer  der  Operation  1^/4  Stunden. 

Während  der  Operation,  bei  der  Unterbindung  der  Gefösse  schwoll  die 
anfangs  ziemlich  normale  Milz  auf  21  Ctm.  Länge  und  10  resp.  5,0  Breite  an, 
so  dass  sie  durch  die  Bauchwunde  nicht  mehr  reponibel  gewesen  wäre. 

Am  ausgeschnittenen  Magen  mass  das  Cardialumen  20,  das  Pyloruslumen 
10  Ctm,  Umfang  und  doch  hatten  sich  diese  beiden  Ostien  ohne  Lücke  zu- 
sammen nähen  lassen. 

Am  folgenden  Morgen  misst  der  Hund  38,2";  er  ist  sehr  matt,  liegt  auf 
der  Seite.     Mittags  wird  er  todt  gefunden. 

Section  8  Stunden  nach  dem  Tod;    Bauchwunde  verklebt.    Darmserosa 
Czerny,  Beiti'üg'e  7A\r  opev.ativen  Cliiriiropie.  10 


j^46  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

an  einigen  Schlingen  etwas  ecchymosirt;  in  der  Bauchhöhle  geringe  Mengen 
blutigen  Serums.  Das  Zwerchfell  am  centrum  tendineum  an  seiner  oberen  Fläche 
ecchymosirt.  Im  Mediastinum  an  der  Seite  des  Herzbeutels,  dicht  vor  dem 
Oesophagus  ein  20  Pfennigstück  grosses  Loch.  Die  Nahtlinie  2  Gtm.  unterhalb 
des  Zwerchfells  und  1,5  Gtm.  nach  oben  vom  Pylorus.  Der  Gardiatheil  stark 
blauroth  verfärbt.  Die  Naht  schliesst  von  aussen  und  innen  angesehen,  überall 
gut.  Der  Gardiatheil  zeigt  einige  Längsfalten.  Die  Darmschleimhaut  im  Duodenum 
und  Ileum  sehr  hyperämisch  und  mit  über  linsengrossen  Geschwüren  besetzt. 

8.  Versuch.  Den  26.  Juni  wird  ein  kleiner  schwarzer  Hund  unter  Spray 
und  in  gemischter  Narkose  operirt;  Magen  mit  Milz  und  Netz  lässt  sich  leicht 
entwickeln.  Nach  Unterbindung  der  Hauptgefässstämme  wird  ein  Schnitt  im 
Pylorus  und  dann  möglichst  hoch  am  Fundustheil  geführt,  wobei  einige  Speise- 
theile  in  die  Bauchhöhle  gelangen.  Das  Pankreas  musste  erst  vom  Pylorus  etwas 
abgelöst  werden. 

Erst  Naht  an  der  Hinterseite  und  dann  an  der  Vorderseite.  Das  über- 
flüssige Cardialumen  wird  durch  14  Nähte  geschlossen;  ausserdem  22  Nähte  zur 
Ringsnaht.     4  tiefe,  6  oberflächliche  Bauchnähte.     Lister'scher  Verband. 

Am  ausgeschnittenen  Magen  misst  die  grosse  Curvatur  13,5,  die  kleine 
6,5  Gtm.;  das  Gardialumen  hat  12  Gtm.,  das  Pyloruslumen  3  Gtm.  Umfang.  — 
Milz  13  Gtm.  lang,  4  resp,  3  breit. 

Am  Abend  misst  der  Hund  35"  G.     Er  hält  den  Kopf  frei. 

Den  27.  Juni  Morgens  38°,  Abends  38,5°  G.  Der  Hund  läuft  herum,  nimmt 
aber  noch  keine  Nahrung  zu  sich. 

Den  28.  Morgens  wird  der  Hund  todt  gefunden. 

Die  S  e  c  t  i  0  n  kann  erst  am  29.  Abends  4  Uhr  vorgenommen  werden. 

Bauchwunde  verklebt.  In  der  oberen  Hälfte  des  Bauches  eine  frische  eitrige 
Peritonitis  mit  fibrinösen  Auflagerungen  auf  die  Leber  und  die  benachbarten 
Därme.  Etwas  Exsudat  um  die  Nahtlinie  herum.  Von  innen  gesehen,  liegen 
die  Wundränder  gut. 

9.  Versuch.  Am  28.  Juni  wird  ein  grosser  brauner  Pudel  von  15,4  Kilo 
Gewicht  ebenfalls  unter  Spray  und  in  gemischter  Narkose  (0,09  Morphium)  operirt. 

Magen,  Netz  und  Milz  werden  leicht  vorgezogen.  Die  Unterbindung  der 
starken  Gefässe  nimmt  1  Stunde  in  Anspruch;  auch  die  peripheren  Enden 
spritzen.  Endlich  wird  jenseits  des  Pylorus  durchschnitten  und  am  Gardiatheil 
so  hoch  wie  möglich;  das  Lumen  an  letzterer  Schnittfläche  ist  so  gross,  dass 
es  gar  nicht  mit  2  Fingern  in  der  Bauchwunde  gehalten  werden  kann,  son- 
dern zum  grössten  Theil  frei  in  die  Bauchhöhle  ragt,  wobei  die  Schnittränder 
stark  bluten. 

Die  Naht  nimmt  2  volle  Stunden  in  Anspruch.  Erst  Naht  an  der  Hinter- 
seite, dann  am  unteren  Piand,  Es  werden  2  lange  Zwickel  formirt.  Im  Ganzen 
über  60  Nähte  und  20  Gefässligaturen.  Blutung  nicht  ganz  gestillt.  Vier  tiefe 
und  8  oberflächliche  Bauchnähte. 

Am  29.  Juni  Morgens  7  Uhr  wird  der  Hund  todt  gefunden. 

Section  Nachmittags  4  Uhr  ergiebt:  Wundränder  etwas  verklebt.  Die 
enorm  ausgedehnte  Harnblase  reicht  bis  in  den  unteren  Wundwinkel.  Im  Bauch 
ca.  ^ji  Liter  braunrothen  dünnflüssigen  Exsudates.  Peritoneum  parietale  und 
viscerale  stark  hyperämiscli;  ziemlich  reichlich  kleine  Ecchymosirungen.    Gardia- 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  147 

theil  stark  hyperämisch,  blauroth.  Die  vielen  Nähte  liegen  gut.  Auch  die  Schleim- 
haut des  Darmes  stark  hyperämisch  und  geschwellt. 

10.  Versuch.    Am  24,  October  wird  ein  mittelgrosser  weisser  Pudel  operirt. 
Es  wird  wieder  der  Magen   mit  der  Milz  und  einem  Theil  des  Netzes  ex- 

stirpirt.  Etwa  16  Gefässligaturen.  Es  wird  ein  2hörniger  Zwickel  gemacht,  in 
der  Art,  dass  die  Mitte  der  überschüssigen  Gardiawunde  mit  der  noch  übrigen 
Duodenalwunde  vereinigt  wird  und  dann  die  noch  übrigen  beiden  Spalten  in 
dem  Cardiatheil  genäht  werden;  für  jeden  Zwickel  7  Nähte,  für  die  Ringsnaht 
13  Nähte.  Bei  der  Operation  war  die  Spannung  des  Magenstumpfes  so  stark,  dass 
derselbe  einmal  aus  der  Hand  glitt,  nur  mit  Mühe  wieder  gefunden  und  nachher 
mit  einer  Hackenpincette  gehalten  wurde. 

Am  25.  Morgens  läuft  der  Hund  etwas  herum.  Um  12  Uhr  Mittags  wird 
er  todt  gefunden. 

S  e  c  t  i  o  n  s  befund  :  In  der  Bauchhöhle  etwas  nahezu  klare  Flüssigkeit. 
Das  Peritoneum  viscerale  ist  an  der  Operationsstelle  etwas  geröthet.  An  einem 
Zwickelhorn  eine  gangränöse  Perforationsstelle  von  der  Grösse  eines  Sonden- 
knopfes, wohl  von  der  Quetschung  durch  die  Pincette  herrührend.  Die  Umgebung 
der  Wundränder  und  Nähte  in  1,5  Ctm.  Breite  rosarothgefärbt.  Die  Gefässe  er- 
weitert, zum  Theil  mit  blaurothen  Flecken.     Die  Nähte  liegen  gut. 

11.  Versuch.  Den  19.  Juli  wird  ein  kleiner,  brauner  Hund  operirt  in 
gemischter  Narkose  (0,07  Morphium)  und  unter  Salicylspray.  Bauchschnitt  2,5  Ctm. 
lang  in  der  linea  alba.  Der  Magen  wird  leicht  gefunden.  Erst  wird  der  Pylorus- 
theil  herausgezogen  und  aus  dem  Omentum  herausgeschält;  dann  wird  die  grosse 
Curvatur  hart  am  Magen  frei  präparirt.  Ca.  3  grössere  Gefässe  werden  vor  der 
Durchschneidung  unterbunden  und  die  centrale  Ligatur  kurz  abgeschnitten.  Von 
der  Milz  kommt  nur  ein  kleiner  Theil  zu  Gesicht,  der  nach  Durchtrennung  und 
Unterbindung  eines  Gefässes  gleich  reponirt  wird. 

Darauf  wird  die  kleine  Curvatur  frei  präparirt  und  4  Aeste  der  art.  coro- 
naria  sin.  unterbunden.  Nun  wird  erst  der  Zwölffingerdarm  0,5  Ctm.  hinter  dem 
Pylorus  durchschnitten,  die  art.  pancreatico-duodenalis  unterbunden.  Endlich 
wird  der  Cardiatheil  mit  der  Scheere  durchschnitten. 

Naht  wie  früher,  erst  am  hinteren,  dann  am  vorderen  Umfang.  Vorn  am 
Cardiatheil  Zwickel  von  7  Nähten.  Am  Uebergang  des  Zwickels  in  die  Rings- 
naht eine  Kreuznaht.  In  die  Bauchhöhle  war  keine  Speise  und  nur  wenig  Blut 
eingedrungen.  2  tiefe  und  6  oberflächliche  Bauchnähte.  Der  Hund  läuft  gleich 
nach  der  Operation  etwas  herum. 

Den  20.  Juli.  Der  Hund  ziemlich  munter,  säuft  Mittags  etwas  Wasser. 
Nachmittags  5  Uhr  wird  er  todt  gefunden. 

Section  20  Stunden  nach  dem  Tod  ergiebt:  Wunde  verklebt.  In  der 
Bauchhöhle  etwas  dünne  eitrige  Flüssigkeit.  Därme  nicht  hyperämisch.  Im  oberen 
Abschnitt  des  Bauches  eitrige  Entzündung.  Leber  besonders  an  der  unteren 
Fläche  mit  eitrigem  Belag  bedeckt.  Die  Milz  und  Umgebung  der  Wunde  eben- 
falls mit  dickem  gelbem  Eiter  belegt.  Die  Naht  hegt  exact.  Mucosa  und  Sub- 
mucosa  an  der  Nahtlinie  gequollen  und  zum  Theil  blutig  suffündirt. 

12.  Versuch.  Den  26.  Juli  wird  eine  4  Wochen  alte  weibliche  Katze 
gut  chloroformirt  unter  Garbolspray   operirt.     Leichte  Entwickelung  des  Magens. 


j^^g  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

Die  Milz  kommt  nur  vorübergehend  zu  Gesicht.  Der  Magen  wird  dicht  hinter 
dem  Pylorus  abgetragen,  der  Cardiatheil  etwas  länger  gelassen  als  bisher  übhch. 
Zwickelbildung  mit  20,  circuläre  Naht  mit  15  Nähten  von  carbolisirter  Seide.  Nur 
sehr  geringe  Blutung.  Alle  Gefässe  wurden  bei  der  Ausschäl ung  des  Magens 
sorgfältig  unterbunden.     Drei  tiefe,  5  oberflächliche  Bauchnähte. 

Den  27.  Morgens  wird  die  Katze  todt  gefunden. 

Das  Präparat  des  Magens  bietet  nichts  Besonderes. 

13.  Versuch.  Den  22,  Dezember  wird  ein  kleiner,  männlicher,  glatt- 
haariger schwarzer  Hund  von  5850  Gramm  Gewicht  vorgenommen. 

In  gemischter  Narkose  (0,12  Morphium)  und  unter  Carbolspray  wird  operirt. 
Bauchschnitt  4  Ctm,  lang,  in  der  hnea  alba;  3  Catgutligaturen.  Der  Magen 
lässt  sich  leicht  vorziehen;  der  vordere  Leberlappen  kommt  mehrmals  in  Sicht; 
die  Milz  nur  einmal  bei  starkem  Vorziehen  des  Magens.  Erst  wird  das  Netz  an 
der  grossen  Gurvatur  abgelöst  und  dann  an  der  kleinen;  5  Gefässe  müssen 
unterbunden  werden.    Dann  wird  der  vorgezogene  Magen  fast  vollständig  exstirpirt. 

Das  ausgeschnittene  Stück  misst  an  der  kleinen  Gurvatur  5,  an  der  grossen 
15  Ctm.  Länge.     Das  Lumen  am  Pylorustheile  15,  am  Fundus  30  Ctm. 

Dann  wird  die  Naht,  diesmal  mit  Catgut  Nr.  0  am  hinteren  Winkel  be- 
gonnen, erst  die  Hinterseite  und  schliesslich  die  Vorderfläche  genäht  und  mit 
6  Nähten  aus  dem  zu  weiten  Fundusabschnitt  ein  Zwickel  gebildet,  der  mit  einer 
schrägen  Naht  mit  der  aus  31  Nähten  bestehenden  Ringsnaht  vereinigt  wird. 
Drei  tiefe  und  6  oberflächliche  Bauchnähte.  Wenig  Blut  in  der  Bauchhöhle. 
Lister- Verband. 

Den  23.  Dezember.  Der  Hund  massig  munter,  erhält  Abends  2  Esslöffel 
voll  Milch. 

Den  27.    Der  Hund  erhält  Milch  und  gehacktes  Fleisch  in  kleinen  Portionen. 

Fäces  gelbbraun,  dünn.     Die  Wunde  heilte  gut. 

Am  23.  Januar  1877  wurde  der  Hund  aus  seinem  Behälter  im  Garten,  in 
dem  er  der  kalten  Temperatur  preisgegeben  war,  heraufgebracht ;  er  war  äusserst 
heruntergekommen,  konnte  vor  Schwäche  und  Inanition  nicht  stehen.  Am  vor- 
deren Wundwinkel  noch  eine  kleine  granulirende  Fläche.  Bei  sorgfältiger  Pflege, 
Aufenthalt  im  warmen  Zimmer  und  2 —  3  stündlichem  Darreichen  von  Nahrung 
erholt  sich  der  Hund  rasch ;  er  wog  nur  noch  4490  Gramm.  An  beiden  Ohr- 
lappen und  am  Gesäss  stossen  sich  noch  ziemlich  grosse  erfrorene  Hautstücke  ab. 

Bald  braucht  der  Hund  keine  besondere  Pflege  mehr.  Er  machte  den 
Umzug  nach  Heidelberg  mit  und  frisst  mit  den  anderen  Hunden  gemischte 
Nahrung  ohne  zu  erbrechen.    Am  10.  September  betrug  sein  Gewicht  7000  Gramm. 

14.  Versuch.  Den  9.  März  1877  wird  derselbe  Hund,  der  zu  Versuch 
4  gedient  hatte,  nochmals  opeiirt.  Unter  Spray  und  in  gemischter  Narkose  wird 
1  Ctm.  nach  rechts  von  der  früheren  Narbe  der  Bauchschnitt  gemacht.  In  der 
linea  alba  eine  haselnussgrosse  Bauchhernie.  Reichhches  Fett  zu  durchdringen. 
An  dem  stark  ausgedehnten  Magen  findet  sich  eine  querverlaufende  blasse  Narbe. 
Der  Fundus  ist  stark  abgesetzt.  Der  Magen  lässt  sich  leicht  vorziehen.  Die  Milz 
kommt  nur  einmal  zu  Gesicht.  Doppelte  Unterbindung  der  Gefässe  an  der  kleinen 
Gurvatur,  dann  Ablösung  des  grossen  Netzes. 

Der  Magen  wird  1,5  Ctm.  vor  dem  Pylorus  abgeschnitten,  der  Inhalt  ent- 
leert und  dann   der  Cardiatheil   durchtrennt.    Die   beiden  Enden   werden   ohne 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  ^^49 

Spannung  zusammengebracht  und  vernäht.  Am  Cardiatheil  Zwickel  mit  16  Cat- 
gutnähten;  Ringsnaht  mit  33  Nähten.  Einfügung  des  Zwickels  durch  2  sich 
kreuzende  Nähte.     12  Bauchnähte;  Lister- Verband. 

Am  10.  wird  der  Hund  todt  gefunden. 

Secionsbericht  fehlt. 

15.  Versuch.  Am  9.  Juni  wird  ein  junger,  weiblicher  Hund  unter 
Spray  operirt. 

1  Gtm.  vor  dem  Pylorus  wird  der  Magen  abgeschnitten,  nachdem  erst  an 
der  grossen  und  dann  an  der  kleinen  Gurvatur  das  Netz  abgelöst  und  die  Ge- 
fässe  unterbunden  waren.  Vom  Fundustheil  blieben  etwa  3  Gtm.  zurück.  Liga- 
turen und  Nähte  von  Gatgut  Nr.  2.  Die  Milz  kam  nicht  zu  Gesicht,  aber  die 
Leber  und  Gallenblase.  Toilette  des  Peritoneum  mit  Ghlorwasser.  Der  Magen 
war  mit  Speise  angefüllt.  21  Magennähte.  Vereinigung  der  beiden  Lumina  ohne 
Zwickel.  Die  meisten  Nähte  gehen  durch  die  Schleimhaut  durch.  6  tiefe 
Bauchnähte. 

Am  ausgeschnittenen  Magen  misst  das  Lumen  des  Pylorustheils  7,0  ,  das 
des  Fundustheiles  15  Gtm. 

20  Stunden  nach  der  Operation  ist  der  Hund  gestorben. 

Bei  der  Section  findet  sich  kein  Exsudat  und  keine  Hämorrhagie  in  der 
Bauchhöhle.    Etwas  Verfärbung  des  Netzes. 


Uebersehen   wir  die   angestellten  Versuche,   so    lassen  sie  sich 
in  folgende  Reihen  eintheilen: 
I.  Resection  des  Magens  und  zwar 

ringförmig  (1,  2  und  3),  und  oval  (4  und  5). 
II.    Exstirpation    von    Magen,    Milz    und    einem    Theil    des    Netzes 

(6.— 10.  Versuch). 
Ilt.    Exstirpation  des  Magens  allein  (11. — 15.  Versuch.) 

Die  erste  Versuchsreihe,  die  Exstirpation  von  ringförmigen  und 
ovalen  Stücken  aus  dem  Magen  lieferte  sehr  gute  Resultate.  Von 
den  5  Versuchsthieren  starb  nur  das  zweite,  ein  Kaninchen. 

Die  übrigen,  3  Hunde  und  1  Katze,  wurden  geheilt.  Es  ist 
bekannt,  wie  wenig  resistent  Kaninchen  gegen  Eingriffe  in  die  Bauch- 
höhle sind.  Die  Operation  dauerte  ziemlich  lang;  die  Bloslegung  der 
Eingeweide,  die  Abkühlung  durch  den  Spray  im  Verein  mit  der 
toxischen  Wirkung  der  Garbolsäure  genügt  wohl  zur  Erklärung  des 
einen  tödtlichen  Ausganges.  Wir  haben  auch  fernerhin  von  der  Ver- 
wendung von  Kaninchen  zu  den  Experimenten  am  Magen  abgesehen. 


-[50  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

Die  Versuchsanordnung  und  der  Verlauf  entsprach  im  Wesent- 
lichen  den  Angaben  von  Gussenbauer  und  v.  WiniAvarter. 

Wir  operirten  unter  Garbolspray  und  unter  Anwendung  der 
übrigen  Lister 'sehen  Gautelen.  Der  Bauchschnitt  wurde  in  der  weissen 
Linie  gemacht.  Vor  der  Eröffnung  der  Bauchhöhle  musste  oft  eine 
dicke  präperitoneale  Fettlage  durchtrennt  werden.  Die  Auffindung 
des  Magens  machte  nie  Schwierigkeiten.  Vor  der  Exstirpation  eines 
ringförmigen  Stückes  wurde  der  Magen  gut  vom  Assistenten  fixirt, 
nach  der  Durchschneidung  die  Lumina  gut  gereinigt,  Sie  Hessen 
sich  jeweils  leicht  zusammen  bringen  und  wurden  mittelst  der  von 
Gussenbauer  und  v.  Wini warter  angewendeten  modificirten 
Lembert'schen  Darmnaht  so  vernäht,  dass  die  Wundflächen  der 
Submucosa  und  ein  Theil  der  Serosa  von  jeder  Seite  auf  einander 
zu  liegen  kamen.  Das  überschüssige  Stück  des  weiteren  Magentheils 
wurde  nicht  in  die  circuläre  Naht  aufgenommen,  sondern  als  Zwickel 
für  sich  vernäht.  Die  Bauchwunde  wurde  mit  tiefen,  das  Peritoneum 
mitfassenden  und  oberflächlichen  Nähten  geschlossen.  Nahrung  er- 
hielten die  Thiere  in  den  ersten  24  Stunden  nicht. 

Die  Präparate  des  Magens  von  1  und  3  weisen  lineare  Narben 
auf  und  gleichen  vollständig  den  von  Gussenbauer  und  v.  Wini- 
warter^)  abgebildeten,  weshalb  ich  dieselben  nicht  besonders  zeichnen 
Hess.  An  der  Nahtlinie  war  bei  1  eine  Seidennaht,  bei  3  deren 
mehrere  von  innen  sichtbar,  die  ziemlich  frei  aus  kleinen  Grübchen 
in  das  Lumen  herein  ragten.  Geschwüre  um  die  Nähte  herum  waren 
nicht  zu  er-kennen:  auch  scheint  die  Gefahr  der  Perforation  an  die- 
sen Stellen  nicht  gross  gewesen  zu  sein,  da  gerade  den  Vertiefungen, 
in  welchen  die  Nähte  lagen,  entsprechend  an  der  Aussenseite  starke 
bindegewebige  Auflagerungen  sich  befanden,  lieber  das  weitere 
Schicksal  der  Seidennähte  lässt  sich  nur  sagen,  dass  unsere  desin- 
ficirte  Seide  anscheinend  fast  keinen  Reiz  auf  die  Gewebe  ausübt, 
da  beim  ersten  Versuchsthier  noch  nach  einem  Jahr  viele  Nähte  frei 
an  der  Aussenseite  zu  sehen  waren.  Die  Möglichkeit,  dass  von 
(schlecht  desinficirten    resp.  unreinen)  Seidennähten   aus   Geschwüre 


»)  A.  a.  0.  Tal'.  VI,  Fig.  1-4. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  I5I 

entstehen  können,  ist  nicht  zu  leugnen.  Der  5.  Versuch  Gussen- 
bauer's  spricht  dafür.  Wir  nahmen  deshalb  auch  bei  einigen 
späteren  Versuchen  Catgut. 

Durch  den  glücklichen  Erfolg  der  partiellen  Magenresection  er- 
nuithigt,  wurde  eine  neue  Versuchsreihe  unternommen.  Wir  wollten 
sehen,  ob  nicht  der  ganze  Magen  exstirpirt  werden  könne  und 
welche  Grösse  das  exstirpirte  Stück  besitzen  dürfe,  ohne  das  Leben 
des  Versuchsthieres  zu  gefährden. 

Es  ist  klar,  von  welch  hohem  physiologischen  Interesse  auch 
das  Gelingen  dieses  Versuches  wäre.  Der  Magen  hat  zwar  schon 
lange  von  seinem  Nimbus  verloren.  Er  hat  die  dominirende  Stel- 
lung im  Verdauungsschlauch  aufgeben  müssen.  Seine  Arbeit  ist 
nur  ein  Glied  in  der  langen  Kette  des  ganzen  Verdauungsprocesses. 

Mit  der  Einspeichelung  beginnt  die  chemische  Veränderung  der 
eingeführten  Nahrung,  der  Magen  setzt  sie  fort  und  was  er  übrig 
lässt,  und  das  ist  noch  recht  viel,  wird  von  der  Galle  und  dem 
Darmsafte,  vor  Allem  von  dem  wunderbar  vielseitigen  Pankreassaft 
weiter  verdaut.  Selbst  der  Dickdarm,  diese  partie  honteuse  des 
Verdauungsschlauches ,  hat  eine  active  Rolle  zugetheilt  erhal- 
ten, und  im  Nothfall  kann  er  selbst  vicariirend  für  den  Magen 
eintreten.  Welch  ein  Triumph  wäre  es,  den  Magen  ganz  auszu- 
schalten und  doch  die  Verdauung  ungestört  vor  sich  gehen  zu  sehen. 

Die  neue  Versuchsanordnung  (6  —  10)  war  mit  erheblich 
grösseren  Schwierigkeiten  auszuführen.  Die  Entwicklung  von  Magen, 
Milz  und  dem  dazwischenliegenden  Netz  war  jeweils  leicht.  Beim 
ersten  Versuche  (6)  kam  die  Milz  gleich  mit  dem  Magengrund  vor 
die  Bauchwunde,  so  dass  wir  beschlossen,  sie  mit  zu  exstirpiren. 
Die  Goaptation  des  Duodenum  und  des  Cardiastumpfes  machte 
grosse  Mühe.  Am  Cardiatheil  war  ein  ungleich  grösseres  Lumen 
als  am  Pylorustheil  resp.  Duodenum,  so  dass  meist  2  Zwickel  ge- 
bildet werden  mussten,  um  nicht  einen  allzugrossen  Zwickel  zu 
erhalten.  Nur  beim  7.  Versuche  liess  sich  das  20  Ctm.  Umfang 
messende  Cardiastück  mit  dem  halb  so  weiten  Pylorustheil  ohne 
Zwickel  vereinigen.  Das  Duodenum  liess  sich  unschwer  nach  links 
herüber  ziehen.     Am  Cardiatheil   war  aber  stets  grosse  Spannung. 


152  Dl.  F.  F.  Kaiser. 

Derselbe  musste  vom  Assistenten  kräftig  mit  Daumen  und  Zeigefinger 
vorgezogen  und  so  in  der  Bauchwunde  erhalten  werden. 

Im  10.  Versuch  glitt  derselbe  einmal  vollständig  in  die  Bauch- 
höhle. Dabei  besteht  dann  die  grosse  Gefahr,  dass  sich  Speisetheile 
oder  Speichel  in  die  Bauchhöhle  ergiesst,  wie  es  im  8.  Versuch  der 
Fall  war.     Es  wird  der  Gardiatheil  wohl  auch  stark  gequetscht. 

Bei  der  Lostrennung  des  Pylorus  kam  mehrfach  das  Pankreas, 
das  ihm  dicht  anlag,  in  Mitleidenschaft  und  musste  losgetrennt 
werden. 

Grosse  Aufmerksamkeit  erforderte  die  Vermeidung  resp.  Stil- 
,  lung  der  Blutung.  Nach  einem  Injectionspräparate,  das  ich  herstellte, 
verhält  sich  die  Gefassvertheilung  an  Magen  und  Milz  ziemlich  wie 
beim  Menschen.  Die  arteria  coeliaca  spaltet  sich  auch  in  die  3  be- 
kannten Aeste. 

Meistens  gelang  es  bei  den  Versuchen  nicht  den  Stamm  der 
art.  coronaria  ventric.  sin.  vorzuziehen  und  abzubinden;  es  mussten 
dann  die  Aeste  einzeln  und  meist  doppelt  unterbunden  werden. 
Dann  wurden  die  Milzgefässe  mit  Massenligaturen  abgebunden,  wo- 
bei sich  bisweilen  rasch  durch  venöse  Stauung  ein  starker  Milztumor 
entwickelte  und  endlich  wurden  die  Gefässe  am  Pylorus  ligirt.  War 
die  Blutung  erledigt,  dann  wurde  der  Magen  resp.  Darm  im  Pylorus, 
knapp  dies-  oder  jenseits  davon  abgeschnitten  und  das  Netz,  soweit 
es  vorlag,  durchtrennt  und  mit  der  Milz  nach  links  geschlagen.  Nun 
musste  der  Assistent  den  Gardiatheil  möglichst  hoch  oben  fassen, 
vorziehen  und  so  eine  lange  Zeit,  nämlich  bis  die  Naht  angelegt 
war,  halten.  Die  Serosa  zog  sich  an  den  Schnitträndern  stets  etwas 
zurück,  die  Mucosa  stülpte  sich  aus.  Jetzt  kam  noch  die  schwie- 
rige Vereinigung  der  beide  Stümpfe  durch  die  Naht.  Es  wurde  wie 
früher  mit  carbolisirter  Seide  genäht  und  die  modificirte  L  em bert 'sehe 
Naht  angewandt,  so  dass  nicht  nur  die  serösen  Blätter,  sondern 
auch  die  Wundränder  der  Submucosa  auf  einander  zu  liegen 
kamen. 

Die  Naht  wurde  meist  zuerst  an  der  schwierigsten  Stelle,  näm- 
lich im  hinteren  obern  Umfang  angelegt,  dann  die  Hinterwand  und 
schliesslich  der  vordere  Umfang  genäht   und   dabei  nach  Bedürfniss 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  ^53 

1  oder  2  Zwickel  gemacht,  deren  Einfügung  in  die  Ringsnaht  be- 
sondere Aufmerksamkeit  erforderte.  Schliesslich  kam  noch  die  Toi- 
lette des  Bauchfells  und  die  Bauchnaht. 

Diese  Operationen  dauerten  etwa  2  Stunden,  somit  bedeutend 
länger  als  die  früheren  und  es  ist  schon  darin  eine  wesentliche  Be- 
dingung des  schlechteren  Erfolges  zu  sehen,  da  nach  den  Versuchen 
von  Wegner*)  die  starke  Abkühlung  der  Versuchsthiere,  welcher 
sie  bei  lange  dauernder  Eröffnung  der  Bauchhöhle  und  durch 
die  Anwendung  des  Spray  ausgesetzt  waren,  allein  schon  tödtlich 
sein  kann.  Abgesehen  von  dem  in  die  Bauchhöhle  strömenden 
Sprühregen  troffen  die  Thiere  nach  der  Operation  von  dem  höchstens 
Zimmertemperatur  besitzenden  Carbolwasser. 

Durch  die  Zerrung  und  Compression  des  Gardiatheiles  entstand 
venöse  Stase,  Tendenz  zur  Mortification  oder  gar  wie  im  7.  Versuch 
ein  Loch  im  Herzbeutel. 

Was  die  Nahtanlegung  betrifft,  so  Hessen  wir  uns  die  Mühe 
nicht  verdriessen  und  haben  im  Ganzen  des  Guten  eher  etwas  zu 
viel  gethan  als  zu  wenig.  Die  Zahl  der  angelegten  Nähte  und  das 
Aussehen  der  Präparate,  an  denen  die  Wundflächen  stets  sehr  exact 
lagen,  beweist  das. 

Die  Erfolge  dieser  Experimente  waren  im  7.  Versuch  Tod  an 
Peritonitis ;  zugleich  findet  sich  bei  der  Section  ein  Loch  im  Herzbeutel 
und  Geschwüre  im  Darm.  In  wie  weit  letztere  das  Versuchsthier 
weniger  resistent  gemacht  haben,  lasse  ich  dahingestellt. 

Beim  8.  Versuch  kam  Mageninhalt  in  den  Bauch  und  erzeugte 
Peritonitis  und  Tod.  No.  9,  bei  dem  der  Cardiatheil  einmal  in 
die  Bauchhöhle  zurückglitt,  theilte  das  Schicksal  seines  Vorgängers. 
Beim  10.  Versuche  ergab  die  Section  eine  Perforationsstelle  am 
Zwickel,  die  vermuthlich  vom  Drucke  einer  Pincette  herrührte,  welche 
die  ermüdeten  Finger  des  Assistenten  unterstützen  sollte. 

Es  bleibt  noch  zu  betrachten  das  Schicksal  des  6.  Versuches. 

Als  nach  Entfernung  der  Bauchnähte  am  4.  Tage  die  Bauch- 


')  Wegner,  Chirurgische  Bemerkungen  über  die  Peritonealhöhle  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Ovariotomie.  Archiv  f.  klinische  Chirurgie  1877, 
ö.  61. 


154  Dr-  F.  F.  Kaiser. 

Aviinde  geheilt  und  der  Hund  munter  war,  glaubten  wir  seine  de- 
finitive Heilung  hoffen  zu  dürfen,  um  so  mehr,  da  er  in  der  näch- 
sten Zeit  wie  in  gesunden  Tagen  umherlief,  der  Leib  weder  schmerz- 
haft noch  aufgetrieben  war,  die  Fäces  regelmässig  und  von  normaler 
Beschaffenheit  erfolgten.  Im  Anfang  frass  der  Hund  gierig,  erbrach 
jedoch  häufig;  bald  adaptirte  er  sich  seinem  Zustand  und  nahm 
spontan  nur  kleine  Mengen  von  Nahrung  auf  einmal.  Sein  Gewicht 
nahm  selbst  um  etwas  zu.  Unerwartet  starb  er  nach  21  Tagen, 
wie  die  Section  nachwies,  an  eitrig-hämorrhagischer  Peritonitis,  die 
zweifelsohne  durch  Perforation  des  vorderen  Zwickels  und  Austritt 
von  Speise  in  die  Bauchhöhle  bedingt  war.  Wahrscheinlich  war  zu- 
erst ein  Abscess  an  der  die  Wundlinie  deckenden  und  mit  dieser 
verwachsenen  unteren  Leberfläche  entstanden,  durch  dessen  Berstung 
erst  die  diffuse  Peritonitis  veranlasst  wurde.  Mit  Bestimmtheit  lässt 
sich  die  Perforationsstelle  nicht  nachweisen.  Es  kann  eine  Naht 
ausgerissen  oder  zu  einem  Geschwür  Veranlassung  gegeben  haben. 
Vielleicht  hat  auch  das  Versuchsthier  bei  der  ungenügenden  Aufsicht, 
der  es  unterlag,  von  einem  unverständigen  oder  übelwollenden  Patien- 
ten ungeeignete  Nahrung  erhalten,  welche  eine  Perforation  erzeugte. 
Die  Nahtlinie  war  sehr  schön  verheilt,  kaum  mehr  kenntlich. 

Es  ist  immerhin  von  grossem  Interesse  zu  sehen^  dass  ein 
Hund  ohne  Magen  und  Milz  3  Wochen  lang,  und  eine  Zeit  in  vol- 
lem Wohlsein  leben  und  dabei  gut  verdauen  konnte.  Der  Tod 
war  gewiss  keine  nothwendige,  sondern  nur  eine  zufällige  Folge  der 
Operation. 

Tafel  I,  Fig.  2  zeigt  den  ausgeschnittenen  Magen  mit  Milz  und 
Netz  in  natürlicher  Grösse. 

Fig.  1  zeigt  den  von  hinten  aufgeschnittenen  Oesophagoduo- 
denaltractus.  Die  Nahtlinie  a  b  ist  auf  der  Zeichnung  viel  deutlicher 
markirt  als  an  dem  Präparat  selbst.  Die  Grenze  des  Oesophagus  c 
und  des  Cardiatheiles  des  Magens  ist  durch  den  Uebergang  des 
Pflaster-  zum  Cylinderepithel  sehr  scharf  zu  erkennen.  Am  Gardia- 
theil  sind  reichliche  Längsfalten  und  die  trichterförmige  Innenseite 
des  vorderen  Zwickels  leicht  zu  sehen.  Die  circuläre  Narbe  ist  sehr 
solid;   sie  befindet   sich  2  Gtm.  unterhalb  der   unteren  Oesophagus- 


Beiträge  zur  den  Operationen  am  Magen.  |55 

grenze,    nur  an  einer  Stelle  springt  eine  Seidennaht  in    das  Lumen 
vor.     Am  Duodenum  d  keine  Abnormitäten. 

Um  zu  prüfen,  ob  die  Exstirpation  des  Magens  allein  günstigere 
Resultate  aufweise,  wm'de  bei  einer  3.  Versuchsanordnung  Milz  und 
Netz  zurückgelassen.  Unter  Spray  wurde  wieder  in  der  linea  alba 
incidirt,  der  Magen  vorgezogen,  erst  das  Netz  an  der  grossen  Cur- 
vatur  vom  Pylorus  anfangend  sorgfältig  abgelöst  und  die  Gefässe 
womöglich  vorher  unterbunden.  Dann  wurden  die  Gefässe  an  der 
kleinen  Curvatur  gesichert  und  hierauf  in  der  Pylorusgegend  der 
Magen  abgeschnitten  und  dann  auch  am  Cardiatheil  durchtrennt,  wobei 
diesmal  eine  allzu  grosse  Spannung  des   letzteren  vermieden  wurde. 

Eine  so  operirte  Katze  starb  nach  12  Stunden.  Von  4  Hun- 
den starben  3,  der  eine  an  eitriger  Peritonitis;  von  den  andern 
beiden  fehlen  genügende  Sectionsberichte.  Nur  der  Hund,  an  wel- 
chem der  13.  Versuch  gemacht  wurde,  lebt  noch  heute  und  hat  sich 
von  den  Complicationen,  die  ihn  während  seiner  Reconvalescenz 
trafen,  längst  vollständig  erholt.  Bei  dem  ziemlich  kleinen,  5850  Gramm 
wiegenden  Hunde  wurde  fast  der  ganze  Magen  entfernt  (15  Ctm. 
grosse  und  5  Ctm.  kleine  Cairvatur)  und  die  Wunde  mit  Catgut 
genäht.  Als  er  einen  Monat  nach  der  Operation  fast  erfroren  und 
verhungert  war,  wog  er  nur  noch  4480  Gramm  und  im  September 
dieses  Jahres  betrug  sein  Gewicht  7000  Gramm.  Er  frisst  genau 
dasselbe  Futter  wie  die  übrigen  Hunde  und  befindet  sich  ganz  wohl 
dabei,  wie  seine  Gewichtszunahme  evident  beweist. 

Stellen  wir  nochmals  die  Resultate  unserer  Vivisectionen  zu- 
sammen, so  haben  mit  Ausnahme  eines  Kaninchens  sämmtliche 
Versuchsthiere  (3  Hunde  und  1  Katze)  die  partielle  Magenresection 
(Gastrektomia  partialis)  überstanden. 

Von  5  Hunden,  bei  denen  Magen,  Milz  und  Netz  exstirpirt 
wurde  (Splenogastrektomie),  lebte  ein  Hund  21  Tage,  die  übrigen 
starben  im  Verlauf  der  nächsten  2  Tage. 

Von  5  Versuchsthieren,  bei  welchen  der  Magen  allein  exstirpirt 
wurde  (Gastrektomia  totalis),  lebt  ein  Hund  jetzt  noch  (10  Monate 
nach  der  Operation);  die  übrigen  gingen  innerhalb  24  Stunden  zu 
Grunde. 


156  Dr-  F-  F.  Kaiser. 

Wie  verhalten  sich  diese  Resultate  zu  denen  anderer  Experi- 
mentatoren ? 

Von  den  3  Hunden,  an  denen  Merrem  ^)  experimentirte, 
starb  einer  am  Tage  nach  der  Operation,  ein  zweiter  ging  trotz 
sorgfältiger  Nachbehandlung  am  22.  Tag  zu  Grunde,  und  ein  dritter 
wurde  anscheinend  im  besten  Wohlbefinden  am  27.  Tage  nach  der 
Operation  gestohlen.  Merrem  hatte  bei  allen  den  Pylorus  exstirpirt 
und  den  Magen  in  das  Duodenum  invaginirt. 

James  Reoch^)  spricht  der  Gastrostomie  beim  Menschen  das 
Wort  auf  Grund  folgender  Experimente: 

Eine  Katze,  der  er  ein  kleines  Stück  aus  dem  Magen  exstirpirte 
(er  fixirte  die  Magenwunde  an  die  Bauchwand  und  verstopfte  die 
Wunde  mit  einem  Stückchen  Schwamm),  starb  am  10.  Tag  an 
Erschöpfung;  eine  andere  Katze  starb  am  2.  Tage  nach  der  Ope- 
ration. Ein  Hund ,  den  er  ähnlich  operirte,  lebte  3  Tage  und  ein 
zweiter  blieb  mehrere  Monate  lang  gesund. 

Noch  ungünstiger  sind  die  Resultate  der  Versuche  von  Klemen- 
siewicz^),  die  er  zur  Gewinnung  von  Sekret  des  Pylorustheils  an 
Hunden  anstellte.  Er  schaltete  den  Pylorustheil  des  Magens  aus  dem 
Verdauungskanal  aus.  Er  durchschnitt  die  pars  pylorica  knapp  vor 
dem  Pylorus  und  dann  trennte  er  den  Magen  an  der  vorderen  Grenze 
des  Pylorustheils,  vernähte  die  untere  Oeffnung  vollständig  mit  Gat- 
gut,  die  vordere  nur  zum  Theil  und  bildete  so  einen  Pylorussack, 
dessen  freie  Oeffnung  in  die  Bauchwand  eingenäht  wurde.  Das 
Duodenum  wurde  mit  dem  Fundus  vereinigt,  nachdem  das  Schnitt- 
ende des  letztern  entsprechend  durch  Darmnaht  verkleinert  worden 
war.  Die  ersten  3  Hunde  gingen  innerhalb  6  Tagen  an  einer  hef- 
tigen Peritonitis,  welche  regelmässig  auftrat,  zu  Grunde.  Die  Naht- 
stellen waren  immer  gut  verheilt,  Verbindung  zwischen  Magen  und 
Duodenum  frei.     Bei  7  andern  Hunden   erfolgte  der  Tod  spätestens 


')  A.  a.  0. 

»)  Lancet  1874  II,  July  11. 

')  Klemensiewicz,  lieber  den  succus  pyloricus.  Sitzungsberichte  der 
kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften,  Mathematisch  -  naturwissenschaftliche 
Klasse.    Wien  1875.     März,  S.  249. 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^57 

nach  53  Stunden.  Es  wurde  nun  die  Operation  modificirt  und  der 
Pylorus  nur  abgebunden  und  in  die  pars  pylorica  und  pars  cardiaca 
eine  Ganüle  eingebunden.  Sechs  auf  diese  Weise  operirte  Hunde 
gingen  ebenfalls  innerhalb  längstens  89  Stunden  zu  Grunde. 

Gussenbauer  und  von  Winiwarter  haben  von  ihren 
8  Versuchsthieren,  an  welchen  sie  die  partielle  Magenresection  aus- 
führten nur  2  längere  Zeit  am  Leben  erhalten  (2  und  5),  während 
1,  3,  6,  8  an  septischer  Peritonitis,  4  und  7  an  Peritonitis  durch 
Austritt  von  Mageninhalt  innerhalb  der  ersten  5  Tage  zu  Grunde 
gingen,  aber  auch  in  den  ungünstig  verlaufenen  Fällen  war  der 
locale  Befund  an  der  Magenwunde  ein  überraschend  günstiger. 

Nachdem  Gussenbauer  und  von  Winiwarter  durch  ihre 
Thierexperimente  die  Möglichkeit  der  Pylorusexstirpation  nachgewiesen 
hatten,  was  durch  unsere  günstigeren  Resultate  vollkommen  bestätigt 
wird,  unterzogen  sie  sich  der  grossen  Mühe,  die  Fälle  von  Magen- 
carcinom,  die  während  56  Jahren  in  den  Sectionsprotokollen  des 
Wiener  pathologisch-anatomischen  Institutes  verzeichnet  waren,  zu- 
sammen zu  stellen  und  einer  genauen  Analyse  zu  unterwerfen. 

Es  stellte  sich  dabei  heraus,  dass  unter  903  Fällen  von  Magen- 
carcinom  in  542  Fällen  der  Pylorus  erkrankt  war  und  dass  von 
diesen  Fällen  223  ohne  Secundärcarcinom  und  172  ohne  Verwach- 
sungen mit  der  Umgebung  bestanden  hatten,  ein  Ergebniss,  das 
vollständig  mit  den  Angaben  von  Brinton^)  übereinstimmt,  der  in 
60*^/0  der  von  ihm  zusammengestellten  Fälle  von  Magenkrebs  eben- 
falls Pyloruscarcinom  fand,  während  Lebert^)  den  Procentsatz 
desselben  nur  auf  51*^/o  angibt. 

An  der  Vorder-  und  Hinterwand  und  an  den  Gurvaturen  ist 
der  Sitz  der  Magencarcinome  ungleich  viel  seltener.  * 

In  den  Fällen,  wo  noch  keine  Secundärerkrankungen  vorhan- 
den sind,  ist  der  Pyloruskrebs  ein  locales  Leiden,  welches  zunächst 
durch  die  mechanische  Behinderung  der  Fortbewegung   der  Inges! a 


^)  Ziemssen,  Handbuch  der  speciellen  Pathologie  und  Therapie,  Bd.  VIT,  2. 
Leube,  Magen  und  Darm.    S.  122. 

2j  Lebert,  Ueber  Magenkrebs.     Deutsches  Archiv  f.  klin.  Medicin,  1877. 


158  Dr.  F.  F.  Kaiser. 

aus  dem  Magen  die  Ernährung  schwer  stört  und  den  Organismus 
zu  Grunde  richtet. 

Die  interne  Medicin  hat  sich  den  Magen-  wie  den  andern  Gar- 
cinomen  gegenüber  bis  jetzt  machtlos  erwiesen.  Diese  Kranken  bieten 
dem  internen  Kliniker  Interesse  bis  die  Diagnose  gemacht  ist.  Dann 
wird  die  Prognose  absolut  ungünstig  gestellt,  vielleicht  mit  der 
Magen  pumpe  noch  vorübergehende  Erleichterung  geschaffen,  aber 
bald  bei  diesen  Todescandidaten  die  Euthanasie  mit  Morphium  ein- 
geleitet. Bei  der  klinischen  Autopsie  wird  die  Richtigkeit  der  Diagnose 
bestätigt. 

Bei  der  offen  anerkannten  Unmöglichkeit,  diese  schreckliche 
und  häufige  Krankheit  mit  inneren  Mitteln  zu  bekämpfen,  muss 
jeder  andere  irgend  Aussicht  auf  Erfolg  bietende  Vorschlag  mit 
Dank  aufgenommen  werden  und  als  einziges  Mittel  erscheint  bis  jetzt 
die  Exstirpation  der  erkrankten  Parthie,  wie  sie  zuerst  von  Merrem 
und  jetzt  wieder  von  Gussenbauer  und  v.  Winiwarter  und 
von  Billroth  befürwortet  wurde. 

Der  Erfolg  einer  gelungenen  Gastrektomie  kommt  einer  Radical- 
heilung  gleich  und  diese  Operation  bietet  somit  ein  viel  günstigeres  Re- 
sultat als  die  Gastrostomie  bei  Oesophaguscarcinom,  die  ja  leider  nur 
für  einige  Zeit  den  tödtlichen  Ausgang  des  Uebels  verschieben  kann,  da 
die  erkrankte  Stelle  bei  letzterer  gar  nicht  angegriffen  werden  kann. 

Die  Furcht  vor  dem  Recidiv  darf  uns  nicht  abhalten  zu  operiren, 
denn  sonst  wären  auch  bei  vielen  andern  äusserlich  zugänglichen 
Carcinomen  die  Hände  des  Chirurgen  gebunden. 

Wenn  auch  der  Patient  Reybard's,  an  dem  er  ein  carci- 
nomatöses  Stück  Darm  exstirpirte  (1844),  nach  6  Monaten  an  Recidiv 
zu  Grunde  ging,  so  war  das  gewiss  keine  Nothwendigkeit  und  wir 
mij^sen  das  kühne  Vorgehen  dieses  Chirurgen  nur  bewundern. 

Es  kommt  für  die  Stellung  der  Indication  für  die  Gastrektomie 
zunächst  die  Schwierigkeit  der  Diagnose  der  Magen-  resp.  Pylorus- 
carcinome  in  Betracht.  Selbstverständlich  darf  nur  nach  deren 
Sicherstellung  operirt  werden,  wenn  auch  eine  anderwärts  nicht 
gefürchtete  probatorische  Incision  auch  hier  nicht  gefährlicher  ist. 

Fixer  Schmerz  in  der  Magengegend,  Erbrechen  nach  dem  Essen, 


Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen.  j^59 

Abmagerung,  Dilatation  des  Magens  bedingen  wohl  den  Verdacht 
auf  Magencarcinom ,  der  aber  erst  dadurch  nahezu  zur  Gewissheit 
erhoben  wird,  dass  es  gelingt,  in  der  oberen  Bauchgegend  eine 
Geschwulst  zu  fühlen.  Verwechselung  mit  schwieligen,  nicht  malignen 
Verdickungen  der  Pylorusgegend,  festem  abgesacktem  peritonitischem 
Exsudat,  Geschwülsten  des  Pankreas,  der  Leber  und  des  Netzes 
könnte  immer  noch  geschehen.  Gelingt  es  nicht  im  Erbrochenen 
Krebselemente  nachzuweisen,  so  bietet  die  von  Gussenbauer  und 
V.  Winiwarter  vorgeschlagene  Harpunirung  des  Tumors  ein  neues 
differentialdiagnostisches  Auskunftsmittel.  Würde  man  sich  bei  su- 
specten  Fällen  der  Untersuchung  in  der  Narkose  bedienen ,  die  bis 
jetzt  dazu  nicht  angewandt  wurde,  so  würde  es  sicher  oft  gelingen, 
viel  frühzeitiger  die  Anwesenheit  eines  Tumors  und  seine  Beziehungen 
zur  Umgebung  zu  diagnosticiren  und  rechtzeitig  zum  operativen 
Eingriffe  zu  schreiten. 

Dass  hochgradige  narbige ,  nicht  krebsige  Pylorusstenosen ,  die 
sicher  zum  Tode  führen,  ein  viel  geeigneteres  und  günstigeres  Object 
für  die  Gastrektomie  abgeben,  als  Pyloruscarcinom  hat  mit  Recht 
Gussenbauer  schon  betont. 

Als  Gegenanzeigen  gelten  selbstverständlich  Altermarasmus,  zu 
weit  vorgeschrittene  Kachexie  der  Patienten,  und  der  Nachweis  von 
Metastasen  ebenso  gut  als  bei  der  Gastrostomie. 

Die  Ausführung  der  Gastrektomie  bietet  keine  allzugrossen 
Schwierigkeiten.  Durch  einen  Schnitt  in  der  linea  alba  oberhalb 
des  Nabels  findet  man  sicher  den  Pylorustheil  des  Magens  oder  den 
Pylorus  selbst  und  wird  denselben,  wie  bei  den  Thierexperimenten 
ausführlich  beschrieben,  loslösen  und  nach  Stillung  etwaiger  Blutung 
im  Gesunden  exstirpiren. 

Die  Wundflächen  werden  je  nach  Bedürfniss  mit  oder  ohne 
Zwickelbildung  vereinigt.  Zur  Naht  entspricht  allen  Anforderungen 
die  oben  angewandte  modificirte  Lembert'sche  Darmnaht  oder, 
wenn  man  breitere  Streifen  der  Serosa  in  Berührung  bringen  will, 
eine  zweireihige  Etagennaht  (s.  oben  S.  29)  welche  vor  der  Gussen- 
bauer'schen  Darmachternaht  den  Vorzug  leichterer  Ausführbarkeit 
besitzen  dürfte  und  »doch  genügende  Sicherheit  bietet. 


160  Dr-  F.  F.  Kaiser. 

Vorbereitung  des  Operateurs  durch  Thierexperimente  und  am 
Cadaver  ist  unerlässlich ,  wenn  man  seiner  Sache  sicher  sein  will, 
indem  dadurch  der  Verlauf  der  Operation  wesentlich  abgekürzt  und 
die  Chance  des  Gelingens  erhöht  wird. 

Ich  zweifle  nicht,  dass  Billroth's  prophetisches  Wort  über 
die  Exstirpation  eines  carcinomatös  degenerirten  Magenstückes  bald 
in  Erfüllung  gehen  wird,  wie  auch  wenige  Jahre  nach  seinem  auf 
Vivisectionen  gegründeten  Vorschlag  der  Resection  des  Oesophagus 
(Oesophagektomie)  die  glückliche  Ausführung  durch  Professor  Czerny 
gefolgt  ist. 


IV. 


lieber  die  Plastik  mit  granulirenden 
Hautlappen. 


Von 
Prof.  Dr.  Czerny. 


Hiezu  Tafel  II. 


Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  11 


Gräfe,  der  Wiederentdecker  der  Tagliacozza'schen  Rhino- 
plastik,  hat  so  früh  die  italienische  Methode,  bei  welcher  bekanntlich 
ein  seit  längerer  Zeit  vorbereiteter  Armhautlappen  zur  Nasenbildung 
benützt  wird,  verlassen,  dass  man  sich  nicht  wundern  darf,  wenn 
nur  selten  vorbereitete,  granulirende  Lappen  zur  Plastik  verwendet 
worden  sind.  Erst  Thiersch  und  Billroth  haben  bei  ihren  Opera- 
tionen der  Blasenspalte  und  Epispadie  wieder  auf  den  Werth  der 
Methode  hingewiesen,  und  Letzterer  hat  ihr  noch  neuen  Boden  bei 
der  Deckung  eines  Ulcus  prominens  der  Ferse  ^)  und  bei  dem  Ver- 
schlusse einer  Magenbauchwandfistel  2)  verschafft.  Durch  briefliche 
Mittheilungen  erfuhr  ich  sogar,  dass  Billroth  auch  den  Scheiden- 
verschluss  mit  einem  vorbereiteten  Lappen  ähnlich  wie  in  meinem 
dritten  Falle  ausgeführt  habe. 

Der  wichtigste  Vortheil  granulirender  Hautlappen  liegt  darin, 
dass  sie,  wie  granulirende  Wunden  überhaupt,  w^eniger  dem  Einflüsse 
schädlicher  Flüssigkeiten,  wie  alkalischer  Harn,  Darminhalt,  Jauche  etc. 
ausgesetzt  sind,  als  frischgeschnittene  Wunden.  Der  Gefahr,  dass 
der  in  der  Nähe  einer  Harn  oder  Koth  entleerenden  Oeffnung  aus- 
geschnittene Lappen  doch  inficirt  werden  kann,  bevor  er  zu  granu- 
liren  anfängt,  kann  man  dadurch  entgehen,  dass  man  die  frische 
Wunde  mit  einer  8°/o  Ghlorzinklösung  oberflächlich  ätzt.  Wegen 
dieser  Eigenschaft  werden  sich  granulirende  Lappen  ganz  besonders 


^)  Güssen  bau  er.  Zur  Casuistik  plastischer  Operationen  an  den  Ex. 
treniitäten.     Deutsche  med.  Wochenschrift  25.  Dez.  1875. 

^)  A.  Wölfler.  Die  Magenbauchwandfistel  und  ihre  operative  Heilung. 
Arch.  für  klinische  Chirurgie  XX.  Bd.  3,  Heft. 


j^ß4  D"^«   Gzerny. 

zur  Deckung  ausgedehnter  Defecte  an  den  Harnorganen,  am  Darm- 
tractus,  vielleicht  auch  an  der  Trachea  eignen. 

Ferner  sollte  man  erwarten,  dass  ein  granulirender  Lappen,  bei 
dem  die  Gefässe  in  lebhafter  Neubildung  begriffen  sind,  sich  leichter 
mit  seinem  neuen  Nährboden  in  Gefässverbindung  setzen  wird,  dass 
er  somit  schneller  anheilt,  und  dass  die  Ernährungsbrücke  früher 
durch  trennt  werden  kann.  Gussenbauer  konnte  in  seinem  Falle 
17  Tage  nach  der  Einpflanzung,  ich  14  Tage  nach  derselben  die 
Ernährungsbrücke  lösen ,  während  man  diese  Operation  bei  der 
gewöhnlichen  Rhinoplastik  aus  der  Stirne  meistens  erst  in  der 
4.  Woche  vornimmt.  Allein  Gräfe  wagte  dasselbe  bei  seinen  frisch 
übertragenen  Armhautlappen  schon  am  6.  bis  10.  Tage!  ^)  Man 
muss  also  noch  mehr  Erfahrungen  sammeln,  um  diese  Vermuthung 
zu  bestätigen.  Sie  würde  ganz  besonders  werthvoll  sein  in  den 
Fällen ,  wo  der  Lappen  von  einem  entfernten  Körpertheile ,  der  bis 
zur  Anheilung  in  erzwungener  Stellung  gehalten  werden  muss,  her- 
genommen worden  ist,  wie  bei  der  Deckung  von  Fussgeschwüren 
durch  die  Haut  des  anderen  Fusses. 

Schon  von  den  Nachfolgern  Gräfe's  wurde  seiner  Methode  vor- 
geworfen, dass  die  Secretion  eines  frisch  geschnittenen  Nasenlappens 
sehr  stark  sei  und  vor  dem  Eintritt  der  vollständigen  Wundreini- 
gung übel  rieche.  Granulirende  Lappen  zeigen  diesen  Uebelstand 
allerdings  nicht  in  so  hohem  Grade,  allein  sie  sind  dafür  wieder  so 
starr,  dass  sie  sehr  lang  geschnitten  werden  müssten,  wenn  sie  eine 
grössere  seitliche  Drehung  erlauben  sollen,  und  wegen  ihrer  Starrheit 
lassen  sie  eine  so  feine  Modellirung  nicht  zu,  wie  sie  für  Plastiken 
am  Mund  und  an  der  Nase  erwünscht  ist. 

Als  fernere  Beispiele  von  der  Brauchbarkeit  dieser  Methode 
mögen  folgende  3  Fälle  dienen. 


^)  Zeis,  plastische  Chirurgie,  ßprliii,  1838,  S.  89. 


Ueber  die  Plastik  mit  granulirendea  Hautlappen.  j^ß5 


1.  Heilung  eines   durchbohrenden  Fusssohlen- 
geschwüres  durch  Resection  und  Plastik. 

Philipp  Banwarth,  44  Jahre  alt,  Taglöhner,  war  schon  im 
Jahre  1872  wegen  einer  Circulärsägenverletzung  beider  Hände,  die 
blos  geringe  Narbenspuren  hinterlassen  hat,  in  Behandlung.  Andere 
Krankheiten  soll  er  nicht  durchgemacht  haben.  Im  Jahr  1875  be- 
kam er,  angeblich  durch  Stiefeldruck,  eine  eiternde  Blase  an  der 
Sohle  des  rechten  Fusses,  entsprechend  dem  Köpfchen  des  1.  Mittel- 
fussknochens ,  die  aufbrach.  Da  die  Wunde  nicht  sehr  schmerzte, 
arbeitete  er  weiter,  bis  sich  ein  Geschwür  von  Thalergrösse  gebildet 
hatte.  Am  18.  Juni  1875  trat  er  in  Säckingen  in  das  Spital.  Da 
jedoch  das  Geschwür  nicht  heilte,  trat  er  am  8.  Sept.  wieder  aus  und 
kam  am  28.  Sept.  1875  in  die  Freiburger  Klinik.  Bei  dem  kräftigen, 
gesund  aussehenden  Manne  war  weder  durch  die  Anamnese  noch  durch 
die  genaueste  Untersuchung  eine  Spur  von  syphilitischer  Infection 
nachweisbar.  Am  Ballen  der  rechten  grossen  Zehe  war  ein  mehr  als 
Mark-grosses,  missfarbiges,  stinkendes,  trichterförmig  sich  vertiefendes 
Geschwür,  welches  dünnflüssige  Jauche  secernirte.  Die  Umgebung 
desselben  war  stark  geröthet  und  infiltrirt.  Die  Sonde  kam  nicht 
auf  Knochen,  obzwar  angeblich  schon  in  Säckingen  ein  Knochen- 
splitter abgegangen  sein  sollte.  Das  Metatarsophalangealgelenk  war 
nachweisbar  erkrankt.  Das  Geschwür  war  wenig  empfindlich,  da- 
gegen wurde  in  der  ganzen  Umgebung  so  gut  wie  auf  der  linken 
Seite  lokalisirt  und  es  waren  keine  anästhetischen  Stellen  nachweis- 
bar. Das  Geschwür  wurde  mit  dem  scharfen  Löffel  ausgekratzt  und 
mit  Chlorzinklösung  geätzt.  Ruhige  horizontale  Lage  und  wieder- 
holte Aetzungen  mit  Höllenstein  führten  bis  zum  15.  Oktober  die 
Heilung  herbei. 

Obgleich  der  Kranke  angewiesen  wurde,  den  Fuss  möglichst  zu 
schonen  und  sich  sogleich  wieder  zu  legen,  falls  die  Narbe  wieder 
aufbrechen  sollte,  kam  er  doch  erst  am  8.  Dezember  und  berichtete, 
dass  kaum  4  Tage  nach  seiner  Entlassung  schon  wieder  ein  Ge- 
schwür entstanden  sei. 


IQQ  Dr.  Czerny. 

Dasselbe  war  wieder  sehr  verwahrlost,  wohl  von  der  Grösse 
eines  Fünfmarkstückes,  und  vertiefte  sich  bis  auf  das  Köpfchen  des 
Mittelfussknochens ,  das  man  mit  der  Sonde  entblösst  fand.  Nach- 
dem das  Geschwür  durch  Chlorkalküberschläge  und  ruhige  Lage  ge- 
reinigt war,  wurde  es  am  4.  Dezember  mit  dem  scharfen  Löffel 
ausgekratzt  und  dabei  der  grösste  Theil  des  cariösen  Capitulum 
metatarsi  primi  entfernt.  Die  Wunde  granulirte  bald  gut  und  heilte 
im  Februar  1876  zu.  Zur  Schonung  der  Narbe  wurde  der  Kranke 
noch  bis  zum  31.  März  im  Spitale  behalten  und  der  Fuss  mit  Bädern 
und  Glycerineinreibungen  behandelt. 

Obzwar  die  Heilung  diesmal  etwas  längeren  Bestand  hatte, 
kam  der  Kranke  doch  schon  wieder  am  23.  Mai  mit  einem  Fünf- 
mark-grossen  Geschwür  an  der  alten  Stelle  ins  Spital.  Der  übrige 
Befund  wie  früher.  Die  Sonde  stiess  auf  entblössten  Knochen,  das 
Metatarsophalangealgelenk  war  fest  ankylosirt,  die  Zehe  nach  auf- 
wärts gerichtet. 

Da  man  sich  gestehen  musste,  dass  selbst  eine  wiederholte 
Ausheilung  nur  kurzen  Bestand  haben  würde,  weil  die  Narbe  an  einer 
mechanischen  Insulten  sehr  ausgesetzten  Stelle  lag  und  fest  dem 
Knochen  adhärirte,  so  wurde  schon  die  Frage  einer  Amputation  in 
Erwägung  gezogen,  und  der  Kranke  erklärte  sich  zu  Allem  bereit, 
um  nur  die  Heilung  zu  erzielen. 

Wegen  des  grossen  Substanzverlustes  an  der  Fusssohle  wäre 
jedoch  blos  für  den  Chopart'schen  Stumpf  genügendes  Material  für 
eine  derbe  Bedeckung  vorhanden  gewesen.  Indessen  konnte  ich  mich 
dazu  noch  nicht  entschlicssen  und  schlug  dem  Kranken  die  noch- 
malige Resection  des  kranken  Knochens  mit  Bedeckung  des  Sub- 
sanzverlustes  durch  einen  Hautlappen  der  anderen  Wade 
vor.  Am  30.  Mai  wurde  der  Geschwürsgrund  durch  einen  Längsschnitt, 
der  bis  auf  den  Knochen  drang,  gespalten,  die  Weichtheile  mit  dem 
Raspatorium  vom  Knochen  gelöst  und  mit  einer  starken  Weiss'schen 
Knochenzange  ein  3  Gtm.  langes,  dem  knöchern  verwachsenen 
ersten  Metatarsophalangealgelenke  entsprechendes  Knochenstück  ent- 
fernt. Lister'scher  Verband.  Die  Zehe  wurde  durch  Salicyljutte 
aus   ihrer   hyperextendirten  Stellung   in   die  normale  herabgedrängt. 


lieber  die  Plastik  mit  granulirenden  Haullappen.  167 

Die  Wundreaction  war  sehr  gering,  jedoch  wurde  wohl  durch  ein 
Versehen  das  Secret  am  8.  Juni  übelriechend.  Nichts  desto  weniger 
reinigte  sich  die  Wunde  bald  und  verkleinerte  sich  wesentlich. 

Am  28.  Juni  wurde  aus  der  linken  Wade,  derjenigen  Stelle 
entsprechend,  die  am  bequemsten  mit  der  rechten  Fusssohle  in  Ver- 
bindung gebracht  werden  konnte,  ein  querer,  brückenförmiger  Haut- 
lappen von  9  Ctm.  Länge,  5  Gtm.  Breite  losgelöst,  seine  wunde 
Fläche  mit  Ghlorzinklösung  bestrichen,  mit  Kautschukslreifen  unter- 
legt und  dann  mit  Garbolcompressen  verbunden. 

Am  29.  Juli  wurde  die  (bei  horizontaler  Lage  des  Kranken) 
untere  Brücke  des  Lappens  mit  dem  Messer  durchschnitten.  Dann 
wurde  jeder  Fuss  bis  zur  Mitte  des  Oberschenkels  in  der  für  die 
Vereinigung  geeignetsten  Stellung  mit  einem  gefensterten  Gypsver- 
bande  versehen,  dann  der  den  Zehen  zunächst  hegende  Saum  des 
Geschwüres  angefrischt  und  mit  dem  ebenfalls  angefrischten,  unteren 
Lappenrande  durch  7  Seidennähte  vereinigt,  nachdem  die  beiden 
Gypsverbände  durch  eine  kräftige  Gypsbindenspange  unbeweglich 
mit  einander  verbunden  waren  (Taf.  IL  Fig.  1.) 

Ein  starker  Holzstab,  der  in  der  Gegend  der  Kniekehlen  eben- 
falls an  beiden  Verbänden  durch  Gypsbinden  befestigt  wurde,  ver- 
stärkte noch  die  Verbindung  und  diente  zugleich,  je  nach  dem 
Wunsche  des  Kranken,  zur  Suspension  der  Extremitäten.  Der 
granulirende  Hautlappen  brauchte  nicht  seitlich  gedreht,  sondern 
blos  umgeschlagen  und  auf  die  Sohlenwunde  emporgehoben  zu  wer- 
den, was  wegen  seiner  Starrheit  sich  als  ein  grosser  Vortheil  er- 
wies. Der  Lappenrand  passte  genau  und  ohne  Zerrung  in  den 
Geschwürsrand  und  wurde  durch  einen  leichten  Druckverband  mit 
Garbolwatte  auf  seine  neue  Unterlage  angedrückt.  Die  Nähte  wurden 
am  3.  und  4.  Tag  entfernt.  Vierzehn  Tage  nach  dieser  Operation 
wurde  die  Ernährungsbrücke  des  Lappens  an  der  linken  Wade  ganz 
abgetrennt,  nachdem  sie  schon  an  den  zwei  vorhergehenden  Tagen 
durch  seitliche  Einschnitte  verschmälert  worden  war.  Dann  wurden 
die  Gypsverbände  entfernt  und  der  etwas  bläulich  verfärbte  Lappen  mit 
Heftpflaster  leicht  an  die  granulirende  Wunde  angedrückt.  Es  trat 
eine  ganz  geringe  Randgangrän  ein ,  nach  deren  Abstossung  jedoch 


168  Dl'-   Czerny. 

der  Lappen  noch  immer  1  Ctm.  breit  die  wunde  Fläche  des  Fuss- 
ballens  am  äusseren  und  hinteren  Rande  überragte.  Am  22.  August 
wurde  desshalb  der  unter  dem  Lappen  liegende  Narbenrand  ab- 
getragen, so  dass  der  Lappen  ganz  genau  in  den  Defect  passte.  Die 
vollständige  Heilung  beider  Wunden,  sowohl  der  an  der  Fusssohle, 
wie  jener  an  der  Wade,  erfolgte  anfangs  September.  Der  deutlich 
abgegrenzte,  weiche,  mit  spärlichen  Haaren  besetzte  Lappen  an  der 
Fusssohle  war  noch  4  Ctm.  lang  und  breit  und  von  der  Umgebung 
deutlich  abgegrenzt  (Taf.  IL  Fig.  2).  Die  Narbe  an  der  Wade  war 
2  Ctm.  breit  und  lang,  jedoch  mit  dünnen,  den  Seitenincisionen  ent- 
sprechenden Narbenstreifen  besetzt. 

Am  8.  Januar  1877  stellte  sich  der  Kranke  wieder  in  der 
Klinik  vor.  Der  Lappen  auf  der  Fusssohle  war  gesund  gefärbt,  mit 
spärlichen  Haaren  besetzt,  derb  und  auf  der  Unterlage  mit  der  um- 
gebenden Narbe  beweglich.  Auch  die  Narbe  an  der  Wade  war  viel 
schmäler  geworden  und  mit  gesunder  Epidermis  bedeckt.  Der 
Kranke  muss  in  einer  Fabrik  bei  der  Arbeit  fast  den  ganzen  Tag 
stehen  und  kann  längere  Märsche  machen,  hn  Anfange  sei  einmal  der 
Narbenrand  aufgebrochen,  aber  nach  kurzer  Zeit  wieder  zugeheilt. 
Er  trägt  in  seinem  Stiefel  eine  Filzsohle,  welche  dem  Lappen  ent- 
sprechend einen  Ausschnitt  hat,  so  dass  der  Lappen  möglichst  vor 
Druck  geschützt  ist. 

2.  Heilung  eines  varicösen  Fussgeschwüres   durch 
einen  Lappen  vom  anderen  Unterschenkel. 

Stroh  Philipp,  23  J.  alt,  Mechaniker.  Im  Jahr  1874  soll  er 
während  des  Militärdienstes  an  acutem  Gelenkrheumatismus  und  einem 
pockenähnlichen  Ausschlag,  der  sich  besonders  um  die  Gelenke  der 
Beine  fixirte,  gelitten  haben.  Bald  darauf  wurde  er  entlassen.  Einige 
dieser  Pusteln  am  linken  Unterschenkel  confluirten  und  wandelten 
sich,  da  er  dabei  immer  herumging,  in  ein  Geschwür  um. 

Am  31.  August  1875  kam  er  zum  ersten  Male  ins  Hospital 
und  als  er  am  25.  Juni  1876  zum  4.  Älale  eintrat,  berichtete  er, 
dass  er  jetzt  im  Ganzen  über  30  Wochen  mit  seinem  Fussgeschwür 


Ueber  die  Plastik  mit  granulirenden  Hautlappen.  j^ßQ 

im  Spital  zugebraclit  habe,  dass  die  Heilung  nie  länger  als  4  Wochen 
angehalten  habe,  obzwar  er  jedesmal  nach  vollendeter  Heilung  noch 
durch  8  bis  10  Tage  zur  Consolidirung  der  Narbe  zurückgehalten 
Avorden  war.  Bei  seiner  letzten  Aufnahme  sah  der  recht  in- 
telligente Kranke  sehr  herabgekommen  aus  und  fieberte  heftig. 
Das  Geschwür  war  an  der  Vorderfläche  der  linken  Tibia  festsitzend, 
10  Ctm,  lang  und  wohl  6  Ctm.  breit  mit  scharfgeschnittenen  Rändern, 
gangränös.  Die  Umgebung  desselben  war  blau  verfärbt,  stark  in- 
filtrirt,  entzündet,  der  Unterschenkel  etwas  ödematös.  Da  der  Patient 
sich  jeder  Cur  unterziehen  wollte,  um  nur  endlich  dauernd  seinem 
lohnenden  Geschäfte  nachgehen  zu  können,  schlug  ich  ihm  die 
Transplantation  eines  Hautlappens  von  der  rechten  Wade  auf  das 
linksseitige  Fussgeschwür  vor.  Da  sich  durch  Ghlorkalküberschläge 
der  Geschwürsgrund  bald  reinigte,  schnitt  ich  aus  der  rechten  Wade, 
der  Längsrichtung  des  Schenkels  entsprechend,  einen  brückenförmigen 
Hautlappen  von  11 1/2  Ctm.  Länge  und  8V2  Ctm.  Breite  aus,  der 
sich  nach  unten  verschmälerte  und  oben  handbreit  unter  der  Knie- 
kehle endigte.  Er  wurde  von  der  Fascie  gelöst  und  mit  einer 
Kautschukplatte  unterlegt.  Die  Granulationen  entwickelten  sich  nur 
sehr  langsam,  wesshalb  erst  am  29.  Mi  die  untere  Hautbrücke 
durchtrennt  wurde.  Dann  folgte  wieder  die  Anlegung  gefensterter 
Gypsverbände  an  beiden  Beinen,  dann  die  Anfrischung,  dann  die 
Verbindung  beider  Gypsverbände  in  ähnlicher  Weise  wie  im  vorigen 
Falle  und  endlich  die  Vereinigung  des  Lappenrandes  mit  dem  an- 
gefrischten Rande  des  mittlerweile  auf  die  Hälfte  verkleinerten  Ge- 
schwüres. 

Der  Lappen  musste  etwas  seitlich  gedreht  werden  und  löste 
sich  desshalb  an  der  Ecke,  wo  die  Spannung  am  grössten  war,  ein 
wenig,  als  am  3.  Tage  die  Nähte  entfernt  wurden.  Die  Wunden 
zwischen  den  Unterschenkeln  Hessen  sich  nur  schwer  reinigen  und 
am  13.  August  sahen  die  Wunden  missfarbig,  zerfallen  aus,  wie 
bei  flachem  Hospitalbrand.  Eine  genaue  Untersuchung  der  Verbände 
mit  Erweiterung  der  Fenster  ergab,  dass  sich  Fliegenmaden  ein- 
genistet hatten.  Nach  deren  Entfernung  reinigte  sich  die  Wunde 
bald  wieder  und  der  Lappen  verklebte  der  ganzen  Fläche  nach  mit 


170  Dr.  Czerny. 

der  Wimdfläche.  Am  16.  und  19.  August  wurde  die  Ernährungs- 
brücke  durch  seitliche  Einschnitte  verschmälert,  am  21.  ganz  ab- 
getrennt, der  Lappen  auf  die  Geschwürsfläche  mit  Seifenpflaster 
angedrückt  und  dann  die  Gypsverbände  entfernt.  Am  29.  August 
wurde  die  untere  Peripherie  des  Lappens,  die  theil weise  den  Be- 
narbungsrand  des  mittlerweile  verkleinerten  Geschwüres  überragte, 
angefrischt  und  dem  ebenfalls  wund  gemachten  Geschwürsrande  mit 
Silberdrähten  genau  adaptirt.  Die  Wunde  an  der  rechten  Wade 
vernarbte  durch  wiederholte  Pfropfung  von  Hautstückchen  bis  zum 
10.  Oktober.  Der  überpflanzte  Hautlappen  war  weich,  auf  der 
Unterlage  verschiebbar  und  contrastirte  durch  seine  normale  Haut- 
farbe sehr  stark  von  der  lividrothen  Umgebung.  Seine  Länge  betrug 
6  Ctni.,  seine  Breite  A^J2  Ctm.  Der  Kranke  stellte  sich  im  November 
nochmals  vor,  nachdem  er  einige  Tage  herumgegangen  war.  Der 
Lappen  sah  ganz  gut  aus  und  auch  seine  Umgebung  schien  so  solid 
zu   sein,   als   ob   eine   dauernde  Heilung  zu  gewärtigen  wäre. 

Der  Kranke  ist  am  8.  Aug.  1877  in  die  Heidelberger  Klinik  mit 
folgendem  Status  eingetreten:  Der  Hautlappen  ödematös,  1  Ctm.  dick, 
von  normaler  Farbe  und  vollkommen  wohl  erhalten.  In  der  nächsten 
Umgebung  desselben,  welche  livid  braun  verfärbt  war,  befanden  sich 
an  5  Stellen  erbsen-  bis  kirschengrosse  oberflächliche  Geschwüre,  welche 
durch  Rückenlage  und  Transplantationen  in  4  Wochen  geheilt  wurden. 
Nach  Aussage  des  Patienten  soll  er  bis  vor  4  Wochen  gesund  ge- 
wesen, und  sollen  erst  seitdem  die  Geschwüre  entstanden  sein. 

Während  die  älteren  Versuche  von  Wutzer  und  Szyma- 
nowski^),  Unterschenkelgeschwüre  durch  Plastiken  mit  Benutzung 
der  Haut  des  anderen  Fusses  zu  heilen,  bisher  erfolglos  waren  und 
desshalb  wohl  nur  selten  nachgeahmt  worden  sind,  waren  die  Ope- 
rationen von  Gussenbauer  und  die  meinigen  vom  besten  Erfolge 
gekrönt.  Ich  möchte  denselben  nicht  so  sehr  der  Benützung  granu- 
lirender  Lappen  zuschreiben,  als  vielmehr  der  besseren  Technik  des 


*J  S  z  y  m  a  n  o  \v  s  k  i ,   Handbuch    der  operativen  Chirurgie  ,    deutsch  von 
Uhde.    BraunschAveig  1870.  p,  165. 


Ueber  die  Plastik  mit  granulirenden  Hautlappen.  j^7l 

Gypsverbandes,  wodurch  die  beiden  Beine  bequemer  für  den  Patienten 
in  unverrückbarer  Stellung  erhalten  wurden.  Nichts  desto  weniger 
würde  ich  in  einem  nächsten  Falle  wieder  vorbereitete  Lappen  be- 
nützen, da  sie  sich  so  gut  bewährt  haben. 

üebrigens  hoffe  ich,  dass  wir  in  kurzer  Zeit  darüber  spotten 
werden,  dass  wir  uns  zur  Heilung  chronischer  Fussgeschwüre  noch 
so  complicirter  und  mühsamer  Operationsmethoden  bedient  haben. 
Denn  die  Erfahrungen  mit  Reverdin's  Transplantationen  berechtigen 
zu  der  Hoffnung,  dass  eine  consequent  durchgeführte  Experimental- 
reihe  recht  bald  zur  Wiederentdeckung  der  alten  indischen  Plastik 
mit  ganz  getrennten  Hautlappen  führen  wird.  Schon  jetzt  gelingt 
es  oft  genug,  markgrosse  Hautstücke  zu  transplantiren,  so  dass  die 
Erwartung  wohl  nicht  übertrieben  ist,  dass  die  Bedingungen,  unter 
welchen  noch  grössere  Hautstücke  mit  Sicherheit  methodisch  über- 
tragen werden  können,  bald  festgestellt  werden  dürften.  Ja  selbst 
die  einstige  Benützung  von  Thierhaut  gehört  nach  den  Erfahrungen 
der  Augenärzte  bei  Uebertragung  von  Kaninchenbindehaut  auf  den 
Menschen  nicht  zu  den  Unmöglichkeiten. 

So  lange  diese  Entdeckungen  noch  ausstehen,  werden  obige 
Versuche  wohl  noch  öfter  Nachahmung  finden.  Ein  grosser  Nach- 
theil dieser  Methode  liegt  darin,  dass  am  gesunden  Unterschenkel 
eine  Narbe  mit  ihren  bekannten  Gefahren  zurückbleibt.  Wenn  auch 
die  Wahrscheinlichkeit  nicht  gross  ist,  dass  eine  Narbe  an  der 
weichen  Wade,  wo  Geschwüre  nur  selten  vorkommen,  sich  zu  einem 
solchen  umwandeln  sollte,  und  obwohl  bisher  diese  Befürchtung  nicht 
eingetroffen  ist,  so  wäre  es  doch  erwünscht,  von  einer  anderen 
Körperstelle  den  Ersatz  hernehmen  zu  können.  Da  jedoch  dabei 
eine  für  die  Dauer  von  14  Tagen  unerträgliche  Stellung  eingehalten 
werden  müsste,  weiss  ich  keinen  andern  Rath,  als  auf  den  alten, 
von  Delpech^)  erneuerten  Vorschlag  zurückzukommen,  nämlich  die 
Haut  eines  anderen  hidividuums  zu  benützen,  beziehungsweise  die 
beiden  Individuen  durch  Hautlappen  temporär  zusammenzuheilen, 
obgleich  auf   demselben  der  Vorwurf  der  Albernheit  ruht  ^).     Schon 


*)  S  z  y  m  a  n  0  w  s  k  i ,  I.  c.  p.  443. 

2)  Holmes,  System  of  Surgery.  X871.  vol.  V.  p.  563. 


172  Dr.  Gzerny. 

in  Wien  machte  ich  in  diesem  Sinne  mit  meinem  Freunde  Gersuny 
eine  Reihe  von  Versuchen,  2  durch  Gypsverbände  vereinigte  Kaninchen 
durch  gegenseitig  ausgetauschte,  gestielte  Hautlappen  zu  vereinigen. 
Allein  die  beweglichen,  weichen  Thiere  sind  sehr  schwer  zu  fixiren, 
durch  Kotli  und  Urin  bekommen  sie  Druckgangrän  und  die  Kanin- 
chenhaut eignet  sich  nur  schlecht  zu  plastischen  Operationen,  so 
dass  wir  blos  einmal  eine  Heilung  durch  10  Tage  erzielten.  Am 
11.  starb  das  eine  der  beiden  Kaninchen. 

In  grossen  Krankenhäusern,  wo  Fussgeschwüre  oft  dutzendweise 
liegen,  sollten  sich  wohl  leicht  passende  Individuen  finden,  die 
gegenseitig  ihre  Haut  austauschen  würden,  um  für  diesen  Preis 
dauernde  Gesundheit  zu  erlangen.  Wenn  man  die  Beine  in  ge- 
streckter Stellung  neben  einander  durch  Gypsverbände  befestigen 
würde,  wäre  die  Lage  viel  bequemer  als  in  der  oben  inne  gehaltenen 
gekreuzten  Stellung  beider  Beine  desselben  Individuums.  Man  würde 
die  beiden  Patienten  am  besten  in  ein  breites  Bett  so  legen,  dass 
sie  sich  gegenseitig  in's  Gesicht  sehen,  und  könnte  bei  passender 
Lage  der  Geschwüre  zu  gleicher  Zeit  die  Oberschenkelhaut  des  einen 
auf  das  Unterschenkelgeschwür  des  andern  übertragen.  Die  derbere 
Oberschenkelhaut  eignet  sich  besser  zu  Plastiken  und  die  Narben 
wären  hier  nicht  so  gefährlich  wie  am  Unterschenkel. 

Wenden  wir  uns  von  dieser  Zukunftschirurgie  wieder  zu 
unseren  Fällen,  so  habe  ich  mich  zunächst  zu  rechtfertigen,  dass  ich 
den  ersten  Fall  als  ein  durchbohrendes  Fusssohlengeschwür 
bezeichnet  habe,  nachdem  fast  alle  neuern  Arbeiten  darin  überein- 
stimmen, dass  unter  diesem  Namen  syphilitische,  neuroparalytische 
und  andere  Geschwüre  zusammengeworfen  worden  sind.  Wenn  man 
sich  auf  die  Anamnese  verlassen  könnte,  wäre  die  Annahme  wohl 
gerechtfertigt,  dass  es  sich  hier  um  eine  primäre  Schleimbeutel- 
entzündung gehandelt  habe,  die  secundär  auf  das  Gelenk  übergegriffen 
hat.  Bekanntlich  hat  Gössel  in  diese  Entstehung  des  Mal  perforant 
du  pied  angenommen.  Es  scheint  mir  jedoch,  dass  von  den  Autoren 
zu  wenig  Gewicht  auf  die  sehr  ungünstigen  mechanischen  und  circu- 
latorischen  Bedingungen  gelegt  wird,  unter  denen  die  Fusssohlen- 
narben  besonders   an  den  Druckpunkten  stehen.     Dieselben  müssen 


Ueber  die  Plastik  mit  granulirenden  Hautlappen.  ^73 

hier  doch  mindestens  eben  so  wirksam  sein,  wie  bei  den  chronischen 
Unterschenkelgesfhwüren  und  ihren  Narben,  über  deren  ewigen  Zer- 
fall sich  Niemand  wundert.  Unter  Berücksichtigung  dieses  Um- 
stündes  wird  es  sofort  klar,  warum  diese  Geschwüre  fast  immer  an 
der  Ferse  oder  an  dem  Ballen  der  grossen  Zehe  vorkommen.  Es 
fällt  mir  nicht  ein,  das  Vorkommen  von  neuroparalytischen  oder  gar 
syphilitischen  Geschwüren  an  der  Fusssohle  läugnen  zu  wollen,  da 
darüber  genügend  beweisende  Thatsachen  vorliegen;  allein  da  ich 
in  meinem  Falle  weder  das  eine,  noch  das  andere  ätiologische  Moment 
nachweisen  konnte,  lag  es  wohl  am  nächsten,  gerade  die  mechani- 
schen Verhältnisse  als  Hauptursache  des  Wiederaufbruches  der  Narbe 
anzusehen.  Aus  dieser  Ueberzeugung  schöpfte  ich  die  Hoffnung, 
durch  den  Ersatz  der  Narbe  mittelst  eines  gesunden  Hautlappens 
definitive  Heilung  zu  erzielen. 

Es  scheint  mir  nicht  unpassend,  für  solche  Fälle  den  Ausdruck 
durchbohrendes  Fusssohlengeschwür  beizubehalten,  wenn  ich  auch 
damit  nichts  anderes  ausdrücken  will,  als  dass  ich  weder  eine  dys- 
krasische  noch  neuroparalytische  Ursache  auffinden  konnte,  und  dass 
die  Ulceration    sich  auf  tiefere  Gebilde  erstreckte,  als  auf  die  Haut. 

Ich  brauche  mich  wohl  kaum  zu  rechtfertigen,  warum  ich  in 
meinem  zweiten  Falle  nicht  noch  wiederholte  Versuche  mit  R  e  v  e  r- 
din's  Transplantation  oder  mit  v.  Nussbaum's  Gircumcision 
gemacht  habe,  denn  diese  Methoden  können  wohl  eine  schnellere 
Heilung  herbeiführen,  ja  selbst  noch  solche  Geschwüre  zur  Vernarbung 
bringen ,  welche  auf  andere  Weise  nicht  mehr  zuheilen  würden. 
Die  so  erzielten  Narben  sind  jedoch  nach  meiner  Erfahrung,  die 
wohl  mit  jener  der  meisten  Chirurgen  übereinstimmen  dürfte,  durch- 
aus nicht  dauerhafter,  als  jene,  welche  mit  den  alten  Methoden 
gewonnen  werden. 

Nicht  zu  alte  Individuen  ,  bei  denen  das  Fussgeschwür  nach 
wiederholter  Benarbung  immer  wieder  aufbricht,  werden  sich  am 
besten  zu  den  Ueberpflanzungen  granulirender  Hautlappen  eignen. 
Bei  kleinen  Defecten  wird  man  sich  natürlich  nicht  leicht,  zu  einer 
so  mühsamen  Operation  entschliessen  und  die  grossen  circulären 
Fussgeschwüre ,   bei  denen   schon  die  Ernährung  des  ganzen  Fusses 


^^74  Dr.    Gzerny. 

Noth  gelitten  hat,  erfordern  so  grosse  Ersatzlappen,  dass  nicht  ein- 
mal die  Oberschenkelhaut  dieselben  zu  liefern  im  Stande  wäre.  Diese 
Fälle  bleiben  nach  wie  vor  der  Amputation  verfallen. 

3.  Verschluss  des  Scheideneinganges  bei  einem  un- 
heilbaren Blasendefect. 

Meliert  Cäcilie,  45  Jahre  alt,  aus  Schnellingen  gebürtig,  wurde 
vor  15  Jahren  zuerst  entbunden.  Nachdem  die  Wehen  3  Tage 
gedauert  hatten,  wurde  die  Embryotomie  vorgenommen.  Seit  der 
Entbindung  floss  der  ganze  Harn  durch  die  Scheide  unwillkürlich 
ab.  Bei  der  Aufnahme  am  28.  Okt.  1873  verbreitete  sie  einen 
intensiv  urinösen  Geruch;  die  Innenfläche  der  Oberschenkel,  Scham 
und  Aftergegend  excoriirt.  Die  kleine,  halb  idiotische  Kranke  litt 
an  einer  Nabelhernie  und  einem  Mastdarmvorfall.  Bei  längerem 
Stehen  senkte  sich  die  etwas  anteflectirte  Gebärmutter  bis  zum 
Scheideneingange.  Als  ein  Scheidenspiegel  eingeführt  wurde,  stürzte 
sofort  eine  ziemliche  Menge  trüben,  etwas  amoniakalisch  riechenden 
Urins  hervor.  Das  Perinaeum  war  hoch,  der  Scheideneingang  eng. 
1^2  Ctm.  hinter  der  Harnröhrenmündung  begann  ein  Defect  der 
Blasenharnröhren-Scheidenwand,  der  sich  bis  dicht  vor  die  Gebär- 
mutter erstreckte.  Die  Form  desselben  war  im  Allgemeinen  oval, 
die  Ränder  hart,  narbig,  besonders  der  rechte  Rand  gegen  die 
Beckenwand  hinaufgezogen.  Die  Blasenschleimhaut  wulstig  vor- 
gefallen. In  die  Oeffnung  der  Blase  konnten  bequem  3  Finger  ein- 
geführt worden.  Bei  der  bedeutenden  Grösse  des  Defectes,  welcher 
sich  über  einen  grossen  Theil  des  Scheidengewölbes  besonders  nach 
rechts  hin  erstreckte  und,  wie  gesagt,  blos  l*/2  Ctm.  der  Harnröhre 
intact  Hess,  war  eine  vollkommene  Wiederherstellung  des  Septum 
vesico-vaginale  und  ein  genügender  Verschluss  der  Harnröhre  nur 
schwer  zu  erwarten.  Indessen  wollte  sich  die  Kranke  jeder  Opera- 
tion unterziehen  und  überstand  auch  die  grosse  Zahl  von  operativen 
Eingriffen  mit  grosser  Geduld.  Nur  kurz  will  ich  die  Operationen 
anführen,  welche  die  Wiederherstellung  des  Septum  vesico-vaginale 
zum  Ziele  liattcn. 


Ueber  die  Plastik  mit  granulirenden  Hautlappen.  175 

1.  Operation.  Am  3.  November  1873  quere  Vereinigung  der 
Fistel  in  einem  flaclien,  nach  vorne  convexen  Bogen  durch  13  Seiden- 
nähte. Der  Katheter  wurde  alle  zwei  Stunden  gesetzt ,  der  Urin 
jedoch  mindestens  jede  halbe  Stunde  durch  die  Urethra  heraus- 
geschleudert. Am  8.  Nov.  wurde  zuerst  Urinabgang  durch  die 
Scheide  bemerkt.  Der  Unterleib  war  schmerzhaft ,  rechts  unten 
leichte  Dämpfung,  die  Wunde  diphtheritisch  belegt.  Die  Kranke 
fieberte  heftig  bis  Ende  November  und  hatte  sogar  3  Schüttelfröste. 
Opium  und  Eisbeutel  auf  den  Unterleib  waren  die  wesentlichsten 
Heilmittel. 

Die  2.  Operation  am  JO.  Dezember  bestand  in  einer  Tförraigen 
Vereinigung  der  angefrischten  Fistelränder  mit  13  Seidennähten, 
wovon  5  die  Harnröhre  nach  hinten  verlängerten,  während  8  die 
vordere  Muttermundlippe  mit  dem  übrig  gebliebenen  Fistelrande  in 
der  Quere  vereinigten.  Der  Katheter  wurde  alle  2  Stunden  an- 
gelegt.    Am  13.  Dez.  zuerst  unwillkürlicher  Harnabgang. 

3.  Am  27.  Januar  1874  wurden  blos  die  vorderen  vier  Fünftel 
der  Oeffnung  angefrischt  und  in  der  Längsrichtung  durch  9  Nähte 
vereinigt.     Wieder  ohne  Erfolg. 

4.  Da  die  Patientin  nach  jeder  Operation  sehr  heftiges  und 
lang  dauerndes  Erbrechen  bekam,  wurde  von  nun  an  ohne  Chloro- 
form ,  blos  nach  einer  subcutanen  Morphiumeinspritzung  operirt. 
Uebrigens  machte  ihr  Morphium  ebenfalls  manchmal  Erbrechen. 
Am  2.  März  wurde  die  Harnröhre  durch  2  Nähte  nach  hinten  ver- 
längert, dann  der  rechte  Rand  der  vorgefallenen  Blasenschleimhaut 
in  Form  eines  Lappens  gelöst ,  umgeschlagen ,  so  dass  die  Schleim- 
hautfläche gegen  die  Höhlung  der  Blase  zu  sah,  und  unter  den  ab- 
gelösten linken  Rand  der  Blasenscheidenöffnung  durch  2  Matratzen- 
nähte geschoben.  Die  Wundränder  der  Vaginalschleimhaut  wurden 
darüber  noch  mit  4  Knopfnähten  vereinigt.  Die  Operation  war 
somit  analog  den  gedoppelten  Lappen  von  Thiersch  bei  Epi- 
spadie,  jedoch  war  der  Verschluss  von  vorne  herein  kein  vollstän- 
diger und  führte  auch  zu  keiner  Verkleinerung  der  Fistel. 

5.  Nach    mehrwöchentlichem    Aufenthalt     in    ihrer    Heimath 


176  Dr.    Gzerny. 

wurde  am  21.  Mai  nochmals  eine  Anfrischung  und  Naht  in  der 
Längsrichtung  ohne  Erfolg  versucht. 

6.  Am  26.  Juli  sehr  breite  Anfrischung  und  Naht  der  vorderen 
Hälfte.  Bei  der  Entfernung  der  Nähte  am  5.  August  war  die  Harn- 
röhre um  fast  2  Ctm.  nach  hinten  verlängert.  Die  Kranke  ver- 
langte dringend  nach  Hause  und  bei  ihrer  Rückkehr  war,  wahr- 
scheinlich durch  den  Druck  der  durch  die  Bauchpresse  im  Stehen 
fast  umgestülpten  hinteren  Blasenwand,  die  Vereinigungslinie  wieder 
auseinandergewichen,  der  Zustand  wie  vor  der  letzten  Operation. 

Bei  der  7.  und  8.  Operation  wurde  zuerst  die  Vereinigung  der 
hinteren,  dann  jene  der  vorderen  Hälfte  versucht.  Besonders  nach 
der  8.  Operation  trat  wieder  heftige  peritonitische  Reizung  auf.  Es 
blieb  in  der  Gegend  des  ßlasenhalses  eine  6  Millimeter  breite  Brücke, 
wodurch  die  Fistelöffnung  in  eine  vordere  grössere  und  hintere 
kleinere  Oeffnung  abgetheilt  wurde. 

9.  Am  29.  Januar  1875  wurde  die  vordere  Fistel  mit  6  tiefen 
und  oberflächlichen  Nähten  in  der  Längsrichtung  vereinigt.  Heftiges 
Erbrechen.  Die  Kranke  musste  von  der  Vagina  aus  durch  die  hintere 
Oeffnung  katheterisirt  werden.     Kein  Erfolg. 

Eben  so  erfolglos  blieb  die  10.  und  11.  Operation,  bei  welcher 
der  Verschluss  der  hinteren  Fistel  versucht  wurde.  Da  besonders 
der  rechte  Fistelrand  so  stark  gegen  den  horizontalen  Schambeinast 
verzogen  war,  dass  an  einen  definitiven  Verschluss  nicht  zu  denken 
war,  da  ferner  die  Aviederholten  peritonitischen  Erscheinungen  auf 
die  grosse  Nähe  des  Bauchfelles  hindeuteten ,  glaubte  ich  die  Ver- 
suche, ein  Septum  vesico- vaginale  wieder  herzustellen,  aufgeben  zu 
müssen.  Die  quere  Obliteration  der  Scheide  hätte  wegen  der  Kürze 
der  Harnröhre  so  weit  nach  vorne  liegen  müssen,  dass  der  Erfolg 
schon  bezüglich  des  Gelingens,  vollends  aber  bezüglich  der  Möglichkeit, 
den  Harn  zu  halten,  zweifelhaft  schien.  Ich  glaubte  desshalb  die 
noch  immer  ziemlich  derbe  Hautbrücke,  welche  von  der  8.  Opera- 
tion zurückgeblieben  war,  benützen  zu  sollen  und  frischte  von  hier 
aus  die  Seitenwände  der  Scheide  bis  gegen  das  hintere  Scheiden- 
gewölbe in  einem  1  Ctm.  breiten  Ringe  an  und  nähte  mit  etwa 
12   Seidennähten    in    der    Längsrichtung.     Es    blieb    nach    dieser 


Ueber  die  Plastik  mit  granulirenden  Hautlappen.  177 

(12.  Operation)  Längsobliteration  der  Scheide  ein  Sporn  in  der 
hinteren  Vaginalwand  zurück,  während  die  vordere  Hälfte  wieder 
auseinander  ging.  Auch  die  quere  Hautbrücke,  die  von  der 
8.  Operation  herstammte,  war  so  dünn  geworden,  dass  auf  sie 
nicht  weiter  gezählt  werden  konnte.  So  blieb  denn  nichts  übrig, 
als  doch  die  Querobliteration  der  Scheide  ganz  vorne  zu 
versuchen. 

13.  Operation.  Sie  wurde  am  26.  August  dicht  am  Eingange 
der  Scheide,  entsprechend  der  kaum  1  Ctm.  langen  Harnröhre 
gemacht.  Die  Heilung  kam  an  den  beiden  Seitentheilen  zu  Stande. 
Allein  die  untere  Wand  des  Harnröhrenrestes  war  durch  die  vielen 
Operationen  so  mit  Narbengewebe  durchsetzt,  dass  der  mittlere 
Theil  der  Querobliteration  auch  den  folgenden  Versuchen  der 
Vereinigung  (14.  und  15.  Operation)  im  Oktober  1875  und  am 
3.  Januar  1876  widerstand.  Ausserdem  wurde  durch  den  Zug  der 
hinteren  Scheiden  wand  die  kurze  Harnröhre  fast  klaffend  erhalten, 
so  dass  auch  bei  gelungenem  Verschlusse  keine  Continenz  zu  hoffen 
war.  Die  Scheidenöffnung  war  noch  bequem  für  den  kleinen  Finger 
durchgängig.  Um  diese  Oeffnung  zu  schllessen  und  um  vielleicht 
durch  einen  compacten  Hautlappen  einen  durch  elastischen  Druck 
wirkenden  Verschluss  zu  erzielen,  beschloss  ich  einen  vorbereiteten, 
granulirenden  Lappen  wie  einen  organischen  Pfropf  in  die  Oeffnung 
einzuheilen. 

Die  16.  Operation  am  3.  Febr.  1876  bestand  in  der  Bildung 
eines  brückenförmigen  Hautlappens,  der  seine  Basis  links  von  der 
Harnröhrenöffnung  hatte,  1^2  Zoll  breit,  2  Zoll  lang  war  und  über 
die  linke  grosse  Schamlippe  bis  zur  Schenkelbeuge  reichte.  Seine 
wunde  Fläche  wurde  mit  8°/o  Chlorzinklösung  bestrichen  und  eine 
Kautschukplatte  untergelegt,  um  die  Wiederanheilung  zu  verhindern. 
Nachdem  der  Lappen  gut  granulirte  und  sich  schon  einzurollen 
begann,  wurde  am  21.  Febr.  (17.  Operation)  die  untere  Ernährungs- 
brücke des  Lappens  durchtrennt  und  dann  der  Lappen  um  seinen 
oberen  neben  der  Harnröhrenöffnung  liegenden  Stiel  seitlich  nach 
rechts  gedreht,  so  dass  der  rechte  Fiand  des  Lappens  durch  6  Silber- 
drahtnähte genau  in  den  ebenfalls  angefrischten  rechten  und  unteren 

Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Cliirurgie.  12 


178  l^r-    Gzerny. 

Rand  der  noch  vorhandenen  Scheidenöffnung  eingepasst  werden 
konnte.  Der  linke  Rand  des  Lappens  wurde  nicht  vernäht,  um 
dem  Urin  freien  Ausfluss  zu  gestatten.  Die  Heilung  erfolgte  in  der 
ganzen  Ausdehnung  der  Nähte.  Als  am  26.  März  (18.  Operation) 
auch  der  linke  Rand  des  Lappens  in  den  Fistelrand  eingenäht  werden 
sollte,  war  derselbe  durch  Schrumpfung  so  schmal  geworden,  dass 
er  nicht  ohne  Spannung  mit  dem  Fistelrande  hätte  vernäht  werden 
können.  Ich  löste  desshalb  noch  einen  zweiten  dreieckigen  Lappen 
mit  oberer  Basis  ab  und  drehte  ihn  seitlich  nach  rechts,  so  dass  er 
beciuem  an  den  angefrischten  linken  Rand  des  ersten  '  Lappens 
befestigt  werden  konnte.  Dieser  zweite  Lappen  deckte  vorhangartig 
den  kleinen  Defect  und  wurde,  nachdem  er  vernäht  war,  noch  mit 
Ghlorzinklösung  bepinselt  und  dann  mit  einem  Drainröhrchen  unterlegt, 
welches  für  den  Urinabgang  Sorge  tragen  musste.  Es  wurde  somit 
nach  dem  Dieffenbach 'sehen  Principe  die  Lochfistel  in  eine  Gang- 
fistel verwandelt,  welche  auch  bis  auf  eine  kleine  Haarfistel  zuheilte, 
nachdem  das  Drainröhrchen  am  dritten  Tage  nach  der  Operation 
entfernt  worden  war.  Auch  die  Haarfistel  heilte  nach  einmaliger 
Aetzung  mit  dem  Glühdrahte  vollkommen. 

Nun  war  der  Scheideneingang  vollständig  verschlossen  und 
die  Scheide  bildete  ein  mit  der  Blase  durch  den  grossen  Defect  zu- 
sammenhängendes Harnreservoir ,  welches  blos  durch  die  Harn- 
röhrenmündung nach  Aussen  communicirte.  Leider  war  die  Harnröhre 
zu  kurz ,  um  bei  aufrechter  Stellung  den  Harn  zurückzuhalten.  In 
horizontaler  Lage  blieb  die  Patientin  längere  Zeit  trocken.  Aller- 
dings gelanges,  durch  einen  Tarnier'schen  Katheter,  dessen  Kugel 
innerhalb  der  Vagina  aufgeblasen  wurde  und  der  mit  einem  Quetsch- 
hahn verschlossen  getragen  wurde,  auch  im  Stehen  das  Harnträufeln 
für  eine  halbe  Stunde  zu  verhindern.  Ja  selbst  durch  eine  T  förmige 
Bandage  mit  elastischem  Einsätze  und  einer  Kautschukpelotte,  welche 
das  neugebildete  Vaginalseptum  gegen  die  Schamfuge  drückte,  liess 
sich  der  Urin  für  einige  Zeit  zurückhalten,  allein  die  Patientin  ist 
viel  zu  wenig  intelligent,  um  diese  Apparate  auch  nur  sauber  zu 
halten,  geschweige  denn  sich  den  Tarnier'schen  Katheter  selbst  ein- 
zuführen und  aufzublasen.     Ausserdem  würde  durch  die  oft  nöthige 


Ueber  die  Plastik    mit   granulirenden  Hautlappen.  179 

Erneuerung  des  Apparates  diese  künstliche  Prothese  der  Patientin 
für  die  Dauer  zu  theuer  werden.  Ich  habe  desshalb  versucht,  durch 
wiederholte  strichförmige  Cauterisation  der  Harnröhrenschleimhaut 
mit  dem  Glüheisen  unter  Benützung  eines  eigens  zu  dem  Zwecke 
construirten  rinnenförmigen  Harnröhrenspeculums  die  Harnröhre  so 
zu  verengern,  dass  sie  wenigstens  bei  geringerem  Wasserdruck  durch 
elastische  Kräfte  schlussfähig  wäre.  Allein  auch  diese  Versuche 
führten  nicht  das  gewünschte  Resultat  herbei. 

Den  Vorschlag  Rutenberg's  i),  oberhalb  der  Symphyse  zu 
punktiren  und  die  Harnröhre  ganz  zu  verschliessen ,  halte  ich  dess- 
halb für  unpractisch,  weil  nach  meiner  wiederholt  gemachten  Er- 
fahrung durch  keinen  Apparat  ein  ganz  wasserdichter  Verschluss 
nach  der  Punctio  vesicae  suprapubica  erzielt  werden  kann. 

Der  andere  Vorschlag,  die  Scheide  mit  dem  Rectum  in  Ver- 
bindung zu  setzen  und  dann  die  Harnröhre  zu  verschliessen,  wobei 
der  Sphincter  ani  den  Urin  für  einige  Zeit  zurückhalten  soll,  ist  bei 
unserer  Patientin  ganz  zu  verwerfen,  weil  sie  ohnehin  an  Prolapsus 
recti  leidet,  so  dass  der  Sphincter  ani  den  Harn  nicht  zurückhalten 
könnte.  Rose  hat  eine  solche  Operation  in  der  Münchener  Natur- 
forscherversammlung 1877  mitgetheilt  ^). 

Der  eigentliche  Zweck  der  zahlreichen  Operationen,  den  un- 
freiwilligen Harnabgang  zu  beseitigen,  ist  somit  vorläufig  nicht 
erreicht  worden,  allein  der  Fall  scheint  mir  nichts  desto  weniger 
der  Erwähnung  werth  zu  sein.  Nicht  wegen  der  zahlreichen 
Operationen,  indem  die  Wiederherstellung  des  Septum  vesico- vagi- 
nale durch  Verschluss  in  der  queren  und  in  der  Längsrichtung 
ebenso  wie  mit  der  T  förmigen  Vereinigungslinie  vergebens  versucht 
wurde,  indem  auch  der  Versuch  eines  gedoppelten  Lappens,  ebenso 
wie  die  Längsobliteration  der  Scheide  im  Stiche  Hess,  sondern  weil 
er  beweist,  wie  auch  unter  den  ungünstigsten  Verhältnissen  die 
Anheilung  granulirender  Lappen  an  den  Harnorganen  leicht  gelingt. 


^)  Wiener  Med.  Wochenschrift  1875.  Nr.  37. 

')  Rose,  Ueber  den  plastischen  Ersatz  der  weiblichen  Harnröhre.  Deutsche 
Z.  f.  Chirurgie.    IX.  Bd.,  S.  122. 


j^30  ^^"  Czerny. 

Der  Verschluss  des  Scheideneinganges  ist  zwar  seit  Vi  dal  de 
Cassis  oft  versucht  worden,  allein  wie  es  scheint,  erst  in  der 
Neuzeit  von  Schuppert  mit  vollem  Erfolge  erzielt  worden 
(Hegar  und  Kaltenbach,  operative  Gynäkologie  p.  352). 

Ich  machte  bei  diesem  Falle  noch  die  mir  sehr  werthvolle 
Erfahrung,  dass  bei  Operationen  an  den  Harnorganen  die  Metall- 
nähte den  Seidenfäden  bei  weitem  vorzuziehen  sind  und  habe  es 
wohl  zum  grossen  Theile  den  zahlreichen  Operationen  bei  dieser 
Patientin  zu  verdanken,  dass  ich  bei  drei  anderen  Blasenscheiden- 
fisteln,  die  ich  zu  operiren  Gelegenheit  hatte  (die  letzte  in  Heidel- 
berg mit  12  Nähten),   die  Heilung  auf  den  ersten  Sitz  erzielt  habe. 


Erklärnng  von  Taf.  11. 

Fig.   1.    Die  beiden  Unterextremitäten  von    Philipp  Bannwarth,    durch    Gyps- 
verbände  vereinigt. 

Fig.   2.    Die    Fusssohle    desselben    Kranken   nach    der  Heilung,   circa  auf  die 
Hälfte  verkleinert. 

a.  Der  transplantirte  Lappen. 


V. 

Beiträge 
zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten 

der 

Gelenkresectionen. 

Von 
Dr.  W.  Stark, 

zur  Zeit  Assistenzarzt  am  Julius- Hospital  in  Würzburg. 


Öobald  die  Resectionen  festen  Fuss  unter  den  chirurgischen 
Operationen  gefasst  hatten,  gab  sich  bei  den  Anhängern  derselben 
das  Bestreben  kund,  an  der  Hand  der  Statistik  einerseits  deren 
Berechtigung  andern  Verfahren  gegenüber  in  Bezug  auf  Mortalität 
zu  beleuchten,  ferner  deren  Vortheile  betreffs  der  hierbei  zu  erzielen- 
den Leistungsfähigkeit  der  erhaltenen  Extremität  klarzulegen,  anderer- 
seits die  Massregeln  festzustellen,  welche  vor,  während  und  nach 
dem  Eingriffe  zu  befolgen  sind. 

Denselben  Weg  schlugen  Stromeyer^)  und  Heyfelder 2)  in 
ihren  grössern  Werken  ein ,  indem  ersterer  in  seinen  »Maximen  der 
Kriegsheilkunst«  das  Kapitel  über  Gelenkresectionen  auf  der  Basis  der 
einschlägigen  Statistik  der  Kriegsjahre  aufbaute,  während  letzterer 
auch  von  der  den  Friedenszeiten  entstammenden,  allumfassenden 
Gebrauch  machte. 

In  der  Folge  wuchs  der  für  dieses  Gebiet  erwachte  casuistische 
Sammeltrieb,  welcher  hauptsächlich  durch  den  dänischen  Krieg,  die 
Enthüllungen  H  a  n  n  0  v  e  r '  s  (s.  u.)  und  dessen  Streit  mit  L  ö  ffler  ^) 


Anmerkung.  Die  Grundlage  dieser  Arbeit  bilden  sämmtliche  Gelenk- 
resectionen, die  während  meines  Aufenthaltes  in  Freiburg  in  der  Klinik  beobachtet 
worden  sind.  Nur  2  Fälle  stammen  aus  der  Privatpraxis.  Wie  sehr  das  Mortalitäts 
procent  durch  die  Einführung  der  Lister'schen  Wundbehandlung  abgenommen 
hat,  zeigt  die  am  Schlüsse  der  Arbeit  beflndhche  Tabelle.  Bei  der  Kritik  der  Re- 
sultate habe  ich  Hen-n  Dr.  Stark  vollkommen  freie  Hand  gelassen.     Czerny. 

')  Stromeyer,  Maximen  der  Kriegsheilkunst,  2.  Auflage.    Hannover  1861. 

^)  Dr.  Oscar  Hey f eider,  Lehrbuch  der  Resectionen.    W'ien  1863. 

^)  Dr.  Löffler,  die  Enthüllungen  des  Hrn.  Prof.  Di*.  A.  Hannover  über 
das  Endresultat  der  Resectionen  d.  Schulter-  und  Ellenbogengelenks.  Archiv  für 
kl.  Ghir.,  12.  B.,  S.  305—320,  Berlin  1871.  —  Dr.  A.  Hannover ,  Professor  in 
Kopenhagen:  Die  dänischen  Invaliden  aus  dem  Kriege  1864  in  ärztl.  Be- 
ziehung, Arch.  f.  kl.  Chir.,  12.  B.  S.  412—424,  1871. 


184  Dr.  W.  Stark. 

aufgestachelt  wurde,  derart,  dass  bereits  im  Jahre  1871  Neudörfer*) 
sich  berufen  fühlte,  ihm  Einhalt  zu  gebieten:  »Die  Gasuistik  ist 
gegenwärtig  schon  so  gross ,  dass  sie  sich  nur  schwer  übersehen 
lässt;  sie  vergrössern  hiesse  die  Zahl  der  rohen  Bausteine  vermehren. 
Was  uns  jetzt  noththut,  ist  die  Verarbeitung  dieses  riesigen  Materials 
zu  einem  organischen  Ganzen  durch  die  chirurgische  Forschung«. 

Und  wirklich  stieg  der  Eifer  der  letzteren  zugleich  mit  der 
Menge  des  zu  überwältigenden  Stoffes.  Solcher  sprosste ,  wie  von 
jeher,  so  auch  in  neuester  Zeit  in  überwiegendem  Masse  auf  dem 
Schlachtfelde  empor  und  hatte  in  Fischer^),  Socin^),  v.  Langen- 
beck ')  etc.  tüchtige  Bearbeiter  gefunden. 

Um  aber,  so  zu  sagen,  einigermassen  das  Gleichgewicht  im 
Beobachtungsmateriale  herbeizuführen,  welches  besonders  durch  den 
letzten  Feldzug  (1870 — 71)  zu  Gunsten  der  durch  Verletzungen 
indicirten  Resectionen  allzusehr  in's  Schwanken  gerathen  war,  lenkten 
Billroth^),  Bryk^),  Hugelshofer  i*^)  u.  A.  ihr  Augenmerk  auf  die 
Errungenschaften  der  Friedenspraxis  in  dieser  Richtung.  So  wurde 
aus  den  »rohen  Bausteinen«  ein  Gebäude  errichtet,  das,  wenn  auch 
im  Einzelnen  noch  unvollendet  und  in  der  Art  der  Ausführung 
strittig,  in  seinen  Grundmauern  unerschütterlich  feststeht. 

Besichtigt  man  dasselbe  genauer,  ausgehend  von  den  Mark- 
steinen, welche  durch  die  vorerwähnten  Werke  von  Stromeyer  und 
Hey  felder  gesetzt  sind,  so  halten  gerade  die  unvollkommenen  Parthieen 
das  wissenschaftliche  Interesse  am  Meisten  rege,  wesshalb  die  ver- 
schiedenen hierauf  bezüglichen   Entwürfe    kurz   verzeichnet   werden 


*)  Neudörfer:  Die  Endresultate  der  Gelenkresectionen.  Wiener  medic. 
Presse  1871. 

*)  Fischer,    H.:     Kriegschirurg.  Erfahrungen,  I.  Theil.     Erlangen  1872. 

')  S  0  c  i  n :  Kriegschirurg.  Erfahrungen.    Leipzig  1872. 

'j  B.  V.  Langenbeck:  Ueber  die  Endresultate  der  Gelenkresectionen 
im  Kriege.     Arch.  f.  kl.  Chir.,  16.  B.     Berlin  1874. 

®)  B  i  11  r  0 1  h  :  Ueber  die  Endresultate  der  Gelenkresectionen.  Wiener  med. 
Woch.  1871,  Nr.  1—7. 

')  Dr.  A.  Bryk:  Beiträge  zu  den  Resectionen.  Archiv  f.  kl.  Chir.  15.  Bd. 
S.  191—282  u.  487—556. 

")  Dr.  A.  Hugelshofor:  Ueber  die  Endresultate  der  Ellenbogengelenk- 
resectionen.    D.  Zeitschrift  für  Chirurgie.    III.  Band,  S.  1—34,  Leipzig  1873. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     185 

sollen.  Solche  existiren  nun  sowohl  für  allgemeine  als  für  specielle 
Gesichtspunkte.     Ersteren  gebührt  der  Vortritt. 

Sie  erstrecken  sich  auf  Differenzen  im  Urtheile  über  die  Digni- 
tät,  Indicationen ,  Zeit  der  Ausführung,  Methode  und  Erfolg  der 
Resectionen. 

Dass  der  Werth  der  Gelenkexcisionen ,  welcher  ja  an  und  für 
sich  nunmehr  unangefochten  bleibt,  ungleich  beurtheilt  wird,  ist 
nach  V.  Langenbeck  bedingt  durch  die  Auswahl  der  Fälle,  durch 
die  Art  der  Ausführung  der  Resection  und  die  der  Nachbehandlung. 

Was  die  Indicationen  der  Operation  hinsichtlich  der  Art  der 
Erkrankung  resp.  Verletzung  betrifft,  so  sind  diese  in  ihrer  All- 
gemeinheit nicht  hinreichend  zu  fixiren,  weil  je  nach  dem  leitenden 
Principe  die  Grenze  der  ersteren  von  den  Einen  selbst  bei  grössern 
Gelenken  weit  in  das  Gebiet  der  functionellen  Anzeigen  hineinver- 
legt"), von  Andern  12)  der  Bill  roth' sehen  Regel  gehuldigt  wird: 
»Bei  allen  Gelenkresectionen  kann  nicht  die  Frage  über  die  spätere 
Gebrauchsfähigkeit  der  Extremität  die  Nothwendigkeit  der  Operation 
entscheiden,  sondern  der  Grad  von  Gefahr,  welcher  bei  Vergleichung 
der  Behandlung  ohne  Operation  mit  der  Amputation  resp.  Exarti- 
culation  und  endlich  mit  der  Resection  für  das  Leben  des  Er- 
krankten oder  Verletzten  zu  erwarten  ist.« 

Eng  damit  hängt  die  Frage  über  die  Zeit  der  Ausführung  zu- 


")  Hüter,  ein  Hauptvertreter  dieser  Richtung,  hält  bei  Synovitis  supp.  die 
Gelenkresection  für  das  sicherste  Mittel,  freilich  am  Hüft-,  Knie-  und  Handgelenk 
nur  in  sonst  unheilbaren  Fällen  oder  bei  äusserst  gefahrdrohendem  Verlaufe  an- 
wendbar; bei  besser  situirten  Gelenken  aber  auch  zum  Zwecke  der  Herstellung 
der  Function.  Bei  Ostitis  hyperpl.  granul.  empfiehlt  er  sie  nur  nach  starker 
'Knochenaffection.  Ferner  räth  er  sie  an  bei  complicirter  Luxation  oder  Gelenk- 
vereiterung nach  nicht  complicirter.  Speciell  als  functionelle  Indicationen  wer- 
den von  ihm  (für  Schulter-  und  Ellenbogengelenk)  Contracturen  und  Ankylosen,  irre- 
ponible  Luxationen  mit  deletären  Druckerscheinungen  auf  Gefässe  und  Nerven, 
endlich  habituelle,  ja  sogar  einfache  Luxationen ,  welche  mit  grosser  Functions- 
beeinträchtigung  verbunden  sind,  aufgeführt.  —  Auch  Volkmann  hielt,  obgleich 
er  bezüglich  der  Angabe  von  Indicationen  reservirter  war,  manche  der  functio- 
nellen (z.  B.  bei  Luxation  mit  Druckparalyse)  für  berechtigt. 

**)  Neudörfer  sagt :  »Von  der  Indication  der  Lebensgefahr  ausgehend,  kann 
man  der  Frühresection  nicht  das  Wort  sprechen,  weil  im  Beginne  der  Verletzung 
noch  kein  Zeichen  von  Bedrohung  des  Lebens  vorhanden  ist.« 


136  Dr.  W.  Stark. 

sammen,  und  da  diese  für  die  Kriegschirurgie  ^  ^^  von  hoher  Wichtigkeit 
ist,  so  mögen  einzelne  Ansichten  von  Specialisten  hierüber  citirt  werden. 

Stromeyer  (1861)  sagt:  »Uebrigens  gilt  von  den  Resectionen 
dasselbe  wie  von  den  Amputationen;  je  früher  sie  gemacht  wer- 
den, desto  besser.  Die  Heilung  erfolgt  dann  in  wenig  mehr  Zeit 
als  nach  einer  Amputation  und  es  ist  desto  mehr  Aussicht  auf  ein 
bewegliches  Gelenk  vorhanden.« 

Fischer  (1872)^*)  tritt  nur  für  das  Schulter-  und  Ellenbogen- 
gelenk als  Apologet  der  primären  Resection  auf  ^  ^).  Er  schenkt  auch 
der  secundären  Beachtung,  wenngleich  er  zugibt,  »dass  das  Ab- 
warten seine  Gefahren  hat«.  Die  intermediäre  Resection  dagegen 
ist,  seiner  Angabe  gemäss,  »wegen  ihrer  grössern  Gefahr  überall ^^) 
zurückgedrängt,  obwohl  nicht  alle  Operirte  starben.« 

Mit  solcher  Hintansetzung  der  letztgenannten  Operation  erklärt 
sich  So  ein  (1872)  ^'')  nicht  einverstanden,  wesshalb  dessen  ziemlich 
isolirt  dastehende  Deductionen  an  dieser  Stelle  wiedergegeben  werden 
sollen:  »Ist  diese  (d.  h.  die  Resection)  primär  versäumt  worden 
oder  nicht  indicirt  gewesen,  so  wird  die  conservative  Behandlung 
fortgesetzt  bis  zum  Eintritte  der  Reaction  d.  h.  der  beginnenden 
Gelenkeiterung;  nimmt  diese  einen  bedrohlichen  Character  an,  oder 
handelt  es  sich  um  ein  Gelenk,  in  welchem  die  Resection  eine  bessere 
functionelle  Prognose  gibt,  als  die  aus  der  suppurativen  Synovitis 
im  besten  Falle  resultirende  Ankylose,  so  ist  die  Operation  sofort 
vorzunehmen,     hi   solchen    Fällen   wartet    man    also    geradezu    die 


1')  Für  die  Friedensprcixis  möge  das  Wort  Heyfelde rs  genügen:  »An 
denjenigen  Gelenken,  wo  die  Resection  für  Leben  und  Brauchbarkeit  des  Gliedes 
entschieden  günstige  Erfolge  gibt,  avo  die  Erfolge  besser  sind  als  die  spätem 
Ausgänge  der  chronischen  Entzündungen  derselben  Gelenke,  da  darf,  ja  da  muss 
früh  unbedenklich  resectirt  werden.« 

")  Dr.  Georg  Fischer:  Dorf  Floing  und  Schloss  Versailles.  Kriegschirur- 
gische Erinnerungen.     Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie,  I.  Band  1872. 

'^)  Er  erklärt:  »Was  die  allgemeinen  Fragen  bei  Gelenkresectionen  betrifft, 
so  stehe  ich  beim  Schulter-  und  Ellenbogengelenk  auf  Seite  der  primären  Resection.« 

**)  Hüter  bemerkt  hierüber :  »Dass  in  der  intermediären  Periode  zwischen 
dem  2.  und  7.  Tage  nur  in  Fällen  der  äusserslen  Noth  resecirt  werden  darf, 
darüber  ist  man  wohl  ebenso  einig,  wie  über  die  relative  Vei'werflichkeit  der 
Amputation  in  diesem  Zeitraum.« 

")  S.  No.  6. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     187 

intermediäre  Periode  ab,  um  den  operativen  Eingriff  auszuführen. 
Der  weitere  Verlauf  wird  meist  eine  solche  Handlungsweise  voll- 
ständig rechtfertigen.  Es  ist  ganz  irrthümlich  zu  glauben,  dass  eine 
subperiostale  Resection  eine  bedeutende  Verwundung  darstelle,  die 
nothwendig  ein  hohes  traumatisches  Fieber  zum  Gefolge  habe.  Die 
Beobachtung  lehrt  im  Gegentheil,  dass  ganz  gewöhnlich  die  Operation 
alle  bedenklichen  Erscheinungen ,  deren  Ursache  die  Retention  der 
Secrete  war,  wie  mit  einem  Schlag  zum  Verschwinden  bringt  und 
speziell  in  Bezug  auf  das  Fieber  eine  entschieden  antipyretische 
Wirkung  entfaltet.  Mit  der  Operation  in  solchen  Fällen  zu  zögern 
Aväre  ebenso  irrationell,  als  wenn  man  bei  einem  Abscess  mit  der 
Eröffnung  bis  zum  Abfall  des  Fiebers  warten  wollte.  In  den  sel- 
teneren Fällen  aber,  in  welchen  trotz  der  Resection  die  lebens- 
gefährdenden Erscheinungen  der  Verjauchung  und  des  Fiebers  fort- 
dauern, muss  man  zur  Einsicht  kommen,  dass  die  Operation  nicht 
zu  fi'üh,  sondern  zu  spät  unternommen  wurde.  Sie  hat  nichts  ver- 
schlimmert, sondern  sie  hat  den  eingeleiteten  schlimmen  Verlauf 
eben  nicht  auflialten  können.« 

Auf  gleichen  Fuss  bezüglich  der  von  Socin  betonten  »anti- 
pyretischen Wirkung«  der  Resection  stellt  sich  Hugelshofer  (1873), 
wenn  er  sagt:  »Die  einfach  logische  Erwägung  der  Verhältnisse 
führt  zu  einer  bejahenden  Antwort,  dass  nämlich  die  Resection, 
wenn  primär  gemacht,  ein  Mittel  ist,  mangelhaften  Abfluss,  Stag- 
nation der  Secrete,  Spannung  im  Gelenke  mit  Ernährungsstörung 
nicht  zum  Ausbruch  kommen  zu  lassen,  und  wenn  secundär  an- 
gewendet ,  die  Entzündungserscheinungen  abzusetzen ,  ihre  Compli- 
cationen  zu  vermeiden  und  den  Heilungsprozess  zu  vereinfachen.« 

Hüter  hatte  bereits  im  Jahre  1870  aus  denselben  Gründen i^) 


'^)  Er  sagt:  »Die  antiphlogistische  Wirkung  der  Gelenkresection  ist  ent- 
weder in  der  Beseitigung  der  erkrankten  Theile  oder  in  der  mechanischen  Re- 
gulation der  entzündlichen  Vorgänge  oder  endlich  in  der  Concurrenz  dieser  beiden 
Effecte  begründet.  Die  Resection  beseitigt  den  Druck,  unter  welchem  die  Pro- 
ducte  der  Entzündung,  die  gewucherten  Gewebe  und  der  Eiter  stehen;  sie  sistirt 
also  das  Weiterschreiten  der  Entzündung  und  das  begleitende  Fieber,  welche 
beide  durch  Fortleiten  der  phlogogenen  Substanzen  und  durch  Aufnahme  der  py- 
rogenen  Substanzen  in  die  Circulation  geschehen.« 


188  Dr.  W.  Stark. 

die  Gelcnkexcision  als  »das  mächtigste  und  sicherste  Antiphlogisticum 
für  die  Behandlung  der  Gelenkentzündung«  empfohlen. 

V.  Langenbeck  (1874)  fühlt  sich,  ob  schon  blos  nothgedrungen, 
ebenfalls  veranlasst ,  die  Berechtigung  der  intermediären  Resection 
einzugestehen  ^^).  Seinen  anderweitigen  Gelenksexcisionen  fügt  er 
folgende,  den  Zeitpunkt  betreffende,  Erklärung  bei:  »Die  secundären 
und  Spätresectionen  haben  mir  günstigere  Resultate  gegeben  als  die 
primären.  —  Ich  glaube,  dass  primäre  Resectionen  meist  durch  die 
schwersten  Zerstörungen  veranlasst  werden,  während  bei  den  leichten 
Verletzungen,  bei  denen  die  Diagnose  oft  zweifelhaft  ist,  bis  zur 
Eiterungsperiode  gewartet  wird.« 

Aus  dieser  Blüthenlese  von  Erfahrungssätzen  geht  hervor,  dass 
in  jeder  der  drei  Wundperioden  die  Resection  ihre  Berechtigung 
haben  kann,  dass  dieselbe  in  jedem  der  drei  fraglichen  Zeitabschnitte 
ihre  Vor-  und  Nachtheile  ^o)  hat,  in  jedem  durch  sie  das  Leben  in 
verschiedenem  Grade  gefährdet  erscheint;  bei  der  primären  und 
sekundären  weniger  als  bei  der  intermediären,  x^uf  die  spezielle 
Frage,  welche  von  den  beiden  ersteren  den  Vorzug  verdiene,  muss 
man  jedoch  immer  noch  die  Hüter'sche  allgemeine  Antwort  auf- 
tischen: »Trotz  der  Erfahrungen,  zu  welchen  die  letzten  Feldzüge 
ein  reiches  Material  liefern  konnten ,  ist  diese  Frage  nicht  bestimmt 
zu  lösen  und  wird  wahrscheinlich  auch  prinzipiell  weder  zu  abso- 
luten Gunsten  der  primären  noch  zu  absoluten  Gunsten  der  secun- 
dären Resection  entschieden  werden.« 


'®)  »Es  muss  auch  in  dieser  Wundperiode  die  Resection  gemacht  werden, 
weil  die  Operation  doch  hin  und  wieder  ein  Menschenleben  erhalten  kann.« 

^°)  Hüter  sagt:  »Nach  grossen  Gefechten  und  Schlachten  fehlt  meistens 
dem  ärztlichen  Personal  die  zur  Ausführung  primärer  Resectionen  nöthige  Ruhe 
und  Bequemlichkeit,  und  über  ihre  Erfolge  liegen  nur  spärliche  Beobachtungen 
vor.  —  Die  secundäre  Resection  bietet  den  Vortheil,  dass  die  Ablösung  und  Er- 
haltung des  entzündlich  aufgelockerten  Periosts  leichter  und  in  grösserem  Um- 
fange geschehen  kann.  Trotzdem  gibt  es  Fälle,  in  welchen  der  primären  Re- 
section der  Vorzug  gegeben  werden  muss.  Bei  ausgedehnter  Zertrümmerung  der 
Knochen ,  wenn  in  wenigen  Stunden  die  phlegmonös-septische  Infiltration  der 
Weichtheile  die  Schwellung  der  Extremität  zum  Doppelten  des  Volums  treibt 
und  das  primär  septicämische  Wundfieber  zu  der  Temperatur  von  40—41" 
emporschnellt,  dann  ist  die  primäre  Resection  unvermeidlich.     Sie  vermag  noch 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     189 

Prof.  Gzerny  vertritt  in  seinen  Vorlesungen  und  in  der  Praxis 
den  Satz,  dass  die  primäre  Resection  dann  angezeigt  sei,  wenn  eine 
solche  Splitterung  der  knöchernen  Gelenkkörper  vorhanden  ist,  dass 
die  Ausheilung  im  besten  Falle  blos  durch  langwierige  Eiterung  und 
Abstossung  nekrotischer  Knochen  erfolgen  könnte.  Durch  die  pri- 
märe, subperiostale  Resection  werden  die  Wundverhältnisse  verein- 
facht, die  Ausheilungsbedingungen  günstiger.  Auch  das  Zurück- 
bleiben von  Fremdkörpern,  z.  B.  von  Kugeln  im  Gelenke,  erfordert 
die  primäre  Resection.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  in  Zukunft  unter 
Beobachtung  der  antiseptischen  Behandlungsmethode  in  diesen  Fällen 
die  Incision  in  die  Gelenke  mit  einfacher  Entfernung  der  gelösten 
Knochensplitter  und  der  eingedrungenen  Fremdkörper  theilweise  die 
primäre  Resection  ersetzen  wird.  Allein  darüber  fehlt  uns  noch 
vorläufig  jede  Erfahrung. 

Hinsichtlich  der  Methode  der  subperiostalen  Resection,  unter  der 
V.  Langenbeck,  der  eigentliche  Begründer  derselben,  nichts  Anderes 
versteht,  »als  die  vollständige  Erhaltung  aller  in  der  Nähe  des  Ge- 
lenks sich  festsetzenden  Sehnen  und  Muskeln ,  in  Verbindung  mit 
dem  Periost  der  Diaphyse«,  genügt  es,  weil  sie  sich  ja  bereits  einer 
so  allgemeinen  Anerkennung  erfreut,  Fischer's^*)  kurze  doch  klare 
Bemerkungen  darüber  zu  notiren:  Sie  »ist  bei  primärer  Resection 
schwierig,  gelingt  auch  nicht  immer  vollständig,  sollte  aber  doch 
soviel  als  möglich  versucht  werden;  bei  sekundärer  ist  sie  leichter, 
wenn  auch  immer  etwas  mühevoll.  Die  fast  fehlende  Blutung,  die 
möglichst  vermiedenen  Eiterungen  zwischen  Muskeln  und  Sehnen, 
die  Knochenproduction  sind  ihre  bekannten  Vorzüge.« 

In  gleichem  Sinne    reden  Hüter^^)   und  Billroth^^)  — ^4^^ 


eine  Extremität  und  ein  Lelien  zu  retten,  welches  24  Stunden  später  auch  durch 
das  Amputationsmesser  niclit  mehr  hätte  erhalten  werden  können. 

")  S.  No.  16. 

^*)  C.  Hüter,  Klinik   der  Gelenkkrankheiten.     Leipzig,  1870—71. 

2ä)  S.  No.  8. 

^*)  Da  die  Urtheile  über  totale  und  partielle  Resectionen,  sowie  über  die 
Beziehungen  zwischen  Grösse  des  entfernten  Stückes  und  nachherigem  Längen- 
wachsthume  des  resecirten  Gliedes  u.  s.  w,  vorwiegend  mit  Rücksicht  auf  die  ein- 
zelnen Gelenke  von  den  betreffenden  Autoren  gegeben  wurden,  so  finden  diese 
Fragen  ausschliesslich  in  dem  speciellen  Theile  ihre  Erörterung. 


190  Dr.  W.  Stark. 

Da  über  die  Resultate  der  Resectionen  erst  in  jüngster  Zeit 
wieder  genauere  Nachforschungen  eingeleitet  wurden  und  man  auf 
Grund  derselben  Thesen  aufstellte,  die  selbst  in  ihrer  Allgemeinheit 
nicht  hinlänglich  feststehen ,  so  scheint  es  geboten ,  auch  hierüber 
die  Ansichten  verschiedener  Autoren  vorzuführen : 

In  allgemeinen  Umrissen  zeichnet  Heyfelder  (1863)^^)  den 
Standpunkt,  von  dem  aus  die  Erfolge  in  Bezug  auf  Lebensgefahr 
und  auf  örtliche  Leistungsfähigkeit  betrachtet  werden  müssen:  »Das 
Leben  ist  in  geringerem  Grade  gefährdet  als  bei  den  entsprechenden 
Amputationen  und  Exarticulationen.  Die  Gefährlichkeit  ist  im  Ganzen 
bei  den  kleinern  und  mehr  peripherisch  liegenden  geringer  als  bei 
den  grössern,  dem  Gentrum  näher  liegenden;  bei  den  oberen  Extremi- 
täten geringer  als  bei  den  unteren.  —  Der  örtliche  Erfolg  kann  ein 
vollständiger,  ein  theilweiser  sein  oder  gänzlich  ausbleiben.  Voll- 
ständig ist  der  Erfolg  bei  allen  Gelenken,  das  Knie  ausgenommen, 
wenn  sich  volle  Beweglichkeit  und  uneingeschränkte  Gebrauchs- 
fahigkeit  des  Gliedes  einstellt.«  Ausser  der  Beweglichkeit  und  Un- 
beweglichkeit  bedingen  —  nach  seiner  Aussage  —  Stellung  und 
Mass  der  Verkürzung  den  Grad  der  Gebrauchsfähigkeit;  ferner 
sind  Recidive  des  Leidens,  nekrotisches  Absterben  der  Knochen- 
enden und  unregelmässige  Narbenbildung  im  Stande,  den  Erfolg  zu 
beeinträchtigen. 

Eine  stricte  Unterscheidung  zwischen  »provisorischen«  und 
»definitiven«  Endresultaten  fand  erst  statt,  als  Hannover  im 
Jahre  1869  mit  dem  Endresultate  der  Resectionen  2^)  aus  dem 
dänischen  Kriege  an's  Tageshcht  trat  und  durch  sein  Heer  von 
Jammerbildern  der  Herrschaft  derselben,  welche  sie  sich  seit  Kurzem 
erst  auch  in  der  Kriegspraxis  errungen,  einen  empfindlichen  Stoss 
zu  versetzen  drohte. 

Wer  sollte  auch  nicht  bedenklich  den  Kopf  schütteln  und  die 


''»)  S.  No.  2. 

*•)  Das  Endresultat  der  Resectionen  im  Kriege  1864  in  den  Unterklassen 
der  dänischen  Armee.  Von  Prof.  Dr.  A.  Hannover  in  Kopenhagen.  Med. 
Jahrbücher,  XVIII,  Wien  1869. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     191 

eigenen  Ergebnisse  dieser  »verzweifelten  Operation«,  aus  der  man 
»zu  viel  Wesens  gemacht  zu  liaben«  schien,  sorgßlltig  revidiren, 
wenn  er  sich  die  Fälle  aus  dem  erwähnten  Feldzuge  vergegenwärtigte, 
welche  zum  Theil  »Triumphe  der  Resection«  zu  werden  versprachen 
und  von  denen  später  sich  herausstellte,  dass  z.  B.  »der  Arm  todt 
und  unbeweglich  wie  ein  schlaffer  Fleischklumpen,  wie  ein  todter 
Klotz«  herabhing,  zur  »grössern  Beschwerde  als  wenn  er  amputirt 
wäre«,  da  »fortwährend  Schmerzen  vorhanden  waren  und  die  Auf- 
merksamkeit des  Invaliden  auf  den  Schutz  des  Arms  gerichtet  sein 
musste,  weil  er  nicht  die  geringste  Bewegung  und  den  geringsten 
Druck  ertrug«;  dass  der  »Unterarm  in  Watte  und  Pelz  gehüllt  werden« 
musste,  »um  die  Wärme  zu  erhalten«;  dass  »keine  active  Bewegung 
in  der  schlaffen  und  feuchten  Hand  und  den  gefühllosen  und  kriebeln- 
den,  kalten,  bläulichen  und  leichenartigen«  Fingern  möglich  war. 

Obschon  alsbald  Löffler-''),  den  Berichten  Hannover 's  ent- 
gegentretend, deren  verschiedene  Unzulänglichkeiten  aufdeckte,  so  war 
trotzdem  ein  gewisser  Rückschlag  erfolgt,  welcher  selbst  Billroth  in 
seinen  Anforderungen  an  die  Endresultate  der  Resection  herabstimmte. 
Gleicher  Meinung  hinsichtlich  der  Letzteren  ist  Socin-^),  wie  aus 
seinem  Ausspruche  zu  schliessen,  dass  »Billroth  in  manchen  Punkten 
sich  auf  Seite  Hanno ver's  neigt  und  die  functionelle  Prognose  selcher 
Operationen  in  ein  wenig  günstiges  Licht  stellt«.  Denn  So  ein  ver- 
mochte bei  der  Untersuchung  seiner  Resecirten  nach  Verfluss  mehi'erer 
Jahre  nicht,  »die  theoretische  Betrachtung  Billroth 's  practisch  be- 
stätigt zu  finden  und  die  nachträgliche  Entwicklung  eines  Schlotter- 
gelenks mit  Parese  der  Muskeln  als  ein  häufiges  und  nothwendiges 
Vorkommniss  zu  erkennen«.  Auch  die  zweite  von  Billroth  ange- 
gebene Ursache  der  Verschlechterung  durch  Laxerwerden  der  Pseudo- 
gelenke  und  Längerwerden  der  Bandverbindungen  wurde,  und  zwar 
von  Neudörfer  ^^)  bestritten,  welcher  behauptete,  jener  habe  in 
seiner   Darstellung    nur    einzelne   Formen    des    Schlottergelenks    im 


")  S.  No.  3. 

")  S.  No.  6.     Hüter  äussert  sich  gelegentlich  in  ähnlichem  Sinne. 

")  S,  No.  4. 


192  Dr.  W.  Stark. 

Auge  gehabt  und  keinen  Unterschied  zwischen  Flächennarben  und 
linearen  gemacht, 

V.  Langenbeck  ^0)  hält  ferner  dafür,  dass  der  Billroth'sche 
Satz:  »Es  ist  nach  allen  Gelenkresectionen  als  ein  im  Allgemeinen 
günstiges  Resultat  zu  betrachten,  wenn  sich  Ankylose  bildet«  keines- 
wegs so  ausnahmslos  gültig  sei. 

Unangefochten  dagegen  blieben  die  Erfahrungen  des  mehr- 
erwähnten Autors  (Billroth)  bezüglich  des  Werthes  verschiedener 
Beweglichkeitsgrade  und  der  zu  erzielenden  Verbesserung  derselben 
durch  zweckmässige  Behandlung  ^  ^). 

Ebensowenig  haben  dessen  Reflexionen  über  die  Verdienste 
der  Resectionen  betreffs  Erhaltung  des  Lebens  und  die  Vorzüge  ihrer 
Erfolge  denjenigen  anderer  Verfahren  gegenüber  irgend  welchen 
Widerspruch  erlitten. 

Hinsichtlich  der  ersteren  glaubt  er  die  Frage,  ob  durch  diese 
Operation  Menschenleben  erhalten  werden  können,  welche  bei  nicht 
operativer  Behandlung  oder  bei  Amputation  resp.  Exarticulation 
wahrscheinlich  zu  Grunde  gegangen  sein  würden,  trotz  der  geringen 
Zahl  des  statistischen  Materials  und  der  unvollkommenen  Kritik  der- 
selben nach  den  vorliegenden  Erfahrungen  wenigstens  theilweise  be- 
jahen zu  können.  Letztere  anlangend,  findet  er,  dass  die  Amputirten 
viel  häufiger  Beschwerden  von  ihren  Stümpfen  haben,  als  die  Re- 
secirten  von  ihren  operirten  Extremitäten  und  dass  die  mit  Ankylose 


'»)  S.  No.  7. 

^*)  Diese  Sätze  lauten:  »Eine  geringe  Beweglichkeit  bei  kraftvoller  Mus- 
kulatur kann  die  Gebrauchsfähigkeit  der  Glieder  nach  Resection  —  erhöhen.«  — 
»Die  Glieder  mit  activ  beweglichem  Schlottergelenk  können  durch  mechanische 
Vorrichtungen,  methodische  Uebungen  und  electrische  Behandlung  in  manchen 
Fällen  ziemlich  brauchbar  gemacht  werden  ,  stehen  aber  den  ankylotischen  und 
wenig  beweglichen  in  Gebrauchsfähigkeit  erheblich  nach.«  —  »Die  Glieder  mit 
activ  nicht  beweglichem  Schlottergelenke  sind  in  Betreff  der  Function  wohl  als 
unglückliche  Resultate  zu  betrachten,  sie  haben  keinen  oder  nur  sehr  geringen, 
zuweilen  nur  kosmetischen  Werth.«  —  »Um  eine  möglichst  straffe  Verbindung 
zwischen  den  resecirten  Knochenenden  herbeizuführen,  soll  man:  1)  so  wenig 
als  möglich  Knochen  entfernen« ;  denn  »je  mehr  vom  Knochen  entfernt  wird, 
um  so  näher  rücken  die  Muskelansätze  und  werden  insufficient«  ;  2)  »vom  Periost 
so  viel  wie  möglich  erhalten,  um  dadurch  vielleicht  eine  theilweise  Neubildung 
von  Knochenmasse  in  den  resecirten  Enden  zu  erzielen.« 


Beiträge  zu  der  Slalislik  iiiid  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.      ^93 

Behafteten  von  Recidiventzündungen  mindestens  ebenso  oft  zu  leiden 
haben  als  die  Resecirten. 

Neudörfer 3^)  jedoch  gebührt  die  Ein-e,  zuerst  (1871)  gegen 
die  Endresultate  Hanno ver's  eine  Reihe  von  gut  constatirten  und 
wahrhaft  glänzenden  eigenen,  definitiven  Erfolgen  ins  Feld  geführt 
und  so  mit  gleichen  Waffen  dessen  Angriffe  auf  die  Resection  ab- 
gewiesen zu  haben.  Mit  Rücksicht  auf  das  jeweils  zu  beanspruchende 
Ergebniss  derselben  gibt  er  nachstehende  Erklärung  ab: 

»So  lange  man  blos  wegen  Lebensgefahr  resecirt,  muss  man 
mit  jedem  Endresultate  zufrieden  sein,  wenn  der  Operirte  am  Leben 
geblieben.  Anders  verhält  sich  die  Sache,  wenn  man  nicht  wegen 
Lebensgefahr,  sondern  aus  anderen  Motiven  resecirt,  dann  kommt  das 
Endresultat  der  gelungenen  Resection  sehr  wohl  in  Betracht.« 

Socin  (1872)^^)  nimmt  auf  Grund  seiner  Resultate  in  dieser 
Frage  eine  Mittelstellung  zwischen  letzterem  und  Hannover  ein.  — 
»Im  Ganzen  constatire  ich,  dass  von  meinen  Operirten  mehr  mit  zu 
geringer  als  mit  zu  ausgedehnter  Beweglichkeit  zur  Heilung  ge- 
kommen sind.« 

Hugelshofer  (1873)  scheint  es  desshalb  »nicht  ungerechtfertigt 
zu  sein,  die  Ursache  des  Unterschiedes  in  den  definitiven  Ergebnissen 
zum  grossen  Theil  in  dem  Verhalten  der  Operirten  nach  der 
Entlassung  aus  der  ärztlichen  Behandlung  zu  suchen.«  Diesem 
Ausspruche  gibt  v.  Langen beck  (1874)  noch  präcisere  Fassung  in 
seinem  Urtheile  über  die  Resultate  Hanno  ver's,  das  endgültig 
gegen  letzteren  entschied: 

Ursache  der  schlechten  von  Hannover  berichteten  Resultate 
ist  der  Einschluss  der  resecirten  Extremität  in  einer  Tragkapsel 
4  Jahre  hindurch,  durch  welche  Quiescirung  nicht  nur  eine  Rigidität 
und  Empfindlichkeit  der  verletzt  gewesenen,  sondern  auch  aller  übrigen 
Gelenke  derselben  Extremität  herbeigeführt  wird.  —  »Die  Vorstellung 
Hanno  ver's,  dass  progressive  Muskelatrophie  nach  der  Gelenk- 
resection  auftrete  und  die  mit  den  Jahren  sich  steigernde  Gebrauchs- 
unfähigkeit bedinge,  ist  eine  irrthümliche.   Ich  habe  niemals  Derartiges 


32)  S.  No.  4. 
")  S.  No.  6. 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  13 


-194  Dr.  W.  Stark. 

beobachtet  und  behaupte,  dass  alle  so  aufgefassten  Muskelzustände 
einfache  Inactivitätsparalysen  waren.« 

Darauf  fussend,  bezeichnet  er  als  Ursache  der  schlechten  Re- 
sectionsresultate  im  Kriege  einerseits  mangelhafte  Nachbehandlung, 
andererseits  geringe  Sorgfalt  von  Seite  des  Patienten  für  Kräftigung 
und  Uebung  der  Glieder. 

Denn  er  (v.  Langenbeck)  hat,  so  wie  Socin,  Ȋhnliche  Er- 
fahrungen bei  den  wegen  Schussverletzung  Resecirten  niemals 
gemacht,  wohl  aber  Schlottergelenke  bei  fleissigem  Gebrauche  der 
Extremität,  auch  ohne  alle  ärztliche  Behandlung,  allmählig  sich  con- 
solidiren  und  mit  der  Zeit  vollkommen  brauchbar  werden  gesehen.« 

Diese  Zusammenstellung  lehrt,  von  welch'  grosser  Bedeutung 
der  Bericht  Hanno ver's  war  als  Weckstimme  für  die  exacte  Ent- 
wicklung der  Fragen,  wieviel  von  der  resecirten  Extremität  gefordert 
werden  könne  und  auf  welchem  Wege  das  erstreben sw^erthe  Ziel  zu 
erreichen  sei.  Stufe  um  Stufe  stiegen  mit  der  klareren  Erkenntniss 
der  letzteren,  für  welche  sich  besonders  Billroth  (was  man  schon 
aus  dem  Vorhergehenden  sieht)  verdient  gemacht  hat,  auch  die  An- 
sprüche an  erstere,  bis  endlich  v.  Langenbeck  die  Hauptschuld  an 
dem  Misserfolge  der  Operation  von  dieser  selbst  weg  und  auf  den 
Operateur  2*)  und  Patienten  wälzte:  Beachtet  jener  die  Vorschriften 
Billroth's  und  v.  Langenbeck's  über  Ausführung  der  Resection  und 
Nachbehandlung  und  unterstützt  dieser  ersteren  durch  genaue  Be- 
folgung seiner  Rathschläge,  so  wird  nur  in  Ausnahmsfällen  das  Er- 
gebniss  ein  relativ  ^^j  unbefriedigendes  sein. 


^*)  U.  A.  kann  folgendes  Gitat  aus  seiner  schon  öfters  erwähnten  Arbeit 
als  Beleg  hierfür  gelten:  »Regeneration  wahrer  Gelenke  nach  Resection  darf  nur 
dann  erwartet  werden ,  w^enn  die  resecirten  Knochenenden  unter  mehr  oder 
weniger  vollständiger  Knochenneubildung  mit  einander  in  beweglichen  Contact 
gebracht  und  durch  Uebung  und  Gebrauch  des  Gliedes  in  demselben  erlialten 
werden.  —  Da  dieses  nur  möghch  ist,  wenn  die  über  das  Gelenke  gehenden 
Muskeln  in  Verbindung  mit  der  Gelenkkapsel  und  dem  Periost  der  Diaphyse  er- 
halten werden,  so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  ein  gutes  Resultat  nur  durch  sub- 
periostale Resection  erreicht  werden  kann." 

^^)  Dass  bei  denjenigen  Fällen,  welche  an  das  Gebiet  der  Amputation  hin- 
slreifen  (z.  B.  ausgedehntere  Garies,  intensivere  Schuss Verletzungen  etc.),  die  An- 
forderungen an  die  Functionsherstellung  nacli  der  Resection  nicht  zu  hoch  ge- 
griffen werden  dürfen,  versteht  sich  wohl  von  selbst. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     |95 


I.    Resection  des  Schultergelenks. 

Bis  in  die  neueste  Zeit  fanden  sich  Chirurgen,  welche  den 
Werth  und  die  Aufgabe  dieser  Operation  verkannten.  Seit  ihrer 
Einführung  machte  hinsichtlich  der  Mortalitätsfrage  die  Exarticulation 
derselben  den  Vorrang  strittig.   Lange  dauerte  es,  ehe  letztere  siegte. 

Wie  behutsam  lautet  noch  die  im  Jahre  1847  von  Dr.  F.  Ried  ^6) 
auf  die  angeführte  Frage  gegebene  Antwort:  »Aus  einer  unpar- 
theiischen  Vergleichung  der  Resultate  beider  Operationen  ergibt  sich, 
dass  die  Resection,  wenn  nicht  günstigere,  doch  jedenfalls  ebenso 
günstige  Verhältnisse  zeige  als  die  Exarticulation.« 

Selbst  im  .Jahre  1863  fühlt  Hey  fei  der  sich  verpflichtet,  seinen 
ganzen  statistischen  Schatz  zu  durchmustern,  um  nach  strenger 
Prüfung  des  Erfolgs  die  bessere  Prognosis  quoad  vitam  jener  gegen- 
über dieser  recht  einleuchtend  hinzustellen;  denn  »trotz  aller  gün- 
stigen Erfolge  hat  die  Schultergelenkresection  wie  die  Resection 
überhaupt  noch  immer  Gegner.  Velpeau  behauptet,  die  Schulter- 
gelenkresection exponire  den  Operirten  fast  denselben  Gefahren,  wie 
die  Exarticulation.  Marjolin  erklärt  jene  für  gefährlicher  als  diese 
und  neuerdings  hat  sich  Paul  in  seinem  oft  erwähnten,  vortreff- 
lichen Werke  wenigstens  gegen  einzelne  Kategorien  der  Schulter- 
resection  ausgesprochen.« 

Doch  9  Jahre  später  konnte  Fischer  3-)  frischweg  sagen: 
»Wenn  heutzutage  noch  Sedillot  bei  Verletzungen  des  Schulter- 
gelenks die  Exarticulation  für  das  beste  Mittel  hält,  die  conservative 
Methode  in  zweiter  Reihe  befürwortet  und  zuletzt  erst  die  Resection 
empfiehlt,  so  steht  diese  Ansicht  isolirt.«     Er  (Fischer)   gibt  aber 


'*)  Dr.  Franz  Ried,  die  Resectionen  der  Knochen  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  von  Michael  Jäger  ausgeführten  derartigen  Operationen. 
Nürnberg  1847. 

^'j  S.  No.  16. 


196  Dr.  W.  Stark. 

ZU,  dass  man  sich  allmählig  daran  gewöhnen  müsse,  »die  resectio 
humeri  als  eine  sehr  schwere  und  lebensgefährliche  Operation  zu 
betrachten.« 

Volkmann^^)  und  Hüter  ^^)  taxirten  dagegen  die  Lebens- 
gefahr blos  für  geringgradig. 

Weniger  vortheilhaft  für  die  Schulterresection  fiel  die  Beurthei- 
lung  ihrer  Leistungen  mit  Rücksicht  auf  die  der  conservativen 
Methode  aus,  indem  v.  Langenbeck  (1874)  constatirte:  »In  Bezug 
auf  den  Werth  der  Schultergelenkresection  im  Vergleich  mit  der 
conservirenden  Behandlung  gelangen  die  Aerzte,  welche  Revisionen 
von  Invaliden  gemacht  haben,  alle  so  ziemlich  zu  demselben  Resul- 
tate, nämlich  dass  durch  conservirende  Behandlung  günstigere  Ver- 
hältnisse erzielt  worden  seien  als  durch  die  Resection.« 

Solche  Erkenntniss  beeinträchtigt  indessen  keineswegs  den  Wir- 
kungskreis der  ebenerwähnten  Operation,  weil  deren  Indication 
bekanntlich  (siehe  übrigens  unten)  eine  viel  in-  oder  extensivere 
Erkrankung,  resp.  Verletzung  voraussetzt,  mithin  auch  blos  ein  weniger 
gutes  Resultat  beansprucht  werden  darf. 

Dessenungeachtet  stellt  v.  Langenbeck  an  beide  Verfahren  die 
gleichen  Anforderungen:  »Es  muss  bei  der  conservirenden  Behand- 
lung der  Schussverletzungen  des  Schultergelenks  wie  nach  der  Re- 
section desselben  unser  ganzes  Bestreben  dahin  gerichtet  sein,  ein 
bewegliches  Gelenk  herzustellen,«  da  »die  Annahme,  dass  Ankylose 
nach  Schultergelenkresection  oder  nach  conservativer  Behandlung 
eine  bessere  Gebrauchsfähigkeit  des  Arms  bedinge  als  ein  wenngleich 
unvollkommen  bewegliches  Schultergelenk,  auf  einer  Täuschung  be- 
ruht.« 

Desshalb  ist  in  Zukunft  »bei  der  Nachbehandlung  auf  die 
Erhaltung    beweglicher**^)    Schultergelenke    grössere    Sorgfalt    zu 


^^)  S.  No.  84.  Er  beliauplet  z.  B.  bei  Resection  nach  Schussfractur : 
»Die  Resultate  sind,  sowohl  was  die  Mortalitätsziffer  als  was  die  spätere 
Brauchbarkeit  des  Gliedes  anbelangt,  vortrefflich.« 

*^)  S.  No.  83.  Nach  ihm  hegt  »das  Hauptargument  in  der  äusserst 
geringen  Lebensgefahr  des  operativen  Eingriffs«  etc. 

*°)  Hüter  stellt  die  >Aussicht  auf  Wiederherstellung  einer  gut  beweg- 
lichen Verbindung  an  der  Resectionsstelle«  als  eine  »bestimmte«  hin. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen,     197 

verwenden«,  um  so  der  Resection  derselben  zu  der  gegenwärtig  von 
ihr  verlangten  Lösung  ihrer  Aufgabe  beizustehen.  — 

Obzwar,  wie  schon  oben  angedeutet,  nunmehr  die  Indica- 
t  i  o  n  s  grenzen  der  resectio  humeri  im  Allgemeinen  gezogen  sind  und 
bezüglich  der  traumatischen  die  Str omey er'sche  Ansicht,  nach 
der  »jede  gut  constatirte  Knochenverletzung  mit  Eröffnung  des 
Schultergelenks  die  Resection  desselben  indicirt  *^),  welche  allein  den 
drohenden  Gefahren  einer  jauchenden  Entzündung  vorzubeugen  im 
Stande  ist  (die  um  so  leichter  verderblich  wird,  weil  das  verletzte 
Schultergelenk  nicht  wie  andere  Gelenke  reagirt,  oder  vielmehr,  weil 
die  Reaction  sich  nicht  auf  ähnliche  Weise  darstellt)«  —  zur  Geltung 
gekommen  und  nach  Lücke's  (1872)  ^^)  Ausspruch  zum  anerkannten 
Grundsatz  erhoben  ist,  so  differiren  doch  noch  die  Meinungen  ein- 
zelner Autoren. 

Als  Beispiel  mögen  folgende  sich  so  schroff  einander  gegen- 
überstehende Thesen  von  Neu  dörfer  einer-,  So  ein  andererseits 
dienen:  Neudörfer  (1871)  sagt  nämlich:  »Für  Schulter-  (Knie- 
und  Hand-)  Gelenk  bleibt  die  Lebensgefahr  die  einzig  berechtigte 
Resectionsinclication,  da  die  Brauchbarkeit  der  Extremität  bei  exspec- 
tativer  Behandlung  viel  grösser  als  nach  der  gelungensten  Resection 
dieses  Gelenkes  ist.«  So  ein  (1872)  dagegen  hält  »es  für  einen 
Fehler  bei  einmal  etablirter  Gelenkeiterung  zu  warten  mit  der  Re- 
section; bis  lebensgefährliche  Erscheinungen  sich  einstellen.« 

Schon  im  Jahre  1865  hatte  Volkmann  gleichfalls  Gelenk- 
eiterung, ausserdem  Arthritis  cleformans,  Ankylose,  angeborene, 
inveterirte  und  complicirte  Luxationen  mit  mehr  oder  weniger  Em- 


■**)  V.  Langenbeck  spezificirt  genauer  das  Verhältniss  der  Indicationen 
gegenüber  dem  Grade  der  Verletzung:  1)  Alle  leichtern  Schussverletzungen  des 
Schultergelenks  rechtfertigen  den  Versuch  der  conservirenden  Behandlung  unter 
der  Voraussetzung,  dass  in  vielen  dieser  Fälle  die  secundäre  Resection  noth- 
wendig  sein  wird.  2)  Alle  ausgedehnten  Schussfracturen  des  Schultergelenks 
indiciren  die  primäre  Resection.  3)  Zerschmetterung  des  Schultergelenks  mit 
Abreissung  der  Weichtheile  indiciren  an  sich  die  Exarticulation  nicht,  sondern 
die  sekundäre  Resection. 

*^)  Lücke:  Bericht  über  die  bisher  aus  dem  deutsch-französischen  Kriege 
1870—71  hervorgegangene  kriegs-chirurgische  Literatur.  Deutsche  Zeitschrift 
für  Chirurgie  I.  Band  1872.  IL  Band  1873. 


-[98  L)r.  W.  stark. 

pfehlung  unter  die  Anzeigen  der  Resection  rubricirt  ■^^).  —  Hüter's  ^^) 
(1870—71)  nnd  V.  Langenbeck's^5)  (1374)  Angaben  harmonirten 
im  grossen  Ganzen  mit  den   seinigen. 

Ueber  die  mit  der  eben  abgehandelten  Frage  innig  verwandte 
des  Zeitpunktes  der  Resectionsvornahme  sollen  nun  —  hieran 
anknüpfend  —  die  in  der  literarischen  Fundgrube  verborgenen,  darauf 
hinzielenden,    divergenten  Urtheile  ans  Tageslicht  gefördert  werden: 

Stromeyer  (1861)  befürwortet  unbedingt  die  primäre  Re- 
section der  articulalio  humeri  und  characterisirt  besonders  treffend 
die  anscheinend  günstige  Prognose  der  secundären:  »Resectionen 
des  Schultergelenks  in  der  Zeit  der  entzündlichen  Reaction  geben 
eine  sehr  schlechte  Prognose ;  nach  vollständig  eingetretener  Eiterung 
wird  sie  freilich  besser,  aber  dieses  lässt  sich  gar  nicht  immer  ab- 
warten, weil  die  Zufälle  zu  drohend  sind.  Es  ist  desshalb  immer 
besser,  bei  gut  constatirten  Schussverletzungen  des  Schultergelenks 
innerhalb  der  ersten  24  Stunden  die  Resection  vorzunehmen  und 
nicht  erst  den  Kranken  der  Probe  unterstehen  zu  lassen,  ob  er  etwa 
an  acuter  Pyämie  zu  Grunde  gehen  werde;  denn  dadurch  gerade 
scheint  mir  die  Prognose  der  späten  Resection  besser  zu  werden, 
dass  diejenigen  vorweg  starben,  welche  zur  Pyämie  besonders  ge- 
neigt sind.« 


'^^)  Ueber  dessen  Bemerkungen  bezüglich  der  Resection  \m  Scliussfrac- 
turen  war  schon  früher  (s.  No.  39)  die  Rede  und  werden  solche  auch  späterhin 
nochmals  zur  Sprache  kommen. 

**}  Er  lehrt :  „Die  Resectio  capitis  humeri  wird  durch  die  eitrige  Schulter- 
gelenkentzüudung  jeder  Art  in  jedem  Falle  und  durch  die  hyperplasirenden 
Formen  der  Synovitis  dann  indicirt,  wenn  durch  dieselben  die  Function  des  Ge- 
lenks sehr  gefährdet  wird,  und  endlich  auch  indirect  durch  ausgebildete,  hoch- 
gradige Contracturen  und  Ankylosen  des  Gelenks. 

*^)  Seine  Worte  hierüber  lauten:  „In  Fällen,  wo  bei  conservirender  Be- 
handlung Ankylose  entstanden  und  der  Verwundete  für  seinen  Beruf  untauglich 
geworden  ist,  kann  die  nachträgliche  Resection  indicirt  sein,  weil  die  Erfahrung 
zeigt,  dass  eine  zu  der  grössten  Kraftäusserung  wie  zu  der  feinsten  Bewegung 
fähige  Extremität  dadurch  wiederhergestellt  werden  kann."  —  Die  Länge  des 
resecirten  Stücks  soll  jedoch  ,  um  Solches  zu  erreichen,  6—8  Gtm.  nicht  über- 
steigen. —  „Bei  veralteten  irreponiblen  Luxationen  empfehle  ich  die  Resection, 
sobald  Druckparalyse  oder  durch  Druck  des  Kopfs  bedingte  neuralgische  Zu- 
stände vorhanden  sind. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     ^99 

Heyfelder  (1863)'*^)  wiegt  das  pro  und  contra  beider  Re- 
sectionsarten  genau  ab,  pflichtet  übrigens  den  auf  die  Mortalität  der 
Spätoperationen  sich  beziehenden  Deductionen  Stromeycr's  bei. 

Volkmann  (1865)'*^)  findet  bei  Schussfracturen  »nach  der 
Ansicht  der  Mehrzahl  der  competenten  Autoren«  —  wo  möglich  — 
die  primäre  Resection  indicirt. 

Auch  Lücke  (1872)  plaidirt  bei  Splitterschüssen  des  Schulter- 
gelenks ohne  Vorbehalt  dafür ,  »dass  hier  die  primäre  Resection 
indicirt  scheine,  da  weder  die  conservative  Behandlung,  noch  die 
Secundärresection  sichere  Resultate  gäbe.« 

Fischer  (1872)*^)  berührt  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
Anzeige  und  Zeitpunkt  nicht  näher,  sondern  referirt  blos  über  seine 
Erfahrungen  in  der  vorliegenden  Sache  und  findet  »die  secundären 
Resultate  in  jeder  Hinsicht  am  günstigsten ,  die  primären  standen 
ihnen  aber  auch  nur  wenig  nach ,  wenn  man  die  ungünstigen  Be- 
dingungen der  Verletzungen  bei  den  Verstorbenen  billig  mit  in  Be- 
tracht zieht;  ganz  ungünstig  erscheinen  aber  die  intermediären.« 

Bergmann  (1874)  spricht   sich  für  die  Frühresection   aus*^). 

V,  Langenbeck  (1874)  hat,  der  Richtschnur  seiner  vorhin  dar- 
gethanen  Maxime  (s.  Nr.  41)  folgend,  meist  spät  resecirt:   »Primäre 


*^)  Er  sagt:  Sind  bei  einer  complicirten  Fractur  die  Anzeigen  deutlicii 
vorhanden  und  ist  der  Operateur  zeitig  bei  der  Hand,  so  resecirt  er  primär 
d.  h.  vor  Eintritt  der  Entzündung.  Waren  die  Indikationen  entweder  nicht 
klar  oder  aufgewogen  durch  Gegenanzeigen ,  oder  kamen  die  Verletzten  zu 
spät  d.  h.  nach  Eintritt  von  Fieber  und  Entzündung  in  die  Hände  des  Opera- 
teurs, so  enthält  dieser  sich  am  Besten  der  Resection  bis  zum  Eintritt  der 
Eiterung  oder  Necrose  oder  Caries.  Eine  solche  secundäre  Resection  fällt 
wieder  theilweise  in  die  Kategorie  der  wegen  organischen  Leiden  gemachten 
Resectionen  und  ist  in  ihren  Resultaten  um  so  viel  günstiger  denn  die  primären, 
als  die  Chancen  der  nothgedrungen  Unoperirten  bis  zur  Erreichung  dieses  Sta- 
diums zu  sterl)en,  gross  ist. 

*^)  S.  Nr.  38. 

")  S.  Nr.  5. 

^^)  Bergmann,  Die  Resultate  der  Gelenkresection  im  Kriege.  Giessen  1874. 
Er  sagt:  Mir  fehlt  es  an  eigenen  Erfahrungen,  um  den  protrahirten  Verlauf  der 
secundären  Resectionen  mit  dem  Ablauf  der  primären  zu  vergleichen.  Das  Wenige, 
was  ich  hinsichtlich  des  letztem  weiss,  ermuthigt  allerdings  zur  Empfehlung  einer 
frühzeitigen,  womöglich  unmittelbar  an  die  Verletzung  sich  anschliessenden 
Operation. 


200  Dr.  W.  Stark. 

Resectioii  habe  ich  nur  dann  gemacht,  oder  angeralhen,  wenn  die 
Nothwendigkeit  der  Entfernung  des  zerstörten  Gelenks  unzweifelhaft 
vorlag.  Daher  kommt  es,  dass  meine  Beobachtungen  sich  zunächst 
auf  secundäre  und  intermediäre  Resectionen  beziehen,  welche  fast 
ohne  Ausnahme  durch  Vitalindication  geboten  waren.« 

Sein  Standpunkt  stimmt  mit  dem  Heyfelder's  überein,  er 
ist  der  vermittelnde  und  Avohl  auch  der  richtigste,  indem  er  von 
einer  grundsätzlichen  Hinneigung  zu  der  einen  oder  andern  Periode 
abstrahirt  und  lediglich  die  Indication  des  Einzelfalles  im  Auge 
behält. 

Ebenso  hat  dieser  Grossmeister  der  Resection  die  Vortheile 
des  Längsschnitts  und  der  subperiostalen  Methode  der  Schulter- 
gel enkexcision  mit  Kennerblick  erläutert^")  und  gezeigt,  wie  durch 
letztere  allein  das  verunstaltende  Hervorragen  des  Acromion  bei 
eingesunkener  Schulterwölbung  (die  unverletzt  erhaltenen  Muskeln 
der  Scapula  lassen  das  Ausweichen  des  Humerus  nach  Innen  nicht 
zu)  vermieden  und  bei  sorgfältiger  Nachbehandlung  eine  neue,  activ 
bewegliche  Gelenkverbindung  gewonnen  werden  kann.  — 

Wie  eine  correcte  Auffassung  der  Resectionsindication  (und 
des  günstigsten  Momentes  zum  Eingreifen)  von  hoher  Wichtigkeit 
für  den  Erfolg  quoad  vitam,  so  ist  für  den  quoad  functionem  die 
exacte  (subperiostale)  Ausführung  der  Operation  nebst  zweckmässiger 
Weiter  Verpflegung  von  wesentlichem  Belange.  Die  Beschaffenheit 
der  Resultate  rauss  darum  jetzt  besprochen  werden. 

Weil    aber    die    ausführliche     Darstellung   der   Mortalitäts- 


^")  Aber  auch  Hüter  hatte  im  Jahre  1870  die  Vortheile  der  suhperio- 
rftalen  Resection  des  Pchulterijelenks  folgendermassen  gekennzeichnet:  »Es 
hängt  der  Periostcyhnder  überall  mit  den  Kapselresten  zusammen  und  wird 
iladurch  an  der  cavitas  glenoidalis  fixirt.  Die  Muskeln ,  deren  Sehnen  an  dem 
l'eriostcylinder  festhalten,  können  sich  nicht  zurückziehen,  und  der  humerus 
wird  nicht  von  den  Thoraxmuskeln  nach  innen  unter  den  pi'oc.  corac.  gezogen. 
Einsenkungen  werden  schwieriger  zu  Stande  kommen  können  als  ohne  Erhaltung 
des  Periosts,  weil  das  Periost  gegen  die  VVeichtheile  und  vor  Allem  gegen  das 
perimuskuläre  Gewebe  eine  fesle  Barriere  bildet.  Die  Knochenproduction  erfolgt 
sehr  vollkommen  und  der  einzige  Nachtheil ,  welcher  dieser,  wie  allen  übrigen 
subperiostalen  Resectionen  eigenthümlich  ist ,  ist  die  Gefahr  subperiostaler  Eite- 
rung, welche  ich  übrigens  doch  nur  in  wenigen  Fällen  eintreten  sah." 


Beiträge  zu  der  Statistik  uiul  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     201 

Statistik  5^)  zu  weit  führen  würde,  so  möge  die  Angabe  dos  Prozent- 
verhältnisses, wie  es  sich  nach  den  Aufzeichnungen  einiger  Chirurgen 
gestaltet,  genügen.  Es  beträgt  bei  Strome yer  (1861)  (19  Fälle 
aus  den  Jahren  1848,  49  und  50  mit  7  tödtlichen  Ausgängen)  36,8  7o. 
Heyfelder  erhält  (1863)  aus  einer  Zusammenstellung  der  Fälle 
von  Jäger,  Paul,  Baudens,  Esmarch,  Ritter,  Heyfelder, 
Beith,  Blackmann  und  G.  Meyer  (169  mit  30  Todesfällen) 
eine  Sterblichkeitsziffer  von  nur  17,7%.  Billroth  (1871)  berechnet 
aus  10  verschiedenen  Berichten  (s.  Socin)  aus  dem  deutsch-fran- 
zösischen Kriege  auf  35,1  °/o;  Socin  auf  42,8%  (7  mit  3  lethalen 
Ausgängen);  Lücke  nach  einer  Sammlung  der  Resultate  von 
'Rupprecht,  Lücke,  M.  Gormac,  Frank,  Bill  roth,  Czerny, 
Socin,  Schüller,  Vaslin,  Heyfelder,  Fischer,  Koch 
(Summe  =  48,  worunter  18  lethal  endigende)  auf  37,5%,  Lossen52) 
erhielt  sogar  (7  mit  5  Todten)  71,4%,  v.  Lange nbeck  findet  aus 
15  eigenen  Erfolgen  (mit  2  Gestorbenen)  und  65  von  Esmarch, 
Baudens,  Longmore  und  Demme  kundgegebenen  Resultaten 
(wobei  19  starben)  einen  Prozentsatz  von  23,7  >.  Bergmann 
hatte  unter  15  =  3  Todesfälle  oder  20  >. 

Addirt  man  die  vorgeführten  Fälle,  so  belaufen  sie  sich  auf 
345  mit  85  lethalen  Ausgängen,  was  einer  Durchschnittsprozentzahl 
von  24,6  °/o  entspricht. 

Nach  den  Notizen  einzelner  der  erwähnten  Autoren  sind  von 
259  Exarticulirten  117  oder  45,1%  mit  Tod  abgegangen  (und  zwar 
verlor  Stromeyer  10  =  3;  Heyfelder  von  30  =  17.  Paul 
berichtet  von  192  mit  84,  v.  Langenbeck  von  6  mit  4,  Demme 
von  21  mit  9  Todesfällen). 

Die  conservative  Behandlung  bietet  nach  den  Veröffentlichungen 
von  Stromeyer  (8  =  5),  Esmarch  (6  =  5),  Demme  (43  =  29), 


*^)  Obzwar  es  angezeigt  wäre,  die  Statistik  der  Friedens-  und  Kriegs- 
praxis auseinanderzuhalten,  so  scheitert  doch  solch'  ein  Versuch  an  den  unzu- 
reichenden Angaben  der  beigezogenen  Autoren. 

^^)  Lossen:  Kriegschirurgische  Erfahrungen  aus  den  Barackenlazarethen 
zu  Mannheim,  Heidelberg  und  Karlsruhe  1870—71.  Spezieller  Theil.  D.  Zeitschrift 
für  Chirurgie  Band  II. 


OQO  Dr.  W.  Stark. 

Langenbeck  (2  =  1),  Lossen  (3  =  0)  noch  schlechtere  Resultate, 
da  von  diesen  61  =  40  starben,  somit  65,5 "/o. 

Mag  auch  wegen  der  Unvollständigkeit  der  in  Betracht  gezogenen 
Beispiele  das  Verhältniss  der  Mortalität  zwischen  Resection,  Exarti- 
culation  und  conservativer  Behandlung  sich  in  Wirklichkeit  erheblich 
anders  formiren,  soviel  geht  hieraus  zur  Genüge  hervor,  dass  die 
beiden  letzteren  der  Resection  in  dieser  Beziehung  weit  hintanstehen. 

Die  functionellen  Resultate  haben  je  nach  ihrer  Güte  ver- 
schiedenartige Beurtheilung  erfahren ^ 3).  Auffallend  ist,  wie  früher 
Ankylose  nach  Schultergelenkresection  als  eine  seltenere,  Schlotter- 
gelenk ^•^)  als  eine  häufigere  Erscheinung  beobachtet  wurde,  während 
in  neuester  Zeit  das  umgekehrte  Verhalten  vorherrscht. 

Wohl  darf  dies  in  Zusammenhang  gebracht  werden  mit  der 
erst  jüngst  erfolgten  Einführung  des  Längsschnitts  und  der  sub- 
periostalen Methode.  Ersterer  liess  jede  unnöthige  Weichtheil Ver- 
letzung  leicht    vermeiden.      Die    Gonservirung    des    Periostes    aber 


^^)  Vorausgeschickt  sei  der  ungemein  günstige  Urtheilssprucli  Hüter's: 
„Die  Ertahi'ungen ,  welche  wir  durch  die  neue  (i.  e.  subperiostale)  Methode  in 
dieser  Beziehung  (d.  h.  Sicherung  der  functionellen  Resultate)  gewonnen 
haben,  sind  so  ermuthigend,  dass  man  neben  den  Resectionen  des  Talo-Crural- 
und  des  Ellenhogengelenks  diejenigen  des  Schultergelenks  als  Resectionen  von 
bester  functioneller  Prognose  nennen  muss." 

'"*}  Uebrigens  sagt  Hüter  hierauf  bezüglich  p"'olgendes :  „Die  Misserfolge, 
welche  man  früher  bei  nicht  subperiostaler  Technik  der  Operation  beobachtete, 
bezogen  sich  weniger  auf  Schlotterverbindungen  und  noch  weniger  auf  anky- 
lotische  Verschmelzung ,  welche  liier  so  wenig  wie  am  Hüftgelenk  nach  der 
Resection  beobachtet  wird,  als  vielmehr  auf  eine  eigenthümliche  Verstellung  des 
humerus,  welcho  sich  schon  während  der  Heilung  der  Resectionswunde  heraus- 
stellte. Es  wurden  die  Sehnen  der  Scapularmuskeln ,  welche  die  Gelenkkapsel 
tangiren  und  an  die  beiden  tubercula  sich  inseriren,  einfach  durchschnitten,  um 
den  Kopf  zu  isoliren.  Nun  sank  nach  der  Operation  der  Oberarm  zum  Theil 
seiner  Schwere  nach,  zum  Theil  unter  dem  Zug  des  musc.  pectoral.  major  und 
des  uiusc.  latissimus  dorsi  gegen  die  seitliche  Thoraxvvand  und  der  geheilte 
Oberarm  befand  sich  ungefähr  in  der  Lage  eines  luxirten  Arms  und  in  allen 
den  Bewegungsstörungen,  welche  hieraus  hervorgehen."  —  Bergmann  jedoch, 
welcher  auch  nach  subperiostalei'  Resection  derartige  Luxationen  beobachtete, 
bemerkt  hierzu :  Es  darf  nicht  vergessen  \verden ,  dass  nach  Resection  des 
Oberarmkopfs  die  scapula  nach  vorn  und  abwärts  gleitet  und  ihr  unterer  Winkel 
sich  der  Wirbelsäule  nähert  und  daher  trotz  sichtbarer  Prominenz  der  obern 
Humerusepiphyse  deren  Conlact  mit  den  Punkten  der  verödeten  cavitas  glenoi- 
dalis  nicht  aufgehoben  zu  sein  braucht." 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     203 

sicherte  den  Schulterniuskeln  einen  Haltpunkt  für  ihre  Insertionen 
und  leistete  der  Knochenreproduction  wesentlichen  Vorschub.  War 
durch  diese  Momente  auf  der  einen  Seite  das  Zustandekommen  einer 
Schlotterverbindung  in  den  Hintergrund  gedrängt,  so  mussten  eben- 
dieselben auf  der  anderen  Seite  Ankylosenbildung  (wenn  auch  keine 
vollständig  knöcherne:  solche  sind  nach  v.  Langenbeck  unerklär- 
lich) bevorzugen. 

Das  factische  Bestehen  der  genannten  Umänderung  beweisen 
nachkommende  Citate.  Ried  (1847):  »der  ungünstigste  Fall  ist 
gegeben ,  wenn  nach  beträchtlichem  Substanzverlust  des  hunierus 
derselbe  mit  dem  naheliegenden  Knochen  in  keine  Berührung  tritt, 
sondern  isolirt  und  von  den  an  sein  oberes  Ende  sich  ansetzenden 
Muskeln  getragen  hängen  bleibt.  Unter  solchen  Umständen  gehen 
die  Bewegungen  des  Oberarms  verloren.  Derselbe  kann  nur  durch 
schleudernde  Schwingungen  bewegt  werden;  nichtsdestoweniger  ist 
der  Vorderarm  und  die  Hand  zu  allerlei  Verrichtungen  tauglich. 
Der  bei  anderen  Gelenkresectionen  bisweilen  beobachtete  Ausgang 
in  Ankylose  ^^)  ist  meines  Wissens  am  Schultergelenk  noch  nicht 
vorgekommen,  auch  bei  der  geringen  Ausdehnung  der  beiderseitigen 
Berührungsflächen  unwahrscheinlich. « 

H  e  y  f  e  1  d  e  r  (1863)  beschreibt  genau  die  Vor-  und  Nach- 
theile jedes  einzelnen  Ausgangs.  Er  unterscheidet  zunächst  Un- 
geheilte,  d.  h.  solche,  die  Fisteln  oder  Recidiven  halber  neuen 
Operationen  unterzogen  werden  müssen  —  und  Geheilte.  Bei 
letzteren  schildert  er  ausführlich  (nebst  Angabe  der  etwa  sie  be- 
günstigenden Momente)  die   Kategorien    der  Schlotterverbindung  ^^), 


^^)  Uebrigens  scheint  man  frülier  unter  ,, Ankylose"  ganz  stricte  ein  voll- 
ständig unbewegliches  (verknöchertes)  Gelenk  verstanden  zu  haben,  während 
jetzt  der  Begriff  in  erweitertem  Sinne  blos  sehr  erhebliche  Beschränkung  der 
Excursionsfähigkeit  bedeutet. 

^^)  Etwa  folgende  Erörterungen  liefert  er  hierüber:  Es  vermag  der  Ober- 
arm, welcher  ohne  oder  mit  geringer  Beweglichkeit  an  der  Schulter  herabhängt, 
nur  mittelst  Beihülfe  der  gesunden  Extremität  oder  durch  Schleudern  zu  grössern 
Beweguiigen  gebracht  zu  werden ,  wogegen  in  gestreckter  Richtung  der  Arm 
schwere  Lasten  heben,  bei  Fixation  desselben  am  Ellenbogen  und  Handgelenk 
völlig  naturgemäss  funetioniren  kann.  (Zur  möglichsten  Vervollkommnung  dieser 
Leistungen  dienen  mechanische  Vorrichtungen  u.  s.  vv.)   Doch  kommt  ein  solcher 


204  Dr.  VV.  Stark. 

des  activ  frei^^)  oder  beschränkte^)  beweglichen  Gelenks  und  der 
Ankylose  5^). 

Wie  absonderlich  schlecht  die  Resultate  bei  unzureichender 
oder  ganz  fehlender  Nachbehandlung  und  völliger  Verzichtleistung 
auf  den  Gebrauch  des  resecirten  Arms  werden  können,  erhellt  aus 
den  Beschreibungen  Hannovers^"),  die,  weil  einzig  in  ihrer  Art, 
wörtlich  hier  verzeichnet  sind: 

»Von  den  15  Resecirten  des  Schultergelenks  sind  zwei  später 
gestorben.  Unter  den  Uebrigen  sind  nur  3 ,  von  denen  man  sagen 
kann,  dass  das  Resultat  ziemlich  günstig  ist.  Der  Erste  hat  zwar 
keinen  Nutzen  von  dem  Oberarm,  aber  wenn  der  Ellenbogen  unter- 
stützt ist,  kann  er  verschiedene  Gegenstände,  die  nicht  zu  klein  sind, 
fassen  und  halten.  Der  Zweite  fühlt  zwar  bedeutende  Schwierigkeit 
beim  Heben  des  Oberarms-,  hat  aber  doch  guten  Nutzen  vom  Arm 
bei  jeder  Arbeit,  welche  mit  herabhängendem  Oberarm  ausgeführt 
werden  kann  und  die  Hand  scheint  sehr  brauchbar.  Der  Dritte 
kann  den  Unterarm  und  die  Hand  einigermassen  gebrauchen,  aber 
nur  mit  geringem  Vortheil,  weil  der  Oberarm  nicht  bewegt  werden 
kann.  Alle  übrigen  Resecirten  können  nur  die  Hand  unter  der 
Bedingung   gebrauchen ,    dass    der  Oberarm    und   Ellenbogen   gegen 


Zustand  nur  bei  grossen  Knochensubstanzverlusten ,  umfangreichen  Verletzungen 
der  Muskeln  oder  profuser  Eiterung  vor ,  die  eine  Organisation  des  Exsudates 
verhindert. 

*^)  Er  sagt:  „Unter  Neubildung  eines  Gelenkes  zwischen  Oberarm  und 
Schulterblatt  gewinnt  die  Extremität  freie  Beweglichkeit  und  Gebrauchsfähigkeit, 
welche  der  normalen  nahekommt."  Der  an  Stelle  der  Arthrodie  wegen  Verlustes 
der  Rotaloren  tretende  Ginglymus  wird  um  so  leistungsfähiger,  je  mehr  der 
Humerus  mit  der  Gelenkfläcbe  der  Scapula  in  Gontact  bleibt,  wozu  ein  möglichst 
geringer  Knochen-  und  Muskeldefect  beihilft.  ,, Dieser  Erfolg  ist  der  allergünstigste 
und  glückliclierweise  auch  der  häufigste." 

^*)  Beschränkung  der  Beweglichkeit  und  zwar  besonders  der  Adductioii 
tritt  —  nach  Heyfelder  —  ein  bei  Bildung  eines  neuen  Gelenkes  am  Thorax 
nach  grössern  Knochensubstanzverlusten ,  bei  straffer  Verbindung  des  humerus 
mit  der  scapula,  bei  osteophy tischen  Wucherungen,  endlich  bei  allzu  langer 
Immobilisirung  resp.  zu  spät  vorgenommenen  passiven  Bewegungen  des  Arms. 

**)  „T'nbeweglichkeit  des  Oberarms  im  Schultergelenk  gehört  zu  den  aller- 
seltensten  Folgezuständen  dieser  Resection."  .  „Sie  setzt  einen  Ausschluss  aller 
Bewegungen  in  den  ersten  Monaten  nach  der  Operation  voraus," 

«'')  S.  Nr.  3. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     205 

den  Körper  fixirt  sind,  oder  wenn  der  Unterarm  in  einer  Bandage 
oder  auf  einer  Unterlage  horizontal  fixirt  ist.  Aber  der  Gebrauch, 
den  sie  von  der  Hand  machen  können,  ist  höchst  unbedeutend;  denn 
wenn  sie  auch  die  Finger  bewegen  können,  ist  doch  entweder  gar 
keine  Kraft  oder  nur  eine  äusserst  geringe  vorhanden.  Dies  ist 
Alles,  was  von  den  Schukerresectionen  an  günstigen  Resultaten 
hervorgehoben  werden  kann;  denn  in  jeder  andern  Beziehung  ist 
das  Endresultat  unglücklich.  Bei  einem  Invaliden  sind  die  Finger 
krumm.  Die  Hand  ist  kalt  bei  3  Invaliden  und  muss  immer  be- 
schützt werden;  bei  einem  gefühllos.  Man  findet  Atrophie  an  dem 
ganzen  Arm  und  der  Hand  bei  4  Invaliden,  am  Oberarm  und  den 
Brustmuskeln  gleichfalls  bei  4  ^^).  In  dem  Ellenbogengelenke  ist 
active  Beweglichkeit  entweder  gar  nicht  vorhanden  oder  nur  gering. 
Im  Allgemeinen  kann  der  Invalide  das  Ellenbogengelenk  nur  dann 
biegen,  wenn  der  Unterarm  längs  der  Vorderfläche  der  Brust  sich 
bewegt,  nachdem  der  Oberarm  stark  fixirt  ist;  aber  diese  Beweg- 
lichkeit ist  fast  ganz  ohne  Werth,  weil  die  Brauchbarkeit  der  Hand 
so  überaus  gering  ist.  Es  findet  sich  kein  einziger  Invalide, 
der  irgend  eine  active  Beweglichkeit  im  Schultergelenke 
besitzt.  Bei  7  oder  8  Invaliden  ist  nach  einem  Verlaufe  von 
5 — 6  Jahren  nicht  einmal  Gonsolidation  des  Schultergelenks  ein- 
getreten, während  es  bei  4  Invaliden  unbeweglich  und  ankylosirt  ist. 
Bei  2  Invaliden  ist  der  Oberarm  verkürzt;  bei  3  finden  sich  noch 
Fistelötfnungen.  Es  ist  sicher,  dass  der  resecirte  Arm  dem  Invaliden 
oft  ein  Hinderniss  ist;  doch  wird  dies  ausdrücklich  nur  von  einem 
bemerkt,  dem  mit  einer  Amputation  besser  gedient  wäre;  auch  bei 
einem  Andern  ist  der  Arm  bei  vielen  Gelegenheiten  ein  Hinderniss, 
aber  sowohl  er  als  noch  ein  Anderer  haben  sich  doch  mit  dem 
jetzigen  Zustande  zufrieden  erklärt.« 

BillroLh  (1871),  der  unter  11  Fällen  3  Ankylosen,  2  unvoll- 
kommen brauchbare  Extremitäten  und  6  provisorisch  gute  Besultate 


®^)  Zur  Beurtheiiung  dieses  Factums  vrgl.  v.LaiigenJjeck:  „Eine  mit  dei' 
Zeit  zunehmende  Verschlechterung  etwa  durch  fortschreitende  Muskelalrophie 
kommt  nach  der  Resection  des  Oberarmkopfs  nicht  vor.  Der  sogenannte  läh- 
mungsartige Zustand  ist  nichts  anderes  als  eine  Inactivitätspaialyse." 


206  l^i'-  ^^'    stark. 

hatte,  betont ,  dass  nach  Schussverletzungen  des  Schultergelenks  die 
Entfernung  eines  zu  kleinen  Stückes  des  humems  oft  wegen  zurück- 
bleibender weitgreifender  Fissuren  Osteomyelitis  mit  Pyämie,  die 
Hinwegnahme  eines  grossen  häufig  Schlottergelenk  zur  Folge  habe, 
mithin  ein  in  jeder  Hinsicht  befriedigender  Ausgang  selten  sei. 

Neudörfer  (1871)  gibt  die  Grenze  an,  wie  hoch  man  seine 
Ansprüche  an  die  Leistungsfähigkeit  spannen  dürfe:  Der  grösste 
Erfolg  besteht  in  der  Erhebung  der  ungeschwächt  gebliebenen  Ex- 
tremität bis  zur  Horizontalen;  eine  höhere  Erhebung  verhindert  das 
Fehlen  des  Gelenkkopfs,  dessen  Drehung  um  die  Längsachse  hierzu 
nöthig  ist. 

Fischer  (1872)^^)  bezeichnet  seine  Endresultate  aus  dem 
Feldzuge  1870 — 71  als  »sehr  erfreulicher  Natur«  (2  Ankylosen, 
5  activ  und  3  passiv  bewegliche  Schlottergelenke);  sie  sind  jedoch 
selbstverständlich  blos  provisorische. 

Ferner  erhielt  Mossakowsky^^)  bei  seiner  flüchtigen  Musterung 
der  durch  Basel  transportirten  französischen  Livaliden  den  Eindruck, 
»dass  die  conservativ  behandelten  und  mit  Ankylose  geheilten  Schul- 
tergelenkwunden zur  Zeit  der  Durchreise  bessere  functionelle  Resul- 
tate als  die  Resecirten  aufzuweisen  hatten«. 

Bergmann  (1874)  ist  »im  Hinblick  auf  die  Notizen  der  deut- 
schen militär ärztlichen  Zeitung  über  die  Gebrauchsfähigkeit  der  im 
Schultergelenk  resecirten  Arme«  mit  seinen  Endresultaten^^) 
zufrieden:  »Der  sogenannte  lähmungsartige  Zustand  des  Arms  findet 
sich  nur  in  einem  Falle.  In  den  andern  10  Fällen  ist  9mal  die 
volle   Kraft   der    Hand    und    der    Bewegungen    im  Ellenbogengelenk 


«2)  S.  Nr.  5. 

'^)  Dr.  Paul  Mos sakovvsky:  Statistischer  Bericht  über  1415  französische 
Invaliden  des  deutsch-französischen  Krieges  1870—71.  Deutsche  Zeitschrift  für 
Chirurgie,  I.  Band. 

^*)   Als   „Endresultate"    lassen    sich   von    seinen    Fällen    eigentlich    blos 

2  passiv   bewegliche  Schlottergelenke    und    7    activ   bewegliche  Schlottergelenke 
bezeichnen,    da   von  2    in    die   erstere  Kategorie   gehörigen   Patienten    einer  — 

3  .lahre  nach  der  Operation  —  an  Tuberkulose  starb,    ein    zweiter  noch  —  zur 
Zeit  der  V'eröffentlichung  des  Berichtes  —  ungeheilt  war. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresektionen.     207 

wieder  gewonnen  worden«;  —  aber  —  »nur  in  einem  Falle  die 
active  Beweglichkeit  im  Schultergelenk  nach  allen  Seiten«. 

V.  Langenbeck  eröffnete  die  Perspective  auf  das,  was  diese 
Operation  bei  gutem  Heilverlaufe  zu  bewirken  vermag:  »Es  kann 
der  ganze  Oberarmknochen  mitsammt  dem  Ellenbogengelenke  entfernt 
werden  müssen  und  darnach  ein  sehr  brauchbarer  Arm  erhalten 
werden,  vorausgesetzt,  dass  eine  ausgedehnte  Knochenneubildung 
stattfindet«  ^°).  Ueberdies  hat  er  »so  schlimme  Inactivitätsparalysen 
nach  Resection  des  Oberarmkopfs,  wie  die  Invalidenberichte  so  viel- 
fach schildern  überhaupt  nicht  gesehen  und  kann  auf  das  Bestimmteste 
versichern,  dass  eine  Unbrauchbarkeit  der  Hand  nach  Resection 
wegen  Schuss Verletzungen  von  ihm  niemals  beobachtet  ist.« 

Erwägt  man  nun  unparteiisch  das  Ergebniss  dieses  Kapitels, 
so  wird  man  zu  dem  Bekenntnisse  gelangen,  die  Resection  des 
Schultergelenks  stehe  —  wenn  richtig  gehandhabt  —  hinsichtlich 
ihrer  Leistungsfähigkeit  den  Excisionen  der  andern,  grössern  Gelenke 
ebenbürtig  zur  Seite  ^'^). 


In  der  Freiburger  Klinik  bot  sich  vom  Jahre  1872—76  viermal 
die  Gelegenheit    dar,    den  Verlauf   und    das  Resultat    der  Schulter- 


st) Deii  Beleg  bildet  Fall  25  seiner  Krankengeschichten,  in  welchem  der 
Schultergelenkresection  wegen  Vereiterung  des  Giibitalgelenks,  dessen  Excision 
nebst  Entfernung  des  durch  Osteomyehtis  necrotisch  gewordenen  Humerusrestes 
folgte,  mit  nachträglich  sehr  guter  Gebrauchsfähigkeit. 

6«)  Der  Statistiker  dagegen,  „der  nach  den  ihm  vorliegenden  Zahlen  ur- 
theilt  und  auf  die  Nebenumstände,  unter  welchen  diese  Zahlen  entstanden,  keine 
Rücksicht  nehmen  kann,  wird"  —  wie  v. Langenbeck  bemerkt  —  „stets  zu  dem 
Facit  gelangen,  dass  die  Schultergelenkresection  zu  verwerfen  sei,  weil  die  Inva- 
lidenberichte eine  so  grosse  Anzahl  von  Fällen  geliefert  haben,  in  welchen  die 
Extremität  ganz  unbrauchbar,  ja  für  den  Invaliden  so  lästig  erschienen,  dass 
eine  Exarticulation  im  Schultergelenk  vorzuziehen  gewesen  wäre."  —  Wie  ganz 
anders  lauteten  die  begeisterten  Worte  Senftlebens  (s.  Nr.  117),  die  hoffent- 
lich sich  noch  bewahrheiten  werden:  „Die  Resection  im  Schultergelenk  gehr.rt 
zu  den  brillantesten  Leistungen  der  operativen  Chirurgie.  Von  allen  Reseclionen 
gibt  sie  die  besten  Resultate,  indem  sie  nicht  blos  das  Glied  erhält,  sondern 
auch  immer  eine  annähernd  normale  Function." 


208  Dr.  W.  Stark. 

resection  genauer  zu  beobachten.  Die  Veranlassung  der  (subperiostal 
ausgeführten)  Operation  bildeten  Imal  ein  Trauma ,  3mal  Garies, 
Im  erstem  Falle  war  durch  einen  Schiefbruch  die  Gelenkkapsel  er- 
öffnet; die  Heilung  erfolgte  ohne  Gomplication  binnen  2  Monaten. 
Einer  der  übrigen  3  kam  bereits  resecirt  wegen  fortschreitender 
Phthisls  in's  Spital,  wo  er,  2  Jahre  nach  der  Operation ,  ohne  dass 
während  dieser  Frist  je  eine  Ausheilung  des  excidirten  Gelenkes 
bestanden,  einem  sehr  in-  und  extensiven  Erysipel  erlag.  Beim 
zweiten,  welcher  erst  nach  Ablauf  des  acuten  Entzündungsstadiums 
wegen  der  zurückgebliebenen  Ankylose  sich  besagtem  Eingriffe  unter- 
zog, sind  bis  zur  Zeit,  ein  Jahr  nach  Vornahme  der  letztern,  Fistel- 
gänge vorhanden.  Der  dritte ,  ein  kräftiger  Bauernbursche ,  steht 
gegenwärtig  —  3  Monate  nach  der  Resection  —  dem  Abschlüsse 
seines  örtlichen  Leidens  sehr  nahe. 

Die  nähern  Umstände  können  aus  den  nun  folgenden  Schil- 
derungen des  jeweiligen  Krankheitsverlaufes  entnommen  werden : 

Fall  1. 

Carl  Bühler,  8  Jahre  alt,  aus  Opfingen,  wurde  beim  Spielen  an  einem 
Haufen  Telegraphenstangen  von  einer  derselben ,  welche  herabrulschte ,  am 
15.  April  1872  so  von  hinten  an  der  rechten  Schulter  getroffen ,  dass  unter 
grossen  Schmerzen  der  Humerus  hoch  oben  abbrach  und  sich  vorn  aus  der 
Haut  herausdrängte. 

Eine  Stunde  später  kam  der  Verletzte  in  das  Spital. 

Es  ergab  sich  folgender  Status : 
,  Das  schief  abgebrochene,  untere,  dem  Humerusschafte  angehörige  Frag- 
menlende  steht  etwa  2  Ctm.  aus  der  kleinen,  knöpf lochförmigen  Hautwunde  an 
der  vordem  Fläche  des  Arms  hervor ,  ungefähr  4  Finger  breit  unterhalb  des 
Gelenks ,  noch  im  Bereich  des  Deltoideus.  Der  Knochen  ist  zum  Theil  von 
seinem  Periost  abgelöst,  ein  circa  1  Ctm.  langes  und  einige  Mm.  breites  Stück- 
chen der  Gorticalis  fehlt  ganz.    Blutung  gering. 

In  der  Narcose  verlängerte  man  zunächst  mit  dem  Bistouri  die  enge  Haut- 
wunde nach  oben,  weil  sie  durch  Strangulation  des  hervorstehenden  Fragments 
jeden  Repositionsversuch  vereitelte.  Das  vom  Periost  entblösste  Knochenende 
ward  mit  der  Kettensäge  abgetragen  und  so  die  weitere  Untersuchung  mit  dem 
Finger  ermöglicht:  Die  gerade  unterhalb  des  Gelenkes  ])eginnende,  schief  von 
aussen  nach  innen  gehende  Fractur  hat  zugleich  die  Gelenkkapsel  eröffnet.  Die 
nach  innen  gerichtete  Fläche  des  obern  Bruchstücks  ist  sehr  scharfkantig,  zu- 
gespitzt und  droht  bei  jeder  Bewegung  die  grossen  Gefässe  und  Nervenstämme 
der  Achsel  zu  zerreissen.  Der  oben  erwähnte  abgerissene  Splitter  flottirt  in  der 
Wunde,  noch  einigen  Periost-  und  Muskel  fetzen  adhärirend. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     209 

Es  wurde  die  primäre  Resection  ausgeführt:  Verlängerung  der  schon  be- 
stehenden Incision  zum  Robert'schen  Längsschnitte,  Zurückschieben  der  Weich- 
theile  und  des  Periostes  mit  dem  Raspatoriuni,  —  Fassen  und  Enucleiren  des  al)- 
gebrochenen  Gelenkkopfes  mit  der  Knochenzange,  —  Stillung  der  Blutung  din-cli 
Einspritzen  von  carbolisirtem ,  kaltem  Wasser,  —  Naht  des  oberen  Theiles  der 
Wunde  und  Einlegen  eines  kleinen  Drainröhrchens  in  den  untern  Winkel,  — 
endlich  ein  gewöhnlicher  Oelcharpieverband  nebst  Mitella  bildeten  die  einzelnen 
Akte  der  Operation.  Die  Länge  dos  excidirten  Stückes  betrug,  wenn  man  an 
den  Humerus-Kopf  den  abgesägten  Diaphysentheil  anfügte,  7  Gtm.,  die  Säge- 
fläche des  letztern  verlief  etwas  schief  nach  innen  und  unten.  —  Die  Heilung 
erfolgte  schnell.  Die  Reaction  unmittelbar  nach  der  Operation  war  unbedeutend, 
das  Fieber  während  des  ganzen  Krankheitsverlaufs  massig,  die  Wunde  schloss 
sich  zum  Theile  primär  (18.  April  Nahtentfernung),  der  übrige  verkleinerte  sich 
ziemlich  rasch  unter  bald  mehr,  bald  minder  reichlicher  Eiterung.  Sie  wurde, 
als  das  Secret  einige  Tage  nach  der  Operation  übel  roch ,  offen  behandelt  und 
täglich  wiederholt  beim  Verbandwechsel  mit  Carbolwasser  ausgespritzt.  Eine 
Indigestion  Anfangs  Mai  hatte  keine  weitere  Folgen.  Auch  eine  kleine,  ober- 
flächliche, unbewegliche  Necrose  des  freien  Humerusrandes,  welche  man  zu  der- 
selben Zeit  beim  Touchiren  fand,  bedeckte  sich  mit  Granulationen  und  hemmte 
so  kaum  den  Fortschritt  zur  Besserung;  nur  einmal  sah  die  Wundfläche  schlaff 
und  belegt  aus  —  starke  Carbollösung  brachte  sie  schnell  wieder  in  Ordnung. 
Anfangs  Juni  war  jede  Temperaturerhöhung  geschwunden,  die  Wunde  fast  ganz 
vernarbt,  die  Narbe  aber  ein  wenig  schief  zusammengezogen,  wesshalb.eine 
Gypscuirasse  nach  Analogie  des  V  e  1  p  e  a  u'schen  Bindenverbandes  applicirt 
und  14  Tage  getragen  wurde.  Das  Zugehen  einer  kleinen  Fistel  —  befördert 
durch  öfteres  Touchiren  —  markirte  am  15.  Juni  den  vollständigen  Abschluss 
des  Heilungsprozesses.  Am  25.  VI.  nahm  man  Morgens  und  Abends  zum  ersten 
Male  passive  Bewegungen  vor ,  die  activen  zeigten  sich ,  hauptsächlich  Avegen 
des  Mangels  einer  Stütze  für  den  Deltoideus,  sehr  gering.  Am  1.  Juli  erhielt 
Patient  eine  neue  Cuirasse  mit  Freilassung  der  Schulter,  die  bis  zum  24.  ange- 
gelegt blieb.  Nach  deren  Abnahme  konnte,  obgleich  der  Arm  während  dieser 
Zeit  Tag  für  Tag  electrisirt  und  die  Muskelerregbarkeit  sehr  gut  befunden  wor- 
den war,  keine  erhebliche  Besserung  der  Excursionsfähigkeit  constatirt  werden  •' 
„Bewegungen  des  Arms  von  vorn  nach  hinten  möglich,  das  Heben  aber,  beson- 
ders in  abducirter  Stellung,  nur  in  sehr  geringem  Maasse."  Von  jetzt  an  ward 
täglich  electrisirt  und  manipulirt,  trotzdem  hatte  die  Functionsfähigkeit  bis  zur 
Entlassung  am  29.  Juli  keine  bedeutenden  Fortschritte  gemacht,  wesshalb  auch 
noch  nach  derselben  das  Electrisiren  und  die  Uebungen  in  gleicher  Weise  einige 
Wochen  hindurch  fortgesetzt  wurden,  bis  sich  Patient  der  weitern  Behandlung 
gänzlich  entzog. 

Er  stellte  sich  wieder  am  2.  Febr.  1875.  Das  Untersuchungsresultat  war 
sehr  günstig: 

Activ :  Freie  Bewegung  des  Arms  bis  zur  Horizontalen ;  Hinterkopf  kann 
mit  der  Hand  betastet  werden.  Passiv :  Bei  Fixation  der  Scapula  Erhebung 
bis  zu  einem  rechten  Winkel ,  ohne  dieselbe  beinahe  zur  Vertikalen.  —  Ac- 
tive Rotation  in  geringem  Maasse  vorhanden,  passive  etwas  über  die  Norm, 
Passive  Längsverschiebung  des  Humerus  kaum  da.  Hebvermögen:  Bei  hängen- 
dem Arm  mehr  als  10  Kilo;  bis  zur  Brustwarze  Krug  im  Gewicht  von  1500  Gr.; 
bei  horizontaler  Streckung  eine  leere  Schale. 

Czeruy,  Beitrüge  zur  operativen  Chirurgie.  14 


18  Ctm. 

25  Ctm. 

19  Ctm. 

19  Ctm. 

17  Ctm. 

17  Ctm. 

210  Dr.  W.  Stark. 

r.  1. 

Länge  vom  Acrom.  bis  Epicond.  ext.     18     Ctm.  24  Ctm. 

Epicond.  ext.  bis  Process.  styloid.  20     Ctm.  19  Ctm. 

Grösster  Umfang  18,5  Ctm.  17  Ctm. 

Anfangs  Juli  wurde  der  Knabe  abermals  genauer  untersucht: 
Active   Erhebung    des   Arms   nach  vorn    bis   zum  Winkel  von  70°,   nach 
hinten  bis   zu  50".     Streckung  des  Arms  bis   zu  50".     Adduction  normal.    Ro- 
tation nach  innen  normal,  nach  aussen  bis  zur  Hälfte  möglich. 

Passive  Erhebung  normal ,  Rotation  wie  die  active.  Hebt  eine  Last  von 
2  Pfd.,  bei  gestrecktem  Arm  im  Schultergelenk  bis  zum  Winkel  von  50",  bei 
Belastung  mit  5  Pfd.  bis  zu  20",  10  Pfd.  gar  nicht.  Links  hebt  er  bei  Be- 
lastung mit  10  Pfd.  bis  zum  Winkel  von  50".  Der  rechte  Arm  ist  5^2  Ctm. 
kürzer  als  der  linke. 

r.  1. 

Umfang  des  Oberarms  17,5  Ctm.  17,5  Ctm. 

„  „     Vorderarms         lt3,5  Ctm.  18      Ctm. 

Im  October  dieses  Jahres  fanden  sich  folgende  Maasse  vor: 

r.  1. 

Acrom.  bis  Cond.  ext. 
Cond.  ext.  J3is  Proc.  styl. 
Umfang  des  Oberarms 
Status  vom  9.  XL  76: 

Hat  Nichts  zu  klagen,  besucht  die  Schule,  schreibt  mit  der  rechten  Hand 
und  empfindet  erst  nach  zweistündiger  Arbeit  Schmerz  im  rechten  Ellenbogen- 
gelenk. 

Die    Schultercontouren    sind    rechterseits    leidlich    wiederhergestellt,   nur 
das  Acrornion   zeichnet  sich   noch  sehr  prägnant  von  den   übrigen  Parthien  ab. 
Die  Narbe  der  Resectionsstelle  ist  ziemlich  verstrichen. 

Länge  vom  Acrom.  —  Cond.  ext. 

,,        „      Cond.  ext.  —  Proc.  styl.  rad. 
„         „      Acrom.  —  Proc.  styl.  rad. 
„        „      Proc.  cor.  —  Cond.  int.  *) 

Länge  vom  Cond.  int.  —  Pr.  styl.  uln. 
„         „      Proc.  corac.  —  Pr.  styl.  uln. 

Umfang  v.  Achselhöhle  über  Pr.  cor.  nach  dem  Acrom 
d.  Oberarms  in  d.  Höhe  d.  Axilla 

„    „    Mitte 
,,   Ellenbogens 
„  Vorderarms 
,,  Handgelenks 
Rechte  Hand  kleiner  als  die  linke. 


r. 

1. 

19  Ctm 

25  Ctm. 

21 

21  V2 

40 

46^2 

Diff. 

6V2 

18 

25 

r. 

1. 

21  Ctm. 

19^2 

Ctm. 

39 

44  V2 

Diff. 

5^2. 

r. 

1. 

Acrom. 

24  Ctm 

28  Ctm 

IG 

17 

16^2 

17V2 

19 

21V2 

14 

16 

12 '/2 

13 

*)  Dieser  ragt  rechts  auffallend  hervor  und  sitzt  ziemlich  hoch, 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     211 

Active  Erhebung  bis  zum  rechten  Winkel  mit  Beihülfe  der  leicht  beweg- 
lichen Scapula,  passiv  bis  128";  ohne  Mitbewegung  des  Schulterblatts  (activ  und 
passiv)  ungefähr  bis  47°. 

Streckung  bis  zu  einem  nach  hinten  offenen  Winkel  von  54°,  passiv  bis 
81" ;  Rotation  normal ;  ebenso  Adduction ;  Abduction  activ  bis  48°,  passiv  bis  78°. 
Händedruck  beiderseits  gleich.  Hebt  rechts  35  Pfd.  vom  Boden  auf;  bei  ge- 
strecktem Arm  5  Pfd.  bis  zu  einem  nach  vorn  offenen  Winkel  (zwischen  Rumpf 
und  Arm)  von  circa  48°;  bei  am  Thorax  angelegtem  Oberarm  und  Beugung  im 
Cubitalgelenke  das  letztgenannte  Gewicht  bis  zu  einem  spitzen  Winkel. 


Fall.  2. 

Johann  Mayer,  62  Jahre  alt,  aus  Riedern,  erkrankte  Anfang  des  Jahres 
1871  rechterseits  an  einer  Schultergelenkentzündung.  Es  kam  zur  Eiterung;  der 
Eiter  wurde  durch  Incision  entleert,  der  Humeruskopf  im  Juli  desselben  Jahres 
in  Schaffhausen  resecirt.  Mehrere  Fisteln  —  die  Ueberreste  nachträglich  ent- 
standener und  eröffneter  Abscesse  des  Oberarms  —  secernirten  noch  bei  seiner 
Aufnahme  am  19.  April  1873.  Patient  war  sehr  abgemagert,  hatte  Husten  und 
Fieber.  Links  oben  fand  sich  Percussionsdämpfung  und  verschärftes  Athmen. 
Local  constatirte  man  stärkere  Wölbung,  doch  geringere  Breite  der  afficirten 
Schulter ;  an  der  Vorderseite  zwei  grosse  Granulationstlächen ,  von  denen  aus 
Fisteln  in  die  Tiefe  führten;  in  der  Supraclaviculargegend  eine  weissliche  Narbe; 
endlich  am  Oberarm  drei  unter  einander  communicirende  Hohlgänge.  Nirgends 
gelangte  die  Sonde  auf  nekrotischen  Knochen.  Active  Bewegungsfähigkeit  fehlte 
vollständig.  Auf  Ruhe  und  Drainage  folgte  ein  Fieberabfall  bis  zur  Norm  (von 
39,5  herab).  Schüttelfrost  am  30.  VI.,  verbunden  mit  einer  Temperatursteigerung 
bis  40,3,  ging  einem  Erysipel  voraus ,  dessen  erste  Spuren  (Röthung)  sich  noch 
selbigen  Tages  am  untern  Humerustheile  einstellten.  Von  da  wanderte  es,  wäh- 
rend der  Frost  sich  (2.  VII.)  wiederholte  und  hohes,  remittirendes  Fieber  bestand, 
auf  Vorderarm ,  Schulter ,  Brust  und  Rücken  bis  zur  Lendengegend ,  ergriff 
sogar  die  linke  obere  und  untere  Extremität.  Decubitus  trat  am  Kreuzbein  auf 
(15.  Juli),  Patient  collabirte  und  starb  am  20.  VIL 

Das  ObductionsprotokoU  lautet : 

»Am  Oberarm  rechts  an  der  Schulter  fistulöse  geschwürige  Oeffnungen, 
welche  bis  auf  den  Knochen  fähren,  der  am  Periost  chronisch  entzündliche  Zu- 
stände mit  speckiger  Veitiickung  zeigt,  und  das  Gelenk  bietet  die  Veränderung 
clironisch  deformirender  Prozesse.  Pachymeningitis  interna  haemorrhagica 
beiderseits ;  seröse  Infiltration  der  Pia ;  Hydrocephalus  internus.  Käsige  Bron- 
chitis und  Peribronchitis  an  den  Lungenspitzen;  beginnende  Pneumonie  mit 
kleinen  Verkäsungsheerden  in  den  untern  Abschnitten,  Fettenlartung  des  Herz- 
fieisches;  Erweiterung  des  rechten  Herzens.  Atrophische  Muskatnussleber. 
Atrophie  der  Milz.  Chronischer  Magen-Darmcatarrh.  Miliare  Tuberkulose  der 
Lungen,  Leber,  Nieren.« 

Fall  3. 

Karl  Erdi  n,  14  Jahre  alt,  von  Buchheim,  dessen  einer  Bruder  und 
Grossvater  an  Luiigenkrankheiten    gestorben ,    hatte  früher  an    Drüsenaffectioiien 


212  Dr.  W.  Stark. 

gelitten.  Im  Herbste  1874  fiel  er  auf  den  rechten  Arm ,  konnte  jedoch  nach 
3  Tagen  wieder  arbeiten.  Erst  im  Frühjahr  75  bekam  er  heftigen  Schmerz  in 
die  rechte  Schulter.  Zugleich  magerte  die  Extremität  ab  und  es  entstand  nach 
und  nach  Steifigkeit  des  betreffenden  Gelenkes.  Am  11.  October  1876  liess  sich 
der  Junge  ins  Spital  aufnehmen.  Er  sah  mager  und  blass  aus,  Hals  und  Wangen 
zeigten  beiderseits  als  Residuen  der  durchgemachten  Lymphdrüsenvereiterungen 
zackige,  rothe  Narben  von  unebener  Oberfläche.  Rechter  Arm  und  Schulter 
waren  atrophisch,  das  Gelenk  der  letztern  ankylotisch  und  alle  Bewegungen  wur- 
den mit  Hülfe  der  sehr  geübten  Scapula  ausgeführt.  Da  weder  brisement 
force  (17.  X.)  noch  methodische  Behandlung  mit  dem  constanten  Strome  und 
Massage  (28.  X. — 16.  XI.)  die  Excursionsfähigkeit  des  Oberarms  wieder  her- 
zustellen vermochten,  verliess  Patient  die  Klinik,  kehrte  aber  nach  wenigen 
Tagen  zurück  ,  um  sich  das  unbrauchbare  Gelenk  herausschneiden  zu  lassen. 
Am  23.  November  führte  man  dies  unter  Li  st  er  aus.  Das  Periost  wurde  von 
dem  durch  chron.  Ostitis  erweichten  und  mit  dem  Schulterblatte  fest  verbunde- 
nen Oberarmkopfe  losgelöst;  hierauf  derselbe  am  chirurgischen  Halse  mit  der 
Kettensäge  abgetrennt.  Die  cavitas  gleuoid.  musste,  weil  sie  sich  an  einigen 
Stellen  eitrig  infiltrirt  erwies ,  mit  dem  Simon  'sehen  Löffel  ausgekratzt 
werden.  —  Das  5  Gm.  lange  (obere)  Hmnerusende  trug  an  der  äussern  Seite 
der  Schnittfläche  eine  l'J2  Cm.  grosse  Zacke.  Der  Knorpel  des  Gelenkkopfs  war 
grössteutheils  verloren  gegangen,  der  dadurch  aufgedeckte  Knochen  allenthalben 
cariös  zerfressen  (ebenso  die  Tubercula)  und  erweicht.  Ein  beinahe  3  Cm. 
umfassendes  Stück  hatte  sich  von  der  Vorderseite  des  Caput  abgelöst. 

Die  parenchymatöse  Blutung  wurde  durch  einige  in  die  Wunde  gestopfte 
und  mehrere  Tage  darin  gelassene  Schwämme  gestillt.  Das  Fieber  dauerte 
12  Tage,  überschritt  aber  nicht  die  Grenze  von  39°.  Die  Wunde  sah  in  der 
ersten  Zeit  schlecht  aus,  doch  besserte  sich  dies  bald,  sowie  auch  der  All- 
gemeinzustand des  Operirten.  Sie  secernirte  so  reichlich  Eiter,  dass  es  rathsam 
schien,  den  Ausweg  stets  durch  ein  Protectivstreifchen  offen  zu  halten.  Am 
13.  Dezember  war  in  der  Tiefe  bereits  Verschluss  eingetreten  und  verkleinerte 
sich  der  Substanzverlust  zusehends.  Dieser  Vorgang  wurde  durch  Aetzungen 
unterstützt.  Anfangs  Januar  nahm  man  täglich  passive  Bewegungen  vor,  um 
der  wiederum  drohenden  Ankylose  vorzubeugen.  In  Folge  dessen  konnte  am 
21.  1.  76  der  Arm  bei  Fixation  der  Scapula  sowohl  erhoben  als  rotirt  werden. 
Die  Wunde  hatte  sich  fast  vollständig  vereinigt.  Im  Februar  entwickelte  sich 
unter  Fieberschwankungen  eine  Anschwellung  in  der  Fossa  supraspinata. 
Ein  Einschnitt  daselbst  am  7.  März  legte  keine  Eiteransammlung,  sondern  nur 
Granulationen  blos ,  ohne  dass  nach  deren  Auslöfflung  Caries  zu  Tage  trat. 
Dessenungeachtet  wuchs  die  Gebrauchsfähigkeit  des  Arms  mehr  und  mehr 
(8—20.  111.)  Am  3.  April  verliess  der  Reconvalescent  die  Klinik,  kam  aber  noch 
jeden  dritten  Tag  zum  Verbände  herein. 

25.  X.  76: 

Sieht  nicht  gesund  aus,  behauptet  jedoch,  dass  er  seit  seinem  Austritte 
aus  dem  Spitale  mit  Ausnahme  seines  Localieidens  nie  über  Etwas  zu  klagen 
gehabt  habe. 

Die  resecirte  rechte  Schultergegend  soll  nicht  empfindlich,  die  Wunde 
aber  zu  keiner  Zeit  völlig  zugeheilt  gewesen  sein.  Die  Secretion  ist  nach  seiner 
Angabe  unbedeutend.  Zwischen  Acromion  und  Proc.  corac.  findet  sich 
rechlerseits  eine  G'/«  Cm.  lange,  stark  eingezogene  Narbe.    In    der  Mitte    dersel- 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     213 

ben  sitzt  eine  Borke,  nach  deren  Entfernung  man  mit  der  Sonde  in  die  Tiefe  — 
doch  nicht  auf  Knochen  —  dringt.  Eine  zweite  Narbe ,  etwas  nach  aussen  von 
der  Mitte  der  Spina  scapulae,  haftet  daselbst  auf  dem  Knochen  fest.  Proc. 
corac.  und  acrom.  treten  sehr  deutlich  hervor,  doch  hat  sich  der  Knochen 
schon  so  bedeutend  regenerirt,  dass  die  Schultercontouren  einigermassen  ersetzt  sind, 

r.      1. 
Umfang  von  der  Achselhöhle  über  das  Acromion     .     .     30 — 32  ^a 
des  Oberarms  in  der  Höhe  der  Achselhöhle    .     17 — 22 
des  Obei'arms  etwa  4  Gm.  über  der  Ellenbeuge     19 — 22 

des  Ellenbogens 22—23 

des  Vorderarms 18^2— 20^2 

des  Handgelenks 14V2 — 14^2 

Rechte  Hand  etwas  kleiner  als  die  linke. 

Länge  vom  Process.  Gorac.  bis  cond.  ext.  .  .  23 — 26 
„  Cond.  ext.  bis  Pr.  styl.  rad.  .  .  ,  23—23 
„     Pr.  corac.  bis  Pr.  styl   rad.  .     .     .     46—49  Diff.  3  Cm. 

Die  rechte  obere  Extremität  kann  activ  ohne  Theilnahme  des  Schulter- 
blatts bis  zu  einem  Winkel  von  44"  elevirt  werden.  Passiv  bringt  man  den 
Winkel  zwischen  Scapula  und  erhobenem  Arme  beiläufig  bis  53";  gestattet  man 
Mitbewegung  der  Scapula  und  macht  alsdann  forcirte  Hebversuche,  so  steigt  die 
Weite  des  Winkels  zwischen  Rumpf  und  Arm  bis  85°.  Streckung  nach  rück- 
wärts nur  bis  zu  einem  nach  hinten  offenen  Winkel  von  23"  möglich  (activ  und 
passiv).  Die  Abduction  vermag  sowohl  activ  als  passiv  in  nur  geringem  Maasse 
erzielt  zu  werden.     Adduction  und  Rotationen  sind  annähernd  normal. 

Schon  bei  leichtem  Manövriren  lässt  sich  zuweilen  ein  Knarren  verspüren, 
das  auch  subjectiv  empfunden  wird. 

Bei  Beugung  im  Ellenbogen  ist  Patient  im  Stande,  bis  zum  Munde  zu 
reichen,  nach  hinten  bis  zu  der  Kreuzbeinbasis.  Mit  dem  kranken  Arme  hebt 
er  ohne  Anstrengung  35  Pfd.  vom  Boden  empor.  10  Pfd.  bringt  er  bei  ge- 
strecktem Gliede  etwa  so  weit  nach  vorn  wie  ohne  Belastung  (also  bis  44°). 
Das  gleiche  Gewicht  wird,  obzwar  mit  Mühe,  bis  zum  stumpfen  Whikel  erhoben 
bei  Flexion  im  Ellenbogen,  während  man  den  herabgesenkten  Oberarm  festhält. 
Er  kann  alle  ihm  als  Landwirth  obliegenden  Beschäftigungen  verrichten,  drischt 
z.  B.  den  ganzen  Tag,  ohne  zu  ermüden. 

Fall  4. 

Franz  Josef  Kaiser,  18  Jahre  alt,  bemerkte  1872  eine  allmählig 
abnehmende  Gebrauchsfähigkeit  des  rechten  Schultergelenkes,  indem  unter 
Schmerzen  hauptsächlich  das  Hebvermögen  Noth  litt.  Er  sah  sich  binnen 
Jahresfrist  gezwungen,  zu  seinem  Handwerke  als  Schmied  vorzugsweise  den 
linken  Arm  zu  verwenden.  So  stieg  der  Schmerz  und  sank  die  Beweglichkeit 
des  Gelenkes,  bis  Anfangs  Mai  1876  eine  Exacerbation  des  entzündlichen  Prozesses 
eintrat,  welche  den  Patienten  nöthigte,  am  8.  Juni  das  Spital  aufzusuchen.  Die 
rechte  Schulter  war  geröthet  und  sehr  stark  geschwollen,  Bewegungen  nur  in 
geringem  Grade,  doch  ohne  Schmerz  und  Grepitation  möglich.  Da  Fluctuation 
nachgewiesen    werden   konnte,    wurden   sofort   unter   Li  st  er 's    Spray    an    der 


214  Dr.  W.  stark. 

Vorderseite  der  Articulation  durch  Incision  Eiter  und  käsige  Massen  entleert. 
Bei  Touchirversuchen  vermochte  der  Finger  nicht  in's  Gelenk  einzudringen.  Am 
19.  Juni  fieberte  der  Kranke  zum  ersten  Male,  wesshalb  man  die  Abscess- 
öffnung  erweiterte  und  dadurch  bei  gleichzeitigem  Drucke  viel  käsige  Massen 
herausbeförderte.  Die  Temperatursteigerung  blieb  —  mit  mehrtägiger  Inter- 
mission.  Wegen  ihrer  Fortdauer  bei  gleichzeitig  starker  Suppuration  wurde  das 
Gelenk  am  8.  Juli  resecirt,  der  Humeruskopf  im  Collum  chirurg.  abgetragen. 
Die  Länge  des  excidirten  Stückes  betrug  5^4  Gm.  Am  Caput  hum.  und  der 
Planne  fanden  sich  ausgedehnte  Zerstörungen  des  Gelenkknorpels;  besonders 
die  Hinterseite  des  erstem  war  durch  Beinfrass  verwüstet.  Caries  hatte  die 
äussere  Fläche  des  Tuberc.  maj.  durchlöchert,  ferner  die  Basis  des  Tub.  minus 
an  der  äussern  und  innern  Grenze  unterminirt,  auch  den  Sulcus  intertub.  er- 
griffen. Ferner  existirten  Eitersenkungen  nach  der  Brustwand,  der  Achselhöhle, 
dem  Schulterblatt  und  Oberarm.  Die  sie  umkleidenden  Membranen  wurden  ent- 
fernt, die  Hohlräume  mit  Chlorzink  ausgeätzt  und  drainirt,  schUesslich  ein  Ver- 
band nach  Lister  angelegt.  Das  Fieber  fiel  noch  am  Operationstage  bis  zum 
normalen  Temperaturstande  herab,  erhob  sich  nur  die  drei  folgenden  Abende  über 
denselben,  um  ihn  alsdann  nicht  mehr  zu  verlassen. 

Am  14.  nahm  man  die  Drainage  der  Axilla  hinweg,  am  19.  die  beiden 
sich  nach  Scapula  und  Pectoralis  erstreckenden.  Der  Verlauf  war  ausgezeichnet. 
Die  Fisteln  in  der  Achselhöhle  und  über  dem  Pectoralis  schlössen  sich  schon  bis 
27.  Juh.  Einen  neugebildeten  Eiterheerd  neben  der  Scapula-Fistel  eröffnete  man 
um  dieselbe  Zeit  und  entfernte  die  letzte  Drainage  des  Gelenkes.  Bis  19.  VIII. 
konnte  der  Ax-m  bereits  wieder  gebraucht  werden  und  erhielt  Patient  auf  seinen 
Wunsch  die  Erlaubniss  zum  Austritte:  die  Gelenkfistel  secernirte  noch  etwas; 
die  Regeneration  des  Kopfes  erschien  zur  Zeit  gering;  die  Beweghchkeit  activ 
und  passiv  relativ  gut:  der  Arm  vermochte  rotirt  und  unter  Mitbewegung  des 
Schulterblatts  bis  gegen  die  Horizontale  erhoben  zu  werden. 

21.x.  1876:  Hat  keine  Schmerzen  mehr.  Das  Aci-omion  ragt  sehr  augen- 
fällig über  die  eingesunkene  Schultergegend  hervor.  Eine  10  Vz  Ctm.  lange,  livid 
gefärbte  und  auf  dem  Knochen  theilweise  festhaftende  Narbe,  in  welcher  eine 
überkrustete  Fistel  sitzt,  zieht  an  der  vordem  Seite  des  Gelenks  herab.  Eine 
eben  solche,  doch  kleinere  (etwa  2V2  Ctm.  lang)  liegt  etwas  nach  aussen  vom 
untern  Theile  der  erstem.  An  der  Rückenfläche  des  Schulterblatts,  unterhalb 
und  etwas  nach  aussen  von  der  Mitte  der  Spina,  befindet  sich  die  noch  mit 
Borken  bedeckte  Mündung  eines  Hohlgangs. 

•   Umfang  von  der  Achselhöhle  über  d.   Acromion 
»        des  Oberarms  in  der  Axillargegend    .     . 

»        der  Mitte  des  Oberarms 24 

»  »        »        »     Vorderarms 23 

Weiter  nach  abwärts  keine  Differenz. 

Länge  des  Arms  vom  Acromion    —  Proc.  styl.  rad. 

und  zwar:         vom  Acromion    —  Cond.  ext.   .    . 

vom  Cond.  ext.  —  Proc.  styl,  rad, 

Länge  von  Proc.  corac.  —  Cond.  int 

Active  Erhebung  des  Ai'ms  bis      52°; 
passive  Erhebung  des  Arms  bis  66°. 


r. 

1. 

38 

42 

23 

27 

24 

26 

23 

26 

r. 

1. 

54 

59  Diff.  5  Ctm, 

28 

32 

26 

27 

27 

31 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     215 

Streckung  bis  zu  einem  nach  hinten  offenen  Winkel  von  43**; 

passiv  bis  zu  einem  nach  hinten  offenen  Winkel  von         93  ". 

Rotationsbewegungen  normal;  Abduction  beschränkt;  Adduction  nicht. 

Bei  diesen  Versuchen  bewegte  sich  das  Schulterblatt  mehr  weniger  mit. 
Der  junge  Mann  langt  mit  der  rechten  Hand  bis  zum  Hinterkopf.  —  Händedruck 
beiderseits  ziemlich  gleich  stark.  Er  hebt  bei  hängendem  (rechtem)  Arme  55  Pfund 
mit  Leichtigkeit  vom  Boden  auf.  Soll  er  ein  Gewicht  so  in  die  Höhe  heben, 
dass  er  dabei  den  Arm  aus  seiner  gesenkten  Haltung  in  eine  im  Ellenbogen 
gebeugte  überführt,  so  gehngt  ihm  dies  mit  10  Pfund  nur  mit  Mühe  und  zwar 
nicht  bis  zur  rechtwinkeligen  Flexion.  Bleibt  aber  der  Arm  gestreckt  und  wird 
der  Resecirte  nun  aufgefordert,  in  dieser  Stellung  ebenbesagte  Belastung  nach 
vorn  zu  eleviren,  so  ist  dies  blos  in  äusserst  geringem  Grade  zu  bewerkstelligen. 

Er  treibt  das  Schmiedehandwerk  und  arbeitet  rechterseits  bereits  mit  einem 
Haudhammer. 

Ad  Fall:  Bühl  er.  Dieser  Fall  ist  von  besonderem  Interesse, 
da  aus  den  wiederholten  Aufzeichnungen  des  Status  die  stete  Wen- 
dung   des  Gebrauchsvermögens   zum  Bessern   ersichtlich   wird: 


216 


Dr.  W.  Stark. 


9, 
XI, 

1876. 

2, 
VII, 

1875. 

5"" 

25, 
VI, 

1872. 

0 
3 

Ctl 

3 

Zeit 
der 
verschie- 
denen 
Mensura- 

Oi 

1 

1 

1 

Differenz  in 

der  Länge  des 

Oberarms. 

p: 

crq 

■^                    1 

1 

1 
zu  Gun- 
sten der 
rechten 
Seite. 

1 

Differenz  in 
der  Länge  des 
Vorderarms. 

5      j      1      j 

Ci 

o» 

1 

Differenz  in  1 
der  Länge  des 
Arms  (in  toto). 

f' 

1 

1 

IV2 
zu  Gun- 
sten der 
rechten 
Seite. 

1 

Differenz  am 
Oberarm. 

3 
p 

3 

CfQ 

^^                     1 

H- ' 

1 

1 

Differenz  am 
Vorderarm. 

bis 
zum 

recht. 

Win- 
kel. 

1 

-J- 

bis 
zur 
Hori- 
zon- 
talen, 

active  Bewegung  sehr  beschränkt. 

§-. 

•a 
< 

2. 

CfQ 

3 
3 
0 

0 
3 
tc 

p: 

CfQ 

fr 

cv 

CL. 
m 
w 

CD 
VI 

n 

CO 

> 

3 

CD 

bis 
128» 

1 

.li 

bei- 
nahe 

zur 
Verti- 
kalen. 

li^ 

1 

1» 
< 

■3 
1. 

Streckung 
nach 
hinten 

CD  er 

1                                 1 

1 

M 

If 

1 

< 

< 

■ 

> 

0 
0' 

3  » 

P  o 

.1? 

1 

^5: 

otn 

1 
1                       1 

< 

•0 
< 

< 
•a 

Abduction 

sg 

1            '           1 

M 

nach 
innen 
norm. ; 
nach 
auss. 
zur 
Hälfte 

ge- 
ring. 

0 
p 

2" 

rr  o 

nach 
innen 
norm.; 
nach 
auss. 

zur 
Hiilftc 

hy- 
per- 
nor- 
mal. 

35 

Pfund. 

mehr 

Q  lg 

20  Pfund. 

1 

Heb- 
vermö- 
gen bei 
hängen- 
dem 
Arm. 

CD 

tn 

3 

OQ 

t/1 
<! 
CB 
•-S 

3 

crq 

CD 

3 

5  Pfund 
bis  zu 
einem 
spitzen 
Winkel. 

3  Pfund 
bis  zur 
Brust- 
warze. 

1 

Bei 
im  Ellen- 
bogen 
gebeug- 
ten 
Arm. 

5  Pfund 
bis 
48». 

1 

2  Pfund 
bis 
50». 

leere 
Schaale 
bis  zur 
Horizon- 
talen. 

' 

3 

Bei  mög- 
lichst 
horizon- 
taler 
Streck- 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     217 

Auf  Grund    der  Mensurationen    erscheinen,    obgleich    offenbar 
bei  den  frühern  Messungsfehler  unterliefen,  folgende  Schlüsse  plausibel 

1)  Die  Längendifferenz  der  beiden  Arme  nahm  mit  fortschrei- 
tendem Wachsthum  zu  Ungunsten  der  Operationsseite  zu. 

2)  Der  Umfang  der  resecirten  Extremität  blieb  mehr  und  mehr 
hinter  jenem  der  gesunden  zurück. 

Fernerhin  lässt  sich  constatiren: 

3)  Bei  den  activen  Functionsprüfungen  tritt  sehr  deutlich  das 
stufenweise  Fortschreiten  zu  ausgiebigeren  Bewegungen  hervor. 

4)  Die    passiven   Excursionsversuche    gingen    von  hohen  (ja 
'hypernormalen)  Graden  zu  niedrigeren  herunter. 

5)  hl  gleichem  Maasse  wie  die  active  Functionsfähigkeit  besserte 
sich   auch   das  Leistungsvermögen   hinsichtlich  der  Muskelthätigkeit. 


Man  erkennt  aus  den  dargestellten  Krankheits Journalen  zu- 
nächst, wie  auch  in  diesen  Fällen  sich  die  schon  im  Jahre  1841 
von  Schierlinger  ^')  angeführte  Behauptung  bestätigt,  »dass  die 
Operationen,  wo  sie  wegen  Garies  ausgeführt  werden,  seltener  sich 
eines  guten  Ausgangs  erfreuen,  als  wo  sie  durch  traumatische  Mo- 
mente bedingt  sind,«  indem  bei  dem  in  letztere  Kategorie  Gehörigen 
sehr  rasch  Vernarbung  eintrat,  von  den  erstem  3  dagegen  einer 
ungeheilt  starb,  bei  einem  sich  die  Heilung  ungewöhnlich  lang  hin- 
auszögert, beim  dritten  dieselbe  wenigstens  noch  nicht  abgeschlos- 
sen ist. 

Mit  Rücksicht  auf  die  neuesten  Untersuchungsergebnisse  mögen 
zum  Vergleiche  folgende,  auf  die  3  Ueberlebenden  sich  beziehende 
Daten  zusammengestellt  werden: 


^')  Dr.  Schierlinger  Beitrag  zur  Gasuistik  der  Resectionen.  Diss.  Würz- 
burg 1841. 


218 


Dr.  W.  Stark. 


3 

■-3 

-i 

5' 

t— • 

2* 

3 
ö 

So 

00 

Alter. 

j-i-     (D 

Q.     1-5 

93 

S  ;<  00 

00  W  to 
p»  -    - 

00  '-!  -' 

<I    <    Ol 

to  -     - 

1  ?  ?  1  1 

00   Kj   to 

P         - 

00    s>   to 

05 

s  >^  ^ 

%l%m%tt 

Ol 

9 

CK 

O 

3 

VI 

(—1 

—  >^  i— * 

3 

o 
3 

Ol 

3 

■    i-s  a>  i-j         ' 

H- ' 

1 

p 

o 

g 

o 

3 

p 
3 

O 

3 

1— ' 
O 

3 

p  JL      S  fo  E^  7  ^  .">  c- 

p 

p 

p 

Ü5 

P 

O 

3 

p 

3    g    o^   <j   5'   ;;s    ö 

fT  V    ■    7*   fo    N    rt> 

-^    ^    <-*     CC      1-r' 

1         CD 

OD    ^- 

?;.   p?    3    « 

beschränkt. 

ET.     B- 

o      & 

5=    CO 

TJ 

10 

Pfund 
wenig. 

Tl 
[U  er  p  ^ 

T) 

*■    C    1='    .- 

10  Pfund 

bis  stumpfou 

Winkel. 

5t 

^.     Eo'     h-l 

^  S-  *=" 
5'  =    T) 

•      ??  ß- 

^    ^-    CT 
fCi      PL 

3 

S^  S-  t^        S 

i  1 1  ^1 1 

fc     0           rt> 

3  'S        ^ 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     OJQ 

Daraus  lässt  sich  —  freilich  nur  mit  Vorbehalt  —  Nachstehen- 
des constatiren: 

1)  Es  beträgt  die  Längendifferenz  bei  Nr.  1  =  6  Ctm. ,  bei 
Nr.  2  =  3  Ctm.,  bei  Nr.  3  =  4  Ctm.;  scheinbar  sind  mithin  im 
ersten  Falle  nach  4^2 jähriger  Dauer  blos  ICtm.,  im  zweiten  binnen 
Jahresfrist  bereits  2  Ctm.  und  im  dritten  nach  einem  Vierteljahre 
schon  1 V2  Ctm.  wiederersetzt  ^^).  Doch  darf  nicht  ausser  Acht 
gelassen  werden,  dass  mit  zunehmender  Grösse  des  Zeitintervalls 
zwischen  Resection  und  Revision  bei  jugendlichen  Individuen  das 
Epiphysenwachsthum  der  Operationsseite  (wegen  des  Mangels  eines 
epiphysären  Knorpels  etc.)  mit  jener  der  gesunden  nicht  gleichen 
Schritt  halten  kann,  also  eine  Steigerung  des  Längenunterschiedes 
zu  Ungunsten  der  resecirten  Extremität  eintreten  muss  (siehe  S.  216). 

Ueberdies  sollte  vielleicht  noch  folgende  Erwägung  nicht  ganz 
ohne  W^erth  sein: 

Im  ersten  Beispiele  resecirte  man  wegen  Trauma  primär  d.  h. 
vor  Eintritt  der  Entzündung ;  in  den  beiden  übrigen  boten  chronisch 
entzündliche  Zustände  den  Grund  zur  Excision,  welche  somit  einer 
Secundärresection  entsprach.  Letztere  (i.  e.  inflammationes  chron.) 
halten  aber  in  Folge  des  auf  ihre  Umgebung  stets  einwirkenden 
Reizes,  die  Neubildungsthätigkeit  (sit  venia  verbo)  der  Umgebung 
in  erhöhtem  Maasse  rege,  werden  also,  wenn  hauptsächlich  der  Kno- 
chen davon  befallen  ist,  vorwiegend  an  dessen  Mark  und  Periost 
jene  Eigenschaft  erhöhen,  kurz  —  die  Knochenreproduction  Avird 
darnach  eine  raschere  und  ausgiebigere  sein ,  wie  Nr.  2  und  3  der 
vorliegenden  Beispiele  (selbst  nach  Rücksichtnahme  auf  die  obigen 
Expositionen)  zu  bestätigen  scheinen.  Diese  Deduction  stimmt  auch 
mit  den  von  anderer  Seite  gemachten  Erfahrungen  überein. 

2)  Ein  nennenswerthes  Zm-ückbleiben  des  betreffenden  Vorder- 
arms im  Wachsthum  fand  nicht  statt.  (Die  Differenzen  überschrei- 
ten keineswegs  die  Grenzen  der  Messungsfehler.) 


*^)  Indem  bereits  vor  der  Operation  wegen  der  vorliandenen  Ernährungs- 
störungen ein  Zurückbleiben  im  Wachsthum  der  beiden  letztgenannten  Extremi- 
täten eingetreten  gewesen  sein  könnte  (Messungen  hierüber  fehlen  leider),  ist 
dieser  Ausschlag  um  so  höher  anzurechnen. 


220  Dr.  W.  stark. 

3)  Dem  mangelhaften  Nachwuchs  entsprechend  beläuft  sich  die 
Differenz  des  Umfangs  zwischen  Achselgrube  und  Acromion  bei 
Nr.  1  trotz  des  Missverhältnisses  im  Zeitintervalle  eben  so  hoch  wie 
bei  Nr.  3,  während  im  zweiten  Falle  (in  welchem  aber  auch  am 
wenigsten  entfernt  wurde)  sie  sich  schon  mehr  ausgeglichen  hat. 

4)  Aus  dem  Unterschied  in  der  Circumferenzdifferenz  der  Arme 
lässt  sich  kein  auf  die  Resection  bezüglicher  Schluss  ziehen,  da  in 
den  beiden  letzten  Fällen  durch  die  vorhergegangenen  krankhaften 
Prozesse  schon  vor  derselben  Atrophie  der  fraglichen  Extremität 
bestand. 

5)  In  functioneller  Hinsicht  litt  in  allen  3  Fällen  das  Hebver- 
mögen und  die  Abduction  am  meisten,  weniger  die  Streckung  nach 
hinten  Noth  ^^).  Am  Besten  restituirt  sind  sie  in  Fall  1,  Nr.  3 
kömmt  diesem  Resultate  betreffs  der  Erhebung  und  Streckung  nach 
hinten  zunächst,  in  Fall  2  ist  deren  Ausführung  beschränkter.  Die 
Abduction sfähigkeit  bleibt  in  den  beiden  letzteren  beträchtlich  hinter 
der  des  ersten  zurück. 

Nicht  ohne  Einfluss  hierauf  dürfte  die  verschiedene  Länge  der 
Resectionsstücke^*')  und  des  Zeitzwischenraumes  sein,  weil,  —  wie 
früher  auseinandergesetzt  —  mit  der  Ausdehnung  jener  und  dieses 
bei  fortwährend  zweckmässigem  Gebrauche  des  Arms  das  Excur- 
sionsvermögen  zunimmt. 

6)  Bei  den  Producten  der  mechanischen  Arbeit  möge  man  sich 
nicht  wundern,   dass  Kaiser,    der  jüngst  Resecirte,  bei  hängendem 


®®)  Hüter  schreibt:  „Von  activen  Bewegungen  lernt  der  Reconvalescent 
zunächst  die  Beuge-  und  Streckbewegung  in  der  neuen  Verbindung  ausführen, 
weil  er  hierbei  die  Pendelbewegung  des  Oberarms  ähnlich  wie  nach  Res.  cub. 
bei  abducirtem  Oberarm  für  die  Beugungen  und  Streckungen  des  neuen  Ellen- 
bogengelenks benützen  kann.  Am  meisten  Mühe  macht  die  Wiederherstellung 
der  Abductionsbewogungen  durch  passive  und  active  Bewegungen,  insbesondere 
tritt  die  wichtigste  Abductionsbewegung  des  Muse,  deltoid. ,  welcher  durch  die 
Resection  in  zwei  seitliche  Hälften  zerlegt  wurde ,  etwas  spät  und  schwer  in 
Action.  —  Doch  darf  man  auf  eine  Abductionsbewegung  von  wenigstens  45°  und 
auf  mindestens  die  gleiche  Beugebewegung  auch  bei  -weniger  sorgfältig  nach- 
behandelten Fällen  rechnen." 

^'*)  Man  vergleiche  das  merkwürdige  Uebereinstimmen  der  Scala  über  die 
Grösse  der  Resectionsstücke  mit  der  über  die  der  Gebrauchsfähigkeit  (Nr.  1  =  7  Cm., 
Nr.  3  =  5>  Cm.,  Nr.  2  =  5  Cm.). 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     221 

Arm  Bedeutenderes  vermag  als  die  Andern,  indem  er  als  sehr  kräftig 
gebauter  Mensch  bei  dieser  vorwiegend  der  Muskelthätigkeit  zukom- 
menden Anforderung  den  Uebrigen  weit  überlegen  ist;  denn  —  zielen 
die  Leistungsprüfungen  mehr  auf  die  Festigkeit  der  neugebildeten 
Gelenkverbindung  ab,  wie  dies  bei  den  Annäherungsversuchen  an 
die  Horizontale  seitens  der  belasteten  und  gestreckt  gehaltenen  Ex- 
tremität der  Fall,  so  überbietet  ihn  der  viel  schwächere  Erden, 
welcher  hierin  selbst  den  Bühl  er  in  den  Hintergrund  stellt. 

Ueberblickt  man  zum  Schlüsse  nochmals  das  Gesammtergebniss 
der  4  Resectionen,  so  zeigt  sich  eine  Mortalitätsziffer  von  25%,  also 
etwas  über  die  oben  berechnete  Durchschnittszahl  (24,6°/o);  sie  ist 
aber  immerhin  noch  sehr  günstig,  wenn  man  bedenkt,  in  welch' 
desperatem  Zustande  der  später  Gestorbene  längst  nach  der  Operation 
in's  Spital  aufgenommen  wurde,  somit  nur  mit  halbem  Rechte  bei- 
gezogen werden  kann. 

Die  functionellen  Resultate  sind,  nach  dem  seither  angelegten 
Maassstabe  gemessen,  ausgezeichnet.  Freilich  handelt  es  sich  auch 
um  3  jugendliche  Individuen. 

Ueberdies  dient  Fall  1  zum  Zeugniss,  dass,  wenn  nicht  gleich 
Anfangs  Neigung  zum  Schlottergelenk,  sondern  eher  zur  Ankylose 
vorhanden  ist,  die  Gebrauchsfähigkeit,  —  wird  sie  nur  einigermassen 
benützt,  —  allmälig  sich  bessert,  nicht  verschlechtert.  Im  Hinblick 
darauf  lässt  sich  selbst  in  dem  neuesten  Falle  ein  gleicher  Ausgang 
mit  Sicherheit  erwarten. 


222  Dr.  W.  stark. 


IL  Resection  des  Ellenbogengelenks. 

Ohne  grosse  Differenzen  in  den  Ansichten  der  Chirurgen  voll- 
zog sich  die  Scheidung  der  Gebiete,  welche  der  Amputation  oder 
der  Resection  zufielen.  Desshalb  genügt,  zu  erwähnen,  dass  das 
übereinstimmende  Urtheil  von  Schierlinger  (1841)^'),  Stromeyer 
(1861) ''^)  und  Fischer  (1872)^^),  welches  jeweils  in  verschiedenen 
Jahrzehnten  ausgesprochen  wurde,  dahin  lautete,  es  dürfe  die  Am- 
putation des  Oberarms  nur  dann  unternommen  werden,  wenn  »die 
grossen  Gefässe  und  Nerven«  zerstört  seien,  andernfalls  trete  die 
Resection  in  ihre  Rechte.  Wie  wünschenswerth  die  Ausführung  der 
letzteren  gegenüber  der  Amputation  und  conservativen  Methode  sei, 
zeigte  Hugelshofer'*),  denn  er  war  auf  Grund  seiner  Sammlung 
statistischer  Rerichte  zu  dem  Ausspruche  berechtigt:  »Mögen  die 
functionellen  Resultate  der  EUenbogenresection  sein,  wie  sie  wollen, 
gut  oder  schlecht,  die  Erhaltung  einer  Anzahl  von  Menschenleben, 
die  der  Oberarmamputation  oder  der  rein  conservativen  Behandlung 
zum  Opfer  gefallen  wären,  räumt  dieser  Operation  den  ersten  Platz 
unter  den  Behandlungsmethoden  der  Ellenbogengelenkverletzungen 
ein.«  Im  folgenden  Jahre  gab  hinsichtlich  der  Oberarmamputation 
Bidder^^),   hinsichtlich   der  conservativen  Methode  v.  Lange  n- 


")  S.  No.  67.  »Die  Amputation  des  Oberarms  wegen  Leiden  des  Ellen- 
bogengelenks sollte  daher  nur  Platz  greifen,  wo  sich  die  Verderbniss  des  Knochens 
zu  weit  in  seine  Masse  fortsetzt,  oder  wo  die  Weichtheile  im  Gelenke  allzusehr 
zerstört  sind.« 

"J  S.  No.  1.  »Bei  allen  mit  Verletzungen  der  Brachialis  verbundenen 
Schussfracturen  des  Humerus  und  Ellenbogengelenks  halte  ich  die  Amputation 
für  indicirt.« 

'^j  S.  No.  14.  Die  Resection  ist  die  Regel  und"  dürfen  gleichzeitige  aus- 
gedehnte Verletzungen  der  Weichtheile,  sobald  nur  die  grossen  Gefässe  und 
Nerven  erhallen  sind,  nicht  zur  Amputation  verleiten. 

'*)  S.  No.  10. 

^^)  Dr.  A.  Bi  dder  »Ein  neuer  Schienenapparat  zur  Correction  der  Schlotter- 
verbindung am  Ellenbogengelenke  nebst  einem  Beitrag  ^ui"  Beurtheilung  und 
Casuistik  der  Resection  dieses  Gelenks.«  Langenbeck's  Archiv  Bd.  17,  1874. 
»Diese  Arbeiten  (zahlreiche  Statistiken    und  Baobacbtungen)    haben  uns  darüber 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     223 

beck^^)  die  gleiche  Ansicht  kund.  Doch  verlangte  Hugelshofer'''), 
und  wohl  mit  Recht,  eine  Ausnahme  gemacht  bei  decrepiden  Individuen, 
bei  welchen  er  der  Vereinfachung  der  Wundverhältnisse  wegen  der 
Amputation  die  grössere  Möglichkeit  einer  Ausheilung  zugestand  und 
sich  dadurch  in  directen  Widerspruch  setzte  mit  einer  früheren  An- 
gabe Lücke's  (1862)^^),  der  auch  in  diesem  speziellen  Falle  der 
Resection  dieselben  Chancen  quo  ad  vitam  (wie  der  Amputation) 
zuschrieb,  folgerichtig  ihr  den  Vorzug  ertheilte  ''^). 

Weniger  günstig  für  die  Resection  erscheint  eine  Parallele 
zwischen  den  functionellen  Resultaten  dieser  und  jenen  der  con- 
servativen  Behandlung,  indem  v.  Langenbeck  ^")  die  Angaben  dreier 
Aerzte  (Mos  sako wsky.  Berthold  und  Seggel)  citirt,  deren 
gemäss  die  Gebrauchsfähigkeit  des  Arms  nach  letzterer  früher  und 
vollkommener  wiederhergestellt  gewesen  sei  als  bei  der  Resection. 
Aber  er  sagt  (ganz  abgesehen  von  der  grössern  In-  und  Extensität 
der  die  Gelenksexcision  indicirenden  Verletzungen)  dann  selbst: 

»Wenn  also  bei  oberflächlicher  Betrachtung  und  bei  alleiniger 
Berücksichtigung  der  Zahlen  die  Wagschaale  zu  Gunsten  der  con- 
servirenden  Behandlung  auszuschlagen  scheint,  so  finden  wir  doch 
bei  genauerer  Prüfung  sofort,  dass  es  mit  den  Endresultaten  der 
Ellenbogenresection  nicht  so  schlimm  steht.« 

Diese  nüchternen  Erfahrungssätze,  frei  von  allen  Vorurtheilen, 
reichen  hin,  den  hohen  Werth  der  Ellenbogenresection  gegenüber 
ihren  beiden  ehemaligen  Rivalen  ins  wahre  Licht  zu  stellen.  Weniger 
einträchtig  verhalten   sich  die  Stimmen    der  Literatur  bezüglich  der 

belehrt,  dass  die  Ellenbogenresection  das  Leben  weniger  gefährdet,  als  die  Am- 
putation des  Oberarms,  dass  sie  also  schon  aus  diesem  Grunde  allein  gemacht 
werden  muss,  wenn  man  die  Wahl  zwischen  beiden  Operationen  hat.« 

^«)  S.  No.  7.  »Eine  Reihe  von  JVIenschenleben  ist  durch  dieselbe  (Re- 
section) erhalten  worden,  welche  bei  weiter  geführter  conservativer  Behandlung 
verloren  gewesen  wäre.« 

")  S.  No.  10. 

'^)  Dr.  Ar.  Lücke:  »Beiträge  zur  Lehre  von  den  Resectionen«.  Lan^pn- 
beck's  Archiv  Band  IIL  1862.  S.  354. 

'9)  Auch  Hüter  (1871)  kennt  keinen  Ausnahmezustand:  »Wenn  die  Wahl 
zwischen  diesen  beiden  Operationen  gestellt  ist,  soll  der  Arzt  immer  der  Re- 
section den  Vorzug  geben.« 

8")  S.  No.  7. 


224  Df.  W.  stark. 

functionellen  Aufgabe  der  Resection.  Lücke^^)  hielt  im  Jahre  1862 
für  »ganz  unberechtigt  —  die  noch  heut  zu  Tage  weit  verbreitete 
Ansicht,  dass  die  Ankylose  das  Endziel  der  EUenbogenresection  sein 
müsse«,  während  12  Jahre  später  sein  eigener  Lehrer  v.  Langen- 
beck^^)  die  Frage,  ob  man  bestrebt  sein  solle,  nach  Resection  des 
Ellenbogengelenks  Ankylose  herbeizuführen  oder  ein  bewegliches  Ge- 
lenk zu  erreichen,  »für  noch  nicht  endgültig  entschieden«  erklärt,  ja 
unter  dem  Vorbehalte  einer  geeigneten  Winkelstellung  dem  Dafür- 
halten Löffler's  und  ßillroth's  beitritt,  welch'  letztere  Ankylose 
»als  ein  (unter  Umständen)  erstrebenswerthes  Resultat«  bezeichnen. 
Dass  dies  jedoch  keineswegs  als  Musterbild  dem  Operateur  vor- 
schweben soll,  nach  dessen  Erreichung  er  befriedigt  auf  seiner 
Hände  Werk  zurückschauen  darf,  hat  am  besten  Hüter  ^^)  heraus- 
gefunden, dessen  Aufmunterung  einer  stricten  ßefolgung  würdig  ist. 
Er  schreibt  (1871):  »Nicht  das  Fallenlassen  der  Operationen,  wäe 
Hannover  will,  nicht  das  Erstreben  der  ankylotischen  Verbindung 
an  der  Resectionsstelle,  wie  Eillroth  befürwortet,  sondern  die  weitere 
Ausbildung  unserer  Methodik  und  Indication,  Technik  und  Nach- 
behandlung ist  unsere  Aufgabe.  Wir  müssen  uns  die  guten  functio- 
nellen Resultate,  welche  wir  notorisch  in  vielen  Fällen  erzielen 
können  und  erzielt  haben,  für  die  Gesammtheit  aller  Fälle  zu  sichern 
suchen.« 

Je  besser  letztere  im  Laufe  der  Zeit  sich  gestalten,  desto  weiter  wer- 
den selbstverständlich  von  den  Autoren,  welche  solche  Erfolge  erringen, 
die  Grenzen  der  Indicationen  gesteckt.  So  haben  Volkmann  (1865)^^), 


81)  S.  No.  71. 

")  S.  No.  7. 

8')  Dr.  0.  Hüter:  »Klinik  der  Gelenkkrankheiten  mit  Einschluss  der 
Orthopädie.«     2  Bände.  Leipzig  1870—71, 

8'*)  Volk  mann:  »Die  Krankheiten  der  Gelenke.«  Pit  ha -Billroth, 
II.  B.  2.  Abth.  S.  49  ff. :  »Die  totale  Resection  des  ankylotischen  Gelenkes  eignet 
sich  nur  für  die  obere  Extremität  und  findet  ihre  hauptsächliche  Anwendung  am 
Ellenbogen,  wenn  derselbe  in  Folge  entzündlicher  Prozesse,  oder  was  vielleicht 
noch  häufiger  der  Fall  ist,  in  Folge  einer  schlecht  geheilten  Gelenkfractur  in 
nahezu  gestreckter  Stellung  versteift  und  der  Arm  dadurch  für  die  meisten  Vor- 
richtungen unbrauchbar  geworden  ist.  Die  Resection  gibt  hier  oft  die  brillantesten 
Resultate,   indem    nicht   blos   die    Stellung   gebessert,    sondern    oin    mehr    oder 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenicresektionen.     225 

Neudörfer  (1871)85),  Hüter  (1871)««),  Langenbeck 
(1874)  «')  u,  s.  w.  ^^)  Ankylose  des  Ellenbogengelenks  in  un- 
günstiger Winkelstellung  zur  Anzeige  der  Reseclion  erhoben.  Ja 
Neudörfer «'')  und  Hüter  ä*')  empfahlen  dieselbe  sogar  bei  Ankylose 
unter  einem  spitzen  Winkel,  also  zur  Gorrection  desjenigen  Zu- 
standes,  welchen  sich  Andere  als  Ziel  setzten.  Endlich  will  Neu- 
d  ö  r  f  e  r ,  gestützt  auf  2  günstig  verlaufene  Fälle,  keinen  Anstand 
nehmen,  die  Nachresection  in  allen  Fällen  auszuführen,  wo  sie  die 
Brauchbarkelt  der  Extremität  erhöhen  kann.  Solchen  Extremen 
gegenüber  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass  Socin  (1872)^^)  die 
übrigen  Anzeigen ,  entsprechend  dem  schon  im  Jahre  zuvor  von 
Hut  er  9^)  skizzirten,  operativen  Verhalten  gegenüber  den  Gelenk- 
entzündungen, folgendermassen  zusammenfasst :    »Die  Resection  des 


weniger,  zuweilen  nahezu  normal  bewegliches,  kräftiges,  neues  Gelenk  gewonnen 
wird.« 

^^)  S.  No.  4.  »Wenn  das  res.  Ellenbogengelenk  so  vollkommene  Resultate 
zu  geben  vermag,  dass  es  sich  functionell  vom  gesunden  nicht  unterscheidet, 
weil  der  operative  Eingriff  nur  gering  und  die  Wahrscheinlichkeit  der  Genesung 
gross  ist,  so  ist  es  gestattet,  auch  die  Ankylose  oder  die  unvollkommene  Beweg- 
lichkeit des  Ellenbogengelenks  als  Resectionsindication  hinzustellen  und  zwar 
nicht  nur  für  die  Ankylose  unter  einem  geraden,  sondern  auch  unter  einem 
rechten  oder  spitzen  Winkel.« 

^^)  »Man  darf  desshalb  auch  wohl  die  Ankylose  des  Ellenbogengelenks  in 
gestreckter  Stellung  als  Indication  zur  Resection  betrachten.  Wenigstens  habe 
ich  in  meiner  Praxis  so  gehandelt  und  diejenigen,  welche  ich  nach  dieser  In- 
dication resecirte,  sind  immer  mit  dem  Erfolge  zufrieden  gewesen."     S.  No.  83. 

^^)  S<  No.  7.  »Bei  Ankylose  im  Ellenbogengelenk  nach  Schussfractm-en 
und  irreponiblen  Luxationen  habe  ich  in  einer  Reihe  von  Fällen  die  Resection 
gemacht  und  bewegliche  Gelenke  hergestellt.« 

*^)  Dominik  1876:  »Die  Resection  ist  indicirt,  wenn  bei  conservativer 
Behandlung  ein  unbrauchbares,  steifes,  in  einem  störenden  Winkel  geheiltes  Ge- 
lenk entstanden,  behufs  dessen  Verbesserung  die  Operation  nöthig  erscheint.« 

89)  S.  No.  4  und  No.  85. 

^°)  S.  No.  83.  »Ich  habe  sogar  in  einigen  Fällen  bei  Ankylose  im  spitzen 
Winkel,  also  im  günstigsten  Verhältnisse,  auf  Wunsch  der  Kranken  resecirt,  um 
dem  Arme  eine  freie  Beweglichkeit  zu  geben;  in  keinem  Falle  hatte  ich  das 
Missgeschick,  ein  Schlottergelenk  und  eine  neue  Ankylose  zu  erzielen.« 

")  S.  No.  6. 

^^)  S.  No.  83.     »Im  Hinweis   auf  die    functionellen   und    vitalen  Gefahren 
einer  jeden  Synov.  hyper.  granul.  und    einer  jeden  Synov.  supp.  des  Ellenbogen- 
gelenks wage  ich  die  These  aufzustellen,    dass  in  allen  hierher  gehöi-igen  Fällen 
die  Res.  cub.  ausgeführt  werden  darf  und  am  besten  auch  ausgeführt  wird.« 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  15 


226  Dr.  W.  Stark. 

Ellenbogengelenks  ist  indicirt  bei  jeder  suppurativen  oder  jauchigen, 
diffusen  Synovitis.  sei  diese  traumatischen  oder  nicht  traumatischen 
Ursprungs,  mit  Fracturen  coraplicirt  oder  nicht;  ebenso  halte  ich 
sie  für  angezeigt  bei  jeder  chronischen,  nieht  suppurativen  Gelenk- 
entzündung; bei  welcher  die  Knorpel  zu  Grunde  gegangen  sind,  so 
dass  ohne  Operation  im  besten  Falle  nur  Ankylose  zu  erwarten 
ist.«  Ob  aber  die  weitgehendsten  dieser  hidicationen  volle  Be- 
rechtigung verdienen  im  Vergleiche  zu  den  doch  nicht  ganz  zu  über- 
sehenden Gefahren  für  Leben  und  Function,  kann  erst  dann  mit 
Sicherheit  constatirt  werden,  wenn  die  Resultate  einer  grössern 
Zahl  von  aus  solchen  Gründen  unternommenen  Operationen  zu  Ge- 
bote stehen. 

Die  bei  jedem  einzelnen  Gelenke  auftretende  und.  wie  wieder- 
holt erwähnt,  kriegschirurgisch  hochwichtige  Frage  über  den  zweck- 
mässigsten  Zeitpunkt  des  Eingriffes  ist  beim  Ellenbogen gelenk  von 
den  meisten  Autoren,  so  z.  B.  Hüter  (1871)^^),  Lücke  (1872)9*), 
V.  Langenbeck  (1874;^^),  Bergmann  (±81^)J^),  Dominik 
(1876j9^),  dahin  beantwortet  worden,  dass  wenigstens  mit  Rücksicht 
auf  Mortalität  der  primären  Resection  entschieden  der  Vorzug  ge- 
bühre. Lücke 9^)  fügt  noch  ausdrücklich  bei,  er  könne  Billroth 
nicht  beistimmen,  der  sich  auch  nach  den  sorgföltigen,  von  ihm  ge- 
sammelten statistischen  ZusammenstellunRen   noch    nicht    völhgr    für 


")  S.  Xo,  83.  i'In  dieser  Beziehung  möchte  ich  die  Frühresection  und 
die  partielle  Extraction  der  Knochensplitter  als  wichtige  kriegschirurg.  Prinzipien 
bezeichnen.« 

^*j  S.  No.  42.  Zu  den  Ellenbogengelenkschüssen  übergehend,  hat  der  Be- 
richterstatter zu  envähnen,  dass  er  sich  bedingungslos  für  die  Resection  und 
zwar  womöglich  die  primäre  ausgesprochen  hat,  da  durch  dieselbe  gewöhnlich 
ein  brauchbares  Glied  erzielt  wird. 

^')  S.  >'o.  7,  Er  meint:  >Dass  die  primäre  Resection  bei  den  Wunden 
des  Ellenbogengelenks  in  den  Vordergrund  treten  muss  und  dass  nach  Schuss- 
verletzungen wenigstens  durch  dieselbe  mehr  Menschenleben  erhalten  wurden. 
als  durch  exspectative  Behandlung.  < 

*')  Die  Resultate  der  Gelenkresection  im  Kriege.  Nach  eigenen  Erfahrungen 
von  E.  Bergmann,  Giessen  1874. 

*'')  Stabsarzt  Dr.  Dominik  in  einem  Referate  von  O.-St.-Arzt  Dr.  Asche: 
Schmidt's  Jahrbücher  B.  171,  .J.  1876  Xo.  7. 

»*)  S.  No.  42. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     227 

die  Zweckmässigkeit  der  primären  Resectio  cubili  entscheiden  mag.« 
Ausserdem  schreibt  derselbe  Autor  der  primären  Resection  bessere 
functionelle  Erfolge  zu ,  als  der  secundären ,  was  auch  schon 
Hüter ^^)  durch  die  Bemerkung  andeutete,  »dass  die  Frühresection 
bei  bedeutender  Knochenzertrümmerung  dem  abgelösten  Periost  die 
oft  eigenen  Eigenschaften  erhält,  welche  ihm  ohne  Resection  durch 
die  Eiterung  verloren  gehen.«  Hüter  ist  es  ferner  hauptsächlich, 
welcher  in  der  richtigen  Erkenntniss,  das  eben  behandelte  von  den 
meisten  Chirurgen  gebilligte  Princip  der  primären  Resection  werde 
mehr  theoretisch  aufgestellt  als  practisch  —  aus  leicht  zu  errathen- 
den  Gründen  —  im  Felde  durchgeführt,  sich  die  weitere  Frage  vor- 
legt :  »Sollen  wir  nun,  zwischen  die  Unmöglichkeit  der  primären  und 
zwischen  das  Verbot  der  intermediären  Resection  gestellt,  am  Ellen- 
bogengelenk nur  secundäre  Resectionen  ausführen?  Ich  beantworte 
diese  Frage  mit  einem  entschiedenen  Nein.  Das  Verbot  der  inter- 
mediären Resectionen  im  Allgemeinen  und  der  intermediären  Res. 
cub.  im  Besondern  erkenne  ich  nach  meinen  heutigen  Erfahrungen 
nicht  mehr  an.  Vielmehr  trete  ich  folgendem  Satze  bei:  Die  inter- 
mediäre Resection  des  Ellenbogengelenks  bei  Schusswunden  ist  nicht 
nur  gestattet,  sondern  sogar  geboten,  um  den  Wundverlauf  günstig' 
zu  gestalten  und  nur  gute  functionelle  Resultate  zu  erzielen.«  Der 
häufige  tödtliche  Ausgang  der  intermediären  Resection  in  früherer 
Zeit  (den  übrigens  v.  Langenbeck  noch  bestätigt)  erklärt  sich  nach 
Hüter  aus  der  Vermehrung  des  schon  bestehenden  Wundfiebers  und 
neuer  Reizung  der  schon  entzündlich  infiltrirten  Weichtheile  durch 
den  operativen  Schnitt.  Seitdem  durch  subperiostale  Technik,  durch 
methodische  Desinfection  der  Wundfläche,  durch  richtige  Führung 
der  Schnitte  und  der  Drainage  die  Resectionen  der  verletzten  Ge- 
lenke aus  »fiebererregenden  Operationen  in  antipyretische«  über- 
geführt wurden,  ist  das  Recht  für  diese  Revolution  begründet. 
Um  diesen  Worten  die  thatsächliche  Basis  zu  geben,  fährt  er 
also  fort:  »Ich  habe  die  meisten  Ellenbogenresectionen  im  vorigen 
Kriege    zwischen    dem    vierten    Tage    nach    der   Verwundung    und 

»»)  S.  No.  83. 


223  Dr.  W.  stark. 

zwischen  dem  Ende  der  dritten  Woche  ausgeführt.  Die  beginnende 
Phlegmone  um  das  Gelenk  und  zwischen  den  Muskeln  waren  für 
mich  kein  Grund  gegen  die  Resection,  sondern  sie  gerade  bestimmten 
mich,  sofort  mit  der  Resection  vorzugehen.  Der  antipyretische  Effect 
der  Operation  trat  ebenso  glänzend  hervor,  wie  der  antiphlogistische. 
Das  Fieber  sank  und  die  phlegmonösen  Schwellungen  bildeten  sich 
zurück.  Die  Knochenneubildung  war  in  allen  Fällen  in  der  3.  bis 
4.  Woche  in  bedeutendem  Maassstabe  zu  constatiren.«  Sollten  sich 
diese  bis  jetzt  vereinzelt  dastehenden  Erfolge,  nebst  den  aus  ihnen 
hervorgegangenen,  der  seitherigen  Ansicht  so  sehr  widerstrebenden 
und  gerade  desshalb  hier  wörtlich  vorgeführten  Grundsätze  bei 
späterer  Gelegenheit  auch  von  anderer  Seite  bewahrheiten,  so  wäre 
hierdurch  der  unschätzbare  Vortheil  gewonnen ,  der  drohenden  Ge- 
fahr statt  des  bisherigen  rath-  und  thatlosen  Hinüberzögerns  des 
operativen  Eingriffs  in  die  secundäre  Periode,  das  so  viele  Opfer 
schon  forderte,  alsbald  wirksam  entgegenzusteuern  und  so  manches 
Leben,  welches  ohne  denselben  verloren  gewesen  wäre,  zu  erhalten. 
Jedenfalls  ist  es  dringend  anzurathen,  nach  solchem  Vorgange  mit 
der  Ueberlieferung  wenigstens  versuchsweise  zu  brechen  und  die  ge- 
wonnenen Ergebnisse  unpartheiisch  zur  Rechenschaft  zu  ziehen. 

Bei  der  Ausführung  der  Operation  erfreuen  sich  (als  Haut- 
muskelschnitte) die  Längsincisionen  jetzt  einer  allgemeinen  An- 
erkennung und  Hüter  100)  gagt  kategorisch: 

»Jede  andere  Incision  als  der  Längsschnitt  ist  für  die  Res.  cub. 
verwerflich,  weil  nur  der  Längsschnitt  die  functionell  wichtigen  Theile 
schonen  kann.«  Die  Bedeutung  des  von  ihm  angegebenen  radialen 
Längsschnitts  beurtheilt  Bidder  i^^j  wie  folgt:  »Was  die  Operations- 
methoden anlangt,  so  wird  wohl  auch  der  neuerdings  von  Hüter 
vorgeschlagene  radiale  Längsschnitt  die  Tendenz  der  Knochenenden 
zu  ankylotischer  Verwachsung  nicht  verhüten,  wenn  er  vielleicht  auch 
wegen  recht  guter  Schonung  des  Triceps  zur  kräftigen  Function  des 
Arms  beitragen   mag,    vorausgesetzt,   dass  ausgiebige  Beweglichkeit 


""j  S.  No.  83. 
"'j  S.  No.  75. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     229 

vorhanden  ist.«  —  Trotzdem  dürfen  die  Leistungen  der  früher  überall 
verbreiteten  Querschnitte  nicht  unterschätzt  werden  und  Bryk^^^) 
z.  ß.  führt  »3  mit  vollständiger  Beweglichkeit  geheilte  Fälle«  an,  in 
denen  er  eine  Beeinträchtigung  der  Streckung  des  Vorderarms  — 
nicht  beobachtete  zum  Beweise,  dass  die  Verwachsung  des  Triceps 
mit  der  resecirten  Ulna  auch  beim  Querschnitt  auf  dem  Gelenk- 
rücken erfolgen  kann  ^'^^). 

Wie  sich  das  Verhältniss  zwischen  partiellen  und  totalen  Re- 
sectionen  in  Zukunft  gestalten  wird,  ist  nach  dem  gegenwärtigen 
Stande  der  Erfahrungen  nicht  mit  Bestimmtheit  vorauszusehen,  doch 
scheinen  die  erstem  durch  ihre  guten  Resultate  immer  mehr  An- 
hänger zu  gewinnen  ungeachtet  des  Bannes,  den  Hüter  ^°*)  über 
dieselben  verhängt  hat.  Seine  Bedenken  wegen  der  durch  sie 
begünstigten  Eiterretention  oder  der  Heilverzögerung  durch  Necrose 
der  Gelenkknorpel  und  der  hieraus  resultirenden  Vermehrung  der 
Lebensgefahr  oder  Verminderung  der  endgültigen  Gebrauchsfähigkeit 
(Ankylose)  stehen  übrigens  nicht  isolirt  da,  sondern  wurden  schon 
10  Jahre  zuvor  ganz  in  der  gleichen  Weise  von  Ludwig  Seh  illb  ach  ^<'^) 
geäussert.    Aber  wie  damals  der  Widerspruch  durch  Strom eyer^'^^) 

^°^)  s.  No.  9. 

"')  Gleiches  bestätigten  schon  die  Angaben  Schierlinger's  im  Jahre  1841 
(s.  Xo.  67)  und  Dr.  A.  Maier's  im  .Jahre  1856  (Historisch  statistische  Notizen 
über  12  von  Dr.  A.  Maier  in  Würzburg  gemachte  Resectionen.  Deutsche  Klinik 
1856).  Ersterer  fügt  ausdrücklich  bei:  »In  3  Fällen  ist  sie  (Extension)  be- 
stimmt die  Folge  der  Thätigkeit  des  Triceps.  Dass  dieser  Muskel  wieder  zu  seiner 
Funktion  gelangen  kann,  war  bei  Wiederholung  der  Operation  in  einem  Falle 
deutlich  zu  sehen,  indem  man  hier  an  Stelle  seiner  Sehne  ein  starkes  Ligament 
vorfand.« 

^''*)  S.  No.  83:  »Die  partiellen  Resectionen  des  Ellenbogengelenks  sind 
verwerflich.« 

'"*)  Ludwig  Schillbach:  Beiträge  zu  den  Resectionen  der  Knochen. 
Jena  1861:  »So  empfehlenswerth  auch  der  Grundsatz  der  conservativen  Chirurgen 
ist,  nur  so  viel  wegzunehmen,  als  zur  Beseitigung  des  die  Resection  indicirenden 
Uebels  noth  wendig  ist,  so  hat  doch  bei  der  partiellen  Resection  des  Ellenbogen - 
gelenks  das  Princip  des  Erhaltens  nicht  den  Erwartungen  entsprochen,  die  man 
davon  hegte  und  dies  aus  natürlichen  Gründen«:  Die  nothwendige  Folge  der 
partiellen  Resection  ist  eitrige  Gelenksentzündung  im  zurückgebliebenen  Theile, 
der  günstigste  Ausgang  Ankylosis,  hohe  Gefährdung  der  Erhaltung  des  Gliedes 
oder  des  Lebens. 

"®)  S.  No.  1 :  »Ich  habe  es  absichtlich  vermieden,  die  Totalresection  der 
articulirenden  Enden  vornehmen  zu  lassen,  wo  sie  durch  die  Veranlassung  selbst 


230  Dr.  W.  Stark. 

und  Hey  fei  der^°^)  auf  der  Ferse  folgte,  so  erging  es  auch 
Hüter.  Die  aus  dem  Feldzuge  1870—71  heimkehrenden  Chirur- 
gen: ß  illro  t  h  ^<'^) ,  Socin^^^),  Fisch  er  ^^"^  hatten  gegen- 
theilige  Erfahrungen  zurückgebracht.  Ihnen  schloss  sich  Berg- 
mann (1874)^^^)  an.  Besonders  aber  vermochte  Dominik^^^^ 
(1876)  in  seiner  ausführlichen  Statistik  mathematisch  nachzuweisen, 
dass  die  partiellen  Resectionen  im  letzten  Kriege  bessere  Resultate 
in  jeder  Hinsicht  ergaben  als  die  totalen.  Er  konnte  nämlich  144 
partielle  und  286  totale  Resectionen  zusammenstellen.  Für  die 
erstere  ergab  sich  eine  Mortalität  von  20,7>  für  die  letztere  25,1  >. 
Auffallend  niedrig  fand  er  die  Sterblichkeit  in  den  Fällen  von  par- 
tiellen Resectionen,  in  welchen  die  Epiphysen  des  Vorderarms  unter 
Zurücklassung  der  des  Humerus  resecirt  worden  waren. 


nicht  geboten  war,  weil  ich  keinen  unbrauchbaren  Arm  erhalten  wollte;«  das  ist 
glücklich  erreicht  worden.  Seine  partiellen  Resectionen  haben  7,4'/o  mehr  An- 
kylosen zur  Folge  gehabt,  als  die  totalen. 

*"^j  S.  No.  2 :  »Die  partiellen  Resectionen  des  Ellenbogengelenks  machen 
im  Ganzen  die  Summe  von  79.  Bei  ihnen  stellt  sich  das  Verhältniss  der  Ge- 
storbenen zur  Gesammtzahl  günstiger  heraus,  als  bei  den  Totalresectionen,  indem 
bei  letztern  die  Mortalität  ^9,  bei  erstem  '/lo  beträgt.  Es  findet  sich  beschränkte 
Beweglichkeit  und  Ankylose  in  überwiegendem  Maasse  bei  den  partiellen,  wo  jene 
wie  diese  je  Ve  der  Gesammtsumme  betragen,  indess  bei  der  Totalresection  jene 
nur  ^/4o,  diese  ^20  ausmachen.  Da  aber  beschränkte  Beweglichkeit  oder  recht- 
winkliche  Ankylose  den  Gebrauch  der  Extremität  keineswegs  aufheben,  ja  oft 
kaum  merklich  alteriren,  so  ist  man,  den  vorstehenden  Resultaten  gemäss, 
keineswegs  berechtigt,  die  partiellen  Resectionen  zu  Gunsten  der  totalen  gänzlich 
aufzugeben.« 

'"^j  S.  No.  8 :  »Ist  es  möglich,  das  untere  Ende  des  Humerus  zu  erhalten, 
während  die  zerschmetterten  oberen  Enden  der  Vorderarmknochen  entfernt 
werden  müssen,  so  werde  ich  auch  dies  der  totalen  Resection  vorziehen,  obgleich 
in  einem  solchen  Falle  die  Nachbehandlung  schwierig  werden  kann,  weil  das 
Humerusende  dann  grosse  Neigung  hat,  aus  der  Wunde  hervorzutreten.« 

^"^j  S.  No.  6:  »Die  functionelle  Prognose  ist  um  so  besser,  je  weniger 
lange  Stücke  von  den  Knochen  entfernt  werden.  Daher  sind  im  Allgemeinen 
partielle  Resectionen,  da  wo  sie  möglich  sind,  den  totalen  vorzuziehen.« 

^"')  S.  No.  5:  »Somit  haben  die  partiellen  Resectionen  des  Ellenbogen- 
gelenks nach  unserer  Erfahrung  in  jeder  Hinsicht  den  Vorzug,  sie  sind  ein  ge- 
fahrloserer Eingriff  und  geben  die  bessern  Resultate.« 

"'j  S.  No.  96:  »Der  Verlauf  der  Verletzung  gestaltete  sich  nach  der 
partiellen  Resection  in  derselben  günstigen  Weise  wie  nach  der  totalen.« 

^"j  S.  No.  97:  Nach  dem  Referate  von  Asch  6:  »Beitrag  zur  Casuistik 
der  Verletzungen.« 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     231 

Auch  bezüglich  des  funclionellen  Werthes  überboten  die  par- 
tiellen Resectionen  die  totalen,  obgleich,  wie  sich  ja  immer  heraus- 
stellte, die  Ankylosen  bei  jenen  um  9%  (55%  bei  den  partiellen, 
460/0  bei  den  totalen)  häufiger  vorkamen  als  bei  diesen;  denn  Do- 
minik berechnete  ausserdem  für  erstere  58%  günstige  Erfolge  und 
17,5"/o  Schlottergelenke,  für  letztere  50,47o  günstige  Erfolge  und 
28%  Schlottergelenke. 

Die  günstigsten  functionellen  Resultate  ergaben  die  Resection 
der  Epiphysen  der  Vorderarmknochen  mit  Erhaltung  der  Humerus- 
epiphyse;  den  höchsten  Prozentsatz  an  Ankylosen  und  den  geringsten 
an  Schlottergelenken  ergaben  die  Resectionen  eines  einzelnen  Vorder- 
armknochens; die  meisten  Schlottergelenke  endlich  kamen  bei  Re- 
section der  Humerusepiphyse  zu  Stande.  Diese  speciellen  Functions- 
ergebnisse  rechtfertigen  vermöge  der  verhältnissmässigen  Häufigkeit 
eines  vollkommen  befriedigenden  Ausgangs  So  eins  ^^^)  Meinung, 
der  »die  Erhaltung  des  Humerus  beziehungsweise  seiner  beiden  Gon- 
dylen  mit  ihren  vielen  Muskelansätzen  für  vortheilhaft«  erachtet, 
während  die  entgegengesetzte  Behauptung  Billroths  ^^*):  »Man 
weiss  bereits,  dass  die  Resection  der  untern  Epiphyse  des  Humerus 
allein  gute  Resultate  gibt,«  hierdurch  an  Werth  verliert,  Dass 
ferner  in  der  Friedenspraxis  die  partielle  Resection  ebenfalls  eine 
geringere  Mortalität  aufweist  als  die  totale,  geht  aus  den  statistischen 
Untersuchungen  von  Dr.  L.  Maier  ^^^)  hervor.  Man  sieht  hieraus  klar, 
wie  trotz  der  augenscheinlich  so  triftigen,  theoretischen  Auseinander- 
setzungen zu  Gunsten  der  Totalresection ,  die  partielle  einzig  und 
allein  durch  die  Macht  der  Thatsachen  sich  Bahn  bricht. 

Der  Nutzen  der  passiven  Bewegungen  im  Verlaufe  der  Nach- 
behandlung zur  Erhaltung  der  Beweglichkeit  wurde  jederzeit  aner- 
kannt, zugleich  aber  auch  vor  zu  frühem  Beginne  (vor  der  3. 
Woche)  derselben  gewarnt.  Im  Uebertretungsfalle  befürchtete  Stro- 
meyer^^^)  Störung  der  Wundheilung  oder  neue  Anschwellung,  »die 


"3)  S.  No.  6. 

»*)  S.  No.  8. 

"»)  Citirt  bei  Bidder  s.  No.  75. 

»")  S.  No.  1. 


232  Dr.  W.  stark. 

möglicherweise  eine  grössere  Verdichtung  des  Narbengewebes  zur 
Folge  haben  könne«.  Senftleben  (1862)^^^)  meinte,  durch  ver- 
frühte Manipulationen  fördere  man  die  Osteophy tenbildung ,  analog 
dem  Hervorrufen  von  Gallusproduction  durch  Reiben  unvereinigter 
Knochenenden  nach  Fractur.  Heyfelder '^®)  glaubte,  zu  frühe 
und  zu  energische,  allseitige  Bewegung  verhindere  die  Gonsolidation. 
Auf  letztern  Grund  führte  Löffler*'^)  die  unerfreulichen  Resultate 
des  dänischen  Krieges  zurück.  Erfahrungsgemäss  entstehen  nach 
solchen  vorzeitigen  Excursionsversuchen  eher  Schlottergelenke  als 
Ankylosen, 

Eine  weitere,  schon  frühe  gewürdigte,  wichtige  Massregel  der 
Nachbehandlung  des  resecirten  Ellenbogengelenks  besteht  in  der  Art 
der  Lagerung  des  Arms. 

Am  meisten  von  den  jetzt  gebräuchlichen  Methoden  wichen 
die  Angaben  von  Stromeyer  ^^oj  ^^^^^^  Senftleben  ^^i)  ab,  indem 
Beide  zur  Vermeidung  des  von  ihnen  beobachteten  krampfhaften 
Anstemmens  des  Vorderarms  an  die  Gircumferenz  des  Humerus  von 
einer  Fixation  der  Extremität  im  rechten  Winkel  abstanden.  Jener 
befestigte  das  resecirte  Glied  zunächst  in  einem  stumpfen  Winkel, 
den  er  erst  nach  mehreren  Wochen  zum  rechten  umgestaltete. 
Dieser  empfahl,  um  die  erwähnte  Dislocation  durch  Muskelzug  zu 
umgehen,  die  völlige  Extension,  welche  er  nur  bei  drohender  Anky- 
lose mit  einer  spitzwinkeligen  Stellung  vertauscht  wissen  wollte. 
Aber  die  schwer  zu  überwachende  Gefahr  einer  Ankylosirung  in 
solch'  für  den  spätem  Gebrauch  untauglicher  Situation  verschafften 
einer  gleich  Anfangs  hierauf  Bedacht  nehmenden  Lagerung  allseitigen 
Beifall.  Nur  über  die  Grösse  des  Winkels,  in  welchem  der  Arm 
immobilisirt   werden   sollte,    differirten  die  Ansichten  etwas.     Hey- 


"'J  Dr.  H.  Senftleben:  Beobachtungen  und  Bemerkungen  über  die 
Indicationen ,  den  Heilungsprozess  und  die  Nachbehandlung  der  Resectionen 
grösserer  Gelenke,     v.  Langenbeck's  Archiv  B.  III.  1862. 

"8)  S.  No.  2. 

"")  Cilirt  hei  Hugelshofer  s.  No.  10. 

"")  S.  No.  1. 

'^')  S.  No.  117:  Nach  ihm  empfahl  auch  Esmarch  eine  Position  im 
Winkel  von  140». 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     233 

felder^^^)  rieth  die  Fixirung  in  einem  stumpfen  Winkel  (100—130«) 
V.  Langenbeck'2  3)  dagegen  erklärte  olTen:  »Die  Gebrauchsfähigkeit 
der  Extremität  beginnt  genau  genommen  mit  der  Ankylose  im  rechten 
Winkel«;  und  Hüter^24^  endlich  spricht  für  »spitzwinklige  Beugung 
des  Vorderarms,  welche  jedoch  dem  rechten  Winkel  zwischen  Vor- 
derarm und  Oberarm  ziemlich  nahe  steht ,  so  dass  der  Winkel 
79—80°  beträgt«. 

Diese  Stellung  ist  auch  wohl  die  für  die  Hantirungen  des 
Alltaglebens,  im  Falle  Ankylose  einträte,  unzweifelhaft  zweckmässigste. 

Wie  einflussreich  die  sorgfältige  Leitung  der  Nachbehandlung 
bei  der  Gubitalresection  ist,  erhellt  aus  dem  Missverhältnisse,  welches 
zwischen  ihren  Resultaten  im  Kriege  und  Frieden  obwaltet.  Die 
Unmöglichkeit  einer  genauen  Ueberwachung  der  resecirten  Patienten 
liefert  sicher  den  meisten  Beitrag  zu  dieser  Thatsache,  die  u.  A. 
Hüter  125)^  Hugelshofer  ^^^),  v.  Langenbeck  ^^'^),  Bergmann  i^») 
ausdrücklich  erwähnen.  Erst  in  zweiter  Reihe  kömmt  die  Eigenart 
der  Schussverletzungen  in  Betracht,  welche  v.  Langenbeck^^sj  speziell 
für  diese  Articulation  einer  genauem  Prüfung  unterzieht.  Gegen 
eine  zu  hohe  Veranschlagung  ihres  Einflusses  auf  den  Erfolg  oppo- 
nirt   mit  Recht   Bergmann  ^^o)    ^nd  sagt:    »Auch   in  der  Privat- 


'")  s.  No.  2. 

»23)  S.  No.  7. 

>24)  S.  No.  83, 

'")  S.  No.  83.  »Die  functionellen  Misserfolge  der  Res.  cub.  sind  in  der 
kriegschirurgischen  Praxis  nach  allen  vorliegenden  Erfahrungen  entschieden 
häufiger  als  in  der  Praxis  des  Friedens. 

'26j  S.  No.  10:  Im  Allgemeinen  scheint  die  Ansicht  jetzt  die  herrschende 
zu  sein,  dass  die  Resection  des  Ellenbogengelenks  nach  Schussverletzungen  nicht 
so  günstige  Resultate  gebe,  wie  die  Operation  in  der  Givilpraxis. 

'")  S.  No.  7:  Ursachen  der  schlechten  Erfolge  der  Ellenbogenresection 
im  Kriege.  1.  Bei  Schussverletzungen  des  Ellenbogengelenks  nicht  selten  Neben- 
verletzungen. 2.  Unmöglichkeit  der  "Wiederherstellung  der  Muskelfunction  wegen 
ausgedehnter  "Verletzung.     3.  Actives  und  passives  Schlottergelenk. 

»")  S.  No.  96 :  »"Weil  für  die  Nachbehandlung  in  der  Civil-  und  Friedens- 
praxis immer  viel  geschehen  kann,  sind  die  Resultate  bei  diesen  Patienten  soviel 
besser.  Von  der  Sorgfalt  der  Nachbehandlung  hängt  an  erster  Stelle  der  Aus- 
gang ab  und  das  Endresultat.« 

"»)  S.  No.  127. 

"")  S.  No.  96. 


234  Dr.  W.  stark. 

praxis  des  Friedens  operirt  man  mitunter  unter  misslichen  Verhält- 
nissen und  sehr  schlimmen  Complicationen ,  ohne  in  der  Hoffnung 
auf  Herstelhmg  der  wichtigsten  Functionen  des  Gelenks  getäuscht  zu 
werden.« 

So  wünschenswerth  es  desshalb  wäre,  die  Producte  dieser 
beiden  Gebiete  (domi  bellique)  der  Resection  möglichst  auseinander- 
zuhalten, um  die  eben  genannten  Erfahrungssätze  mit  statistischen 
Zahlenbelegen  zu  erhärten  und  einen  genauen  Ueberblick  über  die 
Mortalitätsverhällnisse  der  einschlägigen  Kriegs-  und  Friedenspraxis 
zu  gewinnen,  scheitert  doch  solch'  ein  Versuch,  weil  gerade  in  den 
grössern  derartigen  Zusammenstellungen  hierauf  keine  Rücksicht  ge- 
nommen, sondern  alle  Resectionen  insgesammt  nach  andern  Ge- 
sichtspunkten eingepfercht  wurden. 

Von  solchen  Massensammlungen  hat  die  von  Heyfelder  ^^^) 
unstreitig  die  grösste  Bedeutung,  da  er  s am mt liehe  vor  dem 
Jahre  1863  näher  bekannt  gewordenen  Cubitalresectionen,  286  an 
der  Zahl  mit  32  lethalen  Ausgängen  (also  ll,2°/o)  zusammengruppirte. 
Seit  jener  Zeit  ist  eine  derartige,  umfassende  Arbeit  nicht  mehr  ge- 
liefert worden.  Einigermassen  ersetzt  Hugelshofer's  ^^^)  ver- 
gleichende Zusammenstellung  der  vorhandenen  grössern  Statistiken 
über  Ellenbogenresection  und  Amputation  einen  Ueberblick  des  Mor- 
talitätsstandes ersterer  Operation  bis  auf  die  Gegenwart.  Doch  kann 
hieraus  schon  desshalb  kein  endgültiger  Schluss  auf  die  in  Wirk- 
lichkeit bestehende  Gestaltung  des  Procentverhältnisses  gezogen 
werden,  weil  die  einzelnen  Berechnungen  nicht  vollständig  unab- 
hängig von  einander  stattfanden,  mithin  keine  Sicherheit  dafür  ge- 
boten wird,  dass  sich  nicht  bald  diese,  bald  jene  Reihe  von  Fällen 
in  mehreren  der  vorliegenden  Berichte  wiederholt  und  so  verschieden, 
je  nach  ihrer  Beschaffenheit  und  Grösse  auf  das  betreffende  End- 
ergebniss  einwirkt.  Die  von  Hugelshofer  citirten  Statistikisn  von 
Esmarch,  aus  The  Lancet,  von  Demme,  Saltzmann,  Doutre- 
lepont,    Otis   schwanken    hinsichtlich    der   Sterblichkeitsziffer   für 


"»)  S.  No.  2. 
"«)  S.  No.  10. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     235 

die  Resection  innerhalb  der  Grenzen  von  12— 22%,  für  die  Ampu- 
tation zwischen   21,24  %— 35,2%.     Aus   diesen  Resultaten   schliesst 
Hügel shof er  »mit  grösster  Wahrscheinlichkeit«  auf  eine  geringere 
Mortalität  der  Ellen bogenresection  gegenüber  der  Oberarmamputation. 
Die    conservative   Methode    hatte    nach    seiner  aus  Demme's    und 
Saltz m an n's  Berichten  geschöpften  Angabe  in  60,  16>— 62<^/o  der 
Fälle    den  Tod    zur   Folge.     Wie    sehr    aber   die  hierher  gehörigen 
Resectionsergebnisse    einzelner   Chirurgen    von   einander  abweichen, 
bezeugen  folgende  SpezialStatistiken :  Bickersteth '^s)  ö«/«  (40,  ge- 
storben: 2),  V.  Langenbeck  16,9%  59,  gest.:  10),  Giesker  20% 
(25,   gest.:    5),  Billroth  ^34)   20,8%   (24,   gest.:   5),  Neudörfer 
20,9°/o  135)  (43,  gest.:  9).   Der  Krieg  von  1864  ergab  auf  preussischer 
Seite  (Löffler)  einen  Prozentsatz  von  27,7 "/o  (18,  gest.:   5),  däni- 
scher Seits  (Hannover  13  6)  32 o/«  (22,  gest.:  6).  Letztere  Mortalitäts- 
ziffer steht  dem  höchsten,  oben  angeführten  Procentverhältnisse  der 
Amputation  nur  wenig  nach.   Trotzdem  zeigte  eine  Gesammtstatistik 
derjenigen  Cubitalresectionen,  welche  in  den  verschiedenen,  vor  dem 
Jahre  1870  stattgehabten  Feldzügen   ausgeführt  wurden  (428)  nach 
Dominik  137)  blos  21,1 7o  Todesfälle,  während  die  durch  denselben 
Eingriff  bedingten  Verluste  im  letzten   deutsch-französischen  Kriege 
deutscher  Seits,  ungeachtet  der  erheblichen  Verbesserung  des  Sani- 
tätswesens  und    der    Operationsteehnik   23,8  "/o    (400  Fälle   mit  95 
Gestorbenen),  auf  französischer  Seite  sogar  37,3  7o  (somit  mehr  als 
bei  der  ungünstigsten  früher  angegebenen  Amputationsstatistik)  aus- 
machten.   Die  conservirende  Behandlung  wies  nur  9,8  7o  (51,  gest.:  5) 
tödtlicher  Ausgänge  auf,  hatte  dagegen  in  den  früheren  Kriegen  nach 
demselben  Autor  durchschnittlich  46,8  7o  Todesfälle,  die  Amputation 

33,3  %. 

Daraus  ersieht  man,  wie  sehr  sich  je  nach  den  Nebenumstän- 
den das  Procentverhältniss   der  Verluste   dieser  3  Methoden  gegen- 


»33)  Citirt  bei  Hugelshofer;  ebenso  Giesker  s.  No.  10. 
'")  S.  No.  8. 
'")  s.  No.  4. 
»36)  S.  No.  26. 
'")  S.  No.  97. 


236  Dr.  W.  stark. 

seitig  ändert,  selten  aber,  selbst  gegenüber  der  conservativen  Be- 
handlung, zum  Nachtheile  der  Resection  ausfällt. 

»In  Beziehung  auf  die  spätere  Brauchbarkeit  des  Arms 
stehen  die  Erfolge  des  Ellenbogengelenks  unter  allen  Gelenken  obenan,« 
sagt  Ried  ^2^)  im  Jahre  1847,  und  er  spricht  wahr.  Bei  dieser 
Resection  ist  am  ehesten  eine  vollkommene  Heilung,  d,  h.  —  um 
mit  Neudörfer  ^^^)  zu  reden  —  »Erhaltung  der  Form  und  Function 
der  resecirten  Extremität«  möglich.  Heyfelder  i*")  berechnete  aus 
199  Fällen  die  Zahl  der  völlig  Hergestellten  auf  ^/e ,  die  der  mehr 
oder  weniger  Hergestellten  auf  ^/t  ,  die  Grösse  des  Misserfolges  auf  ^/t  . 
An  die  gewöhnlichen  von  ihm  aufgezählten  und  eingehend  erörterten 
Kategorien  der  Gebrauchsfähigkeit  (Schlottergelenk,  active  Beweglich- 
keit, beschränkte  Beweglichkeit,  wahre  Ankylose)  schliesst  er  eine 
fünfte  an,  nämlich  Unbrauchbarkeit  wegen  »Functionsstörung  der 
Nerven«,  ein  Misserfolg,  der  mit  der  fortschreitenden  Ausbildung 
der  so  vielseitigen  Resectionstechnik  immer  seltener  wird,  aber  noch 
in  den  von  Hannover  ^*i)  (1869  und  71)  beschriebenen  End- 
resultaten des  dänischen  Krieges  eine  grosse  Rolle  spielte.  Letzterer 
nennt  unter  anderem  6  Invaliden ,  die  an  spontanen  Schmerzen 
litten,  von  denen  ausserdem  2  über  Gefühllosigkeit  und  Kälte  in 
den  Fingern  klagten.  Im  Ganzen  trugen  von  den  29  überlebenden 
Resecirten  nach  seiner  Angabe  24  Schlottergelenke,  3  beschränkte 
active  Beweglichkeit,  2  Ankylosen  davon.  Darf  man  sich  wundern, 
wenn  er  darauf  hin  am  Schlüsse  seiner  Arbeit  klagte:  »Die  Ellen- 
bogenresectionen  haben  ein  im  höchsten  Grade  trauriges  Endresultat 
geliefert?« 

Doch  kurz  darnach  konnte  Billroth  ^*^)  seinen  Resultaten  das 
Zeugniss  geben:  »In  keinem  Falle  ist  vollständige  Ankylose  einge- 
treten, in  keinem  Falle  ist  das  Gelenk  so  lax  geworden,  dass  die 
Brauchbarkeit  der  Finger  wesentlich   beeinträchtifft  wäre.«     Immer- 


'"«)  S.  No.  36. 

"8}  S.  No.  4. 

'")  S.  No.  2. 

"«)  S.  No.  3  und  26. 

'")  S.  No.  8. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     237 

hin  bezeichnet  er  noch  diejenigen  Fälle  als  die  günstigsten,  »in 
welchen  die  Bewegungen  des  Ellenbogengelenks  etwa  auf  Vs  der 
normalen  Excursion  reducirt  war«  und  zwar  desshalb ,  weil  »die 
Laxität  der  Gelenke  2—3  Jahre  nach  der  Resection  viel  grösser  ist, 
als  man  erwarten  sollte,  wenn  man  diese  Patienten  6—8  Monate 
nach  der  Resection  entlässt,  in  welcher  Zeit  das  Resultat  der  Re- 
section am  günstigsten  zu  sein  pflegt.«  Solche  Verschlechterung 
der  Erfolge,  welche  er  überdies  an  einem  prägnanten  Beispiele  de- 
monstrirt,  muss  aber  nach  den  Erfahrungen  Hüter's  ^^^)  einzig  und 
allein  dem  Operateur  oder  dem  Operirten  zugeschrieben  werden, 
denn:  »Wenn  —  behauptet  er  —  die  Operirten ,  wie  die  Nach- 
forschungen H  a  n  n  0  V  e r's  und  B i  1 1  r  o  t h's  nachweisen,  nach  Jahren 
Vieles  oder  Alles  von  den  Functionen  des  Arms  nach  der  Res.  cub. 
verloren  haben,  so  kann  die  Schuld  nicht  der  Operation  als  solcher, 
sondern  nur  dem  Mangel  der  gewählten  Methode,  dem  Mangel  der 
geeigneten  Nachbehandlung  und  dem  Mangel  der  Energie  der  Ope- 
rirten zugeschrieben  werden.«  Fehlen  diese  Momente,  so  hält  er  es 
geradezu  für  unmöglich,  »dass  das  Maass  der  activen  und  passiven 
Beweglichkeit  ganz  oder  theilweise«  verloren  geht,  welches  »im  Ver- 
laufe des  ersten  halben  oder  ganzen  Jahres«  errungen  wurde.  In 
gleichem  Sinne  spricht  3  Jahre  später  Bergmann  ^^■^). 

Was  für  Erwartungen  man  nach  den  bisherigen  Errungen- 
schaften von  dem  vorerwähnten  Maasse  der  Beweglichkeit  hegen  darf, 
fand  Hugelshofer  ^*^)  nach  einem  ausführlichen  Referate  über 
die  Ergebnisse  von  Esmarch,  Scholz,  Doutrelepont ,  Neu- 
dörfer, Birkersteth,  Giesker,  Löffler:  »In  der  Mehrzahl  der 
Fälle  resultirt  eine  beschränkte,  active  Beweglichkeit  im  Ellenbogen- 
gelenk,   die   in   ganz   günstigen  Fällen  nahezu  der  normalen  gleich- 


"3)  s.  No.  83. 

"*)  S.  No.  96:  »Nicht  Momente,  die  in  der  Operation  selbst  oder  in  der 
Narbenmasse  liegen,  welche  an  Stelle  des  herausgenommenen  Gelenkkörpers  tritt, 
tragen  Schuld  an  den  mangelhaften  Resultaten  bei  anfänglicher,  d.  h.  bald  nacli 
der  Heilung  deutlicher  Beweglichkeit.  Geht  diese  später  verloren,  so  ist  es  der 
Mangel  an  ärztlicher  Aufsicht,  die  Ruhe  im  Tragkorb,  welche  den  Muskelschwund 
besorgt  und  die  Functionen  lahmlegt.« 
''  1")  No.  10. 


238  Dr.  W.  stark. 

kommt  und  der  Arm  entspricht  in  seiner  Brauchbarkeit  nicht  allzu 
hoch  gestellten  Anforderungen.«  Aehnlich  lauten  die  Erfahrungen 
V.  Langenbecks  ^^^). 

Zum  Schlüsse  verdient  noch  der  von  Asche  ^•^^)  über  die 
Arbeit  Dominiks  abgefasste  Bericht  Erwähnung,  dem  gemäss  »unter 
263  Fällen  aus  dem  letzten  Kriege,  in  denen  das  Resultat  genau 
ermittelt  werden  konnte,  dasselbe  in  28  Fällen  (10;6  >)  eine  gute 
active  Beweglichkeit  mit  mehr  oder  weniger  brauchbarer  Hand  — 
129  Mal  (49  »  Ankylose  (dabei  31  Mal  ünbrauchbarkeit  der 
Hand  ausdrücklich  erwähnt),  in  24  Fällen  actives  Schlottergelenk 
mit  mehr  oder  weniger  brauchbarer  Hand,  in  41  Fällen  passives 
Schlottergelenk,  im  Ganzen  also  65  Mal  Schlottergelenk  (24,4  "/o)  und 
in  6  Fällen  (2,3  ''/o)  unvollkommene  Ankylose  mit  unbrauchbarer 
Hand«  war.  Diese  Erfolge  sind,  trotz  des  Fortschritts  in  der  operativen 
Behandlung  (selbst  für  kriegschirurgische)  noch  sehr  bescheiden. 


Von  den  10  Fällen,  welche  innerhalb  der  Jahre  1872  bis  1876 
in  der  Freiburger  chirurgischen  Klinik  zur  Operation  gelangten,  gaben 
einer  in  Folge  von  Synovitis  granulosa  (Nr.  7),  9  durch  Garies  (dar- 
unter Nr.  6  Garies  traumatica)  Veranlassung  zu  derselben.  Bei  6 
Patienten  (Nr.  6,  7,  8,  11,  12,  14)  befand  sich  der  Krankheitsheerd 
rechterseits.  Bei  8  wurde  das  Gelenk  mit  v.  Langenbeck'scher,  bei  2 
(Fall  8  und  14)  mittelst  Hüter 'scher  Schnittführung  eröffnet.  Ein 
lethaler  Ausgang  kam  nur  einmal  (in  Nr.  5)  vor  (10  °/o)  und  war 
hauptsächlich  herbeigeführt  durch  schwere  anderweitige  Gomplicationen 
(Garies  der  Wirbelsäule  mit  consecutiver  Erkrankung  des  Rücken- 
marks und  Gehirns). 

Der  antiphlogistische  Effect  trat  mit  einer  einzigen  Aus- 
nahme (Nr.  10)  in  allen  Fällen  sogleich  ein.  —  Die  in  3  Fällen  schon 
vor  der  Operation  normale  Temperatur  wurde  in  einem  (Nr.  11)  nicht, 

""j  S.  No.  7.  Wir  erreichen  in  der  grösseren  Mehrzahl  der  Fälle  ein  activ 
bewegliches  Gelenk  mit  so  bedeutender  Kraftentwicklung  des  Arms ,  dass  er  in 
der  Gebrauchsfähigkeit  dem  gesunden  nur  wenig  nachsteht. 

'*')  S,  No.  97. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     239 

in  zwei  (Nr.  13  und  14)  nur  auf  kurze  Zeit  durch  die  Resection  erliöht. 
Die  antipyretische  \A^irkung  des  Eingriffs  erfolgte  in  einem  Falle  (Nr.  12) 
sofort,  hielt  in  2  Fällen  (Nr.  8  und  9)  nur  wenige  Tage  an,  machte 
sich  in  3  weitern  (Nr.  5,  6  und  10)  erst  nach  mehreren  Tagen  geltend 
und  blieb  endlich  in  einem  Falle  (Nr.  7)  ganz  aus  (das  Fieber  stieg). 

Der  Heilverlauf  dauerte  in  Fall  6  etwas  über  2  Monate,  in 
Nr.  8  und  11  etwa  V*?  in  Nr.  7  und  9  circa  V2  Jahr.  In  Nr.  14  war 
derselbe  nach  einem  halben  Jahre,  in  Nr.  13  nach  10  Monaten,  in 
Nr.  10  nach  1 V2  Jahren  und  endlich  in  Nr.  12  nach  2jähriger  Frist 
noch  nicht  beendigt. 

Locale  Gomplicationen ,  bestehend  in  nachträglichen  Absce- 
dirungen,  wiesen  Fall  6,  7,  8,  12  und  13  auf. 

Anderweitige  Erkrankungen  hatten  sich  im  Fall  6  (Glossitis), 
Fall  12  (Garies  der  Fusswurzelknochen)  und  Fall  9  (Syphilis)  beigesellt. 

Eine  permanente,  erhebliche  Beeinträchtigung  des  Allgemein- 
zustandes zeigte  sich  nur  bei  Nr.  12,  verursacht  durch  die  ausge- 
prägte Scrophulose. 

Die  Erfolge  bei  den  Ueberlebenden  rubriciren  sich  der  Zeit 
nach  in  3  definitive  Endresultate  (Nr.  6,  7  und  8)  und  2  provisorische 
Nr.  9  und  11.  In  den  übrigen  4  Fällen  (Nr.  10,  12,  13,  14)  sind 
noch  offene  Fisteln  vorhanden. 

Hinsichtlich  der  Bewegungsfähigkeit  ergaben  sich  7  activ  be- 
wegliche (6,  7,  8,  10,  11,  12,  14),  1  sehr  beschränkt  activ  bewegliches 
(9)  Gelenk  und  1  activ  bewegliches  Schlottergelenk  (Nr.  13).  Die  der 
vorstehenden  Uebersicht  zu  Grunde  liegenden  Krankengeschichten 
lauten : 

Fall  5. 

Josephine  Froehlin,  19  Jahre  alt,  ledig,  gebürtig  von  Adelhausen, 
bemerkte  im  Anfange  des  Jahres  1869  Anschwellung  und  Schmerzhaftigkeit  des 
linken  Ellenbogengelenkes,  die  bis  zum  Herbste  bezeichneten  Jahres  andauerten 
und  im  folgenden  Frühjahre  wiederkehrten.  Nun  trat  Perforation  der  Haut  ein, 
es  entleerte  sich  Eiter,  die  Fistelöffnung  wurde  erweitert,  die  Secretion  blieb 
constant  unter  Fiebererscheinungen  bis  zur  Aufnahme  der  Patientin,  welche  am 
13.  II.  72  erfolgte.  Schon  6  Tage  datnach  schritt  man  zur  Resection  und  legte 
alsdann  einen  Gypsverband  im  rechten  Winkel  an  (Präparat  fehlt).  Es  bestand 
von  da  an  bis  Anfangs  April  immer  etwas  Temperaturerhöhung,  hierauf  war  bis 
Ende  Mai  stets  Apyrexie  vorhanden.     Zugleich  zeigten  sich  Appetit  und  Gesund- 


240  Dl'-  W.  Stark. 

heitszustand  gut,  der  Ann,  trotz  dreier  Fisteln,  schmerzlos  passiv  beweglich. 
Wiederholte  Sondirungen  erwiesen  kein  Biosliegen  oder  Rauhigkeiten  des  Knochens. 
Ende  Mai  stellte  sich  bei  massiger  Schwellung,  Schmefthaftigkeit  der  Gelenk- 
gegend und  vermehrter  Eitersecretion  abermals  Fieber  ein  und  es  lösten  sich 
wiederholt  Stückchen  spongiöser  Knochensubstanz.  Bei  Bewegung  der  nunmehr 
eingeführten  Knopfsonde  konnte  man  rauhen  Knochen  fühlen.  Eine  neue 
Oeffnung  bildete  sich  am  Oberarm,  eine  weitere  ward  daselbst  an  einer  fluc- 
tuirenden  Stelle  durch  Incision  angelegt.  Mitte  Juli  wurden  die  beiden  grössten 
Wunden  durch  einen  Querschnitt  vereinigt,  von  dessen  Enden  Längsschnitte 
nach  oben  gemacht  und  von  dem  cariös  erweichten  Knochen  ziemlich  bedeu- 
tende Stücke  resecirt.  Der  Blutverlust  gering,  theilweise  Nahtvereinigung  der 
Wunde,  Gypsverband.  Einige  Tage  hindurch  währte  die  Temperaturerhöhung 
wie  vor  der  Operation  fort,  aber  die  Schmerzen  hörten  auf,  die  Anschwellung 
nahm  ab,  die  Wunde,  aus  der  etwas  eitriges  Secret  sich  ergoss,  hatte  ein  gutes 
Aussehen  und  begann  nach  Entfernung  der  Naht  lebhaft  zu  granuliren. 

Ein  Rückschritt  in  dem  beinahe  3  Wochen  fieberlos  verlaufenden  Hei- 
lungsprocess  fand  am  12.  VIII.  statt,  weil  sich  von  diesem  Termine  an  neuer- 
dings Fieber  zeigte,  sich  die  Wundverkleinerung  —  bei  öfters  ödematöser  Be- 
schaffenheit der  Granulationen  —  verlangsamte,  sich  Schwellung  und  Schmerz- 
haftigkeit  ab  und  zu  beigesellte.  Die  Sondirung  ergab  keine  positiven  Resultate 
das  Einlegen  von  Laminariastiften  zur  Erweiterung  der  Fistelöffnungen  nebst 
Erneuerung  des  Gypsverbandes  blieben  ohne  Erfolg.  Im  October  bildete  sich 
wieder  ein  Abscess  in  der  Ellenbogenbeuge,  der  eröffnet  werden  musste.  Ferner 
ging  ein  nekrotisches  Knochenstückchen  ab,  endlich  wurde  einige  Tage  hindurch 
blaue  Eiterung  beobaclätet  und  mit  Garbolverband  bekämpft.  Eine  Cauterisation 
der  Fislelgänge,  sowie  einer  durch  Sondirung  constatirten  Wundhöhle  mit  Ferrum 
candens  fand  Anfangs  December  in  der  Narcose  statt,  ohne  bedeutende  Reaction 
oder  bleibende  Besserung  des  Local-  und  Allgemeinzustandes  zu  veranlassen. 
Ihre  Wiederholung  Mitte  Januar  hatte  zwar  bedeutende  Reizerscheinungen  (höheres 
Fieber,  Schmerzen,  Schwellung),  doch  ebenso  wenig  nachhaltige  Wirkung  zur 
Folge.  Nebenbei  war  ein  Versuch  mit  Galvanisation  des  Armes  gemacht  und 
die  Muskelerregbarkeit  bei  gleicher  Stromstärke  auf  der  kranken  Seite  bedeutend 
schwächer  als  auf  der  andern  gefunden  v?orden.  Während  auch  in  den  folgen- 
den Monaten  der  Befund  an  der  erkrankten  Extremität  das  Bild  eines  langsam 
fortschreitenden  cariösen  Processes  bot,  unter  bald  abnehmender,  bald  zunehmen- 
der Eiterung  sich  kleine  nekrotische  Knochenstücke  abstiessen  resp.  entfernt 
wurden  und  schliesslich  Crepitation  im  Gelenke  deutlich  nachgewiesen  werden 
konnte  —  traten  Complicationen  hinzu,  deren  Folgen  für  die  Patientin  verhäng- 
nissvoll werden  sollten.  Unter  stetem  Steigen  der  Temperatur  wurde  besonders 
bei  Bewegungen  über  Schmerzen  auf  der  rechten  Seite  des  Hinterkopfs  geklagt, 
gegen  welche  man  mit  Nutzen  eine  Extension  der  Wirbelsäule  anwendete.  Aber 
Mitte  März  kamen  hierzu  —  verbunden  mit  zeitweisem  Coma,  nächtlichen  De- 
lirien und  Collaps  der  Kranken  —  sowohl  an  der  rechten  Seite  des  Halses  hinter 
dem  Sternocleidomastoideus,  als  auch  an  der  hintern  Rachenwand  je  eine 
fluctuirende  Anschwellung,  von  denen  zuerst  die  letztere,  später  auch  die  erstere 
incidirt  und  aus  beiden  etwas  Eiter  von  guter  Beschaffenheit  entleert  wurde.  So 
eiterten  die  Fisteln  am  Halse,  Rachen  und  Arme  noch  einige  Tage  und  raubten 
dadurch  der  Patientin  ihre  letzten  Kräfte,  bis  dieselbe  endlich  am  6.  IV.,  nach- 
dem kurz  zuvor  unstillbares  Erbrechen  eingetreten,  Nachts  11  Uhr  starb. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     241 

Aus  dem.  ObductionsprotokoU  wäre  liier  eigentlicii  nur  der  das  erkrankte 
Gelenk  betreffende  Abschnitt  mitzutheilen,  doch  griffen  die  zuletzt  beschriebenen 
Erscheinungen  so  ominös  in  den  Krankheitsverlauf  ein,  dass  zur  Vervollstän- 
digung des  ganzen  Bildes  wenigstens  die  hierauf  bezüglichen  Hauptergebnisse 
angeführt  werden  müssen. 

„Unteres  Ende  des  Humerus  5^2  Ctm.  breit,  die  beiden  Condylen  in  guter 
Entwicklung  stehen  etwa  ^jz  Ctm.  über  einer  der  Trochlea  ähnlichen  Vertiefung 
zwischen  derselben,  welche  durch  sulziges  Gewebe  mit  der  entsprechenden  Fläche 
der  Ulna  und  des  Radius  verwachsen  war,  hervor.  An  der  äussern  Fläche  des 
Humerus  sitzt  ein  scharfkantiges ,  vom  Periost  entblösstes ,  der  Stelle  des  ehe- 
maligen Olecranon  entsprechendes  Knochenstück  fest.  An  den  Vorderarmknochen 
ist  sowohl  das  obere  Ende  der  Ulna  als  der  Radius  missfarbig,  von  Granula- 
tionen durchwachsen,  von  Periost  entblösst.« 

Im  Uebrigen  stellte  sich  folgendes  Wichtige  heraus : 

Gehirn:  »Auf  der  Höhe  der  Unken  Hemisphäre,  der  Mitte  des  Seiten- 
wandbeins  entsprechend,  findet  sich  eine  guldengrosse  Stelle,  auf  welcher  eitrig 
infiltrirte,  etwas  käsig  gewordene  Granulationen  aufsitzen.  Dieselben  bewirken 
einerseits  einen  Druck  auf  die  Gehirnrinde  mit  leichter  Depression,  andererseits 
stehen  sie  mit  der  Tabula  vitrea  des  Schädels  in  Verbindung.  Diese  ist  in  glei- 
chem Umfange  weich,  entfärbt  und  zeigt  an  der  Peripherie  einen  kleinen  osteo- 
phytischen  Wall."     Gehirnödem. 

Rückenmark:  „Beim  Eröffnen  der  Halswirbelsäule  von  hinten  liegt 
zwischen  Wirbelbogen  und  Aussenfläche  der  Dura  eine  hämorrhagische  Pseudo- 
membran. Die  Dura  mater  in  ihrer  ganzen  vordem  Fläche  bis  zum  3.  Hals- 
wirbel herunter  durch  eitrige  Granulationen  von  der  Wirbelsäule  abgedrängt.  In 
der  Gegend  des  Durchtrittes  des  2.  rechten  Halsnerven  ist  die  ganze  Dicke 
der  Dura  mater  von  Granulationen  umwuchert  und  leicht  mit  einem  stumpfen 
Instrument  zu  durchbohren.  Arachnoidea  und  Pia  des  Halsmarkes  scheinbar 
nicht  verändert.  Halsmark  selbst  weich,  über  die  Schnittränder  vorquellend, 
graue  Substanz  sehr  anämisch.  Die  Hinterfläche  des  2.  Wirbelkörpers  und  die 
rechte  Hälfte  des  3.  vom  Periost  entblösst,  mit  Eiter  durchsetzt.  Apparatus  ligam. 
zwischen  Epistropheus  und  Hinterhaupt  durch  Granulationen  zerstört.  Ligam. 
transvers.  hält  den  Process.  odontoideus  noch  zurück.  Die  erste  Zwischenwirbel- 
scheibe ganz  zerstört ;  man  kommt  zwischen  den  beiden  Wirbeln  in  den  Abscess 
an  der  Vorderfläche  der  Wirbelsäule." 


Fall  6. 

Josef  Zimmermann,  36  Jahre  alt,  lediger  Taglöhner  aus  Nordrach 
(Gengenbach)  stach  sich  Ende  October  1872  ungeschickter  Weise  mit  einer  Sichel 
in  den  rechten  Arm,  etwa  zwischen  Olecranon  und  Condyl.  intern.  Die  Spitze 
derselben  soll  ungefähr  ^jz  Finger  lang  eingedrungen  sein,  die  Wunde  stark 
geblutet  haben.  Patient  beachtete  die  Verletzung  so  wenig,  dass  er  noch  8  Tage 
weiter  arbeitete  und  erst  nach  Ablauf  dieser  Frist  durch  die  mittlerweile  sehr 
bedeutend  gewordenen  Schmerzen  und  Anschwellung  genöthigt  war,  ärztliche 
Hülfe  aufzusuchen.  Nachdem  man  Ausfluss  von  Synovia  constatirt  hatte,  wurde 
ein  Gypsverband  angelegt,  vier  Wochen  später  Jod  eingepinselt.  Am  7.  December 
trat  Patient  in  ziemlich  angegriffenem  und  heruntergekommenem  Gesund heits- 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  16 


242  Dr.  W.  Stark. 

zustande  in  das  Spital  ein.  Der  rechte  Arm  war  bis  gegen  die  Achsel  hin  enorm 
angeschwollen,  in  halber  Ellenbogenflexion  und  konnte  nicht  ganz  gestreckt 
werden.  Jede  Bewegung  erregte  Schmerzen.  An  der  oben  erwähnten  Stelle  fand 
sich  eine  mit  wuchernden  Granulationen  besetzte,  fingerdicke,  wenig  eiternde 
Wunde,  welche  die  Sonde  der  Richtung  und  Tiefe  nach  bis  in's  Gelenk  dringen 
liess,  ohne  dass  dieselbe  auf  unbedeckten  oder  rauhen  Knochen  kam.  Nach 
einer  voi-läufigen  Compressiveinwickelung  mit  nassen  Binden  nebst  Fixation  auf 
gepolsterter  Armschiene  und  erhöhter  Lagerung  resecirte  man  am  12.  December 
auf  folgende  Weise: 

Der  V.  L  a  n  g  e  n  b  e  c  k  'sehe  Längsschnitt  wurde  wegen  der  colossalen 
Rigidität  und  Verdickung  der  Haut  combinirt  mit  einem  Querschnitt  bis  zu  dem 
Condyl.  extern.,  Ablösung  der  Weichtbeile  und  des  Periostes  mit  dem  Raspatorium 
und  geknöpften  Resectionsmesser;  Entfernung  der  Gelenkenden  der  3  Knochen, 
die  im  Zustande  der  subchondralen  Ostitis,  bereits  mit  partieller  Ablösung  der 
Knorpelflächen  sich  befanden.  Nähen  der  2  Schnitte  bis  auf  die  mittlere  Par- 
thie,  wo  Drainageröhren  eingelegt  wurden.  Carbolwatte-  und  Gypsverband  mit 
grossem  Fenster;  Morphiumeinspritzung,  —  Das  Humerusstück  (des  getrockneten 
Präparats)  mass  zwischen  der  ebenen,  horizontal  geführten  Sägefläche  und  dem 
entferntesten  Punkte  der  Trochlea  3  Gtm.;  der  Durchmesser  der  ersteren  von 
rechts  nach  links  6  Gtm.  Die  Eminentia  capitata  präsentirte  am  äusseren  Ende 
einen  cariösen  Defect.  Olecranon  und  der  zugleich  abgetragene  Proc.  coronoid. 
waren  4  Gtm.  lang;  der  Knorpel  besonders  oben  an  der  Gavitas  sigm.  maj. 
abgelöst,  der  dadurch  denudirte  Knochen  rauh.  Das  Radiusköpfchen  1  Gtm.  dick, 
zeigte  auch  den  Knorpel  theilweise  defect,  den  Knochen  an  einer  Stelle  arrodirt. 
Die  Länge  des  Humerus-  und  Ulnarstücks  zusammen,  bei  ineinander  gepassten 
Gelenkflächen,  behef  sich  auf  4  Gtm.  Das  Fieber,  welches  schon  vor  der  Operation 
hoch  gewesen,  doch  40  °  nicht  erreicht  hatte,  ging  am  Tage  nach  derselben  auf 
40,3°,  sank  aber  dann  bis  zum  Schlüsse  des  Monats  auf  38,5  <>  herab.  Bei  der 
ruhigen  Suspension  im  Gypsverbande,  welche  arrangirt  worden,  klagte  Patient 
nicht  über  Schmerzen.  Die  Schwellung  nahm  ab.  Nach  Entfernung  der  Nähte 
zeigten  sich  die  tieferen  Wundparthien  verklebt.  Der  Absonderung  röthlicher 
Flüssigkeit  folgte  am  15.  Dezember  gute  Eiterung  aus  schön  aufspriessenden 
Granulationen  in  massiger  Menge.  Die  Drainagen  wurden  mehrmals  gewechselt, 
am  2.  L  ein  kleiner  Abscess  in  der  Nähe  des  Gondyl.  extern.,  welcher  die  Tempe- 
ratur plötzlich  auf  40,2  °  getrieben ,  incidirt  und  der  Gypsverband  erneuert.  Das 
Fieber  defervescirte  bis  auf  38°  und  Avich,  nachdem  noch  2mal  Exacerbation  auf 
39,3°  stattgefunden,  den  30.  L  der  normalen  Temperatur.  Die  Heilung  machte 
rasche  Fortschritte  ~  kaum  gestört  durch  mehrtägige  stärkere  Intumescenz  und 
Eitersecretion  nach  dem  erstmaligen  Aufstehen  des  Patienten  am  22.  L  Am 
1.  Februar  waren  blos  2  FistelöfTnungen  an  den  Stellen  der  Drainagirung  übrig 
geblieben,  den  5.  der  Arm  im  Ganzen  abgeschwollen,  aber  die  Haut  noch  indu- 
rirt.  Die  Extremität  konnte,  weil  keine  knöcherne  Vereinigung  im  resecirten 
Gelenke  vorhanden,  etwas  über  den  geraden  Winkel  gestreckt  werden.  Seitliche 
Beweglichkeit  liess  sich,  wenn  auch  nur  in  sehr  geringem  Masse,  nachweisen. 
Von  nun  an  bestand  die  Behandlung  in  Bindeneinwickelung  und  Mitella,  morgen- 
und  abendlichen  Armbädern,  seit  3.  März  Electrisiren.  Darauf  hin  nahm  die 
Anschwellung  ab,  die  Wunden  schlössen  sich  (28.11.)  vollständig.  Am  9.  März 
trat  unter  3tägiger  Temperaturerhöhung  (bis  40,3  o)  heftige  Glossitis  auf,  die 
jedoch  bei  Aufenthalt  im  Bett  verbunden  mit  kalten  Halsumschlägen  nnd  Schlucken 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     243 

von  Eis  in  Zertheilung  ohne  Abscedirung  endigte.    Während  dieser  Zeit  wurden 
bis  zum  17.  III.  Bäder  und  Electricität  ausgesetzt. 

Am  31.  langte  der  Reconvalescent  mit  der  Hand  bis  zum  behaarten  Kopf- 
theile. 

Im  Juli  1875  constatirte  man : 
Active  und  passive  Beugung  bis  zum  Winkel  von  60  o 
„  »  „         Streckung  bis  zum  Winkel  von  150  o 

»  n  »         Pronation  bis  Handrücken  genau  nach  oben 

„  ,1  ,,         Supination  bis  zur  Mittelstellung 

r.  1. 

Länge  des  Oberarms  vom  Acrom.  bis  Gond.  ext.     33  Ctm.  33  Gtm. 

„         „     Radius 25  27 

Umfang  des  Oberarms 25,5         30 

„  „     Vorderarms 26  29 

Hebt  10  Pfund  mit  Leichtigkeit   im   rechten  Ellenbogengelenk ,   angeblich 
ohne  bedeutend  grössere  Anstrengung  als  links. 


Fall  7. 

Adolf  N  üb  ling,  11  Jahre  alt,  aus  Denzlingen ,  der  anno  1870  vier- 
zehn Tage  lang  die  Masern  hatte,  sonst  stets  gesund  war,  beobachtete  kurz  vor 
Weihnachten  1872  eine  allmählige  Beschränkung  der  Extensionsfähigkeit  des 
rechten  Arms.  Später  kamen  Schmerz  und  Anschwellung  hinzu.  Bei  der  nach 
seiner  Ankunft  im  Spitale  am  16.  IV.  73  angestellten  Untersuchung  fanden  sich : 
Der  Arm  in  einer  Mittelstellung  zwischen  Pro-  und  Supination  ;  die  Rotationsfähig- 
keit beschränkt;  passive  Beugung  und  Streckung  nur  möglich  innerhalb  der  Grenze 
von  70—150°;  der  Umfang  über  das  Olecranon  3  Ctm.  grösser  (22)  als  auf  der 
gesunden  Seite  (19);  zwischen  den  Knochen vorsprüngen  fluctuirende  Stellen. 
Als  sich  nach  Application  eines  Gypsverbandes  der  Zustand  binnen  Monatsfrist 
nicht  besserte,  wurde  zur  subperiostalen  Resection  sämmtlicher  Knochenenden 
des  Ellenbogengelenkes  mittelst  der  v.Langenbeck'schen  Schnittführung  geschritten. 
Die  Knochenstücke  unterschieden  sich  nur  durch  weichere  Gonsistenz  vom  nor- 
malen Gefüge,  der  Knorpel  zeigte  sich  intact  (blos  an  der  Innenseite  der  Gelenk- 
fläche der  Ulna  fand  sich  ein  kleiner  Defect).  Die  Synovialmembran  dagegen 
mit  dicken  Granulationsschwarten  durchsetzt,  die  man  sorgfältig  mit  Scheere  und 
Kratzlöffel  entfernte.  Es  folgte  Vereinigung  der  Schnittenden  durch  die  Naht. 
Berieselung  mit  Garbolwasser ,  Einführung  eines  Leinwandstreifens,  gefensterter 
Gypsverband  in  fast  rechtwinkliger  Beugung  und  Mittelstellung  des  Arms.  — 
Der  Humerusantheil  betrug  in  der  Längsrichtung  am  inneren  Ende  der  Trochlea 
274  Gtm.,  der  Durchmesser  seiner  Sägefläche  von  rechts  nach  links  5  Ctm.  Die 
Länge  der  Ulnarparthie  (Olecranon  und  Proc.  coronoid.)  mass  2^/2  Gtm.  Eine 
Ineinanderfügung  beider  (hum,  et  uln.)  ergab  eine  Ausdehnung  von  2V2  Gtm., 
Radiusscheibe  3  Mm.  dick.  Das  Wundfleber,  welches  seinen  Höhepunkt  40,3« 
am  30.  Mai  Abends  erreichte,  währte  ununterbrochen  mit  bedeutenden  morgent- 
lichen  Remissionen  bis  zum  9.  Juni,  von  welcher  Zeit  an  Morgens  mit  geringer 
Ausnahme  Apyrexie  bestand,  während  Abends  bis  24.  Juni  Exacerbationen  vor- 
kamen. Die  am  23.  V.  noch  etwas  fibrinös  belegte  Wundfläche  wies  schon  nach 
einigen    Tagen    überall    Granulationsbildungen   auf.      Anfangs   Juni    wurde    der 


244:  Dl"-  W.  stark. 

Gypsverband  erneuert,  ferner  zwei  in  der  den  condyl.  extern,  humeri  überdecken- 
den Hautfläche  befindliche,  circa  ^/i  Ctm,  auseinanderstehende  Fistelöffnungen 
von  Stecknadelskopfgrösse,  aus  denen  sich  reichlich  Eiter  ausdrücken  liess,  mit- 
telst Incision  verbunden  und  dadurch  dem  Secrete  freier  Ausweg  verschafft. 
Der  Allgemeinzustand  des  Operirten  besserte  sich  dabei ,  trotz  reichlicher  doch 
gutartiger  Eiterproduction  so  rasch,  dass  er  am  5.  VI.  bereits  ins  Freie  gefahren 
werden  konnte,  was  sichthch  wohlthuend  auf  ihn  einwirkte.  Nächst  der  vorhin 
geschilderten  Incisionswunde  fand  am  12.  VI.  ein  feiner  Hautdurchbruch  statt 
unter  geringer  Eiterentleerung,  aber  verbunden  mit  Oedem  der  Umgebung  und 
Fluctuation  in  der  Tiefe,  welch' letztere  Complicationen  bald  wieder  verschwanden. 
Nach  Abnahme  des  Gypsverbandes  lagerte  man  den  Arm  blos  in  eine  Mitella, 
gab  dem  Reconvalescenten  täglich  2  Armbäder,  incidirte  einen  haselnussgrossen 
Abscess  in  der  Gegend  des  äussern,  untern  Humerusendes.  Aus  der  Eröffnung 
floss  etwas  seröser  Eiter  aus  und  wucherten  später  daselbst  schwammige  Gra- 
nulationen empor,  welche  —  sowie  auch  die  früheren  —  touchirt  wurden. 
Sämmtliche  Wunden  waren  bei  dem  am  4.  August  (auf  sein  Verlangen  hin)  er- 
folgten Austritte  nur  zum  Theil  vernarbt.  Die  Functionsfähigkeit  hatte  bei  der 
zuvor  angestellten  Prüfung  folgende  Ergebnisse  geliefert :  Vl'^ährend  am  3.  VIL, 
bei  dem  erstmaligen  Versuche  der  Excursionsausgiebigkeit  sich  die  Beweglichkeit 
im  Ellenbogengelenke  als  gering,  Rotation  des  Vorderarms  nur  als  passiv  mög- 
lich erwies,  vermochte  der  Genesende  bei  seinem  Weggange  selbst  activ  massige 
Beugungen  auszuführen,  die  Rotation  dagegen  konnte  blos  passiv  bewerkstelligt 
werden  und  geschah  dann  nicht  in  normaler  Weise  mit  dem  Radius  allein, 
sondern  mit  dem  ganzen  Vorderarme.  Als  sich  der  Junge  am  15.  October 
wieder  einstellte,  constatirte  man  noch  eine  kleine,  etwas  Eiter  secernirende 
Fistel  am  resecirten  Gelenke.  Der  Winkel  zwischen  Humerus  und  Vorderarm 
betrug  60".  Vom  3.  XI.  an  wurden  täglich  Uebungen  vorgenommen,  wobei  sich 
der  betreffende  Winkel  bis  65"  vergi'össerte,  Drehbewegungen  jedoch  immer  be- 
schwerlich blieben,  indem  Ulna  und  Radius  stets  zusammen  agirten.  Am  7.  XI. 
fand  sich : 

Passive  Beugung  vom  Ellenbogengelenk     =     80° 
Active         „  ,.  „  =    89" 

Passive  Streckung  „  „  =  115° 

Active  „  „  „  =  109° 

Länge  des  Radius  vom  Gapit.  bis  Proc.  styl,>     =:  17^2  Ctm. 
Länge  des  Humerus  vom  Acrom.  bis  Cond.  ext.  =  21*,'2      „ 

Bis  Juli  1875  hatte  sich  dies  Resultat  folgendermassen  verändert: 

Active  Beugung  rechterseits  vom  rechten  Winkel  bis  zu  einem  Winkel 
von  45°.  —  Streckung  nicht  über  den  rechten  Winkel  möglich.  —  Der  Vorder- 
arm steht  in  der  Mitte  zwischen  Pro-  und  Supination;  Rotation  sehr  beschi'änkt, 
das  Köpfchen  des  Radius  bewegt  sich  dabei  nicht.  —  Passive  Beweglichkeit  wie 
die  active.  —  Die  Leistungsfähigkeit  ist  in  beiden  Armen  gleich. 
Humerus  v.  der  Spitze  des  Acromion  bis  zur  Basis  des       r.  1. 

Condyl.  extern 2r',7  Ctm.        '25,7  Ctm, 

Länge  des  Radius ,     .     .     20,7     »  22        » 

Umfang  des  Ellenbogengelenks 24        »  23        » 

Am  3.  XI.  76  verhielt  sich  der  Status  wie  folgt: 

Der   Resecirte  war   seither   stets  wohl   und   bemerkte   keinerlei    abnorme 
Erscheinungen   an  dem   operirten  Arme.     Er    konnte    denselben   bei    all'  seinen 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     245 

Verrichtungen  als  Bauernknecht  ebenso  gut  wie  den  linken  verwenden  und  ver- 
spürte darin  nicht  etwa  eine  raschere  Abnahme  der  Leistungsfähigkeit  wie  auf 
der  gesunden  Seite. 

Das  betreffende  Glied  befindet  sich  bei  Ruhelage  rechtwinkelig  gebeugt, 
der  Vorderarm  in  Mittelstellung.  Die  Narben  in  der  Gegend  des  Gond.  int.  und 
ext.,  welche  theilweise  am  Knochen  festhaften,  sind  solide.  Die  Oberarmknorren 
selbst  zeigen  sich  in  hinreichendem  Masse  regenerirt;  desgleichen  das  Radius- 
köpfchen, dessen  neugebildete  Knochenmasse  über  den  Gond.  ext.  hervorragt  und 
Rotationsbewegungen  (bes.  passive)  —  deutlich  fühlbar  —  mitmacht.  Der  Wieder- 
ersatz des  Olecranon,  welches  mit  sammt  dem  oberen  Ulnarande  dem  Gond.  int. 
näher  gerückt  erscheint,  ist  bis  jetzt  unvollkommen  geblieben: 

Länge:  r.  1. 

Acrom.  —  Gond,  ext 28        28 

Gond.  ext.  —  Proc.  styl,  rad 23         23 

Acrom.  —  Proc.  styl,  rad 51         5i 

Proc.  coracoid,  —  Gond.  int 28        28 

Gond.  int.  —  Proc.  styl,  uln 23        23 

Proc.  coracoid.  —  bis  Gond.  ext.       ...     27        27 
Umfang : 

Oberarmmitte 18        23 

Ellenbogen 26        26 

Durchmesser  zwischen  den  Gondylen     .     .       6  G'/* 

„  von  vorn  nach  hinten  ...       7  7*/2 

Vorderarm  im  obern  Drittel 19        22 

Vorderarm  mitte 17        19 

Handgelenk 16         17 

Rechte  Hand  etwas  kleiner  als  linke. 

Active  Flexion  bis 61° 

Active  Extension  bis 85° 

„       Pronation    bis  Volarfläche    nach    unten, 
„       Supination    bis   Volarfläche    nach   oben. 
Passive  Bewegungen  erzielen  kein  ausgiebigeres  Resultat. 
Die    activen   Excursionen    im    Handgelenke   sind    beiderseits    gleich ;    im 
Schultergelenk  ist  die  Erhebung  des  Arms  rechterseits   mit  etwas  Schwierigkeit 
verknüpft,  doch  nicht  wesentlich  beeinträchtigt.     Händedruck  auf  beiden  Seiten 
ziemlich  derselbe.    Der  Operirte   hebt   mit  Leichtigkeit  45  Pfd.  vom  Boden  auf. 
Er  bringt  25  Pfd.,  obgleich  wegen  der  starren  Verbindung  im  Ellenbogengelenk 
die  Beugung  etwa  rechtwinkelig  bleibt,  so  weit,   dass  Handwurzel  und  Schulter 
in  einer  horizontalen  Ebene  liegen. 

10  Pfd.  elevirt  er  bis  über  den  Kopf. 

Fall  8. 

Katharina  Erb,  16  Jahre  alt,  aus  Friesenheim,  fiel  vor  8  Jahren  auf  den 
rechten  Ellenbogen.  Seither  bemerkte  sie  fortwährend  Schmerzen  und  ver- 
ringerte Bewegungsfähigkeit.  Bei  ihrer  erstmaligen  Aufnahme  in's  Spital  am 
20.  October  73  betrug  das  Maximum  der  activen  Flexion  101,  das  der  Extension 
130".  Es  schmerzten  nur  forcirte  Excursionsversuche.  Durch  täglich  zweimal 
vorgenommenes  warmes  Baden,   active  und   passive  Bewegungen   besserten  sich 


246  Dr.  W.  stark. 

diese  einzigen  SjTuptome  der  Gelenkaffection  zusehends,  so  dass  nach  einer  weitern 
Behandlung  mit  dem  constanten  Strome  (vom  20.  XL  an)  die  Streckung  des 
Arms  bis  zu  einem  Winkel  von  127**,  die  Beugung  bis  97"  möglich  war  (den 
12,  I.).  Auf  ihren  Wunsch  entlassen,  kehrte  Patientin  schon  arn  27.  Januar  in 
bedeutend  verschlechtertem  Zustande  in  die  chirurgische  Klinik  zurück.  Der 
kranke  Arm,  den  sie  zur  Arbeit  verwendet  hatte ,  konnte  wegen  heftiger  —  be- 
reits 2  Tage  nach  ihrem  Austritte  entstandener  —  Schmerzen  nicht  mehr  bewegt 
werden.  Er  wurde  auf  eine  Schiene  gelagert,  zwei  Tage  darnach  in  der  Nar- 
oose  in  einem  AVinkel  von  118°  eingegypst  und  durch  mehrmalige  Wiederholung 
des  Verbandes  in  jeweils  vermehrter  Winkelstellung  bis  zur  rechtwinkeligen 
Beugung  gebracht.  Vom  28.  März  an  folgte  ambulatorische  Behandlung.  Sie 
bekam  verschiedene  Gypsverbände  im  rechten  Winkel  angelegt,  musste  aber 
wegen  Tag  und  Nacht  fortdauernder  Schmerzen  Ende  April  wieder  ständigen 
Aufenthalt  im  Spitale  nehmen.  Ihr  Aussehen  hatte  nicht  wesenthch  Nolh  gelitten. 
Nur  mit  Mühe  vermochte  sie  den  rechten  Arm  zu  heben,  mit  den  Fingern 
blos  schwachen  Druck  auszuüben.  Die  Muskulatur  der  erstem  zeigte  sich  weniger 
entwickelt  als  links  (Volumsabnahme  bis  1  Ctm,).  Die  Contouren  des  afficirten 
Gelenkes  erschienen  rechts  verwischt,  der  Umfang  war  jedoch  beiderseits  gleich. 
Indirekter  Druck  schmerzte  nicht,  um  so  mehr  direkter  auf  die  Condyl.  hum., 
sowie  Pro-  und  Supination.  Die  Temperatur  belief  sich  auf  38,2.  Weitere 
äusserlich  erkennbare  Entzündungserscheinungen  fehlten.  Vorläufig  erhielt  die 
Kranke  eine  Mitella  zur  Fixation  der  Extremität.  Da  jedoch  die  bisherige  conser- 
vative  Behandlung  keinen  Erfolg  gehabt,  eine  Fortsetzung  derselben  die  äusseren 
Verhältnisse  der  Patientin  nicht  gestatten,  so  führte  man  trotz  der  geringen 
pathologischen  Veränderung  des  Gelenkes  selbst  die  Resection  am  6.  Mai  aus 
mittelst  des  Hüter'schen  Radialschnittes.  Die  Länge  des  äusseren  Schnittes 
betrug  10,  die  des  inneren  6  Gtm.  Scalpell  und  Raspatorium  trennten  Weichtheile 
und  Periost  von  den  betreffenden  Gondylen  und  Vorderarmknochen.  Das  Radius- 
köpfchen wurde  mit  der  Knochenzange,  der  Humerus  (in  einer  Ausdehnung  von 
6  Gtm.)  und  das  Olecranon  mit  der  Kettensäge  resecirt,  die  Blutung  durch  4  Liga- 
turen gestillt,  das  resecirte  Gelenk  drainirt  und  ein  zweifensteriger  Gypsverband 
in  rechtwinkeliger  Stellung  angelegt. 

Die  Besichtigung  des  Präparates  ergab  eine  Hyperämie  der  Knochen  der 
excidirten  Gelenkenden  ;  ferner  stellenweise  Erweichung  des  Knorpels  an  der  Troch- 
lea,  wo  er  sich  leicht  abziehen  liess,  völlige  Ablösung  mit  Freiliegen  der  rauhen 
Knochenfläche  in  der  Nähe  der  Eminentia  capit.,  welche  einen  circa  1  Gtm. 
langen  und  tiefen  Substanzverlust  zeigte.  Den  erstem  ähnliche  Veränderungen 
fanden  sich  an  der  Gelenk  fläche  des  Olecranon;  überdies  ragten  an  dem  vordem 
Rande  des  mitentfernlen  Proc.  coronoid.  stalaktitenartige  Osteophyten  hervor.  Die 
Sägefläche  stieg  etwas  schief  von  hinten  und  unten  nach  vorn  und  oben ;  die  des 
Radius  von  innen  und  unten  nach  aussen  und  oben.  Die  Länge  des  Humerus- 
Endes  betrug  6  Gtm.;  der  frontale  Durchmesser  seiner  Sägefläche  2  Ctm.  Das 
Gelenkende  der  Ulna  war  in  einer  Ausdehnung  von  4^/4  Gtm.,  das  des  Radius 
in  einer  solchen  von  1  '/z  Gtm.  resecirt.  Humerus-  und  Ulnarstück  massen,  wenn 
coaptirt,  zusammen  8'/4  Gtm.  Eine  starke  Nachblutung,  die  der  Eisbehandlung 
widerstand,  konnte  erst  nach  einstündiger  Gompression  der  Axillaris  gestillt 
werden.  Man  suspendirte  den  Arm  und  leitete  offene  Wundbehandlung  ein.  Einem 
Zustande  völliger  Fieberlosigkeit  und  des  besten  subjectiven  Befindens  folgte  schon 
am  dritten  Tage  heftiges  Fieber  und  Schmerzhaftigkeit,  welche  bis  Anfangs  Juni 


Beiträge  zu  der  Statistik,  und  den  Endresultaten  dor  Gelenkresectionen.     O47 

zwar  mit  erheblichen  Remissionen  aber  fast  ohne  Unterbrechung  anhielten.  Die 
Wunde  secernirte  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Resection  dünnen  und  etwas  übel- 
riechenden Eiter,  der  jedoch  bald  bessere  Beschaffenheit  annahm.  Ihr  übriges 
Aussehen  blieb  von  Anfang  an  gut,  sie  producirte  rasch  kräftige  Granulationen. 
Vom  16.  Mai  an  wurde  Patientin  zu  fleissiger  Fingerübung  angehalten.  Seit 
1.  Juni  brachte  sie  den  ganzen  Tag  ausser  Bett  und  im  Freien  zu,  was  ihren 
Gesundheitszustand  in  erfreulicher  Weise  beeinflusste.  Bei  Abnahme  der  Gyps- 
kapsel  am  8.  Juni  standen  die  Knochen  insofern  fehlerhaft,  als  der  Humerus 
bedeutend  nach  vorn  und  oben  sich  erheben  Hess,  während  Ulna  und  Radius 
nach  hinten  und  unten  sahen.  Den  Arm  trug  die  Resecirte  beinahe  einen  Monat 
in  der  Mitella,  wobei  die  Benarbung  der  Wunde  rüstig  voranschritt,  bevor  man 
(am  1.  Juli)  einen  gefensterten  Wasserglasverband  applicirte.  Bei  dessen  Ab- 
nahme am  21.  zeigte  sich  die  Gelenkverbindung  sehr  locker.  Die  Operirte  ver- 
mochte nicht  den  Vorderarm  activ  zu  beugen,  doch  zu  rotiren.  Die  Finger 
bewegte  sie  vollkommen.  Nun  wurde  sie  täglich  mit  dem  unterbrochenen  Strome 
bis  zum  6.  August,  an  dem  sie  mit  dem  v.  L  a  n  g  e  n  b  e  c  k'schen  Stützapparat 
versehen  austrat,  electrisirt.  Aber  auch  dieses  Resultat  hielt  nicht  an.  Am  12.  VIII. 
veranlassten  neue  Schwellung  und  Schmerzhaftigkeit,  verbunden  mit  Fieber,  ihre 
Unterkunft  in  der  chirurg.  Klinik,  nachdem  sie  versucht,  in  ihrem  Apparate  in 
der  Fabrik  zu  arbeiten.  Es  eröffnete  sich  alsbald  nach  aussen  von  dem  resec. 
Condyl.  extern,  ein  kleiner  subcutaner  Eiterheerd.  Einen  grösseren  kalten  Abscess 
in  der  Gegend  des  Olecranon  incidirte  man  unter  Beobachtung  der  Lister'schen 
Methode  der  Wundbehandlung ;  aus  ihm  flössen  etwa  50  Gctm.  dünnen  Eiters  ab. 
Der  Arm  lag  zuerst  in  einer  Drahtschiene,  dann,  weil  bequemer,  in  einem  Trag- 
tuche. Am  17.  brach  abermals  ein  Abscess  am  inneren  Gelenkende  auf.  Selbst 
genaue  Sondirung  liess  nirgends  unbedeckten  Knochen  erkennen ;  weder  Bewegung 
noch  Druck  erregten  dort  Schmerzen.  Alle  Höhlen  füllten  sich  rasch  mit  Granu- 
lationen und  benarbten.  Das  Fieber  verschwand.  Die  frühere  Schlotterverbindung 
functionirt  seit  22.  August  normal.  Die  vier  letzten  Tage  (3.-7.  IX.)  vor  Ent- 
lassung der  Reconvalescentin  wurde  sie  faradisirt  und  trug  wieder  ihren  alten 
Apparat. 

Abermals  vorgestellt  am  14.  Juni  1875: 

Gut  genährt. 

r.  1. 

Umfang  des  Oberarms 21,5  Ctm.     24,5  Ctm. 

,,  „     Ellenbogengelenks      ...     24        „        24,5      „ 

„  ,,     Vorderarms  in  der  Mitte     .     18        ,;        22         „ 

Länge  des  Arms  vom  Acrom.  bis  pr,  styloid.  47        „        50,5      „ 

Condylen  und  Olecranon  scheinen  völlig  regenerirt. 

r.  ]. 

Breite  derselben     ....     6,5  Ctm.     6  Ctm. 

Passive  Bewegung:  Beugung  bis  Maximum  möglich,  Streckung  bis  180°. 
Letztere  schmerzhaft,  dabei  zugleich  etwas  seitliche  Verschiebbarkeit  und  Pieibung 
zu  fühlen.    Supination  für  den  Radius  allein  halb,  mit  der  Ulna  völlig  ausführbar. 

Active  Beweglichkeit: 

Ohne  Belastung  Erhebung  des  Armes  frei,  Beugung  und  Streckung  normal. 
Pro-  und  Supination  zur  Hälfte  möglich. 

Mit  5  Pfund  Belastung  Erhebung  vom  Boden  bis  zum  Kopf. 


248 


Dr.  W.  Stark. 


Den  24.  Oktober  1876  unterzog  sich  die  Resecirte  einer  neuen  Prüfung 
ihres  Zustandes: 

Wiederholt  hatten  sich  Abscedirungen  um  das  rechte  Ellenbogengelenk 
unter  Fieberschwankungen  und  Schmerzhaftigkeit  gebildet,  die  sie  jeweils  ins 
Spital  zurückführten.  Dieselben  waren  aber  immer  ohne  weitere  Beeinträch- 
tigung des  Allgemeinbefindens  vorübergegangen. 

Schmerzen  sind  auch  in  jüngster  Zeit  wieder  in  verstärktem  Masse  be- 
sonders in  der  Gegend  des  Cond.  int.  aufgetreten.  Zur  Schonung  des  Gelenkes 
trägt  Patientin  noch  fortwährend  einen  Verband. 

Gegenwärtig  erscheinen  die  Narben  der  Operationswunde  und  Fistelgänge 
vollkommen  solide  geschlossen.  Druck  ist  hauptsächlich  am  Innern  Humerus- 
knorren  empfindlich. 

Die  Knochenreproduktion  ersetzte  Olecranon  sowie  die  Gondyli  zur  Genüge. 
Sucht  man  die  Knochenstümpfe  (d.  Hum.  und  d.  Ulna)  in  seitlicher  Richtung 
an  einander  zu  verschieben,  so  gelingt  dies  blos  in  minimalem  Grade. 

r.  1. 

Umfang  des  Oberarms 21^2  Ctm.     25  Ctm.. 

»  »     Ellenbogens 22  »         24     » 

Durchmesser  des       »       zwisch,  d.  Gondylen  .       5^/2      »  6     » 

»  »         »       zw,  Beugefläche  u.  Olecr.   5V4      »  6     » 

Umfang  des  Vorderarms  ........     20         »         24     » 

»  »     Handgelenks 16         »         16     » 

Länge  von  Process.  corac.  bis  Cond.  ext.       .     25         »         29     » 
»         »     Cond.  ext.  bis  Proc.  styl,  radii     .21  »         23     » 

»         »    Proc.  corac.  bis  Pr.  styl,  radii      .     46         »         52     » 

Diff.  6 
Länge  von  Cond.  int.  bis  Proc.  styl,  ulnae    .23         »         26     » 
Active  Flexion  bis  zum  Winkel  von     94** 
Passive       »         »       »  »  »55° 

Active  Streckung »      >;  »  »165° 

Passive         »  »        »  »  »      168°(=nachvornoffenerW.) 

Pronation  bis  der  Daumen  nach  abwärts  sieht;  passiv  nur  wenig  mehr. 
Active  Supination  bis  der  Daumen  nach  oben  steht ;  passiv  bis  die  Volar- 
fläche  nach  oben  schaut. 

Die  Operirte  ist  im  Stande,  mit  der  rechten  Hand  bis  zum  Kinn  zu 
reichen.  Der  Händedruck  erweist  sich  rechts  kaum  schwächer  als  links.  Sie 
hebt  30  Pfund  vom  Boden  in  die  Höhe  bei  gestreckt  hängendem  Arme.  Soll  sie 
jedoch  die  derart  situirte  Extremität  der  Horizontalen  nähern,  so  vermag  sie 
5  Pfund  nur  um  Weniges  nach  vorn  zu  bringen.  Fixirt  man  den  herabgesenkten 
Oberarm,  so  können  bei  Beugung  im  resecirten  Gelenke  3  Pfund  bis  zu  einem 
stumpfen  Winkel  gebracht  werden. 

Das  Mädchen  wickelt  in  der  Fabrik  Gigarren,  wobei  ihr  der  rechte  Arm 
sehr  gute  Dienste  leistet. 

Fall  9. 

Fridolin  Ganter,  28jähriger  lediger  Holzfäller  aus  Faulenfürst,  Htt 
seit  1867  an  spontan  entstandenen  Schmerzen  des  linken  Ellenbogengelenks. 
Er    nahm   nie  ärztlichen  Rath  in  Anspruch,    trotzdem   dass   der  Arm  seit  1873 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     249 

wegen  ihrer  stets  wachsenden  Intensität  nicht  mehr  bewegt  werden  konnte. 
Ende  Oktolier  1874  trat  unter  Röthung  der  betreffenden  Hautparthie  eine  Ge- 
schwulst in  der  Gelenkgegend  auf,  nach  deren  Eröffnung  sich  reichlich  Eiter 
entleerte.  Am  25.  November  kam  Patient  in's  Spital.  Ausser  den  Symptomen 
von  Syphilis,  die  durch  Roseola  (seit  6  Wochen),  indurirte  Geschwüre  der  Vorhaut, 
Drüsenschwellungen  (in  der  Leisten- ,  Gubital-  und  Nackengegend) ,  Papeln  der 
Mundwinkel,  Substanzverlust  der  linken  Tonsille  und  Rachenröthung  sich  be- 
kundete und  in  der  Folgezeit  mit  Sublimatinjectionen  erfolgreich  bekämpft  wurde, 
fand  man:  Anschwellung  der  Ellenbogengegend,  schmerzhaft  bei  directem  und 
indirectem  Drucke;  eine  Fistel  mit  blau  unterminirten  Rändern  dem  Condyl.  extern, 
entsprechend,  ihr  Secret  dünn  und  trübe.  Eingeführte  Sonde  stösst  nirgends 
auf  cariösen  Knochen.  Arm  in  fast  vollständiger  Streckung  fixirt,  nur  wenig 
passiv  beweglich.  Rotation  des  Vorderarms  sehr  empfindlich.  Zur  Verbesserung 
der  Stellung  ward  am  3.  Dezember  die  fragliche  Extremität  in  der  Narkose  ge- 
beugt und  im  rechten  Winkel  eingegypst.     (Gefensterter  Verband.) 

Heftiges  remittirendes  Fieber  am  folgenden  Tage  (40,5''j,  das  in  mehr  oder 
weniger  erheblichem  Grade  bis  zum  19.  bestand,  leitete  ein  Erysipel  ein,  welches 
am  Vorderarm  begann,  alsdann  auf  Oberarm  (Schwellung  der  Axillardrüsen), 
Schulter,  Supra-  und  Infraclaviculargegend ,  hnke  Thoraxseite,  sogar  den  Rücken 
weiter  wanderte,  bis  es  am  17.  Dezember  erlosch.  Zugleich  waren  an  den 
afficirten  Stellen  ziehende  und  brennende  Schmerzen  vorhanden.  Die  Rehandlung 
bestand,  nachdem  der  Gypsverband  (den  7.  Dez.)  aufgeschnitten,  in  Bepinselungen 
der  jeweils  befallenen  Parthieen  mit  Carbolöl.  Ein  Recidiv,  das  von  der  Fistel 
am  Cond.  extern,  unter  abermaliger  Temperaturexacerbation  ausging  (4.  Febr.), 
ergriff  blos  den  Vorderarm  und  verschwand  schon  nach  4  Tagen  wieder.  Den 
8.  Februar  bildete  sich  an  der  Ulnarseite  der  fraglichen  Extremität,  3  Zoll  unter- 
halb des  Olecranon,  ein  oberflächlicher  Abscess  aus,  den  man  durch  Einschnitt 
seines  Inhaltes  entledigte.  Gegen  Schmerzhaftigkeit  am  Proc.  styloid.  ulnae  wurden 
mit  Erfolg  Jodeinpinselungen  angewendet.  Die  Eiterung  der  Incisionswunde  ver- 
mehrte sich  am  19.  Febr.,  die  Gelenkgegend  schwoll  stärker,  Patient  fieberte  (40°), 
der  ganze  Arm  schmerzte.  An  der  Streck-  und  Radialseite  des  Ellenbogens  fand 
neue  Eiteransammlung  statt,  der  man  am  27.  durch  Aufschneiden  einen  Ausweg 
verschaffte. 

Den  2.  März  1875  wurde  resecirt:  Esmarch's  blutsparender  Verband  ging 
voraus.  Ein  Längsschnitt  unter  Carbolspray  nach  Li  st  er  verschaffte  den  Zu- 
gang zu  den  Knochenenden  des  Humerus  und  der  Ulna,  deren  Durchsägungs- 
stellen  intact  waren.  Die  Länge  des  excidirten  Gelenktheils  in  toto  betrug  3  Gtm. 
Das  in  der  Mitte  der  Trochlea  in  zwei  ungefähr  gleich  grosse  Stücke  auseinander 
gebrochene  Humerusende  war  2  Gtm.  lang,  seine  Sägefläche  mass  im  Quer- 
durchmesser 6^4  Gtm.  Osteophy tische  Auflagerungen  nebst  einzelnen  cariösen 
Defecten  missstalteten  besonders  die  Rotula.  Das  am  Processus  coronoid.  abge- 
trennte Olecranon  hatte  4  Gtm.  Länge  und  verbreiterte  sich  in  Folge  von  knöchernen 
Wucherungen,  welche  zugleich  seine  Umrandung  unregelmässig  machten.  Radius- 
köpfchen 1  Gtm.  dick.  Die  hierauf  normale  Temperatur  erhob  sich  am  dritten 
Tage  nach  der  Operation  zu  3^°,  fiel  jedoch  bald  zur  Norm  wieder  herab.  Der 
Heilverlauf  erwies  sich  äusserst  günstig,  die  Granulationen  kräftig  bei  spärlicher 
Secretion.  Die  Wunde  verkleinerte  sich  rasch.  Patient  ging  mit  dem  in  einem 
Gypsverbande  (28.  März)  eingekapselten  Arme  umher.  Touchiren  sollte  den  Be- 
narbungsprozess  beschleunigen.    Aber  der  Reconvalescent  entwich  noch  vor  dessen 


250  Dl-  W.  Stark. 

Beendigung  am  10,  April.    Er  kam  ^/2  Jahr  später  wieder  mit  geschlossenen  Fisteln 
und  wenig  beweglichem  Arme  *). 

20.  Dez.  1876.  Das  Allgemeinbefinden  war  seither  günstig.  Schmerzen 
am  resecirten  Gliede  fehlten.  Die  Operationswunde  heilte  erst  vergangenen 
Sommer  vollständig  zu.  Ein  Fistelgang  über  dem  Cond.  extern,  eiterte  bis  An- 
fangs September.  Trotzdem  konnte  Patient  bei  seinen  ländlichen  Arbeiten  auch 
den  linken  Arm  benützen ;  freilich  stand  derselbe  an  Leistungsfähigkeit  dem 
rechten  erheblich  nach.  Der  Mann  gibt  aber  zu,  dass  letztere  im  Laufe  der  Zeit 
gewachsen  sei.  Die  linke  obere  Extremität  befindet  sich  bei  Ruhelage  in  ge- 
streckter Haltung,  der  Vorderarm  verharrt  beinahe  in  Mittelstellung  (leicht  pronirt). 
Die  Resectionsnarbe  erscheint  noch  geröthet,  dünn,  in  der  Mitte  auf  ihrer  Unter- 
lage festsitzend.  Eine  Borke  überdeckt  die  Fistelapertur  am  Cond.  ext.  Letzterer 
sowie  der  Internus  sind  annähernd  regenerirt,  etwas  weniger  das  Olecranon. 
Das  Radiusköpfchen,  welches  dicht  unter  dem  Cond.  ext.  steht,  hat  sich  gleich- 
falls (obschon  etwas  unförmlich)  wieder  ersetzt. 

Die  neue  Gelenkverbindung  ist  eine  ziemlich  feste;  doch  lässt  sich  eine 
minimale  seitliche  Verschiebbarkeit  bewerkstelligen. 

1.  r. 

Länge  vom  Acrom.  —  Cond.  ext 29    Ctm.     30    Gtm. 

„      Cond.  ext.  —  Proc.  styl.  rad.      .     24^2  .,        25 

„      Acrom.  —  Proc.  styl.  rad.      .     .     53^2  ..        55       „  Diff.  1^/2 

Umfang  der  Oberarmmitte 18,5    ,.        25,5    ;, 

,,        des  Ellenbogengelenks 23^/2  „        25^/2  „ 

Durchmesser  d.  Ellenbogens  v.  rechts  n.  links       6V2  .,  7^/2  ,, 

,,  ,,  .,  v.  vorn  n.  hinten       5^/2  ,.  7^2  „ 

Umfang  der  Vorderarmmitte 22       „        26^/2  „ 

des  Handgelenks 16       ,,        I7V2  „ 

Die  rechte  Hand  ist  stärker  entwickelt  als  die  linke,  ihr  Druck  überbietet 
den  gleichfalls  kräftigen  der  andern. 

Das  Excursionsvermögen  im  Schultergelenk  erweist  sich  vermindert  (Hub- 
höhe bis  123"),  weniger  das  im  Handgelenk,  aber  auch  hier  werden  Beugung 
und  Streckung  nur  mit  grösserer  Anstrengung  ausgeführt. 

Active  Flexionsversuche  bewirken  eine  Winkelstellung  von  nur  130"  zwischen 
Ober-  und  Vorderarm;  passiv  lässt  sich  die  Beugung  im  Cubitalgelenke  bis  zu  80" 
bringen,  wobei  zugleich  eine  Stellungsveränderung  des  Radius  merkliche  Pro- 
nationsbewegung hervorruft.    Ueberstreckung  findet  nicht  statt. 

Bei  der  activen  Pronation,  ebenso  bei  der  Supination,  von  denen  letztere 
jedoch  sehr  beschränkt,  betheiligt  sich  der  Radius  nicht  isolirt,  sondern  der 
Vorderarm  als  Ganzes.  Passiv  vermag  man  in  geringem  Grade  seibstständige 
Rotationsbewegungen  des  Radius  zu  erzielen.  Auch  können  so  Supinations- 
bewegungen  bis  fast  zur  gewöhnlichen  Grenze  forcirt  werden.  Das  Hebvermögen 
des  operirten  Arms  beläuft  sich  auf  bh  U,  h  U  werden  bei  gestreckter  Extremität 
bis  zu  einem  Winkel  von  70°  nach  vorn  elevirt. 


*)  Der  interessante  Einfluss  des  Erysipels  auf  die  Syphilis  in  diesem  Falle 
ist  von  Dr.  A.  De  ah  na  in  der  Vierteljahrschrift  für  Dermatologie  und  Syphilis 
1876  beschrieben  worden. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     25  L 


Fall  10. 

Sarah  Wollier,    17  Jahre  alt,    ledige  Dienstmagd   aus  Schenkenzeil  fiel 
in  ihrem  11.  Lehensjahre   auf  den  linken  EUenhogen.     In  Folge  hiervon  konnte 
sie   wegen  starker  Schmerzhaftigkeit   das  Gelenk   einige  Zeit   gar  nicht  bewegen 
und  es  blieb  durch  Schmerz  beschränkte  Excursionsfähigkeit  zurück.    Nach  etwa 
2  Jahren  wurde   die  Haut  oberhalb  des  Olecranon  von  zwei  Fistelgängen  durch- 
brochen, welche  unbedeutend  Eiter  secernirten;  sie  heilten  nach  längerm  Bestehen 
von  selbst  zu.    Doch  nach  einem  weitern  Jahre  bildeten  sich  zwei  frische ;  dies- 
mal  am  Vorderarm.     Ein  Arzt   stellte   die   kranke  Extremität   in   einen   rechten 
Winkel   und   es   gelang   ihm ,    die  Fisteln   durch   wiederholtes  Cauterisiren  zum 
Verschlusse  zu  bringen.    Als  das  Mädchen  Anfangs  1874  in  einen  Dienst  eintrat, 
verschlimmerte  sich  der  Zustand  abermals;    die  Schmerzen  recidivirten  und  mit 
dem   Beginne    des   Jahres  1875    öffneten    sich    die    Fisteln    des   Vorderarms    von 
Neuem.     Bei  der  am  15.  März  1875   erfolgten  Aufnahme   Hess  der  rechtwinkelig 
fixirte   linke   Arm   der   sonst   kräftig   und   gesund   aussehenden  Patientin  active 
Bewegungen  gar  nicht,  passive  nur  in  geringem  Grade  zu.    Letztere  schmerzten, 
desgleichen  indirecter  Druck.     Die  Gircumferenz  des  Gelenkes    überstieg   die  der 
rechten   Seite   um   2  Ctm.     4  Gtm.   unterhalb   einer  strahlenförmigen,    mit   dem 
Knochen   nicht  verwachsenen  Narbe,    deren  Sitz  dem  Gond.  internus  entsprach, 
befanden   sich   an   der  Ulnarseite   des  Vorderarms  2  kleine  Fisteln,    welche  nur 
wenig  dünne  Flüssigkeit  absonderten.    Die  eingeführte  Sonde  glitt  in  der  Richtung 
des   Gelenks,    ohne  jedoch   auf  Knochen   zu   stossen.     Die  Fisteln   wurden  mit 
Arg.  nitr.   touchirt   und  ein  gefensterter  Gypsverband  applicirt,    worauf  sich  die 
Schmerzen    besserten.     Derselbe    musste    nach    Monatsfrist    wegen   Recrudescenz 
der    Entzündungserscheinungen     (heftiger    Schmerz,    hohe    Temperatur,    starke 
Schwellung,  reichliche  Eitersecretion)  abgenommen  und  nach  Lagerung  des  Arms 
auf  eine  Schiene  eine  Eisblase  aufgelegt  werden.    Eine  Incision  am  Gond.  intern., 
wo  deutliche  Fluctuation  vorhanden  schien,    förderte  keinen  Eiter  zu  Tage.     In- 
dessen brach  kurz  darauf  die  alte  Narbe  am  Gond.  intern,  spontan  auf  und  ent- 
leerte Eiter.    Da  eine  nochmalige  genaue  Untersuchung  am  30.  April  neben  den 
bisherigen  Resultaten  bedeutende  seitliche  Verschiebbarkeit  des  Vorderarms  ergab, 
insbesondere  aber  die  Sonde  hierbei  durch  sämmtliche  Fisteln  nach  dem  Gelenke 
und   auf  rauhen  Knochen   kam ,    schritt  man  sofort  zur  totalen  Resection  unter 
Lister,    mit  Esmarch'scher  Einwickelung  und  v.  Langenbeck'scbem  Längs- 
schnitte.   Am  Humerus  war  das  Mark  der  Operationsgrenze  noch  sehr  hyperämisch. 
Der  Knorpel  der  resecirten  Knochenstücke  zeigte  sich  theils  stark  injicirt,    theils 
abgelöst.     Es  bestand   subchondrale   Ostitis.     Massenhafte   Granulationen   füllten 
das  Gelenk   und   dessen  Umgebung   aus.    Die  Wunde   wurde   theilweise  vernäht 
und  Drainage    eingeleitet.     Nur   an    einzelnen    Stellen   noch   anhaftende  Knorpel- 
fetzen   bedeckten    die    zerfressene   Gelenkfläche   des  Humerusendes,   das    in  toto 
l'/4  Gtm.  mass  und  dessen  Sägeflächedurchmesser  der  Quere  nach  5'/4  Gtm.  be- 
trug.   An  der  Innern  Hälfte  der  Trochlea,  etwa  in  der  Mitte  des  Innern  Wulstes, 
verlief  von  rechts  nach  links  eine  tiefe  Spalte;  eine  eben  solche  an  der  unteren 
Grenze  des  letzteren.     Die  die  Eminentia  capitata   überziehende  Knorpelschichte 
hatte   ihren   Glanz  verloren.     Die  Sägeebene   des  3V2  Gtm.   langen  Ulnarstückes 
stieg   von    hinten  und  unten  nach  vorn  und  oben.     Der  obere  innere  Rand  des 
Olecranon   trug   durch    den    destruirenden   Prozess   einen    rundlichen,    1^2  t^^m. 


252  Dr.  W.  stark, 

grossen  Defect  davon.  Auch  an  dessen  Innenseite  zeugte  ein  etwa  1  Ctm.  tiefer, 
halbmondförmiger  Ausschnitt,  von  oben  her  durch  osteophytische  Wucherungen 
überragt,  von  den  theils  regressiven,  theils  progressiven  pathologischen  Vorgängen. 
An  der  äussern  Parthie  wurde  durch  eine  isolirte  Knochenspange  an  dem  dort 
ausgebuchteten  Olecranon  ein  ovaläres,  7  Mm.  umfassendes  Loch  formirt.  Der 
erweichte  Knorpel  umhüllte  lose  den  cariösen  Knochen,  dessen  scharfe  Umrandung 
am  Process.  coron.  verschwunden  war.  Vom  Radius  entfernte  man  Vj*  Ctm. 
Auch  hier  liess  der  abgedeckte  Knorpel  eine  degenerirte  Knochenoberfläche  er- 
blicken. —  Humerus-  und  Ulnarparthie  nach  Herstellung  der  Articulation  o  Ctm. 
lang.  Des  andern  Tages  machten  heftige  Schmerzen  Entfernung  der  Nähte  und 
Eisüberschläge  nothwendig.  Im  Uebrigen  ging  die  Heilung  äusserst  rasch  von 
Statten.  Die  Schmerzen  Hessen  nach;  das  Fieber  währte  mit  Unterbrechung 
bis  zum  11.  Mai  in  massigem  Grade.  Die  Wunde  war  schon  am  25.  Mai  fast 
vollständig  geschlossen. 

Nach  ihrer  Entlassung  stellte  sich  die  (sonst  gesunde  und  kräftige)  Patientin 
am  24.  Okt.  1876  zum  ersten  Male  wieder  zur  genauem  Ermittlung  des  Zustandes 
ihres  kranken  Armes.  Sie  hatte  bis  zur  Zeit  Schmerzen  in  der  Ellenbogengegend 
bei  Bewegungen. 

Sowohl  in  der  Resectionswunde ,  etwa  zwischen  dem  unvollständig  repro- 
ducirten  Cond.  int.  und  Olecranon,  als  auch  zwischen  letzterem  und  dem  ebenfalls 
unvollkommenen  Cond.  ext.  münden  zwei  Fistelgänge,  durch  die  die  Sonde  etwa 
2^2  Cm.  in  die  Tiefe,  doch  nicht  auf  rauhen  Knochen  kömmt.  Dieselben  secer- 
niren  massig,  sollen  aber  nie  völlig  geschlossen  gewesen  sein.  Im  Uebrigen  sind 
die  Wunden  vernarbt  und  sitzt  der  untere  Theil  der  Operationsnarbe  auf  dem 
Knochen  fest. 

I.  r. 

Umfang  des  Oberarms 22^2  Ctm.  22  Ctm. 

„     Ellenbogens 22         „      23     „ 

Durchmesser  zwischen  Cond.  int.  und  ext.  .6         ,,        6     ,, 
„  ,,  Beuge  und  Olecranon       5^2      ,.        5     ,, 

Umfang  des  Vorderarms 18         „      22     „ 

„    Handgelenks 14  .,      141/2,, 

Länge  vom  Proc,  corac.  —  Cond.  ext.     .     .     26         ,,      31     ,, 
„     Cond.  ext.  —  Proc.  styl.  rad.     .     21  „      24     „ 

„         „     Proc.  corac.  —  Proc.  styl.  rad.  .     47         ,,      55     ,,  Diff.  8  Ctm. 
„         „     Cond.  int,  —  Proc.  styl.  uln.      .     21  „      24     ,, 

activ        passiv 

Beugung bis  85"     bis  41° 

Streckung „  180°      nicht  weiter. 

Einwärtsrotation  activ  bis  Volarfläche  nach  abwärts; 

„  pas.siv  bis  Daumen  nach  unten. 

Auswärtsrotation  activ  bis  Volarfläche  nach  oben; 

„  passiv  etwas  weiter  (also  bis  zur  normalen  Grenze). 

Bei  passiven  Bewegungen  fühlt  man  im  neuen  Gelenke  Crepitation,  was 
auch  subjectiv  empfunden  wird. 

Händedruck  ist  auf  beiden  Seiten  ziemHch  gleich.  Sie  hebt  bei  hängendem 
Arme  35  tt  vom  Boden.  1  U  bringt  .sie  bis  über  den  Kopf;  3  U  nur  mit  Mühe 
bis  zur  Brust;  3  8  bei  Fixation  des  herabgesenkten  Humerus  bis  zu  einem 
stumpfen  Winkel. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkreseclionen.     253 


Fall  11. 

Casimir  L  a  m  b  e  r  t  i  n  ,  21  Jahre  alt,  ledig,  aus  Grafenhausen,  hatte 
mehrmals  das  Unglück,  sich  durch  Fall  zu  beschädigen:  Zuerst  in  seinem 
7.  Lebensjahre,  als  er  von  einem  Pferde  herab  mit  dem  Rücken  auf  eine  Wagen- 
achse stürzte,  wesswegen  er  5  Wochen  das  Bett  hüten  musste.  Hierauf  anno 
1871  fiel  er  zum  ersten  Male  auf  den  rechten  Ellenbogen,  der  von  da  an  stets 
etwas  angeschwollen,  doch  sonst  vollkommen  gebrauchsfähig  blieb.  4  Jahre  spä- 
ter, im  Juni  1875,  verletzte  er  sich  abermals  den  Ellenbogen  durch  einen  Sturz 
in  einen  Graben.  Seitdem  bestanden  Schmerzen  und  Arbeits^unfähigkeit.  Am 
11.  November  1875  suchte  Patient  Abhülfe  im  Spitale.  Er  sah  schwächlich  aus, 
und  hatte  angeblicli  in  Folge  des  ersten  Falles  eine  spitzwinkelige  Kyphose. 
Man  fand  Schwellung  des  rechten  Ellenbogengelenks,  Beschränkung  der  activen, 
Schmerzhaftigkeit  der  passiven  Bewegungen  (besonders  der  Rotation),  Druck 
massig  empfindlich.  Der  Kranke  wurde  mit  einem  Gypsverbande  am  18.  Novem- 
ber versuchsweise  entlassen,  um  zu  sehen,  ob  Ruhe  zur  Besserung  ausreiche. 
Weil  aber  bei  seiner  Rückkehr  am  12.  Dezember  der  Zustand  sich  nicht  ver- 
ändert hatte,  auch  eine  nun  wiederholt  (4mal  je  ^2  Grm.)  vorgenommene  Garbol- 
einspritzung  zu  keinem  Ziele  führte,  wurde  das  Gelenk  am  10.  Januar  1876  re- 
secirt.  Auf  Esm  ar  c  h'sche  Einwickelung  folgte  der  Hautmuskelschnitt,  nach 
dessen  Vollendung  sich  bräunlich-gelbliche,  eitrige  Flüssigkeit  ergoss.  Beim  wei- 
teren Präpariren  zeigte  sich  die  Synovialhaut  überall  gallertartig  infiltrirt.  Der 
Knorpel  war  geschwunden  und  der  Knochen  an  verschiedenen  Stellen  rauh.  Alle 
3  Gelenkenden  mussten  abgesägt  werden  und  zwar  von  dem  des  Humerus  3  Ctm., 
von  der  Ulna  31/2  Ctm.,  vom  Radius  '/z  Ctm.  Die  Grösse  des  herausgenomme- 
nen Gelenktheils  im  Ganzen  belief  sich  auf  4  Ctm.  Der  Sägeflächendurchmesser 
des  Humerus  betrug  in  frontaler  Richtung  6  Ctm.  Die  Contouron  der  Trochlea 
erschienen  intact,  weniger  die  der  Eminentia  capitata;  der  Knorpel  an  der  Vor- 
derseite beider  losgelöst,  der  Knochen  cariös.  Der  Cond.  int.  und  externus  waren 
gleichfalls  zernagt.  Der  cliondrale  Ueberzug  des  Olecranon  erwies  sich  malacisch, 
der  Proc.  coronoid.  in  seiner  Umgrenzung  schadhaft,  die  Rindensubstanz  der 
Olecranonrückenfläche  porös.  Auch  das  Radiusstück  hatte  eine  erweichte 
Knorpeldecke. 

Die  Nachblutung  war  ziemlich  stark  und  musste  durch  Ligaturen  und 
Compressivverband  gestillt  werden.  Dieser  schwere  chirurg.  Eingriff  verursachte  gar 
keine  Reaktion.  Die  Tempera turcurve  bewegte  sich  fast  ausnahmslos  iimerhalb 
normaler  Grenzen.  Das  subjective  Befinden  liess  nichts  zu  wünschen  übrig. 
Die  Heilung  verlief  auffallend  rasch,  so  dass  Patient  schon  am  7.  März,  nach- 
dem der  Arm  eingegypst,  mit  beinahe  geschlossener  Wunde  entlassen  wurde. 

Als  er  sich  am  30.  Mai  wieder  einstellte,  vermochte  er  mit  der  Hand  bis 
auf  den  Kopf  zu  greifen.    Die  darauf  folgende  Woche  wurde  er  täglich  elektrisirt. 
12.  November  1876: 

Der  Resecirte  konnte  wegen  rascher  Ermüdung,  Unsicherheit  und  Unzu- 
länglichkeit der  Bewegungen  (besonders  der  Rotationen)  im  rechten  Arme  sein 
früheres  Gewerbe  als  Barbier  nicht  wieder  aufnehmen,  —  beschäftigt  sich  dess- 
halb  gegenwärtig  mit  dem  Einrollen  von  Cigarren. 

Schmerzen  sind  noch  im  Oberarm  bei  Bewegungen  vorhanden.  Sonst 
weiss  er  über  Nichts  zu  klagen. 


254 


Dr.  W.  Stark. 


Die  betreffende  Extremität  fülilt  sich  kälter  an  als  die  linke,  was  auch 
subjectiv  empfunden  wird.  Der  Vorderarm  befindet  sich  in  Mittelstellung.  Die 
Resectionsnarbe  ist  geröthet,  doch  solide.  Condyl.  ext.  und  Olecran.  haben  sich 
hinreichend  regenerirt,  weniger  der  Cond.  internus. 


r. 
27 
25 
52 
30 
23 
53 


Ctm. 


1. 

30 

25 

55 

33 

27 

CO 

24 

25 

22  V2 
16 


Ctm. 


Diff.SG. 


Diff.7a 


Länge  vom  Acrom.  —  Cond.  ext.     .     .     . 
»  »     Cond.  ext.  —  Proc.  styl.  rad. 

»  »     Acrom.  —  Proc.  styl,  rad. 

)s-  »     Proc.  corac.  —  Cond.  int. 

»  »     Cond.  int.  —  Proc.  styl.  uln. 

»  »     Proc.  corac.  —  Proc.  styl.  uln. 

Umfang  des  Oberarms 17 

»  »     Ellenbogens 21 

Durchmesser  des      »         zwischen  den  Gondylen     4^/4 
»  »        »        V.Beuge  zum  Olecranon     5 

Umfang  des  Vorderarms 17 

„  „     Handgelenks 15 

Hände  ziemlich  gleich  gross. 

Im  Schultergelenk  der  rechten  Seite  kann  der  Arm  nur  bis  100**  aktiv, 
passiv  bis  126°  erhoben  werden  (Theilnahme  der  Scapula);  im  Handgelenk  er- 
weist sich  das  Beugungsvermögen,  etwas  weniger  auch  das  der  Streckung  beein- 
trächtigt. Drehversuche  des  Vorderarms  führen  blos  zu  minimalen  Excursionen. 
Lässt  man  aber  bei  massiger  Beugung  desselben  die  ganze  Extremität  zu  solchen 
Manövern  verwenden,  so  wird  durch  die  Rotationsmuskeln  des  Oberarms  dieser 
Funktionsverlust  derart  supplirt,  dass  activ  die  Pronation  (also  miter  Beihülfe 
des  Teres  major  und  Subscapularis)  von  der  Mittelstellung  aus  bis  zu  einer 
Viertelsdrehung  von  Statten  geht.  Supinationsbemülmngen  ergeben  aber  auch 
trotz  der  Mitwirkung  von  Supra-  und  Infraspinatus  nebst  Teres  minor  nur  einen 
sehr  geringen  Erfolg.  Passiv  erwirkt  man  eine  Einwärtsdrehung  bis  die  Volar- 
fläche  nach  aussen  sieht,  eine  Auswärtswendung  bis  zur  Norm. 

Die  active  Flexion  im  Gubitalgelenke  geschieht  gleichfalls  bis  zur  normalen 
Grenze,  doch  scheint  der  Vorderarm,  sobald  er  den  rechtwinkeligen  Stand  zum 
Humerus  überschritten  hat,  nicht  durch  Muskelzug  demselben  noch  näher  ge- 
bracht zu  werden,  sondern  fällt  vielmehr  von  selbst  in  die  extreme  Spitzwinkel- 
stellung. Die  aktive  Extension  gelingt  bis  zu  143",  passiv  bis  163".  —  Seitliche 
Verschiebbarkeit  der  Resectionsstümpfe  aneinander  fehlt. 

Der  Händedruck  zeigt,  ob  zwar  auch  der  rechtsseitige  kräftig  ist,  eine  sehr 
erhebliche  Differenz  zu  Ungunsten  der  afficirten  Extremität. 

Der  junge  Mann  hebt  mit  dem  operirten  Arme  35  Pfund  vom  Boden  auf. 
Bei  gebogenem  Gliede  bringt  er  mit  Mühe  eine  leere  Schale  etwa  bis  zur  Höhe 
der  Schulter.  Jede  weitere  Anforderung  an  die  Leistungsfähigkeit  des  Armes 
bleibt  fruclitlos. 


Fall  12. 

Conrad  Baumann,  17  Jahre  alt,  lediger  Fabrikarbeiter  aus  Hornberg, 
bemerkte  zuerst  1865  eine  allmählig  entstehende  Anschwellung  an  der  Aussenseite 
des  rechten  Fusses,  welche  nach  bedeutender  Vergrösserung  im  Jahre  1868  auf- 
brach   und    fortwährend   dünnen  Eiter  entleerte.     Wachsthum   des   Tumor  und 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     255 

Vermehrung  der  Fisteln    veranlasste    den  Patienten    seit  Ende  Februar  1873  das 
Bett  zu  hüten,  obgleich  weder  die  Beeinträchtigung  der  Gebrauchsfähigkeit  noch 
die  Schmerzen   sehr   stark    waren.    Der   herbeigerufene  Arzt  verband  2  der  vor- 
handenen Fistehi  durch  Schnitt  und  entfernte  zwei  nekrotische  Knochenstückchen. 
Darauf  hin   wucherten  die  Granulationen  durch  die  Incisionsöffnung  rasch  nach. 
Am   15.  April  1873    liess    sich    der    Kranke   in's   hiesige   Spital    verbringen.     Er 
fieberte  und  sah  anämisch  aus.    Auf  dem  afflcirten  Fusse  konnte  er  noch  stehen 
und  gehen.    Der  äussere  Rand  desselben  zeigte  eine  Geschwulst,  die  den  ganzen 
Rauin   von   der  Mitte   der  Ferse   über   den   Malleol.  extern,   und   die   Mitte   des 
Fussrückens   bis    zur  Basis   der  Metatarsalknochen    einnahm.     Im  Centrum  jener 
befand  sich  ein  Hautdefekt  von  der  Grösse  eines  Fünfmarkstücks,  woraus  dicke, 
schwammige  Granulationen,  umgrenzt  von  mehreren  kleinen,  in  die  Tiefe  führenden 
Fisteln,    pilzförmig  hervorragten.     Weitere  zwei  Fisteln  durchbohrten  die  hintere 
Fersenhaut;   ihre   Gänge   hatten   die   Richtung  zum   Galcaneus.     Die   Sondirung 
stellte   ausserdem   fest,    dass  das  Os.  cuboid.  fast  völlig  geschmolzen  und  durch 
Granulationsmassen    ersetzt   war,    in  welchen  noch  einige  nekrotische  Knochen- 
partikelchen  Stacken;    dass  sich  ferner  der  Galcaneus  und  die  Köpfe  des  4.  und 
5.  Metatarsus  entblösst,  rauh  und  weich  anfühlten.     Passive  Bewegung  im  G  h  o- 
parfschen  Gelenke   schmerzte.     Roborirende    Diät,    Fussbäder,   Carbolwattever- 
band  und  ruhige  Lage  bildeten  die  einleitende  Behandlung.     Zwei  kleine  Nekro- 
sen des  Os.  cuboid.  mussten  schon  am  16.  und  17.  mit  der  Kornzange  extrahirt 
werden.     Den  30.  schritt  man  zur  Resection.     Auskratzen  der  oben  beschriebenen, 
hervorquellenden  Granulationen  mit  dem  scharfen  Löffel  und  Spaltung  der  Haut- 
brücke, welche  diese  Fistel  von  der  an  der  Ferse  befindlichen  trennte,  legte  den 
(ausgehöhlten)  Galcaneus  blos.  der  nun  vollständig  aus  dem  Periost  herausgeschält 
wurde.     An  dem  hintern  Abschnitte   von  dessen  Aussenfläche  war  eine  3^/4  Gtm. 
lange  und    über  2   Gtm.   tiefe,    cariöse    Caverne;  der   Knochen  an   der   vordem 
Parthie  der  erstem  rareficirt  und   mit   Granulis   bedeckt,  auch  die  Substanz  der 
Hinter-  und  Innenseite  mit  grossen    Poren  durchsetzt.     In   der  Wunde   trat   als- 
dann   die   untere  Gelenkfläche  des  Talus  zu  Tage,   überdies   klaffte  das  Talona- 
viculargelenk.     Man  applicirte  hierauf  einen   gefensterten  Gypsverband  und   sus- 
pendirte   die    Extremität.      Die    Temperaturhöhe    betrug    in   den    ersten    Tagen 
durchschnittlich  39,50  y^j  gjj^g   dann  nach  und  nach  zur  Norm  herab.     Da  die 
Ränder  der  Weichtheilspalte   fest   zusammen  verklebten,  sollte  eine  alsbald  ein- 
gezogene Drainage  die  Anstauung  des  Sekretes  in  dem   zurückgebliebenen  Hohl- 
räume verhüten.     Weil  aber  trotzdem  die  reichliche  Eitermasse  (4,  Y.)  übel  roch, 
wurde  der  an  eine  paraffinirte  Gypsschiene    befestigte  Unterschenkel  in  das  per- 
manente Wasserbad  gebracht,   was  Besserung  der  Absonderungsverhältnisse  und 
gute  Granulationsbildung  bewirkte  (7,  V.)     Ueber   dem  Malleol.   internus    machte 
sich  am  14.  Mai  eine  prominirende,  schmerzhafte  Stelle  bemerkhch,  aus  der  auf 
Incision   am  23.    dunkler  Eiter   kam.     Sofort   schwand    die   Fieberexacerbation, 
welche  damit  verbunden  gewesen.    Das  Wasserbad  liess  man  nun  weg.     (Draht- 
rinne.)    Die  beiden  bei  der  Resection  eingeschnittenen  Fistelgänge  communicirten 
nicht  mehr  mit    einander.     Ihr  Lumen   hatte  sich    verkleinert.     Der   zuletzt   ge- 
öffnete Abscess   granulirle  rasch.     Die  Anschwellung   verlor  an  Umfang.     Bewe- 
gungen des  Tibiotarsalgelenkes  waren   nicht  empfindlich;   das  Allgemeinbefinden 
gut.    Den  29,  Mai  gelangte   die    obere  Fistel    der   Aussenseite    zum  Verschlusse. 
Den  3.  Juni  wurde  das  Drainagerohr  aus  der  unteren  vorübergehend  weggenommen 
imd  kurz  darnach    ein   gefensterter  Gypsverband   mit  eiserner  Dorsalschiene  an- 


256  Dr-  ^V.  Stark. 

gelegt.  Wegen  weitgehender  Unterminirun g  der  Haut  durch  Eitersenkungen 
(trotz  Drainage)  musste  am  8.  August  am  äussern  Fussrande  incidirt  werden. 
Den  9.  September  entfernte  man  den  Gypsverband  und  touchirte  zur  Beförderung 
des  Benarbungsprozesses  die  Fisteln  mit  Ferrum  candens.  Die  so  hervorgerufene 
Fieberreaction  (bei  39,4'')  verlor  sich  allmähhg  und  die  Eitermenge  minderte 
sich.  Obgleich  das  Gesammtbefinden  dem  Patienten  erlaubte,  jetzt  täghch  einige 
Stunden  im  Rollstuhle  zuzubringen,  war  doch  der  locale  Heiltrieb  derart  gering, 
dass  am  8.  November  eine  neue  Gauterisation  angezeigt  schien.  Die  Wundhöhle 
wurde  nach  derselben  mit  Carbolcharpie  ausgefüllt.  Unbedeutende  Fieber- 
schwankung folgte.  Nach  Abstossung  der  Schorfe  sprossten  aus  dem  beinahe 
4  Ctm.  tiefen  Substanzverluste,  in  welchem  an  einer  Stelle  unterhalb  des  Malleol. 
extern,  unbedeckter  Knochen  sich  präsentirte ,  gesunde  Granulationen  (27,  XI). 
Als  auch  diese  wieder  zerfielen  (12,  XII),  touchirte  man  sie  energisch  jeden  zweiten 
Tag  mit  Lapis  und  beseitigte  (21,  XIF)  ein  paar  kleine,  nekrotische  Knochen- 
stückchen, Daran  schlössen  sich  Jodbepinselungen  (Ende  December  und  Anfangs 
Januar).  Zu  derselben  Zeit  litt  der  Kranke  an  einer  leichten  Conjunctivitis,  die 
bald  curirt  wurde,  aber  im  Mai  1874  recidivirte. 

Aufenthalt  in  frischer  Luft  hob  sichtlich  den  Kräftezustand.  Fussbäder 
mit  Kalilauge  und  methodisch  durchgeführte  Aetzungen  sollten  im  Vereine  damit 
den  localen  Befund  bessern.  Trotzdem  half  dies  vorderhand  nicht  wesentheh. 
Es  öffnete  sich  sogar  Mitte  Januar  1874  ein  neuer  Abscess;  dessgleichen  einer 
den  15.  Februar  am  inneren  Fussrande,  correspondirend  dem  Sprunggelenke.  Erst 
Mitte  März,  nachdem  schon  im  Februar  ein  frischer  Eingriff  mit  Ferrum  candens 
stattgefunden,  vernarbte  die  Oeffnung  an  der  Ferse  fast  gänzlich  und  überkleideten 
sich  die  beiden  seitlichen  mit  kräftigen  Granulationen.  Der  Reconvalescent, 
welcher  seit  5.  März  bereits  dann  und  wann  aufstand,  versuchte  erfolgreich  mit 
dem  operirten  Fusse  Schritte  zu  machen,  trug  aber  durch  einen  Fall  hierbei  eine 
nicht  unerhebhche  Kopfverletzung  davon.  Die  erste  Hälfte  des  Aprils  brachte 
er  zu  Hause  zu.  Nach  seiner  Rückkehr  fuhr  man  fort,  die  Granulationen  durch 
Höllensteintouchirungen  und  AppHcation  des  Cauterium  actuale  (29.  Mai  und 
25.  .Juni)  zu  stärken.  Leider  verursachte  eine  neue,  schwere  Gomplication,  deren 
Auftreten  Patient  verheimlicht  hatte,  einen  bedeutenden  Rückschlag  auf  die  bisher 
gewonnenen  Resultate.  Schon  seit  längerer  Zeit  wurden  leichte  Erhebungen  der 
Temperaturcurve  wahrgenommen,  deren  plötzliches  Emporschnellen  bis  zu  40,2° 
in  den  letzten  Tagen  des  Juli  und  Anfangs  August  eine  genaue  Untersuchung 
des  Patienten  am  4.  August  veranlasste.  Dabei  stellte  sich  heraus,  dass  sich  am 
rechten  Vorderarm  ein  Eiterheerd  gebildet  hatte,  der  bereits  durchgebrochen  und 
an  dessen  Stelle,  2  Zoll  unterhalb  der  Spitze  des  Olecranon  eine  thalergrosse, 
granuhrende  leichtblutende  Wundfläche  getreten  war,  durch  welche  die  Sonde 
in  einen  langen  Fistelgang  und  auf  entblössten,  rauhen  Knochen  gelangte.  Oedem 
umgab  das  Gelenk,  das  freie  Bewegungen  gestattete.  Die  Extremität  erhielt  einen 
Gypsverband.  Das  Morgens  ausgiebig  remittirende  Fieber  blieb  bis  zum  20.  August 
hoch.  Die  Beschaffenheit  des  spärlich  ausfliessenden  Secretes  sprach  für  Synovia, 
obgleich  das  Gelenk  selbst  der  Sonde  keinen  Zugang  gestattete.  Am  2.  September 
resecirte  man ,  bewogen  durch  die  in  Folge  der  Eiterverluste  und  Temperatur- 
steigerungen eingetretene  Enlkräftung  des  Kranken,  das  Gelenk  mit  Esmarch'- 
scher  Einwickelung  und  Langenbeck'scher  Schnittführung.  Eiter  und  Granu- 
lationswucherungen füllten  dessen  Raum  und  die  Umgebung  aus.  Das  cariöse 
Olecranon  wurde  abgelöst  und  herauspräparirt,  von  dem  weniger  afficirten  Humerus 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     257 

und  dem  Radius  nur  kleinere  Parthien  abgetragen,  die  zottigen  Granulationen  der 
zurückgebliebenen  Höhle  weggeschnitten.  Letztere  mit  Wattetampons  vollgestopft 
und  nach  Lister'scher  Vorschrift  verbunden. 

Das  seit  der  Operation  niedrige  Fieber  erlosch  bald  vollständig,  flackerte 
aber  von  Zeit  zu  Zeit  wieder  auf.  Subjectiv  herrschte  ein  längst  nicht  mehr 
empfundenes  Wohlgefühl.  Ungeachtet  der  profusen  Eiterung  gypste  man  am  8. 
das  Glied  ein  und  schickte  den  Kranken  in  die  frische  Luft.  Schlaffheit  der 
Granulationen  behandelte  man  hier  ebenso  wie  am  Fusse ,  der  ihm  ganz  gute 
Dienste  leistete,  mit  Lapis  und  Ferrum  candens  (letzteres  5.  Nov.).  Die  Ver- 
bindung zwischen  Ober-  und  Vorderarm  war  bis  Anfangs  November  noch  sehr 
locker,  die  Knochenenden  lagen  frei  zu  Tage.  Unter  Beeinträchtigung  des  Ge- 
sammtbefindens  und  Fiebererscheinungen  entstand  Mitte  November  ein  Abscess  an 
der  inneren  Ellenbogengegend,  der  sich  spontan  öffnete.  Ein  eingeführtes  Streif- 
ehtn  Protectiv  beförderte  den  Abfluss  des  Secretes,  Nichts  desto  weniger  stagnirte 
dasselbe  am  28.  Nov.,  verursachte  dadurch  Recrudescenz  der  Entzündung  und 
nöthigte  desswegen  zur  gründlichen  Entleerung  nebst  Drainage.  Im  Januar  1875 
wurden  die  schlaffen  Granulationen  mit  dem  Löffel  ausgekratzt,  einige  Hautbrücken 
mit  der  Scheere  durchtrennt,  zum  Schlüsse  cauterisirt.  Eine  Morphiumeinspritzung 
linderte  die  heftigen  Schmerzen.  Daraufhin  erschienen  gute  Granulationen  und 
verkleinerten  die  Wunde.  Die  des  Fusses  hatte  sich  endlich  den  28.  Februar 
bis  auf  2  schmale  Löcher  geschlossen.  Festigkeit  des  neugebildeten  Gewebes 
verhinderte  daselbst  das  noch  vor  Kurzem  (31.  Dez.)  mögliche  tiefere  Eindringen 
der  Sonde.  Bei  einer  galvanokaustischen  Behandlung  aber  war  Knochen  fühlbar. 
Am  Ellenbogen  spaltete  man  den  8.  April  einen  kleinen  Abscess,  2  querfingerbreit 
oberhalb  der  Plica  cubiti ;  schabte  Mitte  Juli  den  ersteren  abermals  gründlich  mit 
scharfen  Löffeln  aus  und  legte  Drainröhren  ein.  Zu  gleicher  Zeit  fand  eine 
Gauterisation  der  Fisteln  am  Fusse  statt.  An  beiden  Extremitäten  wurde  bei 
diesen  Eingriffen  auf  bedeckten ,  harten  Knochen  gestossen.  Die  Wundfläche 
trieb  darnach  an  dem  oberen  Gliede  rascher  Granulationen  als  am  unteren.  Eine 
genauere  Untersuchung  im  August  ergab :  Ellenbogen  wunde  fast  geheilt ;  keine 
tiefgehenden  Fisteln.  Arm  activ,  beinahe  normal  functionirend ;  nur  die  Rotation 
vermindert,  obzwar  auch  der  Radius  isolirt  beweglich.  Hand  noch  schwach.  — 
Fuss  gebrauchsfähig  trotz  zweier  Fisteln,  die  auf  cariösen  Knochen  der  Artic.  talo- 
navicul.  führen.  Sprunggelenk  frei  beweglich.  Doch  musste  Patient  auf  Verlangen 
am  20.  September  mit  noch  offenen  Fisteln  sowohl  am  Fuss  als  Ai-m  entlassen 
werden. 

Als  er  sich  im  Dezember  wieder  .vorstellte ,  berichtete  derselbe,  dass  er 
ohne  Beschwerden  je  nach  Belieben  gehen  und  den  ganzen  Tag  arbeiten  könne. 
Er  fühlte  sich  leidlich  wohl.     Die  Fussfisteln  eiterten  noch  etwas. 

Als  sich  der  Operirte  im  Herbste  1876  abermals  in  der  chirurgischen  Klinik 
aufhielt,  constatirte  man  am  6.  October  Folgendes :  Auf  Befragen  erzählt  Patient, 
dass  er  bis  Mitte  Juni,  von  welcher  Zeit  an  er  wegen  Schmerzen  in  der  linken 
Hüfte  das  Bett  hüten  musste,  das  gleiche  Leistungsvermögen  in  den  resecirten 
Gliedern  besessen  habe,  wie  am  Schlüsse  des  vorigen  Jahres.  Spontane  Schmerzen 
sollen  zu  keiner  Zeit  an  denselben  vorhanden  gewesen  sein.  Ohne  Stock  will  er 
eine  Viertelstunde  gehen  können.  Geringer  Appetit  ist  —  das  Localleiden  ab- 
gerechnet —  gegenwärtig  seine  einzige  Klage.  Er  sieht  anämisch  und  mager 
aus.  Ein  kalter  Abscess  neben  dem  Process.  styloid.  ulnae  rechterseits  spricht 
für  die  Fortdauer  einer  scrophulösen  Diathese.  —  Am  Ellenbogen  befindet  sich 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  17 


258  Dr.  W.  stark. 

in  der  Gegend  des  Gondyl.  extern,  ein  kleiner  Fistelgang,  durch  den  man  nicht 
auf  Knochen  kömmt.  Ein  etwa  7  Gtm.  langer  und  3  Ctm.  breiter  Hautdefect 
entspricht  der  Lage  nach  dem  ehemaligen  Resectionsschnitte  (zwischen  Olecranon 
und  Cond.  int.),  ist  mit  lividen,  wenig  secernirenden  Granulationen  bedeckt  und 
gewährt  der  Sonde  Zugang  zu  der  weithin  cariösen  Ulna.  Knochenneubildungen 
haben  den  Cond.  extern,  und  das  Olecranon  in  ausgiebigem  Maasse  ersetzt.  Zwischen 
beiden  präsentirt  sich  eine  (etwa  3  Gtm.  lange)  eingezogene,  wenig  verschieb- 
liche Narbe.     Der  Umfang  beträgt  : 

r.  1. 

In  der  Mitte  des  Oberarms 15  Gtm.     19  Ctm. 

Am  Ellenbogen 23      „        22,5  „ 

In  der  Mitte  des  Vorderarms       13      „        17      „ 

Länge  vom  Proc.  corac.  bis  Cond,  extern.  .  25  „  29  „ 
„  „  Cond,  ext,  bis  Proc,  styl,  radii  .  .  20  „  27  „ 
„         „      Cond.  int,  bis  Proc,  styl,  ulnae       .     19      „        26      „ 

Durclimesser  von  rechts  nach  Hnks 5'/4  „  6^/4  „ 

„  „     vorn  nach  hinten 6'/2  „  6      „ 

Das  Maximum  der  activen  Beugung  des  in  der  Ruhelage  in  einem  Winkel 

von  126"  flectirten  Armes  geschieht  bis 70° 

Active  Streckung  bis 136" 

Active  Einwärtsrotation  bis  die  Volarfläche  direct  nach  abwärts  sieht; 
Active  Rotation  nach  aussen  nicht  ganz  bis  zur  Mittelstellung. 
Passive  Beugung    ist   möghch  bis  450  (doch  mit  Schmerz  verbunden), 
„       Streckung   „  „  „  160" 

„       Pronation  „  „        bis  Daumen  gerade  nach  unten  steht. 

„       Supination  „  „        bis  Mittelstellung  (aber  empfindlich). 

Er  hebt  bei  hängendem  Arme  20  Pfund  bis  zum  Knie;  3  Pfund  bringt 
er  bis  über  die  Horizontale,  1  Pfund  bei  Fixation  des  herabgesenkten  Oberarms 
bis  zu  einem  massig  stumpfen  Winkel.  Der  Händedruck  ist  auf  beiden  Seiten 
ziemlich  gleich.  Die  rechte  Hand  kann  nicht  (weder  activ  noch  passiv)  gestreckt 
werden. 

Am  Fusse  sieht  man  über  dem  Malleol.  intern,  eine  etwa  zweipfennigstück- 
grosse,  granulirende  Stelle,  durch  welche  die  Sonde  in  der  Richtung  des  Cho- 
part'schen  Gelenkes  etwa  1^2  Zoll  in  die  Tiefe  und  in  cariösen  Knochen  ein- 
dringt.    Die  Fersengegend  ist  eingezogen  und  mit  Narben  bedeckt. 

r.  1. 

Umfang  des  Fussgelenkes  von  der  Beuge  nach  der  Ferse  28  Gtm.  28'/2Ctm. 

Frontaler  Durchmesser ,     .     .     .     ,     7'/4  „       7^4    „ 

Sagittaler  „  31/2  „     10       „ 

Länge  des  Fusses  vom  Fersenrande  bis  zur  Spitze  d.  Hallux.    21      „     23V2    „ 
Bewegung  und  Streckung,    sowie  Rotation   sind  am  rechten  Fusse  in  be- 
schränktem Maasse  möglich.    Beim  Gehen  ohne  Stock,  das  mit  kaum  merklichem 
Hinken   geschieht,    hält   Patient    den    resecirten    Fuss   steif   in    rechtwinkeliger 
Stellung. 

Fall  13. 

Waldburga  Martin,  44  Jahre  alt,  verheirathet,  aus  Kirchhöfen,  will 
im  Anfange   des  Jahres  1875  in  einer  Nacht   plötzlich   von   ziehenden  und  hob- 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     259 

renden  Schmerzen  im  linken  Arme  aufgeweckt  worden  sein.  Daran  reihten 
sich  des  andern  Morgens  Schwellung  und  Bewegungsunfähigkeit.  Diese  Symptome 
nahmen  mit  der  Zeit  mehr  und  mehr  zu ,  wesswegen  Patientin  am  23.  Januar 
1876  in  die  chirurgische  Klinik  eintrat.  Sie  sah  für  ihr  Alter  marantisch  aus 
und  hatte  einen  Kropf  von  Kopfgrösse.  Die  etwas  gebeugte  linke  obere  Ex- 
tremität konnte  activ  nicht,  passiv  nur  unter  sehr  starken  Schmerzen  bewegt 
werden.  Zugleich  waren  seitliche  Excursionen  in  hohem  Grade  möglich,  wobei 
deutlich  Crepitation  hervortrat.  Der  indirecte  Druck  schmerzte  intensiv.  Die 
Haut  über  dem  Ellenbogen  zeigte  sich  an  mehreren  Stellen  geröthet,  heiss  und 
gespannt.  Die  weiche  Geschwulst  um  denselben  mass  23  Ctm.  der  Länge,  31  Ctm. 
dem  grössten  Umfange  nach  und  fluctuirte  hin  und  wieder.  Alsbald  fand  die 
Resection  mittelst  des  v.  Lang  en  be  ck'schen  Schnittes  und  unter  Lister's 
Spray  statt.  Eiter  füllte  das  Gelenk  aus,  Granulationen  hatten  seine  Knorpel 
zerstört ,  Caries  die  Epiphysen  ergriffen.  Drei  periarticuläre  Abscesse  communi- 
cirten  mit  dem  Synovialsacke.  Man  drainirte  sie.  Das  Humerusstück  war  2'/2  Ctm. 
lang,  sein  querer  Sägeflächedurchmesser  4^/4  Ctm.  An  der  Eminentia  capitata 
liaftete  der  Knorpel  nur  noch  an  einzelnen  Stellen  fest,  an  der  mittleren  Region 
derselben  fehlte  er  völlig  und  liess  cariösen  Knochen  zu  Tage  treten.  Der  Knorpel 
der  Rotula  wies  an  dem  oberen  Theile  der  Vorderfläche  zwei ,  durch  eine 
Einkerbung  verbundene,  kleine  Vertiefungen  auf.  Die  Hinterseite  des  Cond.  int. 
und  die  Fossa  supratrochl.  post.  waren  zernagt.  Die  Grösse  des  abgesägten 
Olecranon  nebst  Proc.  coron.  betrug  3  Ctm.  Die  Spitze  des  erstem  und  letzterer 
zeigten  sich  durch  den  destruirenden  Prozess  beschädigt.  Der  Knorpel  erschien 
von  der  Innenseite  der  Cavit.  sigm.  maj.  abgeschält.  Der  Radiusantheil  belief 
sich  auf  V2  Ctm.  An  einer  Stelle  w^ar  der  Knorpel  verfärbt,  an  einer  defect. 
Das  excidirte  Gelenk  als  solches  hatte  3V2  Ctm.  Länge. 

Bios  am  Abende  nach  der  Operation  bestand  Fieber  (39").  Die  Operirte 
fühlte  sich  sehr  wohl.  Schon  am  zweiten  Tage  blieb  der  spärlichen  Eiterung 
Avegen  die  Drainage  weg.  Den  10.  Februar  stand  Patientin  auf,  nachdem  sie 
zur  Fixirung  des  resecirten  Ghedes  eine  Gypsschiene  erhalten  hatte.  Die  Be- 
narbung ,  welche  bis  zum  12.  März  rasch  voranschritt  und  deren  Zustand  am 
22.  ausgiebige  passive  Bewegungen  ohne  Schmerz  gestattete,  wurde  noch  am  28. 
durch  einen  Abscess  an  der  Streck-  und  Radialseite  des  Vorderarms,  welcher 
zur  Incision  nöthigte,  gestört.  Diese  Schnittwunde  secernirte  bis  Mitte  April,  als 
die  übrigen  bereits,  eine  kleine  Fistel  an  der  Innenfläche  ausgenommen,  ge- 
schlossen waren.  Letztere  sonderte  noch  am  18.  April  gelblichen  Eiter  ab.  Nach 
Entfernung  einiger  cariöser  Knochenpartikelchen  aus  den  beiden  ebenerwähnten 
Fisteln  (22.  April)  schickte  sich  der  Prozess  zur  vollständigen  Heilung  an.  Dess- 
halb  wurde  die  Reconvalescentin  den  14.  Mai  mit  einer  dorsalen  Gypsschiene 
entlassen.  Bei  einer  ambulatorischen  Untersuchung  den  8.  Juli  fanden  sich  alle 
Fisteln  verheilt.  Es  bestand  etwas  Schlottergelenk  mit  massiger,  passiver,  seit- 
licher Verschiebbarkeit  (keine  Hyperextension  über  die  Gerade  möglich).  Ein 
solcher  Befund  liess  einen  Gypsverband  vortheilhaft  erscheinen. 

Revision  vom  10.  November  1876: 

Seit  der  Eröffnung  eines  Abscesses  an  der  Ellenbeuge,  welche  vor  3  Wochen 
vorgenommen  worden  sein  soll,  hat  Patientin  blos  wenig  Schmerzen  mehr.  Sie 
benützt  den  Arm  zum  Ankleiden,  Waschen  etc.,  doch  macht  sich  dessen  Kraft- 
losigkeit sehr  bemei'klich.  —  Die  Wunden  und  Fisteln  sind  alle  nur  theilweise 
vernarbt,   in    ihrer  Mitte  noch  mit  Krusten  überdeckt,    sondern   aber   angeblich 


260  Dr.  W.  Stark. 

spärlich  und  meist  serös  ah.  Der  Coiid.  extern,  erscheint  regenerirt,  an  Stelle 
der  übrigen  resecirten  Parthien  des  Cubitalgelenks  ist  eine  elastische  Zwischen- 
substanz getreten,  die  der  neugebildeten  Articulation  die  Merkmale  einer  activ 
beweglichen  Schlotterverbindung  verleiht. 

1.  r. 

Länge  vom  Acrom,  —  coiid.  ext 27  Ctm.  28^2  Ctm. 

„  „     C4ond.  ext.  —  proc.  styl,  rad,  .     .     19      „24      „ 

„  „     Acrom.  —  proc.  styl.  rad.    ...     46      „     521/2  „    Diff.  6V2  Ctm. 

„  „     Proc.  corac.  —  cond.  int.    .     .     .     25^2  „     27       „ 

„  „     Cond.  int.  —  proc.  styl.  uln.   .     .     20      „     25       „ 

,,  „     Proc.  corac.  —  pr.  styl.  uln.   .     .     45  72  „     52       „    Diffi  6^2  Ctm. 

Umfang  der  Oberarmmitte 20      „     18       „ 

.,        des  Ellenbogens 23  20 

Durchmesser  d.       „         zwisch.  Beuge  u.  Olecr.      5^2  „       h'^h   ,, 
),  ),       „  „       Cond.  int.  u.  ext.     572,,       5^2  „ 

Umfang  des  Vorderarms I872  „     19^2  „ 

„         „     Handgelenks I372  „     14       „ 

Functionsprüfung : 

Die  Excursionsfähigkeit  des  Schultergelenkes  hat  Noth  gelitten,  indem  der 
Arm  activ  in  demselben  nicht  ganz  bis  zur  Horizontalen  elevirt  werden  kann  ; 
auch  im  Handgelenk  der  betreffenden  Seite  zeigen  sich  ^sowohl  Extension  als 
Flexion  beschränkt. 

Die  activen  Bewegungen  im  resecirten  Gelenke  sind  alle  (Beugung,  Stre- 
ckung und  Drehungen)  bis  zur  normalen  Grenze  raöghch,  doch  wird  beim  Flec- 
tiren  der  Vorderarm  mehr  weniger  ruckweise  dem  Oberarme  genähert  und 
schwankt,  wenn  erhoben,  unsicher  hin  und  her. 

Die  Frau  reicht  mit  der  Hand  des  operirten  Gliedes  u.  A.  nach  oben  und 
hinten  bis  zum  Occiput,  nach  unten  und  hinten  bis  zur  Fiückenfläche  des  Thorax. 
Fixirt  man  den  Humerus  und  sucht  nun  die  beiden  Resectionsstümpfe  in 
seitlicher  Richtung  an  einander  zu  verschieben,  so  gelingt  dies  in  erheblichem 
Grade;  ferner  vermag  man  die  Längsaxe  zwischen  Vorderarm  und  Humerus  bis 
zu  einem  nach  aussen  klaffenden  Winkel  von  146°  zu  knicken;  forcirte  Ad- 
ductionsbewegungen  des  Vorderarms  bei  Festhalten  des  Humerus  bringen  nur 
geringe,  nach  innen  offene  Winkelstellung  zu  Stande.  Ueberstreckung  ist  passiv 
bis  zu  einem  (bei  herabhängender  Extremität)  nach  hinten  offenen  Winkel  von 
174°  zu  bewirken.  Weiterhin  ergibt  sich  bei  gewaltsamen  Rotationsmanövern 
am  Antibrachium ,  Avährend  der  Oberarm  immobilisirt  wird,  eine  Verdrehungs- 
möglichkeit des  ersteren  nach  aussen  (supinatio),  bis  die  Volarfläche  der  Hand 
nach  oben  schaut,  nach  innen  (pronatio)  bis  zur  Auswärts wendung  jener.  Dabei 
wendet  sich  die  elastische  Zwischensubstanz  des  res.  Gelenks  nach  Art  eines 
Schraubenganges. 

Der  Händedruck  erweist  sich  linkerseits  merklich  schwächer  als  rechts. 
Mit  dem   herabgesenkten   kranken  Arm   hebt   die  Operirle  15  Pfund  vom 
Boden  auf.     Die   anderweitigen  Versuche,    ein  Gewicht,    sei   es   bei  gestrecktem 
oder  im  Ellenbogen  gebeugtem  Ghede  nach  vorn  und  oben  zu  verbringen,  schlugen 
sämmtlich  fehl. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Geleukresectionen.     261 


Fall  14. 

E  m  i  1  i  e  Moser  von  Auggen,  14  Jahre  alt,  bekam  in  ihrem  achten  Lebens- 
jahre eine  Anschwellung  des  rechten  Ellenbogens.  Die  Erscheinungen  schwanden 
nach  6  Monaten,  während  welcher  Zeit  sie  den  kranken  Arm  in  einem  Gyps- 
verbande  trug.  Steifigkeit  des  Gelenkes  blieb  zurück.  Recrudescenzen  der  Ent- 
zündung gingen  mit  massenhafter  Bildung  von  Eiter  einher,  dem  bald  spontan 
bald  künstlich  ein  Ausweg  verschafft  wurde.  So  entstanden  mehrere  Fisteln, 
welche  hauptsächlich  seit  Weihnachten  1875  viel  Secret  entleerten  und  Schnierzen 
verursachten.  Die  Intensität  letzterer  Symptome  trieb  Patientin  am  26.  April  1876 
in's  Spital.  Ihre  Ernährung  hatte  —  die  anämische  Gesichtsfarbe  abgerechnet  — 
dem  Aussehen  nach  nicht  Noth  gelitten.  Die  rechtsseitigen  Supraclavicular-  und 
Achseldrüsen  waren  vergrössert.  Der  Arm  zeigte  sich  nahezu  rechtwinkelig 
anchylosirt,  das  Ellenbogengelenk  bedeutend  aufgetrieben  mit  besonders  präg- 
nanten Schwellungen  an  der  Dorsalfläche  und  dem  Olecranon,  von  denen  erstere 
bei  Druck  sehr  schmerzte  und  undeutlich  fluctuirte.  Zwei  von  livider,  unter- 
minirter  Haut  eingerahmte  Fisteln  mündeten  in  der  Mitte  der  Streckseite  und 
am  Ulnarrande  des  Gelenkes.  Ueber  der  Beugefläche  des  Ellenbogens  präsentirte 
sich  eine  dritte ,  kleinere  mit  callöser  Umgebung ,  während  das  Gentrum  jener 
eine  eingezogene  Narbe  aufwies.  Passiv  Hess  sich  der  Arm  ohne  Schmerz  etwas 
(ausgiebiger  in  der  Narkose)  strecken ,  beugen  und  supiniren.  Indirecter  Druck 
war  sehr  empfindlich. 

r.  1. 

Umfang  des  Oberarms  in  der  Mitte  ...     16    Gtm.     18,5  Ctm. 

Umfang  der  plica  cubiti 23       ,,        '20        „ 

Umfang  des  Vorderarms  in  der  Mitte  .  .  12,5  ,,  14  ,, 
Da  nach  der  in  der  Narkose  am  29.  April  vorgenommenen  Spaltung  und 
Sondirung  der  Fistelgänge  das  Gelenk  selbst  Erkrankung  zeigte,  schritt  man 
sofort  zur  Resection  mit  Hüter'scher  Schnittführung  und  Anwendung  der  Es- 
march'schen  Blutleere.  Auf  Loslösung  des  Periosts  folgte  die  Abtragung  des 
Oberarmknochens  (472  Ctm.),  des  Radius  (2  Ctm.)  und  der  Ulna  (4V2  Ctm.  bestehend 
aus  Olecranon,  proc.  coron.  und  Diaphysenende).  Die  Länge  der  entfernten  Arti- 
culation  (als  Ganzes)  betrug  6  Ctm. ,  der  frontale  Sägeflächendurchmesser  des 
Humerus  2  Ctm.  Am  Gond.  extern,  bemerkte  man  circumscripte  Rareficirung 
des  Knochengewebes.  Die  Eminentia  capitata  besass  noch  ihre  Knorpeldecke, 
doch  schimmerte  es  an  einer  Stelle  aus  der  Tiefe  dunkelbläulich  empor.  Die 
innere  Portion  derselben  trug  an  verschiedenen  Stellen  statt  des  Knorpels 
cariösen  Knochen  zur  Schau.  Zwischen  ihr, und  dem  Cond.  int.  hatte  sich  eine 
Incisur  gebildet,  in  die  fungöses  Gewebe  eingebettet  war,  Knochenfrass  excavirte 
die  äussere  ebenso  wie  die  innere  untere  Parthie  der  Cavit.  sigmoid.  major,  von 
welch'  letzterer  der  Knorpelüberzug  losgetrennt  war.  An  Stelle  der  Cavitas  sigm. 
minor  breitete  sich  ein  ebenfalls  von  Wucherungen  ausgefüllter  Substanz  Verlust 
aus.  Die  Umrandung  hatte  allenthalben  durch  den  gleichen  Prozess  Noth  ge- 
litten. An  der  Rückenfläche  fand  man  in  der  Mitte  eine  querverlaufende ,  der 
Sutura  squamosa  ähnliche  Spalte.  Die  spongiöse  Substanz  der  Schnittebene 
wurde  in  dem  hintern  Abschnitte  bräunlich  und  weich.  Das  Radiusstück,  welches 
wie  das  der  Ulna  aus  zwei  Theilen  bestand,  während  das  des  Humerus  sich 
aus  drei  zusammensetzte,  zeigte  an  dem  äusseren  Gelenktheile  den  Knorpel  eine 


262  Dr.  W.  Stark. 

Strecke  weit  abgehoben.  Die  Marksubstanz  der  untersten  Sägefläche  war  breiig. 
Die  ganze  Wunde,  hauptsächlich  aber  ein  theils  mit  schwammigen  Wucherungen 
»efüUter  Abscess  der  Yolarfläche,  wird  mit  scharfen  Löffeln  ausgekratzt,  alsdann 
mit  2°/o  Carbollösung  gereinigt.  Einige  Ligaturen,  Vernähung  der  Wundwinkel, 
Drainac^eeinlegung  und  Lister'scher  Verband  vollendeten  den  chirurgischen  Ein- 
<'Yiff.  Die  Temperaturcurve  reagirte  darauf  unbedeutend  und  schwankte  stets 
mit  grossen  Intermissionen  um  die  Norm  herum ,  in  die  sie  Ende  Mai  endgültig 
überging.  Desshalb  gestaltete  sich  das  subjective  Befinden  sehr  günstig.  Die 
Wunde  blutete  in  den  ersten  Tagen  ausserordentlich  leicht,  ohne  dass  dies  Jedoch 
gefährlichere  Er?cheinungen  veranlasste.  Die  Granulationen  sahen  hyperämisch 
aus,  sonderten  nichts  desto  weniger  regelrecht  ab.  Die  Drainageröhren  konnten 
darum  bald  beseitigt,  mussten  aber  wieder  eingelegt  werden,  als  am  23.  Mai 
unter  Schwellung  Eiterverhaltung  im  obern  Wundtheile  eintrat.  Ein  Versuch, 
der  trotzdem  fortbestehenden  Auftreibung  durch  Incision  (am  29.  Juni)  entgegen. 
zu  arbeiten,  förderte  keinen  Eiter  zu  Tage.  Nur  consequente  Lapisätzungen  und 
Salicyl-  später  Höllensteinsalben  trugen  langsam ,  doch  stetig  zur  Heilung  bei, 
ob<Tleich  die  Granulationen  der  noch  nicht  vernarbten  Wundparthien  bis  Ende 
August  keinen  erfreulichen  Anblick  (10.  August  blass,  schmutzig)  gewährten. 
Dessenungeachtet  versuchte  man  schon  am  19.  Juli  passive  Bewegungen,  wobei 
Beugung  und  Streckung,  weniger  die  Rotation  ziemhch  ausgiebig  war.  Dieselben 
wurden  in  der  Folgezeit  öfters  wiederholt,  die  angegebene  Ordination  zum  Zwecke 
der  Bessergestaltung  der  Granulationen  fortgesetzt.  So  verkleinerten  sich  die 
restirenden  Fisteln  und  erlaubten  bei  einem  Sondirungsversuche  am  18.  November 
kein  Eindringen  in  die  Tiefe  mehr.  Einige  Zeit  zuvor,  am  21.  October,  hatte 
eine  eingehendere  Untersuchung  folgende  Ergebnisse  geliefert: 

Patientin  v?ill  besonders  Nachts  noch  Schmerzen  im  rechten  Ellenbogen 
haben.  Daselbst  befinden  sich  über  dem  Cond.  extern,  eine  S'/a  Gtm,  lange 
geröthete  Narbe,  eine  kleinere  am  Cond.  int.  An  beiden  sind  mit  Krusten  be- 
deckte Fisteln,  die  nur  wenig  mehr  absondern.  Die  Knochenneubildung  ist  bis 
jetzt  schwach,  doch  die  Verbindung  eine  feste.    Der  Sägestumpf  über  dem  Cond. 

ext.  drängt  gegen  die  Hautdecke. 

r.  1. 

Umfang  des  Überarms  in  der  Mitte     .     .     .     17 ','2  Ctm,  19  Ctm. 

„  ,,     Ellenbogens 22 

Querer  Durchmesser  des  Ellenbogens 
Durchmesser  zwischen  Beuge  und  Olecranon     6 
Umfang  der  Vorderarmmitte  ..... 

„        des  Handgelenks 12 

Rechte  Hand  kleiner  als  linke; 
Länge  vom  Acrom.  —  Cond.  extern.  .  .  . 
Proc.  corac.  —  Cond.  extern.  . 
Cond,  extern.  —  Proc.  styl.  rad. 
Proc.  corac.  —  Cond.  intern.  . 
Cond.  int.  —  Proc.  styl.  uln.  . 
Acromion  —  Proc.  styl.  rad.  . 
Proc.  corac.  —  Proc.  styl.  uln. 
Functionsprüfung : 

Der  Arm,  welcher  zur  Zeit  noch  in  einer  Mitella  bei  etwa  rechtwinkliger 
Flexion  und  Mittelstellung  des  Vorderarms  ruht,  kann  activ  bis  zu  einem  Winkel 


22 

„      20 

5^2 

6 

„      51/4 

14 

„      16 

12 

„      13 

22 

„      24 

23 

„      23 

15 

„      19 

23 

„      25 

17 

„      19 

37 

„      43 

Diff.  6  Ctm. 

40 

„      44 

Diff.  4  Ctm. 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen,     263 

von  68",  passiv  bis  57°  gebeugt  werden.  Extremere  Versuche  verursachen 
Schmerz.     Active  Streckung  bis  134°,   passive  bis  139°  möglich  (dann  Schmerz). 

Pronation  activ,  bis  Daumen  gerade  nach  abwärts  sieht,  Supination  etwas 
über  Mittelstellung,  stärkere  passive  empfindlich. 

Die  rechte  Hand  ist  frei  beweglich,  aber  das  Kind  vermag  nicht,  die 
Finger  völlig  einzuschlagen.  Der  Druck  der  linken  Hand  überbietet  den  der 
rechten  an  Kraft. 

Das  Mädchen  hebt  10  Pfund  bei  hängendem  Arme  vom  Boden  auf.  Die 
active  Elevation  des  Armes  aus  der  eben  erwähnten  Stellung  bei  möglichster 
Streckung  geschieht  nicht  ganz  bis  zur  Horizontalen,  doch  etwa  eben  so  weit  bei 
1  Pfund  Belastung.  Letztere  bringt  es  auch  bei  Fixation  des  herabgesenkten 
Oberarms  durch  Beugung  im  Ellenbogen  bis  etwa  zum  rechten  Winkel,  ohne 
Fixirung  bis  über  den  Kopf, 

Wegen  periostaler  Reizerscheinungen  Ende  November  erschien  Immobilisirung 
der  betreffenden  Extremität  in  einem  Wasserglasverbande  rathsam,  welcher  den 
5.  December  bei  rechtwinkelig  gebeugtem  Arme  nebst  Mittelstellung  des  Vorderarms 
angelegt  und  Schmerzen  halber  nachträglich  (10.  Decbr.)  gefenstert  wurde.  Nach 
dessen  Erneuerung  trat  Patientin  am  13.  Januar  1877  aus.  Die  Fisteln  waren  noch 
nicht  geschlossen,  secernirten  aber  spärhch.     Der  Ernährungszustand  befriedigte. 

Fall  15. 

Durch  ein  Versehen  wurde  folgender  Fall ,  welcher  in  der  Privatpraxis 
vorkam,  in  der  Arbeit  nicht  berücksichtigt. 

Fräulein  L.  N. ,  17  Jahre  alt,  stammt  von  gesunden  Eltern.  Eine  ältere 
Schwester  starb  vor  einigen  Jahren  an  Phthisis.  Seit  dem  Herbste  1871  fing  am 
linken  Ellenbogen  eine  Schwellung  an,  welche  zur  Eiterung  des  Gelenkes  führte. 
Obzwar  das  Mädchen  blühend  aussah,  litt  sie  doch  seit  1872  ausserdem  an  einer 
Entzündung  am  rechten  Schienbein,  welche  nach  der  Eröffnung  eines  Abscesses 
im  Laufe  von  2  Jahren  ausheilte. 

Am  Tage  der  Operation  (6.  V,  74)  waren  5  Fisteln  vorhanden,  welche  auf 
cariösen  Knochen  führten  und  viel  Eiter  entleerten.  Der  Arm  war  in  150°  ge- 
beugt, nur  wenig  und  mit  Schmerzen  passiv  beweglich.  Der  Umfang  des  Gelenkes 
betrug  33  Gtm.  gegen  24  Gtm.  der  rechten  Seite.  Bei  der  Resection,  die  nach 
V.  Langenbeck  ausgeführt  wurde,  wurden  etwa  5  Gtm.  der  cariös  erweichten 
Gelenkenden  entfernt.  Der  Verlauf  war  ganz  ohne  Fieber.  In  der  3.  Woche  stand 
die  Patientin  auf.  Obzwar  der  Arm  bald  zum  Stricken  und  Nähen  verwendet 
werden  konnte,  so  wollten  doch  die  Fisteln  trotz  vieler  Mühe  nicht  zuheilen, 
noch  zweimal  wurden  Ausschabungen  und  häufig  Aetzungen  vorgenommen. 

Am  11.  November  1876  wurde  folgender  Befund  iiotirt: 

Aus  2  oder  3  Fisteln  entleerte  sich  noch  ziemlich  viel  Eiter,  Durch  eine 
derselben   gelangt  die  Sonde  noch  auf  cariösen  Knochen.     Der  Umfang  beträgt : 

r.  1. 

Mitte  des  Oberarms 27  Gtm.    26  Gtm. 

„       ,,    Vorderarms 21      „       19      „ 

Am  Ellenbogen       26^2  „       33      „ 

Länge  vom  Acrom.  bis  Gond.  ext 33      „       31      „ 

„         „  „         „     Proc,  styl,  ulnae  .     .     ,     57      „       54      ,, 

Durchmesser  vom  Gond,  int,  und  ext.       .     .     .       6^/2  „         9^2  ;; 


264  Dl'-  ^^'-  stark. 

Die  ative  und  passive  Beugung  war  von  80  bis  140°  leicht  und  ohne 
Schmerzen  möglich,  Pro-  und  Supination  normal.  Bei  gestrecktem  Arm  trägt 
sie  etwa  15  Pfund.  Beugung  des  Ellenbogengelenkes  ist  blos  noch  bei  5  Pfund 
Belastung  in  geringem  Grade  möglich. 

Obzwar  somit  das  functionelle  Resultat  nicht  schlecht  genannt  werden 
konnte,  wünschte  doch  die  Kranke  definitive  Heilung  der  Fisteln.  Es  wurde 
desshalb,  nachdem  alle  möglichen  äusseren  und  inneren  Mittel  vergeblich  ange- 
wendet worden  waren,  im  März  1877  eine  neue  Resection  des  noch  erkrankten 
Knochens  versucht.     Die  Reaetion  nach  diesem  Eingriffe  war  gering. 

Nach  brieflichem  Berichte  (14.  I.  1878)  sollen  vier  Fisteln  noch  ganz  un- 
bedeutend nässen.  Die  Beweglichkeit  sei  bedeutend  besser.  20  Pfund  werden 
gehoben. 


Nr.  7  und  8  wurden  wiederholt  in  verschiedenen  Zwischen- 
räumen untersucht  und  konnten  mithin  bei  ihnen  über  den  Fortgang 
der  Wachsthums-  und  Functionsverhältnisse  genauere  Daten  auf- 
genommen werden.     (Vgl.  die  Tabellen  auf  S.  265  und  266.) 

Der  Ersatz  betrug  somit  bei  Nübling  vom  November  1873  bis 
Juli  1875,  also  innerhalb  beinahe  1^/4  Jahren,  am  resecirten  Oberarm 
4,2  Gtm.,  am  Vorderarme  3,2  Ctm.  Nach  Ablauf  dieser  Frist  bestand 
zwischen  der  Länge  der  beiden  Oberarme  keine  Differenz  mehr,  die 
der  Vorderarme  zählte  noch  1,3  Gtm.  1^2  Jahre  später  war  auch  letz- 
tere ausgeglichen  und  das  Wachsthum,  resp.  die  Regeneration  auf 
beiden  Seiten  am  Oberarme  um  2,3  Ctm.,  am  Vorderarme  rechts 
ebenfalls  mn  2,3  Ctm.,  links  um  1  Ctm.  fortgeschritten.  Der  bei  der 
vorletzten  Untersuchung  vorhandene  Mehrumfang  (1  Ctm.)  des  rechten 
Gelenkes  fand  sich  bei  der  letzten  nicht  wieder.  Das  active  Beu- 
gungsvermögen besserte  sich  vom  7,  XL  73  bis  Juli  1875  um  44^, 
ging  aber  bis  3,  XL  76  wiederum  16°  zurück;  ähnlich  verhielt  sich 
das  passive.  Die  Streckung  wurde  bei  jeder  der  3  Untersuchungen 
vermindert  gefunden,  der  Rückschritt  machte  schliesslich  24°  aus. 
Die  Rotationsbewegungen  erwiesen  sich,  mit  Ausnahme  der  Supination 
bei  der  letztmaligen  Untersuchung,  jeweils  beschränkt.  Ueber  weitere 
Vergleichungspunkte  existiren  keine  früheren  Aufzeichnungen. 

Diese  Tabelle  (Nr.  8)  lehrt  zunächst,  dass  im  Verlaufe  von  1  Vs 
Jähren  die  Regeneration  am  resecirten  Arme  keine  Fortschritte  machte 
(das  Minus  von  1  Gtm.  stammt  daher,  weil  als  Ausgangspunkt  der 
Messung  ein  Mal  das  Acromion,  das  andere  Mal  der  processus  cora- 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     265 


ö 

•  1-4 

1— I 


Pro-  und 
Supination 

> 
'55 

beide  he- 
sch  Winkt 

i1 

-3    > 

> 

1     *J                .02 

J3  m       '^'O 

"^     t-     r-     (D     CO 

^    ''P  -^    ^  (i 

.2   ö   cn    3 

6ß 
C 

'K 

o 

o 
00 

Strec 
activ 

o 
Oi 

O 

-S    cu  ^  ■^                CO 
•?  :3    O  >                 .2 

Beugung 

> 
'35 

w. 

CS 

e 
tn 

o                              1         o 

> 

o 

Ol 

CO 

>'ä 

cn 
15 



3 

1 

O 

1 

CD 

6 

CM 

;£ 

^         1 

1 

CO 

03   cn    1        c                                _„ 

>— "     -^     ,          CO 

s 

a 

s 

1 

E 

o 

CO 

o 

s 

S-i 
O 

c 

s 

1 

co_ 

o 

1 

(M 

«5 

c 

S 

o 

CO 

s 

;-. 

o 

cn 

Ol 
CU 

■od 

C 

:sä 

s 

1 

o 

1 

o 

--• 

1 

00 

»J 

2^2 

C>5  ^ 

s 

00 

P     3 

-   "ü 

D     3 

cn 

CO 

> 

CO 

>< 

cd 

266 


Dr.  W.  Stark. 


OS 

1— ' 

CT 

ES 

C3 

— J 

S-cn9 

«2     (D 

> 

s 

3 

P: 

35 

OS 

0 

IC 

CT 

^ 

3  0. 

tn 

CO 
Ol 

*>- 

r- 

c» 

w 

5j 

o 

00 

.^ 

2  3 

2  3 

3  ß- 

lO 

1«^ 

IC 

r- 

*>• 

*>- 

0 

B 

b3 

to 

r^ 

1   s 

0 

CD 

ö      .^ 
0       tt> 

1   - 

tn 
to 

CD 

to 

tc 

CT 

- 

M 

■^ 

.5? 

CT 
CT 

"ct 

Ti 

O 

05 

- 

TT 

V2  ZU  Gunsten 
rechts. 

D 

3 

p 
n 

<' 

CO 

c 

3 

CT 

CT 

S 

T5 
P 

5' 

öo' 

0 

1 

Ol 

c 
a 

So' 

P 
cn. 

Pro- 
nation 
normal 
Supln. 

1. 

5' 

5Ö 
0 

p 

0' 

Beide  i 
normal 

p 

o 

11 

2 

3 

00 


•-s 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     267 

coideus  gewählt  wurde),  während  sein  Paarung  um  1,5  an  Länge 
zunahm,  folglich  die  beim  vorletzten  Untersuchungstermine  bestehende 
Differenz  um  ebensoviel  wuchs. 

Der  Umfang  des  Oberarms,  welcher  am  14.  VI.  75  rechterseits 
21,5,  linkerseits  24,5  zählte,  blieb  sich  auf  ersterer  Seite  ebenfalls 
gleich,  wurde  links  um  ^,2  Ctm.  grösser,  wodurch  die  Differenz  auf 
3^2  Ctm.  stieg.  Die  Vorderarmcircumferenz  verbreiterte  sich  beider- 
seits um  2  Ctm.  mit  einer  constanten  Differenz  vcn  4  Ctm.  Umfang 
und  Durchmesser  des  Ellenbogengelenks  verminderten  sich  rechts, 
wenn  nicht  auch  hier  Messungsfehler  das  Untersuclumgsresultat  trüben. 
Die  Verringerung  belief  sich  für  den  Umfang  auf  1 V2,  für  den  Durch- 
messer auf  1  Ctm.  Das  active  Beugungsvermögen  sank  beträchtlich, 
die  Streckungsmöglichkeit  um  15°.  Die  active  Pronation  stieg  in  diesem 
Zeitzwischenraum  von  der  Hälfte  der  Leistungsfähigkeit  bis  zur  Norm, 
die  selbstständige  Supination  dagegen  blieb  auf  dem  halben  Wege 
stehen  und  konnte  nur  passiv  gänzlich  vollzogen  werden.  Das  Heb- 
vermögen wuchs;  die  ehemals  schlotterige  Verbindung  wurde  fest. 

Betrachtet  man  das  Resultat  beider  Fälle  nebeneinander,  so 
fällt  sofort  der  Unterschied  in  der  Grössenausgleichung  auf,  welch' 
letztere  beim  zweiten  Beispiele  innerhalb  1^3  Jahren  gänzlich  stille 
stand,  während  sie  in  demselben  Zeitintervalle  (v.  7.  XL  73— VII,  74) 
bei  Nr.  7  so  bedeutend  war.  Die  vielfältigen  Abscedirungen  bei 
Nr.  8  tragen,  wie  bereits  angedeutet,  wohl  die  Hauptschuld  an 
diesem  Zurückbleiben.  Uebermässige  Auftreibungen  des  resec.  Ge- 
lenkes verschwanden  in  beiden  Fällen.  Beugung  und  Streckung 
fanden  sich  bei  Beiden,  im  Gegensatz  zu  den  Wahrnehmungen 
Billroth's,  im  Laufe  der  Zeit  beschränkt.  Im  ersten  Falle  erreichte 
schliesslich  die  Supination,  im  zweiten  die  Pronation  die  Norm. 

Eine  tabellarische  Zusammenstellung  der  9  mit  dem  Leben 
davongekommenen  Patienten,  chronologisch  nach  der  Zeit  ihres  Ein- 
trittes in's  Spital  geordnet  und  vorwiegend  auf  Grund  der  neuesten 
Untersuchung  rubricirt,  gestaltet  sich  folgen  derma  ssen : 


268 


Dr.  W.  Stark. 


IS 
=;  ET. 

12)  Bau- 
mann, 
Conrad 

5  2" 

p 
5 

-g- 

ii 

33 

3S 
3   3 
Ch  B 

! 

§   S 
3    c- 

1 
3 

th- 

•f^ 

ij 

s 

r; 

£ 

s; 

^  1 

g          II         Alter          II 

20,  IV,  70 
29.  IV,  70 

-3      'V, 

0    .^ 

OS      ä 

p  Ol 

_5  g 

<    X 

-3        -J 

a    g 

"  B  B       S 

1 

0 
3 

oco 

#. 

0 

S  5. 

Breite     ^  | 

f 

9#- 

1 

5 

r§ 

■    & 

? 

f 

f 

Fisteln 

Fisteln.Activ 

bew.  Scblot- 

tergelenk 

Fistel- 
bildungen 

Heilung 

Noch  zwei 
Fisteln 

Heilung 

Heilung  End- 
resultat? 

Heilung  End- 
resultat 

Heilung  End- 
resultat   1 

'S  > 
b| 

21,  X,  76 

10,  XI,  76 

6,  X,  76 

12,  XI,  76 

24,X,  76 

20,  XII,  76 

21,X,76 

3,  XI,  76  ■ 

VII,  75       1 

Zeit  der  letzten 
Untersuchung 

9 

o  — 

9 

Q 

3 

9 

9 

9 

1 

l 

Differenz  in  der 
Länge  des  Ober- 
arms 

o 
E 

9 

5 

1 

9 

5 

9 

0 

B 

1 

3 

Differenz  in  der 

Länge  d.Vorder- 

arms 

6  Cm. 

6^2  Cm. 

11  Cm. 

3  Cm. 

8  Cm. 

1V2  Cm. 

6  Cm. 

1 

2  Cm. 

Differenz  in  der 
Länge  des  Arms 

9 

P9 

0 

3 

0 
3 

•!l 

-3 

0 

3 

9" 

9 

9   »; 

Differenz  im 

Umfang  des 

Oberarms 

9 

i 

*- 
9 

3  '£ 

0 

3        ,;, 

i 

0 

3 

i 

Differenz  im 
Umfang  des 
Vorderarms 

"  i- 

po 

Pc 

9 

0 

3 

0 

B 

0 
5 

1 

9 

1 

Differenz  im 
Umfang  des 
Ellenbogens 

?f 

1 

9 

0 
3 

1 

0 

ö 
3 

1 

Differenz  im 

Durchmesser 

des  Ellenbogens 

V.  r.  n,  1. 

c  ^ 

90. 
2  ^ 

9^2, 

9t. 
3  ,a 

9 

5  S- 

.B< 

C5 

9 

1 

Durchmesser  d. 

r.  Ellenbogens 

V.  r.  n.  ). 

0    CD 

5  * 

1« 
3  " 

CD;!  S 

p:=S 

p:<  S 
p.  2  .^ 

actiT 

n 

s 
s 

3 

ors£ 
&  S  < 

0  -<    2 

passiv 

3  " 

0^  s 

3" 
0  td 

a_ 
B  " 

0:^  5 

activ 

OS 

3 

£;:<  C3       1  Ueberstreck. 
g  «i           bis  W.  V. 
o.g.-'       1     171  Grad 

1« 
3  " 

B  3  Sb  B  E 

passiv 

s 
s 

2! 
CO        -!   i-d 

oll-    1? 
2   3  3   B   ^ 

«   ^'  -    B   —  0 
p-  ^  TJ  3  r  3 
0   g   3'  ff  3   g. 

3       •         3-5' 

fisll 

< 

c 

Oleieb  der 
activen 

■  -  ~  <f     1     r  •          5- 

3 

E  2^  2  ? 
afll 
3 -"ig 

£ 

B  g" 

gS 

►3 
1 

B 

►3 

►3 

cn 

3 

0 

3 

2 

2  0 
S- 2 

Heb- 
vermögen 

1  Pld.  bis 
rechter 
Winkel 

1« 

-SS 

1? 

B  s  2 

5' 3  2 

>i  E  2.  2"  "• 
5-  -■  3  g  ta 

1 

Beugungs-    k> 
]  f&higkeit     3. 
lim  Ellen-     2. 
bogen    bei    ff 
Belastung     n 

iH5 

1« 

*ii 

3 

-1 

^ "' 
s :« 
«•P' 

1?^ 

1 

Erheben      3 

d.  gestr. 
Arms  nach 
[vorn  bei 
Belastung 

IIb-I 

Niohtganz 
bis  zur 
Horizon- 
talen 

11:1  !     1 

B  0  s  2 

~l — g~ 

ig  li 
^'0  "^  1 

1 

? 

1 

frei.dooh  Finger 

nicht  völlig  ein- 

»chlagbur 

rechts  geringer 

lir 

'S      S 

1 

^'1 

CO 

€? 

So 

c 
s 

53 
fl 

r»5 

i 
1 

1 

1 

g 

1 

B  C 

-> 

'S.  2 

1 

1 

B.« 
5  B 

1  =-5- 

|| 

tS  b 

2.B 
3  -. 
'=■3 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     269 

Ausgehend  von  den  jüngsten  Notizen  über  die  L  an  gen- 
unter sc  liiede  beider  Arme  lässt  sich  für  die  5  geheilten  Fälle 
folgende  Scala  aufstellen,  bei  der  die  Länge  des  Zeitintervalles 
zwischen  Resection  und  letzter  Untersuchung  als  natürliches  Ein- 
theilungsprinzip  fungirt: 

Intervall.     Betrag  der  Regeneration.     Länge  des  Resectionsstücks.     Fall. 
31/2   J-  2V4  2V4  •'7 

ri2  J.  2V<t  8V4  8 

2V2  J.  2  4  6 

13/4  J.  VI2  3  9 

10  M.  i  4  11 

Dass  hier  die  Grösse  der  resecirten  Parthie  einflusslos  war 
auf  die  des  Wiederersatzes,  zeigt  besonders  Fall  8,  der  dem  Mass- 
stabe der  Zeit  entsprechend  an  zweiter  Stelle  sich  einreiht,  wenn- 
gleich 8V4  Ctm.  vom  Gelenke  entfernt  wurden  und  wiederholte  Ab- 
scedirungen  den  Regenerationsprozess  im  späteren  Verlaufe  beein- 
trächtigten. 

Ob  neben  der  Wucherung  seitens  des  erhaltenen  Periostes 
auch  das  Epiphysenwachsthum  in  Anschlag  zu  bringen  ist,  dürfte, 
eben  weil  die  Differenz  nach  der  Zeitdauer  sich  abstuft,  wahr- 
scheinlich sein. 

Ein  direct  entgegengesetztes  Verhalten  präsentirt  die  Reihen- 
folge der  noch  nicht  geheilten  Fälle,  d.  h.  je  länger  die  Frist  zwischen 
Resection  und  letztmaligem  Refunde,  desto  dürftiger  die  Regeneration, 
ja  es  wird  sogar  ein  viel  bedeutenderes  Deficit  constatirt,  als  durch 
die  Entfernung  der  excidirten  Stücke  bedingt  war. 
Den  Beleg  dafür  bildet  folgende  Tabelle: 
Intervall.     Differenz  der  Armlänge.     Länge  des  Resectionsstücks     Fall. 

1/2  J-  6  Ctm.                                6                      14 

10  M.  6V2  Ctm.                                3^2                  13 

IV2  J.  8  Ctm.                                  3                      11 

2  J.  11  Ctm.                                —                     12 

Fall  10  kann  eigentlich  wegen  der  kurzen  Pause,  welche  seit 

der  Operation  erst  verfloss,    nicht  in  Betracht   kommen.     Aber  die 

übrigen  Fälle  beweisen  hinreichend,  wie  misslich  es  bei  langwieriger 


270  Dl'-  ^^-  stark. 

Eiterung  nach  der  Resection  mit  dem  Knochenersatze  von  Seiten 
des  Periostes  steht,  selbst  Avenn  der  cariöse  Prozess  nicht  fortdauert 
(nur  im  Falle  3  gelangte  man  auf  rauhen  Knochen),  Es  ist  dies 
eine  thatsächliche  Beglaubigung  für  den  von  Billroth  ^***)  ausge- 
sprochenen Erfahrungssatz:  »Die  periostale  Neubildung  kann  selbst, 
wenn  sie  üppig  war,  durch  profuse  Eiterung  wieder  vollständig  ver- 
gehen.« Doch  »warum  bereits  neugebildete  Knochenmassen  bei 
wiederholter  Fistelbildung  und  accidentellen  Entzündungen  während 
des  Heilungsprozesses  häufig  wieder  resorbirt  werden,  kann  man 
sich  nicht  ausreichend  erklären«,  —  sagt  Bidder^^^),  »zumal  unter 
ähnlichen  Verhältnissen  wiederholte  Reize  gerade  nur  anregend 
wirken  und  stärkere  reactive  Knochenwucherung  erzeugen.« 

Zieht  man  eine  Parallele  zwischen  der  Länge  der  Resections- 
stücke  von  humerus  und  ulna  einerseits  und  des  betreffenden  Ober- 
und  Vorderarms  jeweiliger  Grössendifferenz  von  seinem  Paarling  an- 
dererseits, so  ergibt  sich  daraus  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit,  in 
welchem  Verhältniss  sich  humerus  oder  ulna  am  Regenerations- 
prozesse betheiligten.  In  3  Fällen  (7,  8  und  6)  steuerten  beide 
Knochen  etwa  gleichviel  hierzu  bei,  in  einem  (14)  ging  der  Ersatz 
überwiegend  vom  humerus,  in  2  (9  und  11)  fast  ausschliesslich  von 
der  ulna  aus ;  bei  Nr.  13  hatte  nur  der  humerus ,  bei  Nr.  10  blos 
die  ulna  etwas  dazu  beigetragen.  (Fall  12  ist  wegen  Fehlens  des 
Präparates  nicht  beigezählt.)  Der  Grund,  warum  im  ersteren  der 
eben  angegebenen  Fälle  die  ulna,  im  letzteren  der  humerus  ganz 
passiv  sich  verhielt,  dürfte  gleichfalls  der  langwierigen  Eiterung  zur 
Last  gelegt  werden,  indem  in  jenem  gerade  am  oberen  Ende  des 
Vorder-,  in  diesem  am  unteren  Ende  des  Oberarms  noch  Fistel bildungen 
restiren.  In  den  übrigen  Fällen  bleibt  die  Ursache  der  vorliegen- 
den Gestaltung  der  Längenverhältnisse  unerforschlich ,  da  sich  kein 
gravirender  Unterschied  in  Operation,  Verlauf  oder  Nachbehandlung  etc. 
auffinden  lässt,  der  hierauf  von  Einfluss  hätte  sein  können. 

Der  Umfang    war   in   den  Fällen   mit   längerer   Suppm^ation 


"«)  S.  No.  8. 
»9)  S.  No.  75. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     271 

(10,  13,  14)  oder  wiederholter  Abscedirung  (8)  am  Vorderarme  (um 
V2 — 4  Gtm.)  mehr  hinter  jenem  der  gesunden  Seite  zurückgeblieben 
als  am  Oberarm.  Nr.  12  zeigte  am  Ober-  und  Vorderarm  gleich- 
massige  Abmagerung  (4  Gtm.).  In  den  restirenden  Fällen  herrschte 
die  Atrophie  des  Oberarms  vor. 

Aus  einer  Zusammenstellung  der  Querdurchmesser  der 
Humerussägefläche  des  Präparates  und  derjenigen  des  resecirten  Ge- 
lenkes lässt  sich  nichts  von  Bedeutung  folgern.  Der  Unterschied 
zwischen  beiden  war  in  den  meisten  Fällen  gering,  ja  geringer  als 
man  gemäss  der  Palpation  der  restituirten  Knochenvorsprünge  hätte 
erwarten  sollen  (V — i  Gtm.  und  weniger).  Im  Falle  14  machte 
die  Auftreibung  der  Gelenkgegend  das  Resultat  unklar;  im  Falle  8, 
wo  6  Gtm.  resecirt  wurden  und  der  Sägeflächequerschnitt  nur  2  Gtm. 
betrug,  ging  die  Reproduction  im  Hinblick  hierauf  merkwürdig  gut 
von  Statten,  da  der  frontale  Durchmesser  sich  auf  öV«  Gtm.  belief, 
mithin  nur  ^12  Gtm.  hinter  dem  des  anderen  Arms  zurückblieb. 

Weil  bei  den  in  Rede  stehenden  Patienten  die  grössere  oder 
geringere  Rotationsmöglichkeit  weniger  von  Wichtigkeit  ist,  mit  Aus- 
nahme von  Fall  11,  der  wegen  ihrer  Unzulänglichkeit  seinem  Barbier- 
geschäfte entsagen  musste,  so  wird  bei  Beurtheilung  der  Gebrauchs- 
fähigkeit des  einzelnen  Gliedes  auf  den  Beugungsgrad  und  die 
Excursionsgrösse  zwischen  Flexion  und  Extension  der  Hauptwerth 
zu  legen  sein.  Am  besten  functionirte  das  active  Schlottergelenk 
(Nr.  13),  indem  Patientin  im  Stande  war,  alle  Bewegungen  bis  zur 
Grenze  der  Norm  selbstständig  auszuführen.  Dem  folgte  Fall  11,  der, 
abgesehen  von  der  geringen  Rotation,  normales  Beugungsvermögen 
und  Streckungsfähigkeit  bis  IHö"  besass.  Fall  6  beugte  bis  60",  streckte 
bis  150",  gebot  mithin  über  ein  Bewegungsterrain  von  90°.  Nr.  14 
erreichte  einen  Flexionswinkel  von  48°,  einen  Streckungswinkel  von 
134°,  disponirte  darum  über  86°  Mobilität.  Nr.  10  flectirte  bis  85°, 
streckte  dagegen  bis  180",  folglich  standen  seinen  Excursionen  95° 
zu  Gebote.  Nr.  12  konnte  bis  70"  flectiren,  bis  136"  extendiren, 
somit  über  66°  Bewegungsmöglichkeit  verfügen.  Fall  8  besass  einen 
Beugungswinkel  von  94°,  eine  Extensionsgrenze  bis  165°,  hatte  dess- 
halb  ein  Mobilitätsgebiet   von  71°.     Nr.  7   beugte  bis  61°,    streckte 


272  Dr.  W.  stark. 

bis  85°,  bewegte  folglich  den  Vorderarm  in  einer  Bahn  von  24° 
gegen  den  Oberarm.  Nr.  9  flectirte  nur  bis  130°,  streckte  bis  180" 
und  vermochte  somit  50°  zu  Excursionen  zu  verwenden. 

hl  keinem  Falle  also  blieb  völlige  Ankylose  zurück. 

Die  Prüfungen  der  Leistungsfähigkeit  bei  Belastung  er- 
gaben für  das  Hebvermögen  mit  Rücksicht  auf  die  jeweilige.  Con- 
stitution des  Individuums,  Fall  13  ausgenommen,  gute  Resultate. 
Bei  den  Elevationsmanövern  des  mit  Gewichten  beschwerten  und  ge- 
streckt gehaltenen  Arms  leistete  Fall  7  sehr  viel,  Fall  11  ganz  wenig 
und  Nr.  13  natürlich  gar  nichts.  Den  geringsten  Erfolg  wiesen  Beu- 
gungsversuche der  belasteten  Extremität  im  Ellenbogengelenke  auf, 
da  in  4  Fällen  (7,  9,  11,  13)  jede  derartige  Anstrengung  fehlschlug. 

In  5  Fällen  wurden  Proben  auf  die  Grösse  der  Beweglichkeit 
im  Schultergelenk  des  operirten  Gliedes  angestellt  (bei  7,  9,  11,  13, 
14)  und  jedesmal  eine  gewisse  Beeinträchtigung  derselben  constatirt. 

Bei  Nr.  6,  7,  9,  11,  13,  14  hatte  eine  genauere  Beobachtung 
der  Excursionen  im  betreffenden  Handgelenk  nur  bei  Nr.  7  keine 
Beschränkung  derselben  nachweisen  können. 

Von  den  8  letzten  Fällen  zeigten  5  (8,  9,  11,  13,  14)  Schwächung 
des  Händedrucks  der  resecirten  Seite. 

Sowohl  hinsichtlich  der  Mortalität  als  des  functionellen  Werthes 
liefern  die  vorliegenden  Beispiele  in  Anbetracht  der  seitherigen  Er- 
gebnisse befriedigende  Resultate. 


III.  Resection  der  Fingergelenke. 

Die  oben  bezeichneten  Resectionen  haben  in  der  Literatur  bis 
jetzt  wenig  Berücksichtigung  gefunden,  obwohl  auch  hier  für  gewisse 
Fälle  ein  statistischer  Anhaltspunkt  erwünscht  wäre. 

Dieser  Mangel  macht  sich  besonders  merklich  bei  Feststellung 
der  Indicationen,  welche  zwar  von  Hüter  in  ausgedehntem  Mass- 
stabe vorgenommen  wurde,  zu  deren  Beglaubigung  jedoch  noch  die 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     273 

thatsächlichen  Belege  theilweise  fehlen.  —  Dass  bei  frischen  Gelenk- 
verletzungen mit  beginnender  Phlegmone  und  drohendem  Eiterdurch- 
bruch in  die  Sehnenscheiden  die  Excision  der  fraglichen  Articulation 
angezeigt  ist,  wird  wohl  Niemand  obigem  Autor  bestreiten.  Ob  ledig- 
lich die  Absicht,  den  Verlauf  einer  Gelenkeiterung  ohne  Gomplication 
abzukürzen,  die  Resection  erlaubt,  erscheint  schon  viel  fraglicher. 
Zu  weitgehend  dürfte  wenigstens  hinsichtlich  der  einfachen  Ankylose 
die  von  Hüter  vorgeschlagene  allgemeine  functionelle  Anzeige  sein, 
wenngleich  seine  Erfahrungen  lehren,  »dass  man  bei  richtiger  Wahl 
der  Methode  der  Resection  nicht  nur  eine  schnelle  Heilung,  sondern 
auch  die  Wiederherstellung  einer  beweglichen  Verbindung  zwischen 
den  resecirten  Knochenenden  und  bei  sorgfältiger  Nachbehandlung 
sogar  die  Retablirung  einer  fast  normalen  Beweglichkeit  hoffen  darf.« 
Dasselbe  Verhalten,  so  behauptet  er,  soll  den  partiellen  Resectionen 
zukommen.  Zu  solch'  hohen  Ansprüchen  passten  schlecht  die  Resul- 
tate zweier  von  Billroth  wegen  Garies  und  dreier  von  Szyma- 
nowski  vorgenommener  Phalangealresectionen,  von  welch'  letzteren 
eine  ebenfalls  wegen  Garies,  eine  wegen  Ankylose  nach  inveterirter 
Luxation,  eine  wegen  Pseudarthrose  der  Gelenkgegend  stattfand.  Es 
wurde  nämlich  eine  derselben  der  Exarticulation  wegen  Recidivs  un- 
terzogen, in  den  3  Szymanowski' sehen  Beispielen  kam  Ankylose 
und  nur  in  dem  zweiten  Billroth' sehen  leichte  Beugung  zu  Stande. 
Freilich  konnte  hierbei  die  Art  der  Krankheit,  der  Operation  und 
Nachbehandlung  nicht  dem  Vorbilde  entsprochen  haben,  welches 
Hüter  bei  seinen  Indicationsproblemen  vorschwebte. 

Indessen  müssen  die  vorhin  ausgesprochenen  Zweifel  so  lange 
aufrecht  erhalten  werden,  bis  eine  hinreichende  Anzahl  gut  consta- 
tirter  Erfolge  von  derartiger  Mustergültigkeit,  dass  sie  den  Anforde- 
rungen Hüter' s  genügen,  jene  verscheucht. 

Von  den  6  in  hiesiger  Klinik  (1872 — 76)  zur  Ausführung  und 
Beobachtung  gelangten  Fällen  sind  bis  jetzt  4  in  ihren  Endresultaten 
näher  bekannt: 


Czerliy,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  jg 


274  Dr.  W.  stark. 


Fall  16. 

Johann  Schmitt,  68  Jahre  alt ,  verheiratheter  Landwirth  aus  Ibach 
(St.  Blasien) ,  trat  wegen  Caries  phalangis  II.  digiti  indic.  in  das  Spital  am 
12.  Februar  1872  ein,  worauf  3  Tage  nach  seiner  Aufnahme  die  Resection  des 
Gelenkes  zwischen  erstem  und  zweitem  Fingergliede  vorgenommen  wurde.  Die 
Fieberreaction  war  massig  (höchste  Temperatur  39,2)  und  sank,  nachdem  am 
19.  Februar  eine  Incision  in  die  Vola  manus  gemacht  worden  war,  bald  bis  zur 
Norm  herab.  Weitere  und  genauere  Angaben  fehlen  vollständig,  nur  die  Zeit 
des  Austritts  des  Patienten  am  14.  März  notirte  man.  Brieflicher  Mittheilung 
vom  6.  November  1876  zufolge  ist  derselbe  völhg  gesund.  Die  Gebrauchsfähig- 
keit der  Hand  soll,  trotzdem  dass  beide  Phalangealgelenke  des  Zeigefingers  steif 
sind,  nur  wenig  beeinträchtigt  sein. 

Fall  17. 

Mathias  Kreidt,  15  Jahre  alt,  lediger  Blechnerlehrling  aus  Zähringen, 
hieb  sich  mit  einem  Beile  in  den  linken  Daumen.  Nachdem  bei  conservativen, 
ambulanten  Behandlung  Vereiterung  des  Gelenkes  zwischen  der  ersten  und  zwei- 
ten Phalanx  eingetreten  war,  wurde  am  30.  April  1873  dasselbe  resecirt.  Der 
Heilungsprozess  dauerte  bis  1.  Juni  und  hatte  einen  brauchbaren  Daumen  von 
geringer  Beweglichkeit  zum  provisorischen  Resultate. 

Brieflicher  Nachricht  vom  24.  Januar  1877  gemäss  waren  an  dem  im 
Interphalangealgelenke  resecirten  Daumen  weder  abnorme  Sensationen  noch 
Sensibilitätsstörungen  vorhanden.  Derselbe  hatte  normale  Gestalt  und  kam  an 
Länge  und  Umfang  dem  der  anderen  Seite  gleich.  Es  bestand  zwar  Beein- 
trächtigung der  Beweglichkeit  des  Pollex  sin.,  die  aber  die  Gebrauchsfähigkeit 
der  linken  Hand  nicht  verminderte. 

Fall  18. 

Marie  Noth,  15  Jahre  alt,  aus  Rothweil  litt  an  Caries  und  Necrose  des 
Gapitulum  des  rechten  Zeigefingermetacarpus.  Desswegen  wurde  am  30.  Au- 
gust 1873  die  totale  Resection  des  betreffenden  Metacarpophalangealgelenkes  vor- 
genommen. Nach  Monatsfrist  musste  ein  fast  die  ganze,  Gprticalschicht  umfassender 
Sequester  extrahirt  werden,  so  dass  sich  ihre  Entlassung  bis  26.  October  hinaus- 
zögerte. 

Fall  19. 

Wilhelm  Beck,  18  Jahre  alt,  lediger  Zimmermann  aus  Balingen,  ge- 
rieth  mit  der  linken  Hand  am  7.  August  1874  unter  eine  Gircularsäge.  Dadurch 
wurden  dem  sonst  sehr  gesunden  jungen  Manne  mehrere  Verletzungen  beige- 
bracht. Die  zu  einander  gehörigen  Gelenkenden  der  beiden  Daumenphalangen 
waren  theilweise  abgeschnitten,  in  der  grossen  Wunde  Knochen  und  Knorpel- 
stückchen zurückgeblieben.  Etliche  Nähte,  nach  Entfernung  der  letztern,  be- 
zweckten die  Erhaltung  der  beiden,  durch  eine  breite  Haut-  und  theilweise 
Fleischbrücke  an  der  Rückseite  zusammengehaltenen  Daumenglieder.    Aber  auch 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     275 

Zeige-  und  Mittelfinger  hatte  die  Säge  im  untern  Theile  der  Phalanx ,  jedoch 
ohne  Eröffnung  des  Gelenkes,  der  Art  resecirt,  dass  mit  der  Knochenscheere  blos 
einige  Correctionen  vorgenommen  werden  mussten.  Je  eine  Karlsbader  Nadel 
diente  zur  Wundvereinigung,  Am  Tage  darauf  entzog  sich  Patient  der  weitern 
klinischen  Beobachtung. 

Fall  20. 

Josef  Lückert,  18  Jahre  alt,  gebürtig  von  Güntersthal,  ei'lilt  Ende 
November  1874  durch  Fall  eine  Luxation  des  linken  Daumens  dossalwärts  im 
Metacarpo-Phalangealgelenke.  Bis  zu  seiner  Aufnahme  in  die  Klinik  Anfangs 
Januar  1875  war  blos  unzweckmässige  Behandlung  mit  Salben  eingeleitet  wor- 
den. Bei  seinem  Eintritte  wurden  verschiedene  vergebliche  Repositionsversuche 
mit  der  Luer'schen  Zange  gemacht  und  ebenso  erfolglos  Schienenverbändchen 
angelegt.  Desshalb  nahm  man  am  2.  Februar  die  Resection  vor.  Ein  bei 
Hyperextensionsstellung  geführter  volarer  Einschnitt  in  der  Längsrichtung  des 
ersten  Metacarpusknochens,  legte  dessen  Köpfchen  frei ,  das  mit  der  Knochen- 
zange abgekneipt  und  hierauf  die  Kapsel  mit  dem  Messer  so  lange  durch- 
schnitten ward,  bis  die  Stellung  der  Norm  entsprach.  Dies  geschah  unter 
strenger  Beobachtung  der  Lister'schen  Methode,  welche  man  auch  bei  der  ferneren 
Wundbehandlung  einhielt.  Einige  Suturen ,  Einführung  eines  Sti'eifchens  Px'o- 
tectiv  und  Verband  mit  Dorsalschiene  beendigten  die  Operation,  nach  der  der 
Patient  nur  einmal  (am  15.  Februar)  fieberte ,  als  nämlich  ein  rasch  vorüber- 
gehendes Erysipel  die  linke  Hand  befiel.  Am  22.  Februar  war  die  Wunde  ge- 
heilt, am  28.  erfolgte  der  Austritt. 

24.  October  76. 

Die  Resectionsnarbe  ist  kaum  mehr  bemerklich;  Verkürzung  nicht  vor- 
handen. Die  Stellung  der  Phalanx  I  relativ  zu  der  des  Metacarpus  entspricht 
der  Norm.  An  der  Volarfläche  hat  sich  zwischen  beiden  ein  Knochenwulst  ge- 
bildet, durch  welchen  die  Gelenkgegend  dieser  Seite  die  betreffende  der  andern 
um  1  Gtm.  an  Umfang  überbietet.  Trotz  der  eben  besagten  Auflagerung  sind 
die  Bewegungen  der  Artic.  metacarpo-phalang.  alle  (bes.  Flexion) ,  wenn  auch 
in  beschränktem  Masse,  selbständig  möglich.  Das  etwa  Fehlende  wird  durch 
ausgiebigere  Excursion  im  Carpo  -  metacarp.  -  Gelenke  ausgeglichen.  Dasselbe 
Verhältniss  waltet  bei  passiven  Bewegungen  ob.  Der  Druck  der  Hand  erscheint 
beiderseits  gleich.  Bei  seinen  Feldarbeiten  bemerkt  Patient  keine  Beeinträch- 
tigung der  Functionsfähigkeit  seiner  linken  Hand. 

Fall  21. 

Johann  Wächter,  25  Jahre  alt,  kam  am  31.  Mai  1876  ins  Spital. 
Er  hatte  seine  hnke  Hand  zwischen  zwei  Walzen  gebracht  und  hierbei  den 
Zeigefinger  derart  zerquetscht,  dass  nicht  nur  die  beiden  ersten  Gelenke  eröffnet 
und  nach  aussen  luxirt  waren,  sondern  auch  das  Periost  des  oberen  ersten  und 
des  unteren  zweiten  Phalanxendes  von  der  Dorsalseite  sich  losgelöst  zeigte.  Die 
Haut  der  Innenseite  und  Volarfläche  des  Fingers  fand  man  theils  zerfetzt,  theils 
fehlend,  die  Flexorensehne  stellenweise  blosliegend.  Trotz  dieser  hochgradigen 
Verletzung  wurde  die  conservative  Methode  mit  Schiene  und  List  er'schem  Ver- 


276  r^r-  w.  stark. 

bände  eingeschlagen.  Die  Eiterung  trat  sehr  reichlich  auf.  Eine  Untersuchung 
am  1.  Juli  ergab  Caries  des  I.  Interphalangealgelenkes  ,  wesshalb  unter  Lister'- 
schen  Desinfectionsmassregeln  die  Resection  desselben  stattfand.  Besserung 
stellte  sich  bei  Fortbeslehen  der  seitherigen  Apyrexie  so  rasch  ein,  dass  Patient 
schon  am  5.  August  mit  beweglichem  Gelenke  entlassen  werden  konnte. 

Am  17.  Januar  1877  wurde  Folgendes  an  ihm  über  das  seitherige  Verhalten 
seines  Fingers  und  den  jetzigen  Befund  ermittelt : 

Noch  14  Tage  nach  seiner  Entlassung  (bis  19,  August  1876)  soll  die  Resec- 
tionswunde  theilweise  offen  gewesen  sein.  Dessenungeachtet  nahm  er  seine 
Arbeit  als  Maschinenheizer  wieder  auf,  wobei  der  Finger  einfach  verbunden  war. 
Nach  Vollendung  des  Benarbungsprozesses  versteifte  sich  derselbe  in  den  beiden 
untersten  Gelenken  allmählig  bis  zu  dem  jetzt  vorhandenen  Grade  von  Ankylose, 
obzwar  Patient  angibt,  an  ihm  passive  Bewegungsmanöver  von  Zeit  zu  Zeit  vor- 
genommen zu  haben.  In  demselben  Maasse  stellten  sich  die  beiden  untersten 
Phalangen  zu  der  obern  in  einen  ulnarwärts  offenen  stumpfen  Winkel ,  dessen 
beide  Arme  von  dem  resecirten  Gelenke  ausgingen. 

Ausserdem  empfand  Patient  zuweilen,  besonders  bei  kälterer  Witterung 
ein  subjectiv  ungewöhnlich  starkes  Frostgefühl  an  dem  afficirten  Theile.  Ob- 
jectiv  machte  sich  eine  stellenweise  Unempfindlichkeit  desselben  bemerklich. 

Der  in  der  oben  beschriebenen  Dislocation  befindliche  Finger  kann  activ 
in  den  beiden  untersten  Articulationen  gar  nicht,  passiv  im  ersten  Interphalangeal- 
gelenke  nur  wenig  bewegt  werden. 

Die  Sensibilitätsstörung  ist  im  Bereiche  der  Nervi  digitales  volares  an  den 
beiden  Endphalangen  eine  beträchtliche ;  ähnlich  verhält  sich  das  Leitungsver- 
mögen der  Handrückenäste  des  Radialis. 

Die  Benarbung  erweist  sich  solide,  Knochenneubildung  hat  rings  um  die 
betreffende  Gelenkgegend  stattgefunden,  so  dass  der  Umfang  nicht  hinter  jenem 
der  rechten  zurücksteht 

1.  r. 

Umfang  der  Phalanx      I  6  Gtm.  G'/z  Ctm. 

II  41/2  Gtm.        5V2     „ 
„        „  „       III  Beiderseits  gleich. 

Länge  des  Fingers  8  Gtm.  9  Gtm. 

Trotz  dieser  Abnormitäten  will  Patient  seit  einiger  Zeit  keine  erhebliche 
Beeinträchtigung  der  Gebrauchsfähigkeit  der  linken  Hand  bei  seinen  Verrich- 
tungen bemerkt  haben. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  EndresuUalL'ii  der  Geleukresectionen.     277 


cö 

r— I 

PS 

m 
ca 
u 

u 


•  I-l 

a> 


Ge- 
brauchs- 
fähigkeit 
der  betreff. 
Hand 

nicht 
beein- 
trächtigt 

nicht 
beein- 
trächtigt 

nicht 
beein- 
trächtigt 

nicht 
beein- 
trächtigt 

Beweglich- 
keit der 

übrigen  Ge- 
lenke des 
fraglichen 
Fingers 

Ankylose 

auch  des 

zweiten 

Phalangeal- 

gelenks. 

beschränkt 

cc 
3 
O 

Ankylose 

auch  des 

untersten 

Phalangeal- 

gelenks 

Art  der 
Verbin- 
dung des 
neuen 
Gelenks 

1 
Ankylose 

Be- 
schränkte 
Beweg- 
lichkeit. 

Activ  und 
passiv  be- 
schränkte 
Beweg- 
lichkeit. 

Bios  pas- 
siv etwas 
beweglich 

Gestalt 

des  Fingers 

und 

Gelenks 

' 

normal 

Knochen- 
wulst an  der 
Volarseite  des 
res.  Gelenks 

Nach   aussen 
offene  Winkel- 
stellungder  bei- 
den untersten 
Phalangen. 
Knochenneu- 
bildung  rings 
um  das  res. 
Gelenk 

Differenz 
im  Umfang 
der  entspre- 
chenden 
Finger  oder 
Gelenke 

' 

keine 

Am 
resecirten 

Gelenk 
1  Gm.  dicker 

^  .£  ^  O  ^  ü  ^-  "(u 

s  S  ö     ,     , 

jaSuy      j 
•qaajds^ua  -p 
a.guBTp'i-jjia: 

1 

keine 

3 
'S  • 

B 

i-H 

uaäunqosjoj 

-qoBjyj  ua^s 

-anaujapjiaz 

«D  >i5  ÖÖ 

Ol '-'  CO 

21, 
X, 

1876 

U'-'  CO 

?   o   5n  iH 
t-    U3    a;   *^ 

Ph       pi; 
SunssBUug 
jap  :^pz 

1 

Brauch- 
barer 
Dau- 
men 
von  ge- 
ringer 
Beweg- 
lichkeit 

1 

CD    n>  .G    CD    c 

35  S 

,co 

'-'  J^  00 

''>i"'-^S; 

c^H-,  00 

5, 
VllI, 

1876 

Gompli- 
cationen  des 
Heilverlaufs 

Massige  Fie- 
berreaction, 
sistirend  nach 
einer  Incision 
a.  d.Volama- 
nus  am  19,  II 

1 

15.11. 
Erysipel  der 
hnken  Hand 
und  Fieber 

1 

uoi'jBjado 
jap  1PZ 

,-(  1— 1  00 

30, 
IV, 

1873 

<mH  00 

1, 
VII, 

1876 

Krankheit 

resp. 
Verletzung 

Garies  basis 
phalangis  II. 
indicis  sin. 

Synovitis 
suppur.  trau- 
matica artic. 
interphalang. 

poUic.  sin. 

Luxatio  inve- 
terata  articuli 

metacarp. 

phalang.  pol- 

licis  sin. 

Garies  trau- 
matica articu- 
lationis  inter- 
phalang.   I. 
indicis  sin. 

•jaiiy 

00 
CD 

I— ( 

3 
CS 

rO       3 

•"     3 

A    O 
o   I-» 
«2/ 

t.     Cd 

Lücke  rt, 
Josef 

1^ 

^     3 

cd      l-B 

278  D'"-  W.  stark. 

Von  diesen  4  Resectionen  wurden  also  eine  wegen  einfacher 
(Schmitt),  eine  wegen  traumatischer  Garies  (Wächter),  eine 
wegen  Vereiterung  des  Gelenks  nach  Verletzung  desselben  (Kr  ei  dt) 
und  eine  wegen  veralteter  Luxation  (Lückert)  unternommen.  Die 
Affectionen  betrafen  jeweils  die  linke  Seite.  Vorübergehende  Gompli- 
cationen  kamen  bei  Schmitt  (Eiterverhaltung)  und  Lückert 
(Erysipel)  vor.  Die  Dauer  des  Heilverlaufs  betrug  durchschnittlich 
einen  Monat. 

Bei  Kr  ei  dt  blieb  die  Beweglichkeit,  welche  er  beim  proviso- 
rischen Resultate  erhalten  hatte,  bei  Wächter  dagegen  verlor  sich 
die  active  vollständig.  Bei  ihm  allein  constatirte  man  Sensibilitäts- 
störungen, abnorme  Stellung,  Atrophie  und  Verkürzung  des  betreffenden 
Fingers  —  Anomalien,  die  wohl  zum  Theil  auf  die  Intensität  der  ur- 
sprünglichen Verletzung  zurückzuführen  sind.  Bei  ihm  und  Lückert 
fanden  sich  Knochenablagerungen  im  Bereiche  des  excidirten  Krankheits- 
heerdes.  Nur  Letzterer  und  Kreidt  besassen  active  Beweglichkeit 
an  der  neuen  Ariiculation;  trotzdem  blieb  der  Gebrauch  der  Hand 
in  allen  Fällen,  selbst  in  jenen,  wo  auch  die  Funktionirung  anderer 
Gelenke  des  fraglichen  Fingers  Noth  gelitten  hatte,  eine  gute.  — 


IV.  Resection  des  Hüftgelenks. 

Bei  Beurtheilung  des  Werthes  der  Hüftgelenkresection  scheint 
es  nach  dem  seitherigen  Stande  der  durch  sie  erzielten  Resultate 
geboten,  die  Errungenschaften  der  Friedens-  und  Kriegspraxis  streng 
auseinander  zu  halten. 

Dort  rivalisirt  mit  ihr  vorwiegend  die  conservative,  hier  höch- 
stens die  privative  Behandlung. 

Aber  selbst  hinsichtlich  der  gewöhnlichen  Erkrankungen  dieses 
Gelenkes  ist  eine  endgültige  Vereinbarung  über  die  Anwendung  der 
fraglichen  Operation  noch  nicht  bewerkstelligt. 


Beiträge  zu  der  Statistik  uiul  den  Eiidresultiiteu  der  ({eleiikreHectioiieii.     079 

Eulenburg  ^5")  konnte  desshalb  im  Jahre  1866  mit  vollem 
Rechte  sagen:  »Es  ist  ein  bei  dem  heutigen  universalen  Charakter 
der  Wissenschaft  selten  gewordenes  und  daher  um  so  beachtens- 
wertheres  Schauspiel,  dass  die  Meinungen  über  Werth  und  Zulässig- 
keit  einer  Operation  innerhalb  so  weiter  Grenzen  divergiren,  —  wie 
es  bei  der  Hüftgelenkresection  wegen  Caries  der  Fall  ist.«  Doch 
meint  5  Jahre  später  Leisrink^^^):  »Die  einfache  Behandlung 
der  Goxitis  wird  und  kann  niemals  ganz  die  Resection  verdrängen, 
wenn  es  auch  zu  hofien  ist,  dass  sie  mit  den  jetzigen  guten  und 
bessern  Methoden  dieselbe  einschränken  wird.«  Er  nennt  letztere 
darum  »eine  lebensfähige  Operation« ,  »eine  direct  lebensrettende 
Operation«,  wobei  er  freilich  nur  auf  die  vorerwähnte  Krankheit 
Bezug  nimmt.  Wie  richtig  aber  seine  Behauptungen  sind,  beweisen 
die  Ergebnisse  einer  in  neuster  Zeit  (1874)  von  Jacobsen^^^)  auf- 
gestellten, vergleichenden  Statistik  über  Resections-  und  conservativ 
behandelte  Fälle  von  suppurativer  Coxitis,  wobei  diese  eine  Mortali- 
tät von  73,02%  (von  63  starben  46),  jene  eine  solche  von  48,51% 
(von  167  starben  81)  repräsentirten. 

Auf  dem  Schlachtfelde  hat  sich  die  conservative  Methode  der 
Hüftgelenksverletzungen  bis  zur  Gegenwart  kein  Bürgerrecht  erworben. 
Otis  (1869)^^^)  hält  dafür,  dass  dorten  die  exspectative  Behandlung 
})ei  klarer  Diagnose  der  Gelenkentzündung  ganz  zu  verwerfen  sei. 
Hüter  (1871).'^'^)  geht  mit  den  Worten  darüber  weg:  »Meines 
Wissens  ist  ein  zweifelloser  Fall  von  Heilung  einer  Schussverletzung 
des  Hüftgelenks  ohne  Operation  überhaupt  bisher  noch  nicht  be- 
obachtet worden«  ^^^), 


^*°)  Dr.  A.  Eulenburg,  Beiträge  zur  Statistik  und  Würdigung  der 
Hüftgelenkresection  bei  Caries.     v.  Langenbeck's  Archiv.     Bd.  III,  1866. 

^^^)  Dr.  H.  Leisrink,  Zur  Statistik  der  Hüftgelenkresection  bei  Caries 
und  Ankylose,     v.  Langenbeck's  Archiv,    Bd.  XII,  1871. 

'^^)  Nach  einem  Referate  von  D  räch  mann  in  Schmidt's  Jahrbücher 
der  in-  und  ausländischen  gesammten  Medicin.     B.  169. 

^**)  G.  Otis,  assistant  Surgeon  and  Brevet  Lieutenant  Golonel  U.  S.  Army. 
Circular  No.  2,  1869. 

15")  S.  No.  83. 

^^^)  Otis  dagegen  bezeichnet  für  die  einfach  conservative  Behandlung  die 
Procentzahl  93,6"/o. 


280  t)r.  W.  stark. 

Gegenüber  der  betreffenden  Exarticulation  bietet  die  Re- 
section  im  Allgemeinen  gleichfalls  eine  bessere  vitale  Prognose. 

So  berechnet  schon  Ried  (1847)^^'^)  den  glücklichen  Verlauf 
bei  der  erstem  1:5,  bei  der  letztern  1:3.  Hey  fei  der  ^^t-j  fmdet 
ebenso  für  die  Resecirten  ein  bei  weitem  günstigeres  Verhältniss  als 
für  die  Exarticulirten. 

Weil  nun  im  Frieden  die  Hüftgelenkexarticulation  selten  aus- 
geführt wird  und  in  der  Regel  nur  an  Patienten,  bei  denen  die 
Resection  gar  nicht  in  Betracht  kömmt  (z.  B.  bei  Geschwülsten, 
Zerschmetterungen);  so  soll  das  gegenseitige  Verhalten  dieser  zwei 
Operationen  im  Kriege  allein  Berücksichtigung  erfahren.  Langen- 
beck'si58j  Statistik  ergibt  für  die  Resection  89,79>  (44  Gestor- 
bene, 5  Geheilte),  für  die  Exarticulation  89,8V  (141  Gestorbene, 
16  Geheilte).  Nach  Otis'  ^^^)  Zusammenstellung  starben  nach  Re- 
section 90,6  V)  nach  Exarticulation  90  "/o  der  Verwundeten.  —  Die 
Ergebnisse  beider  Eingriffe  halten  sich  somit  ziemlich  das  Gleich- 
gewicht''"').  Beiden  aber  weist  auch  hier  die  gewichtige,  auf  ein 
ausgedehntes  statistisches  Material  sich  stützende  Stimme  von  Otis^^^) 
ganz  gesonderte  Bahnen  an  ^*^^).  Nach  ihm  erheischen  Hüftgelenks- 
schüsse mit  schweren,  coraplicirenden  Verletzungen  der  betreffenden 
Extremität  die  Exarticulation,  ohne  solche  die  Resection.  Die  vitalen 
Erfolge  jener  und  dieser  sind  jedoch  sehr  trauriger  Natur.  Hierüber 
stimmen  sämmtliche  Berichte  überein.  Schon  Heyfelder  ^^^)  con- 
statirt:     »Die  Frage    ob    die   Resection   des    Hüftgelenks   im    Felde 

i^ß)  S.  No.  36. 

>")  s.  No.  2. 

158)  S.  bei  Hüte  r  No.  83, 

1^')  Gitirt  bei  Fischer  No.  5. 

1^")  Auch  von  den  Resultaten  des  deutsch-französ.  Krieges  187U — 71  sagt 
Lücke:  »Die  expectative  Methode,  die  Exarticulation,  sowie  die  Resection  er- 
wiesen sich  gleich  verderblich,«  s.  N,  42, 

'«')  S.  No.  153. 

'®^j  Die  Exarticulation  soll  ausgeführt  werden  :  a)  bei  Abreissungen  der 
Extremität  oder  bedeutender  Zerreissung  der  Weichtheile.  b)  Wenn  gleichzeitig 
mit  dem  Knochen  die  grossen  Schenkelgefässe  getroffen  werden,  c)  Wenn 
ausser  der  Hüftgelenkverletzung  der  Knochen  weiter  unten  in  bedeutender  Aus- 
dehnung verletzt  oder  gleichzeitig  das  Kniegelenk  verletzt  wurde. 

1«»)  S.  No.  2, 


Beiträge  zu  der  Statistik  iiml  den  Endresultaten  der  Gelenkreseclionen.     281 

anwendbar  sei,  wird  durch  die  Statistik  ungünstig  beantwortet.« 
Trotzdem  ist  er  der  Ansicht:  »Da  man  von  Exarticulationen  und 
Oberschenkelamputationen  im  Felde  höchst  ungünstige  Resultate 
hat ,  so  verdient  die  Resection  im  Hüftgelenke  jedenfalls  nicht  bei 
Seite  gelegt  zu  werden.«  Aehnlich  lautet  bezüglich  solch'  schlechter 
Resectionserfolge  das  Urtheil  von  Heine^^*),  Hüter  ^^^j  etc.  (Fhn- 
reichenden  Beleg  liefert  die  später  erörterte  Statistik.) 

Darum  muss  das  Hauptaugenmerk  für  die  Zukunft  darauf 
gerichtet  sein,  bei  dieser  Resection  »eine  Verminderung  ihrer  Ge- 
fahren« ^'^^)  zu  erzielen.  Den  Weg  der  Besserung  zeigt  Hüter  ^*''') 
an;  ersterer  führt  seiner  Angabe  gemäss  zu  derselben  durch  die 
bessere  Wahl  der  Fälle,  »durch  die  Methodik  der  Resection  und 
ihre  Nachbehandlung.« 

Auf  die  Art  der  letzteren  legt  Eulenburg  ^^^)  Hauptgewicht 
zur  Erreichung  des  nach  ihm  »allein  anzustrebenden«  functio- 
n eilen  Resultates,  nämlich  der  »Herstellung  einer  beweglichen  Ver- 
bindung«; »denn«,  fügt  er  bei,  »wenn  auch  bei  eintretender  Anky- 
lose das  Sacroiliacalgelenk  bald  eine  grössere,  vikariirende  Beweg- 
lichkeit einnimmt,  so  erlangt  der  Gang  doch  schwerlich  dieselbe 
Leichtigkeit,  wie  bei  vollkommen  freier  Bewegung  in  dem  neugebil- 
deten Gelenke  zwischen  Femur  und  Pfanne«.  Uebrigens  ist,  wie  er 
selbst  eingesteht,  »bei  den  Patienten,  die  am  Leben  bleiben,  der 
Ausgang  in  Heilung  mit  guter  Gebrauch sfähigkeit  der  Extremität 
überwiegend  häufig.«     (Vgl.  d.  Resultate.) 

Dessen  ungeachtet  bleibt  die  Berechtigung  der  Aufnahme  einer 
functionellen  Indication  in  das  Bereich  der  Anzeigen  der  eigentlichen 


^^^J  Dr.  C.  H  e  i  n  e ,  Die  Schussverletzungen  der  unteren  Extremitäten 
nach  eigenen  Erfahrungen  aus  dem  letzten  Schleswig  -  holstein'schen  Kriege. 
V.  Langenbeck's  Archiv,  Bd.  VII  (1856):  Die  operative  Hülfe,  welche  wir  von 
der  Resection  an  andern  Gelenken  mit  so  grossem  Vortheile  ziehen ,  erscheint 
am  Hüftgelenke  noch  immer  von  sehr  dubiösem  Werthe.  Die  Resultate  der 
Hüftgelenkresection   im  Kriege   sind  bisher  —  höchst  wenig  aufmunternder  Art. 

^^^)  S.  No.  83  :  »Leider  steht  es  mit  den  bisher  erzielten  Erfolgen  dieser 
Operation  in  der  kriegschirurgischen  Praxis  nichts  weniger  als  glänzend.« 

18«)  S.  bei  Eulenburg  No.  150. 

1")  S.  No.  83. 

"8J  S.  No.  150. 


282  l^i"-  "^V*  stark. 

Gelenkresection  (nicht  zu  verwechseln  mit  der  Keilexcision  von 
Rhea  Bar  ton)  immerhin  sehr  zweifelhaft.  Unter  den  von  Leis- 
rink  ^^^)  aufgezählten  15  Fällen,  die  wegen  Ankylose  operirt  wurden, 
befanden  sich  3,  hei  denen  man  den  Gelenkkopf  wirklich  entfernte. 
Von  ihnen  büssten  2  diese  Herstellungsversuche  des  Gebrauchsver- 
mögens mit  dem  Leben,  einer  blieb  im  Ausgange  unbestimmt ^'°). 
Solchen  Erfahrungen  gegenüber  fällt  das  absprechende  Urtheil 
Neudörfer's  ^'^^):  »Beim  Hüftgelenk  ist  wegen  der  grossen  Ge- 
fahr des  operativen  Eingriffs  diese  Indication  absolut  nicht  gestattet« 
—  schwer  in  die  Wagschale.  Er  stellt  consequenter  Weise,  »weil 
die  Heilungsdauer  in  allen  bekannt  gewordenen  Fällen  eine  so  pro- 
trahirte  ^var  und  mehrere  Jahre  in  Anspruch  nahm,  weil  ferner  die 
Heilung  so  selten,  der  operative  Eingriff  so  gefährlich  ist,  —  für  die 
Resection  die  Lebensgefahr  als  die  einzig  berechtigte  Indication« 
auf^^^).  Letztere  kommt,  abgesehen  von  Verletzungen,  vorwiegend 
bei  Caries  des  Hüftgelenks  in  Betracht;  es  wird  das  Auftreten  ihrer 
Symptome  ^  ^  ^)  allgemein  als  Anzeige  der  Operation  anerkannt 
(s.  Fock^^^),  Eulenburg  ^75)^   Leisrink^^e)  etc.).     Hüter^^T) 


163)  S.  No.  151. 

'^*')  Hüter  erweitert  das  Gebiet  der  functionelien  Indication  noch  da- 
durch ,  dass  er  einen  gewiss  seltenen  Folgezustand  der  Luxation ,  nämlich  die 
consecutive  Lähmung  der  ganzen  untern  Extremität,  welche  durch  Druck  des 
Kopfs  auf  den  Plexus  ischiadicus  an  seiner  Austrittsstelle  aus  dem  Becken  an 
die  Incisura  isch.  entstehen  kann,  als  Anzeige  der  obigen  hinzufügte. 

i^ij  S.  No.  4. 

1^^)  Volk  mann  (s.  No.  86)  hält  hier  auch  „die  Resection  -  nur  dann 
indicirt,  wenn  es  sich  zeigt,  dass  eine  Heilung  auf  anderem  Wege  nicht  zu  er- 
zielen ist." 

*")  Sie  sind:  Abscess,  Fieber,  das  Resultat  der  Function,  manchmal 
Crepitation  (s.  Eulenburg,  Leisrink). 

"*)  Fock,  Bemerkungen  und  Erfahrungen  über  die  Resection  im  Hüft- 
gelenk.   V.  Langenbeck's  Archiv,  Bd.  L  1860. 

"*)  S.  150:  „Am  Klarsten  und  Richtigsten  hat  meines  Erachtens  Fock 
sich  über  die  in  Rede  stehende  Frage  ausgesprochen,  indem  er  die  Caries  sans 
phrase  als  Indication  hinstellt  und  die  Operation  ohne  weiteres  Abwarten  vor- 
nehmen will,  „sobald  Caries  des  Gelenks  man  mit  Sicherheit  diagnosticirt  hat." 

1'*)  S.  No.  151:  „Man  muss  reseciren,  sowie  sich  Abscesse  bilden,  resp. 
sowie  sich  Caries  des  Hüftgelenks  diagnosticiren  lässt. 

"')  S.  No.  83. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     283 

schiebt  hier  gleichfalls  die  Grenze  möglichst  hinaus  und  hält:  »die 
Resection  des  Hüftgelenks  bei  Coxitis  für  indicirt,  sobald  eine  aus- 
gedehnte Eiterung  des  Gelenks  sich  manifestirt  oder  sobald  der  Ver- 
lauf lehrt,  dass  der  Ausgang  in  Eiterung  nicht  mehr  verhütet  wer- 
den kann.«  Die  zweite  Bestimmung  dürfte  sieh  wegen  ihrer  Dehn- 
barkeit kaum  als  Richtschnur  eignen. 

Sie  spielt  eben  schon  mehr  in  das  Gebiet  über  Angabe  des 
Zeitpunktes  der  Ausführung  hinüber,  bei  der  es  hinsichtlich  dieser 
Krankheit  überhaupt  schwer  fällt,  correcte  Vorschriften  zu  bieten. 
Während  z.  B.  auch  von  Eulenburg ^^s)  blos  empfohlen  wird,  in 
einem  möglichst  frühen  Stadium  des  Leidens  zu  operiren,  dienen 
die  bündigen  Aufschlüsse  Leisrinks  ^^9)  eher  als  brauchbare  Weg- 
weiser. Er  sagt:  »Man  operire  sobald  sich  Abscesse  bilden,  noch 
ehe  sich  Fisteln  gebildet  haben.  Man  operire,  so  lange  das  Be- 
finden des  Kranken  noch  ein  relativ  kräftiges  ist.« 

Genauer  kann  bei  Verletzungen  (resp.  für  die  Kriegspraxis) 
der  günstigste  Moment  zur  Ausführung  der  Operation  fixirt  werden. 

Volkmann^8<>)  und  H  e  i  n  e  ^^i)  sprechen  für  Spätresectionen, 
ersterer  wegen  der  Schwierigkeit  der  Feststellung  einer  sichern 
Diagnose  derartiger  Verletzungen  und  ihrer  etwaigen  Gomplicationen. 
Hüter  ^^2)  zieht  die  Frühresection  vor,  hauptsächlich  weil  ein  vom 
Wundfieber  bereits  erschöpfter  Patient  den  mit  einem  solchen  Ein- 
griff verbundenen  Blutverlust  schwerer  überstehe  als  ein  frisch  Ver- 
wundeter. 

Die  Statistik  gewährt  bis  jetzt  nicht  hinreichende  Sicherheit, 
um  hier  ein  entscheidendes  Wort  zu  sprechen.  Denn  die  grösste 
Sammlung  der  Hüftgelenksresectionen  wegen  Verletzung  von  Otis^^^j, 
85  Fälle  umfassend,  bestand: 

1)  Aus    63   im   amerikanischen   Kriege  Operirten,   von  denen 


"8)  S.  No.  150. 
"9)  S.  No.  151. 
"»)  S.  No.  84. 

^^^)  S.  No.  164:    „Der  seicundäre  Zeitpunkt    zu   ihrer  Vornahme   ist  wohl 
allein  zu  empfehlen." 
^«2)  S.  No.  83. 
"^)  S.  No.  153. 


2ö4  t)r.  W.  Stark, 

32  primär  resecirt  waren  mit  30  Todesfällen  (93,75 >),  22  inter- 
mediär, Avorunter  20  Todte  (90,9%)  und  9  sel<;imdär,  wovon  Alle 
starben  (lOOV). 

2)  Aus  22  anderweitigen  wegen  Verwundungen  (im  Kriege) 
vorgenommenen  Hüftgelenkresectionen ,  die  sich  auf  7  primäre  mit 
1  Heilung  (85,7 %),  11  intermediäre,  wobei  ebenfalls  eine  Heilung 
(90,9"/o)  und  4  sekundäre  mit  2  Heilungen  vertheilten. 

Man  sieht  daraus ,  wie  in  der  ersten  Gategorie  die  Statistik 
zu  Gunsten  der  Spät-  in  der  zweiten  zum  Vortheile  der  Früh- 
Resection  ausfällt  (das  Verhalten  der  intermediären  Resection  bleibt 
sich  constant).  Eine  Vereinigung  beider  Resultate  gäbe  den  Aus- 
schlag für  Spätoperation  (primär:  92,3''/o,  sekundär:  84,67« .) 

Immerhin  gelten  bis  zur  Gegenwart  die  hieran  sich  knüpfen- 
den Vorschriften  von  0  t  i  s ,  denen  zufolge  bei  einfachen  Fracturen 
des  Schenkelkopfes  und  -halses  die  primäre,  bei  späterer  Feststellung 
der  Gelenkverletzung  die  intermediäre,  bei  Caries  des  Gelenkkopfes 
und  ganz  späten  suppurativen  Synovitiden  die  sekundäre  Resection 
gemacht  werden  soll. 

Bemerkenswerth  ist  ferner,  dass  gemäss  der  statistischen  Er- 
hebungen von  Heyfelde  r  ^^*),  Fock^^^)  und  Eulenburg  ^^^), 
»die  Totalresectionen  keineswegs  ein  schlechteres,  sondern  eher  ein 
etwas  besseres  Resultat  geben  als  die  partiellen.«  Heyfelder 
fand  unter  5  Fällen  3  Heilungen ,  eine  Besserung ,  einen  lethalen 
Ausgang;  Fock  unter  35  17  Heilungen,  7  ungewisse,  11  lethale; 
Eulenburg  unter  19  7  Todesfälle.  Auch  L e i s r i n k  ^^ '')  bemerkt: 
»In  50  Fällen  wurde  die  Pfanne  resecirt  resp.  ausgebrannt,  davon 
sind  21  =  42 7o  geheilt«:  Es  starben  mithin  587o,  folglich  5,6 7o 
weniger  als  bei  seinem  Gesammtcrgebniss  (63,67o  s.  u.).  Trotzdem 
muss  das  verwerfende  Wort  Volkmann' s  ^8^)  gebilligt  werden, 
welches   er    der    totalen    Resection     »zum    Zwecke    der    Her- 


"•»)  S.  No.  2. 

"ä*)  S.  No.  174. 

"«)  S.  No.  150  (das  folgende  Gitat  sind  seine  Worte). 

'")  S.  No.  151. 

"8j  S.  No.  84. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     285 

Stellung  einer  beweglichen  Verbindung«  widmet  und 
zwar  besonders  desswegen,  »weil  man  zur  Zeit  noch  nicht  im  Stande 
ist,  mit  der  Beweglichkeit  gleichzeitig  diejenige  Festigkeit  zu  erzielen, 
die  das  Gelenk  braucht,  um  den  grössern  Ansprüchen  der  Locomo- 
tion  zu  genügen.« 

Wohl  aus  gleichem  Grunde  sprachen  sich  Hüter '^^)  und 
B  i  1 1  r  o  t  h  ^^^)  gegen  die  von  M  a  1  g  a  i  g  n  e  (behufs  bessern  Ab- 
flusses der  Wundsecrete)  angerathene,  prinzipielle  Entfernung  des 
Trochanter  major  aus. 

Die  Angaben  über  die  Dauer  der  Heilung  differiren  innerhalb 
der  Grenzen  von  IV  Monaten  bis  zu  2  Jahren  (s.  Hey  fei  der  '^^) 
Eulenburg  ^^2),  Leis  rink)  ^^^). 

Eine  genauere  statistische  Betrachtung  der  geheilten  Fälle  selbst 
gegenüber  der  der  Gestorbenen  ergibt  für  jene  ein,  wie  schon  früher 
angeführt,  wenig  erfreuliches  Resultat. 

Unter  den  71  von  Heyfelder  ^^*)  gesammelten  Resectionen 
waren  63  statistisch  verwerthbar  mit  einer  Mortalität  von  47,6*'/o 
(33  Geheilte ,  30  Gestorbene).  Er  selbst  sondert ,  eingedenk  der 
grossen  Verschiedenheit  auf  dem  Friedens-  oder  Kriegsfelde  dieselben 
in  55  wegen  Goxitis  und  Garies  Operirte,  von  denen  23  starben, 
somit  41,8*'/o  und  9  wegen  frischer  Schussverletzungen  Resecirte  mit 
8  Todesfällen,  folglich  88,87o. 


'8«)  S.  No.  83. 

"«)  S.  No.  8. 

^'*)  S.  No.  2:  „Textors  Kranker  konnte  nach  2  Monaten  auftreten,  wenn 
man  ilin  unterstützte,  fing  aber  erst  nach  mehr  als  einem  Jahre  an  zu  gehen. 
Die  Kranke  von  Sayre  ging  mit  6  Monaten,  wenn  auch  vorläufig  erst  an  Krücken. 
Der  Operirte  von  Hey  fei  der  nach  ^,'4  Jahren,  aber  stets  nur  mit  Krücken 
Dagegen  konnte  Fergusson's  erster  Kranker  schon  nach  2  Monaten  an  Krücken 
gehen  und  war  die  Wunde  geschlossen.  Ure's  Operirter  konnte  nach  8  Wochen 
an  Krücken  gehen  und  bei  fixirtem  Becken  die  Extremität  erheben.  Der  von 
Hancock  unter  sehr  günstigen  Verhältnissen  operirte  Knabe  konnte  ebenfalls  nach 
6  Wochen  im  Hause  herumgehen,  bei  fast  völlig  geschlossener  Operationswunde." 

^*^)  3.  No.  150 :  „Die  mittlere  Heilungszeit  düi-fte  im  Allgemeinen  auf 
4 — 6  Monate  zu  veranschlagen  sein." 

"^)  S.  No.  151 :  „In  31  Malen  ist  die  Dauer  bis  zur  Heilung  angegeben 
und  liegt  zwischen  1^2  Monaten  und  2  Jahren." 

"*)  S.  No.  2. 


23g  Dr.  W,  Stark. 

Später  verfertigte  Leisrinki^^)  eine  sorgfältige  tabellarische 
Uebersichl  aller  bis  zum  Jahre  1871  bekannter  Hüftgelenkresectionen 
wegen  Garies ,  176  an  der  Zahl,  und  berechnete  daraus  eine  Mor- 
talität von  QS^Q^jo  1^6),  dem  höchsten,  von  keinem  seiner  Vorarbeiter 
erreichten  Prozentsatz.  Von  jenen  fanden,  nach  Lei srinks  eigener 
Aufzeichnung : 

Fock  36,30"/o         Le  Fort      41,00"/o     Hodges      47,747o 

Barwell        36,377o         Lyon  43,907«     Good  52,297« 

Eulenburgj  ,       Geraides    45,137o  Leisrink  s.  63,67« '^«) 

Sayre        )  -*  Heyfelder47,627o. 

Viel  kleiner  ist  das  statistische  Material,  viel  grösser  aber  die 
Mortalität  in  den  kriegs-chirurgischen  Mittheilungen,  wie  schon  aus 
Heyfelde rs  Angaben  hervorgeht.  Von  den  bereits  erwähnten 
85  Operirten  des  Otis  starben  77,  also  beinahe  90,597o  ^^^).  Aus 
dem  deutsch-französischen  Kriege  (1870— 71)  wurde,  nach  Lücke^""): 


"5)  S.  No.  153. 

"^)  Von  105  Todten  starben  24  =  22,8%  an  accidentellen  Wundkrank- 
heiten, 23  =:  21,8  7o  an  Erschöpfung,  12  =  11,5  >  an  Phthisis,  3  =  2,8  "jo  an 
Durchfällen,  8  =  7,5  "/o  an  Amyloid,  4  =  3,6  "lo  an  fortschreitender  Caries. 

1")  S.  No.  152:  Eulenburg  bespricht  56  Fälle  (22  geh.,  24  leth.,  10  un- 
geheilte);  Sayre  109  Fälle  (71  geh.,  36  leth.,  2  ungünstige).  Eine  Combination 
beider  ergibt  164  Fälle  (60  leth.,  92  geh.,  5  ungeheilte  und  7  ungewisse)  = 
36,60o/o. 

^^^)  Hüter  (No.  83)  bemerkt  dazu:  »Man  erkennt  ohne  Mühe,  zu  welchen 
Irrthümern  unsere  noch  in  den  Windeln  liegende  chirurgische  Statistik  führen 
kann.«  Uebrigens  ist  die  von  Leisrink  gewonnene,  hohe  Mortalitätsziffer 
vorzugsweise  wohl  dem  Umstände  zuzuschreiben,  dass  er  durch  Correspondenz 
auch  nicht  publicirte  also  —  wie  wahrscheinlich  —  meist  ungünstig  verlaufene, 
Fälle  sammelte  und  seiner  Statistik  einreihte. 

'^^)  v.Langenbeck  fand,  wie  Hüter  (1871)  meldet,  von  49  Resecirten 
(seit  1829)  5  Geheilte  (89,79».  —  Neudörfer  (1871)  erklärt:  »Ich  habe  die 
Resection  im  Hüftgelenk  nur  nach  Schussverletzungen  und  niemals  bei  Krank- 
heiten ausgeführt,  habe  aber  leider  kein  Glück  mit  dieser  Operation  gehabt;  ich 
habe  die  Hüftgelenkresection  7  Mal  ausgeführt;  von  diesen  sind  6  in  den  ersten 
8  bis  10  Tagen  gestorben  und  den  7.  musste  ich  in  wenigen  Tagen  wegen  eitriger 
Infiltration  des  resecirten  Beins  im  Hüftgelenk  exarticuliren  (kam  mit  dem  Leben 
davon),« 

^°°)  S.  42.  Dieselben  sind  Rupprecht,  Lücke,  M.  Gormac,  Frank, 
Billroth,  Socin,  Schüller,  Vaslin,  Hey  fei  der,  Koch,  Beck, 
Eckart,  Burkhardt,  Fischer,  Letzterer  sagt:  »Wir  verloren  sämmtliche 
Patienten  mit  Schussfracluren    am  Hüftgelenk.     Auch  Biihoth's  12  Patienten 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     287 

»Unter  sämmtlichen  Fällen  von  Hüftgelenkschüssen  (wie  viel  Resec- 
tionen  ist  nicht  bemerkt)  von  den  angezogenen  Autoren  nur  ein 
Fall  von  Heilung  berichtet.«  Es  war  dieselbe  nach  Spätresection 
erfolgt. 

Das  Ergebniss  einer  der  neuesten  allgemeinen  Zusammen- 
stellungen von  250  Fällen  durch  Jacobsen^oi)  möge  den  Abschluss 
bilden,  besonders  da  es  tröstlicher  lautet  als  die  meisten  der  vor- 
hergehenden: Die  Heilung  kam  nach  ihm  in  41,60"/o  zu  Stande, 
der  Tod  trat  ein  in  58,407o. 

Die  beste  Aufmunterung  jedoch,  die  Hände  keineswegs  in  den 
Schoss  zu  legen  »gegenüber  diesen  nackten  Zahlen,  welche  unwider- 
leglich beweisen,  dass  die  (vitalen)  Erfolge  der  Resection  recht 
dürftig  sind«  202)  bieten  deren  functionelle  Resultate. 

Sogar  die  frühern  Nachrichten  über  dieselben  sind  so  befrie- 
digend, dass  der  Anstoss,  den  bereits  Leisrink^^^-)  ^n  dem  Satze 
B  i  1 1  r  0 1  h  '  s  nahm :  »Die  Hüftgelenkresection  leistet  aber  functionell 
wenig,  der  Gang  bleibt  schliesslich  sehr  mangelhaft«  wohl  begründet 
ist.  Schon  Ried  (1847)  ^<''*)  konnte  sagen:  »Selbst  nach  Wegnahme 
eines  oder  beider  Trochanteren  stellte  sich  meistens  die  Beweglich- 
keit des  Gliedes  wieder  her  und  es  hängt  dies  vorzugsweise  von 
der  geringern  oder  beträchtlicheren  Länge  der  neuen  Verbindung 
zwischen  den  Hüftknochen  und  den  Schenkelknochen  ab,  die  um  so 
günstiger  erscheint,  je  straffer  die  neugebildete,  ligamentöse  Zwischen- 
masse ist.« 

Hey  fei  der  205)  zählt  eine  Reihe  von  Fällen  auf,  in  denen 
die  Beweglichkeit  eine  exquisite  war,  »in  allen  andern  wenigstens 
eine   hinreichende.«      Ebenso    vortheilhaft    lauten    die   Erfahrungen 


starben.    Von  unsern  Patienten  wurden  3  einfach  conservativ  behandelt,  1  sekun- 
där resecirt.« 


'-ä")  S.  No.  .152. 

202)  S.  Hüter  No.  83. 

''«ä)  S.  No.  151. 

2°*)  S.  No.  36. 

205\ 


')  S.  No.  2:  Fälle  von  Fergusson,  White,  Textor,  Ure,  Heisse, 
Sayr  e  .  He  y  fei  d  er. 


288  Dr.  W.  stark. 

von  E  u  1  e  n  b  u  r  g  - " 6)  und  L  e  i  s  r  i  n  k  '-^ ^  7-)^  Letzterer  gibt  folgende 
Einzelheiten:  »Ankylose  ist  2  Mal  eingetreten,  in  den  übrigen 
Fällen  mehr  oder  weniger  Beweglichkeit  in  dem  neuen  Gelenke. 
16  Mal  gehen  die  Patienten  ganz  ohne  Unterstützung,  3  Mal 
mit  dicker  Sohle,  1  Mal  mit  einem  Stocke,  1  Mal  mit  2  Stöcken, 
1  Mal  mit  Krücke«  ^o»).  Desshalb  muss  man  Neudörfer  ^o^)  bei- 
stimmen, der  das  Hüftgelenk  zu  denjenigen  Articulationen  rechnet, 
bei  denen  durch  die  Resection  gänzliche  Herstellung  erwirkt  werden 
kann;  ebenso  Hüter ^")  —  welcher  wenigstens  »in  dieser  Beziehung 
(d.  h.  rücksichtlich  der  functionellen  Resultate)  den  Werth  der 
Operation  nicht  mehr  angezweifelt«  haben  möchte. 


Während  der  5  letzten  Jahre  (1872—76)  wurde  im  Freiburger 
Spitale  in  11  Fällen  die  Hüftgelenkresectlon  nothwendig. 

Veranlassung  dazu  gab  bei  sämmtlichen  Patienten  Coxitis  nebst 
consecutiver  Caries.  In  8  Fällen  hatte  das  Leiden  die  linke  Seite 
ergriffen.  Den  Zugang  zu  dem  erkrankten  Gelenke  verschafften  5  Mal 
ein  V,  Langenbeck'scher  Längsschnitt,  4  Mal  ein  hinterer  Bogen- 
schnitt,  2  Mal  war  die  Schnittführung  atypisch.  Der  Tod  trat  in 
4  Fällen  ein. 

Fall  22. 

Therese  Buchholz,  12  Jahre  alt,  aus  Steinach  wurde  am  4.  Dez.  1871 
in  die  hiesige  KUnik  aufgenommen.  Sie  soll  vor  2  Jahren  an  einer  nicht  näher 
zu  eruirenden  Krankheit  gelitten  haben.  Ihre  jetzigen  Beschwerden  begannen 
vor  einem  Jahre  im  linken  Hüftgelenk,  indem  dasselbe  schmerzhaft  und  das 
Gehen  durch  allmälig  eintretende  Beuge-  und  Adductionsstellung  der  Extremität 

2»«)  S.  No.  150. 

'"''')  S.  No.  151. 

^°^)  Allbekannt  ist  ja  der  von  Otis  beschriebene  Fall  (H.  Wright),  in 
dem  die  Last  des  Körpers  auf  die  resecirte  Seite  übertragen  werden  und  daselbst 
ruhen  konnte.  Patient  hatte  mit  seinem  resecirten  Bein  eine  Zeit  lang  als 
Taglöhner  beim  Bau  gearbeitet  und  bei  dieser  Gelegenheit  die  schwersten  Kübel 
mit  Mörtel  und  mit  Ziegeln  über  hohe  Leitern  auf  das  Gerüste  getragen. 

2"9)  S.  No.  4. 

2'°)  S.  No.  83  sagt  dies  besonders  bezüglich  der  Hesection  bei  Coxitis. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     289 

unmöglich   wird.     Man   diagnosticirte  eine  chronische  Hüftgelenkentzündung  der 
linken  Seite  und  applicirte  den  Volkmann'schen  Extensioneapparat.    Von  der 
Zeit  ihrer  Aufnahme  an   bis   zum  4.  April   zeigten  sich   bei  der  Patientin  fort- 
während  leichte  Fieberbewegungen,    doch   wurde   ausser   ruhiger  Lagerung  und 
mehrmaliger  Erneuerung  des  oben  erwähnten  Verbandes  nichts  angewendet.    Zu 
der   angeführten  Frist   nun   brach   ein  Abscess  zwischen  Troch.  maj.  und  Spina 
ilei  superior,  etwas  unterhalb  der  Mitte  einer  Verbindungshnie  derselben  Punkte 
auf  und  es   entleerten  sich    3  Schalen  Eiters.    Trotzdem   blieb    die  Temperatur 
etwas   hypernormal;    das   Allgemeinbefinden   war   aber    gut.     Die    Stellung    des 
Beins  besserte  sich    (d.  h.  es  nahm  eine  gestrecktere  Haltung  an) ;    passive  Be- 
wegungen  desselben  machte    das   Becken    (dessen    Schiefstellung    unter    13.  Juli 
ausdrücklich  notirt  ist)  mit.     Die  Abscessfistel  secernirte  geringe  Mengen  Eiters. 
Die  Behandlung   blieb   dieselbe   bis  zum  8.  August,    wo  ein  Wasserglasverband 
mit   Beckengürtel   angelegt   wurde.     Vom   23.  August   an   trat  Verschlimmerung 
des  Zustandes  ein,  indem  Lymphdrüsenschwellungen  am  Halse  sich  bildeten,  die 
man  mit  Jodtiuctur  bepinselte.    Es  gesellten  sich  Schmerzen  und  höheres  Fieber 
hinzu,  aus  der  Fistel  am  Hüftgelenke,  welche  ein  dünnes,  mit  Flocken  gemischtes 
Secret   entleerte,   quollen  schlaffe  Granulationen  hervor;    die  Umgebung  war  ge- 
schwollen.   Dies  Verhalten,  das  keine  Aussicht  mehr  auf  Heilung  bei  fortgesetzt 
conservativer  Behandlung  bot,  insbesondere  das  rapide  Ansteigen  der  Temperatur- 
curve  (am  31.  Juli  Abends  40,lo)  indicirten  die  Resection,  die  auch  am  1.  August 
ausgeführt    wurde.     Ein    von    der   Fistel    ausgehender  Längsschnitt,    an    dessen 
oberes    Ende   sich    ein  Querschnitt   nach    hinten   anschloss ,    legte   den    cariösen 
Schenkelkopf  bloss,  der  unter  dem  Trochanter  mit  der  Stichsäge  abgetrennt  und 
mit  der  Kornzange  in  Stücken  entfernt  wurde.    Die  gleichfals  rauhe  Gelenkpfanne 
ward  mit  einem  scharfen  Löffel  theilweise  abgekratzt. 

Durch  Anlegung  einer  Gegenöffnung  an  einem  etwas  nach  abwärts  führenden 
Gange  und  durch  Einführen  von  Drainageröhren  sorgte  man  für  freies  Abfliessen 
des  Secrets  hinlänglich  und  applicirte  einen  Heftpflasterextensionsverband.  Das 
Präparat  des  Schenkelkopfes  bestand,  nachdem  es  getrocknet,  aus  einzelnen 
Stücken  (grösstes  3  Gtm.  lang  und  2'/^  Gtm.  breit)  und  Partikelchen  von  leicht 
zerbröckelndem,  spongiösem  Gewebe. 

Der  apyretische  Einfluss  der  Operation  war  gering  und  nicht  von  Dauer ; 
die  vorher  schon  vorhandenen  Schmerzen  verloren  sich  nur  allmählig.    Die  offen 
behandelte  Wunde  sonderte  einen  mit  käsigen  Massen  gemengten  Eiter  ab,  dessen 
Entleerung  öfters  durch  Druck  von  aussen  unterstützt  wurde.    Der  Oberschenkel 
war  hin   und  wieder  ödematös   geschwellt.     Die  Drainage  ward  öfters  erneuert, 
ausserdem  am  8.  August  in  der  Narkose  der  an  der  Aussenseite  des  Oberschenkels 
nach  abwärts  führende  Kanal  geschlitzt,  wobei  sich  herausstellte,  dass  mehrere 
Gänge  von  oben  her  in  denselben  mündeten.    Aus  dem  oberen  Theil  der  Wunde 
entfernte   man  einige   nekrotische  Knochensplitter.    Weder  durch  diese  Incision 
mit   nachfolgender  Drainirung ,    noch    durch    Verordnung   von  Chininum  sulfur. 
konnte  das  Fieber  unterdrückt  werden.    Nur  die  Beschaffenheit  des  Eiters  besserte 
sich  und  die  Menge   desselben  nahm  zu.     Doch  der  Appetit  und  die  Kräfte  der 
Patientin   schwanden,    sie   ertrug   sogar   einige   Zeit   hindurch   nicht  mehr   den 
Extensionsverband.    Auch  die  Drainage  musste  entfernt  werden,  da  die  Wunden, 
deren.  Granulationen  bald  schlaff  und  geschwollen,    bald  gesund  aussahen,    sich 
zu    schliessen   begannen.     Dieser    Vorgang    der    Wundvereinigung    wurde    durch 
Heftpflasterverband  unterstützt.    Jetzt   sank   die  Eitermenge,    zugleich   auch  die 
Ciierny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  19 


290  Dr.  W.  Stark, 

Fiebercurve,  es  hoben  sich  das  Allgemeinbefinden  und  die  Kräfte  (Volk  mann 'scher 
Extensionsverband  wird  wieder  ertragen)  —  kurz  es  scbien  Alles  auf  dem  Wege 
der  Besserimg.  Eine  neue  Incision,  veranlasst  durch  einen  kalten  Abscess  an 
der  Vorderfläche  des  Oberschenkels,  that,  nachdem  durch  sie  einige  Unzen  guten 
Eiters  entleert  waren,  den  erfreulichen  Fortschritten  keinen  Eintrag,  sondern 
beförderte  nur  den  Abfluss  des  Secretes.  Auch  nach  Weglassen  des  Chinins 
ging  das  Fieber  nicht  über  die  in  letzter  Zeit  eingeschlagene  Bahn  (37,6—39,5). 
Da  stellte  sich  nach  vorhergegangenem  Kopfschmerz  und  unter  bedeutender 
Exacerbation  der  Temperatur  (bis  40,5)  am  linken  Oberschenkel  ein  Erysipel  ein 
und  alsbald  verschlechterte  sich  das  Aussehen  der  Wunde  (ödematös),  des  Eiters 
(dunkel)  und  der  Gesundheitszustand.  Bei  der  am  25.  September  in  der  Narkose 
vorgenommenen  Sondirung  der  Fistelgänge  und  Operationswunden  fanden  sich 
nach  oben  cariöse  Knochenparthien.  Trotz  der  nun  folgenden  Dilatation  der 
Oeffnungen  mit  der  Kornzange,  trotz  Drainage,  trat  keine  Besserung  ein:  die 
Wunden  wurden  missfarbig  und  belegt,  das  Erysipel  breitete  sich  sowohl  auf 
den  Unterschenkel  (Entfernung  des  Gypsverbandes)  als  nach  der  rechten  Hüfte 
und  Thoraxseite,  ja  bis  zur  Achselhöhle  hin  fort,  die  Temperatur  blieb  hoch, 
der  Puls  ward  schwach,  die  Patientin  collabirte.  In  der  Nacht  vom  29.  auf 
30.  September  traten  plötzlich  heftige  Schmerzen  im  rechten  Oberschenkel,  der 
gleichfalls  erysipelatös  gefärbt  war,  auf.  Bald  darnach,  Morgens  gegen  10  Uhr, 
erfolgte  exitus  lethalis. 

Der  hierauf  bezüghche  Theil  des  Sectionsprotokolls  lautet  folgendermassen : 
»In  der  Vena  femor.  dextr.  von  1"  oberhalb  der  Lig.  Poupartii  bis  5"  nach 
abwärts  ein  im  Gentrum  zerfallener  Thrombus.  Links  die  Gefässe  frei.  Linke 
Iliopsoas  bildet  einen  Abscess  mit  dünnem  Eiter,  der  durch  die  durchbohrte  Darm- 
beinpfanne und  oberhalb  des  vom  Periost  entblössten  Ramus  horizont.  ossis  pubis 
bis  gegen  den  kleinen  Trochanter  nach  unten  sich  erstreckt.  An  der  hinteren 
Fläche  des  Oberschenkels  befindet  sich  ein  circa  4"  langer,  isohrter  periostaler 
Abscess ;  das  blasenförmig  abgehobene  Periost  verknöchert.  Die  Resectionswunde 
am  Schenkelhals  ist  durch  junges,  rothes  Bindegewebe  am  oberen  Rand  des 
Acetabulum  befestigt.« 

Die  vollständige  Leichendiagnose  ist  gestellt  auf:  Caries  pelvis,  Thrombosis 
venae  femoralis  dextr.,  Lipomatosis  hepatis  et  renum,  Degeneratio  lienis,  Tuber- 
culosis pulmonum  incip. 


Fall  23. 

Jakob  Bauknecht,  20  Jahre  alt,  lediger  Zimmermaim  aus  Rohr  (A. 
Waldshut)  halte  Ende  des  Jahres  1871  eine  6  Wochen  dauernde  Nierenkrankheit, 
wobei  das  linke  Bein  anschwoll.  Von  dieser  Zeit  an  trat  Herzklopfen  auf,  das 
besonders  bei  grössern  Anstrengungen  fühlbar  war.  Seit  August  1872  datirte 
das  Leiden ,  wegen  dessen  er  in  die  chirurgische  Klinik  aufgenommen  wurde. 
Auch  im  vorliegenden  Falle  bildeten  Schwäche  und  schnelles  Ermüden  des  linken 
Beins  bei  schwerer  Arbeit,  Stechen  an  der  Innern  Schenkelfläche  vom  Knie  auf- 
wärts bis  zur  Inguinalregion  hauptsächlich  bei  Bewegungen,  die  Anfangssymptome. 
Sie  hinderten  ihn  beim  Arbeiten  so  sehr,  dass  er  dasselbe  aufgab  und  3  Wochen 
zu  Bette  lag.  Als  sich  hierdurch  seine  Beschwerden  besserten,  versuchte  er 
wieder  seinem  Handwerk  nachzugehen,    musste  jedoch  bald  wegen  abermaliger 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Geleniiresectionen.     291 

Verschlimmerung  des  Zustandes  die  Arbeit  einstellen.  Vollständige  Ruhe  gönnte 
er  sich  eigentlich  ei'st  in  den  letzten  8  Tagen  vor  seinem  Eintritte  in's  Spital. 
Der  Status  zu  dieser  Zeit  lieferte  folgende  Ergebnisse:  Geht  etwas  hinkend  am 
Stocke,  steht  vorwiegend  auf  dem  rechten  Fusse,  indem  der  linke,  leicht  am  Knie 
gebeugt,  in  Ruhestellung  verweilt.  Ganze  linke  Hüfte  hervorgevvölbt ;  linke  In- 
guinal- und  Anal-Falte  verstrichen ;  scheinbare  Verlängerung  der  linken  Extremität 
bei  horizontaler  Lage,  geringe  Adductionsstellung.  Becken  unbedeutend  nach 
links  gesenkt,  bei  activen  und  passiven  Bewegungen  auf  dieser  Seite  mehr  oder 
weniger  fixirt  resp.  sich  mitbewegend.  Wirbelsäule  krümmt  sich  mehr  bei 
Flexionen  des  linken  als  bei  solchen  des  rechten  Oberschenkels.  Rotations- 
bewegungen ziemlich  schmerzhaft,  weniger  der  directe  oder  indirecte  Druck  auf 
die  Hüftgegend. 

Die  Ordination  bestand  in  kalten  Umschlägen,  später  Eisblasen  und  in  einer 
mit  Contraextension  verbundenen  Heftpflasterextension  (8  Pfund),  welche  die  Be- 
schwerden so  sehr  milderte,  dass  Patient  ohne  denselben  stets  über  Vermehrung 
der  Schmerzen   klagte.    Während    der   seitherige    Krankheitsverlauf   vollständig 
fieberlos    gewesen,    fand    am  7.  Januar  1873  ohne  bekannte  Ursache  eine  plötz- 
liche Temperatursteigerung  (40,1)  statt  unter  starkem  Unwohlseingefühl,  Kopfweh, 
Brechbewegungen  nebst  Vergrösserung  der  Hüft-  und  Kreuzbeinschmerzen.    Local 
war  höchstens  an  den  schmerzhaften  Stellen  etwas  abnorme  Röthung  bemerkbar, 
deren  Weiterentwicklung  zum  Erysipel  jedoch   nicht   erfolgte.    Brechmittel   und 
feuchte  Umschläge   reichten    hin,    das  Fieber    herabzudrücken,    nicht  aber,    es 
gänzlich   zu   vertreiben.     Ferner  vermochte   weder  Eisblase    noch  Extension  den 
anhaltend  zunehmenden  Schmerz  und  das  Wachsen  der  Anschwellung  in  Schranken 
zu   halten.    Im  Vereine   mit   neuem   Emporgehen   der  Fiebercurve   wurde   Mitte 
März  an  der  Vorderseite  des  Oberschenkels,  unter  dem  Lig.  Poupartii  und  längs 
des  Troch.  minor  Fluctuation  in  der  Tiefe  constatirt.   Alle  angeführten  Symptome 
steigerten   sich   langsam   bis  Anfangs  Mai,    ohne   dass   der  Kranke   von  Kräften 
kam.     Chinin  verabreichte  man  vom  21.  März  bis  2.  Mai;   es  wirkte  blos  in  ge- 
ringem Grade  antifebril.    Am   letzterwähnten  Tage  endlich  wurde  das  vereiterte 
Gelenk    durch  Resection   beseitigt:    Nach   Einleitung   der  Narkose  eröffnete    ein 
v.  Langenbeck 'scher  Schnitt  die  Kapsel ,  worauf  sich  reichlich  Eiter  entleert. 
Der  Schenkelkopf  und   ein  Stück   des  Halses    (2V2  Ctm.  lang)  mussten   mit   der 
Stichsäge  abgetrennt,  die  Pfanne,    welche  zwar  nicht  perforirt,    doch   rauh   war, 
mit  dem  scharfen  Löffel  ausgeschabt  werden.    5  Ligaturen  stillten  die  schwache 
Blutung,    Ein   bleiernes  Drainagerohr  sorgte   für   freien  Abfluss  der  Secrete,    4 
Nähte  verkleinerten  die  Wunde.  Ein  frischer  Heftpflasterextensionsverband  (3  Pfund) 
beschloss  die  Reihe  der  chirurg.  Eingriffe  dieses  Tages.    Die  Länge  der  resecirten 
Parthie  betrug  4  Ctm.    Der  Knorpel  war  theils  gänzlich  zerstört  (oben  und  aussen), 
theils  abgehoben;    nur  nach  unten   und  innen  von  der  Foveola  noch  festsitzend. 
Der  Knochen   gut   erhalten.     Die  Sägefläche   neigte   sich   von   hinten  oben   und 
aussen  nach  vorn,    innen   und     unten.     Miliare  Tuberkel  durchsetzten  die  Syno- 
vialmembran.     An  eine  Remission  der  Temperatur  von  37,6  am  3.  Mai  schlössen 
sich  Exacerbationen   bis  40,4.     Die  Wunde,    deren   Verhalten    vor    dem   8.  Mai 
ausser  mangelhafter  Granulationslnklung   nichts  Bemerkenswerthes  bot,    begann 
sich  von  dem  eben  genannten  Datum  an  weisslich  zu  belegen  (Kali  hypermang. 
blieb    wirkungslos).      Der    bisher   normale    Eiter    wurde    den    10.    übelriechend, 
den  13.  missfarbig.     Am  Kreuzbein  kündigte  eine  bläuliche  Stelle   (ebenfalls   an 
dem  10.)  Decubitus  an,    welcher   trotz  Wasserkissen  drei  Tage  später   sich  ein- 


292  Ol"-  W.  Stark. 

stellte.  Am  11.  beobachtete  man  Oedem  des  seit  der  Operation  schmerzfreien 
linken  Oberschenkels,  am  12.  leichtes  Frösteln  (Ord. :  0,5  Chinin),  dem  am  14. 
ein  heftiger  Schüttelfrost  folgte.  Unter  Collapserscheinungen  —  vergebens  be- 
kämpft durch  Campher  —  und  Coma  starb  Patient  schon  in  der  nächsten  Nacht 
11^/4  Uhr. 

Die  einschlägigen  Stellen  des  Sectionsbefundes  lauten: 
»In  der  linken  Hüfte  ist  eine  grosse  Operationswunde  mit  schlechter  Eite- 
rung zum  Theil  in  Verjauchung  begriffen.  Dieselbe  führt  zu  einer  umfängUchen, 
zwischen  den  Muskeln  des  Oberschenkels  sich  verbreitenden  eitrig -jauchigen 
Abscedirung.  Der  Kopf  des  Femur  ist  nicht  mehr  in  der  Pfanne,  die  Pfanne 
selbst  zeigt  cariöse  Zerstörung,  ebenso  die  Bänder  des  Gelenkes.  Die  nächste 
Umgebung  weist  theils  fibröse  Verdickung  auf,  von  einzelnen  Fistelgängen  durch- 
zogen, theils  stärkere  eitrige  und  jauchige  Einschmelzung,  die  mit  dem  grossen 
Abscess  von  der  Wunde  her  in  Verbindung  steht.  Kopf  und  ein  Theil  des  Halses 
vom  Femur  ist  resecirt;  der  Femur  selbst  zeigt  Verdickung  des  Periosts  an  den 
unteren  Portionen,  der  obere  Theil  dagegen  von  der  Resectionsstelle  an  bis'  gegen 
die  Mitte  des  Femur  Loslösung  des  Periosts.  Die  Oberfläche  des  Femur  ist  in 
Folge  davon  weisslich  gefärbt,  mit  beginnender  superficieller  Nekrotisirung.  Das 
Knochenmark  ist  in  gleicher  Ausdehnung  mit  der  Oberfläche  des  oberen  Theiles 
des  Femur  missfarbig,  mit  herdweisen,  eitrigen  Ablagerungen  durchsetzt.  Die  Re- 
sectionsstelle des  Femur,  ebenfalls  stark  missfarbig,  steht  mit  dem  Knochenmark 
in  directer  Verbindung.«  —  »Die  Vena  saphena  magna  ist  an  ihrer  Einmündungs- 
stelle  in  die  Vena  femor.  mit  älteren,  adhärenten  Thromben  versehen,  die  nach 
abwärts  sich  fortsetzen  bis  gegen  die  Mitte  des  Oberschenkels.  An  dieser  Stelle 
sind  die  Thromben  wieder  feucht  und  roth,  an  der  Einmündungssteile  dagegen 
trocken  und  weich.  Von  letzterem  Orte  aus  setzt  sich  das  Gerinnsel  in  die  Vena 
femoralis  fort  und  erstreckt  sich  in  dieser  ungefähr  einen  Zoll  nach  aufwärts  und 
abwärts  :  In  letzterer  Richtung  bis  zur  nächsten  Klappe  als  schwärzliches  feuchtes, 
in  ersterer  wieder  als  älteres  trockeneres,  entfärbteres.  Die  Arterie  ist  frei.«  — 
»Unter  dem  Muse,  ileo-psoas  ist  der  Schleimbeutel  durch  eitrige  Infiltration  ver- 
ändert, steht  mit  den  erwähnten  Abscessen  des  Oberschenkels  in  Verbindung, 
erstreckt  sich  aber  nach  innen  nur  in  geringer  Ausdehnung  und  steht  mit  dem 
etwas  speckig,  verdickten  Periost  der  betreffenden  Beckenwand  in  Verbindung. 
Die  Pfanne  ist  nicht  perforirt,  wohl  aber  stark  cariös.  Das  Lig.  teres  ragt  noch 
als  rundlicher,  fast  nussgrosser  Zapfen  hervor,  der  an  der  Oberfläche  mit  nekro- 
tisirtem  Gewebe  bedeckt  ist ,  auf  Durchschnitten .  ein  sehr  stark  serös  durch- 
feuchtetes, lockeres,  fibröses  Gewebe  zeigt.« 

»Die  Pyämie  kennzeichnete  sich  ferner  durch  metastatische  Abscesse  in 
beiden  Lungen;  käsige,  lobuläre  Pneumonien  mit  miharen  Knötchen  in  der  Um- 
gebung; Endocarditis.« 

Fall  24. 

Theodor  Hausin,  13  Jahre  alt,  von  Obersäckingen ,  spürte  im  Sep- 
tember 1871  zum  ersten  Male  Schmerzen  im  rechten  Hüftgelenke  zugleich  mit 
dem  Gefühle  des  Längerwerdens  der  rechten  untern  Extremität.  Desswegen 
war  er,  obgleich  erst  einige  Monate  vor  dem  den  18.  Februar  1873  stattfindenden 
Eintritte  in  die  chirurg.  Abtheilung  Anschwellung  der  betreffenden  Hüfte  ent- 
stand, seit  Jahresfrist  bereits  genöthigt,  an  Krücken  zu  gehen. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     293 

Sein  bleiches  Aussehen  bei  sonst  gutem  Ernährungszustande  fiel  am 
18.  Februar  gleich  auf.  Das  Bein  zeigte  sich  an  Knie  und  Hüfte  stark  gebeugt 
nebst  Fixation  in  dieser  Stellung  bei  Versuchen  passiver  Bewegungen,  welche 
heftige  Schmerzensäusserungen  hervorriefen.  An  der  Aussenseite  des  im  Uebrigen 
abgemagerten  rechten  Oberschenkels  konnte  eine  fluctuirende  Geschwulst  con- 
statirt  werden,  —  die  Haut  darüber  gerade  unterhalb  des  Trochanter  major  sehr 
verdünnt. 

Das  Anlegen  eines  Heftpflasterextensionsverbandes  machte  wegen  der 
starken  und  starren  Flexionen  manche  Schwierigkeilen  (er  rutschte  leicht  ab). 
Schon  3  Tage  nachher  brach  der  Abscess  an  der  oben  bezeichneten  Stelle  auf 
und  entleerte  einen  dünnen,  mit  Blut  gemengten  Eiter.  Das  Eindringen  von 
Luft  in  die  grosse  Abscesshöhle  liess  sich  nicht  vermeiden.  Dadurch  wurde 
eine  Jauchung  veranlasst,  welche  das  Steigen  der  vorher  normalen  Temperatur 
(bis  40,1°)  zur  Folge  hatte.  Patient  collabirte,  Delirien  traten  in  der  Nacht  vom 
5.  auf  6.  März  ein,  so  dass  unter  solchen  Verhältnissen,  welche  überdies  die 
Symptome  einer  Osteomyelitis  fem.  complicirten  (am  6.  März),  als  letztes  Hüifs- 
mittel  die  Resection  versucht  wurde. 

Man  spaltete  in  der  Narkose  vom  Fistelgange  aus  die  Abscessdecke  nach 
auf-  und  abwärts,  combinirte  damit,  als  nach  Abfluss  der  theils  oberflächlich, 
theils  tief  gelegenen  Eiteransammlungen  die  Freilegung  des  Schenkelkopfes  für 
unzulänglich  befunden  worden,  einen  Horizontalschnitt  nach  hinten  in  der  Höhe 
des  grossen  Trochanters.  Nun  wurde  der  cariöse  Schenkelkopf  am  Halse  mit 
der  Kettensäge  umgangen  und  entfernt,  hierauf,  weil  das  spongiöse  Gewebe  des 
Schaftes  erweicht  und  an  einigen  Stellen  eitrig  infiltrirt  war,  auch  davon  noch 
einige  Centimeter  —  bis  zur  Grenze  der  osteomyelitischen  Herde  —  abgesägt. 
Die  Blutung  des  daselbst  noch  hyperämischen  Markes  stand  auf  Einspritzen  von 
kaltem  Carbolwasser  in  die  Höhle.  Nähte  durch  den  oberen  Theil  des  Längs- 
schnittes, desgleichen  eine  an  das  unterste  Ende  desselben  beschlossen  die 
Operation. 

Es  folgte  einfache  Lagerung  des  Kranken  mit  Unterstützung  der  aufge- 
stellten Kniee  durch  Kissen,  da  wegen  mangelhafter  Streckfähigkeit  derselben 
auf  Extension  verzichtet  werden  musste.  —  Fügte  man  das  (getrocknete)  Prä- 
parat, welches  aus  mehreren  Stücken  bestand,  zusammen,  so  mass  es  7^2  Ctm. 
der  Länge  nach  und  umfasste  ausser  Kopf  und  Hals  (4^/4  Ctm.)  noch  das  obere 
Diaphysenende.  Der  Knorpel  war  zerstört,  der  Knochen  durch  Caries  in  seiner 
Gestalt  verändert  (die  Trochanteren  sehr  defect). 

Das  Fieber  dauerte  in  gleicher  Weise  fort,  Patient  deUrirte  in  der  Nacht 
vom  7.  auf  8.  März.  Die  Schmerzen  schwanden  auf  eine  Morphiumgabe  von 
0,005.  Die  Wunde  sah  am  Tage  nach  der  Operation  blass  und  etwas  miss- 
farbig aus,  sie  secernirte  einen  dünnen,  schwach  röthlichen  Eiter  in  reichlicher 
Menge.  Verklebung  derselben  nach  Entfernung  der  Hefte  bestand  nicht.  Neben 
einzelnen  Fetzen  nekrotisirten  Gewebes  konnte  man  stellenweise  hellrothe  Gra- 
nulationen wahrnehmen,  mehrere  nekrotische  Knochenstücke  an  der  Gelenkpfanne 
am  10.  März  beseitigen.  Der  bestehenden  Stuhlverstopfung  wurde  (am  9.  u.  12.) 
durch  Glysma,  der  mangelhaften  Urinentleerung  durch  wiederholtes  Katheterisiren 
abgeholfen.  Doch  die  Verhältnisse  verschlimmerten  sich  zusehends.  Oedem  der 
Augenlider  und  Füsse  machte  sich  bemerklich,  ebenso  ein  dunkelrother  Fleck 
am  1.  Trochanter,  später  (15.  März)  an  den  Sitzhöckern ;  auf  Incision  des  ersteren 
ergoss  sich  etwas  Blut.     Lagerung  auf  Wasserkissen  hielt  das  Fortschreiten  dieses 


294  Dr«  W.  Stark. 

Decubitus  ziemlich  hintan.  Die  gut  drainirte  Wunde  Ijewahrte  mit  geringer 
Ausnahme  ihr  übles  Aussehen;  die  Jauchung  nahm  zu,  das  Secret  gewann  eine 
grau-grüne  Färbung.  Der  Resecirte  klagte  vom  12.  März  an  über  Schmerzen  in 
der  rechten  Schulter  von  wechselnder  Intensität;  seine  Kräfte  verliessen  ihn 
mehr  und  mehr.  Es  wuchs  das  Oedem  der  Beine,  dem  sich  eine  Anschwellung 
der  Nase  und  des  Handrückens  beigesellte,  welch'  letztere,  als  sie  deutliche 
Fluctuation  darbot,  aufgeschnitten  wurde  (15.  März)  und  einen  an  Vibrionen 
reichen  Eiter  entleerte. 

Am  Tage  vor  dem  Tode ,  der  am  16.  März  Abends  5  Uhr  unter  den 
Zeichen  des  äussersten  Collapses  eintrat,  zeigte  sich  bei  dem  halb  soporösen 
Kranken,  dessen  schon  seit  9.  März  dicroter  Puls  bereits  vöUig  unzählbar  ge- 
worden, Icterus. 

Neben  den  Merkmalen  der  Pyämie  an  verschiedenen  Organen ,  ergab  die 
Autopsie  bezüglich  des  primär  afficirten  Ortes: 

»Periost  von  der  ganzen  Diaphyse  bis  zum  unteren  Epiphysenknorpel  leicht 
abstreifbar.  Auf  der  Sägefläche  die  Markhöhle  gefüllt  mit  chocoladebraun 
breiigem  Marke ,  aus  welchem  das  Fett  verschwunden  zu  sein  scheint,  bloss  in 
den  untern  2  Dritteln  ist  noch  Fett  deutlich  vorhanden,  die  Farbe  röthlich-gelb. 
Die  Innenfläche  des  Sägerandes   ist  ^2  Zoll   nach   abwärts  vom  Eiter  raacerirt.« 


Fall  25. 

Friedrich  Bürkin,  12  Jahre  alt,  aus  Balingen,  war  Waise  und  stammte 
aus  einer  scrophulösen  Familie.  Im  Herbste  1874  traten  die  ersten  Schmerzen 
am  Hüftgelenke  auf  und  beeinträchtigten  die  Gebrauchsfähigkeit  der  Extremität 
mehr  und  mehr,  bis  sie  den  Knaben  im  Dezember  vollständig  an's  Bett  fesselten. 
Der  in  diesem  Monate  consultirte  Arzt  fand  eine  Hüftgelenksentzündung  vor> 
welche  bereits  zur  Abscessbildung  in  der  Inguinalgegend  geführt  hatte.  Er 
incidirte  daselbst  und  entleerte  eine  Masse  Eiters.  Dieselbe  Operation  musste 
einige  Tage  später  an  der  Hinterseite  des  Femur  vorgenommen  werden.  Die 
übrige  Behandlung  bestand  in  Bädern,  Chinin  und  roborirender  Diät.  Als  die 
Verpflegung  zu  Hause  unmöglich  wurde,  schickte  man  den  Jungen  in's  Spital, 
am  5.  April  1875.  Er  sah  schwächlich  und  bleich  aus.  Das  kranke  Bein  zeigte 
eine  scheinbare,  durch  Beckensenkung  bedingte  Verlängerung  von  2^2  Ctm. 
Der  Winkel  zwischen  Oberschenkel  und  Wirbelsäule  betrug  circa  139°.  Abduction 
und  Auswärtsrotation  war  in  geringem  Grade  vorhanden.  Passive  Excursions- 
versuche  Hessen  deutlich  die  Mitbewegung  des  Beckens  erkennen.  Der  schwächste 
Druck  auf  Trochanter  maj.  und  Umgebung,  besonders  solcher  in  der  Richtung 
der  Pfanne,  schmerzte  sehr.  An  der  Vorderseite  des  Femur,  1^2  Ctm.  unter 
dem  Lig.  Poup.  befand  sich  ein  10  Ctm.  langer  und  5  Ctm.  breiter  Substanz- 
verlust, der  die  Vena  saphena,  ebenso  die  Muse,  sartor.  und  rectus  theilweise 
biossiegte.  Den  Spalt  zwischen  diesen  Muskeln  und  den  Adductoren  füllte  Eiter 
aus.  Zwei  Sonden,  von  denen  je  eine  in  die  eben  beschriebene  vordere  und 
die  dieser  direct  gegenüberliegende,  noch  grössere  hintere  Oeffnung  eingeführt 
wurde,  berührten  sich  gegenseitig,  ohne  auf  unbedeckten  Knochen  zu  stossen. 
Die  hintere  Sonde  liess  sich  auch  nach  oben  vorschieben. 

Die  Wunden  eiterten  in  den  nächsten  Tagen  massig.  Das  remittirende 
Fieber   beschränkte   sich    auf  Exacerbationen    von    38,2°— 39,2".     Am   9.   April 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionea.     295 

resecirte  Dr.  Berns  mittelst  des  semicirculären  Lappenschnittes.  Der  völlig  er- 
weichte und  gefässreiche  Kopf,  Hals  und  Trochanter  wurde  direct  unter  letzterem 
abgesägt.  Die  Pfanne,  weiche  zum  grössten  Theile  mit  Granulationen  besetzt 
war,  deren  Wucherungen  den  Knorpelbelag  stellenweise  zerstört  hatten,  musste 
mit  einem  Simon 'sehen  Löffel  ausgekratzt  werden.  Drainage  und  Nähte  bildeten 
den  Schluss  der  Operation.  Das  Fieber  hielt  mit  mehrtägiger  Tntermission 
(vom  21.— 24.  April)  bis  ersten  Mai  an.  Am  13.  April  zog  man  die  Hefte 
heraus.  Den  14.  bekam  der  Resecirte  einen  Volkmann'schen  Extensionsverband. 
Das  Aussehen  des  Patienten  und  speciell  der  Wunden  besserte  sich.  Eine  Eiter- 
ansammlung unterhalb  der  Spina  ant.  sup.  erheischte  einen  Einschnitt,  worauf 
sich  ansehnliche  Massen  stinkenden  Secretes  ergossen.  Die  Vermuthung,  dass 
diese  Höhle  in  Verbindung  stehe  mit  der  Oeffnung  an  der  Vorderfläche  des 
Femur  und  sich  nur  wegen  mangelhafter  Drainage  nicht  habe  entleeren  können, 
bestärkte  eine  bald  darauf  unternommene  Sondirung.  Nun  hob  sich  bei  massiger 
Absonderung  der  Ernährungszustand  des  Kranken  —  aber  bloss  momentan. 
Vorübergehende  Albuminurie,  reichliche  Diarrhöen  (bekämpft  durch  Opium 
Ratanhia),  neue  Eiterverhaltung  im  kleinen  Becken,  die  indess  durch  eine  zwischen 
den  beiden  (vorderen)  früheren  angelegte  Incision  aufgehoben  wurde,  zehrten  im 
Vereine  mit  hartnäckiger  Appetitlosigkeit  und  zeitweiligem  Erbrechen  die  -letzten 
Kräfte  des  Operirten  auf.  Dem  entsprach  die  Schlaffheit  der  Granulationen. 
Anfangs  Mai  gesellte  sich  hierzu  noch,  trotz  der  seit  der  Resection  eingehaltenen 
Lagerung  auf  einer  ausgeschnittenen  Matratze,  Decubitus.  Am  17,  Mai  machte 
der  Tod  dem  trostlosen  Dasein  ein  Ende. 

Die  Section  constatirte  neben  Destructionsprozessen  in  der  Lunge  (Cavemen 
und  Tuberkeln  linkerseits),  der  Leber  (Girrhose  und  Fettentartung)  und  Milz 
(Amyloiddegeneration) ,  an  dem  primär  afficirten  Orte:  »An  der  Spina  ilei  ant. 
sup.  sin.  führt  eine  Fistel  mit  erbsengrosser  Oeffnung  in  eine  Abscesshöhle,  die 
von  der  Innenwand  des  Darmbeins  und  von  der  abgehobenen  Fascia  ihaca  be- 
deckt ist.  Die  Muskeln  sind  abgehoben,  das  Periost  ist  aber  erhalten.  Die  vom 
Periost  entblösste  Stelle  liegt  etwas  oberhalb  des  oberen  Randes,  des  Acetabulum. 
Das  Acetabulum  ist  durch  Granulationen  ausgefüllt,  weich,  eindrückbar,  aber 
noch  nicht  perforirt.  Die  tiefste  Stelle  entspricht  nicht  dem  Beckenabscess.  Die 
Sägefläche  des  Oberschenkels  mit  Granulationen  bedeckt;  das  etwas  zurück- 
geschobene Periost  ist  mit  einein  Osteophytenwall  durchsetzt.« 


Nr.  22  erlag  hauptsächlich  den  Folgen  eines  intensiven  Erysipels, 
Nr.  23  und  24  der  Pyämie*),  Nr.  25  der  Amyloiddegeneration. 
Sie  bilden  nachstehende  Verlustliste: 


*)  Nach  Jacobsen's  (s.  No.  152)  Erhebungen  war  die  häufigste  Todes- 
ursache Entkräftung  (59  Fälle),  danach  Phthisis  und  Pyämie  (je  17  Fälle). 


296 


Dr.  W.  Stark. 


25)  Bürkin, 
Friederich 

24)  Hausin, 
Theodor 

23)    Bau- 
knecht, Jacob 

22)  Buchbolz, 
Therese 

Namen     j 

03 

o 

1— ' 

Alter 

Coxitis  supp. 
sin.  et 
Caries. 

Coxitis  supp. 
dextra 

et 
Caries 

Coxitis  supp. 
sin.  et 
Caries 

Coxitis  chron. 

suppur.  sin. 

et  Caries 

1 

er 

CD_ 

5,  IV, 
1875 

9,  IV, 

1875 

1,11, 
1873 

6, 
III, 

1873 

VIII, 

1872 

2,  V, 
1873 

4, 

xni, 

1871 

1, 
VIII, 

1872 

Zeit  des 
Eintritts  und 
derResection 

Semicircula- 
rer  Schnitt 

Grosser 

Trochanter 

entfernt 

Nicht  typisch 

7^2  Gm.  (gros- 
ser Trochan- 
ter mit- 
entfernt) 

V.  Langen- 

beck'scher 

Schnitt 

4  Gm. 

Atypisch 

Zerbröckelt; 
grosser  Tro- 
chanter mit- 
entfernt 

Resections- 

schnitt 

und  Länge 

desresecirten 

Stücks 

Keiner 

2 
5' 

CD 

i-i 

Vorüber- 
gehender 
antifebriler 
Effect;  ebenso 

der  anti- 
phlogistische 

Antiphlogisti- 
scher u.  anti- 
pyretischer 
Einfluss  ge- 
ring und  ohne 
Dauer 

Un-          ! 
mittelbarer                     Comphcationen 
Einfluss  der  1               des  Wundverlaufs. 
Resection     i 

Incision  einer  Abscedirung  unter- 
halb der  Spina  ant.  sup.    Albumi- 
nurie.   Diarrhöen.    Incision  wegen 
Eiterverhaltung  im  kleinen  Becken. 
Appetitlosigkeit.    Erbrechen. 
Decubitus 

10.  III.  Entfernung  nekrotischer 

Knochenstücke  der  Gelenkpfanne. 

15,  III.  Decubitus;  jauchiges  Secret; 

Oedem  der  Beine;  Abscedirung  am 

Handrücken;  Collaps;  Coma; 

Icterus 

3.  V.  hohes  Fieber,     10.  V.  Eiter 
übelriechend,  Decubitus,  11.  V,  Oe- 
dem    des    linken    Oberschenkels, 
14.  V.  Schüttelfrost;  Collaps 

8.  VIII.  Incision  u.  Entfernung  von 
Nekrosen.  Erstere  wiederholt  wegen 
ein.  kalt.  Abscesses  a.  Oberschenk  eh 
Erysipel.    25.  IX.  Dilatation  der 
Wunde  bei  fortschreit.  Caries.  Wei- 
tere Ausdehnung  des  Erysipels. 
Collaps. 

<i  M  cri 

03"      " 

03 

30, 
IX, 

1872 

m    CD 

Cß 

Destructionsprozesse  in  den 

Lungen. 

Amyloidentartung  der 

Leber  und  Milz. 

p  ^ 

n 

CD    _ 
tß    CD 
CD    • 

lg 

cd" 

3  .ri 
3  CL 

tn' 

Thrombosen   der  Ven.    sa- 
phen.    sin.    und    fem.    sin. 
Pyämische   Abscesse 
in  den  Lungen.     Endocar- 
ditis. 

Thrombosis  vente  fem.  dextr. 
Caries  pelvis.    Lipomatosis 
hepatis  et  renum.  Degener. 
lienis.     Tuberculosis  pul- 
monum incipiens. 

Sectionsbefund 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     297 

In  den  beiden  Pyämiefällen  belief  sich  das  Zeitintervall  zwischen 
Resection  und  exitus  lethalis  bei  Nr.  24  auf  10,  bei  Nr.  23  auf  12  Tage. 
Bios  bei  Nr.  23  ist  der  Tod  als  Folge  der  Operation  zu  betrachten, 
nicht  so  bei  den  übrigen,  welche  an  den  complicirenden  Erkrankungen, 
der  Amyloiddegeneration  (Nr.  25  1  Monat  und  8  Tage  nach  Voll- 
zug des  chirurgischen  Eingriffes),  und  dem  Erysipel  (Nr.  22  2  Monate 
nach  der  Operation)  zu  Grunde  gingen,  Nr.  24  war  schon  vor  der 
Operation  septisch. 

Bei  3  von  diesen  4  Exempeln  war  der  grosse  Trochanter  mit- 
entfernt worden.  Malgaigne's  Erfahrungen  zuwider  hatte  trotz- 
dem Fall  25  Eiterverhaltung  aufzuweisen.  —  Zwei  derselben  (Nr.  22 
und  23)  zeigten  unmittelbar  nach  der  Excision  transitorisch  einen 
ihr  zuzuschreibenden  antiphlogistischen  und  antifebrilen  Effect,  die 
übrigen  beiden  nicht. 

In  2  Fällen  (22  und  25)  constatirte  man  neben  den  ander- 
weitigen pathologischen  Prozessen  tuberculöse  Erkrankungen  der 
Lungen. 

Die  hieraus  resultirende  Mortalitätszififer  von  36,36'/o;  welche 
der  geringsten  von  den  in  der  vorhergegangenen  Liste  verzeichneten 
(Fock  =  36,307o)  beinahe  gleich  kömmt,  ist  wohl  desshalb  so 
relativ  klein,  weil  die  meisten  der  Patienten  dem  kindlichen  Alter 
angehörten.  Das  Alter  aber  hat  —  nach  Jacobs en  (1874)  — 
eine  grosse  Bedeutung  für  die  Sterblichkeitsverhältnisse  und  Holmes 
behauptet  —  Eulenburg's  Worten  gemäss  —  geradezu,  dass 
die  Operation  nur  in  der  Kindheit  ein  günstiges  Resultat  gebe, 
während  die  nach  der  Pubertät  vorgenommenen  Resectionen  meist 
tödtlich  verliefen.  iEulenburg  (No.  150)  selbst  schreibt  der 
Schwierigkeit  der  Nachbehandlung  zum  Theile  die  im  Allgemeinen 
ungünstigeren  Resultate  bei  Erwachsenen  zu. 

Von  den  7  überlebenden  Patienten  stellten  sich  bis  jetzt  6 
zum  Zwecke  der  Ermittlung  ihres  gegenwärtigen  Zustandes  zur 
Disposition. 

Die  Krankheitsjournale  der  Sieben  lauten  folgendermassen : 


298  Dr.  W.  stark. 


Fall  26. 

Franz  Durst,  11  Jahre  alt,  aus  Dillendorf,  will  früher  ganz  gesund 
gewesen  sein  bis  November  1871 ,  seit  welcher  Zeit  sich  die  Gebrauchsfähigkeit 
des  linken  Beines  beständig  verschlechterte,  so  dass  von  Ostern  1872  an  Patient 
das  Bett  nicht  mehr  zu  verlassen  vermochte.  Die  Extremität  stellte  sich  in 
Adduction,  Flexion  und  Einwärtsrotation.  Beim  Eintreffen  des  Knaben  (9.  Mi) 
im  Spitale  fand  sich  derselbe  kräftig  entwickelt,  Temperaturerhöhung  gering, 
Trochant.  major,  auf-  und  rückwärts  von  der  Nelaton'schen  Linie.  Ein  von 
der  frühern  Behandlung  herrührendes  Eczem  musste  erst  durch  Aqua  Goulardi 
geheilt  werden ,  ehe  ein  Extensionsverband  möglich  war.  Derselbe  wurde  am 
19.  Juli  angelegt,  4  Pfund  angehängt,  vom  Kranken  sehr  gut  ertragen;  man 
musste  ihn  aber  wegen  Blasenbildung  gegen  einen  Gypsverband  (am  6.  August) 
vertauschen,  nachdem  zuvor  die  Schenkelstellung  in  der  Narkose  corrigirt  worden. 
Dessen  Entfernung  ward  gleichfalls  nothwendig,  weil  er  linksseitigen  Decubitus 
am  Becken  verursachte.  Daraufhin  nahm  das  Fieber,  welches  auf  39,2  gestiegen, 
wieder  seinen  milden  Charakter  an.  Neue  Effervescenz  erfolgte,  als  sich,  unter 
den  bekannten  Klagen  über  Knieschmerz,  eine  neben  dem  grossen  Trochanter 
gelegene,  bei  Druck  sehr  empfindliche,  fluctuirende  Stelle  zeigte.  Volkmann- 
sche  Extension  brachte  Linderung.  Da  Jedoch  die  Temperaturerhöhung,  die 
Schmerzen  und  Fluctuation  am  Hüftgelenke  nicht  schwanden  und  aus  diesen 
Symptomen  auf  Vereiterung  desselben  geschlossen  wurde,  so  schritt  man  am 
14.  November  zur  Besection:  Semicirculärer  Schnitt  zwischen  Spina  ant.  sup.  und 
Trochanter  um  diesen  letztern  herum,  worauf  reichlicher  Eiterausfluss.  Abtra- 
gung des  mit  einander  verschmolzenen  Schenkelkopfs  und  -Halses  nebst  der 
vom  Knorpel  bedeckten  Trochanterspitze.  Entfernung  2  kleiner,  abgelöster  Ne- 
krosen des  Acetabulum  mit  der  Kornzange;  nachher  Perforation  der  Pfanne  in 
das  Becken  (für  eine  Fingerspitze  durchgängig)  nachweisbar. 

Einige  Nähte  an  den  Wundwinkeln,  Drainage  bis  gegen  die  Beckenper- 
foration, Volkmann'sche  Extension,  StheiHge  Matratze  mit  Ausschnitt  für  die 
Wunde.  Offene  Behandlung  derselben.  —  Der  von  Garies  ganz  zerfressene 
Fenmrkopf  mass  zwischen  den  in  der  Längsrichtung  von  einander  entferntesten, 
besterhaltenen  Stellen  2  Glm.  An  den  noch  zu  unterscheidenden  obern  Parthien 
hingen  Kapselreste.  Das  Uebrige  entstellte  die  Destruction  bis  zur  Unkenntlich- 
keit. Die  Fiebercurve  ging  nach  der  Operation  bedeutend  in  die  Höhe  bis  auf 
40,3  und  lenkte  erst  am  11.  Dezember  wieder  in  gewohntere  Bahnen  ein.  Doch 
thaten  diese  hohen  Temperaturen  dem  örtlichen  Prozesse  keinen  Eintrag.  Die 
Wunde  reinigte  sich  nach  Entfernung  der  Nähte,  Granulationen  und  Eiterung 
waren  gut.  Anfangs  Dezember  litt  Patient  an  Diarrhöen,  welche  durch  Stopf- 
diät, Rothwein,  Tannin  und  Opium  gestillt  wurden.  Etwas  Frösteln  (1.  Dez.), 
hierauf  Schmerzen  über  dem  Lig.  Poupartii,  Dämpfung  daselbst,  geringe  Schwel- 
lung des  Oberschenkels  verbunden  mit  Venectasien,  erregten  den  Verdacht  auf 
Beckenabscess ,  ohne  dass  derselbe  durch  Rectal  Untersuchung  bestätigt  werden 
konnte.  Eine  kleine  Nekrose,  die  die  Beschaffenheit  des  Eiters  vorübergehend 
verschlechtert  hatte,  zog  man  am  7.  Dezember  aus.  Am  14.  erhielt  der  Kranke 
ein  Vollbad  und  neuen  Extensionsverband  (5  Pfund).  Gegen  einen  leichten 
Decubitus  wurden  Wasserkissen  und  Seifenpflaster  verordnet,  ein  isolirter  Abscess 
im  oberen,  bereits  vernarbten  Wundwinkel  incidirt.    Von  jetzt  ab  (1.  Januar  1873) 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     299 

nahm  bei  nur  schwachen  Fieberbewegungen  die  Wundheilung  ihren  ungehinderten 
Verlauf:  Der  Gang  nach  dem  Becken  wurde  enger,  die  Pfannenperforationsslelle 
nach  und  nach  unbetastbar,  ebenso  zog  sich  die  Wunde  von  der  Peripherie  lier 
zusammen.  Die  schlaffen  Granulationen  wurden  öfters  touchirt  und  die  Becken- 
verschiebung durch  Contraextension  mittelst  Gummischlauch  auf  der  gesunden 
Seite  beseitigt.  Am  15.  Januar  vermochte  Patient  schon  das  Bein  ohne  Schmerzen 
etwas  zu  adduciren.  Vom  21.  Februar  an  wurde  Drainage  und  Verband  weg- 
gelassen, der  Reconvalescent  zweimal  wöchentlich  mit  Erfolg  gebadet ,  im  März 
4  Mal  electrisirt  und  am  24.  d.  M.  zum  ersten  Male  ausgefahren. 

Von  nun  an  (24.  März)  stand  er  täglich  auf  und  konnte,  trotz  bedeutender 
Verkürzung  des  linken  Beins  mit  starker  Beckenverschiebung,  an  Krücken  lang- 
sam herumgehen.  Im  April  blieb  das  Fieber  ganz  aus,  Aussehen  und  Appetit 
waren  sehr  gut ,  die  Wunde  fingerbreit  und  fingerlang ,  an  2  Stellen  kam  man 
mit  dem  Lapisstifte  noch  etwas  in  die  Tiefe.  Das  Gehen  an  den  Krücken  bes- 
serte sich  zusehends ,  auch  vermochte  der  Knabe  jetzt  auf  dem  linken  Fusse  zu 
stehen.  Im  Mai  bekam  er  einen  Stützapparat ,  der  die  kranke  Extremität ,  das 
Becken  nnd  den  gesunden  Oberschenkel  umgriff,  in  welchem  er  mit  Hülfe  zweier 
Stöcke  zu  gehen  im  Stande  war. 
Entlassung  13.  Juni  1873. 

Untersuchung  im  Dezember  1876  (durch  Dr.  H.Kaiser). 
Fisteln  sollen  zeitweise  aufbrechen. 

1.  r. 

Distanz  von  Spina  a.  s.  bis  Cond.  ext.  fem.    ...     38  Ctm.    43  Ctm. 

,.     Spina  a.  s.    „     Mall,  ext 73,25  „       79,25  „ 

„     Nabel  bis  Cond.  int.  fem 47       „       52       „ 

„    Mall,  int 80,5    „      87,5    „ 

„  „  Trochanterspitze  bis  Fusssohle  ...  81  ,,  81  ,, 
Länge  des  Fusses  (Ferse  bis  Spitze  des  hallux)  .  20  „  22  „ 
Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Mitte     ....     32       ,,       37,5    „ 

Umfang  der  Wade 24,5    „       28       „ 

activ  passiv 

Flexion  (bei  fixirtem  Becken)         90  Grad     90  Grad 

Ab-  und  Adduction  (bei  fixirtem  Becken)  ....     30     „        30     ,, 
Rotation  „         „  „         ....     45     ,,        45     „ 

activ 

Erhebung  des  Beins 90  Grad. 

Der  Kranke  kann  ohne  jede  künstliche  Unterstützung  gehen,  trägt  jedoch 
für  gewöhnlich  einen  Stock  und  am  linken  Fusse  einen  Schuh  mit  1  Ctm.  Sohlen- 
erhöhung.    So  vermag  er  eine  Stunde  weit  zu  marschiren. 

Ueberdies  ist  er  im  Stande  eine  Leiter  zu  ersteigen  und  Lasten  bis  zu 
50  Pfund  zu  tragen. 


Fall  27. 

Paul  Haberstroh,  11  Jahre  alt,  aus  Altsimonswald,  fühlte  im  Herbste 
1871  ohne  bekannte  Ursache  eine  eigentbümliche  Schwäche  im  linken  Bein, 
verbunden  mit  dumpfen  Schmerzen  und  Ziehen  in  der  Hüfte.    Diesen  Symptomen 


300  Dl'«  W.  stark. 

folgte  eine  allmählig  zunehmende ,  empfindliche  Anschwellung  der  betreffenden 
Hüftgegend,  mit  der  er  aber  mehr  oder  weniger  gut  noch  bis  Frühling  1872 
umhergehen  konnte.     Erst  jetzt  musste  er  das  Bett  hüten. 

Bei  der  Aufnahme,  welche  am  1.  August  stattfand,  zeigte  sich  eine  so 
gleichmässige  und  beträchtliche  Schwellung  der  ganzen  linken  Hüftregion,  dass 
die  Haut  daselbst  gespannt  und  die  Knochenvorsprünge  weniger  deutlich  waren. 
Jede  Bewegung  des  Gelenks  und  jeder  Druck,  hauptsächlich  der  auf  die  Plica 
inguin.  und  den  grossen  Trochanter,  verursachten  dem  Patienten  heftige  Schmer- 
zen ;  desgleichen  die  Streckung  des  Knies.  Man  vermochte  nicht  Fluctuation, 
doch  leichte  Adductionsstellung  der  etwas  atrophischen  Extremität  wahrzunehmen. 
Es  wurde  mit  minderndem  Einfluss  auf  Schmerzen  und  Schwellung  ein  Heft- 
pflasterextensionsverband  (4  Pfd.  +2  +  2)  nebst  Contraextension,  Eisblase 
und  Bäder  angewendet  und  öfters  erneuert  resp.  wiederholt.  Fieber  stellte  sich 
nur  zeitweise  ein.  Anfangs  November  machte  sich  an  der  äusseren  Seite  des 
Oberschenkels,  ungefähr  handbreit  unterhalb  des  Gelenks,  eine  fluctuirende,  em- 
pfindliche, etwa  fünfmarkstückgrosse  Geschwulst  bemerklich,  welche  mit  der 
Zeit  umfänglicher  wurde;  die  Schmerzhaftigkeit  steigerte  sich  gleichfalls.  Die 
Fluctuation  markirte  sich  trotz  der  Gespanntheit  des  Tumors  sehr  deutlich,  als 
derselbe  über  Handgrösse  betrug.  Eine  Mitte  Februar  (1873)  auftretende  Gesichts- 
rose trieb  während  ihres  Bestehens  das  Fieber  in  die  Höhe  (40,5),  verschwand 
aber  nach  3  Tagen  wieder.  Am  23.  d.  M.  war  die  fluctuirende  Anschwellung 
nach  stetigem  Wachsthum  so  oberflächlich  geworden,  dass  sie  gegen  die  Mitte 
der  äusseren  Schenkelseite,  4  Fingerbreit  unterhalb  des  Trochanters  spontan  auf- 
brach und  dünnen ,  flockigen ,  bröckligen  Eiter  entleerte.  Den  27.  nahm  man 
die  Resection  vor. 

Auf  die  Incision  eines  Abscesses,  der  vor  dem  Collum  femoris  in  die  Höhe 
führte,  folgte  der  gewöhnliche  semicirculäre  Schnitt  um  den  Trochanter:  Das 
Caput  fem.  war  zerstört ,  das  Collum  sehr  weich ,  Hess  sich  mit  dem  Messer 
schneiden  (Trochanter  blieb  stehen).  Die  in  der  Gegend  des  Lig.  teres  rauhe 
und  vertiefte,  aber  nicht  perforirte  Pfanne  wurde  etwas  ausgelöffelt.  Ihre  vor- 
dere Fläche  trug  Osteophytenbildungen. 

Drainage  gegen  die  Pfanne  hin,  einige  Nähte,  Stheilige  Matratze,  Extension 
sollten  den  Heilprozfess  unterstützen.  Offene  Wundbehandlung.  —  Schenkelkopf 
difform  durch  Caries.  Grösste  Länge  des  vorhandenen  Präparats  2^2  Ctm. 
Abtrennungsfläche  uneben,  porös.     Knochengewebe  weich. 

Das  Fieber  blieb  auch  nach  der  Operation  (unter  ausgiebigen  Remissionen) 
bei  den  kurz  zuvor  erreichten  Temperaturgraden  von  40  und  darüber,  kehrte 
aber  schon  am  7.  März  auf  39"  und  weniger  für  die  Dauer  zurück.  Zu  diesem 
Verweilen  auf  hoher  Temperatur  mochte  ein  Erysipel  mitwirken ,  das  am  Tage 
nach  der  Resection  sich  durch  Kopfweh  und  Brechen  ankündigte,  am  darauf- 
folgenden um  die  Incisionsstelle  des  Abscesses  auftauchte,  sich  alsdann  bis  auf 
das  Kreuzbein  ausbreitete,  um  endlich  am  7.  März  unter  dem  vorhin  angeführten 
Fieberabfalle  zu  verschwinden.  Nichtsdestoweniger  fühlte  sich  Patient  wohl, 
hatte  guten  Appetit,  wenig  Schmerzen,  Wunden  und  Eiter  sahen  günstig  aus. 
Selbst  Bewegungen  des  Beins  waren  am  7.  März  nicht  mehr  empfindlich,  ja  am 
15.  konnte  er  beim  Verbinden  seine  1.  Extremität  schmerzlos  hängen  lassen  und 
war  am  20.  .schon  im  Stande,  dieselbe  zu  adduciren,  nur  die  Rotation  that  noch 
ein  wenig  wehe.  Der  Abscess  und  sein  Kanal  verkleinerte  sich,  die  Operations- 
wunde zog  sich  ebenfalls   zusammen,    mit   der  Irrigateurspitze   kam   man  gegen 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     301 

die  Pfanne  zu  blos  in  einen  kleinen  Hohlgang.  Ende  dieses  Monats  begannen 
die  normalen  Temperaturen.  Den  4.  April  wurde  der  Verband  abgenommen  und 
der  Knabe  frei  im  Bett  gelagert;  ferner  bekam  er  zweimal  wöchentlich  ein  Voll- 
bad. Den  10.  fuhr  er  auf  dem  Rollwagen,  am  15.  ging  er  etwas  an  der  Krücke, 
stand,  obgleich  nicht  ohne  allen  Schmerz,  auf  dem  1.  Fuss  und  lief  am  30.  besser 
umher  als  Durst  (Fall  26) ,  wenn  schon  die  Resection  im  gegenwärtigen  Falle 
über  ^/4  Jahr  später  gemacht  worden  war.  Geringere  Stellungsanomalien  des 
Beins  und  Beckens,  sowie  die  nicht  so  weit  fortgeschrittene  Zerstörung  zur  Zeit 
der  Operation  veranlassten  solchen  erfreulichen  Unterschied.  Die  halbhandteller- 
grosse,  oberflächliche  Wunde,  welche  nur  wenig  secernirte,  complicirte  sich  im 
Mai  mit  empfindlichen  Leistendrüsenanschwellungen ,  deren  Existenz  noch  im 
October  nachgewiesen  zu  werden  vermochte.  Ende  letzterwähnten  Monats  brach 
die  bereits  vernarbte  Wunde  an  3  Stellen  vorübergehend  wieder  auf  und  eiterte 
dorten  unter  allgemeinen  Reizerscheinungen  (Fieber,  Schmerz).  Die  definitive 
Ausheilung  wurde  durch  Aetzungen  beschleunigt,  der  Genesene  am  29.  Januar 
1874  entlassen. 

Eine  spätere  Untersuchung,  im  JuU  1875,  zeigte : 

Active  und  passive  Beweglichkeit  gleich  und  zwar:  Beugung  bis  zum 
rechten  Winkel.  Streckung  normal.  Pro-  und  Supination  gering;  erstere  etwas 
ausgiebiger  als  letztere.  Adduction  normal.  Abduction  bis  zu  20°.  Der  linke 
Hüftbeinrand  steht  '/2  Zoll  höher  als  der  rechte.  Entfernung  von  der  linken 
Spina  ant.  sup.  bis  zum  Mall.  ext.  76,5  Ctm.,  rechts  81  Ctm.  Länge  des  linken 
Oberschenkels  vom  Trochanter  bis  Cond.  ext.  38,5  Ctm,,  des  rechten  Oberschenkels 
39,5  Ctm.  Länge  des  linken  Unterschenkels  vom  Condyl.  ext.  bis  Mall.  ext. 
34,5  Ctm.  gegen  36  Ctm.  rechts. 

1.  r. 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Höhe  der  Analfalte    28,5  Ctm.     38,5  Ctm. 
Umfang  des  Unterschenkels  in  der  Mitte  der  Wade         23,3     „  26       „ 

Patient  wurde  am  17.  October  1876  abermals  untersucht: 

Vergangenen  Sommer  soll  die  Narbe  hinter  dem  Troch.  major  aufgebrochen 
und  7*  Jahr  lang  offen  geblieben  sein.  Im  Anfang  habe  sich  stinkender  Eiter 
in  Menge  entleert.  Erst  allmählig  Hess  die  Secretion  nach.  Dabei  waren 
Schmerzen  vorhanden.  Im  Uebrigen  litt  das  Allgemeinbefinden  nicht  Noth  und 
traten  nach  Ablauf  dieser  Periode  keinerlei  Beschwerden  mehr  ein. 

Der  Operirte  will  mit  Hülfe  des  Stockes  4  Stunden  Wegs  zurücklegen 
können ,  ohne  dass  die  resecirte  Extremität  ermüdet.  Ohne  Stütze  vermag  er 
nur  wenige  Schritte  zu  machen,  indem  die  neugebildete  Gelenkverbindung  nicht 
die  hinreichende  Festigkeit  besitzt,  um  das  Körpergewicht  auf  die  Dauer  zu 
tragen. 

Längs  der  äusseren  Seite  des  oberen  Femurendes  ist  eine  eingezogene, 
derbe  Narbe.  Hinter  dem  Troch.  major  befindet  sich  eine  zweite ,  längere ,  in 
deren  Mitte  eine  kleine  Kruste  haftet.  —  An  Stelle  des  Troch.  major  hat 
Knochenwucherung  einen  massigen  Knorren  formirt,  der  die  Nelaton 'sehe  Linie 
um  3  Ctm.  überragt. 

Die  Mensuration  ergibt: 

Länge  vom  Troch.  maj.  bis  Cond.  ext.    . 
„  „      Cond.  ext.  bis  Mall.  ext.  .     . 

„  „      Troch.  maj.  bis  Mall.  ext.     . 

„         „      Spina  a.  s.  bis  Cond.  int.     . 


1. 

r. 

40  Ctm. 

38  Ctm. 

36     „ 

41     „ 

76     „ 

79     „ 

42    „ 

47     „ 

302  Dl'.  W.  stark. 

1.  r. 

Länge  vom  Cond.  int.  bis  Mall.  int.    ...     35  Ctm.     39  Ctm. 
„         „      Spina  a.  s.  bis  Mall.  int.       .     .     77     „        86     „ 
„         „      Spina  a.  s.  bis  Cond.  ext.     .     .     42     „        44    „ 
Die  Verkürzung  von  9  Ctm.   wird  durch   eine  linksseitige  Sohlenerhöhung 
um  3  Ctm.  derart  supplirt,   dass  das  Hinken  bei  gleichzeitigem  Gebrauche  eines 
Stalles  nicht  sehr  bedeutend  ist.     Nach  Ablegung  des  Schuhes  gleicht  Spitzfuss- 
stellung  besagte  Differenz  in  hinreichendem  Masse  aus,     Anomalien  der  Becken- 
stellung fehlen  sowohl  beim  Liegen  als  beim  Stehen. 

1.  r. 
Umfang  in  der  Höhe  des  Trochanter     .     .     32       Ctm.    43       Ctm. 
„        „     „    Mitte  des  Schenkels  ...     31         „        40         „ 
„     „        „      der  Wade      ....     28^2     „         29V2     „ 
„       d.Fussgelenks  (zw. Fussbeuge U.Ferse)  26 V2     „        29        „ 
Länge   des   Fusses  (Halluxspitze   bis  Fer- 
senrand)       21V2     „         241/2     „ 

Functionsprüfang : 

Active  Beugung  bis  zu  einem  nach  vorn  offenen  W.  v.  100 ;  passive  wegen 
Schmerzen  nicht  weiter  möglich.  Streckung  (active  und  passive)  bis  zu  einem 
nach  hinten  offenen  Winkel  (zw.  Rumpf  und  gestrecktem  Bein)  von  177°.  Ro- 
tation nach  aussen  und  innen  etwas  beschränkt.     Adduction  normal. 

Abduction  bis  zu  einem  nach  aussen  offenen  Winkel  von  163°,  passiv  bis 
zu  158°. 

Bei  all'  diesen  Versuchen,  besonders  aber  bei  den  letztgenannten,  bewegt 
sich  mehr  weniger  das  Becken  mit. 

Während  der  passiven  Excursionsmanöver  (hauptsächHch  der  Flexion) 
lässt  sich  in  dem  regenerirten  Gelenke  sehr  deutlich  ein  Knacken  fühlen,  das 
auch  der  Resecirte  selbst  empfindet. 


Fall  28. 

Karl  Burgert,  7  Jahre  alt,  aus  Oberprechthal ,  soll  früher  an  Augen- 
entzündungen und  Drüsenschwellungen  gelitten  haben.  Mitte  des  Jahres  1874 
bekam  er  Fieber  und  typhöse  Erscheinungen  von  etwa  dreiwöchentlicher  Dauer. 
Nachher  bemerkten  die  Eltern,  dass  das  Kind  mit  dem  rechten  Fusse  hinkte, 
wobei  es  über  Schmerzen  im  Knie  klagte.  Bald  zeigte  sich  auch  eine  Geschwulst 
in  der  Trochanterengegend ,  die  ungefähr  um  Weihnachten  1874  aufbrach  und 
sich  zur  eiternden  Fistel  gestaltete.  Seit  Mai  konnte  der  Knabe  nicht  mehr 
gehen,  nachdem  eine  neue  Fistel  sich  etwas  nach  aussen  von  der  Mitte  der 
vorderen  Schenkelseite,  handbreit  unter  dem  Lig.  Poupartii  einen  Ausweg  gebahnt 
hatte.  Am  22.  Juni  1875  wurde  Patient  in's  Spital  gebracht.  Er  sah  bleich 
und  mittelmässig  genährt  aus.  An  der  rechten  Hüfte  befanden  sich  die  oben 
erwähnten  Fisteln.  Das  Bein  war  sehr  abgemagert,  im  Winkel  von  45°  flectirt, 
nach  innen  rotirt,  ankylotisch.  Die  eingeführte  Sonde  gelangte  in  der  Richtung 
des  Schenkelhalses  auf  cariösen  Knochen.  Ein  solcher  Befund  berechtigte  zur 
Resection,  welche  am  30.  zur  Ausführung  (unter  Lister's  Spray)  kam.  Mittelst 
eines  Längsschnittes  gerade  nach  abwärts  entfernte  man  den  Kopf  und  Hals, 
während    der  Trochanter  major   stehen   blieb.     Drainage  und  Extensionsverband 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     303 

folgten  nach.  Das  excidirte  obere  Femurende  mass  2^4  Ctm.,  der  Gelenk- 
knorpel war  bis  auf  einen  kleinen  in  der  mittleren  Gegend  befindlichen  Distrikt 
verschwunden ,  der  Knochen  am  Caput  und  an  der  äusseren  Seite  des  Collum 
cariös.  Ein  IV2  Ctm.  grosses  vom  vorderen  Theile  der  Aussenseite  abgelöstes 
und  inwendig  ausgebuchtetes  Stück  bildete,  wenn  dem  üebrigen  angepasst,  mit 
der  gegenüberliegenden,  ebenfalls  concaven  Wand  des  Kopfes  eine  geräumige 
Höhle  (von  P/2  Ctm.  Tiefe).  Die  Sägefläche  zog  von  aussen  und  unten  nach 
innen  und  oben.  Das  Fieber  erschien  als  ein  allmorgendlich  remittirendes,  welches 
mit  zeitweiser  Intermission  in  verschiedener,  doch  nach  und  nach  abnehmender 
Intensität  bis  Ende  October  anhielt  (Akme  desselben  39,6  am  17.  August).  Die 
Wundbeschaffenheit  hatte  nichts  Nachtheiliges  aufzuweisen;  guter  Eiter  wurde 
in  massiger  Menge  secernirt  (daher  Herausnahme  der  Drainage  am  17.  August). 
Vorübergehend  bloss  (23,-28.  August)  wucherte  die  Granulationsfläche  stärker 
unter  Röthung  und  Schwellung  der  Leistengegend,  Vergrösserung  der  Leisten- 
drüsen und  dünner  Eitersecretion.  Dadurch  trat  Verlangsamung  des  Heilverlaufs 
ein  (Lapis).  Dessenungeachtet  blieb  das  Allgemeinbefinden  gut.  Im  September 
versuchte  der  Resecirte  erstmals  in  einem  Taylor'schen  Apparate  zu  gehen, 
was  keine  Schmerzen  verursachte.  Recrudescenz  der  Entzündung  in  der  Um- 
gebung der  Fisteln  nöthigte  Anfangs  November  zu  neuem  Bettaufenthalte.  Bei 
einer  am  20.  November  staltgehabten  Ausschabung  der  Wunde  mit  dem  Simon- 
schen  Löffel  traf  man  an  einer  Stelle  auf  rauhen  Knochen.  Die  zu  starke  Aus- 
wärtsrotation verbesserte  ein  Volk  mann 'scher  Zugverband.  Dem  folgten  Ende 
Dezember  —  viermal  wöchentlich  —  Bäder.  Einem  dadurch  veranlassten  Auf- 
quellen der  Fisteln  wirkte  fortgesetztes  Touchiren  entgegen.  Zu  derselben  Zeit 
wurden  die  Geiiversuche  wieder  angefangen  trotz  geringer  Schwellung  des  Knie- 
gelenks, doch  die  Besserung  der  Gebrauchsfähigkeit  durch  einen  schlechten 
Stützapparat  hintangehalten.  Dagegen  verkleinerten  sich  die  regelmässig  geätzten 
Fisteln;  ferner  hoben  gute  Nahrung,  viel  Aufenthalt  in  frischer  Luft  und  regel- 
mässiges Baden  die  Kräfte  des  Reconvalescenten ,  den  man  am  13.  Juni  1876 
in  ein  Salzbad  entliess,  um  dort  durch  eine  zweckmässige  Fortsetzung  der 
beobachteten  Kurmethode  in  Bälde  eine  vollkommene  Ausheilung  zu  erzielen. 


Fall  29. 

Johann  Volmer,  9  Jahre  alt,  von  Wolfach,  wurde  im  Herbste  1874 
vom  Schulmeister  gegen  den  linken  Trochanter  getreten ,  machte  hierauf  einen 
Typhus  durch  und  fing  nach  Ablauf  desselben  an,  über  Schmerzen  in  der  linken 
Hüfte  zu  klagen.  Er  begann  mehr  und  mehr  zu  hinken,  bis  er  schliesslich  das 
Gehen  ganz  aufgab  und  einen  Arzt  zu  Rathe  zog,  der  ihm  6  Wochen  vor  seiner 
Aufnahme  in's  Spital,  welche  am  26.  October  1875  erfolgte,  das  Bein  eingypste. 

Das  kranke  Glied  war  2  Ctm.  kürzer  als  das  gesunde.  Selbstständige 
Excursionsfähigkeit  der  Extremität  ohne  Mitbewegung  des  Beckens  fehlte  voll- 
ständig. Sowohl  directer  als  indirecter  Druck  schmerzte  sehr.  Patient  erhielt 
einen  Extensionsapparat  im  Bette.  Fieber  bestand  sogar  dann  nicht,  als  am 
9.  November  deutliche  Fluctuation  in  der  Tiefe  Vereiterung  des  Gelenkes  bewies. 
Am  27.  November  trat  eine  phlyctänuläre  Conjunctivitis  auf,  die  man  mit  Borax- 
lösungen und  Atropin  behandelte.  Sie  besserte  sich  ra^ch  nach  Beseitigung  des 
afficirten  Gelenkes,  welche  am  S.Dezember  (1875)  stattfand.    Letzterer  ging  eine 


304  Dr-  W.  Stark. 

Incision  voraus  an  der  Vorderseite  des  Oberschenkels  —  wo  die  Fluctuation  am 
ausgesprocliensten  —  um  zunächst  die  grosse  Eiterhöhle  von  ihrem  käsigen 
Inhalte  zu  befreien.  Die  Resection  selbst  begann  unter  Lister'schem  Spray  mit 
einem  hintern,  linearen  Schnitte.  Der  weiche  Kopf  wurde  mit  der  Stichsäge 
oberhalb  des  Trochanters  vom  Schafte  abgetrennt,  das  Acetabulum  mit  dem 
Simon'schen  Löffel  ausgekratzt,  darauf  2  Drainageröhren  eingeführt  und  der 
Extensionsverband  (mit  nachträglicher  [9.  Dezember]  Contraextension)  wieder 
angelegt.  Nach  der  Operation  collabirte  der  Kranke  (Garbolurin)  und  erbrach 
häufig.  Dagegen  Champagner.  Die  Temperatur  sank  auf  35 ".  Bald  aber 
hob  sich  der  Zustand  und  mit  ihm  die  Curve ,  welche  nur  wenige  Tage  hyper- 
normale  Höhe  erreichte.  Am  14.  Dezember  schon  sahen  die  öfters  geätzten 
Wunden  ausgezeichnet  aus,  desgleichen  der  Patient.  Den  19.  Januar  bheb  die 
Extension  weg,  den  21.  Januar  fingen  die  passiven  Bewegungen  und  Bäder  an. 
Die  Wunden  hatten  sich  fast  vollständig  geschlossen.  Wegen  zunehmender  Becken- 
verschiebung musste,  nachdem  ein  kleiner  Druckdecubitus  ausgeheilt,  der  Exten- 
sionsverband nochmals  für  einige  Zeit  appiicirt  werden.  Später  verliess  der  Junge 
das  Bett,  machte  Gehversuche,  ging  an  Krücken,  im  Mai  1876  am  Stocke, 
schliesslich  ohne  Stock.  Das  Touchiren  zweier  übrig  gebliebenen  Fisteln  und 
die  Bäder  setzte  man  fort.  Am  6.  Juni  trat  der  Reconvalescent  aus. 
22.  November  1876: 

Der  Junge  sieht  blass  aus,  leidet  an  Conjunctivitis,  behauptet  aber,  im 
Uebrigen  seither  gesund  gewesen  zu  sein.  Schmerzhaftigkeit  der  resecirten  Ge- 
lenkgegend fehlt.  Er  geht  ohne  Beschwerden  in  der  Maschine  mit  Hülfe  eines 
Stocks ,  wobei  eine  Sohlenerhöhung  von  3  Gtm.  das  Hinken  möglichst  beseitigt. 
Auch  nach  Entfernung  jeglichen  Unterstützungsmittels  vermag  er  Schritte  zu 
machen  und  einige  Zeit  zu  stehen ,  während  die  Verkürzung  durch  Spitzfuss- 
stellung  ersetzt  wird.  Das  Bein  ist  stark  adducirt,  was  bewirkt  hat,  dass  nun 
durch  Beckenverschiebung  die  linke  Spina  ant.  sup.  3  Ctm.  höher  liegt  als 
rechterseits.  Abscess-  und  Resectionswunde  zeigen  solide  Benarbung  ohne  Re- 
siduen der  noch  lange  bestandenen  Hohlgänge.  Der  neugebildete  Trochanter 
stellt  einen  massigen  Knorren  dar,  welcher  2  Ctm.  über  die  Nelaton'sche 
Linie  emporragt. 

1.  r. 

Länge  vom  Troch.  —  Gond.  ext 31  Ctm.  29  Ctm. 

„        „      Cond.  ext.  —  Mall,  ext 30     „      30     „ 

„      Troch.  —  Mall,  ext 61     „      59     „    Diff.  2 

„        „     Spina  a.  s.  —  Cond.  int.      ...     34     „      36     ,, 

„        „      Cond.  int.  —  Mall,  int 29     „      29     „ 

„        „     Spina  a.  s.  —  Mall.  int.      ...     63     „      65     „    Diff.  2 


Nabel  bis  Mall    int  63  ßS  3 Ctm- betragend 

i^aoei  Dis  man.  mi oö     „       dö     „      Beckenverschie 


üiff.  5  wegen  der 
.  Tjetr 
3nve: 
bun" 


Umfang  d.  Oberschenkels  in  d.Trochantergegend   28     „      32     „ 
,,      ■       „  „    „  Mitte     ....     25     „      28     „ 

„       des  Kniees 25     „      25     „ 

„       der  Wade 21     „      22     „ 

Keine  weitern  Differenzen. 

Es  besteht  ein  durch  Lendenwirbelsäulen-Lordose  ausgeglichener  Flexions- 
winkel   (des    Femur)    von   ca.  145**.     Freie    Beweglichkeit    (Flexion,    Extension, 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     305 

Rotationen,  Ab-  und  Adduction),  ohne  Beihülfe  des  Beckens  etc.  ist  bei  der 
Starrheit  der  neuformirten  Gelenkverbindung  nur  in  geringem  Grade  möglich. 
Unter  Theilnahme  des  Beckens  und  der  Lendenwirbelsäule  kann  eine  active 
(ebenso  passive)  Flexion  bis  117°  erzielt  werden,  wobei  das  Knie  sich  bis  zum 
Winkel  von  93"  biegt.  Das  vollständig  gestreckte  Bein  wird  bis  zu  140»  erhoben. 
Die  selbstständig  ausgeführten  Streckungsversuche,  desgleichen  die  Ab-,  Adduction 
und  Rotationen  bleiben,  wenn  Becken  und  Wirbelsäule  mithelfen,  nur  wenig 
hinter  dem  normalen  Maasse  zurück. 


Fall  30. 

Therese  Flach,  13  Jahre  alt,  aus  Seilbach  (Amt  Lahr)  empfand  Ende 
November  1875  erstmals  beim  Gebrauche  des  linken  Beins  Schmerzen  von  der 
Hüfte  zum  Knie  und  bis  in  die  Ferse.  Unter  stetiger  Zunahme  derselben  ent- 
wickelte sich  allmählig  an  der  linken  Kreuzgegend  eine  Geschwulst,  welche  ein 
Arzt  Ende  Februar  aufschnitt  und  dadurch  beträchtliche  Eitermengen  heraus- 
beförderte. Sofortige  Gegenöffnung  und  Durchziehen  eines  Drainagerohrs,  welches 
5  Wochen  iiegen  blieb,  bezweckten  freien  Abfluss  des  Eiters.  Dieser  wurde  erst 
reichlich,  später  in  geringerer  Quantität  producirt.  Patientin  hütete  nach  der 
Incision  nur  2  Tage  das  Bett.  Die  Schmerzen  verminderten  sich ,  so  lange  das 
Drainrohr  Stagnation  des  Secretes  verhinderte,  exacerbirten  aber  nach  dessen 
Herausnahme  in  solchem  Grade  wieder,  dass  die  Kranke  seit  Mitte  April  ständig 
bettlägerig  war.  Dabei  litt  glücklicherweise  das  Allgemeinbefinden  wenig  Noth. 
Nach  ihrer  Ankunft  im  Spitale  am  8.  Mai  wurde  eine  Heftpflasterextension  an- 
gelegt, musste  aber  der  Schmerzen  wegen  schon  am  20.  entfernt  werden.  Die 
Fisteln  secernirten  zuerst  dünnen,  dann  blutigen  Eiter.  Am  24.  nahm  man  die 
Resection  vor  nach  einer  genauen  Untersuchung,  die  nachstehende  Ergebnisse 
lieferte:  Aussehen  der  Patientin  blass,  Ernährung  ziemlich  gut.  Hinter  dem 
linken  Troch.  major  Schwellung.  Der  Spina  post.  inf,  sin.  entsprechend  Fistel 
mit  scharfen  Rändern;  Gegenöffnung  über  dem  Troch.  maj.  Eingezogene  Narbe 
unter  und  hinter  dem  Troch.  major.  Flexionswinkel  des  Beins  von  150  *•, 
Adduction  =  165°.  Bei  Rückenlage  anscheinend  linksseitig  Verkürzung  der 
untern  Extremität  um  1  Ctm. ;  Spina  ant.  sup.  1  Gtm.  höher  als  rechts.  Ober- 
schenkel etwas  atrophisch ;  Umfang  im  untern  Drittel  24,5  Ctm. ;  rechts  27  Gtm. 
Linke  Leistendrüsen  geschwellt.  Stehen  auf  dem  kranken  Fuss  unmöglich ;  ebenso 
das  active  Erheben  der  Ferse  von  der  Unterlage.  Bei  passiven  Excursions- 
versuchen  Mitbewegung  des  Beckens  und  grosse  Empfindhchkeit.  Directer  und 
indirecter  Druck  schmerzhaft.  In  der  Narkose  nahezu  vollständige  Flexions- 
fähigkeit des  Gliedes,  weniger  Rotation,  gar  nicht  Adduction.  Rauhigkeiten  bei 
Bewegungen  fühlbar.  Fistel  führt  hinter  dem  Trochanter  major  in's  Hüftgelenk. 
Letzteres  wurde  nun  durch  einen  hinter  dem  Troch.  maj.  gemachten,  10  Gtm. 
langen  Bogenschnitt  biosgelegt,  das  Periost  vom  Knochen  abgelöst.  Das  Gelenk 
und  seine  Umgebung  waren  mit  fungösen  Granulationen  besetzt.  Dieselben 
trennte  man  mit  Hohlscheere  und  scharfem  Löffel  ab  und  kratzte  das  theilweise 
miterkrankte  Acetabulum  aus,  nachdem  die  Stichsäge  durch  Abtragen  des  oberen 
Femurendes  unterhalb  des  Troch.  Raum  geschafft  hatte.  Die  Höhle  wurde  mit 
5°/o  Carbolwasser  gewaschen ;  dessgleichen  das  die  Fistelgegend  umgrenzende 
Unterhautzellgewebe ,  welches  zuvor  von  schlaffen ,  granulösen  Wucherungen 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  20 


306  Dr.  W.  stark. 

mittelst  des  Schablöffels  befreit  worden  war.  Die  Haut  daselbst  zeigte  aus- 
gedehnte Unterminirung.  Drainageröhren,  Vernähung  der  untern  Wundparthie, 
desinficirender  Verband  und  Heftpflasterextension  (1  Kilo)  markirten  das  Ende 
der  Operation,  bei  der  streng  das  Li  st  er 'sehe  Verfahren  beobachtet  worden. 
Das  resecirte  Knochenstück  mass  6  Gtm.  Es  erschien  sehr  hyperämisch.  Ein 
Streifen  des  Gelenkknorpels  von  3  Gtm.  Länge  und  1,5  Gtm.  Breite  fehlte  (in 
der  Mitte) ,  der  dem  Defecte  zunächst  gelegene  erwies  sich  verdünnt  und  ver- 
färbt, der  an  der  Aussenseite  abgehoben.  Den  Schenkelkopf  umgab  ein  Kranz 
schwammiger  Granulationen.  Die  Rindensubstanz  der  vordem  Gegend  trug 
Erosionen.  Der  Trochanter  fühlte  sich  weich  an.  Das  Fieber,  welches  —  die 
ersten  Tage  ausgenommen  —  ein  Morgens  bis  zur  Norm  remittirendes  war, 
culminirte  in  39,5°,  bewegte  sich  jedoch  durchschnittlich  bis  Ende  Juni  um  38,5" 
herum.  Die  W^unde  sah  schön  aus ,  secernirte  massig ,  wesshalb  schon  am 
25.  Mai  ein  Drainagerohr  entfernt  und  ein  zweites  nur  bis  8.  Juni  darin  gelassen 
wurde.  An  Stelle  der  anfänglichen  Schmerzen  trat  bald  subjectives  Wohlbefinden, 
das  selbst  durch  vorübergehende  Garbolintoxication  (2.  Juni  Garbolurin)  nicht 
abnahm.  Eine  stärkere  Belastung  des  Extensionsapparates,  welche  (27.  Mai)  die 
übermässige  Abduction  des  Beins  beseitigen  sollte,  wirkte  so  ausgiebig,  dass 
zur  Correction  der  hierdurch  herbeigeführten  gegentheiligen  Stellungsanomalie 
(12.  Juni)  ein  Heftpflasterzugverband  (3  Pfund)  rechterseits  applicirt  und  zugleich 
daselbst  Gontraextension  (3  Pfimd)  angebracht  werden  musste.  Alsbald  besserte 
sich  die  fehlerhafte  Haltung  des  Gliedes.  Schwellung  der  Umgebung,  croupöser 
und  speckiger  Belag  (12.  Juni  bis  10.  August)  Schlaffheit  der  Granulationen 
thaten  ab  und  zu  dem  Benarbungsprozess  Eintrag,  so  dass  er  trotz  des  guten 
Allgemeinzustandes  (seit  Juli  nur  noch  geringe  Fieberschwankungen)  blos 
langsam  seinem  Ziele  näher  rückte.  Lapisätzungen  bezweckten  desshalb  dessen 
Beschleunigung.  Vom  19.  Juli  an  machte  man  passive  Bewegungsversuche,  die 
nicht  schmerzten,  aber  nach  Kurzem  (29.  Juli)  wieder  eingestellt  wurden,  weil 
sie  (am  26.  und  27.  Juli)  Temperatursteigerung  bis  38,5o  verursachten.  Seit 
8.  August  bestand  dauernd  Apyrexie.  Erst  vom  30.  September  an  erlaubte  der 
Zustand  der  Patientin  das  Umhergehen  in  einem  Stützapparate.  Am  20.  October 
stellte  man  Folgendes  fest: 

Die  Patientin  klagt  weder  über  eine  Störung  des  Gesammtbefindens,  noch 
über  Schmerzen  im  operirten  Beine.  Die  Eiterung  ist  ziemlich  reichlich.  Die 
Resectionswunde  klafft  in  einer  Länge  von  9  Gtm.  Ihre  Umgebung  ist  livide 
gefärbt.  Ausserdem  sitzt  eine  rothe  Narbe  von  3  Gtm.  Ausdehnung  in  der  linken 
Sacralgegend.  Ein  erheblicher  VViederersatz  der  excidirten  Knochentheile  hat 
sich  bis  jetzt  nicht  eingestellt.  Die  Sonde  stösst  nicht  auf  blossliegenden  Knochen. 
Die  Messung  constatirt:  1.  r. 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Trochantergegend    42    Gtm.  42  Gtm. 

„     „     Mitte 30       „      33     „ 

der  V^ade 22V2   „      231/2  „ 

Weiter  nach  abwärts  keine  Differenz; 

Länge  von  Spina  a.  s.  bis  Gond.  int 39       „     43     „ 

Cond.  int.  bis  Mall,  int 29       „     29     „ 

Spina  a.  s.  bis  Mall,  int 68       „     72      „ 

Troch.  maj.  bis  Gond.  ext 29      „      34      „ 

Cond.  ext.  bis  Mall  ext 31       „      31      „ 

Troch.  major  bis  Mail,  ext 60      „      65     „ 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     307 

Also  Verkürzung  linkerseits  von  5  Gtm. 

Das  Becken  steht  auf  beiden  Seiten  (in  Ruhelage  und  aufrechter  Stellung) 
gleich  hoch. 

Die  active  Beugung  geschieht  bis  zu  einem  Winkel  von  115°,  ohne  Mit- 
hülfe des  Beckens,  passiv  bis  llio.  Lästiges  Gefühl  von  Spannung  im  Knie, 
woselbst  eine  active  Flexion  von  110°,  eine  passive  von  63°  effectuirt  zu  werden 
vermag,  verbietet  ausgiebigere  Excursionen.  —  Die  Resecirte  ist  im  Stande,  Ein- 
und  Auswärtsrotationen  in  beschränktem  Maasse  zu  bewerkstelligen,  bei  forcirten 
Manipulationen  bewegt  sich  das  Becken  mit.  Die  Abduction  kann  bis  zur 
normalen  Grenze  (activ)  ausgeführt  werden,  doch  nur  dann,  wenn  dem  Kinde 
die  Möglichkeit  zu  Gebote  steht,  mittelst  Anstemmen  und  Rotationsbewegungen 
des  betreffenden  Fusses  die  mangelhafte  Muskelthätigkeit  zu  unterstützen.  Gleich- 
zeitige Veränderung  der  Beckenstellung  beeinflusst  auch  hierbei  die  gewonnenen 
Resultate,  welche,  sobald  eine  solche  vermieden  wird,  nur  gering  ausfallen.  Die 
Adductionsfähigkeit  hat,  aber  gleichfalls  blos  bei  Nichtrücksichtnahme  auf  Mit- 
thätigkeit  des  Beckens,  wenig  Noth  gelitten.  Ebenso  lassen  Streckversuche  (nach 
hinten)  Beeinträchtigung  der  Functionirung  in  dieser  Richtung  festsetzen. 

Das  Mädchen  steht  kurze  Zeit  ohne  Unterstützung,  wobei  die  Fusssohle 
auf  dem  Boden  aufruht  und  die  Verkürzung  durch  Flexion  im  gesunden  Knie 
sich  ausgleicht.  Das  Gehen  ist  nur  im  Stützapparate  möglich;  dabei  hinkt 
Patientin  sehr  stark  und  vermag  ohne  Beihülfe  eines  Stockes  blos  wenige 
Schritte  zu  machen. 

Die  Resectionswunde  hatte  sich,  wenn  gleich  zögernd,  bei  Fortsetzung  der 
Behandlung  mit  Lapis  und  Salicylsalbeverband  verkleinert,  so  dass  am  Tage  der 
Entlassung,  den  7.  Dezember,  in  der  Narbe  nur  eine  oberflächhche  Fistel,  eine 
zweite  am  obern  Ende  der  erstem  restirte.  Ausserdem  existirte  noch  der  früher 
erwähnte  Hohlgang  an  der  Hinterseite  des  Darmbeins,  welcher  etwa  5  Gtm.  weit 
hinter  der  Hautdecke  hin,  doch  nicht  auf  entblössten  Knochen  führte. 

Folgende,  ehedem  nicht  vorgenommenen  Messungen  ergaben : 

1.  r. 

Nabel  bis  Mall,  extern 76  Gtm.    78,5  Gtm. 

,.       „       „     intern 74     „        77,5     „ 

Spina  oss.  ilei  ant.  s.  bis  Mall,  extern 68     „        72,5     „ 

Die  Functionsprüfungen  zeigten  gegen  den  frühern  grössere  Beeinträchtigung 
der  Beweglichkeit:  Active  Flexion  bis  115°,  passive  —  ohne  Betheiligung  des 
Beckens  —  nahezu  90°;  Rotation  activ  nicht  möglich,  passiv  nur  mit  Theilnahme 
des  Beckens. 


Fall  31. 

Caroline  Strittmatter,  14  Jahre  alt,  von  Bergelingen,  stand  in 
ihrem  achten  Lebensjahre  wegen  Drüsenschwellungen  im  Unterleibe  in  Behand- 
lung eines  Arztes,  der  Leberthran  und  Soolbäder  ordinirte. 

Im  Herbste  1875  wurde  das  linke  Hüftgelenk  spontan  empfindlich ,  was 
die  Gebrauchsfähigkeit  des  fraglichen  Beins  derart  beschränkte,  dass  Patientin 
beim  Gehen  eines  Stockes  bedurfte  und  jede  grössere  Anstrengung  gänzhch  ver- 
mied. Nach  und  nach  strahlten  die  Schmerzen  an  die  Innenseite  des  Femur, 
bis   zum  Knie  herab ,   aus.     Mitte  April  1876   entwickelte   sich   eine  Geschwulst 


308  Dr.  W.  stark. 

an  der  Aussenfläche  des  linken  Oberschenkels ,  die  stetig  wuchs.  Schon  vorher 
war  die  Extremität  nach  innen  rotirt  und  gebeugt.  Trotzdem  von  nun  an  das 
betreffende  Glied  besonders  der  Schmerzen  halber  völlig  functionsuntüchtig  ge- 
worden, vermochte  das  Mädchen  doch,  sich  mittelst  Krücke  und  Stock  fortzu- 
bewegen. Eine  Beeinträchtigung  des  Allgemeinbefindens  hatte  dieses  Localleiden 
nicht  zur  Folge.  Der  Anfangs  Juni  herbeigerufene  Arzt  diagnosticirte  linksseitige 
Hüftgelenksluxation ,  und  Patientin  wurde  den  27.  Juni  1876  in's  hiesige  Spital 
verbracht.  Sie  war  gut  genährt.  Bei  möghchst  gerader  Rückenlage  stand  die 
linke  Spina  3  Ctm. ,  die  linke  Ferse  5,5  höher  als  die  rechte.  Der  Adductions- 
winkel  umfasste  SO**,  die  Flexion  25°,  Rotation  60".  Die  Haut  über  dem  grossen, 
üuctuirenden  Tumor,  welcher  3  Ctm.  unter  der  Crista  ilei  anfing  und  bis  zur 
Oberschenkelmitte  reichte,  erschien  geröthet  und  gespannt.  Der  Umfang  des 
Oberschenkels  dicht  unter  der  Leistenfalte  mass  hnks  39,  rechts  36,5  Ctm.;  die 
grösste  Länge  der  Geschwulst  betrug  27  Ctm.  Auf  sofortige  Spaltung  des  Ab- 
scesses  unter  Carbolspray  Mef  viel  geruchloser  Eiter  heraus.  Drainröhre,  Lister'- 
scher  Verband  und  Salicyljute  leitete  die  fernere  örtliche  Behandlung  ein.  Am 
30.  Juni  wurde  ein  Heftpflasterextensionsverband  angelegt  (1,5  später  2,5  Kilo). 
Das  Secret  trat  reichlich  hervor,  roch  schlecht.  Die  Wunde  wies  (5.  Juli)  crou- 
pösen  Belag  auf.  Fieber  bestand  seit  2.  Juli  und  erreichte  am  6.  Juli  die  Höhe 
von  39,8.  Diese  Erscheinungen  complicirten  noch  Herpeseruption  am  linken 
Mundwinkel  und  Wange ,  Carboleczem  in  der  primär  afficirten  Gegend ,  dess- 
gleichen  Carbolurin  und  weitere  Carbolintoxicationserscheinungen  (Kopfschmerz, 
Erbrechen).  Man  verordnete  desshalb  sowohl  innerlich  als  äusserlich  ausschliess- 
hch  Salicylpräparate  und  wendete  aus  demselben  Grunde  hei  der  am  10.  Juli 
vorgenommenen,  subperiostalen  Resection  den  Salicylspray  an.  Ein  Schnitt  über 
dem  Trochanter  verschaffte  Zugang  zu  dem  nach  aussen  und  oben  abgewichenen 
Schenkelkopfe,  der  dort  in  einer  zwar  neugebildeten,  aber  ebenso  wie  die  alte 
mit  Granulationen  durchwucherten  und  cariösen  Pfanne  articulirte.  Wegen 
Erweichung  des  Caput,  Trochanter  und  obern  Femur-Theils  mussten  etwa  2  Ctm. 
von  letzterm  mit  abgesägt  werden.  Das  excidirte  Stück  in  tote  belief  sich  auf 
5  Ctm.  Die  Schnittfläche  stieg  von  aussen  und  unten  nach  innen  und  oben. 
Am  Caput  femoris  fehlte  der  Knorpel  der  Vorderregion;  der  übrige  hatte  eine 
lockere  Consistenz.  Das  Knochengewebe  der  Rückseite  des  Kopfes  und  Halses 
erwies  sich  morsch;  ebenso  am  Trochant.  major.  Das  Collum  zeigte  die  hintere 
Rindenschicht  theilweise  zerstört.  Das  Knochenmark  war  weich  und  granu- 
lirend.  Ausserdem  fanden  sich  3  Abscesse;  einer  in  der  Tiefe  des  Gelenks,  ein 
zweiter  oberhalb,  der  dritte  unterhalb  des  Glutaeus,  von  welchen  letzterer  die 
Haut  weit  abwärts  unterminirte.  Diese  Eiterhöhlen  wurden  ausgekratzt,  drei 
Drainröhren  durchgezogen,  eine  Ligatur  angelegt. 

Collapszustand  am  Abend  der  Operation  verbunden  mit  heftigem  Er- 
brechen (trotz  Champagner  und  Eispillen)  drückte  die  Temperatur  auf  36,5°  herab. 
Die  Körperwärme  erhob  sich  am  folgenden  Tage  wieder  bis  zu  39°  und  ge- 
staltete sich  nach  einer  Woche  schon  normal.  Dem  entsprechend  besserte  sich 
das  subjective  Befinden  bereits  am  11.  Juh.  Der  Carbolurin  verschwand.  Die 
Wunde  sah  gut  aus  und  secernirte  massig  Eiter,  wesshalb  die  Drainagen  bald 
(16.  Juli)  entfernt  werden  konnten.  Eine  fehlerhafte  Stellung  des  Beins  (am 
15.  Juli)  glich  sich  nach  Anlegung  einer  Heftpflasterextension  sofort  aus.  Am 
8.  September  war  der  Benarbungsprozess,  dem  man  nur  zweimal  (10.  u.  17.  Au- 
gust) mit  Lapis   nachhalf,    vollendet.     Bereits    am  20.  August  hatten  die  ersten 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     309 

passiven  Bewegungsversuche  Statt  gehabt.  Den  20.  September  brachen  neben 
der  ursprüngHchen  Wunde  2  kleine  Abscesse  auf,  deren  fistulöse  Oeffnungen 
mehrmals  mit  Höllenstein  geätzt  wurden. 

Eine  Prüfung  des    vorläufig  errungenen   Resultates   am  20.  October  1876 

ergab : 

Die  sehr  gesund  aussehende  Resecü-te  weiss  auf  Befragen  über  Nichts  zu 
klagen.  Die  in  der  Richtung  des  Femur  verlaufende  Narbe  ist  8  Gtm.  lang,  ge- 
röthet,  selbst  bei  Druck  nicht  schmerzhaft.  2^2  Gtm.  hinter  derselben  mündet 
ein  Fistelgang,  der  spärüch  eitert,  doch  nicht  bis  auf  denudirten  Knochen  führt. 
Regeneration  der  entfernten  Theile  hat  bis  zur  Zeit  nicht  reichlich  stattgefunden. 

1.  r. 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Trochanterhöhe     .     45  Gtm.  45  Gtm. 

„        der  Oberschenkelmitte 36     „     38  V2  „ 

„   Wade 23'/2„     23V2  „ 

1.  r, 

Länge  von  Spina  a.  s.  —  Cond.  int 36  Gtm.   40  Gtm. 

„     Gond.  int.  —  Mall,  int 31     „       32     „ 

„     Spina  a.  s.  —  Mall,  int 67     „      72     „     Diff.  5 

„    Troch.  —  Gond.  ext 28     „       36     „ 

",        „     Gond.  ext.  -  Mall,  ext 32     „       32     „ 

„     Troch.  —  Mall,  ext 60     „      68     „     Diff.  8 

'[        „     Nabel  bis  Gond.  int 37     „      42     „ 

„       „     Mall,  int 70     „      75     „     Diff.  5 

„        „     Spina  a.  s.  —  Gond.  ext 35     „      40     „ 

„       „    „  —  Mall,  ext 69     „       75     „ 

„       des  Fusses 20     „      21     „ 

Active  Flexion  bis  zum  Winkel  von  110°  (ohne  Beckenmitbewegung). 
Schmerz  und  Spannung  im  Knie,  das  activ  bis  105",  passiv  bis  85»  ge- 
beugt werden  kann,  verwehren  stärkere  passive  Versuche  in  dieser  Richtung. 
Rotationsbewegungen  sind  beschränkt,  an  ausgiebigeren  nimmt  das  Becken  Theil; 
passive  schmerzend  Auch  Ab-  und  Adduction  werden  in  geringerem  Maasse  selbst- 
ständig, in  grösserem  mit  Zuhülfenahme  des  Beckens  (ebenso  bei  passiven) 
ausgeführt.  Bei  Streckversuchen  (activen  und  passiven)  hindert  die  Klage  über 
Spannung  im  Knie  weitere  Excursionen. 

Stehen  ohne  Stütze  ist  möglich  (auf  Augenblicke),  indem  die  Verkürzung 
(8  Gtm.)  durch  Spitzfussstellung  ausgeglichen  wird.  Sie  geht  nur  an  der  Krücke 
und  hinkt  sehr.    Beckensenkung  kann  man  nicht  nachweisen. 

Den  29.  October  ging  Patientin  zum  ersten  Male  mit  der  Maschine  herum. 
Am  1.  Dezember  öffnete  sich  der  unterste  Hohlgang,  welcher  einige  Zeit  hindurch 
geschlossen  war,  abermals.  Er  gestattete  der  Sonde  ein  Eindringen  bis  zu  5  Gtm. 
schräg  nach  innen  und  oben,  ohne  auf  Knochen  zu  führen.  Der  noch  bestehende 
obere  Fistelgang  führt  4  Gtm.  direct  nach  einwärts ,  gleichfalls  nicht  bis  auf 
Knochen.  Ersterer  verklebte  wieder  am  19,  Dezember,  nachdem  man  Ruhe  und 
Lapisätzungen  verordnet  hatte.  Doch  am  10.  Januar  1877  erfolgte  neuerdings 
ein  Durchbruch  desselben  nebst  etwas  Eitersecretion.  Vorübergehend  Heft- 
pflasterextension.  Dieser  Zustand,  der  jedoch  das  Allgemeinbefinden  keineswegs 
beeinträchtigte,  blieb  sich  bis  ziu-  Entlassung  (3.  Februar  1877)  ziemhch  gleich. 
Die  Beweglichkeit  war  geringer  wie  früher: 
Active  Erhebung  des  gestreckt  gehaltenen  linken  Beins  nicht  möglich,  des 


310  Dr.  W.  Stark. 

Beins  bei  gebogenem  Knie  bis  zu  30",  passiv  bis  80°.  —  Rotation  activ  ohne 
Betheiligung  des  Beckens  nahezu  in  der  Ausdehnung  eines  recliten  Winkels.  — 
Adduction  und  Abduction  nur  in  geringem  Maasse.  Das  hnke  Bein  etwas  in 
Adductionsstellung.  Unter  Beihülfe  von  Krücke  und  Stock  geht  Patientin  mit 
der  Maschine. 

Fall  32. 

Otto  Pröttel,  9  Jahre  alt,  aus  Waghäusel,  begann  in  seinem  5.  Lebens- 
jahre über  Schmerzen  im  rechten  Knie  zu  klagen.  Die  Beschwerden  stiegen; 
er  fing  an  zu  hinken  und  musste  schhesslich  Krücken  zu  Hülfe  nehmen,  nach- 
dem sich  exquisite  Adduction  s-  und  Flexionsstellung,  welche  seit  2  Jahren  selbst 
gewaltsam  nicht  mehr  corrigirt  werden  konnte ,  ausgebildet  hatte.  Vor  Jahres- 
frist trat  deutlich  eine  wachsende  Anschwellung  der  betreffenden  Hüftgegend  zu 
Tage,  wurde  weich,  wölbte  sich  am  Trochanter  mehr  und  mehr  hervor,  brach 
Anfangs  Juli  1876  auf  und  entleerte  massenhaft  Eiter.  Dieser  Vorgang  verlief 
vollständig  schmerzlos  und  unter  so  geringer  Affection  des  Allgemeinbefindens, 
dass  Patient  bis  zu  seiner  Aufnahme,  welche  am  19.  Juli  1873  erfolgte,  mit 
Krücken  herumhumpelte. 

Man  constatirte  eine  Flexion  des  Hüftgelenks  von  80°,  Adduction  von  50°, 
Einwärtsrotation  von  etwa  20°.  Die  rechte  Ferse  stand,  wenn  beim  Aufsitzen 
der  Oberschenkel  auf  der  horizontalen  Unterlage  auflag,  11  Ctm.  über  der  linken. 
Beim  Stehen  blieb  der  Fuss  der  kranken  Extremität  beinahe  in  der  Höhe  des 
Kniees  der  gesunden  Seite. 
Das  Mass  von 

r.  1. 

der  Spitze  des  Trochanter  —  Condyl.  ext.  betrug  .     34,5  Ctm.  35,5  Ctm. 

Condyl.  ext.  —  Malleol.  ext 28       „       29       „ 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Mitte     ....     26       „       33       „ 

Grösstem  Wadenumfang 20*/2  „       25       „ 

Die  rechte  Trochanterspitze  befand  sich  in  der  Nelat on'schen  Linie. 
Active  Beweglichkeit  existirte  nicht ,  passive  in  geringem  Grade ;  bei  grösserer 
bewegte  sich  das  Becken  mit.  Weil  man  am  25.  Juli  nach  Dilatation  der  be- 
stehenden Fistelöffnung  mit  dem  Finger  eine  rauhe  Stelle  des  Schenkelkopfes  zu 
betasten  vermochte,  eine  gewaltsame  Streckung  überdies  bei  vorhandener  Fistel 
gefährhch  erschien,  wurde  unter  Lister's  Desinfectionsmassregeln  mittelst  des 
V.  Lange nbeck'schen  Schnittes  der  Zugang  zum  Kopfe  und  Trochanter  ermög- 
licht und  beide  —  letzterer  erst  dann,  als  er  die  völlige  Geradrichtung  ver- 
hinderte —  resecirt.  Drei  Unterbindungen,  6  Nähte  und  Drainage  waren  er- 
forderlich. Ein  Heftpflasterextensionsverband  (5  Pfund)  folgte.  Der  Gelenkkopf 
des  Präparates,  welch  letzteres  aus  2  Stücken  bestand  und  5'/4  Ctm.  lang  war,  hatte 
seinen  Knorpelüberzug  eingebüsst  und  präsentirte  so  hüllenlos  seine  theils  durch 
regressive  (Vertiefungen  besonders  an  der  Hinterseite),  theils  durch  progressive 
(Erhabenheiten)  pathologische  Vorgänge  bedingte  Missstaltung.  Die  übrigen 
Parthien  erwiesen  sich  hart  und  gesund.  Die  vor  der  Operation  normale  Tem- 
peratur stieg  am  zweiten  Tage  nach  derselben  und  erreichte  alsdann  die  Höhe 
von  39°,  in  deren  Nähe  sie  einige  Zeit  Abends  verbheb,  während  morgenthche 
Remissionen  bis  zur  Norm  erfolgten.  Die  Nähte  blieben  theils  2,  theils  4  Tage 
liegen.     Dem  subjectiv  ausgezeichneten  Zustande   entsprach  vollkommen  der  ob- 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     311 

jective  Befund.  Der  Fuss  stellte  sich  rasch  besser.  Trotzdem  der  Resecirte  die 
Extension  Anfangs  schlecht  ertrug,  konnte  doch  schon  am  zweiten  Tage  eine 
Gontraextension  von  3  Pfund  auf  der  gesunden  Seite  angebracht,  die  Extensions- 
last  vermehrt  werden  (allmählig  um  3  Pfund).  Die  Wunden  eiterten  massig. 
Am  6.  VIII.  war  noch  eine  Incision  nöthig,  jedoch  vom  30.  d.M.  an  das  Einlegen 
von  Drainageröhren  überflüssig.  Aetzungen  —  seit  15.  September  —  sollten  den 
Heilverlauf  noch  beschleunigen.  Etwas  Decubitus  am  Knie  und  Fussgelenke 
nöthigten  vorübergehend  zur  Abnahme  des  Heftpflasterverbandes.  AUmähhg 
ging  das  Fieber  zurück,  exacerbirte  aber  nochmals  Anfangs  Oetober  und  November. 
Status  vom  11.  November  1876: 

Die  Heftpflasterextension  ist  seit  etwa  3  Wochen  ausgesetzt.  Das  Fieber 
hat  sich  fast  völlig  verloren.  Der  Appetit  soll  gut,  Schmerz  gänzlich  verschwun- 
den sein.  Ausser  der  Resectionsnarbe  befindet  sich  eine  etwa  6  Ctm.  lange, 
gleichfalls  geröthete  an  der  Vorderfläche  des  Oberschenkels.  Beide  haben  (erstere 
in  der  Mitte,  letztere  am  obern  Ende)  noch  Mündungen  eiternder  Hohlgänge,  die 
jedoch  nur  massig  secerniren.  Durch  die  der  erstem  kommt  man  7^2 ,  durch 
den  der  letztern  7  Ctm.  in  die  Tiefe  nach  dem  Gelenk  zu,  aber  nicht  auf  Knochen. 
Am  20.  Dezember  trat  Patient  aus,  nachdem  er  einen  Stützapparat  er- 
halten und  in  demselben  zum  Gehen  sich  eingeübt  hatte.  Die  Fisteln  der  Re- 
sections-  und  Incisionsnarbe  secernirten  noch  etwas. 

r.  1. 

Länge  von  Spina  a.  s.  —  Cond.  int 35  Ctm,  38  Gtm. 

„    Gond.  int.  —  Mall,  int 28     „     29     „ 

„        „     Spina  a.  s.  —  Mall,  int 63     „      67     „ 

„        „     Troch.  —  Gond.  ext 27     „      30     „ 

„        „     Gond.  ext.  —  Mall,  ext 29     „     32     „ 

„         „     Troch.  —  Mall,  ext 56     „      62     „ 

Umfang  d.  Oberschenkels  in  der  Trochantergegend     34    „      38     „ 
„     „    Mitte       ....     25     „      32     „ 

„        „  Kniegelenks       26     „      28     „ 

„        der  Wade 19     „      21     „ 

„      des  Fussgelenks  (Fussbeuge  bis  Fersenrand)    23 ','2,,      25     „ 
Länge  des  Fusses  (Spitze  d.  Hallux  bis  Fersenrand)     21     ,,      22     „ 
Durchmesser  des  Kniees  zwischen  d.  Gondylen     .       7     „       772,, 
„  „         „       von  vorn  nach  hinten    .       6^2  „       7Y2  „ 

Rechte  Spina  a.  s.  steht  ungefähr  2  Gtm.  höher  als  linke. 
Funclionsprüfung : 

Active  Flexion  des  Oberschenkels  bis  123°,  passiv  bis  76°.  Beugung  im 
Knie  bis  98°;  passiv  wegen  Spannung  nicht  weiter.  Erhebung  des  gestreckten 
Beins  ist  selbstständig  nicht  möglich.  Ab-  und  Adduction  werden  nur  mit  grosser 
Mühe  und  unvollkommen  ausgeführt.  Besonders  sind  letztere  kaum  merklich 
activ  zu  erzielen.  Rotationen  nach  aussen  und  innen  bis  zur  Norm ,  ebenso 
Streckung  des  Beins  nach  hinten. 

Bei  allen  diesen  Versuchen ,  sowohl  activen  als  (hauptsächlich)  passiven, 
bewegt  sich  das  Becken  mit.  Ohne  Beihülfe  desselben  resp.  der  Wirbelsäule 
lassen  sich  selbst  passiv  nur  kleine  Excursionen  (jedoch  nach  allen  Richtungen) 
des  in  einer  Winkelstellung  von  130°  zum  Rumpfe  befindüchen  Oberschenkels 
erzielen. 


312  Dr.  W.  Stark. 

Patient  kann  frei  auf  beiden  Füssen  stehen,  wobei  die  Verkürzung  durch 
Beugung  im  linken  Knie  ausgeglichen  wird.  Gewährt  man  dem  Kranken  Unter- 
stützung, so  ist  er  bereits  im  Stande,  Schritte  zu  machen. 

Der  Kranke  stellte  sich  im  Mai  1877  in  Heidelberg  ein.  Er  kann  mit 
Stock  ausdauernd  gehen.  Eine  Fistel  eitert  noch  immer  ein  wenig.  Die  Sonde 
stösst  jedoch  nirgends  auf  Knochen. 

Im  Juli  1877  musste  nochmals  ein  Abscess  geöffnet  werden.  Die  Wunde 
schloss  sich  rasch,  als  etwa  4  Wochen  später  ein  neuer  Abscess  in  der  Gegend 
des  rechten  Sitzknorrens  aufgebrochen  war.  An  dieser  Stelle  war  am  6.  Januar 
1878,  wo  sich  der  Kranke  zuletzt  vorstellte,  noch  eine  wenig  secernirende  Fistel 
vorhanden.  Alle  sonstigen  Wunden  waren  vernarbt.  Der  Kranke  sah  blühend 
aus  und  hatte  seine  Maschine  abgelegt,  da  sie  zerbrochen  war.  Mit  einfachem 
Stock  und  um  3  Ctm.  erhöhtem  Absatz  kann  er,  ohne  sehr  zu  ermüden,  eine 
Stunde  weit  gehen.  Der  Oberschenkel  steht  etwa  bis  125°  gebeugt.  Rotation, 
Ah-  und  Adduction,  active  und  passive  Flexion  sind  in  5— lö**  ohne  Mitbewegung 
des  Beckens  möglich.  Werden  in  horizontaler  Lage  beide  Oberschenkel  parallel 
nebeneinander  gelegt,  so  entsteht  eine  starke  Lordose  der  Lendenwirbelsäule  und 
die  rechte  Ferse  steht  5^2  Ctm.  höher  als  die  hnke. 

r.  1. 

Umfang  d.  Oberschenkels  in  der  Trochantergegend  34^/2  Ctm.  41  Ctm. 
„        der  Wade 2372     „      28      „ 

Länge  von  Spina  a.  s.  —  Mall,  ext 66        „      71^2  „ 

„      vom  unteren  Patellarrand  —  Mall.  ext.    .31         „      33      „ 

Der  Umfang  und  die  Länge  haben  somit,  soweit  sich  aus  den  verschiedenen 
Distanzen  schliessen  lässt,  zugenommen,  jedoch  scheinen  die  Differenzen  zu 
Ungunsten  des  resecirten  Beines  zu  wachsen. 


Die    in    diesen   Krankengeschichten   enthaltenen   Daten   lassen 
sich  in  nachstehender  Weise  rubriciren: 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     313 


B 

a 

3 

^laAi  apning 
aoia  uiqt  ?im  'naqa;ä 
:iD0}g  auqo  uubaj 

uoqiasuapauqo 
■»qom    qDopaC 
'lao^stiuisaoAV 
Udpun^g  f  iqao 

■aoqaS   inS 
sa   HOB    9i8l 
jammog  uioa 
■jqouaa  qo«N 

s3ioo?s  sauia 
»JinH'oi^qoBBW 
p  ui  jnn  uaqaf) 
:  qouaooi  azinig 
auqo  a-oijqDg 
pun  naqais 
3aua3  'a    o 
•mJouiBsj'a'oi 

31001g   1IUI 

IBJBddBz^nig 
Uli  Jnu  uoqao 

pun  azinös 
auqo    uaqatg 

ananjx  isqan 
auiqDSBKpui 
u.)qag  ;  azimg 
auqo    uaqa-^g 

3un2}(HSJ3inn  laq 
alliiqosiqOEOi  1  qoil 
-aoui  uaqajg  saiaj,} 

in'O 

■jHUBJqosaq 

BBAV^a 

3nua3  'a  'O 

auuaa  'a  -o 

äuuaa  -g  'o 
IBouan  'g  -m 

1 

"1 

t^lUBjqosDq  . 

■=^=.-._^^, 

SaijaS  'a  °o 
■tajoaiBBj-a'ai 

aauaS  'a  '0 

"Suijal  -g  '0 
'mjoa  ^sBj  "a  'UI 

anuaa  'a  'o 

Snuaa  g  -o 

auuaa  -g  'o 
IBUMOU  -g  in 

Ab- 
duction 

M 

o'S 

aniJaS    a  'o 
■injoai6B;a^"' 

3UM93 

g'S 

anuaS    a  '0 

•niJomsBj -a 'ui 

auuaa  -g    o 
•raJoaiBBj  a'"' 

3uuaa  -g  'o 

auuaa 

a 

1 

aa 

Snijaa  -g  'o 
■uijon  IBBJ'a"«! 

anuaS  'a  '0 
IBUiJoa  attm 

auuaa  -g'o 

auuaa 

§■2 

Bg 

auijas  'a  0 
•rajomsBj  a'"" 

aauaa  -g    o 
IBOiJou  -giiin 
~*3u!Ja3    a    o 
■^^ij'qosaqa'm 

3nu93  a  '0 
anija3'a  0 

aauaS 

Exten- 
sion 

S(S 

auuaa  a  ■<> 

•injon  ^sBj  a  i" 

auuaa  -g  -0 
lEiujon  'a  '01 

-C5 

auiaaS  -a  -0 

WJOU  'JSB|  'a  *IU 

auijaS  -g  -0 
•IHJqosaq  'a  'oi 

auuaa  -g  -0 

3mja3  'a  "o 
IBOuoa  stq  'a  'Ul 

e 

'S 

« 

.re'p 

o>5 

i'H 

anijsa  -a  'o 
•Ja  in  '3  i™ 

p«Jt)ura-'« 

p«a  oit  'a  ■<) 

anuaa  'a  "o 
pBJo  9i  'a  Ul 

1 

§■2 

§'"' 

3aiJa3  -g  -o 

■JO  iii  ■a  1!«« 

p«jasxra"o 

p«jooti  "a  ■<> 

3uua3  -g  -o 
P«£)  EZI    a  -m 

suiagsapSunq 
-aqaa  aAiioy 

5 'S 

a 

o 

aniaJi 

ap^iv  Jap 
3ni!jnifl  •;  jjiq 

B[a3iaaqosiaqo 
sap  SnEjiUfi 
rai    zuajajjiQ 

■"-ä 

«ü 

-1 

- 

•uioit :  puaSaS 

-.lajUEqDOJI 

■mos  :ai}!M 
•rao  f  :pnaaa3 
-ja^uBqooJj, 

■mos  '-^VWVi 
0  :  pnaBaa 
-jajnBqaoJX 

■niot/iS  :aMiH 
0  :  pnaaaa 
-ja^uBqaoJjt 

■tnot 
:  pua3a3ja}UBqooJj 

■■»11  'II^K  siq 
laqsjj  A  aSuBT 

S'18  :  J  'S'08  :  I 
•0  i  •%^\  n  siq  CQ  :  J 
'it:Tra0  5"!Pnoo*q 

0-3    Kg 

gS?|3|SS 

A-gi;£ 

l:^s;;s 

5S^'s--s 

|-§hS 

a  ..o-'-oo 

CO 

Sumn 
Diff 
von 

Sp.a. 

s.bis 
Mall, 
lint. 

bis 
Mall, 
ext. 
6  Cm. 

1: 
73,25 

79,20 

1-^"^" 

ä .  „-..,„ 

o  «  o  u  s 

•?S3  iiehi  stq 
■■(xa  -pnoo  aoA 
aäUETp-i-^ia 

1"""^^ 

II     -S    Hg 

lU-si:5 

11^.-.-^ 

|hs-s 

■^xa  -pnoo 
siq  -qoojj,  UOA 
aSusi  pTBia 

C?    .^  ^  h  CO 

|3--si,-S 

i-iü^ 

S  .00- •■«= 
0-.S  Hm 

lH5.:;g 

■?°!  II^K  stq 
•}U!  -pnoo  noA 
aäuB-ip-;  jig 

^ 

o„-SL-S 

o  j.;  g"  ^  g 

0«S    HM 

o  hS  — s 

Diff.  in  der 
Länge  von 
Spin.  a.  s, 

bis    I    bis 
Cond.  Cond. 
int.  1   ext. 

t^'-'^ 

1-"^° 

l-iL-g 

l;.-gHS 

•* 

e  .-,„-.■00 

0-.TO  '<m 

paB}sua3[08a 

San][iias 
autax 

siqoaj  si«  jaq 

3an5[nag 
aniajj 

aunjiuag 
autaji 

aJIuiIsiBJaqoqraoK 
■dns'jUB  nids  ajqoajj 

Sanqonsjajnfl 
najzjai  jap  jpz 

X2 

?5HS 

S«5 

SV| 

"RS 

SunsBBiina 
jap  jiaz 

maisjä  z  %w^ 
£i8I  'lA  '81 

-    "*    ^ 

9i8I  'lA  '£1 

B 
2  o  .a  aS 

^aaaS 

»loi  i98l  'lA  '9 

nja^Bij  ^iiu 
9i81  'IIX  '1 

uiajsij  ?ini 
iI8I  'II  '£ 

nia^sij  (iini 
9i8l  'IIX  "OZ 

Compli- 

cationen 

des 

Heilverlaufs 

Diarrhöen. 

7,  XIL 

Necrosen- 

extraction. 

Abscedirung, 

Decubitus 

Erysipel  nach 
d.  Operation  bis 
7,  III.  -  Im  Mai 
Leistendrüsen- 
schwellung. - 
AViederaufbr. 
der  Wunde 

Baldige 

Erholung  und 

rasche 

Besserung 

Schwellungen 
der  Wunde  (12, 
VI  u.  10,  VIII.) 
Seit  30,  IX.  Um- 
hergehen mit 
Stützapparate 

8,  IX,  Benar- 
bung  vollendet; 
doch    Wieder- 
aufbruch am 
20,  IX.  1,  XII, 
10,  I,  1877 

Vorübergehen- 
der Druck, 
Decubitus    im 
Knie  u.  Fussge- 
lenke.  Fieber- 
exacerbation 
Anfangs.  Oct.u. 
Nov.{6,VIII,In. 
cisiou) 

Unmit- 
telbarer 

Effect 
der 
Ope- 
ration 

Fieber- 
stieg ; 
doch  anti- 
phlogisti- 
scher 
Effect 

Kein  anti- 
febriler 
oder  anti- 
phlogisti- 
scher 
Effect 

Keine    an- 
tifebrile 
Wirkung 

aber 
antiphlo- 
gistische. 

Kein  anti- 
febriler 
aber  anti- 
phlogisti- 
scher 
Effect, 

Collaps  ; 
ein   Tag 
nachher 
wieder 
Fieber 

H 

'S 

■e  B 
a  g 

bD  cn  j3 

j      .a- 

3  .- 

g  a 

i 

ii'a 
■S  ja 

r 

CO 

1 

a  S> 

S 
o 

fe  a 

II 
a  gl 

a£g 
III 
11^ 

2- 

•1- 
1" 

la 

ä  o 

Sä 

ä'a 
t5.a 

11 

S   B 

S-a 
»1 

B 

41  ■ 

noijoasaa  p-n 
sniJ^uia'PlPZ 

»ag  1  "HS 

1, 

VIII 
1872 
27, 
II. 
1873 

S^5 

-«ih'Ss 

«->■-£ 

sVi 

sps 

''PS 

SO£ 

S?5 

ja^iv 

S 

i-< 

t- 

o. 

S 

^ 

Ol 

a 

S 

'^  i 

2  B 

3  2 

s  ■^ 

■§3 
■gft. 

i 

M 

1 

•-9 

1 

CS  ^ 

CO 

4a  ♦a 

a* 

3 

O 

314  Dr.  W.  Stark. 

Bei  diesen  7  Resecirten  machte  sich  also  kein  antipyre- 
tischer Effect  unmittelbar  nach  der  Operation  geltend,  indem 
No.  26,  27,  28,  30  fortfieberten,  bei  29  und  31  Collaps  erfolgte  und 
32  erst  nach  der  Excision  Temperaturerhöhung  zeigte.  Eine  anti- 
phlogistische Wirkung  trat  in  3  Fällen  (26,  28,  30)  hervor. 

Den  Heilverlauf  complicirten  local  2mal  (No.  26  und  28)  Garies 
oder  Nekrose,  2mal  (26  und  32)  Abscedirungen  und  Decubitus^ 
imal  (27,  28,  30,  31)  Recrudescenzen  der  Entzündung  oder  Wieder- 
aufbruch der  Narben. 

Allgemeinere  Gomplicationen  bildeten  bei  No.  26  Diarrhöen, 
bei  No.  27  Erysipel. 

Fall  29  allein  hatte  keine  bemerkensw^erthe  Störung  des  Repa- 
rationsprozesses aufzuweisen. 

Bios  2  Beispiele  (27  und  29)  kann  man  als  geheilt,  den  Erfolg 
jedoch  noch  nicht  als  »definitiv«  bezeichnen,  da  bei  beiden  kurz 
vor  der  letzten  Untersuchung  erst  ein  bis  zu  dieser  Frist  dauernder 
Wundverschluss  sich  einstellte.  Bei  No.  27  waren  bereits  3  Jahre 
und  8  Monate,  bei  No,  29  1  Jahr  seit  der  Resection  verflossen.  Die 
übrigen  Patienten  laboriren  noch  an  Fisteln,  welche  zeitweise  wieder 
durchbrechen  oder  bis  jetzt  permanent  blieben.  Bei  Fall  26  beträgt 
der  Zeitintervall  zwischen  Excision  und  jüngster  Untersuchung  4 
Jahre;  No.  28  wurde  1  Jahr,  No.  30  6V2  Monate,  No.  31  7  Monate, 
Nr.  32  5  Monate  nach  der  Operation  entlassen. 

Von  den  6  Resecirten,  die  einstweilen  untersucht  werden 
konnten,  präsentirte  sich  blos  No.  27  schon  früher  einmal  zu  dem- 
selben Zwecke,  wesshalb  nur  bei  ihm  einigermassen  eine  Gontrole 
über  den  Fortgang  des  Wachsthums  und  der  Function  besteht. 

Beifolgende  Tabelle  lehrt,  dass  die  ungleiche  Beckenstellung 
binnen  1^4  Jahr  verschwand. 

Die  Längendifferenz  zwischen  Spina  ant.  sup.  und  Malleol.  ext. 
jeder  Seite  steigerte  sich  um  2,5  Gtm.,  der  Unterschied  in  der  Distanz 
von  Gond.  ext.  bis  Mall.  ext.  nahm  um  3^2  Gtm.  zu.  Diese  Zunahme 
reducirte  sich  aber  bei  der  Messung  jeweils  des  ganzen  Beins  vom 
Trochanter  an  scheinbar  auf  0,5  Gtm.,  da  ehedem  (VII,  75) 
die  linke  Extremität  bei  Mensuration  von  Trochanter  bis  Gond.  ext. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     31 5 

1  CLm.  kürzer  war  als  die  rechte,  jüngst  (17,  X,  76)  jedoch  der  frag- 
liche Abstand  an  der  afficirten  Seite  ein  Mehrmaass  von  2  Ctm.  auf- 
wies, ein  Resultat,  das  unzweifelhaft  durch  Wucherung  des  neuen 
Rollhügels  vorwiegend  in  der  Längsrichtung  zu  Stande  kam. 

No.  27.     Haberstroh. 


c 

cE-i  * 

> 

> 
ll 

ll 

> 
.2  5,      Rotation 

s  0 

Becken- 
stand 

gpS 

«  0  = 
S  >•  0 

tt^ 

%n 

■«^ 

'^% 

gl 

»'S 

2-Ö 

activ 

'S  t. 

B 

||,3 

^  St   .  i  ?g  cl).=s 

2^ 

X^ 

&:.>; 

•5  " 

"2  s 

und  passiv 

u 

h^  S 

53- 

Q=1g   Q-'l 

s 

0 

sä 

0 

es 

es 

Linker 

Hüft- 

4,5 

1  Cm 

1,5 

2,5 

Gering. 

bein- 

Cm. 

1  . 

Cm. 

Cm. 

Pronation 

Juli 

rand 

1.: 

38,5. 

1.: 

1.: 

10 

2,7 

bis 

nor- 

nor- 

160» 

etwas  aus- 

1«75 

1,3  Gm. 

76,5. 

34,5. 

73. 

Cm. 

Cm. 

90» 

mal 

mal 

giebiger 

höher 

r.: 

39,5 

r.: 

r. : 

als  Supi- 

als 

81 

36 

75,5 

nation 

rechter 

7  Cm. 

2  Cm. 
z.  Gl. 

1.: 
40. 

5  Cm.  3  Cm. 

163» 

17, 

Beider- 

1.: 

1.: 

1.: 

11 

Cm. 

1 

Cm. 

act. 

Etwas 

X, 

1876 

seits 
gleich 

78. 
r.: 

36. 
r. : 

76. 
r.: 

100» 

177» 

nor- 
mal 

158» 

pas- 

be- 
schränkt 

85 

38 

41 

79 

siv 

Die  Differenz  des  Oberschenkelumfangs  änderte  sich  kaum,  die 
der  Waden  minderte  sich  (um  1,7  Ctm.),  Flexion,  Extension  und 
Abduction  verloren  etwas  an  Ausgiebigkeit,  die  Adduction  blieb  sich 
gleich,  der  Beweglichkeitsgrad  der  Rotation  stieg. 

Im  Allgemeinen  also  wuchs  die  Längendifferenz  *),  ging  zurück 
die  Excursionsfähigkeit. 

Das  Resultat  der  obigen  Uebersicht  lässt  sich  bei  gleichzeitiger 
Berücksichtigung  der  betreffenden  Krankengeschichten  in  folgende 
Sätze  zusammenfassen : 

1)  Die  Differenzen  in  den  Dimensionen  der  fraglichen  Extremi- 


*)  Auch  Hüter  (s.  No.  83)  sagt :  »Die  Verkürzung  wird  nie  ausbleiben 
und  wird,  wenn  man  bei  Kindern  operirt,  noch  durch  das  mangelhafte  Wachs- 
thum  an  dem  oberen  Ende  des  Femur  im  Laufe  der  Jahre  sich  steigern  können.« 


316  Dr-  W.  Stark. 

täten  dürfen  nicht  lediglich  auf  die  Resection  und  deren  etwaigen 
Einfluss  zurückgeführt  werden,  da  man  solche  schon  vor  letzterer 
in  mehreren  Fällen  constatirte:  Von  4  kurz  vor  der  Excision  ge- 
messenen Gliedern  (bei  No.  29,  30,  31,  32)  zeigten  3  gegenüber  den 
gesunden  wirkliche  Verkürzung  (No.  29,  31,  32). 

2)  Die  Grösse  des  eben  erwähnten  Längendeficits  ante  resec- 
tion e  m  stand  in  keinem  Verhältniss  zu  der  Länge  der  Zeit,  welche 
seit  Beginn  der  Erkrankung  verflossen  war.  Denn  Fall  30,  der 
V2  Jahr  nach  dem  Auftreten  seines  Leidens  operirt  wurde,  wies  keine 
Deminution  auf,  bei  No.  31  belief  sich  dieselbe  nach  ^/^  Jahresfrist 
auf  21/2  Gtm.,  bei  No.  32  nach  4  Jahren  bloss  auf  2  Ctm.,  gerade 
wie  bei  No.  29  nach  einem  Jahre. 

Dass  sich  ferner  die  Verkürzung  gleichmässig  auf  Ober-  und 
Unterschenkel  vertheilen  kann,  beweist  Fall  32,  der  an  jedem  je 
1  Gtm.  Mindermass  hatte. 

3)  Der  Umfang  des  afficirten  Beins  zeigte  sich  gleichfalls  schon 
durch  die  Krankheit  reducirt,  wie  die  Daten  über  Fall  30  und 
32  belehren.  Bei  ersterem  betrug  die  Oberschenkeldifferenz  2V2  Gtm., 
bei  letzterem  7  Gtm.,  die  der  Wade  4^2  Gtm. 

4)  Eine  Betrachtung  der  Scala  über  den  Längenunterschied  der 
vorigen  4  Beispiele  nach  der  Resection,  bei  denen  auf  Grund 
früherer  Aufzeichnungen  der  vor  derselben  bereits  vorhandene  sub- 
trahirt,  somit  der  alleinige  Effect  der  Operation  zur  Darstellung 
gebracht  zu  werden  vermag*),  macht  es  wahrscheinlich,  dass  die  Grösse 
des  Zeitintervalls  zwischen  Resection  und  jüngster  Untersuchung  im 
Vereine  mit  der  des  excidirten  Stücks  insofern  in  Beziehung  mit  dem 
Wachsthume  zu  setzen  ist,  als  letzteres  an  dem  operirten  Beine 
um  so  beeinträchtigter  erscheint,  je  länger  das  Resectionspräparat 
und  je  kürzer**)  die  angegebene  Frist  war. 


No.: 

Differenz: 

Präparat : 

Zeitintervall : 

30 

4 

6 

6*/2  Monat 

31 

2V2 

5 

7          „ 

32 

2 

51/4 

5 

29  0      ohne  Trochanter     1  Jahr. 

**)  Verallgemeinert   gilt   dies   natürlich    nur  innerhalb   gewisser  Grenzen, 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresektionen.     317 

5)  Die  Differenz  vertheilte  sich  in  allen  Fällen  (abgesehen  von 
der  ante  resectionem)  derart,  dass  sie  entweder  ganz  (bei  No.  29  und 
No.  30  [Spina  a.  s.  bis  Mall.  int.  resp.  Cond.  int.  gerechnet]),  oder 
grösstentheils  (bei  No.  26  =  5  von  7,  bei  No.  27  =  5  von  9,  bei 
No.  31  =  4  von  5,  bei  No.  32  =  3  von  4)  dem  Feraur  zufiel. 

6)  In  4Exempeln  (No.  26,  27,  31,  32)  blieb  auch  die  Fuss- 
länge  der  afficirten  Extremität  hinter  jener  der  andern  Seite  zurück. 
Wieviel  man  davon  der  Zeit  vor  oder  nach  der  Resection  zu- 
schreiben muss,  ist  nicht  zu  ermitteln. 

7)  Den  Längenverhältnissen  der  Schenkel  ähnlich  verhielt  sich 
die  Circumferenz  d.  h.  hier  war  in  einem  Falle  (No.  31)  blos  der 
betreffende  Oberschenkel  abgemagert,  in  den  übrigen  insgesammt  nahm 
in  geringerem  Grade  auch  der  Unterschenkel  an  der  Atrophie  Theil. 

8)  Bei  Allen  fand  sich  in  beschränktem  Maasse  active  Beweg- 
lichkeit im  Gelenke  vor.  Durchgängig  am  besten  restituirt  erschien 
die  Flexion,  besonders  bei  No.  26  und  27. 

9)  In  sämmtlichen  Fällen  war  die  Function  insoweit  con- 
servirt,  als  sie  das  Gehen  in  der  Maschine  nebst  anderweitiger  Un- 
terstützung ohne  Beschwerden  gestattete. 


V.  Resection  des  Kniegelenks. 

Ein  Einblick  in  die  Geschichte  des  allmähligen  Werdens  und 
Wachsens  vorliegender  Resection  lehrt,  dass  sie  lange  nur  ein  küm- 
merliches Dasein  gefristet  hat,  dass  ihre  Existenz  mehr  als  einmal 
durch  gewichtige  Stimmen  angefeindet,  ja  verdammt  wurde  und 
dass  sie  endlich  bis  heute  auf  dem  Kriegsfelde  noch  keine  feste 
Wurzeln   gefasst  hat.     Die   Ansicht  v.   Nussbaums  —   des  »be- 


denn  bei  weiteren  wird  die  bei  der  Schulterresection  (siebe  daselbst  sub.  No.  I) 
gemachte  Reflexion  in  Kraft  treten. 


318  Dr.  W.  Stark. 

sondern  Lobredners  der  Resection«,  wie  ihn  As  che 2^^)  zu  nennen 
beliebt,  —  dass  die  fragliche  Operation  im  Krieg  und  Frieden  un- 
gefährlicher und  in  ihren  schlechtesten  Resultaten  besser  erscheint 
als  die  Amputation,  stimmt  zwar  mit  den  seitherigen  Erfahrungen 
nicht  ganz  überein,  wird  aber  vielleicht  in  nicht  allzu  ferner  Zeit 
von  denselben  eingeholt  und  so  glänzend  bewahrheitet  werden. 

Bis  jetzt  bewährte  sich  dieselbe  erst  in  der  Friedenspraxis  und 
hier  wiederum  allgemein  und  unwiderleglich  blos  im  jugendlichen 
Alter.  Mit  Bezugnahme  darauf  ist  König  2^^)  bereit,  sie  »bei  rich- 
tiger Ausführung  den  besten  Leistungen  der  Chirurgen  auf  operativem 
Gebiete  beizuzählen.«  Sowohl  im  Hinblick  auf  die  bei  zu  weit  ge- 
triebener Conservirung  entstehende  Lebensgefahr  als  auch  rücksicht- 
lich der  mangelhaften  hieraus  resultirenden  functionellen  Erfolge  fühlt 
er  sich  genöthigt,  die  Berechtigung  der  Resection  für  eine  Reihe 
von  Fällen  dieser  Art  zuzugestehen.  Hüter^i^)  dehnt  ihre  Herr- 
schaft auf  die  Knieentzündungen   ohne  Unterschied  des  Alters  aus. 

Schwankend  bleibt  zur  Zeit  deren  Anwendung  im  Kriege. 

Interesse  erregt  das  aus  der  Literatur  ersichtliche  Fortschreiten 
vom  Verwerfen  und  Verzweifeln^^*)  an  dieser  Operation  zu  vagen 
oder  leise  gehegten  Wünschen  und  Hoffnungen  auf  etwaige  Fest- 
setzung derselben  auch  in  diesem  Gebiete,  schliesslich  bis  zur  directen 
Aufmunterung  und  Empfehlung  ihrer  Ausführung  daselbst,  hervor- 
gehend wohl  zum  Theile  aus  der  Unzufriedenheit  mit  allen  im  Felde 
versuchten  Methoden: 

Heine  (1866)^^^)  heisst  »die  Kniegelenks-Schussverletzungen 
den  wunden  Fleck  der  Kriegschirurgie«.     Er  bedauert  desshalb,  die 


2'^)  S.  No.  97.  Er  theilt  die  Meinung  v.  Nussbaum's  mit  bei  einer  Be- 
sprechung der  Arbeit  von  Stabsarzt  Dr.  H  e  i  n  z  e  1 :  »Ueber  die  conservirende 
Behandlung  der  Kniegelenkschüsse,  sowie  über  die  Indicationen  zu  primärer 
Amputation  und  die  Diagnose  der  Knochenverletzungen  bei  penetrirenden  Schuss- 
wunden des  Kniegelenks.«    Deutsche  mihtärärztliche  Zeitung  IV.  6,  S.  305,  1875. 

*^^)  Dr.  König:  »Beiträge  zur  Resection  des  Kniegelenks.«  v.  Langen- 
b  e  c  k's  Archiv  Bd.  IX.  1867. 

2")  S.  No.  83. 

^^*)  Der  officielle  Berichterstatter  aus  dem  Krimmkriege  bezweifelt  die  An- 
wendbarkeit der  Kniegelenkresection  in  der  Kriegsheilkunst.    S.  Hey  fei  der  No.  2. 

2")  S.  No.  164. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     319 

wichtige  Frage  der  Resection  »in  ungewisse  Ferne  gerückt«  zu  sehen, 
kömmt  aber  doch  zu  dem  Schlusssatze:  »Es  verräth  eine  grosse  Ein- 
seitigkeit, wenn  man  vielfach  von  Mihtärärzten  bereits  verwerfende 
Urtheile  über  diese  Operation  aussprechen  hört,  noch  ehe  eine  ge- 
nügende Erprobung  derselben  stattgefunden  hat;  wir  müssen  im 
Gegentheil  die  zuversichtliche  Erwartung  aussprechen,  dass  in 
einem  künftigen  Feldzuge  die  Hoffnung  auf  eine  Entscheidung  auch 
in  dieser  noch  offenen  Frage  nicht  wiederum  werde  getäuscht  wer- 
den.« Aehnlich  hatten  sich  in  demselben  Jahre  Lücke ^icj^  jj^  ^^^^ 
darauf  folgenden  K ö n i g 2 ^ '')  und  schon  vor  ihnen  Stromeyer^^^), 
Senftleben^i^)  Heyfelder ''^2^),  Pirogoff  ^^'),  etc.  geäussert. 

Leider  sollten  jedoch  die  gehegten  Erwartungen  nicht  in  Er- 
füllung gehen,  denn  die  Erfahrungen,  welche  Hüter  ^^2)  aus  dem 
deutsch-französischen   Feldzuge   mit    nach  Hause    nahm,    waren    in 


^^®)  Dr.  A.  Lücke:  »Kriegschirurgische  Aphorismen  aus  dem  zweiten 
schleswig-holstein'schen  Kriege  im  Jahre  1864.«  (1866) :  »So  ist  vor  Allem  be- 
dauerlich ,  dass  bei  den  so  äusserst  günstigen  sanitätlichen  und  so  bequemen 
Verhältnissen  die  Kniegelenkresectionen  so  selten  gemacht  worden  sind  und  meist, 
wo  sie  gemacht  wurden,  unter  solchen  Umständen,  dass  man  weder  für  Resection 
noch  Amputation  eine  günstige  Prognose  stellen  konnte.« 

^^')  S.  No.  212:  »Die  Frage  der  Zulässigkeit  der  Resection  und  Conser- 
vation  bei  den  Schussverletzungen  des  Kniegelenks  ist  durch  die  Erfahrung  bis 
jetzt  noch  nicht  entschieden.« 

^^^)  S.  No.  1:  »Meine  wenigen  Versuche,  die  Erhaltung  des  Gliedes  durch 
vollständige  Durchschneidung  der  Seitenbänder  oder  durch  Resection  zu  erzielen, 
betrafen  Fälle,  in  denen  die  Amputation  den  Umständen  nach  nicht  rathsam  war; 
sie  haben  das  Leben  nicht  gerettet,  aber  in  Betreff  des  örtüchen  Verlaufes  gaben 
sie  Aufmunterung  und  ich  würde  keinen  Anstand  nehmen,  dieselben  wieder  auf- 
zunehmen unter  Verhältnissen,  wo  die  Pyämie  nicht  in  Betracht  gezogen  zu 
werden  braucht.« 

^^')  S.  No.  117:  »Die  Einführung  der  Kniegelenksresection  in  die  Kriegs- 
heilkunde bleibt  eine  Aufgabe  der  Zukunft.« 

^'^'')  S.  No,  2:  »Besonders  wünschenswerth  wäre  es,  könnte  dieselbe  im 
Felde  Eingang  finden,  wofür  E  s  m  a  r  c  h  und  B  i  11  r  0  t  h  unbedingt  sind,  wäh- 
rend Adelmann  die  Möglichkeit  absolut  verwirft.« 

^^')  Pirogoff:  Grundziige  der  allgemeinen  Kriegschirurgie  1864:  »Da  ich 
in  der  Behandlung  der  Schussfracturen  des  Kniegelenks  sowohl  gegen  eine  starke 
Antiphlogose  als  gegen  die  exspectativ  conservirende  Methode  und  Amputation 
ein  grosses  Misstrauen  hege ,  so  muss  ich  mich  nolens  volens  für  die  Resection 
des  Kniegelenks  erklären.«     (Citat  bei  König). 

"2)  S.  No.  83. 


320  Dr.  W.  Stark. 

dieser  Hinsicht  das  getreue  Spiegelbild  dessen,  was  Heine  ^^^)  nach 
dem  schleswig-holsteinischen  Kriege  über  die  Anwendbarkeit  der  Knie- 
resection  gesagt.  Sie  lauten  nämlich:  »Ich  betrachte  die  ganze 
Frage,  in  wie  weit  die  Resection  des  Kniegelenks  bei  der  Therapie 
der  Kniegelenkschusswunden  zulässig  ist,  vorläufig  als  eine  offene 
und,  dass  sie  das  auch  ist,  liegt  in  den  eigenthümlichen  Verhält- 
nissen des  Kriegs  auf  der  einen  und  der  Kniegelenksresection  auf 
der  andern  Seite  begründet.  Mit  Freuden  würde  ich  mich  durch 
die  Erfahrungen  Anderer  belehren -lassen,  dass  die  Resection  des 
Kniegelenks  in  allen  oder  in  vielen  Fällen  von  schweren  Gelenk- 
schüssen die  Amputation  vertreten  darf«.  Ein  solcher  Lehrer  war, 
wie  bereits  erwähnt,  v.  Nussbaum,  der,  sich  stützend  auf  seine 
auf  dem  Schlachtfelde  vorgenommenen  Operationen,  sie  selbst  »unter 
den  schwierigsten  Umständen«  empfiehlt  und  bestreitet,  »dass  die 
Resection  mehr  Pflege  als  die  Amputation  erheische«  ^^*).  Dem  ent- 
gegen befriedigten  auch  diesmal  wieder  (1870/71)  die  Behandlungs- 
resultate der  in  Rede  stehenden  Schusswunden  wohl  die  wenigsten 
der  Kriegschirurgen.  So  findet  —  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen  — 
Billroth ^^5),  dass  »bei  den  Knieschüssen  wie  bei  den  Hüftgelenk- 
schüssen die  Art  der  Behandlung  noch  keinen  wesentlichen  Einfluss 
auf  den  Verlauf  nach  diesen  Verletzungen  geübt  habe«.  Socin^-^), 
welcher  die  volle  Berechtigung  Billroth's  zu  einem  solch'  »un- 
brauchbaren Schlüsse«  anficht,  gibt  blos  zu,  »dass  bisher  die  Behand- 
lung der  Knieschüsse  im  Allgemeinen  keine  glückliche  war«  und 
knüpft  desshalb  hieran  die  Ermahnung,  künftighin  noch  mehr  Sorg- 
falt auf  die  Erhaltung  des  Lebens  von  Amputirten,  Resecirten  und 
gänzlich  conservativ  Behandelten  zu  verwenden.  Auf  ähnliche  Weise 
hatte  schon  nach  dem  schleswig-holstein'schen  Kriege  König "^)  mit 
Bezug  auf  die  Resection  die  Chirurgen  vor  deren  Vernachlässigung 
im  Felde  gewarnt,  »indem  wenigstens  als  Lazarethoperation  der 
Resection  noch  eine  bessere  Zukunft  bevorsteht.« 


«")  S.  oben  No.  215. 
*")  S.  No.  211. 
•")  Citirt  bei  S  o  c  i  n. 
«6)  S.  No.  6. 
«")  S.  No.  212. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     321 

Ersichtlich  ist  hieraus,  wie  wenig  der  deutsch-französische  Feldzug 
zur  Einbürgerung  der  besprochenen  Operation  in  der  Kriegspraxis  bei- 
trug, wie  nichtssagend  die  Antwort  ausfiel,  welche  die  Gesammtsumme 
seiner  Resectionsresultate  auf  die  in  der  Literatur  so  oft  wiederholte 
Frage  nach  dem  Werthe  derselben  in  diesem  Gebiete  gaben. 

Desshalb  muss  man  behufs  Bessergestaltung  der  Mortalitäts- 
verhältnisse einstweilen  folgende  allgemeine  Momente  besonders  ins 
Auge  fassen: 

1)  Sind  die  verschiedenen  Arten  von  Gelenkverletzungen  (resp. 
Erkrankungen)  genau  diagnostisch  auseinanderzuhalten,  was  haupt- 
sächlich von  Socin^^^)  betont  wird. 

2)  Sind  —  hierauf  basirend  —  möglichst  präcis  die  Indicationen 
und  der  Zeitpunkt  der  Ausführung  der  Operation  zu  fixiren. 
Auch  Asche ^-^)  sagt:  »In  Bezug  auf  die. Entscheidung  werden  die 
Individualität  des  Falles,  die  zu  berücksichtigenden  Nebenumstände 
und  die  Erfahrung  der  Chirurgen  von  grösster  Wichtigkeit  sein.« 

3)  Ist  die  dem  Einzelfalle  zweckentsprechendste  Operations- 
methode sorgfältig  durchzuführen. 

4)  Sind  die  Principien  der  antiseptischen  Wundbehandlung 
streng  einzuhalten. 

5)  Müssen  bei  der  Nachbehandlung  guter  Abfluss  der  Wundsecrete 
und  »das  Princip  der  absoluten  Ruhe«,  welchem  namentlich  König  23*^) 
das  Wort  redet,  hauptsächlich  zur  Geltung  gelangen. 

Das  Ziel  der  functionellen  Erfolge  besteht  nach  dem  Da- 
fürhalten  von   Ried^^'),    Heyfelder  ^^2^^    Hüter  ^^^),    N  e  u- 


"8)  s.  No.  6. 
"9)  S.  No.  211. 


230)  S.  No.  212. 

23^)  S.  No.  36:  »Das  operirte  Glied  zeigt  sich  zu  seinen  Verrichtungen  nur 
dann  vollständig  fähig,  wenn  dasselbe  gerade  und  an  der  Stelle  des  Kniees 
unbeweglich  ist.« 

232)  S,  No.  2:  »Wirklich  vollkommener  Erfolg  ist  nur  vorhanden,  wenn 
der  Knochen  des  Oberschenkels  mit  denen  des  Unterschenkels  im  Knie  unbe- 
weglich verbunden  ist.  Dies  geschieht  entweder  durch  knöcherne  Vereinigung 
der  Sägeflächen  oder  durch  brückenförmige  Knochenfortsätze  von  einem  Knochen 
zum  andern,   oder    durch  straffe  fibröse  Zwischenmassen  und  seitliche  Stränge.« 

233)  S.  No.  83:  »Eine  knöcherne  oder  fest  fibröse  Vereinigung  der  Knochen- 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  21 


322  Dr.  W.  stark. 

dörfer234),  Metzler ^^^)  bis  jetzt  nicht,  wie  Heine ^^'^)  auch  bei  die- 
sem Gelenke  proponirt,  in  der  Herstellung  einer  beweglichen  Ver- 
bindung, sondern  im  Zustandekommen  von  Ankylose.  Denn  —  sagt 
Metzler  ^")  —  »Sollen  Theile,  welche  die  gefährlichen  Entzündungen 
unterhalten,  weggenommen  werden,  so  fällt  an  und  für  sich  schon 
die  Möglichkeit  der  Erzielung  eines  neuen  Gelenkes  weg  und  so  schön 
auch  dieser  Gedanke  sein  mag,  er  ist  doch  nachzusetzen  den 
Bestrebungen,  ein  gutes  passendes  Verwachsen  der  Knochenflächen 
zu  liefern.« 

Letztere  Bestrebungen  werden  von  den  angeführten  Autoren 
mit  Recht  dess wegen  gebilligt,  weil  »zuviel  Beweglichkeit  in  Form 
einer  schlotternden  Verbindung  zwischen  beiden  Knochen  die  Functio- 
nen des  erhaltenen  Beins  sehr  beeinträchtigen«  ^^^),  ja  den  Erfolg 
der  Operation  —  um  mit  Heyfelder^^^)  zu  sprechen  —  para- 
lysiren  würde.  Nach  den  Argumenten  Neudörfer's^**')  dürfte  wohl 
überhaupt  nie  eine  der  normalen  gleichkommende  Leistungsfähigkeit 
zu  erreichen  sein,  »da  für  das  Stützen  oder  Tragen  der  Körperlast 
in  rechter  oder  gar  spitzwinkliger  Stellung  des  resecirten  Kniegelenks 
und  für  das  Aufrichten  des  Körpers  aus  der  gebeugten  in  die  verti- 
kale Stellung  die  Mächtigkeit  der  Muskeln,  sowie  ihre  Lage  und  An- 
ordnung am  resecirten  Gelenke  nicht  angethan  und  auch  die  neuge- 
bildete Narbe  für  diese  Arbeit  zu  schwach  ist.« 

lieber  die  Auswahl  des  Materials  zur  Resection  gegenüber  jenem 
der  Amputation  und  Gonservirung  nach  dem  Massstabe  der  jeweils 


sägeflächen  ist  bei  günstigem  Ausgang  das  gewöhnliche  Resultat  der  Knieresection 
und  mit  ihm  können  wir  wohl  zufrieden  sein.« 

^^*)  S.  No.  4:  »Man  wird  sich  vorläufig  bei  den  gelungenen  Kniegelenk- 
reseclionen  mit  der  Ankylose  oder  mit  einer  sehr  geringen  wenig  Grade  nicht 
übersteigenden  Beweglichkeit  in  diesem  Gelenke  begnügen  müssen.« 

"5)  Dr.  Metzler:  „Ueber  Resection  des  Kniegelenks.«  A.  f.  kl.  Gh.  1873. 

^'*J  S.  No.  164:  »Nicht  die  Ankylose,  sondern  die  Herstellung  eines  ge- 
wissen Grades  von  Beweglichkeit  in  dem  neuen  Gelenke  bildet  heut  zu  Tage 
das  anzustrebende  Ziel  der  Resection.« 

2")  S.  No.  235. 

"8)  S.  H  ü  t  e  r  No.  83. 

"")  S.  No.  2. 

"»)  S.  No.  4. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     323 

vorliegenden  Verletzung  resp.  Erkrankung  sind  besonders  für  die 
Kriegspraxis  mancherlei  Winke  in  der  Literatur  verzeichnet,  Sie 
beziehen  sich  nicht  blos  auf  eine  Beschreibung  der  für  die  einzelnen 
Categorien  geeigneten  Fälle,  sondern  machen  auch  da,  wo  operative 
Hülfe  angezeigt  ist,  aufmerksam  auf  den  passenden  Moment  zum 
Eingreifen. 

Zur  leichten  Orientirung  des  Standpunktes,  von  dem  aus  die 
Indicationen  der  Resection  zu  beurtheilen  sind,  sei  vorausgeschickt, 
dass  dabei  die  Lebensgefahr,  wie  Neudörfer^^^)  will,  wirklich  bis 
jetzt  die  einzig  berechtigte  Indication  bildet.  Diese  kommt  einerseits 
bei  grosser  Ausdehnung  der  Eiterung  nebst  Störung  des  Allgemein- 
befindens^*^), andererseits  bei  weitgehenden  Knochenverletzungen  und 
geringgradiger  Septicämie^*^)  in  Betracht. 

Allein  selbst  »die  schwersten,  die  Function  des  Gliedes  im 
höchsten  Grade  behindernden  und  anderweitig  nicht  zu  bessernden 
Fälle«  dürften,  entgegen  der  Ansicht  Volkmanns^'^'^),  zur  Zeit 
noch  nicht  —  einzig  um  der  gestörten  Funktion  willen  —  einen  all- 
gemein gültigen  Beweggrund  zur  Resection  abgeben. 

Nach  solchen  Voraussetzungen  lassen  sich  ohne  Schwierigkeit 
die  Amputation  und  die  conservativ-exspectatlve  Methode  von  der 
conservativ-operatlven  abgrenzen.  Nicht  zu  billigen  ist  dabei  das 
Vorgehen,  wie  es  Fischer^"^^)  und  Sarazin  ^'^'^)  beobachteten, 
bei  jeder  Knochenverletzung  rückhaltlos  die  sofortige  Amputation  zu 
empfehlen  oder  vorzuziehen.  Den  besten  Bescheid  weiss  hierüber 
König  ^*^):  »Der  primären  Amputation  würde  ich  nur  die  Verletzten 
zuweisen,  deren  Verletzung  so  ausgedehnt  ist,  dass  sie  auf  der  einen 
Seite  eine  Heilung  überhaupt,  selbst  mit  Resection,  nicht  möglich 
erscheinen  lässt,  während  sie  auf  der  andern  Seite  mit  Wahrschein- 
lichkeit, den  baldigen  Eintritt  —  von  localer  Verjauchung  mit  Septi- 


«*^)  S.  No.  4. 

242)  S.  H  ü  t  e  r  No.  83. 

2*»)  S.  K  ö  n  1  g  No.  212. 

2*4)  s.  No.  84. 

2«)  S.  No.  14. 

2«)  S.  F  i  s  c  h  e  r  No.  14. 

24^)  S.  No.  212. 


324  Dr.  W.  stark. 

cämie  herbeiführt.«  Auch  Hüter '^*^),  Schüller^*")  und  Mossa- 
kowsky  -^'^)  erkennen  nur  die  intensiven  Knochenverletzungen  (Split- 
terfracturen)  als  Anzeigen  der  primären  Amputation  an. 

Die  sekundäre  Amputation  wird  nach  König  ^^^)  meist  blos 
beim  Eintritte  der  acuten  Septicämie  nöthig.  —  Für  die  Friedenspraxis 
hat  er  noch  folgende  specielle  Indication  festgestellt :  »Absolut  indicirt 
erscheint  die  Amputation  nur  bei  so  weit  reichender  Erkrankung 
des  Knochens  im  Kindesalter,  dass  man  Stücke  von  grosser  Aus- 
dehnung reseciren  müsste.«  —  In  manchen  Fällen  verdient  ferner, 
den  Andeutungen  Heyfelders  ^°^)  entsprechend,  die  Amputation 
den  Vorzug  vor  der  Resection,  nämlich  bei  dyskrasischen  Individuen, 
die  voraussichtlich  langwierige  Eiterungen  nicht  überstehen  würden. 

»Immerhin  bemerkt  man  —  sagt  König^°^)  mit  Bezugnahme 
auf  das  Urtheil  der  Kriegs  Chirurgen  —  in  den  neueren  Arbeiten  eine 
grosse  Neigung  zu  den  nicht  amputirenden  (d.  h.  rein  exspectativen) 
Methoden.«  Er  selbst  stimmt  diesem  Verhalten  vollkommen  bei  und 
glaubt,  dass  derartige  Versuche  »in  einem  den  jetzigen  therapeu- 
tischen Ansprüchen  genügenden  Maasse  —  bis  jetzt  noch  nicht 
gemacht«  sind.  Hauptsächlich  die  leichteren  Knochenverletzungen  ^^*) 
mit  Kapseleröffnungen  und  einfache  Kapselverletzungen  (vrgl.  die 
S  i  m  0  n'schen  Experimente)  bilden  nach  ihm  das  Terrain  für  solche 
Behandlung.  Dazu  passen  die  Principien  der  Behandlung,  welche 
Hüter  ^^^),  Schüller  256),  Simon  2^^)  in  dem  deutsch-französischen 
Kriege  befolgten  und  die  M  o  s  s  a  k  o  w  s  k  y  ^5^)  billigte. 

Jedoch  warnt  Asche  -5^)  vor  Ausschreitungen  in  dieser  Rich- 


"8)  Citat  bei  Fischer,  s.  No.  14. 
249)  Citat  bei  Fischer,  s.  No.  14. 
"°j  S.  No.  63. 
"1)  S.  No.  212. 
"^  S.  No.  2. 
"3)  S.  No.  212. 

"*)  Nach  Asche  (s.  No.  211)  sind  darunter  Streifungen    der  Epiphysen 
und  Patellarschüsse  zu  verstehen. 
"*)  S.  No.  248. 
"«)  S.  No.  249. 
2")  S.  bei  Fischer  No.  5. 
«8)  S.  No.  63. 
"»)  S.  No.  211. 


Beiträge  zu  der  SUilistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     325 

tung,  indem  sonst  (besonders  bei  Betheiligung  des  Femur  und  der 
Tibia  an  der  Läsion),  selbst  »wenn  die  Heilung  gelingt,  leicht  ein 
unbrauchbares,  verkrüppeltes  Glied  zurückbleiben  kann,  das  für  den 
Operirten  eine  lebenslängliche  Last,  abgibt«  ^*^°). 

Uebergehend  zu  der  so  belangreichen  und  desshalb  getrennt 
von  dem  Uebrigen  zu  erörternden  Frage  des  richtigen  Zeitpunktes 
zur  Vornahme  der  Resection  muss  zunächst  Asche^^^)  zugestan- 
den virerden:  Es  ist  nicht  möglich,  die  Indicationen  für  die  primäre 
Resection  genau  zu  präcisiren  und  man  kann  wohl  am  richtigsten 
sagen ,  dass  sie  solche  Fälle  betreffen  wird ,  die  die  conservirend- 
exspectative  Behandlung  verbieten  und  von  der  Frühamputation  ab- 
rathen. «  Somit  etwa  dann ,  wenn  das  Projectil  im  Gelenke  sitzt 
oder  massige  Knochensplitterung  daselbst  vorliegt. 

Uebrigens  tritt  nach  König^^^J  die  Gelegenheit  zu  ihrer  Aus- 
führung »der  äussern  Verhältnisse  halber  im  Kriege  nur  selten«  ein, 
obgleich   sie   schon  Stromeyer,    Esmarch^^^-j  qIq^   empfehlen. 

Doch  darf  man  die  hauptsächlich  von  So  ein  2^*)  ausgesprochene 
Hoffnung  nicht  aufgeben,  dass  die  primäre  Resection  in  der  Kriegs- 
chirurgie ihre  Stellung  behaupten  wird.  Hinsichtlich  der  Secundär- 
resection  —  veranlasst  durch  erneute  Eiterung,  Jauchung  mit 
Reactionserscheinungen  (vorwiegend  nach  Zuwarten  bei  schwereren 
Knochenverletzungen)  —  behauptet  König  ^ß^),  sie  würde  ganz 
besonders  günstige  Chancen  bieten.  Indessen  hatte  sie,  dem  Berichte 
Asche's^ßß)  gemäss,  »während  des  deutsch-französischen  Krieges 
eine  sehr  starke  Mortalität«  aufzuweisen. 

Bei  der  Technik  der  Operation  soll  der  von  letzterem  Chirurgen 
angegebene  Grundsatz  beherziget  werden:  »Die  Schnittrichtung  bei 
der  Resection   ist    von   dem   zu   erstrebenden  Ziele  abhängig.«     Da 


2^°)  Nur  Rupprecht  und  M.  Cormao  verwerfen  die  Conservirung  durch- 
aus.    S.  Fischer  No.  14. 
261)  S.  No.  211. 
2«2)  S.  No.  212. 

263)  s.  Asche  No.  214. 

264)  S.  No.   6, 

265)  s.  No.  212. 

266)  s.  No.  211. 


326  Dr.  W.  stark. 

dieses  zur  Zeit,  wie  früher  auseinandergesetzt,  im  Zustandekommen 
von  Ankylose  besteht,  so  fällt  hiermit  jegliche  Sorge  um  Erhaltung 
der  Patella,  —  für  die  besonders  Senftleben^")  und  v.  Langen- 
beck^esj  plaidiren,  —  hinweg,  zugleich  verliert  also  auch  die  Gon- 
servirung  des  Streckapparates  des  M.  extensor  quadriceps  seine 
Bedeutung,  obgleich  Hüter 2^^)  eine  solche  für  einen  Vorzug  in 
functioneller  Beziehung  bezeichnet.  Folgerichtig  hat  auch  die  sub- 
periostale Methode,  welche  überhaupt  nach  demselben  Autor  hierbei 
nur  sehr  unvollkommen  ausgeführt  werden  kann ,  blos  geringen 
Werth. 

Es  kommen  mithin  die  Vortheile,  welche  Bryk^'^*')  seiner 
Operationsweise  nachrühmt ,  nämlich :  Geringe  Verwundung,  rasche 
Ausführung ,  Vermeidung  von  Zerrung  und  Möglichkeit  der  Ver- 
einigung der  horizontalen  Wundspalte  per  primam  —  ganz  beson- 
ders in  Betracht. 

Von  diesem  Standpunkte  aus  lassen  sich  die  in  der  Literatur 
vorhandenen  Meinungen  folgendermassen  beurtheilen: 

1)  Die  innere  Semilunarincision ,  deren  functionelle  Vortheile 
Heine^''^)  so  sehr  anpreist,  befriedigt  die  eben  verlangten  An- 
sprüche lange  nicht  in  dem  Maasse  wie  der  Bogenschnitt  am  unteren 
Rande  der  Patella  (von  Textor  angegeben), 

2)  Die  Exstirpation  der  Synovialis,  für  die  Flüter  keine  Ver- 
anlassung  finden   kann ,  muss  aus  den  gleichen  Gründen  vollzogen 


^")  S.  No.  117:  »Die  Erhaltung  der  Kniescheibe  gibt  einen  unschätzbaren 
Vortheil.« 

^*^)  Nach  Lücke  (s.  No.  78)  hält  v.  Langenbeck  darauf,  in  allen  Fällen, 
wo  es  möglich  ist,  die  Kniescheibe  und  ihre  Befestigungsbänder  zu  erhalten. 

"3)  S.  No.  83. 

"")  S.  No.  9. 

*^')  S.  No.  16 1 :  »Wenn  wir  vorzüglich  auf  Grund  der  Resultate  in  Civil- 
hospitälern  die  beiden  heut  zu  Tage  fast  allein  üblichen  Methoden  des  vorderen 
queren  und  des  innern  halbmondförmigen  Schnittes  miteinander  vergleichen,  so 
erscheint  die  Vermeidung  der  bei  ersteren  in  der  Flexion  nothwendig  eintretenden 
Spannung  der  Narbe,  sowie  die  Erhaltung  der  Conünuität  des  Streckmuskel- 
apparates des  Unterschenkels  bei  gleichzeitigem  gutem  Abflüsse  des  Eiters  als 
unverkennbare  Vorzüge  der  v.  Langenbeck'schen  Schnittführung,,  welche  ihr 
zunehmende  Geltung  verschaffen  müssen. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     327 

werden  (vrgl.  Metzler^'^^),  Bryk)^''^).     Dies   gilt  auch   für  den 
Schleimbeutel  des  Extensor  cruris. 

3)  Eben  desshalb  ist  eine  partielle  Resection ,  welche  Senft- 
leben  ^^*)  und  Roser  ^^5)  empfehlen  und  der  sich  auch  König  ^^g'j 
geneigt  zeigt,  unstatthaft.  Heyfelder"'),  Volkmann  2'®),  Hüter^^^) 
und  Socin^^")  sind  zu  derselben  Erkenntniss  gelangt. 

Die  Statistik  spricht  gleichfalls  zu  ihren  Gunsten  ^^^). 

4)  Die  Regel  K  ö  n  i  g's  ^^^)  ,    beim  Sägeschnitte  möglichst  alles 


^")  S.  No.  233.  Er  legt  grosses  Gewicht  auf  »die  Hinwegnahme  aller 
gefährlichen  Adnexa  des  Kniegelenks«. 

^'^)  S.  No.  9.  Er  bespricht  die  Hinwegnahme  der  fungösen  Gelenkkapsel, 
»deren  Reste  mit  dem  quadriceps  cruris  und  in  der  fossa  poplitaea  nachträglich 
noch  exstirpirt  werden  müssen«. 

^'*)  S.  No.  117.  Er  empfiehlt  wenigstens  hei  traumatischen  Verletzungen 
einer  Epiphyse  partielle  Resection. 

"5)  S.  König  No.  276. 

^''^)  S.  No.  212:  »Man  muss,  glaube  ich,  die  wieder  neuerdings  für  die 
Resection  im  Allgemeinen  von  R  o  s  e  r  empfohlenen  Partialresectionen  mehr  in 
Aufnahme  bringen. « 

*^^)  S.  No.  2:  »Den  Resultaten  nach  sind  die  partiellen  Kniegelenkresectionen 
zu  verwerfen.« 

2 '8)  S.  No.  84. 

^'^)  S.  No.  83:  »Die  partielle  Resection  verdient  am  Kniegelenk  verworfen 
zu  werden.« 

^^")  S.  No.  6:  »Partielle  Resectionen  sind  gewiss  hier  nicht  am  Platze, 
weil  durch  dieselben  eine  möglichst  schnelle  und  möglichst  innige  Verwachsung 
beider  Knochen,  was  ja  das  erwünschteste  Resultat  ist,  verzögert  wird.« 

^^^)  S.  No.  2.  Ueber  partielle  Resectionen  sagt  Heyfelder:  >Es  ergibt  icsh 
ein  bei  weitem  ungünstigerer  Erfolg  als  bei  den  totalen  Resectionen,  indem  von  6 
Operirten  5  starben,  1  eine  theilweise  Herstellung  erlebte.  Der  Tod  erfolgte 
3  mal  durch  Pyämie ,  1  mal  durch  brandige  Infection ,  1  mal  durch  andauernde 
Eiterung,  in  allen  Fällen  also  in  Folge  der  Operation.  —  Bei  den  eigenthchen 
partiellen  Resectionen  verhalten  sich  die  Todesfälle,  wie  8  :  18  =  1 :  2,  Die  Miss- 
erfolge zu  der  Gesammtzahl  wie  12 :  18  oder  wie  2 : 3,  Allerdings  ist  die  durch 
die  partielle  Resection  gesetzte  Wunde  ungünstiger  als  die  nach  der  Exstirpation 
des  Gelenkes.  Denn  während  man  hier  2  einfache  Knochenwundflächen  erhält, 
die  unter  ähnlichen  Verhältnissen  stehen  wie  bei  complicirter  Fractur,  so  haben 
wir  bei  Res.  cond.  fem.  einerseits  eine  Knochenwundfläche ,  daneben  aber  eine 
Gelenkwunde  und  ein  entblösstes  Gelenkende,  dessen  Knorpelüberzug  erst  durch 
Eiterung  abgestossen  werden  muss,  ehe  es  zu  einer  Vereinigung  kommen  kann.« 
—  Im  amerikanischen  Circular  No.  6  werden  7  partielle  Reseetionen  des  Knie- 
gelenks angeführt,  die  alle  tödtlich  verliefen.     S.  Billroth,  No.  8  (Gitat). 

"2)  S.  No.  212. 


328  Dr.  W.  stark. 

Gesunde  zu  erhalten,  steht  mit  den  obigen  Principien  nicht  in  Wider- 
spruch. Darum  vermag  der  vielfach  z.  B.  auch  von  Billroth ^^^) 
geforderten  Gonservirung  der  Epiphysenknorpel  bei  jugendlichen 
Individuen  gegebenen  Falls  Rechnung  getragen  und  so  nach 
Gutdünken  ^*^)  ihre  planmässige  Entfernung  umgangen  werden, 
deren  Berechtigung  selbst  Bryk^ss^^  tj^otz  aller  Widerlegung  der 
seine  Keilexcision  betreffenden  Einwürfe,  nicht  völlig  darzuthun  im 
Stande  ist. 

Für  die  Nachbehandlung  lehrt  die  Erfahrung,  dass  »die  gefähr- 
lichste Klippe,  welche  dem  Gelingen  der  Operation  entgegensteht, 
in  der  bedeutenden  Eiterung  und  in  den  Eitersenkungen«  ^se^^  ^[q 
Hauptbedingung  eines  günstigen  Verlaufes  im  freien  Abflüsse  der 
Wundsecrete  bestehe  (s.  oben).  Bei  ihr  muss  man  desshalb  hierauf 
ganz  besonders  achten.  Mit  der  Vermeidung  der  Stagnation  fällt 
eine  der  von  Hüter  ^s 7)  angegebenen  Hauptgefahren  dieser  Opera- 
tion: denn  erstere  bildet  unzweifelhaft  die  vornehmlichste  Ursache 
sowohl  für  das  so  häufige  Auftreten  von  Pyämie,  welche  nach 
Heyfelder  ^^*)  Vs  aller  Operirten  hin  wegrafft,  als  auch  der  Septi- 
cämie,  von  der  König  ^^')  sagt:  »der  klinische  Verlauf  der  Knie- 
verletzungen ergibt,  dass  die  Verletzten   an  einem  durch  locale  Zer- 


283)  S.  No.  8. 

2^*)  S.  Metzler  No.  235.  Wie  weit  man  in  der  Abtragung  gehen  darf, 
sieht  man  aus  seiner  Angabe:  »Ich  kann  versichern,  dass  ich  in  mehreren  Fällen 
zwischen  14  und  15  Ctm.  Knochenlänge  entfernt  habe  und  dass  gerade  diese 
Fälle  mit  zu  den  besten  Heilungen  gehören,  die  ich  aufzuweisen  habe.« 

285)  s.  No.  9.  Er  behauptet  u.  A.:  »Die  Alteration  gestattet  nicht  ein 
genaues  Abschätzen  der  Entfernung  des  epiphysären  Knorpels  an  der  Gelenk- 
oberüäche  während  der  Operation,  obgleich  nicht  geläugnet  werden  kann,  dass 
sie  Jenen  Verfahren,  nach  denen  die  Resection  erst  nach  Freilegung  der  Gelenk- 
höhle vorgenommen  wird,  in  manchen  jedoch  nicht  in  allen  Fällen  zu  Statten 
kommen  werden.« 

28«J  S.  Schierlinger  No.  67. 

28^)  S,  No.  83:  »Die  Gefahr  liegt  offenbar  bei  dem  Verlauf  der  Resections- 
wunde  des  Kaiegelenks:  1)  In  der  Grösse  der  Wundhöhle ,  welche  die  Resection 
zurücklässt.  2)  In  dem  mangelhaften  Abflüsse  der  Wundsecrete.  3)  In  der  Er- 
öffnung der  intermuskulären  Räume  durch  die  Operation  und  in  den  tiefen 
Phlegmonen,  welche  hierdurch  entstehen.« 

288)  S.  No.  2. 

"9)  S.  No.  212. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     329 

Setzung  des  Exsudates  bedingten,  theils  sehr  acut  und  öfters  tödtlich 
verlaufenden,  theils  weniger  heftigen  Resorptionsfieber  leiden.« 

Ueberschaut  man  die  Zahl  der  geforderten  Opfer,  so  erregt 
ihre  Grösse  vor  allem  das  Interesse,  einen  Ueberblick  von  dem  Ver- 
hältnisse zu  gewinnen,  in  welchem  sie  zu  jener  der  Amputation 
und  conservativen  Methode  steht,  wenngleich  Socin"")  behauptet, 
»dass  das  Material  ziu-  richtigen  statistischen  Combination  uns  noch 
gänzlich  fehlt,  und  dass  die  aus  dem  Vorhandenen  mit  grosser 
Mühe  herauscalculirten  Sclilüsse  practisch  nicht  können  verwerthet 
werden.« 

Was  "  zunächst  die  Amputation  des  Oberschenkels  nach 
Kniegelenkerkrankungen  betrifft,  so  betrug  ihre  Sterblichkeit  nach 
den  Gitaten  von  König-^-)  in  den  Londoner  Hospitälern  22,2 **/o, 
in  den  Provinzialhospitälern  25'',o,  nach  Bryanfs  Statistik  14,28''./o, 
Hüter  ^^^)  berechnet  sie  nach  englischen  Berichten  (749  Fälle  mit 
156  Gestorbenen)  auf  197o. 

Allgemeine  Statistiken  von  He y fei  der  293) .  Trelat,  Mal- 
gaigne  geben  sie  je  auf  ö07o,  527o,  627o  an. 

Im  Kriege  endlich  starben  von  128  in  dem  ersten  sclileswig- 
holstein' sehen  Feldzuge  Amputirten  77,  mithin  60,157o  ^^"^j;  ferner 
in  dem  nordamerikanischen  von  1597  Amputirten  1029,  somit 
64,437 0  2  9  5),  Die  Mortalität  des  letzten  deutsch-französischen  Feld- 
zugs belief  sich  auf  77,9''./o  (254  Amputirte)  ^^e). 

Die  Zusammenstellungen  der  Sterblichkeit  nach  der  Resection 
bei  Kniegelenkerkrankungen  weisen  nach  Holmes  (95  Fälle)  2S,47o, 
nach  Price  (291  Fälle)  277o,  nach  König  29-)  bei  Kindern  19,67o 
(Heyfelder:  bei  Erwachsenen  39°/oj  auf. 


29'')  s.  No.  6. 

■''")  S.  No.  212  (auch  Bryant  ist  dort  citirt). 
"2)  s.  No.  83,  auch  Trelat,  Malgaigne  daselhst. 
293j  s.  No.  2. 

29^)  u.  295)  s.  König  No.  212. 
296)  S.  Asche  No.  214. 

29')  S.  No.  212.    Dort  auch   die  Statistik   von   Erwachsenen   nach   Hey- 
felder. 


33Q  Dr.  W.  stark. 

Allgemeine  Berechnungen  von  Heyfelder  ^®^)  und  Ho  d  g  es 
zeigten  eine  Mortalität  von  30,77o  und  33,1 7o.  Zählt  man  die 
neuern  Resectionsergebnisse  von  B  i  1 1  r  o  t  h  '^^) ,  M  e  t  z  1  e  r  ^**")  und 
N  u  s  s  b  a  u  m  ^'")  zusammen  (61  Fälle  mit  30  Todten),  so  steigt  das 
Procentverhältniss  auf  49,1  7o. 

Viel  schlimmer  noch  ist  es  bei  den  im  Kriege  ausgeführten 
Resectionen.  Bis  1867  waren  30  aufgezeichnet,  von  denen  nur  6 
zur  Heilung  gelangten  =  807o  ^"^).  Etwas  besser  gestaltete  sich 
das  Ergebniss  des  jüngsten  Feldzugs  1870/71,  indem  von  85  =  66 
das  Leben  einbüssten,  also  77,6"/o  ^''^).  Scheidet  man  ferner  letztere 
Summe  in  die  jeweils  der  primären  und  secundären  Resection  zu- 
gefallenen Verletzten,  so  heilten  von  41  primären  16,  starben  folg- 
lich 69,97o,  von  44  secundär  Operirten  blos  3 ,  gingen  also  93,170 
zu  Grunde.  Dies  rechtfertigt  zur  Genüge  die,  wie  früher  erwähnt, 
auf  die  primäre  Resection  gesetzten  Hoffnungen. 

Die  conservative  Methode  schliesslich  hatte  nach  Bill- 
roth ^°*)  in  der  Friedenspraxis  eine  Mortalität  von  22*'/o  (von  77 
Erkrankten  verloren  17  das  Leben).  Hüter  bemerkt  jedoch  hierzu, 
»dass  in  der  Gesammtsumme  der  Billroth' sehen  Fälle  auch  alle  die- 
jenigen enthalten  sind,  welche  von  ganz  günstigem  Verlaufe  waren.« 
—  Aus  dem  Kriege  werden  von  Surgeon  Bär  103  im  nordameri- 
kanischen Feldzuge  conservativ  behandelte  Kniegelenkverletzte  auf- 
gezählt, von  denen  53  starben,  also  51,470^**^).  Lücke'"*)  ver- 
zeichnet in  seinem  Berichte  über  1870/71  50  expectativ  behandelte 
Fälle  mit  24  tödtlichen  Ausgängen  =  48*'/o. 

Eine  Vergleichung  der  gefundenen  Procente  ergibt,  dass  die 
Resultate    speciell   der  Friedenspraxis   bei    allen  3  Methoden  durch- 


298)  S.  No.  2.  —  Hodges  s.  b.  Koni; 

299)  S.  No.  8. 
30»)  S.  No.  235. 

»»')  S.  b.  Asche  Nr.  211. 

»02)  s.  Billroth  No.  8. 

"")  S.  Asche  No.  211. 

ä"*)  S.  Cital  bei  Hüter  No.  83. 

'"*)  S.  König  No.  212. 

308)  S.  No.  42. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     331 

schnittlich  nur  um  wenige  Nummern  ^**')  differiren,  dass  eine  Gegen- 
überstellung der  allgemeinen  Statistiken  über  Amputation  und  Re- 
section  entschieden  zu  Gunsten  der  letztern  ausfällt,  dass  endlich  im 
Kriege  conservirende  Behandlung  weitaus  die  besten,  die  Amputation 
schlechte,  noch  schlechtere  Ergebnisse,  die  Resection  vor  1870/71,  in 
diesem  Feldzuge  aber  wenigstens  bessere  als  die  Amputationen  des- 
selben Krieges  geliefert  hat. 

Von  grossem  wissenschaftlichen  und  practischen  Werthe  sind 
ferner  die  Untersuchungen  über  die  Wachsthumsverhältnisse  der 
resecirten  Glieder.  Die  ersten  gingen  hauptsächlich  von  englischen 
Chirurgen  aus  3"^).  Sie  entbehrten  einer  genaueren  Angabe,  wie 
viel  von  jedem  der  beiden  Knochen  entfernt  worden  war,  wesswegen 
auch  die  Ursache ,  warum  sie  bei  jugendlichen  Individuen  bald  ein 
bedeutendes  Zurückbleiben  im  Wachsthum,  bald  ein  proportionales 
Mitwachsen  des  resecirten  Gliedes  im  Laufe  der  Jahre  constatirten, 
dunkel  bleibt.  Solche  Differenzen  führt  auch  H  ey  f  el  der'"^)  an 
und  fügt  überdies  noch  bei :  »die  Verkürzung  der  operirten  Extremi- 
tät beträgt  manchmal  sogar  weniger  als  der  durch  die  Operation 
gesetzte  Substanzverlust  betrug.«  Mehr  Klarheit  brachten  König's 
genaue   Erhebungen.     Er   analysirte    die   von  George,  Murray, 


3«')  Im  Frieden  Amputatio  =  22,2  o/o  ;  25  o/o ;  14,28  o/o ;  19  o/o.  —  Resectio: 
28,4 o/o;  27  o/o;  19,6o/o.  —  Gonservatio  22 o/o.  —  Im  Kriege  Amputatio:  60,15o/o; 
64,43  o/o;  77,9  o/o.  —  Resectio  80  o/o  ;  77,6  o/o.  —  Gonservatio  :  51,4  o/o;  48  o/o. 
—  Allgemein  Amputatio :  50  o/o ;  52  o/o ;  62  o/o.  —  Resectio  :  30,7  o/o  ;  38  o/o  ; 
49,1  o/o. 

^°^)  S.  Gurlt's  Jahresbericht  über  1860—61  in  v.  Langenbeck's  Ar- 
chiv, Bd.  III,  1862,  Beschreibung  von  jugendlichen  Resecirten  mit  fortschrei- 
tender Längendifferenz  durch  Henry  Smith  (Medical  Times  and  Gaz.  1861, 
Vol.  I,  p.  11),  von  Frith  (Ibid.  1861,  Vol.  II,  p.  58).  —  A.  M.  Edwards  (zu 
Edinburg,  Ibid.  Vol.  I.  p.  182)  theilte  jedoch  mehrere  gegentheilige  Fälle  (d.  h. 
solche,  wo  die  resecirte  Extremität  gleichmässig  mitwuchs)  mit. 

^''^)  S.  No.  2:  »Butcher  hat  das  Verdienst,  durch  seine  unermüdlichen 
Forschungen  an  einigen  Fällen  von  Jones,  Brotherton,  Keith  und  Page 
nach  4 — 5  Jahren  constatirt  zu  haben,  dass  die  bei  Kindern  operirte  Extremität 
nicht  im  Wachsthume  zui'ückblieb,  Mackenzie  bestätigt  die  Beobachtung  nach 
eigener  Erfahrung.  Dagegen  habe  ich  bei  Larrey  und  in  der  chirurg.  Klinik 
zu  Erlangen  Fälle  beobachtet,  wie  bei  noch  nicht  ausgewachsenen  Individuen  die 
Abtragung  irgend  einer  Epiphyse  der  untern  Extremität  deren  Zurückbleiben  im 
Wachsthum  bedingte.« 


332  Dr.  W.  stark. 

Humphry  zu  Cambridge  veröffentlichten  (18)  Fälle  und  fand,  dass 
in  allen  jenen  Beispielen  (8),  welche  die  Epiphysenlinie  ganz  oder 
wenigstens  zum  Theile  behalten  hatten,  die  operirte  Extremität  mit- 
wuchs ;  dass  ferner  in  den  übrigen  (10) ,  bei  denen  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  entweder  an  beiden  oder  wenigstens  an  einem 
Knochen  die  Epiphysenlinie  mit  entfernt  wurde,  das  Wachsthum 
geslört  war.  Daraus  ging  somit  hervor,  »dass  die  Gefahr  des  Zu- 
rückbleibens im  Wachsthum  mit  der  Grösse  der  entfernten  Stücke, 
also  mit  der  Entfernung  der  Epiphysenfläche  oder  der  dieser  benach- 
barten Parthien  -wächst«  ^^°).  Wie  wichtig  dies  für  die  Operations- 
praxis ist,  wusste  König  wohl  zu  würdigen,  indem  er  bei  Kindern 
unter  10  Jahren,  bei  welchen  die  ganze  Epiphysenlinie  geopfert 
werden  musste,  die  Amputation  aus  dem  Grunde  vorzog,  weil  doch 
nur  ein  wenig  brauchbares  Glied  erreicht  würde. 

ß  j,  y  ]j  3 1 1  j  will ,  obgleich  auch  er  ein  fortschreitendes  Zurück- 
bleiben des  Wachsthums  der  resecirten  Extremität  im  jugendlichen 
Alter  mit  Ausnahme  eines  Falles  (bei  dem  der  excidirte  Keil  blos 
klein  war)  bestätigte,  die  Abhängigkeit  desselben  vom  Entfernen 
der  Epiphysenknorpel  nur  theilweise  gelten  lassen.  Er  hebt  hervor, 
was  bereits  König  3^^)  angegeben,  dass  schon  vor  dem  operativen 
Eingriffe  eine  Differenz  in  dem  Längenmasse  zum  Nachtheile  des 
afficirten  Gliedes  constatirt  werden  kann.  Daraus  folgert  er,  die 
normalen  Knochenwachsthumsverhältnisse  existirten  nicht  für  patho- 
logisch veränderte  Kniegelenke  ^^ 3)  (z.  B.  durch  Ostitis).  Auch 
etwaigen  Entzündungsvorgängen  in  der  Resectionswunde  selbst 
schreibt  er  einen  gewissen  Einfluss  auf  die  spätere  Gestaltung  der 
Dimensionen  zu.  Seine  Behauptung:  »In  den  Malleolarepiphysen 
beider  Knochen   sind   die  Ersatzmittel  für  das  fernere  Wachsthum« 


"»)  S.  König  No.  212. 

"')  S.  No.  9. 

"*)  S.  No.  212. 

*")  König  glaubt  gleichfalls :  »Die  einzelnen  Fälle,  in  welchen,  trotzdem 
dass  wenig  resecirt  wurde,  das  Wachsthum  doch  zurückbleibt,  lassen  sich  Avohl 
mit  Wahrscheinlichkeit  darauf  zurückführen,  dass  die  Epiphysenlinie  selbst  durch 
Ossification,  durch  Atrophie  und  Bindegewebsneubildung  so  entartet  war,  dass  das 
Wachsthum  von  diesem  entarteten  Gewebe  nicht  mehr  vermittelt  werden  konnte.« 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     333 

lässt  Zweifel  über  ihre  Richtigkeit  aufkommen.  Sie  stützt  sich  ledig- 
lich auf  nachträgliche  Messungen  seiner  vor  Jahren  resecirten  Patien- 
ten, welche  in  4  Fällen  einen  verhältnissmässig  viel  geringern  Grössen- 
unterschied  der  Unterschenkel  gegenüber  jenem  der  Oberschenkel 
aufwiesen"*).  Nun  zeigen  aber  seine  Angaben  hinsichtlich  der  Länge 
der  excidirten  Keile  bei  einer  Vergleichung  mit  der  von  König ^i^) 
aufgestellten  Tabelle  über  den  Abstand  zwischen  der  Epiphysenlinie 
und  der  Gelenkfläche,  dass  wohl  nur  das  Femur  durch  Bryk's 
Operation  grösstentheils  seines  epiphysären  Knorpels  verlustig  ging, 
der  der  Tibia  jedoch  vollständig  oder  wenigstens  theilweise  erhalten 
blieb.  Schon  Letzteres  genügt  nach  König's^^^)  Erfahrungen 
dazu,  »dass  das  Glied  mitwächst.«  Ferner  bewies  Hüter  aus  den 
Messungen  dieses  Autors  (König)^!^),  ^ie  Wachsthumsintensität 
an  der  obern  Epiphysengrenze  der  Tibia  sei  etwas  bedeutender  als 
an   der   untern  des  Femur.     Er   ertheilte  desshalb  den  Rath,    »bei 


äi4)  In  3  Fällen  erstreckte  sich  dieses  Verhältniss  auch  auf  den  Umfang, 
indem  bei  ihnen  Atrophie  des  betreffenden  Oberschenkels  ohne  Mitbetheiligung 
der  Wade  constatirt  werden  konnte. 

»")  S.  No.  212. 

2^*)  S.  No.  212:  »Uebrigens  fand  ich  bei  manchen  Gliedern  ein  fort- 
schreitendes Wachsthum  oder  wenigstens  ein  nur  geringes  Zurückbleiben  ver- 
zeichnet, bei  welchen  man  nach  den  Angaben  zu  der  Annahme  berechtigt  war, 
dass  wenigstens  ein  Theil  der  Epiphysenlinie  aufgeopfert  wurde,  so  dass  also 
meine  Behauptung  darin  eine  Stütze  findet,  dass  das  GHed  mitwächst,  wenn  nur 
ein  Theil  der  Epiphysenlinie  erhalten  bleibt.« 

^'^)  Hüter  sagt  von  den  Messungen  König's:  »Er  mass  in  3  Fällen  von 
abgelaufener  Knieentzündung  bei  Erwachsenen,  welche  in  ihrer  Jugend  erkrankt 
aber  nicht  resecirt  worden  waren,  je  zwischen  7  und  9  Ctm.  Verkürzung,  von 
denen  je  4  Ctm.  auf  das  Zurückbleiben  des  Wachsthums  der  Tibia,  je  zwischen 
2  und  3  Ctm.  auf  das  Zurückbleiben  des  Wachsthums  des  Femur  und  der  Rest 
auf  die  Verschiebung  der  Knochen  zu  berechnen  war.«  König  selbst  war  nicht 
zu  dem  im  Texte  vorgeführten  Schlüsse  Hüter's,  sondern  zu  folgendem  gelangt: 
»Es  scheint  nach  meinen  Messungen,  dass  die  Tibia  besonders  stark  im  Wachs- 
thum zurückbleibt.  Bedenkt  man,  dass  im  Ganzen  die  Epiphysenlinie  der  Tibia 
der  Oberfläche  näher  liegt,  als  die  des  Oberschenkels  und  dass  bei  gebogenem 
Knie  die  ganze  Gelenkfläche  derselben  weit  mehr  dem  Drucke  ausgesetzt  ist,  als 
die  des  Oberschenkels,  von  welchem  nur  der  hintere  kleinere  Theil  mit  der 
allmähUg  rückwärts  sinkenden  Fläche  der  Tibia  in  Berührung  kommt,  so  er- 
scheint es  wahrscheinUch ,  dass  die  Oberfläche  der  letztern  und  die  an  den 
meisten  Stellen  nahe  liegende  Epiphysenlinie  auch  mehr  der  Zerstörung  aus- 
gesetzt ist.« 


334  Dl".  W.  stark. 

der  Resection  des  Kniegelenks  die  obere  Epiphysenlinie  der  Tibia 
zu  schonen.«  Es  brauchen  also  die  Messungsresultate  Bryks  ledig- 
lich als  factische  Bestätigung  der  Richtigkeit  von  Hut  er 's  Schlüssen 
betrachtet,  mithin  an  der  obern,  nicht  an  der  untern  Epiphyse  der 
Tibia  der  Grund  des  überwiegenden  Wachsthums  des  Unterschenkels 
nach  Knieresectionen  gesucht  zu  werden. 

Auf  die  Besprechung  dieses,  die  endgültige  Gestaltung  der 
functionellen  Resultate  wesentlich  beeinflussenden  Momentes  soll 
noch  eine  kurze  Erörterunug  letzterer  selbst  folgen. 

Schon  Ried  (1847)  ^^®)  berichtet  über  einen  Fall,  bei  dem  nach 
Ablauf  eines  Jahres  das  Gehen  ohne  alle  weitere  Unterstützung 
ausser  hohem  Absatz  möglich.  Hinken  kaum  bemerkbar  und  der 
Gebrauch  des  Gliedes  so  vollständig,  ja  noch  besser  war,  als  der 
jedes  im  Kniegelenk  gestreckt  und  steif  gehaltenen.  Mehrstündige 
Märsche  vermochten  sowohl  auf  ebenem  als  bergigem  Wege  gemacht. 
Treppen  und  Leitern  erstiegen  zu  werden.  Auch  Schillbach  ^^^) 
beschreibt  gleich  günstige  Ergebnisse  und  fügt  bei:  »Aber  auch  in 
jenen  Fällen,  wo  keine  knöcherne  Verbindung  erfolgt  war,  ist  das 
Resultat  noch  nicht  als  verfehlt  anzusehen,  da  man  die  mangelnde 
Festigkeit  in  dem  resecirten  Kniegelenke  durch  eine  passend  an- 
gelegte Blechschiene  ziemlich  vollkommen  bewirken  kann.«  Hey- 
felder^'")  dagegen  zählt  13  Patienten  auf,  welche  wegen  Mangel 
an  Vereinigung  und  consecutiver  Unbrauchbarkeit  der  Glieder  am- 
putirt  werden  mussten.  Von  den  guten  Erfolgen,  die  der  obigen 
Schilderung  Ried 's  entsprechen,  weiss  er  anzugeben,  dass  die  Dauer- 
haftigkeit'^')  derselben  nach  Jahren  erprobt  befunden  wurde.     Wie 


3  18)  S.  No.  36. 
3'«)  S.  No.  105. 


»20)  S.  No.  2. 

»2')  König  gibt  folgende  Beispiele  von  Endresultaten:  »Ein  erwachsener 
Mann,  welchen  ich  vor  mehreren  Jahren  resecirte,  arbeitet  an  der  Landstrasse 
und  geht  den  3  Stunden  weiten  Weg  von  seinem  Orte  bis  hierher  und  zurück 
in  einem  Tage,  ohne  sehr  ermüdet  zu  werden;  ein  vor  mehreren  Jahren  rese- 
cirter  Knabe  gibt  seinen  Commilitonen  weder  in  der  Schnelligkeit  noch  in  der 
Ausdauer  der  Bewegungen  viel  nach  und  das  zuletzt  vor  Jahresfrist  operirte 
kleine  Mädchen  ist  ebenfalls  den  ganzen  Tag  auf  den  Beinen.« 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     335 

sehr  der  Altersunterschied  das  Endresultat  beeinflusst,  beweisen  die 
aus  seiner  Statistik  von  König  ^^-)  zusammengestellten  Resectionen 
Erwachsener,  welche  56"/o  Misserfolge  zählen,  während  die  von 
letzter m  gegebene  Uebersicht  von  Resectionen  bei  Kindern  deren 
blos  37,5  7o  also  18,5  "/o  weniger  enthält.  Die  günstigen  Resultate 
bestanden  auch  bei  diesen  jugendlichen  Patienten  meist  in  fester 
Vereinigung  der  Knochen  des  Ober-  und  Unterschenkels;  nur  in 
zwei  Fällen  war  sogar  ein  mobiles  Gelenk  entstanden. 

Zum  Zwecke  einer  rascheren  Orientirung  über  den  etwaigen 
Stand  der  functionell  gelungenen  und  misslungenen  Operationen 
möge  noch  die  übrige  von  König  erwähnte  allgemeine  Statistik 
angeführt  werden,  demgemäss  nach  Heyfelder  die  Zahl  der  Er- 
folge sich  auf  60°/o,  nachHodges  auf  44°/o,  nach  Price  auf  56,3''/o 
und  nach  Holmes  die  Misserfolge  auf  38,9 >  beziffern.  In  neuester 
Zeit  hat  Metzler  ^2^)  7  vollständige  Heilungen  (die  übrigen  4  seiner 
11  Fälle  starben)  mit  Ankylose  erreicht.  Bryk^ä*),  der  gleichfalls 
bei  seinen  geheilten  Fällen  eine  straffe  Verbindung  erzielte,  beschreibt 
genau  deren  functionelles  Verhalten:  »Zwei  dem  erwachsenen  Alter 
angehörige  Operirte  gehen  herum ,  ohne  dass  man  die  geringste 
Spur  von  Hinken  an  ihnen  bemerken  würde.  Was  3  jüngere  hidivi- 
duen  anbelangt,  so  ist  der  Gang  in  Folge  der  Beckenneigung  ^^^j 
etwas  hinkend,  jedoch  ohne  Beschwerde  und  selbst  das  Laufen  nicht 
gehindert.«  Ja  sogar  in  einem  Falle,  wo  er  bei  einem  9jährigen 
Mädchen  an  (um  2V^  Gtm.)  verkürzter  und  atrophischer  Extremität  die 
Resection  vorgenommen  hatte,  zeigte  sich  6  Jahre  nachher  das  Bein 
trotz  einer  Längen differenz  von  17  Gtm.,  welche  aber  eine  Becken- 
neigung von  5  Gtm.  auf  12  Gtm.  reducirte  und  Spitzfussstellung 
möglichst  ausglich,  zum  Gehen  brauchbar. 

Ungünstiger   erwiesen   sich    die  Erfolge  des  Feldzugs  1870/71. 


322j  S.  No.  212. 

3")  s.  No.  235. 

ä24j  S.  No.  9. 

*^^)  Diese  war  in  all  seinen  nachträglich  untersuchten  Fällen  mehr  weniger 
vorhanden  und  verringerte  so  die  meist  bedeutenden  Längenunterschiede  beider 
Beine. 


336  Dr.  W.  stark. 

lieber  sie  berichtet  Asche  ^2^):  »Von  9  geheilten  Resecirten  gingen 
3  mit  Hülfe  eines  Stockes  und  einer  erhöhten  Sohle,  2  mit  Hülfe 
zweier  Krücken,  1  mit  Hülfe  einer  Krücke  und  einer  Stützmaschine, 
1  mit  einer  Stützmaschine,  1  musste  wegen  Difformität  nachträglich 
am  Oberschenkel  amputirt  werden,  bei  1  war  wegen  beträchtlicher 
Fissuren  der  Tibia  nachträglich  die  Unterschenkelamputation  nöthig.« 
Die  Eigenart  der  Schussverletzungen  und  die  Schwierigkeit  einer 
sorgsamen  Nachbehandlung  im  Kriege  dürften  hieran  die  Haupt- 
schuld tragen. 

Aus  diesem  Allem  erhellt,  dass  die  functionell  günstigen  Er- 
folge bis  jetzt  weder  an  Zahl  noch  an  Vollkommenheit  den  An- 
sprüchen der  Gegenwart  genügen. 

Beachtung  sämmtlicher  im  Vorhergehenden  besprochenen  Mass- 
regeln müssen  nothwendiger  Weise  auch  zu  ihrer  Vermehrung  und 
Verbesserung  führen. 


Von  Jalire  1872  bis  zu  Ende  1876  sind  8  totale  Resectio- 
nen  des  Kniegelenks  im  Freiburger  Krankenhause  vorgenommen 
worden. 

In  7  Fällen  geboten  Caries ,  in  einem  Synovitis  granulosa 
(Fall  38:  anderweitige  Complicationen  s.  u.)  die  Operation.  —  6  mal 
sass  die  Affection  am  linken,  2  mal  am  rechten  Beine. 

In  zwei  Fällen  —  No.  36  und  38  —  waren  noch,  seit  lange 
schon,  Symptome  einer  allgemeinen  scrophulösen  Diathese  vorhan- 
den. In  dem  letzteren  der  beiden  machte  später  ein  der  erwähnten 
Gonitis  analoger  Prozess  am  linken  Ellenbogen,  der  jedoch  bereits 
zur  Zeit  der  Kniegelenksexcision  bestand ,  ebenfalls  die  Resection 
nothwendig. 

Bei  allen  Fällen  ist  als  Hautschnitt  der  vordere  bogenförmige, 
nur  bei  (Nr.  33)  ein  nicht  typischer  aasgeführt  worden. 

»26)  s.  No.  211. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     337 

Es  starben  von  den  8  Operirten  6,  mithin  75°/o,  eine  Mortali- 
tät, deren  aussergewöhnliche  Hölie  ihre  Erklärung  wohl  theilweise 
darin  findet,  dass  die  Hälfte  der  Patienten  (34,  35,  36,  40)  das 
jugendliche  Alter  bereits  überschritten  hatten;  denn  auch  Bryk^^'^) 
hält  bis  zum  Termine  des  20.  Jahres  den  günstigen  Ausgang  für 
Regel,  nach  dieser  Zeit  die  Genesung  für  Ausnahme.  Ueberdies 
befinden  sich  unter  den  Gestorbenen  die  beiden  oben  genannten 
dyskrasischen  Individuen : 

Fall  33. 

Euphrosine  Jehle,  6  Jahre  alt,  aus  Hartschwand,  deren  Mutter  später 
wegen  Tuberkulose  gleichfalls  hier  im  Spitale  Hülfe  suchte ,  liess  sich  den 
12.  Mai  1872  in  die  hiesige  Klinik  auf  Grund  einer  seit  mehreren  Wochen  unter 
Schmerzen  sich  bildenden  Anschwellung  des  linken  Knies  aufnehmen.  Bei  der 
Untersuchung  fand  man  über  dec  linken  Patella ,  nach  unten  und  seitlich  die 
Grenzen  derselben  überschreitend,  einen  prallen,  fluctuirenden  Tumor,  an  einer 
lateralwärts  gelegenen  Stelle  die  Haut  so  dünn,  dass  sie  während  der  Constatirung 
der  schmerzlosen  Bewegungsfähigkeit  der  Extremität  durchbrach.  Eine  mikro- 
skopische Betrachtung  der  heraussickernden,  dünnen  Flüssigkeit  wies  neben 
wenig  veränderten  rothen  eine  grosse  Anzahl  weisser  Blutkörperchen  nach.  — 
Als  sich  trotz  der  nun  angewendeten  Immobilisirung  des  Gelenks  durch  Compressiv- 
verband  nebst  Schiene,  unter  starken  Fieberbewegungen  (bis  40,5)  Ansammlungen 
von  Eiter,  Fibrin-  und  Blutcoagulis  im  Gelenke  einstellten,  suchte  man  am  18.  Mai 
durch  Erweitern  der  vorhandenen  lateralen  und  Anlegen  einer  neuen,  medialen 
Oeffnung,  verbunden  mit  zweckmässiger  Drainage,  denselben  entgegenzuarbeiten, 
freilich  ohne  durchschlagenden  und  nachhaltigen  Erfolg  auf  das  Allgemein- 
befinden. In  kurzer  Zeit  (3.  Juni)  erforderten  Schlaffheit  der  bereits  vorhandenen 
Granulationen,  bedeutende  Schwellung,  Oedem  und  Schmerzhaftigkeit  des  Kniees 
bei  abermaUgem  Emporschnellen  der  Temperaturcurve  auf  40,8  einen  weiteren 
chirurgischen  Eingriff:  Vereinigung  der  beiden  Fisteln  durch  einen  Schnitt, 
hierauf  Ausschälen  der  Patella  wegen  einer  zwar  blos  kupferkreuzergrossen, 
aber  die  ganze  Dicke  derselben  durchsetzenden ,  centralen  Nekrose.  Die  Garies 
hatte  die  innere  Umrandung  fast  völlig  aufgezehrt  und  einen  Theil  des  oberen 
äussern  Quadranten  ergriffen.  Nur  eine  Parthie  der  unteren  Hälfte  und  der 
obere  Rand  war  verschont  geblieben.  Die  Knorpelflächen  des  nunmehr  weit 
eröffneten  Kniegelenks  waren  intact.  Ein  Gypsverband,  in  Verbindung  mit  der 
Watson'schen  Schiene,  Compression  der  Femoralis  wegen  einer  leichten  Blutung 
und  Morphiuminjection  zur  Milderung  der  Schmerzen  bildeten  die  unmittelbare 
Nachbehandlung,  die  man  nach  den  Principien  der  offenen  Wundbehandlung 
weiter  führte.    Obschon  die  Wundfläche  sich  bald  reinigte  und  unter  wechselnder 


'")  S.  No.  9.     König  gibt  Aehnliches  an:    »Das  Kind   scheint  einen  so 
beträchtlichen  Eingriff  leichter  zu  ertragen  wie  die  Erwachsenen.« 

Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  22 


338  JJr.  W.  stark. 

Schwellung  gute  Eiterung  nebst  Granulationsbildung  zeigte ,  so  brachte  doch 
diese  Operation  gleichfalls  keine  erhebliche  Wendung  zum  Bessern.  Wurden 
auch  am  17.  Juni  nach  Almahme  der  oberen  Verbandhälfte  und  Touchirung  des 
Gelenks  keine  Knorpeldefecte ,  nur  an  der  Innenseite  ein  Abscess  gefunden,  bei 
dessen  Spaltung  man  auf  den  Oberschenkelknochen  kam,  so  schien  dessen- 
ungeachtet wegen  Eiterverhaltung  trotz  Drainage,  hauptsächlich  aber  der  hohen 
Temperatur  halber  (41,3  am  18.)  die  Totalresection  indicirt.  Man  nahm  sie  am 
19.  Juni  vor:  Von  einer  Stelle  aus,  wo  mitten  in  der  Granulationswucherung 
der  Eiter  aus  der  Tiefe  quoll ,  ward  jene  nach  beiden  Seiten  incidirt.  Die 
Knorpel  und  Bänder  des  mit  Eiter  gefüllten  Gelenks  waren  fast  unversehrt.  Es 
folgte  nun  die  Freilegung  des  Femur,  dann  die  Abtragung  der  ganzen  Epiphyse 
bis  zu  ihrem  Knorpel  mit  dem  Messer.  Ebenso  verfuhr  man  mit  der  Tibia, 
deren  Epiphyse  osteomyelitische  Eiterheerde  zeigte.  Eine  abgekapselte  Eiterhöhle 
unter  dem  Quadriceps  femoris  wurde  gespalten,  zwei  Nähte  an  die  Innen- 
seite angelegt,  ein  Gummirohr  quer  durch's  Gelenk  gezogen  und  das  Bein  in 
schwacher  Beugung  eingegypst.  —  Die  horizontal  verlaufende,  ebene  Schnitt- 
fläche des  zweimal  durchsägten  Femurstückes,  dessen  Höhe  2  Ctm.,  dessen  Durch- 
messer (an  der  Sägefläche)  von  rechts  nach  links  6  Ctm.,  von  vorn  nach  hinten 
2^2  Ctm.  betrug,  liess  in  der  Mitte  und  nach  aussen  davon  Spuren  des  Epiphysen- 
knorpels  erkennen.  Die  Epiphyse  selbst  durchzogen  Eiterheerde ,  welche  wahr- 
scheinlich vereiterten  Venen  entsprachen.  Die  Knorpel  der  Gelenkfläche  waren 
intact.  Am  inneren  Knorren  der  Tibia  legte  ein  1  Ctm.  langer  und  0,5  Ctm.  breiter 
cartilaginöser  Defect  die  Knochensubstanz  blos.  Die  abgetragene  Schichte  hatte 
eine  Dicke  von  mehr  als  ^2  Ctm.  und  bestand  aus  vier  Stücken,  von  denen 
jedoch  nur  das  der  Gelenkfläche  angehörige  die  ganze  Circumferenz  der  Tibia 
umfasste.  Der  Knochen  war  mit  dem  Resectionsmesser  in  Scheiben  excidirt 
worden ,  bis  keine  Eiterheerde  mehr  in  der  Schnittfläche  sich  zeigten.  Der 
unterste  Schnitt  nahm  an  seinem  inneren  Theile  Epiphysenknorpel  mit.  Merk- 
würdig war  die  bis  zum  1.  Juh  zu  beobachtende  Umkehrung  des  Fiebertypus 
mit  morgendlicher  Exacerbation;  die  Intensität  desselben  ward  weder  durch  die 
Operation  noch  durch  Chininverordnung  abgeschwächt.  Darum  stellte  sich, 
während  Eiterung  und  Aussehen  der  Wunde  ausser  vorübergehender  Schlaffheit 
der  Granulationen  und  Ausbleiben  der  Knochenverwachsung  nichts  zu  wünschen 
übrig  Hessen,  allmählig  CoUaps  und  zeitweise  Somnolenz  ein.  Ersterer  wurde 
noch  befördert  durch  Diarrhöen,  Decubitus  am  Tub.  ischii  und  der  Achillessehne. 
Endlich  trat,  nachdem  noch  Abscedirung  der  rechten  Parotis  (Eiterentleerung 
durch  Incision),  Oedem  der  Augenlider  und  des  Fusses  hinzugekommen,  am 
7.  .Juli  Morgens  11  Uhr  der  Tod  ein. 

»Die  beiden  Knochenstümpfe  missfarbig,  das  anstossende  Knochenmark 
ebenso.  Von  hier  aus  ziehen  sich  in  Form  zusammenhängender  lacunärer  Räume 
eitrige  Infiltrationen  gegen  2"  aufwärts  im  Femur  und  abwärts  in  der  Tibia  in 
die  Marksubstanz  hin,«  heisst  es  im  Sectionsprotokoll.  Ferner  fanden  sich  in 
der  Lunge,  der  Milz  und  den  Nieren  Abscessbildungen  (Pyämia  multiplex). 


Fall.  34. 

* 

Hermann  Schiele,  24  .Jahre  alt,  lediger  Knecht  aus  Worndorf,  bemerkte 
anno  1870  zum  ersten  Male  rasches  Ermüden  des  linken  Beins  und  Anschwellung 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     339 

des  Kniees;  Schmerzen  waren  hierbei  gering.  Die  Tags  über  während  des  Ge- 
brauchs der  Extremität  sicli  vergrössernde  Intumescenz  verschwand  meist  wieder 
durch  die  Nachtruhe.  Langsames  al)er  stetes  Zunehmen  der  Schwäche,  Schwellung 
und  Schmerzhaftigkeit  beeinträchtigten  allmählig  die  Functionsfähigkeit  des  be- 
treffenden Beins  so  sehr,  dass  ungefähr  2  Jahre  nach  Beginn  der  Erki-ankung 
Patient  das  Knie  nicht  mehr  vollständig  strecken,  nur  mit  grösster  Mühe  am 
Stocke  gehen,  schliesslich  kaum  mehr  aufstehen  konnte.  In  diesem  Zustande  kam 
er  am  13.  Juni  1872  in's  Spital.  Daselbst  wurde  nach  eingehender  Untersuchung 
eine  chronische,  granulös -fungöse  Kniegelenksentzündung  (Tumor  albus)  mit 
wenig  Exsudation  diagnosticirt.  Das  Knie  war  ohne  Crepitation  aber  unter 
vielen  Schmerzen  in  geringem  Maasse  passiv  beweglich.  Es  wurden  nun  der 
Reihe  nach  angewendet :  Lagerungsschienen  nebst  Eisblase,  Lagerung  auf  Kissen 
verbunden  mit  kalten  Umschlägen,  Gypsverbände  vom  Fuss  bis  hoch  zum  Ober- 
schenkel ,  Bepinselung  mit  Jodcollodium ,  Emplastr.  hydrarg.  ein. ,  Vesicatoires 
Volants,  aber  alle  diese  Mittel  —  abwechselnd  gebraucht  bis  Mitte  De'zemi)er  — 
hatten  so  wenig  Erfolg,  dass  Patient  nach  Ablauf  dieses  halben  Jahres  dringend 
einen  energischen  Eingriff  verlangte,  um  endlich  von  seinem  Leiden  befreit  zu 
werden. 

Man  entschloss  sich  (am  19.  Dezember)  zur  Resection.  Kurz  vor  derselben 
war  der  Status,  welcher  sich  seit  der  Aufnahme  kaum  verändert  hatte,  folgender : 
Linker  Oberschenkel  adducirt;  Unterschenkel  nach  aussen  rotirt,  in  starker 
Valgusstellung.  Kniegelenk  im  Winkel  von  150"  gebeugt.  Starkes  Hervortreten 
der  Condylen ;  Subluxation  der  Tibia  nach  hinten.  Die  Circumferenz  des  Ober- 
schenkels, 8  Gtm.  oberhalb  der  Patella  gemessen,  ergibt  36  Gtm.  rechts,  30  Gtm. 
links,  in  der  Mitte  der  Patella  rechts  36  Gtm.,  links  39  V2.  Der  Querdurchmesser 
durch  das  Gelenk  beträgt  9  Gtm.  rechts,  links  11.  Druck  überall  über  das  Gelenk 
hin  schmerzhaft,  hauptsächlich  der  auf  die  Condylen,  die  Kniescheibe  und  Knie- 
kehle. Bewegung,  auch  die  geringste,  äusserst  empfindlich.  Die  Untersuchung 
in  der  Chloroformnarkose  weist  Reiben  im  Gelenke  nach. 

Resection.  Gypsverband.  Erwachen  aus  der  Narkose  mit  Krämpfen, 
Brechen.  Das  Präparat  fehlt.  Namittags  Fenster  und  Lagerungsschiene.  War 
seither  nur  geringes,  intermittirendes  Fieber  vorhanden,  so  nahm  sofort  nach  der 
Operation  die  Temperatur  einen  unaufhaltsam  (bis  41°)  steigenden,  remittirenden 
Charakter  an.  Schon  am  23.  Dezember  bezeichneten  2  Schüttelfröste  den  An- 
fang der  Pyämie ,  zu  ihr  gesellte  sich  am  25.  Icterus.  Das  subjective  Verhalten 
des  Patienten  hatte  alsbald  nach  der  Resection  etwas  Unruhiges ,  Aengstliches ; 
sein  Aussehen  war  gedunsen.  Obschon  sich  local  nach  Entfernung  der  Nähte 
theil weise  Verwachsung  zeigte,  die  Wunde  gut  aussah  und  reichlich  Eiter  secer- 
nirte,  so  roch  doch  letzterer  sogleich  schlecht.  Incision  gegen  das  Gap.  fibulae 
hin  und  Drainage  leisteten  keine  Abhülfe.  Gegen  den  eingetretenen  Übeln  All- 
gemeinzustand war  Opium,  Ghinin  und  Säuren  verordnet  worden.  Je  mehr  sich 
die  Verhältnisse  verschhmraerten ,  desto  deutlicher  schlug  die  frühere  Gemüths- 
stimmung  des  Kranken  in  Euphorie  um ,  die  mithin  in  starkem  Contraste  zu 
dem  objectiven  Befunde  stand:  denn  es  complicirte  sich  derselbe  mit  Diarrhöen 
nebst  meteoristischer  Auftreibung  des  Leibes,  Puls  und  Respiration  wurden 
frequent ,  das  Fieber  —  wie  schon  erwähnt  —  sehr  hoch,  die  Wunde  collabirte 
und  stank  cadaverös  —  bis  der  Tod  dem  hoffnungslosen  Zustande  am  30.  Dez. 
Nachts  11  Uhr  ein  Ende  machte. 

Die  Section  des  resecirten  Gliedes  lieferte  folgende  Ergebnisse : 


340  Dr.  W.  Stark. 

»Der  linke  Psoas  in  einen  von  der  gesunden  Wirbelsäule  bis  zur  Mitte 
des  Oberschenkels  reichenden  Abscess  umgewandelt.  Die  Sägeflächen  berühren 
sich  ziemlich  dicht,  die  Knochenenden  etwa  bis  172  Zoll  weit  vom  Periost  ent- 
blösst  und  ebenso  weit  mit  grün  -  gelbhchem  Eiter  durchsetzt.  Keine  weiteren 
Senkungen,  keine  Thromben  in  den  Venen.  Im  rechten  Knie  Eiter.«  Ausserdem 
constatii'te  man  Eiter  in  den  Pleurahöhlen,  Abscesse  in  den  Lungen  (Pyämia 
multiplex),  Schwellung  der  Leber,  Ausdehnung  ihrer  Gallengänge,  der  Gallenblase 
und  des  undurchgängigen  Ductus  choledochus  durch  Anstauung  schleimiger  Galle; 
Vergrösserung  der  Milz;  Schwellung  der  Nierenrindensubstanz. 


Fall  35. 

Christian  W  e  r  n  e  r  ,  24  Jahre  alt,  lediger  Knecht  aus  Denzlingen, 
bekam  1872  Schmerz  am  Gondyl.  extern,  tibiae  rechterseits  und  consecutive 
Schwellung  des  Kniegelenkes.  Er  arbeitete  beständig  bis  Anfang  des  Jahres  1873, 
zu  welcher  Zeit  er  sich  einer  mehrwöchentlichen  Behandlung  in  der  chirurg. 
Klinik  (Bettruhe  und  Gypsverbände)  unterzog,  die  im  Vereine  mit  einer  nach- 
träglichen Badekur  von  6  Wochen  vorübergehend  Besserung  bewirkte.  Becrudes- 
cenz  der  erwähnten  Entzündungserscheinungen  bewogen  ihn,  seine  wieder  auf- 
genommene Beschäftigung  abermals  aufzugeben  und  am  13.  Februar  1874  Hülfe 
im  Spitale  zu  suchen.  Patient  sah  gut  genährt  und  gesund  aus.  Das  rechte 
Bein  war  atrophisch ,  Erheben  desselben  im  Liegen  nur  mit  Nachhülfe  beider 
Hände  möghch.  Die  beträchthche  Geschwulst  des  Kniees  liess  deutlich  Fluctuation 
wahrnehmen.  Massiger  Druck  auf  den  Gond.  ext.  tibiae  erzeugte  lebhaftes 
Schmerzgefühl.  Nach  vorläufiger  Ruhe  erhielt  er  am  25.  Februar  einen  Gyps- 
verband,  welcher  die  untere  Extremität  umschloss.  Doch  die  (spontane)  Schmerz- 
haftigkeit  nahm  zu  trotz  der  stets  ruhigen  Lage,  sie  griff  aber  auf  das  ganze 
Gelenk,  schhesslich  auf  das  ganze  Bein.  Das  Aussehen  des  Kranken  verschlech- 
terte sich.  Der  Urin  enthielt  Spuren  von  Eiweiss.  Unter  solchen  Umständen 
verdiente  die  Resection  den  Vorzug  vor  weiterem  Zuwarten.  Am  15.  Mai  incidirte 
man  (nachdem  Esmarch'sche  Einwickelung  vorhergegangen)  mit  dem  vorderen 
halbmondförmigen  Schnitte  das  Kniegelenk,  aus  welchem  sich  sofort  300—400  Gr. 
blutig  tingirten  Eiters  ergossen.  Das  Periost  des  Femur  löste  sich  spontan;  er 
selbst  musste  zweimal  durchsägt  werden  (Scheibe  von  ^/4  Gtm.  Dicke  das  2.  Mal), 
da  nach  Abtragung  des  Gelenkendes  die  Sägefläche  noch  cariös  entartet  erschien. 
Bei  Entfernung  der  erkrankten  Tibiaparthie  wurde  das  Tibiofibulargelenk  eröffnet 
und  ein  Theil  vom  Capitulum  fibulae  resecirt.  Patella  sammt  Bursa  präparirte 
man  heraus,  vereinigte  die  Haut  theilweise  durch  Nähte,  legte  Drainageröhren  ein 
und  umgab  endhch  das  Bein  mit  einem  vorne  gefensterten  Gypsverbände,  den 
eine  Eisenschiene  verstärkte.  Das  Abends  remittirende  Fieber,  welches  schon  kurz 
vor  der  Operation  bestanden,  überstieg  auch  nach  der  Operation  bis  zum  24.  Juni 
39°  höchstens  um  einige  Zehntel.  Der  Schmerz  nahm  ab.  Die  Albuminurie  hörte 
auf.  Die  Granulationen  zeigten  sich  schlaff.  Die  Eiterung  bot  nichts  Bemerkens- 
werthes;  den  Secretabfluss  unterstützte  zweckmässiger  Wechsel  der  Drainage- 
röhren, ferner  als  dies  nicht  ausreichte,  Incision  an  der  Aussenseite  des  Gelenkes, 
wo  deutlich  Fluctuation.  Dieser  folgte  ebendaselbst  nach  Abnahme  des  Verbandes 
eine  zweite  tiefere  am  24.  Juni,  die  reichlich  Eiter  entleerte.  Dessen  ungeachtet 
blieb  die  Temperatur,   welche   an  diesem  Tage  40°  erreicht  hatte,    die   nächste 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     341 

Woche  sehr  hoch,  wozu  ein  am  28.  Juni  auftretendes  Erysipel  Jedenfalls  beitrug. 
Dieses  dehnte  sich  über  den  Schenkel  ans,  .erreichte  abwärts  schliesslich  die 
Fusssohle  und  Zehen,  erhlasste  allmählig  unter  Fieberabfall  (bis  7.  Juli).  Zur 
nämlichen  Zeit  waren  ferner  Digestionsslörungen,  hartnäckige  Diarrhöen,  die 
trotz  Diät  und  Opium  mit  geringen  Unterbrechungen  auch  in  Zukunft  anhielten, 
und  Albuminurie  vorhanden.  Letztere  stellte  sich  zum  letzten  Male  am  15.  Juli 
ein.  Die  Wundsecretion  stand  bald  vollständig  still  (7.  Juli),  bald  begannen  alte 
Fisteln  (am  17.  Juli  und  13.  August)  wieder  beträchtlicher  abzusondern.  Am 
8.  Juli  gypste  man  die  Extremität  frisch  ein.  Drei  Tage  darauf  unterbrach  unter 
Temperatursteigerung  bis  40,8"  eine  Pneumonie  der  linken,  später  auch  der 
rechten  Seite  den  Benarbungsprozess.  Nach  Ablauf  einer  Woche  minderte  sich 
die  Intensität  ihrer  Symptome.  Aber  am  6.  August  wölbte  sich  die  Dämpfungs- 
region der  linken  hintern  Thoraxseite  deutlich  hervor.  Es  wurde  eine  Aus- 
pumpung des  daselbst  vermutheten  Eiters  versucht  (mit  Dieulaf oy'schem 
Apparat) ,  jedoch  nur  ein  kleines  Quantum  einer  leicht  getrübten ,  stark  luft- 
haltigen Flüssigkeit  mit  miskroskopisch  nachweisbaren  Blut-  und  Eiterkörperchen 
herausbefördert.  Das  Fieber  hielt  sich,  abgesehen  von  bedeutenderen  Remissionen, 
annähernd  auf  demselben  Niveau.  Dazu  kam  noch  Decubitus  am  Kreuzbein 
(27.  Juli),  ebenso  in  der  Nähe  der  Wunde  durch  drückende  Verbandstücke.  Eiter- 
stauung verursachte  am  6.  August  enorme  Schmerzen  und  entzündliche  Röthung 
in  der  Umgebung  des  Gelenkes.  Die  Sonde  vermochte,  ohne  auf  entblössten 
Knochen  zu  stossen,  den  ziemlich  ansehnlichen  Secretmassen  Ausweg  zu  ver- 
schaffen. Eitrige  ünterminirung  der  Operation.«narbe  nöthigte  am  5.  September 
zu  einer  Incision  und  nachträglich  (11.  September)  zur  Beseitigung  des  Gyps- 
verbandes.  Seit  15.  September  beobachtete  man  wachsendes  Oedem  des  linken 
Schenkels,  binnen  Kurzem  auch  solches  der  rechten  unteren  Extremität.  Prost- 
ration der  Kräfte  beschleunigte  den  tödtlichen  Ausgang,  der  am  1.  October  eintrat. 

Neben  den  Folgeerscheinungen  der  diagnosticirten  Pneumonie ,  neben  Ca- 
vernen  und  Tuberkeln  der  Lungen,  Residuen  von  Entzündungen  der  Milz,  Nieren 
und  des  Darms  ergab  die  Section: 

»An  der  Innenseite  des  rechten  Oberschenkels  bis  zur  Mitte  einen  dem 
Periost  aufsitzenden  Abscess.  Die  Sägefläche  des  Oberschenkels  ist  an  der  hinteren 
Hälfte  usurirt,  schief  abgeflacht,  so  dass  die  Sägefläche  die  Hälfte  der  ursprüng- 
lichen betragen  mag.  Sägefläche  missfarbig,  Knochenmark  des  Oberschenkels 
gelbroth,  keine  Zeichen  von  Entzündung.  Osteophytenbildung  sehr  spärlich.  In 
der  rechten  Vena  femoralis  frische  Gerinnsel,  in  der  linken  ein  derber,  in  der 
Mitte  gelbbrauner,  der  Wand  fest  anhaftender  Thrombus.« 


Fall  36. 

Marie  Gassenschmidt,  23  Jahre  alt,  aus  Brandenberg,  litt  von  Jugend 
auf  an  Lymphdrüsenvereiterungen  (des  Halses).  Anfangs  Januar  1874  bemerkte 
sie  Schmerzen,  Röthung  und  Schwellung  an  der  linken  Wade,  woselbst  von 
einem  consultirten  Arzte  eine  Incision  gemacht  und  viel  Eiter  entleert  wurde. 
Nichts  destoweniger  traten  schon  nach  14  Tagen  sehr  starke  Schmerzen  und 
Anschwellung  des  linken  Kniees  auf,  so  dass  es  nicht  mehr  bewegt  werden 
konnte.     Bei  der  Aufnahme  am  9.  März  1874  constatirte  man  —  abgesehen  von 


342  Dr-  W.  stark. 

breiten,  lividen  Narben  und  dünnes  Secret  absondernden  Fisteln  an  der  rechten 
Clavicula,  am  Halse  und  zu  beiden  Seiten  des  Unterkiefers,  —  Auftreibung 
des  linken  Kniegelenkes,  dessen  grösster  Umfang  37  Ctm.  (gegen  35  rechts) 
betrug,  ferner  Empfindlichkeit  der  Condylen  des  Oberschenkels  und  der  Tibia 
auf  Druck.  Das  Kniegelenk  schien  unbeweglich,  in  einem  Winkel  von  117" 
fixirt.  Im  oberen  Drittel  des  Unterschenkels  fand  sich  eine  kleine,  mit  Granu- 
lationen überwucherte  Oeffnung,  durch  welche  die  Sonde  6  Ctm.  weit  nach  innen 
und  oben  eindrang.  Patientin  erhielt  einen  Extensionsverband  (5  +  2  Kilo). 
Aber  schon  3  Tage  nachher  nöthigte  ein  an  der  äusseren  Seite  des  Unterschenkels 
entstandener,  lufthaltiger  (Succussionsgeräusch  und  tymp.  Schall)  Abscess  von 
6  Ctm.  Länge,  für  dessen  Eröffnung  und  freien  Abfluss  seines  dicklichen  Inhaltes 
durch  2  Incisionen  nebst  durchgeführter  Drainage  gesorgt  worden  war,  zur  An- 
legung eines  gefensterten  Gypsverbandes.  Die  Wundbedeckung  geschah  durch 
Carbolcompressen.  In  den  nächsten  Tagen  traten  Röthung,  Intumescenz  und 
Schmerzhaftigkeit  der  Incisionsstelle ,  begleitet  von  leichten  Fiebererscheinungen 
auf.  Am  7.  April  wurde  der  Gypsverband  wegen  starker  Schmerzen  am  Cond. 
extern,  tibiae,  wo  zugleich  etwas  Schwellung  sich  vorfand,  abgenommen.  Eine 
Drahthose  diente  vorderhand  als  Fixationsmittel. 

Den  10.  April  entleerten  3  weitere  Einschnitte  eine  erhebliche  Menge 
von  ziemlich  übelriechendem,  hämorrhagischem  Eiter.  Trotz  mehrfacher  Drai- 
nirung  fieberte  Patientin  an  diesem  und  den  nächsten  Tagen  sehr  bedeutend 
(bis  40°) ,  bis  am  14,  nach  einem  lang  anhaltenden  Schüttelfroste  die  Tempe- 
ratur wieder  zur  Norm  herabsank.  Die  ödematöse  Schwellung  und  Röthung 
verloren  sich  alsdann  vollständig  sammt  einer  kurz  zuvor  bemerkten  Lymphan- 
goitis.  Die  in  letzter  Zeit  (seit  10.  April)  massenhafte,  übelriechende  Eiterung 
wurde  massig  und  gut;  Schmerzhaftigkeit  der  Condylen  bestand  jedoch  fort, 
am  äusseren  war  undeutlich  Fluctuation  erkenntlich  (22.  April).  Bei  einer  am 
1.  Mai  angestellten  genauen  Untersuchung,  —  bei  der  neben  den  bisherigen  Er- 
gebnissen besonders  noch  active  Erhebungsfähigkeit  des  hnken  Beins  in  geringer 
Entfernung  von  der  Unterlage,  Schmerzlosigkeit  bei  indirectem  Drucke,  dagegen 
lebhafte  Schmerzen  bei  Rotationsbewegungen  festgestellt  wurden,  —  traf  eine 
dicke  Sonde  von  der  zunächst  unterhalb  des  Kniees  gelegenen  Incisionsöffnung 
aus  nach  oben  und  innen  am  Ende  des  Fistelgangs  eine  rauhe  Stelle,  welche 
dem  Cond.  extern,  femoris  angehörte.  Man  schritt  desshalb  ungesäumt  zur 
Resection.  Sie  verlief  folgendermassen :  Blutstillende  Einwickelung  nach  Es- 
march.  Vorderer  Querschnitt,  Loslösung  des  leicht  abhebbaren  Periostes. 
Absägung  der  erkrankten  Femur-  und  Tibiaenden,  deren  Knorpel  vaskularisirt, 
weich,  an  der  Gelenkfläche  des  tbnd.  extern,  in  geringer  Ausdehnung  usurirt. 
Das  Knochenmark  hyperämisch ;  an  der  hinteren  Fläche  der  Tibia  finden  sich 
2  vom  Knochen  ausgehende  Abscesse.  Entfernung  der  Patella  und  der  Bursa, 
des  M.  quadriceps;  an  ihr,  sowie  an  der  Synovialhaut  Tuberkelknoten  sichtbar. 
—  Gefensterter  Gypsverband  mit  Beckengürtel.  Die  äusserste  Temperaturgrenze 
war  durch  längere  Zeit  nach  der  Operation  39°.  Offene  Wundbehandlung  trat  von 
jetzt  ab  anstelle  der  bisher  gebrauchten  Carbolcompressen.  Eine  Billroth'sche 
Lagerungsschiene  unterstützte  die  resecirte  Extremität.  Drainage  verschaffte  dem 
reichlichen,  aber  guten  Eiter  freien  Abfluss.  Das  Allgemeinbefinden  wurde 
hauptsächlich  durch  anhaltende  Schmerzen  und  Appetitlosigkeit  beeinträchtigt. 
Granulationen  wucherten  ziemlich  üppig  empor.  Verschiebungen  der  betreffenden 
Knochenstümpfe    aneinander.    Decubitus    am    Kreuzbein    und    an    verschiedenen 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     343 

durch  die  Gypshülse  gedrückten  Stellen,  machten  mehrmaliges  Wechseln  des 
Verbandes  mit  zweckentsprechenden  Abänderungen  desselben  (zweitheiliger,  durch 
Eisen-  und  Watson'sche  Schienen  zusammengehalten)  nebst  dem  Gebrauche 
eines  Wasserkissens  nothwendig. 

Vom  20.  Mai  an  gingen  die  Fieberwellen  Abends  sehr  hoch  (Temperatur- 
stand durchschnittlich  40",  einmal  sogar  41,1°).  Zunehmendes  Oedem  des  rechten 
Beins  konnte  seit  19.  Mai  wieder  constatirt  werden.  Eine  fluctuirende  Stelle  auf 
der  Mitte  des  Femur,  etwa  1  Zoll  von  der  Sägefläche  entfernt,  wurde  durch  eine 
hicision  ihres  eitrigen  Inhaltes  entledigt.  Den  22.  bekundete  icterische  Färbung 
der  Conjunctiva  und  Gallenreaction  des  Urins  das  Auftreten  eines  Icterus.  Die 
Leber  vergrösserte  sich.  Der  Decubitus,  welcher  am  18.  Mai  bereits  begonnen 
hatte,  ein  schwärzliches  Colorit  anzunehmen,  reinigte  sich  unter  Anwendung  von 
Kataplasmen.  Letztere  wendete  man  auch  gegen  eine  Druckgangrän  (27.  Mai) 
am  rechten  Schenkel,  welche  hervorgerufen  worden  war,  durch  das  hervorragende 
Ende  einer  Schiene  an.  Die  Granulationen  der  Operationswunde  sahen  seit  24.  Mai 
schlaff  aus.  Das  Secret,  welches  zuvor  nur  einmal  (am  13.  Mai)  übel  roch, 
bot  diese  schlimme  Eigenschaft  von  nun  an  in  stets  intensiverem  Grade.  In 
grellem  Widerspruch  mit  dieser  Verschlechterung  der  objectiven  Beobachtungs- 
resultate stand  das  subjective  Wohlbefinden.  Es  war  das  erste  Zeichen  der 
Trübung  des  Sensoriums,  bis  am  4.  Juni  vollständiges  Coma  eintrat.  Zwei  Tage 
früher  war  die  Kranke  von  4  Schüttelfrösten  befallen  worden. 

Sie  starb  am  5.  Juni  Abends  5  Uhr  in  Folge  der  Septo-Pyämie.  Ihre 
Angehörigen  verweigerten  die  Obduction. 


Fall  37. 

Johann  Vogelbacher,  16  Jahre  alter  Fabrikarbeiter  aus  Buch  (Walds- 
hut), kam  am  9.  November  1874  in's  Spital.  Er  Utt  an  einer  chronischen  Ent- 
zündung des  linken  Kniegelenks  (Tumor  albus),  die  bereits  auf  Knorpel  und 
Knochen  übergegriffen  hatte.  Patient  fieberte  schon  bei  seiner  Aufnahme.  Weil 
nach  zweimaliger  Carboleinspritzung  (am  13.  und  15.  November)  die  Affection 
in  gleicher  Weise  fortschritt,  fand  am  30.  unter  Lister's  Spray  die  Resection 
statt.  Die  Patella  Stack  in  einer  dicken  Schale  speckigen  Gewebes,  war  an  der 
Hinterfläche  ihres  Knorpelüberzuges  beraubt,  der  Knochen  daselbst,  sowie  an 
dem  unteren  abtastbaren  Theile  der  Vorderseite  rauh ;  der  übrige  schien  gut  er- 
halten. Die  grösste  Länge  des  Femurendes,  welches  sich  aus  3  Stücken  zu- 
sammensetzte, betrug  4*/4  Ctm.  (am  Gond.  int.),  der  Durchmesser  seiner  Sägefläche 
von  rechts  nach  links  7  Ctm.,  von  vorn  nach  hinten  3^2  Ctm.  Der  aufge- 
lockerte Knorpel  hing  lose  den  Knorren  des  Oberschenkelbeins  an  und  hatte 
an  verschiedenen  Stellen  Lücken,  durch  welche  arrodirter  Knochen  durchblickte. 
Allenthalben  (vorwiegend  in  der  Fossa  poplitaea)  fand  man  theils  krümehge, 
theils  schwartige  Excrescenzen.  Die  Tibiascheibe  war  1  Ctm.  dick.  An  der 
vorderen  Seite  sassen  verdickte  Kapselreste.  Besonders  an  der  inneren,  weniger 
an  der  äusseren  Gelenkfläche  war  der  Knochen  denudirt.  Von  der  Eminentia 
breiteten  sich  hauptsächlich  auf  die  letztere,  in  geringerem  Maasse  auf  erstere, 
*  granulöse  Wucherungen  aus. 

Einem  vorübergehenden  Sinken  der  Temperatur  bis  zu  36,4°  folgte  schon 
am  dritten  Tage  nach  der  Operation  Ansteigen  der  Curve,   die  am  5.  Dezember 


344  DJ"-  W.  stark. 

mit  40,5°  ihren  Höhepunkt  erreichte.  Die  Remissionen  des  Morgens  bewegten 
sich  meistens  in  den  Grenzen  des  Normalen.  Ende  Dezember  und  Anfangs  Januar 
nSthigte  das  Auftreten  von  Abscessen  theils  in  der  Tiefe  der  Wundhöhle,  theils 
unterhalb  des  Periostes  mehrmals  zu  Incisionen.  Die  zurückgebliebenen  Hohl- 
räume und  fistulösen  Gänge  musste  man  am  4.  Februar  mit  dem  S  i  m  o  n'schen 
Löffel  auskratzen.  Dies  wurde  am  12.  März  wegen  Exacerbation  des  Fiebers  (bis 
39,5°),  ödematösem  Aussehen  der  Fisteln  und  sehr  reichlicher  Eitersecretion  in 
der  Chloroformnarkose  wiederholt,  ferner  eine  an  der  Innenseite  des  unteren  Unter- 
schenkeldrittels befindliche  Oeffnung,  die  suprafascial  sowohl  nach  oben  als  nach 
unten  weiter  führte,  in  grosser  Ausdehnung  gespalten.  Mit  Liquor  ferri  getränkte 
Gharpie  stillte  die  Blutung.  Daran  schloss  sich  eine  Untersuchung  der  nach 
Aussen  gelegenen  Fisteln,  wobei  die  eingeführte  Zinnsonde  a.uf  die  Sägefläche 
des  Femur  gelangte,  welche  bioslag.  Uebler  Geruch  des  Eiters  am  14.  März 
verrieth,  dass  auch  durch  diesen  Eingriff  keine  Besserung  des  localen  Zustandes 
erzielt  worden  war,  wesshalb  am  16.  Galvanocaustik  zur  Anwendung  kam.  Die 
Temperatursteigerung  aber  hatte  schon  vor  letzterer  einer  Apyrexie  Platz  ge- 
macht, die  mit  zeitweiser  Unterbrechung  mehrere  Monate  anhielt.  Auch  die 
Eiterung  wurde  massig,  doch  bläulich  gefärbt  und  behielt  den  Gestank  bei.  Mit 
Blut  vermischte  Diarrhöen  (Mitte  März)  deuteten  auf  ulceröse  Prozesse  im  Darm. 
Der  Kranke  sah  sehr  schlecht  aus;  dessgleichen  die  Granulationen,  welche,  ob- 
gleich mit  Lapis  geätzt,  wieder  aufzuquellen  begannen.  Desshalb  nahm  man 
am  16.  April  aufs  Neue  ein  Evidement  mit  dem  Simon'schen  Löffel  in  der 
Narkose  vor  mit  nachfolgendem  Touchiren  mittelst  des  Ferrum  candens.  Daran 
schloss  sich  eine  roborirende  Behandlung  (frische  Luft,  Bäder  etc.),  welche  so- 
wohl den  Kräftezüstand ,  als  den  örtlichen  Prozess  so  günstig  beeinflusste,  dass 
Patient  von  Anfang  Juni  bis  Mitte  Juli  mit  einem  Schienenverbande  versehen, 
an  Krücken  umhergehen  konnte.  Bald  nach  einer  abermaligen  Ausschabung 
nebst  Cauterisation  der  Fisteln  und  cariösen  Knochenparthien  (16.  Juli)  stellte 
sich  eine  Temperaturerhöhung  bis  40,6°  (am  25.  Juli)  ein,  mit  welcher  den  3.  Au- 
gust ein  Erisypel  sich  complicirte,  das  unter  bedeutender  Affection  des  Allgemein- 
befindens (Schmerzen,  Mattigkeit,  Appetitlosigkeit,  Erbrechen,  Diarrhöen,  Icterus) 
vom  Fusse  an  bis  zum  Lig.  Poupartii  weiter  kroch,  ja  sogar  den  Hodensack  er- 
griff. Am  Malleol.  externus  des  linken  Beins  und  dem  Scrotum  bemerkte  man 
am  9.  August  Hautgangrän ,  die  an  ersterer  Stelle  bald  granulirte ,  an  letzterer 
aber  rasch  an  Ausdehnung  gewann,  so  dass  die  ganze  Haut  bis  zur  Wurzel  des 
Penis  abstarb,  das  Unterliautzellgewebe  in  Fetzen  heraushing  und  am  13.  beide 
Hoden  bloslagen.  Auch  Kopf-  und  Gesichtsrose  kamen  hinzu.  Die  Mund-  und 
Rachenschleimhaut  war  sehr  empfindlich  und  in  Blasen  abgehoben.  (Arg.  nitr. 
5°/8  zum  Pinseln.)  Damit  verbanden  sich  Abscedirungen  am  Kreuzbein  (14,  Aug.) 
und  nach  aussen  vom  linken  Sitzbeinhöcker  (18.  August),  von  denen  jene  spontan, 
diese  künstlich  ihres  eitrigen  Inhaltes  entledigt  wurden.  Eine  Untersuchung  der 
inneren  Organe  am  18.  August  ergab  Dämpfung  beider  Lungenspitzen  und  stark 
vergrösserte,  brettharte  Leber.  Ferner  Eiweiss  im  Urin.  Unter  stetiger  Zunahme 
des  Collapses  starb  der  Kranke  am  Morgen  des  19.  September  1875. 

Die  einschlägige  Stelle  des  Sectionsberichtes  lautet: 

»Am  linken  Oberschenkel  zeigen  sich  mehrere  Fistelöffnungen.  Mit  der 
Sonde  kommt  man  auf  cariösen  Knochen,  der  dem  Oberschenkel  zugehört,  ebenso 
entsprechend  der  hintern  Seite  der  Tibia.  Starker  Decubitus  am  Kreuzbein.  An 
der   hintern   Seite    des    linken   Ober-    und   Unterschenkels    etwa    handlange   Ge- 


Beiträge  zu  der  Statistik,  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     345 

schwürsflächen  mit  theils  unterminirten  Hauträndern  und  mit  grüngelbem  Eiter 
bedeckt.« 

Ausserdem  waren  die  Zeichen  von  Tuberculosis  pulmonum ,  pleurae, 
diaphragmatis ,  Peritonitis  tuberculosa,  Degeneratio  amyloidea  hepatis  et  lienis 
und  Morbus  Brightii  vorhanden. 


Fall  38. 

Maximilian  Thoma,  12  Jahre  alt,  aus  Attenthal,  der  längere  Zeit  an 
Drüsenvereiterungen  in  der  Halsgegend  litt,  bemerkte  gegen  Herbst  1874 
Schwellung  und  Schmerzhaftigkeit  des  linken  Kniegelenkes,  das  sich  zugleich  zu 
krümmen  begann.  Seit  Anfang  des  Jahres  1875  war  die  Gebrauchsfähigkeit  des 
linken  Beins  vollständig  aufgehoben.  Die  nämlichen  Symptome  stellten  sich  am 
linken  Ellenbogen  ein,  nur  dass  die  Bewegungen  des  schon  lange  in  einem 
stumpfen  Winkel  fixirten  Armes  vom  Februar  an  durch  Schmerzhaftigkeit  bloss 
beeinträchtigt  wurden.  An  ihm  fanden  sich  bei  dem  Eintritte  des  Patienten 
den  22.  Februar  1875  zwei  wenig  secernirende  Fisteln  vor. 

Beide  Extremitäten  erhielten  je  einen  Gypsverband,  das  Bein  jedoch  erst, 
nachdem  durch  allmählige  Extension  fast  yölhge  Streckung  erzielt  worden.  "^ 
Dieselben  blieben  bis  19.  April  liegen.  Bei  ihrer  Entfernung  zeigte  sich  der 
krankhafte  Prozess  (Synovitis  granulosa)  an  beiden  Gliedern  im  Fortschreiten 
begriffen,  was  besonders  am  Knie  die  sehr  vermehrte  Schwellung  und  Schmerz- 
haftigkeit zur  Genüge  bewies.  Man  ging  desshalb  am  3.  Mai  zur  operativen 
Thätigkeit  über,  trotzdem  dass  —  ungeachtet  des  stets  vorhandenen,  massigen 
Fiebers  —  das  Aussehen  und  der  Appetit  des  Kranken  nicht  Noth  gelitten  hatte ; 
doch  ergab  eine  mikroskopische  Blutuntersuchung  eine  ziemlich  hochgradige 
Leukämie. 

Am  Ellenbogengelenke  musste  zunächst,  weil  von  den  zwei  Fisteln  der 
Badialseite  die  Haut  daselbst  weithin  unterminirt  worden  war,  ein  mehr  als 
3  Thaler  grosses  Stück  weggeschnitten  werden.  Hierauf  folgte  Auskratzen  der 
das  Gelenk  durchsetzenden  Fistelgänge  mit  einem  kleinen  Simon'schen  Löffel, 
schliesslich  Einlegen  zweier  Drainageröhren.  Das  Kniegelenk  wurde  resecirt, 
von  Tibia  und  Femur  aber  nur  massig  dicke  Scheiben  abgetragen.  Nachher  kam 
die  Exstirpation  der  Patella,  Entleerung  einer  bis  zur  Hälfte  des  Oberschenkels 
hinauf  sich  erstreckenden  Eiteransammlung  in  der  Bursa  des  Muse,  quadriceps, 
endlich  Drainirung  der  letzteren  durch  verschiedene  vorausgegangene  Einschnitte, 
ebenso  Drainage  des  Gelenkes.  Esmarch'sche  Einwickelung  und  Lister'sche 
Methode  hatte  man  bei  beiden  Operationen  eingehalten.  Die  Patella  war  in 
beinahe  2  Ctm.  dicke,  schwartige  Massen  (infiltrirte  Kapselreste  etc.)  eingelagert. 
Die  Hinterfläche  erschien  intact,  an  der  vordem  bemerkte  man  bloss  central 
röthlichbi  aune  Verfärbung.  Die  Länge  der  abgesägten  Femurepiphyse  betrug 
2  Ctm.;  der  Durchmesser  ihrer  Sägefläche  frontal  7  Ctm.,  sagittal  3  Glm.  Am 
inneren  Gelenkknorren  war  in  einer  Ausdehnung  von  3^2  Ctm,  der  bräunlich 
tingirte  Knorpel  zerstört.  Am  Cond.  ext.  schimmerte  es  grünlich  aus  den 
tiefern  Schichten  des  an  der  Oberfläche  noch  glatten  und  glänzenden  Knorpels. 
Die  Superficies  articularis  interna  der  1  Ctm.  dicken  Tibiascheibe  trug  in  der 
Mitte  Decubitus  zur  Schau.  Ausserdem  überzogen  dieselbe  von  der  Seite  her 
synoviale   Wucherungen.     Vorn    und    aussen    hingen   der    im    Uebrigen    intacteu 


346  Dr.  W.  stark. 

Gelenkfläche  Ueberreste  der  verdickten ,  speckigen  Kapsel  an.  Am  Abende 
trat  durch  den  Collaps  eine  Temperaturerniedrigung  von  34,5"  ein,  die  in 
vermindertem  Maasse  auch  den  folgenden  Tag  noch  fortdauerte.  Dann  erhob 
sich  die  Curve  wieder  bis  zu  39",  welcher  Fieberstand  mit  sehr  ausgiebigen 
morgendlichen  Remissionen  bis  gegen  Mitte  Juni  annähernd  derselbe  blieb. 
Ueber  Schmerzen  klagte  der  Operirte  stets ,  wenn  auch  in  wechselndem  Maasse. 
Einen  beginnenden  Decubitus  (12.  bis  17.  Mai)  behandelte  man  erfolgreich  mit 
Alkoholwaschungen.  Die  Wunden  fingen  an,  reichlich  zu  eitern.  Im  Knie- 
gelenke bildete  sich  Subluxation  und  Auswärtsrotation  (des  Femur)  aus,  die  allen 
Versuchen,  durch  zweckmässige  Lagerung  oder  Verbände  (Blechschiene,  Seiten- 
schienen, Compressivverband)  eine  dauernde  Stellungsverbesserung  zu  erzielen, 
Widerstand  leisteten,  Uebrigens  nahm  daselbst  die  Eitersecretion  der  Haupt- 
wunde ab,  nur  die  der  Incisionswunden  in  die  Bursa  währte  in  gleicher  Weise 
fort.  Die  Granulationen  sahen  ziemlich  gut  aus.  Noch  weniger  günstig  war  das 
Resultat  am  Ellenbogengelenke.  Auf  eine  Verringerung  der  Eiterung  folgte 
massenhafte  Production  bei  blasiger  Erhebung  der  schlaffen  Granulationen. 
Indirecter  Druck  steigerte  die  spontane  Schmerzhaftigkeit  des  Gelenkes.  Kleine 
Rotationsbewegungen  Hess  der  Resecirte  zu.  Dieser  Status  verschlechterte  sich 
mehr  und  mehr.  Es  wurde  desshalb,  tiotzdem  dass  die  Temperatur  in  den 
letzten  Tagen  etwas  gesunken  (38,5°),  am  20.  Juni  das  afficirte  Gelenk  durch 
Resection  beseitigt  (Hüter'scher  Radialschnitt).  Der  Hümerustheil  hatte  3  Gtm. 
Länge;  sein  Durchmesser  von  rechts  nach  links  belief  sich  auf  4  Gtm.  Der 
Gelenkknorpel  erwies  sich  an  der  vorderen  Parthie  in  einer  Querausdehnung  von 
3  Gtm.  zerstört  und  liess  so  cariöses  Knochengewebe  zu  Tage  treten.  Die  Fossa 
supratrochlearis  war  durch  den  eben  erwähnten  Prozess  in  ein  Foramen  um- 
gewandelt. Der  aus  zwei  Stücken  bestehende  Gelenktheil  der  Ulna  (Olecranon 
und  Proc.  coron)  hatte  3'/2  Gtm.  Länge.  Der  Knorpel  zeigte  sich  mit  Ausnahme 
desjenigen  der  abgebrochenen  Olecranonspitze  aufgezehrt  und  hatte  cariösem 
Knochengewebe  seinen  Platz  eingeräumt.  Die  Sägefläche  zog  von  hinten  und. 
unten  -nach  vorn  und  oben.  Gelenktheil  des  Humerus  und  der  Ulna  betrugen 
nach  der  Goaptation  4  Gtm.  Die  Radiusparthie,  welche  sich  gleichfalls  aus  zwei 
Stücken  zusammensetzte,  war  1  Gtm.  dick,  des  Knorpels  verlustig  und  durch  Garies 
zerstört.  Das  Fieber  betrug  bis  Anfangs  August  durchschnitthch  39,5°  mit  sehr 
erheblichen  Remissionen  am  Morgen.  Der  immer  schwächer  werdende  Kranke 
hatte  ein  Erysipel  des  Armes  durchzumachen,  das  vom  26.  JuU  bis  3.  August 
anhielt.  Mitunter  stellten  sich  Erbrechen  und  Diarrhöen  ein,  gegen  welche 
man  Opium  und  Tannin  anwendete. 

Den  vollständigen  Verfall  der  Kräfte  beschleunigte  neben  der  fortbestehenden 
hohen  Temperatur  hauptsächlich  Degeneration  der  Leber  und  Milz,  —  diagnosticirt 
aus  der  zunehmenden  Vergrösserung  und  Verhärtung  derselben  —  welche  sich 
mit  Ascites  und  Oedem  der  Bauchdecken  complicirte.  Auf  der  linken  Seite  der 
letzteren  entwickelte  sich  acht  Tage  vor  dem  Tode,  der  den  Patienten  am  17.  No- 
vember Morgens  hinwegraffte,  eine  Anschwellung,  nach  deren  spontanem  Auf- 
brechen kolossale  Mengen  Eiters  sich  entleerten. 

Die  Section  ergab  etwas  Compression  beider  Lungen  durch  röthlich  ge- 
färbtes Exsudat;  Oedem  derselben;  in  beiden  Miliartuberkel.  Geringe  Pericarditis, 
Ascites.  Verkäsung  in  den  Lymphdrüsen  des  Mesenteriums.  Subperitoneale 
Abscessbil  düng  über  dem  linken  Psoas  mit  Senkung  nach 
dem  linken   Schenkel    (bis  zum  unteren  Drittel) ,    Garies  des  Ellenbogen- 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     347 

und  Kniegelenkes  linkerseits,  Amyloiddegeneration   von  Leber,  Milz.     Verkäsung 
in  Nieren  und  Nebennieren. 

Die  Verlustliste  auf  Seite  348  lässt  folgende  Schlüsse  zu : 

In  keinem  der  mit  Tod  endigenden  Falle  erzeugte  die  Resec- 
tion  einen  anhaltend  antifebrilen  Effect,  indem  auch  bei  Nr.  37,  wo 
ein  solcher  constatirt  wurde,  schon  am  dritten  Tage  wieder  sich 
Fieber  einstellte.  In  3  Fällen  (33,  34,  36)  —  also  der  Hälfte  der 
Gestorbenen  —  erschien  Pyämie,  der  (wie  früher  erwähnt)  ge- 
fährlichste Feind  dieser  Resection ,  als  Todesursache.  Der  Exitus 
erfolgte  bei  Nr.  33  =  18  Tage,  bei  Nr.  33  =  11  Tage,  bei  Nr.  36 
=  1  Monat  und  4  Tage  nach  der  Operation. 

In  den  3  übrigen  Beispielen  trugen  bei  Nr.  35  Tuberkulose, 
bei  Nr.  37  das  complicirende  Erysipel,  bei  Nr.  38  Amyloidentartung 
die  Hauptschuld  am  Tode.  Er  ereignete  sich  bei  35  nach  beinahe 
5  Monaten ,  bei  37  nach  fast  10  Monaten  und  bei  38  nach  etw^a 
^'2  Jahre. 

Nur  die  drei  zuerst  angeführten  Todesfälle  können  also  direct 
der  Operation  zur  Last  gelegt  werden. 


348 


Dr.  W.  Stark. 


00 
X      , 

3  5 
p'  3 

f3    p 


^g 


»So 

F  < 


£.  fD    (D 


3        aq 


O 

t/1     fO 

3'  "-! 


3  o^  :;  sr 


rf  2 


'SH 


Dj  C5   P     — - 


n;*  "^      f^        "c 


3        ?^     >■    CB 


0  2.  3   ^(K   ^ 
3  c(o  3  ti;  '^  '^ 

fD   '^    >-  P   S   3 


^   3 


5'Q 


<5    S 


|0  0 

D    cc    Ol 


2    CtJ    et 


C''"J5   s-  w  &>  H 
p;  ro   o   05  p   -3 

3   B'  ?^  ^  fß   CL 

^   &  I    <^^ 

p  H  H  fD    , 

^  3    -.    h^  3     I     jt, 

£^  tr  uj  H  2  T"  3* 

2-  "^  ~'  Hj    3    Kf^  cn 

fD  Oj  rD  "-<  '^  K  fO 
^  CD  — '  CÄ  ■<  I — ^  Qj 
<   3     I    <-■•  IX.   . 1  ■:;• 

p:  S    •— '  ^ — ^         >-:  (IfQ 

'il.io.  Jh  I  o^  r-.  2 
p^  fD   o    I    1^   ^\:i 

3  g  S.  .«=  ST  2.  , 
'     ^   3   S  '^   ^   i-i 


p  p 


(D    p 


n- 


3-     . 
P   •< 


tr  CD  H 


►i     CT  CD 

o:  S'g. 
3^  er  c 


og  3  M^ 

^  i-"  P     rn    "^ 


CD 

3   c:> 
P   3" 


W    P    I-!  ,'!-' 
3   S^-B   3 


2.01 


W  Ü3 


.-  "f^ 


JIT.  CD 
CD  Ö" 
CfQ    CD 


><; 


CD    , ,  t"? 

p!  "C    O  CD 

CD  05    (D    7--  Q* 

P    _    ^  tn 

2.  •    —  2  '^' 

f^'  .-^  '5'  2  — 

CD    -•  S.'^  C 


P    3    3    ,_, 

,    „.  s  a.  c^  — 
!3>3ci?2    I 

=  :.§  OO^ 
3  :i  p:  S'  3  3 

p  N  3  ^^  c^  a. 

C    3"    I     S    O    CD 

s;-  S"      n>  <^  2 

CD    P    p    r^  j-    2 

I  1  f  7  I  i? 


o»  >< 


0 

2  ^<3-i 

0     CD    CD 

H 

3-  P    CD 

•"'  . 

S-^i. 

CD 

CCr-    0 

►-*      w'      ^ 

0 

J^        ■""       *^ 

fA 

C    CD  ' 


Gj  P 


txl 


^  er 

CD    CD 


-.    "  rD 
CD    i-i 

Cß  er  3 

C^    CD    P 

3^  2  »5 

r^   2 

cp_''-2  c 
irp  d:  3 

c-H  2  o 
aq  - 


3  t> 

o  cr 

3  5 

3  £. 


Cd-. 

CD    2 

3*  ^ 
3    N 


I  :ös  9 


CD    CD    I 


P"  P    CD 

o  p   3_ 


o  oi  S  '^  S 


10  r 


I 


pi  ü» 


^3   i» 


2.  ?" 


p 


P    S.' 


CD     N 

P3= 

cd' 

CD    2 
"■   Cfl? 

53  CD 

2 

CD     3 

r«.. 

' 

a.  P 

P"  H 
CD    p- 

t-* 

3   ^ 

■-ä 

TT  0 

er 

<    0 

2.3 

*-i 

2  p 

^ 


Alter 


H-j     CD 
'<1     p' 


r-3 


S  3 
^  p 

CL  CD 


P-ö 
^§ 

3  m 
i-Ö  o 

^-S    CD 
Q    3 

tfl' 

-  o 

O  n 


^< 


W 

3- 

1-! 
P 

ri 

■^ 

ff 

:o 

P 

MNl 

Cfl 

CD 

P 

p 

2. 

rs 

Qj 

3i-" 

Qj 

i-j    cn    Cfl 


p:  cn    p:  P    P- 
3   g   3 

cn   cn         '^ 


P   P   P 

m  ^^    !ir  CD 


!3  p  2  ^• 


-D 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     349 
Die  Krankengeschichten  der  Genesenen  gestalteten  sich  wie  folgt: 

Fall  39. 

Severina  Grieshaber,  14  Jahre  alt,  aus  Grimmeisbach,  stammt  aus 
einer  gesunden  aber  armen  Familie  und  wohnte  seit  1866  in  einem  feuchten 
Hause.  Obschon  ihr  ein  Jahr  zuvor  das  Gehen  durch  eine  spontan  entstandene 
Schwellung  des  rechten  Kniegelenks  beschwerlich  und  schmerzhaft  geworden 
war,  ging  sie  dessen  ungeachtet  noch  2  volle  Jahre  herum,  ohne  ärztliche 
Hülfe  zu  Rathe  zu  ziehen.  Alsdann  erst  (1867)  ging  das  Kind  auf  8  Tage  in 
das  hiesige  Spital,  wo  sich  zwar  durch  Einreibungen  und  Schienen  verbände  die 
Schmerzen  dauernd  milderten ,  nach  dem  Aussetzen  derselben  jedoch  die  An- 
schwellung des  rechten  Knies  zu-,  die  Beweglichkeit  dagegen  abnahm.  Eine 
5  Jahre  später  (Herbst  1872)  im  Mutterhause  dahier  eingeleitete,  12wöchent- 
liche  Behandlung  mit  Jodbepinselungen  und  Gypsverband  hatte  bezüglich  der 
Verminderung  der  Geschwulst  und  Vermehrung  der  Excursionsfähigkeit  aus- 
giebigeren Erfolg.  Leider  vernichtete  ein  um  Weihnachten  dieses  Jahres  bei 
nasskalter  Witterung  zurückgelegter  weiter  Marsch  das  zuletzt  gewonnene  Re- 
sultat. Es  exacerbirte  der  seither  chronisch  verlaufende  Krankheitsprozess :  Unter 
Fieber  und  Abmagerung  der  hierdurch  beständig  bettlägerigen  Patientin  wurde  das 
Gelenk  äusserst  schmerzhaft ,  die  Haut  darüber  heiss  und  intensiv  geröthet.  So 
währte  das  Leiden  4  Monate,  bis  sich  an  der  äusseren  Seite  des  Knies  2  weiche 
Beulen  hervorwölbten,  welche,  —  nachdem  sie  gänseeigross  geworden,  —  der 
herbeigerufene  Arzt  am  15.  Mai  1873  incidirte,  wodurch  V2  Maas  gelbröthlichen 
Eiters  entleert  wurde.  Zehn  Tage  darnach  liess  sich  das  Mädchen  in's  hiesige 
Hospital  verbringen.     Der  alsbald  aufgenommene  Status  ergab : 

Die  schwächlich  gebaute,  sehr  magere  Kranke  klagt  über  bedeutende 
Steigerung  der  bestehenden  Schmerzen  bei  den  leichtesten  actlven  oder  passiven 
Bewegungen  des  massig  abducirten  und  nach  aussen  rotirten  rechten  Beins.  Der 
Unterschenkel  ist  etwas  nach  hinten  subluxirt,  die  ganze  Unterextremität  atro- 
phischer und  kürzer  als  die  gesunde;  Umfang  des  Oberschenkels  10  Ctm.  ober- 
halb der  oberen  Patellargrenze  21  rechts  gegen  25  links;  Umfang  der  Wade 
11^2  Ctm.  unterhalb  des  oberen  Endes  der  Tuberositas  tibiae  18  Ctm.  rechts, 
19,5  links.  Distanz  von  der  oberen  seitlichen  Grenze  des  Cond.  int.  tibiae  zum 
unteren  Rand  des  Mall,  intern.  30  rechts,  links  31^/4:  vom  unteren  Patellarrande 
zum  untern  Ende  des  Mall.  ext.  33  rechts  gegen  34  links.  Das  in  einem  Winkel 
von  circa  145"  flectirte  Kniegelenk  zeigt  spindelförmige  Auftreibung ,  die  Haut 
darüber  Röthung  nur  in  der  Umgebung  der  erwähnten  (etwa  2  Ctm.  langen) 
Schnittwunde.  Aus  letzterer  ergiesst  sich  bei  Druck  oberhalb  der  Condyli  femoris 
reichlich  rahmiger,  gelber  Eiter  mit  etwas  Blut  vermischt.  Die  Anschwellung 
bietet  deutlich  Fluctuation;  die  Patella  schwappt  und  gibt  bei  Berührung  mit 
ihrer  Unterlage  rauhe  Crepitation.  Circumferenz  des  Kniees  bei  pathologischer 
Stellung  über  der  Mitte  der  Patella  ^31  Ctm.  rechts,  25  links;  grösste  Quer- 
achse der  Femurcondylen  9^/4  Ctm.  rechts  (besonders  wegen  Schwellung  des  Cond. 
int.),  links  8  Ctm.  —  Ausserdem  schwache  Dämpfung  vorn  an  der  rechten 
Lungenspitze,  ihr  entsprechend  unbestimmtes  In-,  verlängertes  Exspirium,  hie 
und  da  Pfeifen.  Respiration  flach  und  beschleunigt ;  Temperatur  stark  erhöht. 
Puls  frequent.  —  Wegen  der  erheblichen  Allgemeinaffection  neben  der  Intensität 


350  Dr.  W.  Stark. 

des  localen  Prozesses  wurde  die  Amputation,  welche  eine  minder  complicirte 
Wunde  setzt  und  kürzere  Heilungsdauer  beansprucht  als  die  im  vorliegenden 
Falle  geeignetere  Operation  empfohlen.  Da  Patientin  sie  energisch  verweigerte, 
bot  die  Resection  die  einzige  Möglichkeit  der  Rettung. 

Man  führte  sie  am  29.  Mai  mit  vorderem  Bogenschnitt  aus.  Nach  Ent- 
fernung der  cariösen  Patella  und  der  weichen,  schwammig  aufgetriebenen  Ober- 
schenk elepiphyse  ward  von  der  beinahe  intacten.  Tibia  blos  eine  dünne  Scheibe 
weggenommen,  die  eine  sklerosirte  Knochenfläche  überzog;  hierauf  ein  in  letzterer 
befindlicher,  eitrig  erweichter,  ostitischer  Heerd  von  mehr  als  2  Ctm.  Tiefe  aus- 
gekratzt, dessen  Lage  der  Insertionsstelle  der  Quadricepssehne  entsprach.  Ein 
vom  Gelenke  ausgehender,  subcutaner  Senkungsabscess  von  ungefähr  3'/«  Ctm. 
Länge,  welcher  sich  längs  der  Aussenseite  des  Unterschenkels  zwischen  Tibia 
und  Fibula  erstreckte,  musste  an  seinem  untern  Ende  durchstochen  und  nach 
Entleerung  des  Eiters  drainirt  werden.  Es  folgte  Reinigung  der  Wunde,  ihre 
theilweise  Vereinigung  durch  Nähte  nebst  Drainage,  endlich  das  Eingypsen  des 
ganzen  Schenkels  in  leichter  Flexionsstellung,  verbunden  mit  massiger  Ab- 
duction  und  Rotation  nach  aussen. 

Ein  dorsal  eingefügter  Eisendraht  unterstützte  den  vorn  gefensterten  Ver- 
band, der  an  eine  Billroth  -  Ris'sche  Lagerungsschiene  mittelst  Gypsbinden 
befestigt  wurde.  Die  Patella  hatte  an  ihrer  Hinterseite  den  Knorpelüberzug  ein- 
gebüsst  und  wies  daselbst  eine  zernagte  mit  Knochengries  bedeckte  Fläche  auf. 
Die  Contouren  der  Vorderseite  blieben,  soweit  es  durch  das  sie  umhüllende 
schwammige  Gewebe  durchzufühlen,  noch  erhalten.  Die  Höhe  des  excidirten 
Femurendes  betrug  3^4  Ctm.  Die  oberen  Parthien  beider  Gondyli  waren  zerstört 
imd  gingen  in  eine  gemeinsame  Höhle  von  circa  5  Gtm.  Länge  und  2^/4  Ctm, 
Breite  über.  Der  untere  Theil  des  äusseren  Oberschenkelknorrens  fühlte  sich 
morsch  an  und  zeigte  Excavationen ;  der  des  inneren  noch  hart.  Die  Gelenk- 
fläche der  Tibia  präsentirte  am  Cond.  ext.  (entsprechend  dem  des  Femur)  Decubitus 
des  Knorpels  und  rauhen  Knochen  freihegend ;  am  Cond.  int.  eine  1  Ctm.  lange 
Vertiefung  die  in  einen  2'/2  Ctm.  nach  abwärts  sich  erstreckenden  oberfläch- 
lichen Defect  überging.  Die  Länge  des  Tibiastücks  belief  sich  auf  */4  Ctm.,  der 
Sägeflächedurchmesser  des  Femur  auf  7  Ctm.  von  rechts  nach  links,  auf  3^4  Ctm. 
von  vorn  nach  hinten.  Die  Fiebercurven  gewannen  nach  der  Operation  bald 
ein  günstigeres  Aussehen,  einmal  nur  kam  in  den  nächsten  Tagen  eine  Erhebung 
bis  40,5"  vor,  sonst  überschritten  sie  die  Grenze  von  40"  nicht  mehr,  während 
die  morgendlichen  Remissionen  öfters  an  das  normale  Niveau  hinstreiften;  dem 
entsprach  das  auffallend  gute  Allgemeinbefinden.  Die  Schmerzen  Hessen  nach. 
Die  Wundreinigung  und  Eitersecretion  begann  in  der  gewöhnlichen  Weise.  Die 
Granulationen  wucherten  binnen  Kurzem  so  mächtig  empor,  dass  sie  den  sich 
schliessenden  Hautlappenschnitt  bis  auf  zwei  schmale,  dünne  Narbenbrücken 
auseinanderdrängten,  ferner  den  nach  der  Resection  zurückgebliebenen  Hohlraum 
ausfüllten  (21.  Juni);  der  eröffnete  Senkungsabscess  störte  nicht  den  vollkommenen 
Eiterabfluss.  Die  therapeutischen  Massregeln  beschränkten  sich  in  dieser  Zeit 
auf  Entfernung  der  Nähte  und  unnöthig  gewordener  Drainröhrchen.  Umschläge 
und  Salben  an  durch  Druck  afficirte  Stellen  nebst  Beseitigung  der  ihn  verur- 
sachenden Verbandstücke;  Vergrösserung  des  Gypsfensters;  schliesslich  Erneuerung 
des  ganzen  Verbandes  in  mehr  gestreckter  Stellung  mit  nachfolgender  Suspension 
an  einem  Schwebebalken.  Die  hierzu  erforderlichen  Manipulationen  riefen  eine 
einmalige  abendliche  Temperaturerhöhung  von  39,9°  hervor  (21.  Juni).     Einigen 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     35  j^ 

Unbequemlichkeiten  in  Anliegen  und  Lagerung  der  Gypshülse  konnte  man  mit 
leichter  IVIühe  abhelfen.  Ein  bläulicher,  dünnhäutiger,  circa  Y<  Gtm.  breiter 
Narbensaum  umrahmte  die  sich  verkleinernde  Resectionsvvunde ,  deren  stellen- 
weise blasig  aufgetriebenen  Granulationsknöpfe  geätzt  werden  mussten.  Steigerung 
der  Temperatur,  Schmerzhaftigkeit  am  obern  äusseren  Theile  des  Unterschenkels 
verbunden  mit  Hautröthung  daselbst  kündigte  (10.  Juli)  eine  weitere  Complication 
an,  die  sich  beim  Toucbiren  als  Garies  des  äusseren  Tibiaendes  herausstellte. 
Nachdem  eine  massige  Menge  bräunlichen ,  serösen,  etwas  übelriechenden  Eiters 
herausbefördert  war,  schwiegen  die  alarmirenden  Symptome.  Ein  neuer,  mit 
Schusterspähnen  verstärkter,  gefensterter  Gypsverband  wurde  in  völlig  gestreckter 
Stellung  Ende  Juli  angelegt,  zuvor  aber  die  allseitige,  schmerzlose  Verschieblich- 
keit zwischen  Ober-  und  Unterschenkel  und  das  Weiterschreiten  der  Vernarbung 
an  den  mittleren  Parthien  constatirt,  das  ganze  Bein  endlich  in  geringer  Abduction 
auf  Spreusäcke  gelagert.  Cauterisation  der  noch  bestehenden  Höhlen  mit  Ferrum 
candens  am  9.  September  erhöhte  momentan  d^s  Fieber,  welches  hierauf  erst 
nach  Monatsfrist  wieder  exacerlnrte  wegen  eines  Abscesses  an  der  Innenseite 
der  Resectionswunde.  Auf  die  spontane  Entleerung  übelriechenden  Secrets 
folgte  Remission  bis  zur  Norm.  Ausspritzung  der  Eiterhöhle  und  Bäder  des 
Beins  bildeten  nach  Abnahme  der  Gypskapsel  die  Hauptbehandlung.  Nekrose 
der  obern  Stümpfe  der  Unterschenkelknochen  brachten  im  November  Recrudes- 
cenz  der  Eutzündungserscheinungen  hervor.  Das  lockere,  nekrotische  Knochen- 
stück der  Fibula,  welches  nach  einem  Schnitte  in  die  Narbe  dieser  Seite  gefühlt 
zu  werden  vermochte,  wurde  mit  der  Knochenscheere  entfernt  (29.  November). 
Einwärts  von  ihm  gelangte  man  in  einen  grossen,  mit  weichen  Granulationen 
angefüllten  Raum.  Die  Tibianekrose  konnte  von  der  oben  gescliilderten  (an  dem 
innern  Ende  des  Horizontalschnittes  befindlichen)  Abscessüstel  aus  erreicht  wer- 
den. Auskratzen  der  Knochencavernen  und  Application  des  Gauterium  actuale 
bezweckten  möglichste  Beseitigung  alles  Krankhaften.  Patientin  reagirte  auf 
diesen  Eingriff  bedeutend  bezüglich  des  Fiebers  und  der  Schmerzen  (trotz  Mor- 
phium und  Eisblase).  Es  schwoll  auch  die  Umgebung  des  Operationsfeldes.  Die 
Extremität  wurde  ödematös,  das  Secret  vorübergehend  übelriechend.  Reichlicher 
Abfluss  gutartigen  Eiters  nach  Einschnitt  an  der  Tibiainneuseite  bewirkte  rasch 
Milderung  sämmtlicher  Erscheinungen.  Als  der  Brandschorf  abgestossen,  kleidete 
sich  die  Cauterisationshöhle  so  schnell  mit  kräftigen  Granulationen  aus,  dass 
Ende  dieses  Jahres  dieselbe  geschlossen  war.  Die  letzterwähnte  Incisionswunde 
sonderte  gleichfalls  nichts  mehr  ab.  Dies  hielt  nur  wenige  Tage  an;  dann  reci- 
divirte  die  Eiterung  und  Schmerzhaftigkeit  der  Resectionsstelle  ungeachtet  der 
stets  sorgfältigen  Erneuerung  des  Gypsverbandes.  Veranlassung  dazu  gab  aber- 
mtxls  Garies,  zu  deren  Beseitigung  man  nach  halbjährigem  Zuwarten  (am  19.  Juni) 
schritt.  Von  der  dilatirten  Fistelöffnung  an  der  Tibiadiaphyse  ausgehend ,  ge- 
langte man  durch  fungöse  Wucherungen  auf  einen  cariösen  Heerd  der  letzteren, 
welcher  in  schräger  Richtung  nach  innen  und  oben  den  ganzen  Knochen  durch- 
setzte, so  dass  nach  Ausschabung  desselben  ein  Drainagerohr  hindurchgeführt 
werden  konnte.  Ausserdem  fand  sich  Nekrose  des  oberen  Fibulaendes  vor  und 
ein  kleiner  Abscess  in  der  Nähe  des  intacten  unteren  Femurrandes.  Ausstopfen 
der  Wundhöhle  mit  Eisenchlorid  - Gharpie  beendete  die  Operation,  die  ausser 
einer  einzigen  Temperatursteigerung  den  übrigens  stark  angegriffenen  Gesundheits- 
zustand nicht  weiter  beeinträchtigte.  Die  neugebildeten  Granulationen  erschienen 
aber  blass,  die  Secretion  reichlich   und  übelriechend.     Zur  allseitigen  Kräftigung 


352  Dr.  W.  stark. 

wurde  Patientin  am  10.  Juli  in  ein  Salzbad  (Dürrheim)  geschickt.  Nach  ihrer 
Rückkehr  am  11.  November  1874  hatte  sich  das  Aussehen  gebessert.  Sie  war 
im  Stande,  mit  Hülfe  des  schon  vor  der  Entlassmig  erhaltenen  Stützapparates 
und  Krücke  zu  gehen.  Das  Knie  bildete  jedoch  ein  vollständiges  Schlottergelenk. 
Die  vordere  obere  Fläche  der  Tibia  schmerzte  etwas.  Das  Drainagerohr  stack 
noch  in  ihrem  quer  verlaufenden  Fistelgange.  Abgesehen  von  dem  engen  Lumen 
des  letztern,  traf  man  überall  festes  Narbengewebe.  Nach  einigen  Tagen  mussten 
wegen  vermehrter  Eiterung  und  Schmerzhaftigkeit  die  bestehenden  Fistelöffnungen 
erweitert  und  die  seither  weggelassene  Drainage  wieder  von  Neuem  eingeführt 
werden:  Reichliche  Granulationsbildung  in  der  iVIitte  des  Ganges  verwehrte  das 
Durchziehen  blos  eines  Rohrs.  Mitte  November  ward  ein  Versuch  mit  der 
Hüter'schen  Carbolinjection  (2  "/o)  gemacht  und  mehrmals  4  Ctm.  unterhalb 
des  Gelenkes  an  verschiedenen  Stellen  eingespritzt.  Die  Reaction  blieb  unbe- 
deutend mit  Ausnahme  eines  Abscesses,  der  am  19.  November  unter  einmaliger 
Temperaturexacerbation  (39,7°)  an  der  Innenseite  des  Kniees  auftrat.  Incision 
entfernte  ihn  und  das  Fieber.  Die  Reconvalescentin  verliess  vom  25.  Dezember 
täglich  das  Bett  und  lief  mittelst  ihrer  Maschine  nebst  Krücke  umher,  doch 
bestanden  selbst  bis  zum  Austritte  aus  dem  Spitale,  am  28.  Februar  1875,  kleine 
eiternde  Fisteln  und  Empfindlichkeit  der  Resectionsstelle.  Mit  der  Sonde  kam 
man  nirgends  auf 'Knochen. 

Eine  gelegenthche  Untersuchung  am  22,  September  1876  Hess  Folgendes 
feststellen : 

Patientin  hatte  seither  über  die  immer  noch  paroxysmenweise  auftretenden 
Schmerzen  an  der  Vorderseite  des  oberen  Tibiaendes  zu  klagen.  Auch  zwei 
Fisteln,  die  eine  an  der  Tibiainnenfläche,  die  andere  an  der  äusseren  Kniegegend, 
sollen  von  Zeit  zu  Zeit  noch  etwas  Eiter  secerniren. 

Mit  der  resecirten  Extremität  geht  das  gesund  und  wohlgenährt  aus- 
sehende Mädchen  im  Stützapparate,  wobei  es  beträchtlich  hinkt,  doch  er- 
müdet nach  seiner  Aussage  das  betreffende  Glied  nur  nach  grösseren  Märschen 
schneller. 

Activ  kann,  da  Schlottergelenk  mit  elastischer  Zwischensubstanz  besteht, 
das  Bein  ohne  Maschine  nur  auf  den  beiden  Knochenstümpfen  beim  Stehen 
balancirt  werden,  während  die  Verkürzung  theils  durch  Beckensenkung,  theils 
durch  Beugung  des  andern  Beins  im  Knie  sich  ausgleicht.  Beim  Liegen  vermag 
die  Operirte  durch  Beugung  im  Hüftgelenk  den  obern  Theil  des  Unterschenkels 
etwa  8  Ctm.  hoch  von  der  horizontalen  Unterlage  zu  erheben.  Rotation  ist 
gleichfalls  in  geringem  Grade  activ  möghch.  Der  Fuss  kann  adducirt  und  ab- 
ducirt,  femer  in  beschränktem  Maasse  gebeugt  und  gestreckt  werden. 

Passive  Beugung  des  Unterschenkels  bei  Fixation  des  Femur  möglich  bis 
zum  rechten  Winkel ;  passive  Streckung  bis  zu  einem  nach  vorn  offenen  Winkel 
von  154",  passive  Adduction  bis  161°,  passive  Abduction  bis  137°. 

Die  Messung  ergibt: 

r.  1. 

Länge  von  Spina  a.  s.  —  Cond.  int 36  Htm.  44  Ctm. 

„         .,     Trochanter  —  Cond.  ext 31     „      38     „ 

„         „     Cond.  int.  —  Mall,  int 30     „      35     „ 

„         „     Cond.  ext.  —  Mall,  ext 32     „      36     „ 

Mithin  beträgt  die  Differenz  auf  beiden  Seiten  zwischen : 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     353 

Spina  a.  sup.  und  Mall,  int 13  Ctm. 

Trochanter  und  Mall,  ext 11     » 

r.  1. 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Trochantergegend  42  Ctm.   45  Ctm. 

„        der  Oberschenkelmitte 37      „      42      „ 

„  ,;     Kniegegend 29      „      34      „ 

Grösster  Umfang  der  Wade 29      „      33      „ 

Querdurchmesser  des  Knies ,      ^V^  »        ^V^  »> 

Sagittaler      „         „         „        7      „      10     „ 

Länge  des  Fusses 20     „      24      „ 

Umfang  des  Fusses 22      „      23     „ 

Das  entblösste  kranke  Bein,  welches  bei  ruhiger  Lage  einwärts  rotirt  ist, 
erkaltet  rascher  als  das  gesunde.  Zur  Zeit  sind  alle  Fisteln  geschlossen,  die 
erwähnten  zwei  mit  Borken  bedeckt;  die  Narben  im  Uebrigen  derb,  die  der 
Tibiainnenseite  eingezogen  und  mit  dem  Knochen  verwachsen. 

Das  Mädchen  erhielt  einen  neuen  Stützapparat  nebst  Schuh  mit  4  Ctm. 
höherem  Absatz  als  linkerseits,  worin  es  mit  kaum  merklichem  Hinken  geht. 


Fall  40. 

Stephan  Föhrenbach,  25  Jahre  alt,  von  Seibach  (bei  Lahr),  spürte 
schon  anno  1866  leicht  Miidigkeit  im  Hnken  Knie.  Dasselbe  schwoll  nach  einiger 
Frist  plötzlich  aber  ohne  Schmerz,  so  dass  Patient  dessenungeachtet  seiner  Arbeit 
als  Schreinergeselle  obliegen  konnte.  Nur  im  Herbste  vorei'wähnten  Jahres  hütete 
er  desswegen  6  Wochen  das  Bett,  nach  deren  Ablauf  er  sich  mit  Salben  weiter 
behandelte.  In  der  darauf  folgenden  Zeit  arbeitete  derselbe,  soweit  es  die  nun 
auftretenden  Schmerzen  erlaubten  und  gebrauchte  blos  vorübergehend  die  Salz- 
bäder zu  Dürrheim.  Die  Jahre  1871—74  brachte  er  zum  Theil  im  hiesigen 
Spitale  zu,  wo  man  gegen  sein  Leiden  abwechselnd  Gypsverbände ,  Binden- 
einwickelungen, Jodbepinselung  und  Bäder  anwendete.  Nach  Hause  zurück- 
gekehrt nahm  er  sein  Handwerk  wieder  auf,  musste  indessen  der  recidivirenden 
Schmerzen  halber  am  27.  Februar  1876  abermals  Abhülfe  in  der  chirurg.  Klinik 
suchen.  Das  Knie  war  beträchtlich  angeschwollen,  die  Flexion  wenig  und  blos 
mit  Schmerzen  möglieh.  Als  eine  mehrmonatliche  Behandlung  theils  mit 
Wasserglas-  theils  mit  Gypsverbänden  keine  Besserung  des  Zustandes  herbei- 
führte, ging  man  am  29.  Mai  zur  operativen  Thätigkeit  über.  Nach  Esmarch- 
scher  Einwickelung  und  unter  Lister'schem  Garbolspray  wurde  das  Kniegelenk 
unterhalb  der  Patella  mit  halbmondförmigem  Schnitte  eröffnet,  sowohl  das  Femur 
über  den  Condylen  schief  von  vorn  nach  hinten  und  unten,  als  auch  eine  Scheibe 
von  der  Tibia  abgesägt,  zwei  in  die  zurückbleibende  Schnittfläche  der  letztern 
fallende  Abscesse  mit  dem  scharfen  Löffel  bis  auf  den  gesunden  Knochen  aus- 
geschabt und  die  Patella  nebst  dem  Schleimbeutel  exstirpirt.  Drainage,  Nähte 
und  Lister'scher  Verband  schlössen  die  Operation  ab.  Die  Kniescheibe  Avar 
fest  in  das  massige,  speckige  Gewebe  der  Ligamente  eingesenkt.  Ihre  Vorder- 
seite erschien  etwas  verfärbt,  doch,  soviel  sich  durchfühlen  liess,  nicht  cariös 
entartet,  die  Hinterfläche  intact.  Das  Präparat  des  Femur  bestand  aus  zwei 
Scheiben,  da  der  erste  Sägeschnitt  noch  in  erweichtes,  krankhaftes  Gewebe 
gefallen  war.  Die  Dicke  des  ganzen  entfernten  Stückes  betrug  4V2  Ctm.  Die 
Czerny,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  ■^^ 


354  Dl"-  W.  stark. 

Sägeebene,  deren  Durchmesser  von  rechts  nach  Unks  8  Ctm.,  von  vorn  nach 
hinten  4  Ctm.  betrug,  verlief  so,  dass  die  Höhe  vorn  zwischen  den  CondyU  3, 
hinten  in  der  Fossa  poplitnea  l'/4  Ctm.  mass.  Der  Knorpel  der  Oberschenkel- 
beinknorren sah  gelbbraun  und  verschrumpft  aus ,  fehlte  an  der  einen  der 
gegenüberliegenden  innern  Seiten.  Dort  fand  man  ferner  zerfressene  Knochen- 
parthien.  Durch  diese  Vorgänge  hatten  die  Condylen  ihre  normale  Gestalt 
mehr  weniger  eingebüsst;  an  der  hinteren  oberen  Grenze  des  Cond.  int.  ragte 
ein  bohnengrosser  Knochenauswuchs  hervor;  über  dem  äusseren  Rande  des 
Cond.  ext.  befand  sich  ein  etwa  eben  so  grosser,  cariöser  Defect.  Auch  der 
innere  zeigte  eine  einpfennigstückgrosse ,  von  vorn  nach  hinten  hin  sich  er- 
streckende rauhe  Stelle,  welche  mit  einer  ebensolchen  an  der  Fläche  der  Tibia 
correspondirte.  Die  1^2  Ctm.  dicke  Scheibe  der  letztern  durchsetzten  2  Abscesse. 
ein  kleinerer,  innerer,  etwa  haselnussgrosser,  und  ein  nach  aussen  zu  gelegener, 
von  der  Grösse  eines  Taubeneies ,  der  mit  dem  Kniegelenk  in  Verbindung  stand 
und  die  Superficies  articul.  ext.  in  ein  Loch  mit  VJ2  Ctm.  breitem  Saume  um- 
gewandelt hatte.  Die  durch  beide  gebildeten,  von  erweichtem  Knochen  um- 
grenzten Höhlen  füllten  zerfallene  Granulationen,  Eiter  und  käsige  Massen  aus. 
Der  chondrale  Ueberzug  der  Tibiagelenkfläche  war  völlig  zu  Grunde  gegangen,  der 
dem  inneren  Knorren  zugehörige  Meniscus  theilweise  erhalten.  Man  stiess  daselbst 
(nach  einwärts  zu)  auf  porösen  Knochen.  Von  der  Eminentia  her  bedeckten 
Schwarten  die  ihr  zunächst  gelegenen  Parthien.  Das  Fieber  wurde  in  den  ersten 
Tagen  bekämpft  durch  mehrere  grosse  Dosen  Acid.  salicyl.  und  dauerte  mit  wechseln- 
der Intensität  (bis  40")  und  anfangs  remittirendem,  später  intermittirendem  Typus 
bis  13.  Juli.  Der  Resecirte  schlief  die  ersten  3  Nächte  schlecht  und  erhielt  Morphium. 
Der  sonstige  Zustand  befriedigte.  Die  Wunde  sah  gut  aus  und  secernirte  normal. 
Die  Drainageröhren  konnten  bald  entfernt  werden.  Der  Verbandwechsel  fand 
alle  2  Tage,  (später  zweimal  wöchentlich)  statt;  eine  Druckstelle  der  Schiene 
wurde  mit  Ung.  zinci  (8  Juni)  bestrichen  und  letztere  daselbst  gepolstert;  ein 
kleiner  Entzündungsheerd  am  Oberschenkel  den  28.  Juni  incidirt.  Den  18.  Juli 
erhielt  Patient  einen  gefensterten  Gypsverband,  worin  er  an  Krücken  umherging. 
Wegen  eines  vom  4.  August  an  sich  entwickelnden  Erysipels  musste  man  am 
10.  den  Verband  abnehmen  (,7tägige  Temperaturexacerbation  bis  39,8°).  Eine 
Abortivkur  (Tart.  emet,  und  Ipecac.)  linderte  rasch  die  Symptome.  Den  30.  August 
ergab  die  Prüfung  der  Excursionsfähigkeit  eine  massige  Reweglichkeit  im  Knie- 
gelenke, die  Wunde  war  bis  auf  eine  kleine,  granulirende  Parthie  an  der  Innen- 
seite, welche  mit  Lapis  geätzt  wurde,  geheilt.  Desshalb  erhielt  der  Reconvalescent 
am  12.  September  einen  starken  Gypsverband ,  um  darin  die  kranke  Extremität 
zu  gebrauchen.  Am  ersten  Tage  der  wiederbegonnenen  Gehversuche  fieberte  er 
etwas  (38,8°)  und  klagte  auch  in  der  Folge  dann  und  wann  über  Schmerz  in 
der  Tibia.  Die  Gypshülse  blieb  einen  Monat  angelegt  und  der  Mann  hinkte  in 
derselben  umher.  Nach  ihrer  Entfernung  inspicirte  man  seinen  Zustand  am 
21.  October  1876  genauer  und  ermittelte  Folgendes: 

Patient  klagt  noch  über  Schmerzen  in  der  linken  Kniegegend.  Die 
Operationswunde  ist  völlig  solide  vernarbt;  dessgleichen  die  Fistel  am  unteren 
Theile  des  Oberschenkels. 

r.  1. 

Länge  von  Spina  a.  s.  bis  Cond.  int.       .     .     47     Ctm.     50     Ctm. 
„        „     Cond,  int.  bis  Mall,  int.     ...     38       „       40       „ 

„     Spina  a,  s.  bis  Mall  int.    ...     85       „       90       „  Diff.  5  Ctm. 


r. 

1 

40    Ctm. 

41 

ctm. 

38 

42 

78 

83 

„  Diff.  5Ctm. 

51 

55 

39       „ 

48 

33 

37 

29        „ 

31  Va 

31^2     „ 

32 

27 

27 

9V2    ., 

9  72 

8V4      » 

10 

Beiträge  zu  der  Statistik,  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     355 


Länge  von  Trochanter  bis  Cond.  ext.      .     . 

„        „     Cond.  ext.  bis  Mall  ext.     .     .     . 

„         „     Troch.  maj.  bis  Mall.  ext.      .     . 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Trochanter- 

gegend 51 

Umfang  der  Oberschenkelmitte 39 

„        des  Knie's 

der  Wade 29 

„        des  Fussgelenks  (Beuge  bis  Fersen- 
rand)     

Länge  des  Fusses 

Querer  Durchmesser  des  Knie's  .... 
Durchmesser  des  Knie's  von  vorn  nach  hinten 
Die  Knochenstümpfe  des  Femur  und  der  Tibia  sind  derart  mit  einander 
verbunden,  dass  ersterer  etwas  nach  aussen,  letzterer  mehr  nach  innen  gedreht 
erscheint,  somit  eine  Dislocatio  ad  peripheriam  besteht.  Daher  rührt  auch  die 
Rotation  des  Unterschenkels  nach  einwärts  bei  Ruhelage.  Die  Verbindung  selbst 
ist  keine  vollständig  feste,  indem  passiv  eine  Knickung  der  vorerwähnten  Knochen 
(ad  axin)  bis  zu  einem  nach  aussen  offenen  Winkel  von  169°  bewerkstelligt 
werden  kann.  Fordrte  Adduction  des  Unterschenkels  bei  Fixation  des  Femur 
(bis  zu  einem  nach  innen  offenen  Winkel)  und  Ueberstreckung  sind  nicht  mög- 
lich. Passive  Flexion  existirt  bis  zu  einem  Winkel  von  163°  und  tritt  jedesmal 
dann  hervor,  wenn  Patient  das  Bein  frei  emporhebt,  was  nur  mit  grosser  Mühe 
geschieht.  Eine  vollkommene  Extension  bis  zur  Geraden  vermag  er  activ  nicht 
auszuführen.  Adduction  und  Abduction,  sowie  Rotationsbewegungen  des  ganzen 
Beins  werden,  obzwar  mit  Anstrengung,  doch  in  annähernd  normalem  Grade  zu 
Stande  gebracht.  Im  Stützapparat  nebst  Schuh  mit  3  Ctm.  Sohlenerhöhung  geht 
der  Resecirte  —  blos  wenig  hinkend  —  am  Stocke ,  aber  nicht  ohne  denselben, 
Beckensenkung  fehlt. 

Schon  am  4.  November   konnte  er   sich   in   einer  Maschine  ohne  weitere 
Stütze  fortbewegen.    Seine  Entlassung  erfolgte  erst  am  13.  Januar  1877. 


Leider  fehlen  bei  Nr.  39  Aufzeichnungen  über  die  Grössever- 
hältnisse  der  unteren  Extremitäten  zur  Zeit  der  Entlassung  und  ist 
man  somit  nicht  im  Stande,  über  die  Art  des  Fortgangs  im  Wachs- 
thura  derselben  zu  berichten. 

In  diesem  Falle  war  nach  l^/i  Jahren  die  Heilung  noch  nicht 
erfolgt.  Der  Grund  hierzu  lag  vorwiegend  in  dem  Weiterschreiten 
des  cariösen  Prozesses,  welcher  auch,  trotz  der  geringen  Grösse  des 
ursprünglichen  Resectionsstückes  (4  Ctm.),  durch  den  daraus  resul- 
tirenden  Substanzverlust  die  Bildung  eines  Schlottergelenkes  ver- 
anlasste. 


356 


Dr.  W.  Stark. 


■^    H*  hr> 


;  li  ?  r'^o  g 


g  S  I  §"^  G-.§  -.Sc-O 
S:  p  f  ??  I  ??  a  I  >  S  _  B  0 


VMWViM '  :j 

r 

0"  "^  -^                                • 

21,  X,  711: 

Alles 
vernarbt 

|ll|^  y^              lila    ' 

i                              1  Beckenstellung 

-tT 

C5  1     1 

C     >*^    — 4 

?  1   ' 
5  .^  ;g 

-g^                                 I 
?^-                                 \ 

li-slcf 

0  1    1 
3g3 

H3^                          ! 

lipi 

3     '      ' 

ill         flmW' 

cc  t-^ 

^ll         Mi'il^i] 

3gs 

eil 

^•*     £        3 

geag-B     1 

c 

0 

g 

0 

? 

0 

S!  -j  t^ 
'--  ^  ^ 

0  3,  -  p  :;  , 

2:    .■<  „  g  0  0 
3  3  g  3  1  g  aj 

a     5  "  P-  =■  i' 

='■;? 

0 
5 

2< 

-    » 

i 

2=3  05 

|;?3 

0 

4^ 

3 

■«       1-       ö 

IIb»« 
S     «     5' 

0 

0 

i 

1  "  ■  3 

31-2:     =       13 

2-D  S  2=     >     "  ** 
^B|fg|533 

7  t       »       « 

5         5         £        -C         T) 

•"^     ."^     r=     5'_  5' 

t     J-     S£     ■   2,2 

> 

?  3- 

0  3- 

S.  c 

•3|5.2.|g5 

,£■■£§•3  Sil 
2?  =:§l333 

ä|||l||| 

'  f  1 

Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     357 

Bei  der  neuern  Untersuchung  ^^ 8)  —  1  Jahr  und  7  Monate 
nach  dem  Austritte  —  zeigte  sich  die  Differenz  in  der  Länge  der 
Unterschenkel  erheblich  geringer  (um  3  Gtm.)  als  die  der  Ober- 
schenkel. Der  Unterschied  im  Umfang  der  Waden  betrug  gleich- 
falls (1  Gtm.)  weniger  als  der  der  Oberschenkep2  9j_  Der  Fuss  war 
im  Wachsthum  bedeutend  zurückgeblieben. 

Trotz  aller  Symptome  eines  passiven  Schlottergelenks  (vrgl,  die 
abnorme  Beweglichkeitsgrösse),  trotz  einer  Verkürzung  des  resecirten 
Beins  um  13  Gtm.  (resp.  11)  ging  Patientin  doch  sehr  gut  in  der 
Maschine,  ohne  weitere  Beihülfe  als  einen  um  4  Gtm.  erhöhten 
Absatz.  Die  restirende  Differenz  wurde  zum  Theile  durch  Becken- 
senkung ausgeglichen. 

Als  Endresultat  darf  dieses  bis  jetzt  nicht  gelten,  weil  zeit- 
weise die  Fisteln  wieder  aufbrechen. 

Bei  Fall  40,  dessen  Heilverlauf  wenig  Gomplicationen  bot  und 
binnen  8  Monaten  ^^^'j  seinen  Abschluss  fand,  vermag  bezüglich  der 
Regenerationsverhältnisse    noch    nichts    von    Bedeutung    angegeben 


^^^)  Zur  Zeit  der  Aufnahme  hatte  man  gefunden,  dass  der  Unterschenkel 
der  afficirten  Seite  1^/9  Ctm.  hinter  dem  der  gesunden  in  der  Länge,  der  Umfang 
des  betreffenden  Oberschenkels  4  Ctm.,  der  der  Wade  1^2  Gtm.  zurückgeblieben 
war.  Auch  Bryk  z.B.  fand  solche  Differenzen.  Sie  müssen  bei  spätem  Unter- 
suchungen natürlich  berücksichtigt  werden. 

'*')  Es  war  bei  der  Resection  nur  die  Epiphysenlinie  der  Tibia  entfernt 
worden.  Doch  braucht,  da  der  destruirende  Prozess  viel  weiter  und  zwar  be- 
sonders an  der  Tibia  fortschritt,  hierauf  keine  Rücksicht  genommen  zu  werden, 
weil,  wenn  auch  Anfangs  der  epiphysäre  Knorpel  der  Tibia  erhalten  worden 
war,  später  derselbe  sicherlich  entartete  und  so  für  das  fernere  Wachsthum 
bedeutungslos  wurde.  Immerhin  stimmt  der  Befand  eines  geringeren  Zurück- 
bleibens des  Unterschenkels  im  Wachsthum  gegenüber  jenem  des  Oberschenkels 
mit  den  Besultaten  Bryk's  überein. 

''°)  Hinsichtlich  der  Heildauer  sagt  Heyfelder:  »Die  Gegner  der  Knie- 
gelenkresection  haben  ihr  die  Langwierigkeit  der  Reconvalescenz  vorgeworfen. 
Wenn  dieselbe  bis  zu  ihrem  vollständigen  Abschluss  auch  durchschnittlich  länger 
dauert  als  nach  der  Amputation,  so  ist  doch  die  Zeit  bis  zu  den  ersten  Geh- 
versuchen mit  8 — 9  Wochen  keineswegs  übermässig  lang  und  darf  die  Erhaltung 
des  Gliedes  durch  eine  etwas  längere  Reconvalescenz  wohl  erkauft  werden.« 
Metzler;  »Die  Zeit,  welche  zur  Heilung,  also  bis  zum  Gebrauche  der  Extremität 
verstrich,  war  sehr  verschieden,  in  den  günstigsten  Fällen  8,  in  den  ungünstigsten 
14  Wochen.«  Bryk:  »Am  längsten  zog  sich  die  Behandlung  bei  Knieresectionen 
hinaus,  sie  betrug  im  Mittel  circa  6  Monate.« 


358  Dr.  W.  stark. 

ZU  werden,  da  die  letzte  Untersuchung  während  der  Genesung  statt- 
hatte. Die  Längendifferenz  der  Beine  belief  sich  auf  5  Gtm.  (6  Gtm. 
waren  resecirt  worden);  der  Unterschied  in  der  Gircumferenz  der 
Oberschenkel  auf  9  Gtm.  und  der  der  Waden  auf  2^2  Gtm,;  also 
auch  hier  erschien  letzterer  geringer  als  ersterer. 

Vollständige  Ankylose  fehlte  noch:  es  konnte  aber  Patient  im 
Stützapparate  nebst  3  Gtm.  hohem  Absatz  ohne  auffälliges  Hinken 
am  Stocke  gehen  ^^i). 

Die  functionellen  Erfolge  sind  in  beiden  Fällen  befriedigend; 
im  ersteren  hauptsächlich  im  Hinblick  darauf,  dass  hier  ursprünglich 
die  Amputation  projectirt  imd  erst  bei  Verweigerung  derselben  von 
Seiten  der  Patientin  die  Resection  ausgeführt  worden  war. 


VI.   Resection  des  Fussgelenks. 

Während  aus  der  Friedenspraxis  Heyfelder  1863  ^^^)  schon 
eine  grosse  Anzahl  (174)  von  Resectionen  obiger  Art  verzeichnete, 
fand  dieselbe  in  die  Literatur  der  Kriegschirurgie  im  Jahre  1866 
zum  ersten  Male  ihre  Aufnahme.  »Wir  erkennen  —  in  ihr  eine 
der  schönsten  Früchte  des  zweiten  schleswig-holstein' sehen  Krieges« 
sagt  Heine  ^^^).  Auf  beiden  Gebieten  erwuchsen  auch  ihr  Gegner: 
Petrequins^^*)  z.  B.  sprach  ihr  jegliche  Existenzberechtigung  ab. 
Stromeyer^^^)  verwarf  sie  bei  Fussgelenkschüssen. 


"^)  Eine  Vergleichung  beider  Fälle  ist  schon  wegen  des  Unterschiedes 
im  Alter  und  im  Zeitintervalle,  welcher  zwischen  Operation  und  Untersuchung 
liegt,  unzulässig. 

"2j  s.  No.  2. 

8"j  S.  No.  164. 

"*j  Gitirt  bei  Heyfelder  s.  No.  2. 

*'*j  Gitirt  bei  v.  Langenbeck  s.  No.  7. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen,     359 

Die  Angriffe  des  Ersteren  wies  bereits  Heyfelder ^^^)  zurück. 
Trotzdem  scheint  von  gewisser  Seite  eine  Einschränkung  ihrer  An- 
Avendung  bei  Erkrankungen  für  geboten  erachtet  zu  werden.  Hüter  ^^^) 
hatte  zwar  im  Jahre  1871  mit  Rücksicht  auf  die  functionellen  Re- 
sultate geäussert:  »Es  kann  nach  dem  was  v.  Langenbeck  und  ich 
beobachteten,  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Resection  des 
Talo-Gruralgelenks  normale  Form  und  fast  normale  —  wenigstens 
für  das  Gehen  genügende  Function  erzielen  und  für  die  Dauer  er- 
halten kann«.  Derartige  Beobachtungen  erstreckten  sich  jedoch  bei 
V.  Langenbeck  ^^^)  keineswegs  über  das  ganze  der  Resection  zuge- 
fallene Terrain,  sondern  in  einem  gerade  sehr  häufig  zur  operativen 
Behandlung  kommenden  Theile  desselben,  nämlich  nach  Garies, 
vermochte  er,  seinem  eigenen  Geständniss  zufolge,  im  Jahre  J874 
noch  keine  einzige  Heilung  aufzuweisen  und  meint  desshalb,  (obwohl 
er  die  Fussgelenkresectionen  bei  Garies  vorläufig  nicht  ganz  auf- 
geben will):  »Diese  Resultate  sind  so  entmuthigend  ^^^),  dass  bei 
cariöser  Erkrankung  des  Fussgelenks  möglicherweise  die  Amputation 
die  einzige  Hülfe  bleiben  dürfte«.  Demgemäss  ist  der  Vorzug,  den 
Hey  fei  der  bei  Vergleichung  beider  Operationen  ^*°)  der  Resection 
einräumt  ^*^),  in  seiner  Allgemeinheit  nicht  unantastbar. 


*^^)  S.  No.  2:  »Solchen  Zahlen  und  Resultaten  gegenüber  ist  Petrequin's 
Ausspruch  nicht  gerechtfertigt ,  dass  die  Tibiotarsalresectionen  selten  seien  und 
nicht  gemacht  zu  werden  verdienen.« 

3")  S.  No.  83. 

'^*)  Hüter  selbst  spricht  sich  im  Hinblick  auf  die  seitherigen  Errungen- 
schaften in  ähnhchem  Sinne  aus. 

''^)  Aehnliche  trübe  Erfahrungen  machten  Richard  Volkmann  und 
Neudörfer.  Letzterer  hatte  unter  12  path.  Resectionen  2  Heilungen  und  6  Todes- 
fälle. —  Nach  Heyfeder  starben  von  37  wegen  Garies  Resecirten  5,  wurden  4 
amputirt.  Die  Mortahtät  betrug  also  13,5  "/o ,  während  die  bei  Verletzten  (137, 
gestorben  11)  =  8,03  °/o;  die  Misserfolge  dort  10,8  7o,  hier  5,8  >.  »Der  Erfolg 
ist  —  sagt  er  —  bei  den  wegen  Garies  Operirten  ungünstiger,  als  bei  den  wegen 
Verletzung  Resecirten.« 

'*")  Bei  der  Apnputation  .betrug  nach  ihm  die  Sterblichkeit  8,53  "/o  (82 
mit  7  Todesfällen)  bei  der  Resection  9,2  *'/o.  —  Im  Kriege  1870/71  behef  sich  die 
Mortalität  bei  der  Amputation  um  2,9  "/o  höher    als  bei  der  Resection  (Asche). 

^*^)  S.  No.  2,  »Da  also  die  Resectio  tibiotarsalis  der  gleichnamigen  Am- 
putation in  Bezug  auf  Gefährlichkeit  gleichsteht  ( —  nicht  ganz  — )  und  in  Bezug 
auf  Erhaltung  der  normalen  Länge  der  Extremität  ihr  überlegen  ist,  so  verdient 


360  Dl-  W.  stark. 

Letzterer  Aator  empfahl  ferner,  auch  im  Kriege  die  Resection 
zu  versuchen ^^-),  während  Volkmann  sie  bei  Besprechung  der  auf 
dem  Schlachtfelde  an  diesem  Gelenke  anzuwendenden  Methode  ganz 
ausser  Acht  liess^*^), 

Heine  •'*^)  aber  verhiess  ihr  (1866)  auf  Grund  der  aus  dem 
zweiten  dänischen  Kriege  (s.  oben)  geschöpften  Erfahrungen  »für  spä- 
tere Kriegskliniken  eine  bedeutungsvolle  Zukunft«. 

Seine  Verheissung  bewahrheitete  sich  im  deutsch-französischen 
Feldzuge.  Hüter  ^*^)  konnte  nach  demselben  »dem  günstigen  Ur- 
theile,  welches  v,  Langenbeck^*^)  über  die  Operation  fällt,  nur 
beipflichten«.  Lücke  ^*^)  gibt  an,  dass  man  sie  daselbst  vielfach 
mit  gutem  Erfolge  ausführte. 

Ihr  macht  bei  Schussverletzungen  die  conservative  Methode 
am  ehesten  Goncurrenz  ^^^).  So  hat  z.  B.  auch  der  eben  citirte 
Berichterstatter  die  »Ansicht  gewonnen,  dass  in  den  meisten  Fällen 
die  rein  zuwartende  Behandlung  —  sehr  gute  Resultate  gäbe«. 

V.  Langenbeck's^*^)  Urtheil  geht  gleichfalls  dahin,  die  conser- 
virende   Behandlung   müsse    dabei    in    grösster  Ausdehnung   befolgt 


sie,  wo  immer  möglich,  vorgezogen  zu  werden,  um  so  mehr,  weil  sie  das  Glied 
erhält,  während  die  Amputation  verstümmelt.« 

^*^)  S.  No.  3.  Im  Kriege  wäre  die  Resection  ebenfalls  zu  versuchen,  wird 
aber  auf  grossen  Schlachtfeldern  der  leichter  und  schneller  durchführbaren 
osteoplastischen  Operation  häufig  weichen  müssen,  wo  man  unter  anderen  Ver- 
hältnissen noch  reseciren  würde. 

'**)  S.  No.  84:  »Am  Fussgelenke  ist  meist  eine  conservative  Theorie  zu- 
lässig. Man  beschränkt  sich  daher  zunächst  auf  eine  sorgfältige  Extraction  aller 
vollständig  gelösten  Knochensplitter  und  etwa  eingedrungener  Fremdkörper.  Ob 
sich  die  Extremität  erhalten  lässt  oder  später  eine  Amputation  nothwendig  werden 
wird,  muss  der  weitere  Verlauf  lehren.« 

"*)  S.  No.  164. 

»«)  S.  No.  83. 

'*')  Indessen  lautet  das  Votum,  welches  v.  Langenbeck  speziell  über 
die  Erfolge  des  Krieges  1870/71  abgibt,  keineswegs  befriedigend.  »Die  Resultate 
der  Fussgelenkresectionen  des  letzten  Krieges  dürfen  im  Ganzen  wohl  nicht  er- 
freuliche genannt  werden.« 

'*')  S.  No.  42. 

'*')  Nach  Asche  starben  von  38  conservativ  Behandelten  11,1  "/o  (Res. 
=  36,56  °/o). 

"9)  S.  No.  7. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen,     361 

werden.  Doch  gedenkt  er  auch  der  Resection,  der  er  eine  nicht 
kleine  Reihe  von  schweren  Verletzungen  zuweist,  in  der  sie  stellver- 
tretend die  Amputation  verdrängt  habe.  —  Mit  Recht  hebt  Asche  35*^) 
in  dieser  Beziehung  hervor,  dass  jene  desshalb  sowohl  hinsichtlich 
der  Lebensrettung,  als  insbesondere  der  functionellen  Resultate  ein 
Fortschritt  ^^  *)  zu  nennen  sei. 

Betreffs  des  Zieles,  welches  bei  der  Resection  erreicht  werden 
soll,  differiren  die  Meinungen  der  Autoren.  H e  i n  e  ^s 2)  stellt  folgenden 
Satz  auf:  »Durch  die  Resection,  vor  allem  wenn  sie  subperiostal 
ausgeführt  wird,  sehen  wir  uns  in  Stand  gesetzt,  ohne  erhebliche 
Verkürzung  der  Extremität,  ein  bewegliches  neues  Fussgelenk  herzu- 
stellen und  ist  dies  selbst  in  den  Fällen  noch  möglich,  in  welchen 
die  Splitterung  so  weit  reicht,  dass  bis  zu  4"  von  der  Länge  der 
Tibia  oder  von  Tibia  und  Talus  zusammen  entfernt  werden  müssen. « 
Das  billigt  Neudörfer  ^^^),  wenn  er  das  Tibiotarsalgelenk 
zu  jenen  Articulationen  rechnet,  bei  denen  durch  die  Resection  eine 
vollkommene  Heilung  erzielt  werden  soll.  v.Langenbeck  3^")  strebt 
blos  darnach,  ein  »solides,  wenngleich  unbewegliches  Gelenk  zu  er- 
halten«; denn:  »die  Resection  des  Sprunggelenks  hat  meiner  Ansicht 


'S")  S.  No.  97.  Anlässlich  der  Arbeit  von  Stabsarzt  Dr.  G  r  o  s  s  h  e  i  m 
Ueber  die  Schuasverletzungen  des  Fussgelenks  während  des  letzten  Krieges  und 
die  Resultate  ihrer  Behandlung.  Deutsche  militärische  Zeitschr.  V,  4  und  5, 
S.  217.     1876. 

"1)  Dass  man  jedoch  diesen  Fortschritt  nicht  überschätzen  darf,  geht  aus 
den  speziellen  Erfahrungen  einzelner  Chirurgen  hervor.  So  z.  B.  sagt  Berg- 
mann mit  Rücksicht  auf  seine  Resultate:  »Was  die  Resection  des  Fussgelenks 
anbetrifft,  so  haben  sie  den  Erwartungen,  welche  ich  an  meine  ersten  Beobach- 
tungen knüpfte,  nicht  entsprochen.  Ich  hoffte  durch  die  Resection  die  Dauer 
des  Wundprozesses  abzukürzen  und  dadurch  der  gefürchteten  Verkrüpplung  des 
Fusses  vorzubeugen.  Ich  darf  wohl  behaupten,  dass  in  6  Fällen  die  Heilung 
mit  weniger  Störung  und  rascher  zu  Stande  gekommen  ist,  als  bei  einer  nicht 
operativen  Therapie.  Allein  in  den  übrigen  4  Beobachtungen  habe  ich  mich 
überzeugen  müssen,  dass  auch  bei  den  Kriegsresectionen  des  Fussgelenkes  die 
Eitersenkungen  und  selbst  die  Garies  der  Fusswurzel  dem  Arzte  viele  Mühe 
machen  und  dem  Kranken  viele  Kräfte  kosten  kann.« 

352)  S.  No.  164. 

258)  s.  No.  4. 

35*)  S.  No.  7. 


362  D*"-  W.  stark. 

nach  die  ebenso  wichtige  als  leicht  zu  lösende  Aufgabe,  knöcherne 
Ankylose  bei    rechtwinkliger    Stellung    des   Fusses    herbeizuführen.« 

Ihm  stimmt  Asche  ^^^)  bei. 

Obwohl  ersterer  Standpunkt  unstreitig  der  vollkommenere  ist^^^) 
und  gewiss  in  manchen  Fällen,  wo  es  darauf  ankömmt,  die  Function 
möglichst  zu  wahren,  eingenommen  werden  muss,  so  bleibt  es  zur 
Zeit  noch  angezeigt,  im  grossen  Ganzen  den  letzteren,  zwar  weniger 
versprechenden,  aber  um  so  sichereren  Weg  einzuschlagen  und  be- 
sonders in  Feldlazarethen  (schon  wegen  der  grössern  Einfachheit 
der  Nachbehandlung)  eher  Ankylose  zu  bezwecken.  Volkmann ^^^) 
huldigt  dem  Streben  nach  Mobilität  der  resecirten  Articulation  und 
will  desshalb  unter  Bezugnahme  auf  die  Indication  für  diese  Ope- 
ration bei  Gelenkvereiterungen,  dass  man  sich  bald  zu  ihrer  Aus- 
führung an  dem  fraglichen  Orte  entschliesse,  da  durch  sie  mehr 
erreicht  werden  könne,  als  bei  einer  spontanen  Heilung  je  möglich 
wäre.  Dies  verdient  hauptsächlich  aus  dem  Grunde  Berücksichtigung, 
weil,  wie  er  mit  der  früher  angeführten  Angabe  v.  Langenbeck's 
übereinstimmend  erklärt,  die  grosse  Ausdehnung  von  Garies  viel 
häufiger  eine  totale  oder  partielle  Amputation  benöthige.  In  frühen 
Stadien  solche  chronische  Entzündungsprozesse  vermittelst  der  Excision 
zu  beseitigen,  ist  darum  jedenfalls  die  beste  Massregel,  um  die  rein 
privative  Methode  durch  die  consersativ-operative  immer  mehr  zu 
vertreiben. 

Zur  Festhaltung  dieses  Grundsatzes  hat  wohl  Hüter  ^^^),  sein 
energischster  Vertheidiger,  den  besten  Leitfaden  an  die  Hand  ge- 
geben, obzwar  er  fast  zu  weit  ausgesponnen  erscheint :  »Angespornt 
durch  die  Ueberzeugung,  dass  die  Indication  für  Resection  des  Talo- 
cruralgelenks  gekommen  ist ,  wenn  bei  einer  Synovitis  granulosa  der 


"^j  S.  No.  350.  »Es  sind,  da  Ankylose  erstrebt  werden  muss,  die  Be- 
wegungsversuche im  Gelenke  zu  unterlassen.« 

'^*j  Bergmann  sagt:  »Dass  die  active  Beweglichkeit  des  resecirten  Fuss- 
gelenks  ein  für  den  Gang  sehr  günstiges  Resultat  abgibt,  falls  nur  das  Gelenk 
nicht  schlotterte,  sondern  eine  gewisse  Festigkeit  besitzt,  habe  ich  in  der  Privat- 
praxis erfahren.«     (s.  No.  96.) 

8")  S.  No.  84. 

"8)  S.  No.  83. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenk resectionen     3ß3 

Ausgang  des  Prozesses  in  Eiterung  declarirt«,  hält  er  die  Resection 
bei  dieser  Art  von  Entzündung  auch  dann  indicirt,  »wenn  längere 
Gehunfähigkeit  besteht  und  die  nicht  operative  Behandlung  erfolglos 
bleibt«  ^^^).  Freilich  fordern  nach  Socin  »die  glänzenden  Resections- 
erfolge  V.  Langen beck's  auf,  die  Indicationsgrenzen  dieser  Operation 
etwas  weiter  zu  stecken«,  wesswegen  selbst  functionelle  Indicationen 
gestattet  sein  dürften. 

In  diese  Gategorie  gehören  ausser  der  ebenerwähnten  noch 
zwei  weitere  Anzeigen,  von  denen  die  eine  gleichfalls  von  Hüter, 
die  andere  von  Neudörfer  aufgestellt  wurde.  Letzterer  bezeichnet 
nämlich  Ankylose  in  starker  Beugung  oder  Streckung  als  vollständig 
berechtigte  Indication  zur  Resection ;  ersterer  will  sie  sogar  bei  schlecht 
geheilten  Malleolarfracturen  vornehmen,  was  jedoch,  vorausgesetzt 
dass  hierdurch  die  Funktionsbeeinträchtigung  nicht  allzu  störend 
wirkt,  et  welches  Bedenken  erregt  ^  *'*'). 

Allgemein  anerkannt  dagegen  sind  die  von  ihm  wegen  Ver- 
letzungen bestimmten  Fälle,  welche  der  Excision  anheimfallen,  indem 
er  als  solche  Hieb-,  Stichwunden  und  complicirte  Malleolarbrüche  mit 
consecutiver  Jauchung  bezeichnet;  ferner  complicirte  Luxationen,  bei 
denen  die  Unterschenkelknochen  die  Haut  perforiren ;  endlich  Schuss- 
fracturen  mit  Knochensplitterung,  Letztere  Läsionen  überhaupt  be- 
dürfen, weil  fast  ausschliesslich  der  Kriegsheil  künde  zugehörig,  von 
diesem  Standpunkte  aus  einer  eingehenderen  Würdigung.  Sie  ver- 
dienen nach  Fischer's^*^^)  Erfahrungen  eine  conservative  Behand- 


S59^  Wohl  im  Hinblick  auf  die  schlechten  Resultate  einer  verspäteten 
Operation  bei  Caries,  deren  charakteristisches,  von  ihm  gezeichnetes  Bild,  nach- 
her enthüllt  wird,  fühlt  er  sich  zu  dieser  extremen  Indication  veranlasst. 

*®**)  Als  seltene  derartige  Indicationen  werden  angegeben  1)  von  Volk- 
mann: Angeborene  Luxation  :  »Am  Fussgelenke  kann  bei  beträchtlicher  functio- 
neller  Störung  wohl  der  Versuch  gemacht  werden,  durch  die  Resection  des 
Gelenks  die  Brauchbarkeit  des  Gliedes  zu  bessern.  —  2)  Von  Hüter:  »Freie 
Gelenkkörper,  wenn  sie  den  Gang  stören  und  auf  andere  Weise  nicht  entfernt 
werden  können.«  (?) 

'^')  S,  No.  14.  Indessen  sagt  Fischer:  »Wir  können  uns  Lücke  nicht 
anschliessen,  welcher  behauptet,  dass  in  den  allermeisten  Fällen  die  Fussschuss- 
verletzungen  die  völlig  conservative  Methode  am  besten  zum  Ziele  führe;  es 
scheint  uns  vielmehr   dringend    geboten,    dass   man   bei   den  Fussgelenkschuss- 


364  Dr.  W.  Stark. 

lung  »bei  einfacher  Eröffnung  des  Gelenks  und  Gelenkschüssen  mit 
Fraclur  des  Malleolus  externus  oder  internus  nebst  Streifung  des 
Talus«.  Uebrigens  wird  das  exspectative  Verfahren,  wie  Socin 
dafürhält,  unter  günstigen  äussern  Verhältnissen  noch  in  vielen  Fäl- 
len am  Platze  sein.  Sein  Plan  hierbei  geht  dahin,  »zunächst  die 
reine  Conservation  zu  versuchen  und  sich  erst  dann  zur  Resection 
zu  entschliessen,  wenn  starke  Eiterung  oder  Jauchung  sich  ent- 
wickelt«. 

Aehnliche  Lehren  gibt  v.Langenbeck  ^^^)  bei  Zertrümmerungen 
des  Fussgelenks  durch  Geschosse  schweren  Kalibers  und  motivirt 
dieselben  in  ausführlicherer  Weise,  als  es  Hey  fei  der  ^^^)  schon 
anno  1863  gethan  hat:  »Man  würde  durch  Ausführung  der  primären 
Resection  Gefahr  laufen,  an  Theilen  operirt  zu  haben,  welchen 
Nekrose  in  Folge  der  Verletzung  bevorsteht  und  man  hat  bei  der 
secundären  Resection  ein  weit  sichereres  Urtheil  über  den  Zustand 
der  Knochentheile  des  Gelenks,  welche  erhalten  werden  können.« 
Dies  stimmt  zu  den  Auseinandersetzungen  Fischer' s  ^^*),  der  bei 
intensiver  Splitterung  gleichfalls  die  sekundäre  Resection  für  indicirt 
erklärt  und  noch  die  Ermahnung  daran  knüpft,  sie  bei  profuser 
Suppuration  nicht  zu  lange  hinauszuschieben,  damit  sie  nicht  schliess- 
lich unmöglich  werde,  oder  Pyämie  Alles  vereitelte. 

Wie  ersichtlich,  ist  in  den  angeführten  Aussprüchen  ausschliess- 
lich der  sekundären  Resection  gedacht.     Trotzdem   bleibt   die   Neu- 


fracluren  nicht  viel  Zeit  mit  der  einfach  conservativen  Methode  verliere,  sondern 
möglichst  frühzeitig  und  möglichst  partiell  reseciren  soll.«  Lücke  nennt  dies 
einen  »voreiligen  Schluss«  in  Anbetracht  der  schwachen  Basis  (5  Resecirte),  auf 
welcher  diese  Ansicht  ruht. 

^®^)  S.  No.  7.  Er  räth  dabei,  zunächst  exspectativ  zu  verfahren  und  nicht 
etwa  primär  zu  reseciren,  sondern  unter  sorgfältiger  Immobilisirung  des  Gelenks 
und  offener  Wundbehandlung  die  rechtzeitige  secundäre  Resection  in  Aussicht 
zu  nehmen.  —  Die  exspectative  Behandlung  ist  hier  zunächst  geboten,  weil 
unmittelbar  nach  der  Verwundung  sich  niemals  bemessen  lässt,  wie  bedeutend 
die  erschütternde  und  quetschende  Einwirkung  des  Geschosses  auf  die  ganze 
Extremität  gewesen  sein  mag. 

^")  S.  No.  2.  Indication  der  secundären  Resection :  »Wenn  im  Anfang 
die  Ausdehnung  der  Verletzung  nicht  nachweisbar  war,  oder  wenn  bei  der  con- 
servativen Methode  nachträglich  Nekrose  oder  Garies  eingetreten.« 

8")  S.  No.  14. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresektionen.     365 

dörfer'sche^''^)   Behauptung:  »Im  Tibiotarsalgelenke   wurde  noch 
niemals  die  Frühresection  empfohlen«,  unrichtig. 

Denn  schon  Heyfelder ^^''^)  stellt  den  allgerpeinen  Satz  auf: 
»Die  primäre  Resection  ist  indicirt,  wo  die  erhaltende  Methode 
keine  Aussicht  auf  Erfolg  bietet.« 

Freilich  kommt,  Hüter's^^^)  Worten  gemäss,  eine  practische 
Verwirklichung  derselben  im  Kriege  kaum  in  Frage.  Dessenunge- 
achtet lebt  Socin  3^^)  auch  hier  der  Ueberzeugung,  »dass  die  primäre 
Resection  sich  in  die  Kriegschirurgie  Eingang  verschaffen  wird«. 
Sie  scheint  ihm  in  allen  Fällen  erforderlich,  »in  welcher  bei  weiter 
Eröffnung  des  Gelenks  —  Complicationen  von  Seiten  des  Knochens  —  ■ 
(d.  h.  bis  ins  Gelenk  reichende  Fissuren,  Zertrümmerung  des  Astra- 
galus)  —  sich  gleich  anfangs  mit  Sicherheit  nachweisen  lassen«. 
Von  einer  Berechtigung  der  Intermediärresection  spricht,  —  wenn 
man  von  der  durch  Neudörfer  ^ß^)  aufgebrachten  Immediatextraction 
der  Gelenksplitter  absieht  —  von  den  angezogenen  Autoren  nur 
Hüter^^^)  und  dies  blos  »nach  Analogieen«.  — 

Die  Amputation  tritt  erst :  »Bei  starker  Zerschmetterung  beider 
Knochen,  unter  ungünstigen  Umständen  selbst  bei  einer  Fractur  des 
Malleolus  externus«  in  ihre  Rechte,  wenn  nämlich  hierbei  »die  con- 
servative  Behandlung  durch  Gangrän  oder  Pyämie  vereitelt  wird«. 
Dies  ist  den  Deductionen  Fischer's  zu  entnehmen,  die  durch 
einen  allgemeinen  Ausspruch  v.  Langenbeck's  ^''^)  ihre  Bestätigung 
erhalten  haben. 

Rückkehrend  zur  Resection  soll  in  Anbetracht  ihrer  Ausfüh- 
rung Erwähnung  finden,  wie  ungemein  von  allen  Seiten  gerade  an 
diesem  Orte    der   subperiostalen  Methode  Lob   gespendet   wird   und 


3")  S.  No.  4. 

^««)  S.  No.  2. 

3<")  S.  Xo.  83. 

*«8)  s.  No.  6. 

369)  S.  No.  4. 


*'")  S.  No.  83 :  »Nach  Analogieen  würde  ich  mich  aber  jetzt  für  berechtigt 
halten,  zu  jeder  Zeit  auch  in  der  intermediären  Periode  bei  bedrohlichen  Ent- 
zündungserscheinungen zu  reseciren.« 

3^')  S.  No.  7.  Bei  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  wird  es  das  Rath- 
samste  sein,  sofort  zu  amputiren. 


366  Dr.  W.  stark. 

zwar  hauptsächlich  desshalb,  weil  »das  Periost  der  unteren  Epiphyse 
der  Tibia,  welches  für  den  Knochenneubildungsprozess  vorzugsweise 
in  Betracht  kommt  —  in  besonders  hohem  Grade  die  Eigenschaft 
der  Reproduction  von  Knochensubstanz  besitzt.  Die  subperiostale 
Resection  des  Fussgelenks  erhält«  —  so  fährt  Heine^^a^  jj^[\^  Bezug- 
nahme auf  die  kriegs-chirurgischen  Fälle  fort  —  »dadurch  auch  der 
zerstörenden  Wirkung  der  neuen  Geschosse  gegenüber  eine  Trag- 
weite, wie  sie  dieser  Operation  am  Ellenbogen  und  Schultergelenke 
nicht  zuzukommen  scheint.«  In  gleicher  Weise  heben  Hüter"'), 
Bryk^^'),  v.  Langenbeck  ^7*)  »die  eminent  osteogene  Eigenschaft 
des  Periosts  am  untern  Ende  der  Tibia«  ^'^)  hervor. 

Hüter  liefert  über  die  Art  des  Nachwuchses  eine  eingehendere 
Notiz,  wenn  er  sagt:  »Sie  (d.  h.  Knochenneubildung)  reproducirt 
die  Formen  der  Malleolen  oft  überraschend  genau,  nur  zuerst  in 
etwas  gigantischen  Umrissen  und  es  bedarf  zuweilen  mehrerer  Mo- 
nate, bis  durch  allmählige  Schrumpfung  die  neuen  Malleolen  ihre 
normalen  Formen  gewinnen«^''''). 

Ein  zweiter  Punkt,  der  an  dieser  Stelle  Berücksichtigung  ver- 
dient, handelt  über  die  Entscheidung,  ob  neben  der  totalen  Resection 
auch  die  partielle  erlaubt  sei.  Geht  man  lediglich  von  dem  Grund- 
satze aus  —  den  Billroth''')  und  v.  Langenbeck"')  anrathen,  — , 
möglichst  wenig  Knochen  zu  entfernen,  so  können  consequenter 
Weise  über  die  Zweckmässigkeit  der  Verwerthung  auch  der  par- 
tiellen Resection  keine  Zweifel  entstehen.  Solche  wurden  jedoch 
von  Hüter  nach  verschiedener  Richtung  hin   erhoben.     Der  Grund 


"«)  S.  No.  164. 

"')  S.  No.  83.  Die  Knochennexibildung  erfolgt  nach  dieser  Resection, 
wenn  sie  in  der  angegebenen  Weise  subperiostal  ausgeführt  wurde,  mit  grosser 
Sicherheit  und  oft  mit  überraschender  Schnelligkeit  und  in  fast  erschreckender 
Intensität. 

"*)  S.  No.  9. 

"*)  S.  No.  7. 

"*)  Worte  von  Bryk. 

*'^)  Die  regenerirten  Malleoli  zeigen  in  der  Regel  ein  grösseres  Volumen 
wie  an  der  Norm,  das  später  wieder  sich  mindert  —  sagt  auch  v.  Langenbeck. 

»'»)  S.  No.  8. 

"»)  S.  No.  7. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     367 

ZU  seiner  ausgesprochenen  Abneigung"")  gegen  partielle  Resectionen 
des  Sprunggelenks  liegt  einerseits  in  befürchteten  Eiterstauungen  mit 
consecutiven  Phlegmonen  bei  Zurücklassung  eines  Malleolus,  anderer- 
seits in  der  Besorgniss  vor  Verzögerung  einer  festen  Vereinigung 
zwischen  Talus  und  Tibia  oder  gar  vor  allzu  lockerer  Verbindung 
beider  bei  restirender  Sprungbeinrolle.  Derartige  Bedenken  bestimm- 
ten ihn  zu  dem  Schlüsse:  »Man  sollte  nach  meiner  Ueberzeugung 
die  partielle  Resection  des  Talo-crural-Gelenks  unterlassen.« 

Wie  selten  jedoch  diese  Reflexionen  eintreffend®^)  oder  wie 
wenig  sie  den  weiteren  Verlauf  beeinflussen,  geht  aus  der  nachher 
folgenden  Vergleichung  der  Mortalität  und  der  Resultate  beider  Metho- 
den hervor,  welche  sowohl  hinsichtlich  der  Minorität  der  ersteren 
als  der  Majorität   der  letzteren  zum  Vortheile  der  partiellen  ausfällt. 

Daraus  erklärt  es  sich,  warum  dieselbe  trotz  des  ungünstigen 
Urtheils  Hüter' s  mehr  und  mehr  in  Aufnahme  kommt "^). 

Es  entsprach  desshalb  vollständig  den  bisherigen  Erfahrungen, 
dass  V.  Langenbeck  die  Indicationen  der  totalen  und  partiellen 
Resection  von  einander  absonderte :  Jene  empfahl  er  bei  Garies  ^*')  und 
bei  Schussfracturen  mit  ausgedehnter  Splitterung  der  Malleoli  und 
des  Talus,  diese  bei  Schussfracturen  eines  einzelnen  der  das  Gelenk 
zusammensetzenden  Knochen  3®*)  oder  bei  Verletzung  aller  drei,  aber 


'^"j  Ohne  die  partielle  Resection  und  besonders  das  Zurücklassen  der 
Talusrolle  als  einen  absoluten  Kunstfehler  bezeichnen  zu  wollen,  muss  ich  doch 
hier  meiner  Abneigung  gegen  die  partielle  Resection  dieses  Gelenkes  Ausdruck 
geben. 

'^^)  Asche  berichtet  bei  den  Partialresectionen  der  Tibia  und  Fibula  (aus 
dem  deutsch-französischen  Kriege)  u.  A.:  »Nach  dieser  Operation  ist  auch  der 
einzige  Fall  von  Schlottergelenk  beobachtet.« 

^'*)  Indessen  lautet  z.  B.  Bergmann's  Empfehlung  derselben  (für  die 
Kriegspraxis)  noch  sehr  schüchtern :  »Vielleicht  ist  es  erlaubt ,  die  partielle  Re- 
section, sofern  sie  in  der  Exstirpation  blos  des  äussern  Knöchels  !>esteht,  das 
Wort  zu  reden.« 

'^')  S.  No.  7 :  »Bei  Garies  des  Fussgelenks  habe  ich  mit  wenigen  Aus- 
nahmen stets  beide  Malleoli  und  die  obere  Gelenkfläche  des  Talus  resecirt,  oder 
wenn  letztere  erkrankt  schien,  ihn  mit  Hohlmeissel  oder  scharfem  Löffel  nahezu 
ganz  entfernt.« 

'^*)  »Bei  Schussfracturen  des  Malleolus  internus  allein  habe  ich  nur  das 
untere  Ende  der  Tibia  resecirt ,  die  anderen  beiden  Knochen  zurückgelassen.  — 
Bei  Schussfracturen  der  Fibula  habe  ich  mit  einer  Ausnahme  stets  den  Malleolus 


368  Dr-  W.  stark, 

blos  einfachem  Bruche  (ohne  Sphtterung)  eines  der  Malleolen,  getreu 
seiner  Regel:  »Findet  man  bei  Schussfracturen  den  einen  der  ver- 
letzten Unterschenkelknochen  nur  einfach  fracturirt,  nicht  zersplittert, 
so  kann  man  ihn  zurücklassen.« 

Im  Folgenden  sind  die  statistischen  Belege  zusammengestellt, 
welche  die  Richtigkeit  des  im  Vorhergehenden  eingenommenen  Stand- 
punktes darthun.  Für  die  eben  erörterten  partiellen  Resectionen 
AYurden  von  Heyfelder  ^^5)  aus  der  Friedens-,  von  Asche^^^)  aus 
der  Kriegspraxis  (1870/71)  genauere  Tabellen  angefertigt.  Eine  ver- 
gleichende Uebersicht    über    beide    gestaltet    sich    in    nachstehender 

Weise : 

Decapitation  beider  Malleoli: 
Heyfelder  =  25  —  gest.  5  =  207o 
Asche  =  18  —  gest,  5  =  287o. 

Decapitation  derTibia: 

Heyfelder  =  35  —  gest.  1  =  2,8670^«') 
Asche  =     6  —  gest.  1  =  16,67o. 

Decapitation  der  Fibula: 

Heyfelder  =  16  —  gest.  2  =  12,570^8^) 
Asche  =     5  —  gest.  2  =  40 7o. 

Resection  des  Talus: 

Heyfelder  =  75  —  gest.  5  =  6,667o 
Asche         =     3  —  gest.    1  =  33,37o 
Summa:  Heyfelder  =  151   —  gest.  13  =  8,607« 

Asche         =    32  —  gest.    9  =  28,17o389). 


externus  mit  der  oberen  Gelenkfläche  des  Talus  entfernt,  wenngleich  dieser  letztere 
gesund  war.  Bei  ausgedehnten  Schussverlelzungen  des  Talus  habe  ich  den 
ganzen  Talus  exstirpirt,  den  unverletzten  Malleolus  zurückgelassen.« 

«")  S.  No.  2. 

388)  S.  No.  350. 

'8')  Zu  dieser  Art  von  Partialresection  bemerkt  er :  »Die  Decapitation  der 
Tibia  mit  Erhaltung  des  Wadenbeins  verwirft  Linhart  gänzhch,  weil  das  Gelenk 
in  diesem  Falle  keine  hinreichende  Stütze  erhalte.  Das  Bedenken  hat  die  Er- 
fahrung vollständig  widerlegt.« 

'**)  In  Bezug  auf  die  vorige  Partialresection  meint  er  zu  dieser:  >Die 
Resection  der  Fibula  ist  eine  noch  weniger  eingreifende  Operation  und  hat  noch 
seltener  als  jene  Gelenksteifigkeit  zur  Folge.« 

'8*)  Ausser  den  hier   angeführten   zählt  Aschö  15  weitere   partiell  Rese- 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     369 

Eclatant  ist  die  auch  hier  durchgängig  hervortretende  hohe 
Sterblichkeit  der  im  Kriege  Operirten  gegenüber  jener  in  der  Frie- 
denspraxis. Genauere  Schlüsse  gestattet  die  Ungleichheit  der  Zah- 
lenverhältnisse nicht. 

Heyfelder  hat  auf  Grund  seiner  obigen  Tabelle  die  einzelnen 
Arten  von  Partialresection  der  Mortalitätsgrösse  nach  in  aufsteigen- 
der Reihe  also  geordnet :  Decapitatio  tibiae;  Res.  tali;  Decap.  fibulae; 
Decap.  ossium  cruris. 

Diesen  vitalen  Erfolgen  gegenüber  stehen  die  der  totalen 
Resection  in  den  analogen  Aufzeichnungen  derselben  Autoren  hintan : 
Hey  fei  der  kannte  22  Totaloperationen  mit  3  Todesfällen  =  13,6%, 
Asche  »         46  »  »20  »  =  43,5>. 

Summirt  man  die  jeweiligen  Resultate  der  totalen  und  partiellen, 
so  ergibt  sich: 

bei  Heyfelder  174  —  gest.  16  =  9,2>, 
bei  Asche  78  —  gest.  29  =  37,2 >. 

Das  statistische  Ergebniss  der  Arbeit  Heyfelder's  rechtfertigt  die 
Worte  Neudörfer's:  »Die  Resection  des  Tibiotarsalgelenks  ist  mit 
keiner  besondern  Gefahr  verbunden.« 

Dessenungeachtet  ist  Hüter  mit  diesen  überlieferten  Resul- 
taten^^*') keineswegs  zufrieden:  »Auf  der  neuen  Grundlage,  welche 
wir  für  Indication,  Methodik  und  Technik  gewonnen  haben,  muss 
auch  eine  neue  Statistik  begründet  werden;  ich  zweifle  nicht  daran, 
dass  sie  gegenüber  der  hohen  Mortalität  der  Entzündungen  des  Talo- 
cruralgelenks  ein  glänzendes  Zeugniss  für  die  Berechtigung  der  Früh- 
resection  dieses  Gelenkes  ablegen  wird.«  Er  selbst  hatte  von  »12 
Friedensresectionen  ^  ^  ^)  einen  Todesfall  zu  beklagen«  =  8,33  7o,  eine 
Sterblichkeit,   die  trotz  der  von  ihm  betonten,   also   wohl  auch  be- 


cirte  aus  dem  deutsch-französischen  Kriege  auf,  von  denen  5  starben;    somit  in 
toto  47  Resecirte  mit  14  Todesfällen  oder  29,8  70. 

3««)  13,5»;o  nach  Heyfelder  bei  Caries,  s.  No.  339. 

^'^)  Leider    veröffentlichte    er    die   Fälle    nicht,   trotz    v.  Langen beck's 
directer  Aufforderung.    Rechnet   man   als  Friedensresectiotien   blos  die  patholo- 
gischen,   nicht   aber   traumatische  Fälle,   dann  hat  er  allerdings  gegenüber  der 
Heyfelder'schen  Statistik  bei  Caries  einen  Vorsprung  von  5,2%  erlangt. 
Czerny,  Beiträg-e  zur  operativen  Chirurgie.  24 


370  Dl-  ^^'-  stark. 

folgten,  »richtigen  Auswahl  der  Fälle«  nur  wenig  hinter  der  vorigen 
(von  Heyfelder  berechneten)  zurückbleibt  ^^^). 

Im  Feldzuge  1870—1871  stachen  seine  Erfolge  mehr  gegen  die 
der  Gesammtstatistik  A sehe's  ab,  indem  er  von  15  nur  3  verlor, 
also  20 7o  ^^^).  üebrigens  lieferten  frühere  Kriegsresectionen  noch 
bessere  vitale  Resultate.  In  den  Feldzügen  1864  und  1866  starben, 
V.  Langenbeck's  3^*)  Aufzeichnungen  gemäss,  von  11  =  2  folglich 
18,l*^/o.  Die  Erklärung  zu  diesem  wechselvollen  Verhalten  ist  wohl 
am  besten  und  bündigsten  in  dem  v.  Langenbeck'schen  ^^^)  Aus- 
spruche niedergelegt:  »Art  und  Ausdehnung  der  Verletzung  und 
äussere  Verhältnisse  bestimmen  wesentlich  die  Gefahr  der  Fuss- 
gelenkschüsse. « 

Zur  allgemeinen  Orientirung  über  den  bisherigen  Stand  des 
Leistungsvermögens  der  resecirten  Glieder  dient  Hüter's  ^^^)  Er- 
fahrungssatz: »Eine  geringe  Beweglichkeit  pflegt  ohne  unser  Zuthun 
zurückzubleiben;  aber  auch  die  ankylotische  Verbindung  ist  nicht 
unerwünscht;  denn  auch  sie  gestattet  einen  normalen  Gehact.  Die 
Genesenen  zeigten  theils  keine ,  theils  geringe  Verkürzung  der  Ex- 
tremität und  die  Nachrichten,  welche  nach  langer  Zeit  über  ihre 
Gehfähigkeit  einliefen,  waren  sehr  befriedigend.« 

Beispiele  für  diese  Worte  finden  sich  sowohl  bei  den  partiellen 
als  totalen  Resectionen,  sowohl  bei  denen  der  Friedens-  als  auch 
der  Kriegspraxis  ^^'^). 

Schon  Ried 398)  führt  z.  B.  einen  Splitterbruch  an,  bei  welchem, 
nachdem  2^ß  Zoll  von  der  Tibia  und  4^/4  von  der  Fibula  entfernt 
worden  waren,  Beweglichkeit  bei  wenig  veränderter  Form  des  Ge- 


*''')  Doch  lässt  das  Zahlenmissverhältniss  zwischen  beiden  kaum  einen 
Vergleich  zu. 

*^')  Socin  und  Bergmann  erzielten  in  demselben  Kriege  noch  bessere 
Resultate:  Ersterer  16,6 >  (von  6  gest.  =  1);  letzterer  18,1  "/o  (von  11  gest.  =  2). 

»9^)  Citirt  bei  Hüter  s.  No.  83. 

89^)  S.  No.  7. 

«98J  S.  No.  83. 

^9^)  Es  sind  solche  ausgewählt,  bei  denen  auch  die  Beweglichkeit  des 
Gelenks  wenig  zu  wünschen  übrig  liess. 

'»'»)  S.  No.  36. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     37^ 

lenks  resultirte  und  der  Kranke  mit  Vj2  Zoll  hohem  Absatz  im 
Stiefel  ohne  Beschwerden  gehen  konnte. 

Heyfelder  erzählt  unter  derselben  Kategorie  von  Partial- 
resectionen  einen  FalP^^)  von  erlittener  Luxation  nebst  Fractura 
compl.  cruris,  in  dem  3  Monate  nach  der  Resection  die  Heilung  sich 
vollzogen  hatte:  »Der  Astragalus  bildete  mit  Tibia  und  Fibula  ein 
neues  Gelenk,  welches  dem  Kranken  schon  nach  einem  Jahre  weite 
Spaziergänge  ohne  Ermüdung  zu  machen  gestattete.« 

Die  einzelnen  Arten  von  partieller  Resection  werden  von  letz- 
terem Chirurgen  nach  der  stufenweise  ansteigenden  Höhe  ihrer  Miss- 
erfolge so  rangirt:  Decap.  tibiae  5,88  °/o;  Res.  tah  11,1  7o ;  Decap. 
fibulae  20  7o ;  Decap.  ossium  cruris  25  "lo  Misserfolge. 

V.  Langenbeck*'''^)  erwähnt  aus  seiner  Kriegspraxis  (1864 
und  1866)  6  Heilungen  nach  partieller  Resection  und  bemerkt  bei  2, 
dass  Ankylose,  bei  einem,  dass  geringe  Beweglichkeit  im  Sprung- 
gelenke vorhanden  sei. 

Asche *<^^)  beschreibt  aus  dem  letzten  Feldzuge  eine  partielle 
Resection  von  Hüter,  bei  welcher  dieser  das  untere  Ende  der 
Tibia  und  Fibula  abgesägt  hatte:  »Der  Operirte  vermag  stunden- 
lang auf  die  Jagd  zu  gehen  und  Treppen  zu  steigen  und  höchstens 
im  tiefen  Sande  nimmt  er  ein  geringes  Mindermass  der  frühern 
Leistungsfähigkeit  wahr.  Das  Gelenk  ist  activ  beweglich  etwas  in 
Valgus-Stellung  und  verdickt ;  eine  Verkürzung  von  4  Gtm.  ist  vor- 
handen, ohne  den  Operirten  zu  behindern.«  Durch  die  Vollkommen- 
heit der  Ergebnisse  derartiger  Partialresectionen  sieht  er  sich  ver- 
anlasst, sie  eine  heilbringende  Operation  zu  nennen.  Die  anderen 
Nüancirungen  ^"2)  derselben  fielen  in  ihren  Erfolgen  ebenfalls  meist 
zur  Zufriedenheit   des  Berichterstatters   aus*"^),    indem   vorwiegend 


399^  Von  Moreau  d.  V. 

"»j  S.  No.  7. 

*»')  S.  No.  350. 

^■'^J  Bergmann  hebt  daraus  hervor:  »Die  functionellen  Resultate  scheinen, 
wenn  man  Mayer's  Zusammenwürfelungen  partieller  Fussgelenkresectionen  durch- 
blättert ,  nach  Wegnahme  blos  des  äusseren  Knöchels  nicht  ungünstig  gewesen 
zu  sein.« 

*°^j  Ueber  die  functionellen  Erfolge  gibt  er  bei  den  Partialresectionen  noch 


372  Dr.  W.  stark. 

Ankylose  in  zweckdienlicher  Stellung,  einigemale  auch  Beweglichkeit 
eintrat  und  nur  2mal  amputirt  werden  musste.  Wie  weit  man  hier 
die  Resectionsgrenzen  stecken  und  doch  noch  auf  gutes  Leistungs- 
vermögen hoffen  darf,  zeigt  eine  von  ihm  (Aschd)  citirte  Operation, , 
bei  welcher  Talus,  Calcaneus,  Os  naviculare  und  Os  cuboideum  ent- 
fernt, dessen  ungeachtet  ein  zum  Gehen  taugliches  GHed  erhalten 
worden  war. 

Hinsichtlich  der  Totalresectionen  führen  Ried  und  Hey f eider 
gleich  günstige  Erfolge  vor,  wie  bei  den  partiellen.  Letzterer  gibt 
die  Zahl  der  schlechten  Erfolge  der  ersteren  auf  25 >  an;  es  sind 
mithin  solche,  seinen  Notizen  gemäss,  durchschnittlich  hier  häufiger 
als  bei  Einzeldecapitationen  (vergl.  oben).  Die  Uebrigen  (16)  er- 
freuten sich  vollkommener  Gebrauchsfähigkeit  der  Extremität.  In 
4  Fällen  war  Ankylose,  nichts  desto  weniger  freier  Gebrauch  des 
Fusses  eingetreten.  —  In  5  Fällen  ist  die  wiedergewonnene  Fähigkeit 
der  Extension  und  der  Flexion  besonders  erwähnt  ^^^). 

Von  diesen  Friedensoperationen  bedürfen  die  nach  Garies  be- 
treffs ihrer  Endergebnisse  speziell  einer  näheren  Beleuchtung. 


folgende  Einzelheiten:  Tibia  und  Fibula:  »Es  folgte  7  mal  Heilung  mit  Anky- 
lose: 2mal  im  stumpfen  Winkel,  Imal  mit  Subluxation  nacii  aussen.  Die 
Verkürzung  der  Extremität  betrug  von  2—10  Ctm.  Ausser  dem  eben  erwähnten 
Patienten  war  keiner,  der  ganz  ohne  Stock  ging.  5  bedienen  sich  eines  solchen, 
2  gebrauchen  Krücken.«  Tibia:  »In  einem  Falle  trat  Beweghchkeit  im  Gelenke 
ein,  so  dass  dasselbe  bis  zu  75"  flectirt  werden  konnte ;  in  den  3  übrigen  Fällen 
erfolgte  Ankylose.«  Fibula:  »In  den  3  Fällen  war  das  Resultat  2 mal  ein 
recht  gutes,  1  mal  ein  ungenügendes.«  Tibia  und  Talus  zugleich  wurden 
2  mal  resecirt.  —  In  einem  Falle  war  das  Resultat  eine  Verkürzung  von  8  Ctm. 
und  eine  gute  Stellung  des  Fusses,  im  andern  trat  Ankylose  und  Spitzfussstellung 
ein.«  Fibula  und  Talus:  »Der  einzige  am  Leben  Gebliebene  hat  eine  Ver- 
kürzung von  3  Gtm.,  geht  aber  mit  erhöhter  Sohle  am  Stock.«  Talus:  »1  mit 
Ankylose  und  Spitzfussstellung  geheilt.«  In  einem  Falle  wurden  Fibula,  Talus, 
Os  cuboideum  und  ein  Theil  des  Calcaneus  von  v.  Langenbeck  ent- 
fernt; das  Resultat  war  ein  sehr  gutes.«  Talus  und  Calcaneus  oder  Theile 
dieser  Knochen  wurden  3mal  mit  recht  gutem  Erfolge  entfernt. 

'"'*)  Seine  Gesammtstatistik  der  Resultate  (von  totalen  und  partiellen  Re- 
sectionen)  lautet:  »Von  158  totalen  und  partiellen  Resectionen  des  Fussgelenks 
endeten  9  bei  Erhaltung  des  Lebens  ohne  Erfolg;  149  mit  Herstellung  der 
Kranken  und  des  operirten  Gliedes.  Die  missglückten  Operationen  zusammen 
aber  betragen  '/?  (=  14,28  %)  der  Totalsumme  der  Resectionen  im  Tibiotar- 
salgelenke.« 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     373 

Hüter  unterzieht  ihre  seitherige  Stellung  und  Errungenschaf- 
ten einer  wenig  vortheilhaften  Kritik:  Man  pflegte  »früher  in  der 
Friedenspraxis  nur  diejenigen  Fälle  zu  reseciren,  in  welchen  durch 
lange  dauernde  Eiterung  die  Constitution  der  Kranken  zerrüttet, 
durch  zahlreiche  Fisteln  die  Gewebe  zerstört  und  die  osteogene  Eigen- 
schaft des  Periosts,  wenn  dasselbe  überhaupt  geschont  wurde,  ver- 
nichtet war.  Dann  brachte  man  wohl  auch  die  Kranken  in  eine 
Art  von  Reconvalescenz,  aber  die  Fisteln  schlössen  sich  nicht,  son- 
dern leiteten  die  Sonden  nach  Monaten  wieder  auf  rauhen  Knochen, 
bis  man  sich  endlich  zur  Amputation  des  Unterschenkels  entschloss, 
welche  am  besten  gleich  statt  der  Spätresection  ausgeführt  worden 
wäre  und  nur  durch  eine  Frühresection  zur  Zeit  der  ersten  Eiterung 
hätte  vermieden  werden  können.« 

Auch  V.  Langenbeck^'^5)  räumt  ihnen  mit  Rücksicht  auf  deren 
Resultate  die  letzte  Stelle  unter  ihren  gleichnamigen  Genossinnen  ein. 
Indessen  beträgt  die  Zahl  der  Misserfolge  nach  Heyfelder's  Sta- 
tistik nicht  mehr  als  das  Doppelte  der  bei  Verletzungen  Resecirten 
(hier  12,5>,  dort  25  "/o)  und  linden  sich  auch  nach  derartigen 
Operationen  sehr  gute  Resultate  verzeichnet.  Ried  nennt  z.  B. 
einen  Fall,  wo  Beugung  und  Streckung  normal  blieben,  Stehen  und 
Gehen  mehrere  Stunden  ohne  Beschwerden  möglich  war. 

Die  Erfolge  der  Excisionen  nach  Verletzungen  im  Kriege 
blieben  nicht  hinter  jenen  des  Friedens  zurück.  Neudörf er  ^'^e) 
und  Socin*<>^)  erzählen  sogar  Fälle,  wo  wegen  der  ausgezeichneten 
Wiederherstellung  der  Form  und  Function  selbst  von  Sachverstän- 
digen die  Operation  einer  Tolalresection   in  Zweifel   gezogen  wurde. 


^"^J  S.  No.  7 :  »Die  wegen  Caries  unternommenen  Resectionen  liefern  weit 
weniger  günstige  Piesultate.« 

*'®)  Die  einschlägige  Stelle  der  Krankengeschichte  lautet :  »Im  Jahre  1863 
konnte  der  Mann  eine  Reise  nach  Prag  zu  Fuss  und  ohne  Stock  machen.  Im 
Doctor-Collegium  zu  Prag  wurde  die  Operation  als  so  vollständig  gelungen  be- 
trachtet, dass  von  einer  Seite  die  Möglichkeit,  als  sei  in  dem  demonstrirten 
Gelenke  eine  Resection  ausgeführt  worden,  in  Zweifel  gezogen  wurde. 

^"^)  Er  sagt  (s.  No.  6) :  »In  einem  Falle  stellte  sich  die  Form  und  Function 
des  Gelenks  in  einer  so  vollständigen  Weise  wieder  her,  wie  ich  es  kaum  für  mög- 
lich gehalten  hätte.  Ich  bin  überzeugt,  dass  bei  der  Untersuchung  der  geheilten 
Extremität  mancher  College  an  der  geschehenen  totalen  Resection  zweifeln  würde.« 


374  Dl'-  ^V.  Stark. 

Ueber  die  Resultate  der  letzteren  aus  dem  jüngsten  Kriege  ins- 
gesammt  berichtet  Asche:  »Der  grösste  Theil  der  Operirten  konnte 
mit  dem  betreffenden  Fusse,  wenn  auch  mit  Hülfe  eines  Stockes 
oder  einer  Krücke  gehen.  In  einzelnen  Fällen  war  allerdings  die 
Stellung  des  Fusses  eine  so  fehlerhafte,  dass  ein  Aufsetzen  des  Fusses 
nicht  möglich  war.  Die  Heilung  erfolgte  mit  Ankylose,  die  als  gutes 
Resultat  zu  bezeichnen  ist,  wenn  sie  im  rechten  Winkel  erfolgt.« 

Einen  nicht  unwichtigen  Beitrag  dazu,  dass,  wie  eben  Asche 
erwähnt  und  früheren  Miltheilungen  zufolge  andere  Autoren  bestä- 
tigen, Ankylose  bezüglich  der  Gebrauchsfähigkeit  befriedigt,  liefert 
eine  consecutive  Vermehrung  der  Beweglichkeit  der  untern  Fuss- 
gelenke,  »namentlich  zwischen  Astragalus  und  Naviculare«  *°^),  welche 
die  Steifigkeit  einigermassen  compensirt. 

Dies  betonen  hauptsächlich  Hey  fei  der  ^o'-*),  Neudörfer  ^i^), 
Bergmann  *^^).  Nicht  aber  vermag  solche  vicariirende  Mobilität 
erhebliche  Stellungsanomalien  unschädlich  zu  machen,  wie  ja  zur 
Genüge  aus  den  vorhergegangenen  Gitaten  erhellt.  Diese  zu  ver- 
meiden, ist  eine  der  wesentlichsten  Aufgaben  der  Nachbehandlung 
und  wegen  des  grossen  Einflusses,  den  letztere  auf  die  endgültige 
Gestaltung  des  Erfolges  besitzt,  sollen  ihr  zum  Schlüsse  noch  einige 
Worte  gewidmet  sein.  Sagt  doch  Bergmann,  der  am  meisten 
seine  Resultate  durch  ungünstige  Fussstellungen  beeinträchtigt  sah  ^'2): 
»Unstreitig  fällt  bei  der  Fussgelenkresection,  der  totalen  wie  partiellen, 
die  Hauptsache  der  Nachbehandlung  zu.«  Seine  Erfahrungen  lehren, 
dass  bei  den  Verbänden  auf  Correction  etwa  vorhandener  fehlerhafter 
Stellung  des  Fusses  besonders  geachtet  werden  muss.  Dies  ist  vor 
Allem  denen  zu  empfehlen,  welche  Ankylose  anstreben.  Denn 
v.  Langenbeck  fand:  »Weit  mangelhafter  ist  der  Gang,  wenn  der  Fuss 
des  mit  Ankylose  Geheilten  nicht  vollkommen  rechtwinklig  steht,  oder 


*°^)  Nach  der  Erfahrung  von  Bergmann  s.  No.  06. 
"»)  S.  x\o.  2. 
^'0)  S.  No.  4. 
*")  S.  No.  96. 

412\ 


^)  »Leider  sind  fast  bei  allen  meinen  Operirten  ungünstige  Stellungen  des 
Fusses  zu  Stande  gekommen  und  daher  keine  vollkommenen  Resultate  erzielt 
worden.« 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     375 

gar  in  Pro-  oder  Supination  gestellt  ist.«  (Pes  equinovarus ;  Berg- 
mann) *^3).  —  Will  man  möglichst  normale  Beweglichkeit  erzielen, 
so  dürfte  es  nach  Billroth's  *^*)  Rathe  zweckmässig  sein,  »nicht 
zu  früh  Bewegungen  zu  machen,  oder  in  Fällen,  in  welchen  die 
Bewegungen  schon  früh  (9  —  10  Wochen  nach  der  Operation)  sehr 
frei  sind,  dieselben  durch  einen  Schienenapparat  mit  Gharniergelenk 
zu  hemmen.« 

Ist  das  beabsichtigte  Resultat  erreicht,  so  kann  der  Operateur 
mit  ziemlicher  Sicherheit  darauf  rechnen,  dass  es  erhalten  bleibt: 
Hüter's  Beobachtungen,  welche  über  Jahre  sich  erstrecken,  be- 
weisen, dass  jedenfalls  diese  Resection  nicht  zu  denjenigen  gehört, 
deren  Resultate  nur  so  die  erste  Zeit  genügen  und  durch  den  Ver- 
lauf einiger  Jahre  wieder  vernichtet  werden.  — 


Von  7  Fussgelenkresecirten,  bei  denen  die  Operation  in  den 
mehrerwähnten  Zeitraum  fiel,  starben  2  (Trimminger  und  Scherer). 
Einer  (Hirsch)  musste  nachträglich  amputirt  werden.  Eine  (Herrn) 
ist,  nachdem  mehr  als  ein  Jahr  seit  der  Resection  verflossen,  un- 
geheilt.  Einer  (Schmutz)  wurde  nach  Ablauf  von  4  Monaten,  noch 
ehe  seine  Localaffection  völlig  beseitigt  war,  in  ein  Salzbad  entlassen. 
Einer  (Nopper)  war  nach  ^ji  Jahren,  eine  (W.  v.  H.)  sogar  schon 
nach  6  Wochen  hergestellt, 

Ursache  der  Operation  bildete  3mal  Trauma  (bei  Trimminger, 


*^^)  Er  sagt  über  diese  Stellung :  »Das  ist  die  Stellung,  die  den  Erfolg  am 
meisten  beeinträchtigt.  Die  Unsicherheit  im  Gange,  das  Bedürfniss  nach  einer 
Unterstützung  durch  Krücken  und- Krückenstöcke,  sowie  die  Ermüdung  und  die 
Schmerzen  beim  Stehen  und  Aufstützen  sind  alle  wohl  Folgen  dieser  Verstellung 
des  Fusses.  In  der  langen  Dauer  der  Heilung,  während  welcher  der  am  Fuss 
Verwundete  entweder  im  Bette  liegt  oder  auf  Krücken  durch  die  Krankensäle 
humpelt,  ist  der  Grund  der  Varusformation' zu  suchen.  Der  bewegungslose 
Fuss  bleibt  sich  selbst  überlassen  und  begibt  sich  daher  in  die  Stellung,  in 
welche  ihn  seine  Schwere  zwingt.  Die  schliesslich  bleibend  gewordene  Difformität 
ist  derselbe  pes  equinus  mit  leichter  Varusstellung,  der  uns  nach  so  vielen 
Krankenlagern  begegnet. 

*")  S.  x\o.  8. 


376  Dr.  W.  stark. 

Schmutz  und  W.  v.  H.),  4mal  Garies.  Bei  Schmutz  und  Hirsch  befand 
sich  der  Krankheitsheerd  rechterseits.  Bei  Trimminger  und  Schmutz 
wurde  blos  partiell  resecirt;  ersterer  entfernte  man  das  untere  Ende 
der  Tibia,  letzterem  das  der  Fibula.  In  dem  ersten  der  mit  Tod  ab- 
gegangenen Fälle,  bei  der  47  Jahre  alten  Verunglückten,  in  welchem 
blos  die  Tibia  decapitirt,  das  zersplitterte  Bruchende  der  Fibula  dagegen 
zurückgelassen  worden  war,  machten  Phlegmone  und  Jauchung  bei 
hochgradigem  Fieber  —  11  Tage  nach  der  Resection  —  die  trans- 
condyläre  Amputation  nothwendig,  die  jedoch  das  Auftreten  der 
Pyämie  (J2.  Nov.)  nicht  zu  verhindern  vermochte.  Der  Exitus  erfolgte 
einen  Monat  nach  der  Verletzung.  Der  zweite  lethal  endigende  Fall, 
ein  23jähriger  Maurer  (Scherer),  erlag  10  Tage  nach  der  Operation 
der  Septicämie. 

Bei  dem  14jährigen  Jungen,  welcher  nachträglich  zur  Ampu- 
tation kam,  wurde  dieselbe  durch  recidivirende  Garies,  ein  halb  Jahr 
nach  der  Excision  indicirt. 

Rechnet  man  ausser  diesem  noch  Herm,  bei  der  eine  end- 
gültige Ausheilung  höchst  unwahrscheinlich,  zu  den  Misserfolgen,  so 
betragen  sie  sowohl  wie  die  Todesfälle  28,6%. 

Von  den  restirenden  Fällen  kann  bei  Schmutz  wegen  allzu 
kurzer  Beobachtungsdauer  das  Resultat  kaum  provisorisch  als  ein 
leidliches  bezeichnet  werden;  bei  Nopper  ist  dasselbe  gut,  bei  W. 
V.  H.  ausgezeichnet.  Das  sofortige  conservativ-operative  Eingreifen 
rechtfertigte  sich  mithin  auch  hier  (bei  W.  v.  H.)  glänzend  und  würde 
wohl,  wenn  bei  Schmutz  früher  gehandhabt,  gleichfalls  in  kürzerer 
Frist  besseren  Erfolg  zu  Stande  gebracht  resp.  die  Ausbreitung  der 
Garies  verhütet  haben.  Immerhin  steht  wenigstens  das  erste  dieser 
beiden  Exempel  für  die  allgemeine  Annahme  einer  günstigeren  Pro- 
gnose der  Resectionsergebnisse  nach  Traumen  ein. 

Besonders  instructiv  bleibt  aber  ein  Vergleich  der  Resultate  bei 
Herm  und  Nopper:  Bei  letzterem  vollführte  man  die  Resection, 
bevor  noch  ganz  ein  Jahr  seit  dem  Auftreten  der  ersten  Symptome 
fraglichen  Leidens  verstrichen,  indessen  Herm  bereits  3^/4  Jahre  vor 
der  Operation  mit  der  Gelenkaffection  behaftet  war  und  schon  bei 
ihrem  Eintritte   in's  Spital   (1  Jahr,  2  Monate  vor  derselben)  Garies 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen,     377 

constatirt  wurde.  Beide  Fälle  bieten  also  eine  treffliche  Illustration 
zu  den  besprochenen  Lehren  Hüter's,  indem  im  ersten  die  recht- 
zeitige Excision  der  erkrankten  Theile  das  Weiterschreiten  des 
Beinfrasses  hemmte,  während  das  allzulange  Zuwarten  bei  letz- 
terem, demselben  keinen  Einhalt  mehr  zu  gebieten  vermochte.  Es 
wird  desshalb  wohl  bei  ihm  auch  die  oben  citirte  Hüter'sche  Nutz- 
anwendung zur  Geltung  kommen,  nämlich  eine  Amputation,  »welche 
am  besten  gleich  statt  der  Spätresection  ausgeführt  worden  wäre 
und  nur  durch  eine  Frühresection  hätte  vermieden  werden  können«  *). 
Die  Basis  vorerwähnter  Berichte  bilden  nachstehende  Kranken- 
geschichten : 

Fall  41. 

Mathilde  T r  i  m  m  i  n  g  e  r,  47  Jahre  alt,  gehürtig  aus  Engen ,  verlor, 
als  sie  am  20.  October  1873  ein  gefülltes  Fass  die  Kellertreppe  hinabtragen 
wollte,  das  Gleichgewicht  und  stürzte,  obgleich  sie  das  Fass  gleiten  Hess, 
14  Stufen  weit  herunter.  Sie  versuchte  aufzustehen,  brach  aber  sofort  wieder 
zusammen.  Unmittelbar  darauf  in  die  Chirurg.  Klinik  verbracht,  bot  sie  folgen- 
den Status  praesens.  Der  linke  Fuss  war  derart  um  seine  Längsachse  gedreht, 
dass  die  Sohle  gerade  nach  Aussen  sah.  Von  den  Knöcheln,  welche  sich  beide 
fracturirt  zeigten,  hatte  jener  der  Tibia  die  Haut  des  Fusses  auf  eine  Länge  von 
10^/2  Ctm.  zerrissen  und  lag  frei  zu  Tage.  Eine  artei'ielle  Blutung  —  wahr- 
scheinlich vom  Ramus  anterior  arter.  peroneae  stand  nach  sofortiger  Unterbindung. 
Da  die  Art.  dorsal,  pedis  deutlich  pulsirte  und  die  Sensibilität  des  Fusses  sich 
intact  erwies,  beschloss  man  die  conservative  Behandlungsmethode.  Das  untere 
Ende  der  Tibia  wurde  in  der  Höhe  von  1  '/2  Zoll  resecirt,  auf  die  Entfernung  des 
Bruchendes  der  Fibula,  welches  in  mehrere  Stücke  zersplittert  war,  wegen  seines 
festen  Zusammenhanges  mit  dem  Perioste  verzichtet.  Es  folgte  das  Einführen 
eines  geölten  Läppchens  und  Anlegen  eines  gefensterten  Gyps-  nebst  Carbolwatte- 
Yerbandes. 

Die  Temperaturcurve  erhob  sich  mit  schwachen  Remissionen  in  der 
nächsten  Zeit  allmählig  bis  40,5  °  (am  30.  October).  Nur  bis  zum  4.  Tage  nach 
der  Resection  blieb,  so  lange  die  Reinigung  der  Wunde  keine  Störung  erfahren, 
das  subjective  Befinden  gut.  Schon  in  der  Nacht  vom  22.  auf  23.  schlief 
Patientin  trotz  Morphiumgabe  schlecht  wegen  der  entstandenen,  lebhaften 
Schmerzen.  Angesammelter,  übelriechender  Eiter  musste  durch  Eingehen  mit 
dem  Finger  entleert,  die  Wundhöhle  täglich  ausgespritzt,  das  Leinwandstreifchen 
erneuert  werden.  Aber  das  Bein  schwoll;  das  Secret  vermehrte  sich,  ohne 
seinen  Geruch  zu  bessern,  so  sehr,  dass  das  Auffangen  desselben  in  einer  Schüssel 


*)  Leider  musste  Nopper  später   amputirt   werden,    während  Herrn  durch 
eine  wiederholte  ausgedehnte  Resection  genas.     (S.  unten.) 


378  Dl'-  W.  stark. 

nölhig  ward.  Von  jetzt  an  offene  Wundbehandlung.  Wegen  der  unerträglich  ge- 
wordenen Schmerzen  musste  der  Gypsverband  am  28.  October  aufgeschnitten 
werden.  Es  zeigte  sich  dabei  Röthung  an  der  äusseren  Seite  der  Extremität, 
besonders  am  äussern  Knöchel,  wo  auch  durch  Druck,  der  jedoch  äusserst 
schmerzhaft  war,  reichücher  Ausfluss  jauchiger  Flüssigkeit  bewirkt  wurde.  Der 
eingeführte  Finger  konnte  keine  Loslösung  der  spitzen  Fibulasplitter  nachweisen. 
Weil  am  29.  October  sich  am  äusseren  Knöchel  Fluctuation  vorfand,  incidirte 
man,  worauf  Jauche  sich  ergoss.  Eine  in  der  Narkose  vorgenommene  Digital- 
untersuchung constatirte  den  extrafascialen  Sitz  der  weithin  verbreiteten  Phleg- 
mone. Vergrösserung  der  Schnittwunde  (auf  11  Gtm.)  und  Drainagerohr  sollten 
jeder  weiteren  Secretverhaltung  vorbeugen.  Fortschreitende  Röthung  und  Schwel- 
lung, heftige  Schmerzen  (besonders  an  der  Tibia)  trotz  wiederholter  Mor- 
phiumdosen, massenhafte  Jaucheproduction  bei  hoher  Temperatur  und  kleinem, 
frequenten  Pulse  (130)  veranlassten  am  31.  October  die  transcondyläre  Amputation 
des  Femur,  ausgeführt  mit  vorderem  Lappenschnitt  nach  vorhergegangener  E  s- 
m  a  r  c  h'scher  Einwickelung.  Einem  momentanen  Sinken  des  Fiebers  schlössen 
sich  trotz  häufiger  Ghininverabreichung,  das  die  Kranke  übrigens  schlecht  ertrug 
(Erbrechen) ,  Steigerungen  bis  über  40 "  an.  Ebenso  wenig  besserten  sich  nach 
der  Operation  auf  die  Dauer  die  Pulsbeschaffenheit,  Schmerzhaftigkeit,  Secretion. 
Wegen  Entzündung  des  am  Rande  bläulich  gefärbten  Amputationlappens  ent- 
fernte man  die  Nähte  und  legte  die  Wunde  frei.  Sie  reinigte  sich,  nachdem 
nekrotische  Gewebsfetzen  mittelst  der  Scheere  abgetragen  wurden,  und  bildete 
gesunde  Granulationen.  Doch  der  Stumpf  schwoll  mehr  und  mehr  ödematös  an 
ungeachtet  einer  Einreibung  mit  Ung.  cinereum  und  Bedeckung  mit  kalten 
Umschlägen;  ferner  erwies  er  sich,  hauptsächUch  dem  Verlaufe  der  Vena  fem. 
entsprechend,  empfindlich.  Dazu  kam,  obgleich  die  Kranke  seit  dem  24.  October 
auf  einem  Wasserkissen  lag,  ein  stetig  wachsender  Decubitus  zu  beiden  Seiten 
des  Kreuzbeins,  der  schliesslich  (17.  November),  als  er  handtellergross  geworden, 
gangränescirte  und  zugleich  an  den  Schultern  auftrat.  Die  Operirte  musste  sich 
desshalb  auf  die  Seite  legen.  Das  Sensorium  wurde  benommen,  die  Zunge 
trocken.  Am  12.  November  hatte  Patientin  den  ersten  Schüttelfrost,  der  sich 
von  nun  an  täglich  (am  18.  2  mal)  wiederholte.  Das  Fieber  wechselte  in  Folge 
dessen  sehr  in  seiner  Intensität  (36,6° — 40,3°). 

Linkerseits  unterhalb  der  Scapulaspitze  ergab  die  Untersuchung  der  Brust 
ein  leichtes,  pleuritisches  Reiben  und  Dämpfung  des  Percussionsschalls.  Die  fünf 
letzten  Tage  vor  dem  Tode  bestand  Collaps  bei  völligem  Verlust  des  Bewusst- 
seins  (unwillkürlicher  Abgang  von  Urin  und  Koth)  und  aussetzendem  Pulse, 
auch  local  erkennbar  an  der  Muskelretraction  mit  consecutiver  Knochenentblösung 
in  der  Länge  von  IV2  Gtm.  Der  Exitus  lethaHs  erfolgte  am  21.  November  Nach- 
mittags 474,  nachdem  die  Kranke  zuvor  ganz  aphonisch  geworden  war.  Hinten 
unten  am  Thorax  tympanit.  Schall  bis  zur  Spitze  des  Schulterblatts  und  pfeifende 
Rasselgeräusche  bei  einer  Respirationsfrequenz  von  40°. 

Bei  der  Section  fand  man  eitrige,  lobuläre  Pneumonie  beiderseits  nebst 
eitriger  Pleuritis;  jauchige  Erweichung  der  Thromben  in  den  Venen  des  Stumpfes, 
an  letzterem  das  Periost  des  Knochenendes  an  der  Innenseite  etwa  1  Zoll  hoch 
losgelöst,  missfarbig  grau,  den  Knochen  an  dieser  Stelle  weiss,  glatt,  trocken 
an  der  Oberfläche  der  Rinde;  die  Weichtheile  im  Ganzen  infiltrirt,  derb  und  nur 
von  vereinzelten,  kleinen  Eiterheerden  durchsetzt. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenk resectionen.     379 


Fall  42. 

Stephan  Scherer,  lediger  Maurer,  23  Jahre  alt,  aus  Umkirch,  hatte  seit 
1872  Schmerzen  am  linken  Fusse,  deren  Sitz  dem  Talus  entsprach.  Nach 
längerem  Bestehen  derselben  durchbrach  ein  Abscess  einwärts  von  der  Achilles- 
sehne die  Haut,  entleerte  ziemlich  viel  Eiter  und  schloss  sich  später  spontan. 
Die  Gebrauchsfähigkeit  des  Fusses  schwand  jedoch  mehr  und  mehr  bis  zum  Ein- 
tritte des  Patienten  in's  Spital  am  14.  Februar  1874,  Dabei  erschienen  die 
Bewegungen  im  Chopart'schen  Gelenke  nicht  schmerzhaft,  wohl  aber  das  Sprung- 
gelenk bei  Druck  auf  die  Sohle,  ferner  directer  Druck  in  der  Gegend  des 
Sustentaculum  tali  und  an  der  Innenseite  des  Fusses.  Als  auf  eine  Behandlung 
mit  Ruhe,  Fussbädern  und  Einwickelungen  der  frühere  Sitz  der  Eiteransammlung 
wiederum  zum  fluctuirenden  Tumor  heranwuchs ,  wurde  ein  gefensterter  Gyps- 
verband  angelegt  (am  5.  März)  und  der  Kranke  so  entlassen.  Bei  seiner  Wieder- 
kehr am  14.  März  war  die  Geschwulst  bereits  aufgegangen  und  gestattete  die 
betreffende  Oeffnung  einer  dünnen  Sonde  auf  circa  13  Gtm.  Länge  Eintritt  in 
der  Richtung  des  Tibiotarsalgelenkes ,  in  welches  dieselbe  jedenfalls  eindrang, 
ohne  jedoch  auf  Knochen  zu  kommen.  Als  Aetzungen  neben  der  bisherigen 
conservativen  Behandlung  nichts  ausrichteten,  wurde  das  Fussgelenk  total  resecirt 
(22.  Mai).  Nachdem  der  Esmarch'sche  Gummischlauch  angelegt,  machte  man 
2  seitliche  Einschnitte,  nahm  mit  Hülfe  der  Stichsäge  2  Gtm.  der  Fibula  hinweg, 
etwa  ebensoviel  von  der  Tibia,  sägte  die  Oberfläche  des  Talus  ab  und  gypste 
dann  den  Fuss  ein.  Compression  und  hohe  Lagerung  bekämpften  eine  Nach- 
blutung. Sehr  starkes  Fieber  (bis  40, 5o),  grosse  Schmerzhaftigkeit  (trotz  Morphium- 
injection)  und  Schwellung  stellten  sich  bald  nach  der  Operation  ein.  Das  Secret 
sah  schlecht  aus.  Am  30.  Mai  trat  Oppression  auf  der  Brust  auf  mit  den  Zeichen 
eines  Bronchialcatarrhs.  Das  Allgemeinbefinden  verschlimmerte  sich.  Am  31. 
ward  Osteomyelitis  diagnosticirt  und  der  Gypsverband  entfernt.  Es  fand  sich 
erysipelatöse  Röthung  des  Unterschenkels  (1.  .Juni) ;  Schwellung  des  Fusses ; 
ein  kleiner  Eiterheerd  im  Verlaufe  der  Sehne  des  Flexor  hallucis  long. ;  intensive 
Osteomyelitis  der  Tibia,  Fibula  und  des  Talus.  Diesem  hoffnungslosen  Zustande 
machte  am  2.  Juni  12^/2  Nachmittags  der  Tod  ein  Ende,  nachdem  zuvor  noch 
Oedem  beider  Lungen  sich  ausgebildet,  —  Septicämie  verursachte  diesen  miss- 
lichen Ausgang.     (Sectionsbericht  fehlt.) 


Fall  43. 

Anna  Herm,  4  Jahre  alt,  aus  Freiburg,  wurde  am  17.  JuU  1874  ins 
Spital  gebracht.  Der  Vater  starb  an  Phthisis,  die  Mutter  ist  geisteskrank.  Von 
den  vier  Geschwistern  leidet  das  älteste  an  Husten  und  Ohrenfluss.  Vor  2^2 
Jahren  soll  Patientin  den  linken  Fuss  übertreten  haben,  worauf  Entzündungs- 
erscheinungen in  der  Gegend  des  Sprunggelenks  eingetreten  seien,  die  wiederholt 
zur  Incision  nöthigten.  Bei  der  Aufnahme  verhielt  sich  der  Status  folgender- 
massen :  Aussehen  blass.  Husten  ohne  Auswurf.  Am  Thorax  links  hinten  oben 
Dämpfung;  daselbst  rauhes  Vesiculärathmen  und  kleinblasiges  Rasseln. 

Linker  Fuss  in  Spitzfussstellung  mit  Streckungswinkel  von  147°,  Ab- 
ductionswinkel  139°  (dabei  steht   der   äussere  Fussrand   höher   als   der  innere). 


380  Dl--  ^V.  stark. 

Schwellung  in  der  Gegend  des  Talus  und  Os  navicul,  wodurch  dorten  der  Fuss 
um  4^2  Ctm.  umfangreicher  als  rechterseits.  Mall,  intern,  stark  hervorragend, 
Mall.  ext.  nach  innen  verschoben.  An  der  inneren  Seite  des  Talus  mündet  in- 
mitten kräftiger  Granulationen  und  von  diffuser  Röthung  umgeben  ein  Fistelgang, 
dessen  Secret  dünnflüssig.  Keine  active  Beweglichkeit  im  Sprunggelenk;  passive 
beschränkt,  empiindlich.  Druck  auf  den  ersLen  Metatarsusknochen  in  der  Richtung 
der  Längsachse  des  Fusses  schmerzhaft.  Die  Sonde  stösst  auf  rauhen,  morschen 
Knochen  und  einzelne,  bewegliche,  kleine  Fragmente.  Das  Allgemeinbefinden 
besserte  sich  zusehends  bei  geordnete)'  Pflege,  die  Lungenaffection  sistirte.  Ende 
Juli  extrahirte  man  ein  nekrotisches  Knochenstück  nach  vorher  vollzogener  Er- 
Aveiterung  des  Hohlgangs.  Der  letztere,  welcher  fortwährend  Eiter  producirte 
und  auf  glatten,  festen  Knochen  führte,  verkleinerte  sich  bei  regelmässig  vor- 
genommenen Lapisätzungen.  Das  Weitergreifen  der  Caries  verhinderte  dessen 
völlige  Schliessung  und  veranlasste  ein  Evidement  mit  nachfolgender  Gauterisation 
am  IL  November.  Das  Reactionsstadium  verlief  fieberlos;  die  Secretion  mehrte  sich, 
behielt  jedoch  ihre  dünne  Gonsistenz.  Den  10.  Dezember  wurde  nach  möglichster 
Gorrection  der  abnormen  Stellung  des  Fusses  ein  gefenslei'ter  Gypsverband  ange- 
legt, der  bis  2.  IIl.  76  liegen  blieb.  Im  Juni  wiederholte  man  die  Auslöffelung  und 
touchirte  hierauf  mit  Ghlorzink.  Vermehrung  der  Eiterung  nebst  Besserung  der 
Granulationsbildung  war  der  Erfolg,  dessen  Fortschreiten  Lapisätzungen  unter- 
stützen sollten.  Aber  der  immer  mehr  sich  ausbreitende  Knochenfrass  am  Talus 
indicirte  im  September  nochmals  das  Auskratzen  desselben,  wobei  das  Talona- 
viculargelenk  sich  afficirt  zeigte.  Eine  Gegenöffnung  unterhalb  des  Mall,  extern, 
und  Durchziehen  eines  Drainagerohrs  (Enfernung  desselben  am  24.  October)  be- 
zweckten freien  Abfluss  des  Secretes.  Es  trat  keine  erhebliche  Veränderung  des 
Localbefindens  darnach  ein. 

Dieses  stete  Beharren  auf  dem  Status  quo  ante  im  Verein  mit  dem,  wenn 
auch  ziemlich  stillstehenden,  destruirenden  Prozesse  an  der  Lunge  Hessen  einen 
radicalern  Eingriff  für  rathsam  erscheinen  und  man  entschied  sich  nach  genauer 
Untersuchung  in  der  Narkose  am  11.  November  1875,  wobei  sowohl  das  Os  tali 
und  navicul.,  als  auch  das  Os  cuboid.,  sowie  Tibia  und  Fibula  sich  cariös  fanden, 
für  die  Resection  der  erkrankten  Theile.  Die  Knochen  waren  sehr  weich ,  die 
Tibia  auffallend  hyperämisch.  Unter  Lister  wurde  mit  zwei  Schwämmen  tamponirt, 
die  Wunde  genäht,  das  Bein  alsdann  in  einen  Petit'schen  Stiefel  gelagert. 

Hefte  und  Schwämme  nahm  man  in  den  nächsten  Tagen  weg  und  drainirte. 
Die  Unbändigkeit  des  Kindes  beim  Verbandwechsel  rief  wiederholt  Blutungen 
hervor  und  nöthigte  desshalb  am  20.  November  zur  Application  eines  Gyps- 
verbandes  mit  Ausschnitt. 

An  Stelle  der  Lister'schen  Methode  trat  von  nun  an  offene  Wund- 
behandlung. Jetzt  reinigte  sich  die  Wunde  rasch;  ward  kleiner,  eiterte  immer 
weniger;  die  Schmerzen  schwanden.  Den  1.  Januar  1876  fand  Entfernung  der 
Drainage  statt,  am  15.  die  des  immobilisirenden  Verbandes.  Lagerung  im  Pe tit- 
schen Stiefel  und  warme  Fussbäder  bildeten  nun  einige  Zeit  die  einzigen  Heil- 
mittel. Dazu  gesellten  sich  am  25.  Februar  Touchirungen  mit  der  Höllenstein- 
sonde. Nur  der  innere  Fistelgang  hatte  noch  beti'ächtliche  Tiefe,  verkürzte  sich 
jedoch  bis  8.  März  sehr  erheblich,  unter  welchem  Datum  der  untere  äussere 
circa  VJ2  Gtm.  zählte.  Trotz  etwas  zurückbleibender  Spitzfussstellung  erlaubte 
am  11.  März  der  Localbefund  Gehversuche  an  2  Krücken  und  in  einem  an  der 
Innen-  und  Aussenseite  mit  je  einer  bis  zum  Knie  reichenden  Schiene  versehenen 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     381 

Schuhe.  Vorübergehende  Recrudescenz  der  Entzündung  veranlasste  eine  Sondirung 
in  der  Narkose  am  4.  April,  wobei  die  Sonde  quer  durch  den  Fuss  gleitete  und 
zur  jeweils  entgegengesetzten  Fistelöffnung  herauskam.  Ungeachtet  mehrfacher 
Isxnipunctur  (am  4.  April,  17.  Juli,  2.  August,  13.  August,  21.  August,  29.  August, 
10.  September),  täglichem  Verbandwechsel  (Garbolcompressen),  zweckentsprechen- 
der Lagerung  und  regelmässigen  Höllensteinätzungen  änderte  sich  die  Beschaffen- 
heit der  Fisteln  nicht  wesentlich. 

Am  2.  Dezember  1876  verhielt  sich  der  Status,  wie  folgt: 
Das  Kind  sieht  blass  aus.  Es  hat  spontan  keine  Schmerzen  am  linken 
Fusse,  dessen  Stellung  der  normalen  etwa  entspricht.  Die  Tibiotarsalgegend 
ist  ringsum  aufgetrieben,  die  Haut  der  Knöchelregion  geröthet  und  an  der  Innen- 
seite von  einer ,  an  der  äusseren  von  2  übereinander  liegenden  Fistelmündungen 
durchbrochen ,  welche  etwas  eitriges  Secret  liefern  und  auf  rauhen  Knochen 
führen.  Der  Mall.  int.  ist  nicht  ersetzt,  am  externus  hat  eine  kleine  Knochen- 
ablagerung staltgefunden;  Druck  ist  daselbst  empfindlich. 

1.  r. 

Länge  von  Spina  a.  s.  bis  Cond.  int 29         27 '/a 

„         „     Cond.  int.  bis  Mall,  int 25         26 

„  „     Spina  a.  s.  bis  Mall,  int 54         53  ^2 

Die  linke  Spina  a.  s.  steht  l'/2  Gtm.  höher  als  die  rechte. 

Länge  vom  Xabel  bis  Mall,  int 51         53 

„         ,,     Troch.  bis  Cond.  ext 25        24 

„  „     Cond.  ext.  bis  Mall,  ext 26         27 

„     Troch.  bis  Mall,  ext 51         51 

Umfang  des  Oberschenkels  in  der  Mitte 24        28 

„  „     Kniees 21         22 

der  Wade 16         18 

,,        der  Malleolengegend 22        16 

Durchmesser  der  Malleolengegend  von  rechts  nach  links       6  4^2 

„  .,  ,,  von  vorn  nach  hinten      6  5 

Umfang  von  Ferse  nach  Fussbeuge 23V2     20 

„        der  Fussmitte 13         14 

Länge  des  Fusses 14^/2     16 

Active  Bewegung   des   in   einem  Winkel   von  115"  stehenden  Fusses   un- 
möglich, passive  minimal.     Keine  seitliche  Beweglichkeit. 

Excursionsfähigkeit  im  Knie-  und  Hüftgelenke  vollkommen. 
Steht  —  jedoch  nur  sachte  —  auch  auf  dem  linken  Fusse. 

Anmerk.     Bei  der  Patientin  wurde  im  Sommer  1877  eine  Nachresection 
gemacht. 


Fall  44. 

Julius  Schmutz,  28  Jahre  alt,  wurde  am  8.  Januar  1876  in  das  Spital 
gebracht :  es  war  ihm  ein  leeres  aber  grosses ,  etwa  3  Centner  schweres  Fass 
auf  die  Gegend  des  rechten  Fussgelenks  gefallen.  —  Eine  oberflächliche  Unter- 
suchung constatirte  eine  Längsfractur  des  betreffenden  Malleolus  externus.  Die 
vorläufige  ärztliche  Behandlung  beschränkte  sich  auf  Stillung  der  arteriellen 
Blutung  durch  Unterbindungen  einiger  Seitenäste  der  Tibialis  postica  nebst  Ver- 


382  Dr-  W.  stark. 

Jjand;    doch   fand,    als  dies   nicht  ausreichte,    Erweiterung  der  Wunde  mit  dem 
Messer,  abermalige  Ligatur  und  Tamponade  statt. 

Ein  Fieberfastigium  von  40,2°  am  10.  Hess,  da  Patient  sich  als  Potator 
quahficirte,  Delirium  tremens  befürchten,  wesswegen  er  seit  diesem  Tage  Opium 
(0,09,  später  0,03)  erhielt,  dem  man  vom  12.  an,  weil  die  Temperaturcurven  in 
der  nächsten  Zeit  durchschnittlich  zwischen  38°  (Morgens)  und  39,5°  (Abends) 
schwankten,  3  abendliche  Dosen  Chinin  (ä  0,5)  zugesellte.  Local  existirten  fort- 
wälirend  Schmerzen,  die  besonders  beim  jeweiligen  Verbinden  exacerbirten.  Bei 
letzterem  wurde  der  erste  Befund  allniählig  dahin  vervollständigt,  dass  ausser 
der  oben  diagnosticirten  Knochenverletzung  eine  Querfractur  des  Mall.  ext.  und 
ein  Bruch  des  Mall.  int.  vorlag.  Den  15.  nahm  man  ein  Knochenstückchen  vom 
Mall.  ext.  weg.  Branderscheimmgen,  die  schon  am  12.  aufträten,  beschränkten 
sich  auf  die  unmittelbare  Wundumgebung.  Die  heftigen,  an  der  Tibia  weit 
hinaufsteigenden  Schmerzen  nebst  Böthung  Hessen  (d.  IG.)  nach.  Das  Bein  wurde 
vorübergebend  auf  Gypsschienen  gelagert  (d.  18.)  und,  da  trotz  Lister'schen 
Verbandes  die  Eiterung  copiös,  von  schlechter  Beschaffenheit  und  übelriechend 
war,  letzterer  durch  einen  einfachen  (täglichen)  ersetzt.  Vom  21.  Januar  an 
defervescirte  die  Temperatur  bedeutend  und  zeigte  nur  noch  Abends  hypernormale 
Grade.  Auch  die  Secretion  minderte  sich  nach  und  nach  und  sah  besser  aus. 
Doch  Hessen  die  geringsten  Bewegungen  Grepitation  im  Gelenke  wahrnehmen. 
Den  1.  Februar  leitete  man  offene  Wundbehandlung  ein  und  hing  die  auf  eine 
Gypsschiene  befestigte  Extremität  in  eine  Schwebe.  Darauf  hin  schwanden  in 
den  nächsten  Tagen  das  Fieber  und  die  Schmerzen  fast  vöHig;  die  Wunde 
reinigte  sich.  Seit  9.  ordinirte  man  bloss  noch  Morphium  (0,02  pro  dosi)  des 
Abends.  —  Den  10.  Februar  waren  folgende  chirurgische  Eingriffe  indicirt: 
Eröffnung  eines  Abscesses  an  der  Achillessehne  nebst  Drainage  der  zurück- 
bleibenden Höhle  von  der  Wunde  über  dem  Mall.  int.  aus;  Besection  des  zum 
Theile  nekrotischen,  zum  Theile  stärker  vaskularisirten  Mall.  ext.  in  der  Aus- 
dehnung von  beiläufig  4  Ctm.  Dabei  erwies  sich  das  Gelenk  schon  ziemlich 
ankylotisch.  Die  hierauf  eintretetenden  abendlichen  Temperatureffervescenzen 
überstiegen  nicht  39°.  Den  13.  fand  die  Incision  eines  Eiterheerdes  an  der 
Innenseite  der  Gelenkgegend  statt;  doch  blieb  an  der  genannten  Stelle  noch 
einige  Zeit  Röthung  und  SchAvellung  zurück.  Am  10.  März  erfolgte  Lagerung 
des  Beins,  dessen  Tibiotarsalarticulation  sich  jetzt  nahezu  vollständig  ankylosirt 
zeigte,  in  einen  Petit'schen  Stiefel.  Die  Temperaturcurven  bewegten  sich  von 
nun  an  innerhalb  normaler  Grenzen.  Unter  Bädern  und  Oelverbänden  besserte 
sich  der  Localzustand  mehr  und  mehr,  die  Wunden  heilten  mit  Ausnahme  eines 
Hohlgangs  an  der  Aussenseite,  der  mit  dem  Gelenke  communicirte. 

Binnen  Monatsfrist  brach  am  Mall.  int.  eine  Fistel  wieder  auf  und  führte 
in  der  Tiefe  von  etwa  4  Ctm.  auf  entblössten  Knochen,  so  dass  man  am  9.  Mai 
sich  genöthigt  sah,  nach  Esmarch'scher  Einwickelung  und  blutiger  Dilatation 
des  Hohlgangs  nach  abwärts  bis  auf  den  Knochen  —  das  spongiöse,  zum  Theile 
mit  üppigen  Granulationen  durchsetzte  Gewebe  des  Tibiaendes  mit  dem  scharfen 
Löffel  zu  entfernen.     Auch  den  Talus  bedeckten  granulöse  Wucherungen. 

Es  resullirten  flüchtige  Fieberbewegung  und  geringe  Suppuration. 

Ende  Mai  vermochte  Patient  an  einer  Krücke  umherzugehen.  Anfangs 
Juni  bekam  er  einen  Zügel  behufs  Rectification  der  vorhandenen  Spitzfussstellung 
durch  zweckmässige,    eigenhändig   zu   vollführende  Manöver   und   zur   etwaigen 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     383 

Verbesserung    der    restirenden,    minimalen    Excursionsfähigkeit    der    Talocrural- 
articulation. 

Nach  einer  letztmaligen  Sondirung  (9.  Juni) ,  welche  noch  einige  rauhe 
Knoclienstellen  nachwies,  entliess  man  den  Reconvalescenten  in  ein  Salzbad 
(11.  Juni)  nach  Dürrheim. 

Fall  45. 

Carl  Nopper,  18  Jahre  alt,  Schuster  zu  Haslach  (Simonswald)  bekam  im 
Sommer  1875  eine  kleine  Anschwellung  an  der  äusseren  Seite  des  linken  Fusses, 
Er  suchte  desswegen  das  hiesige  Spital  auf.  Obwohl  er  daselbst  von  Ende  Juli 
bis  Mitte  September  behandelt  worden,  kehrte  er  doch  mit  noch  bestehenden 
Fisteln ,  die  von  einer  Eröffnung  der  Geschwulst  übrig  geblieben ,  nach  Hause 
zurück.  Dort  schlössen  sie  sich  nach  vierwöchenllichem  Gebrauche  von  Kamillen- 
bädern. Den  Rest  dieses  Jahres  verrichtete  er  ungestört  sein  Handwerk.  Dann 
fmg  das  Fussgelenk  von  Neuem  zu  schwellen  an.  Die  Fisteln  brachen  im  Februar 
wieder  auf  und  secernirten  klebrige,  gelbliche  Flüssigkeit.  Das  Gehen,  welches 
in  der  letzten  Zeit  gar  keine  Beschwerden  verursacht  hatte,  wurde  an  dem  be- 
treffenden Fuss  bis  April  so  schmerzhaft,  dass  die  Gebrauchsfähigkeit  völlig 
aufgehoben  und  Patient  am  8.  Mai  genöthigt  war,  abermals  sich  in  die  hiesige 
Klinik  verbringen  zu  lassen.  Er  sah  abgemagert  und  elend  aus.  Jede  Berührung 
des  Fusses  und  Unterschenkels  erregte  Schmerzen.  An  der  Aussenseite  befand 
sich  etwa  4  Gtm.  über  dem  Malleol.  ext.  eine  Fistel,  eine  zweite  über  der  äusseren 
Talusfläche.  Die  in  die  erstere  eingeführte  Sonde  drang  nach  unten  und  innen 
vor  und  stiess  auf  die  rauhe  Fibula,  ohne  aber  in  das  Gelenk  zu  gerathen. 
Durch  die  zweite  Oeffnung  konnten  nur  das  Sprungbein  bedeckende  Granulationen 
mit  der  Sonde  betastet  werden.  Die  totale  Resection  des  Fussgelenkes  geschah 
am  17.  Mai  bei  Esmarch'scher  Einwickelung  und  Lister'scher  Methode  der 
Wundbehandlung.  Die  Grösse  des  Tibiastückes  betrug  an  der  äusseren  Seite  4. 
an  der  inneren  2  Gtm.  Der  Malleol.  int.  besass  eine  poröse  Beschaffenheit.  Die 
Rindensubstanz  der  oberen  Parthie  war  stellenweise  abgeschilfert,  der  Knorpel- 
belag im  Bereiche  des  inneren  Knöchels  abgehoben ,  rauher  Knochen  lag  frei. 
Am  vorderen  äusseren  Rande  sass  eine  kleine  Exostose,  an  der  hinteren  Fläche 
schuppenförmige  Auflagerungen.  Das  4^/2  Gtm.  betragende  Fibularende  bildete 
gewissermassen  die  durchlöcherte  Hülse  einer  Höhle,  zu  welcher  ein  2^/4  Gtm.  langer 
und  1  Gtm.  breiter  Substanzverlust  an  der  äussern  Seite  weiten  Zugang  gewährte; 
an  der  vorderen  Region  klaffte  eine  zweite,  minder  umfängliche  Oeffnung.  Der 
Knorpel  der  1^/4  Gtm.  dicken  Talusscheibe  hatte  eine  dunkle  Färbung  und  sass 
nur  lose  auf  seiner  Unterlage  auf.  Das  Fieber,  welches  schon  vor  der  Operation 
in  geringem  Masse  bestand,  hielt  nach  derselben  bis  zum  Schlüsse  dieses  Monats 
an,  ohne  jedoch  39"  zu  übersteigen.  Damit  war  eine  Pulsbeschleunigung  bis  zu 
140  Schlägen  verbunden.  Der  Heilungsverlauf  nahm  seinen  normalen  Gang.  Der 
Allgemeinzustand  machte  erfreuliche  Fortschritte.  Am  22.  Juli  stand  Patient 
nach  Anlegung  eines  Gypsverbandes  auf.  Den  20.  August  und  3.  September 
cauterisirte  man  die  Fisteln,  welche  nur  wenig  noch  absonderten.  Die  Gyps- 
hülse  wurde  am  9.  September  erneuert  und  bis  20.  November  liegen  gelassen. 
Nach  deren  Abnahme  ruhte  das  Bein  in  einem  Petit'schen  Stiefel.  Da  nun 
auch  das  Localbefinden  wieder  genau  beobachtet  zu  werden  vermochte,  constatirte 
eine  Revision  vom  25.  November  Folgendes: 


334  r^'-  ^V.  Stark. 

Patient  fülilt  sich  wohl;  es  bestehen  weder  Fieber  noch  spontane  Schmerz- 
haftigkeit.  Die  Stellung  des  Fusses  weicht  kaum  von  der  normalen  ab ;  er  bildet 
mit  dem  Unterschenkel  einen  Winkel  von  110".  Die  Configuration  der  Gelenk- 
gegend ist  wegen  des  geringeren  Hervorspringens  der  Knöchel  schlanker  als  die 
der  gesunden  Seite.  Die  Haut  über  den  Malleolen  (links)  erscheint  geröthet  und 
von  3 — 4  Fisteln  durclibrochen,  welche  jedoch  nur  wenig  mehr  secerniren  und 
nicht  auf  (rauhen)  Knochen  führen. 

Leichter  Druck  ruft  keine  Schmerzensäusserung  hervor.  Die  Knöchel  sind 
bis  jetzt  nicht  genügend  wiederersetzt. 

Bäder  und  Aetzungen  der  kaum  noch  1  Gtm.  tiefen  Fisteln  unterstützten 
den  Keparationsprozess.    Derselbe  hatte  bis  zum  Tage  der  Entlassung  des  Recon- 
valescenten,  den  17.  Februar  1877  seinen  Abschluss  erreicht. 
Folgende  Notizen  verdeutlichen  den  damaligen  Zustand : 

1.  r. 

Länge  des  Unterschenkels  von  Gap.  fib.  bis  Sohle    .     .     38  Gtm.     39  Gtm. 
„  „  „     Gond.  int.  „        „       .     .     39       „      40     „ 

„        „     Fusses  von  der  grossen  Zehe  bis  Fersenhöcker  22,2    „      23     „ 

Active  und  passive  Beugung  bis 90°  73° 

Streckung  bis 115°  133° 

Das  Gehvermögen   mit   einer   Stützmaschine    ist    wegen   noch    vorhandener 
Schmerzen  beim  Auftreten  des  resecirten  Fusses  etwas  beeinträchtigt. 

1.  r. 

Umfang  des  Beins  in  der  Oberschenkelmitte     .     .     42  Gtm.    47  Gtm. 

„  „        „      am  Knie 33     ,,      34     „ 

„  „        „      an  der  Wade 26     „      32     „ 

.,  ,,        „      in  der  Malleolengegend    ...     23     „      24     ,, 

Durchmesser  der  Malleolargegend  von  rechts  nach 

links 6     „        6^2,, 

Durchmesser  der  Malleolargegend  von  vorn  nach 

hinten 7^4,,        7^/4,, 

Umfang  des  Beins  von  der  Ferse  nach  der  Beuge     29^2,,      30     „ 

der  Fussmitte 22     „      24     „ 

Länge  vom  Trochanter  bis  Gond.  ext 39     „      39     „ 

„         „     Gond.  ext.  bis  Mall,  ext 34     „      38     „ 

„      Trochanter  bis  Mall,  ext 73     „      77     „    Diff.4G. 

„         „      Spina  a.  sup.  bis  Gond.  int.       ...     46     „      46     „ 

„         „      Gond.  int.  bis  Mall,  int 33     „      36     „ 

„  „      Spina  a.  sup.  bis  Mall,  int 79     „      82     „    Diff.SG. 

„      des  Fusses 21     „      24     ,, 

Beckenstellung  normal. 

Die  funclionellen  Verrichtungen  im  Knie-  und  Hüftgelenke  haben  nicht 
Noth  gelitten.  Active  Bewegungen  im  Fussgelenke  sind  unmöglich,  passive  imr 
in  dem  obenerwähnten  Grade  zu  erzielen. 

Die  neue  Verbindung  ist  schon  ziemlich  eine  feste.  Keine  seitliche  Be- 
weglichkeit. 

Der  Kranke  kann   der  Schmerzen  halber   nicht  auf  dem  Fusse  stehen*). 

*)  Nach  Mittheilung  von  Herrn  Prof.  Maas  wurde  am  21.  Juli  1877  bei 
dem  Patienten  der  Unterschenkel    (Amp,  malleoloris    nach    Lenoir)    amputirt. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     385 

Fall  46. 

Carl  Hirsch,  14  Jahre  alt,  aus  Wagensladt,  verstauchte  sich  im 
Sommer  1875  den  rechten  Fuss,  was  Anschwellung  des  Gelenkes  zur  Folge  hatte. 
Ein  desswegen  angelegter  Gypsverband  wurde  nur  14  Tage  lang  getragen.  Trotzdem 
die  Geschwulst  nicht  vollständig  geschwunden,  ging  der  Junge  von  da  an  immer 
umher,  bis  die  allmälig  auftretenden  Schmerzen  Anfangs  Januar  1876  so  beträcht- 
lich geworden  waren,  dass  sie  ihn  zwangen,  das  Bett  ununterbrochen  zu  hüten. 
Ende  April  incidirte  ein  Arzt  die  wieder  zunehmende  Schwellung,  worauf  reich- 
lich gelbe,  klare  Flüssigkeit  herauskam.  Am  6.  Juni  fand  die  Aufnahme  des 
Knaben  in's  Spital  statt.  Eine  genaue  Untersuchung  vom  14.  Hess  Folgendes 
feststellen :  Die  rechte  Fussgelenkgegend  ist  ringsum  stark  aufgetrieben,  die  Haut 
mit  erweiterten  Venen  durchzogen,  vor  dem  Mall.  ext.  eine  markgrosse,  speckige 
Fistel,  hinter  dem  Mall,  intern,  eine  ebensolche,  doch  Fünfmarkstück  gross.  Der 
Fuss  kann  noch  etwas  activ  gehoben  werden.  Die  passive  Bewegung  im  Sprung- 
gelenke, bei  der  man  zugleich  geringe  seitliche  Verschiebbarkeit  wahrnimmt, 
schmerzte  sehr;  dessgleichen  der  indirecte  Druck. 

r.  1. 

Oberschenkelumfang         =  25  Gtm.     29  Ctm. 
Gircumferenz  der  Wade  =  keine  Differenz 
Spitzfussstellung  von  120". 

Rechtsseitige  Inguinaldrüsen  geschwollen. 

Dieser  Befund  gab  Veranlassung  zur  Resection  mittelst  zweier  seitlichen 
Schnitte.  Der  Knorpel  zeigte  sich  theil weise  zerstört,  der  Knochen  weich  und 
hyperämisch,  das  Sprunggelenk  von  schwammigen  Granulationen  durchwuchert, 
die  Articulatio  talo  -  navicularis  ebenfalls  erkrankt.  Die  Tibiascheibe  hatte 
2^4  Gtm.  Dicke  (am  Mall.  int.  3  Gtm).  An  der  Rückenfläche,  sowie  am  untersten 
Ende  des  inneren  Knöchels  entdeckte  man  Destructionsheerde.  Die  Fibula, 
deren  Gelenkknorpel  intact,  wurde  in  einer  Ausdehnung  von  4  Ctm.  abgesägt. 
An  der  hinteren  Region  der  Innenseite  und  an  der  Aussenfläche  lagen  cariöse 
Vertiefungen.  Am  Talus  war  noch  der  cartilaginöse  Ueberzug  erkenntlich.  Die 
resecirte  Extremität  wurde  in  einen  Petit'schen  Stiefel  gelagert.  Es  stellte  sich 
unter  extensiver  Schwellung  und  mehrtägigem  Herzklopfen  (dagegen  Digit.  und 
Chinhi)  ein  heftiges,  remittirendes  Fieber  (bis  40°)  ein,  das  in  allmählig  ab- 
nehmendem Grade  bis  Anfangs  Juli  fortdauerte.  Die  Wundfläche  secernirte  in 
der  ersten  Zeit  dünnflüssigen,  später  reichlichen  Eiter  verbunden  mit  ausgiebiger 
Wucherung  torpider  Granulationen.  Das  Uebermaass  dieser  Erscheinungen  for- 
derte zu  einer  neuen  Operation  auf.  Bei  der  Spaltung  einer  Weichtheilbrücke 
wurde  Art,  tib.  post,  und  Nervus  tibialis  durchschnitten.  Die  Tibia  und  Fibula 
wurden,  so  weit  sie  erkrankt  waren,  ausgeschabt,  der  Rest  des  Caput  tali  ent- 
fernt. Daraufhin  besserte  sich  die  Granulationsbildung  und  füllte  die  Wundhöhle 
aus.     Consolidation   trat  jedoch  noch   nicht   ein.     Anfangs  September  und  Mitte 


Die  Resectionswunde  war  vollständig  ausgeheilt.  Es  hatten  sich  Fisteln  an  der 
Ferse  und  dem  Fussrücken  gebildet,  welche  auf  das  cariöse  Os  naviculare  und  den 
Calcaneus  führten.  Ferner  hatte  er  eine  fungöse  Tendinitis  mit  Fistelbildung  an 
der  rechten  Hand.  Der  Kranke  ist  jetzt  gesund  und  geht  mit  einem  Stelzfuss 
umher. 

Czern  y  ,  Beiträge  zur  operativen  Chirurgie.  25 


386  Dl'.  W.  stark. 

October  wurden  Temperaturexacerbationen  bemerkt.  Lapis  infernal.  (20,  Sept.) 
und  Ferrum  candens  (5,  October)  vermochten  einen  abermaligen  Stillstand  des 
Reparationsprozesses  nicht  auf  die  Dauer  hintanzuhalten. 

Als  hauptsächliche  Ursache  solch  schleppenden  Verlaufs  erwies  sich  bei 
einer  gründlichen  Untersuchung  am  1.  Dezember  eine  so  weit  nach  aufwärts 
reichende  Caries  der  Tibia  und  Fibula,  dass,  da  der  ganze  Calcaneus  gleichfalls 
sich  cariös  zeigte,  von  der  bereits  begonnenen  Nachresection  Abstand  genommen 
und  sofort  die  Amputation  im  unteren  Drittel  vollzogen  wurde.  Einen  Abscess 
längs  der  Beugemuskulatur,  welcher  hierbei  zu  Tage  trat  und  sich  3  Ctm.  jenseits 
der  Amputationsstelle  nach  oben  erstreckte,  musste  man  auslöffeln.  Desinfection 
der  Wunde,  Vereinigung  derselben  und  Einschieben  zweier  Drainröhrchen  be- 
endeten die  Operation.  Die  Heilung  verlief  afebril,  ohne  besondere  Gomplicationen ; 
fast  überall  war  Heilung  durch  prima  inten tio  eingetreten. 


Fall  47. 

Frau  W.  v.  H.,  40  Jahre  alt,  stürzte  den  16.  October  1876  Nachmittags 
4V2  Uhr  beim  Schrittreiten  vom  Pferde,  weil  letzteres  strauchelte  und  in  die  Kniee 
fiel.  Durch  diesen  Sturz  zog  sie  sich  erhebliche  Läsionen  am  linken  Fusse  und 
Arme  zu.  Die  eine  halbe  Stunde  später  vorgenommene  Untersuchung  lieferte 
über  die  wahrscheinliche  Entstehungsweise,  sowie  hinsichtlich  der  Art  und  Grösse 
der  Verletzungen  folgende  Resultate : 

Schon  die  Stellung  des  linken  Fusses  in  so  starker  Supination,  dass  die 
Plantarfläche  fast  nach  einwärts  sah,  berechtigte  zu  der  Annahme,  die  fragliche 
Verwundung  sei  durch  einen  Fall  der  ganzen  Körperlast  auf  den  äusseren  Fuss- 
rand  veranlasst. 

Durch  einen  der  Gegend  des  äusseren  Knöchels  entsprechenden  schief  ver- 
laufenden Weichtheilschlitz  von  circa  8  Ctm.  Länge  stand  die  Fibula  und  der 
Körper  des  Talus,  welcher  an  seinem  Halse  vom  Kopfe  abgebrochen  und  aus 
seinen  Verbindungen  mit  den  übrigen  Fusswurzelknochen  völlig  losgelöst  Avar, 
4  Ctm.  weit  heraus.  Die  untere  Gelenkfläche  des  Talus  lag  frei  zu  Tage.  Wurde 
der  untere  Wundrand  .weiter  gelüftet,  so  präsentirte  sich  auch  die  Tibia;  zu- 
gleich erkannte  man  alsdann ,  dass  das  abgebrochene  Corpus  tali  zwischen  den 
Maileolen  noch  durch  die  Seitenbänder  festhaftete,  während  die  Gelenkkapsel 
vorne  und  hinten  eröffnet  war.  Die  beiden  Unterschenkelknochen  hatten  keine 
Continuitätstrennung  erfahren,  ihre  Periostdecke  unversehrt  behalten;  dagegen 
vermochten  leichte  Drehungen  des  Fusses  den  Nachweis  einer  etwa  5  Ctm.  weit 
sich  erstreckenden  totalen  Isolirung  ihrer  untern  Enden  von  den  Weichtheilen 
zu  liefern.  Es  handelte  sich  also  um  die  sehr  seltene  Luxatio  pedis  sub 
talo  nach  einwärts,  complicirt  mit  Hautwunde  und  Frac- 
tur  des  Taluskopfes,  der  in  seiner  Verbindung  mit  dem  Os  naviculare 
verblieben  war.  Unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  wird  durch  einen  Sturz  auf 
den  äusseren  Fussrand  in  der  Regel  der  eine  oder  beide  Knöchel  brechen.  In 
unserem  Falle  leisteten  jedoch  die  merkwürdig  festen  und  compacten  Unter- 
schenkelknochen, von  deren  Härte  man  sich  bei  der  Resection  überzeugen  konnte, 
Widerstanfl,  so  dass  eher  das  Lig.  talocalcaneum  interosseum  und  der  Hals  des 
Talus  nachgab  und  desshalb  der  gelöste  Taluskörper  in  Verbindung  mit  den 
Unterschenkelknochen  die  Weichtheile  durchbohrte. 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     387 

Diesen  Zustand  complicirte  ein  subcutanes  Emphysem  an  der  Innenseite 
des  Unterschenkels  bis  über  dessen  Mitte,     Blut  floss  blos  spärHch. 

Eine  einfache  Vorderarmfractur  linkerseits  —  muthmasslich  verursacht 
durch  den  Druck  des  auf  die  Verunglückte  nachstürzenden  Pferdes  —  befand 
sich  im  unteren  Drittel  und  zwar  am  Radius  etwas  tiefer  als  an  der  Ulna.  Die 
beiden  Bruchstücke  bildeten  einen  radialwärls  offenen  Winkel. 

Nach  einer  Berathung  mit  Prof.  Schinzinger  wurde  die  Excision  der 
hervorstehenden  Knochentheile  beschlossen  und  von  Prof.  Gzerny  mit  der  Stich- 
säge vorgenommen ,  nachdem  eine  etwa  1  Ctm.  breite  Periostmanchette  und 
die  Beinhaut  vom  Mall.  int.  zurückgeschoben  war. 

Auswaschen  der  Wunde  mit  S'/o  Carbolwasser,  Unterbindung  einer  spritzen- 
den Arterie,  Reduction  des  Fusses,  Lister'scher,  hierauf  immobilisirender  Gyps- 
verband  bildeten  den  Abschluss  dieser  Operation,  an  die  sich  alsbald  die  Ein- 
richtung und  Eingypsung  des  gebrochenen  Armes  reihte. 

Die  Höhe  des  excidirten  Stückes  in  toto,  zwischen  den  entferntesten  Punkten 
der  Tibiasägefläche  und  des  Talusfragmentes  betrug  3'/2  Ctm.,  zwischen  der 
Mitte  der  Bruch-  und  Sägefläche  3  Ctm. 

Länge  der  Tibiaparthie  am  Mall,  int 2     Ctm. 

„         „  ,,  in  der  Mitte 1        ,, 

„        „     Fibularparthie 2^/4    „ 

„       des  Corpus  tali 2^2    „ 

Durchmesser  an  den  Malleolen  (frontaler) 6       „ 

„  der  Tibiasägefläche  von  vorn  nach  hinten  .     3'/2    „ 

Der  Sägeschnitt  durch  die  Tibia  und  Fibula  verlief  vollständig  horizontal 
und  eben.  Sämmtliche  Knorpelflächen  erwiesen  sich  intact.  Der  vordere  Rand 
des  Taluskörpers  etwas  zerfetzt,  da  von  ihm  beginnend  die  Bruchfläche  schief 
nach  hinten  und  unteu  zog  bis  dahin,  wo  die  Articulation  des  Sprungbeins  mit 
dem  Fersenbeine  anfängt. 

Trotz  dieses  Eingriffes  stieg  die  Temperatur  nie  über  38°,  der  Puls  schwankte 
zwischen  70  und  85,  Die  Schmerzen  blieben  relativ  gering,  selbst  als  6  Tage 
nach  der  Verletzung  die  Bettstelle  mit  der  Patientin  in  der  Nacht  zusammen- 
brach ;  ebenso  gering  war  die  Secretion. 

Am  Tage  nach  der  Operation  wurde  ein  grosses  Fenster  in  die  Gypshülse 
geschnitten,  mit  Carbolwatte  umsäumt,  und  um  Secretverhaltung  zu  verhüten,  ein 
Drainrohr  eingeführt.  Unter  Carbolspray  wurde  der  Lister'sche  Verband  ge- 
wechselt.    Die  gequetschte  Haut  sah  besser  aus. 

Der  häufige  Wechsel  des  desinficirenden  Verbandes  (bis  24.  October  täglich) 
brachte  den  Vortheil,  dass  die  gleiche  Gypskapsel  bis  zum  Abschlüsse  der 
Wundheilung,  welche  nicht  ganz  6  Wochen  (28,  November)  in  Anspruch  nahm, 
liegen  bleiben  konnte.  Etwa  8  Tage  später  wurde  der  Gypsverband  entfernt, 
das  Bein  durch  eine  einfache  Blechschiene  fixirt  und  Fussbäder  verordnet. 
Gehversuche  wurden  durch  den  langsamen  Heilverlauf  der  Vorderarmfractur,  die 
überhaupt  der  Patientin  mehr  Beschwerden  verursachte,  als  die  ungleich 
schwerere  Fussverletzung,  verzögert.  Schon  am  10.  Tage  nach  Anlegung  der  be- 
treffenden Gypshülse  hatten  neuralgische  Schmerzen  im  Verlaufe  des  Nervus 
ulnaris  zur  Abnahme  derselben  genöthigt.  Da  man  nichts  Abnormes  fand, 
wurde  ein  Wasserglasverband  angelegt,  der  sich  jedoch,  ungeachtet  einer  Stütz- 
schiene,  vor   seiner  völligen  Erhärtung  etwas  verbog,   was  nachtheilig   auf  die 


388  Dl'.  W.  stark. 

gegenseitige  Stellung  der  Fragmente  einwirkte.  Die  Gonsolidirung  war  erst  nach 
einem  Vierteljahre  beendigt. 

Erst  im  Januar  1877  konnten  Gehversuche  mit  einem  einfachen  Stütz- 
apparate begonnen  werden.  Ende  März  vermochte  die  Kranke  schon  mit  Hülfe 
eines  Stockes  sich  ziemlich  gewandt  fortzubewegen.  Die  Excursionen  des  Sprung- 
gelenks der  afficirten  Seite  erschienen  nur  wenig  reduzirt  gegenüber  jenen  der 
gesunden.  Die  Verkürzung  des  Beins  betrug  laut  Messung  höchstens  1  Ctm.  Die 
Configuration  des  Fusses  glich  —  mit  Ausnahme  der  eingezogenen  Narbe  und 
der  etwas  geringeren  Prominenz  der  Knöchel  —  der  des  andern. 

Nach  brieflichen  Nachrichten  soll  Fr.  v.  H.  schon  im  Sommer  selbst  auf 
bergigem  Terrain  über  eine  halbe  Stunde,  ohne  auszuruhen,  gegangen  sein.  Jetzt 
(27.  Januar  1878)  geht  sie  nur  bei  weiteren  Ausflügen  mit  einem  Schienenschuh. 
Sonst  kann  sie  denselben  Schuh  tragen ,  den  sie  vor  der  Operation  gebrauchte. 
Das  Gelenk  soll  gut  beweglich  sein. 

Die  tabellarische  Uebersicht  zeigt  (siehe  S.  389),  dass  bei 
Herrn  und  Nopper  am  Oberschenkel  der  afficirten  Seite  mehr 
Atrophie  besteht  als  an  der  betreffenden  Wade,  ferner,  dass  bei 
Herm  grössere  Länge  des  linken  Femur  die  Differenz  der  Unter- 
schenkel ausgleicht.  —  Die  übrigen,  noch  nicht  verwertheten  No- 
tizen verdienen,  weil  bei  keinem  Falle  das  Ergebniss  ein  endgültiges 
ist,  an  und  für  sich  auch  keine  weitere  Betrachtung*). 


*)  Die  Arbeit  wurde  von  Herrn  Dr.  Stark  schon  im  März  1877  abge- 
schlossen, so  dass  ich  blos  einzelne  weitere  Berichte  in  die  Correctur  einschieben 
konnte.  Im  Wesentlichen  stimmen  meine  traurigen  Erfahrungen  über  die  Re- 
sectionen  bei  chronischen  Erkrankungen  des  Sprunggelenkes  mit  denjenigen 
B.  V.  Langen beck's  überein. 

C  z  e  r  n  y. 


Beitrage  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Gelenkresectionen.     389 


Functions- 
prüfung 

•g  1 

.S   3 

auch    aul    dem 
linken  Fusse 

Gehnihigkeit 
bei  gleichzei- 
tigerBenutzung 
einer  Krücke 

Kann  noch 

nicht  auf  dem 

Fusse  stehen, 

der  Schmerzen 

halber 

Art  der 
Verbin- 
dung 

Ziemlich 

unbeweg- 
lich im 

Winkel  v. 

115  Grad 
stehend 

Geringe 
Beweglich- 
keit dos 
Gelenks 

Ziemlich 
unbeweg- 
lich im 
Winkel 
vonllOGr. 

17,lI,77Ex- 
cursions- 
fähigkeit 
innerhalb 
25  Grad 

sassnj                 c>    . 
sap  auBjraQ          i;  S 
•n  aSnsT  ni  -jia 

ä 

i 

8 

na^niq    u  ujoa  *       j.,., 
uoA  usioauBKlj        1    1 
•p  jasBaraqoJna'i       ""  "" 

i 

B 

BJinii -n  sjqaaj'        ^,  ^       j       ^ - 
1  noA  naioaiiept  '        ,  ^       !       _  d 
•p  jassaraqojna  |       "  (i,               ""  n 

§ 

pna3a3          |                   g  ^ 
-naioailBK  ^9p  1 1                  u  _• 
3uBjmnmi-JBja                   *  « 

ö 

apBAV"P      1                    1 
auBjaia  rai -flia  !                    ^ 

'5 

-lajpiaqDSjaqo'P :                     5 
Sasjrafl  rat  -gia                      ^ 

s 
5 

o 

znajajjia 
jap  aramns 

^-i 

c 

CO 

•}ni  -nüra      ;,                     =• 
siq    IUI    pnoa  |                     ö 
•A  aäuBT  ui  •jjja                      rt 

i 

'lap  -pnoa 

siq    B    uids 

■AaSusini-Bta 

l'/a 

Cm. 

z.G.l. 

II 

znaj9j}!a       1 
Jap            ; 
Jap  amrang 

II 

e 

'3 

•jxa  -iiBm 
stq  '^xa  'paoa  1 
■AaSUB-i  ai  flta 

5 

i 

c 

1 

•»xa           i 
■pnoa  siq  qaoJ} 
■i  aanB-i  ni -jjta 

■    ii 

1 

11 

Zustand  der 
afflcirten  Gelenk- 
gegend 

Tibiotarsalgegend 
aufgetrieben,  an  der 
Innenseite  eine,    an 
der  äussern  zwei  Fi- 
steln, durch  die  man 
noch  auf  rauhen  Kno- 
chen kommt.  Nur  am 
Mall.  ext.    Knochen- 
ablagerung 

Es  restirten  Fisteln, 

die  noch  auf  rauhen 

Knochen  führten 

Noch  mehrere  ober- 

fliichliche,  wenig  se- 

ccrnirendo  Fisteln  ; 

Regeneration  der 

Knöchel  schwach 

■3   3 

sla 

'S  c  H 

ä|  ß 
1^ 

(Sansssnaa 

dsaj) 
gunqonsjajafl 
uajzjai  jap  }iaz 

•S 
-s 

3   3 

B_a 

"a  > 

l« 
3 

«i2 

>< 

c- 

OffeneWundbehandlung. 
AUmBlige  Verflachung  der 
Fisteln.    -    11,111,  78  Geh- 
versuche an  zwei  Krücken 

und  im  Scarpa'schen 
Schuhe.   -  4,1V  llecrudes- 
cenz  der  Entzündung  und 
Fortschreiten  der  Caries 

Kein    sofortiger   afebriler 
Effect.    -    13,  II    Abscess- 
oröffnung    am    mall.   int. 

-  AUiniilige  Heilung      - 
10,  IV  Neuer   Fisteldurch- 
bruch. —  9,  V  Evidement. 

-  Endo  Mai  Gehversuche 

an  der  Krücke 

Nicht   sofort  antil'ebriler 

Einfluss.      Heilung    ohne 

Complication  bis  17,  II,  77 

abgeschlossen 

Blos  schwache  Fieber- 
schwankungen.     -    Heil- 
dauer von  nur  6  AVochen. 
-  Gehversuche  1,77,  ver- 
zögert durch  die  compli- 
cirende  Armfractur 

a 

1 

Fibula- 
Stück 
etwa  4  Cm. 
lang 

Tibia- 
Stück 
4  Cm.  lang, 
Fibula- 
Stück 
4'/a  Cm. 
lang, 
Talus 
1  'A  Cm. 

Sei ^^3 5°=" 

'Zeit  des 
Eintritts 
und  der 
Resection 

so 

>-  > 

Krank- 
heit 

Caries 
sinistra 

Fractura 
compli- 
cata mal- 
Icolorum 
dextra 

^1 

Fractuiii 
compli- 
catacoUi 
tall  slni- 
stri 

Il          «1IT 

1 

^                                          — 

Namen 

< 

3    3 

Z 

■5 

^ 

390 


Dr.  W.  Stark. 


Uebersicht. 


Beliaudlung  nicht  nacli  Lister. 


Beliandlung  nacli  Lister. 


Samen 

1 

< 

Krankheit'if/3^',fi;;         Resultat 

Bemerkungen 

Namen 

< 

Krankheit 

Zeit  der 
Resection 

Resultat 

Bemerkungen 

1)  Maier, 
Johann 

62 

I. 

Caries  d. 

Schalters 

vn,7i 

'elenk. 

gestorben 

2U,  Vir,  73  an 

Erysipel 

Kam  bereits 
resecirt  wegen 

fortschrei  ten- 

derPhthisisin's 

Spital 

1)  Erdin, 
Karl 

14 

I.  Scilultergelenk. 

Caries  d.     2.3,  XI,  7.j    (Entl.  3,  IV,  76.) 
Nach  einem 
Jahr  noch 
Fisteln 

Gebrauchs- 
fähigkeit sehr 
gut 

2)  Bahler, 
Carl 

8 

Trauma  d. 

5, IV,  72    i(Entl.29,Vn,72) 
l  Binnen  2  Mo- 
naten geheilt 

Endresultat : 

Gebrauchs- 

fiihigkeit  sehr 

gut 

2)  Kaiser, 
Josef 

18 

Caries  d. 

8,  VII,  76 

(Entl.l9,VIIl,76)'       _  , 
Nach    drei  Mo-i    f..^'f\'^."/'^=: 
naten    fast   ge-l   «»higkeit  sehr 
heilt                         S"t 

19 

Leben    Gestrb. 

25  Proc. 
4 
1)  Bau- 
mann, 
Conrad 

17 

Leben 

Gestrb. 

1              1 

2 

0 

1)  Froeh- 
lin,  Jo- 
sephine   ; 

II.  E 

Caries  s. 

llenboge 

13,11,72 

Dgeleuk. 

gestorben 
C,1V,73  haupts. 

an  Kücken- 
marksaffection 
etc.  in  Folge  v. 
Wirbelsäulen- 

Mortalitä 

1 

II.  I 

Caries  d, 

Uenliogengelenk. 

2,  IX,  74      Nach  zweijäh- 
riger Frist 
ungeheilt 

Leidet  an  Sero 
phulose,  Caries 
der  Fusswurzel- 
knochen. -Pro- 
vis.  Resultat : 
gute  Gebrauchs- 
fähigkeit 

2)  Zimmer-  36 
mann,     { 
Josef     ' 

Caries 
träum,  d. 

12,  XII,  72 

(Entl.  31,111,73.) 

Geheilt  nach 

etwas  über  zwei 

Monaten 

Definit.  End- 
resultat : 
active 
Beweglichkeit 

2)  Ganter, 
Fridolin 

28 

Caries  s. 

2,  III,  75 

(Entw.l0,IV,75.) 

Geheilt  binnen 

einem  halben 

Jahr 

Prov.  Resultat : 

beschränkt 
activ  beweglich 

3)NübIing, 
Adolf 

11 

Synov. 
gran.  d. 

16,V,  73 

(EntI.4,VIII,73.) 

Geheilt  binnen 

einem  halben 

Jahr 

Definit.  End- 
resultat : 
active 
Beweglichkeit 

3)  VColber, 
Sarah 

17 

Caries  s. 

30,  IV,  75 

(Entl.  25,  V,  75.) 
Nach  andert- 
halb Jahren 
noch  nicht   ge- 
heilt 

Prov.  Resultat : 

active 
Beweglichkeit 

4)  Erb,  Ka- 
tharina 

161  Caries  ä. 

6,  V,  74     (Entl.  7,  IX,  74.) 
Geheilt  binnen 
einem  Viertel- 
jahr 

Endresultat : 

active 
Beweglichkeit 

4)  Lamber- 
tin, Casi- 
mir 

21 

Caries  d. 

10,1,76 

(Entl.  7,  III,  76.)    Prov.  Resultat: 
Geheilt  binnen             active 
einem  Viertel-       Beweglichkeit 
jähre 

5)  Martin,  1 44 
Walburga 

Caries  s. 

23, 1,  76 

(Entl.  14,V,76.) 
Nach  zehn  Mo- 
naten noch 
nicht  geheilt 

Prov.  Resultat 
activ  bewegl. 
Schlotter- 
gelenk 

68 

6)  Moser, 
Emilie 

14 
18 

Caries  d. 

29,  IV,  76 

(Entl.  13,1,77.) 

Nach  einem 

halben  Jahre 

noch  nicht 

geheilt 

Prov.  Resultat : 

active 
Beweglichkeit 

Leben 

Gestrb. 

10  Proc. 
10 

l)Lückert, 
Josef 

Leben   |  Gestrb. 

3 

1 

6       1       0 

DSchmitt, 
Johann 

IIl 

Caries  s. 

.  Fingergelenk. 

15,  II,  72    (Entl.  14,111,72.) 
Geheilt 

Mortalität 
1: 

Ankylose.  Gute 
Gebrauchs- 
fiihigkeit 

ni 

Trauma  s. 

.  Finger 

12,11,75 

»elenk. 

(Entl.  22, 11,  75.) 

Heilung  nach 

20  Tagen 

Endresultat : 

active 
Beweglichkeit 

2)  Kreidt, 
Mathias 

15  Trauma  s. 

30,  IV,  73 

(Entl.  1,  V,  73.) 
Nach  einem 
Monat  geheilt 

Endresultat ; 
Geringe  Beweg- 
lichkeit 

2)Wachter, 
Johann 

25 

Trauma  s. 

1,  VII,  76 

(Entl.5,VlII,76.) 

Nach  einem 
Monat  Heilung 
mit  Beweglich- 
keit 

Endresultat : 
Ankylose. 

3)  Noth, 
Marie 

IS 

Cariea  8, 

30,Vni,73 

(Entl.  26,  X,  73) 

— 

4)  Beck, 
Wilhelm 

18 

Trauma  s 

7,VIII,74   (Entl.8,Vin,74) 

— 

,  Leben     Oestrb. 

1  Leben  |  Gestrb. 

0              0 

__L_ 

1       0 

Hortalitat :  0 


Beiträge  zu  der  Statistik  und  den  Endresultaten  der  Geleni^resectionen.     39 [ 


Behandlung  nicht  nach  Lister. 

Behandlung 

nach  Listei 

•. 

Namen     S 

„       ,  ,    ..  1  Zeit  der 
Krankheit!  Resection 

Resultat 

Bemerkungen 

Namen 

< 

Krankheit 

Zeit  der 
Resection         Resultat 

Bemerkungen 

1)  Buch- 

hoU,  The- 

rese 

12 

I 
Caries  e. 

V.  Hüftgelenk. 

1,  VIII,  72   gcstorben30,IX,                _ 

72   an  Erysipel 

(und  Tubercu- 

lose) 

1)  Bürkin 
Friedrich 

12 

IV.  Hüftgelenk. 

Caries  s.      9,  IV,  75     gestorben  am 
17,  V,  75  an 

Amyloid- 
degeneration 

- 

2)  Durst, 
Franz 

11 

Caries  s. 

14,  XI,  72 

fPnti  iivt  7<!i    ^^"^  *  Jahren 
f^°VVM      '!   ^'     noch  Fisteln. 
NachJMonaten    GuteGebrauchs. 
noch  Fisteln    1         fähigkeit 

2)  Burgert 
Karl 

7 

Caries  d. 

,            (Entl.  1.3,VI,76  j 
20,  \  1,  7a       jj^^,^  ^.^^^                    _ 

Jahr  noch 
Fisteln 

3)  Haber- 
stroh, 
Paul 

11 

Caries  s.     27,11,73 

(Entl,  29,1,74.) 
Nach  11   Mo- 
naten geheilt 

Nach    3  Jahren 
8  Monaten  gute 
Gebrauchs- 
fähigkeit 

3)  Volmer,!  9 
Johann 

Caries  s. 

3,  XII,  75  '(Entl.  6,  VI,  76  ,'Nach  'inem  Jahr 
!Nach7Monaten,    H"  ""?•  «"t^ 
1    noch  Fisteln   |       ^^^ 

4)  Hausin, 
Theodor 

13 

Caries  d. 

6,  HI,  73 

gestorben  am 

16,  111,  73  an 

Pyämie 

— 

4)  Flach,    13 
Therese    | 

Caries    s. 

24,  V,  76 

(Entl.7,XlI,76.j 
Nach  einem 
halben  Jahr 
noch  Fisteln 

Gute 
Gebrauchs- 
fähigkeit 

5)  Bau- 
knecht, 
Jacob 

20 

Caries  s. 

2,  V,  73 

gestorben  am 

15,  V,  73  an 

Pyämie 

- 

5)  Stritt- 
matter, 
Caroline 

14 

Caries  s 

10,  VII,  76 

(Entl.  3,11,77.) 
Nach  7 Monaten 
noch  Fisteln 

Gute 
Gebrauchs- 
fähigkeit 

1 

6)Froettel, 
Otto 

9 

Caries  d. 

25,  VII,  76 

Entl.20,XII,76.) 

Nach  5  Monaten 

noch  Fisteln 

Gate 
Gebrauchs- 
fähigkeit 

6 

Leben  jGestrb. 

6,3G  Proc. 

1 
1)  Vogel- 
bacher, 
Johann 

16 

Leben 

Gestrb. 

2       1        3 

5 

1 

1)  Jehle, 

Euphro- 

sine 

Caries  s. 

.  Kniege 

19,  VI,  72 

lenk. 

gestorben 

7,  VII,  72  an 

Pyämie 

Mortalität  3 
4:1 

1 
Caries  s. 

h  Kniege 

30,  XI,  74 

lenk. 

gestorben 

19,  IX,  75  an 

Erysipel 

- 

2)  Schiele, 
Hermann 

24 

Synovitis 
granul.  s. 

19,  XII,  72 

gestorben 

30,  XII,  72  an 

Pyämie 

— 

2)  Thema, 
Maximi- 
lian 

12 

Synovitis 
granul.  s. 

3,  V,  75 

gestorben 
17,  XI,  75  an 
Amyloiddeg. 

— 

3)  Gries- 

haber, 
Severina 

14 

Caries  s. 

29,V,73 

(Entl.  28,11,  75.) 

Nach  einem 

Dritteljahr 

noch  Fisteln 

Resultat :  3  Vs 
Jahre  nach  Res 
Schlottergelenk 
dochGebrauchs- 
fähigkeit 

3}  Fehren- 
bach, 
Stephan 

25 

Caries  s. 

29,V,76 

(Entl.  13,1,77.) 
Nach  jiebenMo- 
naten  geheilt 

Gute 
Gebrauchs- 
fähigkeit 

4)  Gassen-  23 
Schmidt, 
Marie 

Caries  s. 

1,V,74 

gestorben 

5,  VI,  74  an 

Pyämie 

— 

5)  Werner, 
Christian 

24 

Caries  d. 

15,  V,  74 

gestorben 
1,  X,  74  an  Tu- 
berkulose 

- 

47 

Leben 

Gestrb. 

Leben   j Gestrb. 

1 

4 

75  Proc. 

1)  Herrn, 
Anna 

4 

1        1       2 

1)  Trim- 
rainger, 
Mathilde 

T 

Trauma  s. 

[.  Fussge 

20,  X,  73 

lenk. 

gestorben 

21,  XI,  73  an 

Pyämie 

Mortalität 
6  : 

V 

Caries  s. 

[.  Fassgc 

11,  XI,  75 

lenk. 

Nach    mehr  als 

einem  Jahre 
noch  ungeheilt 

- 

2)  Scherer, 
Stephan 

23 

Caries  s. 

22,  V,  74 

gestorben 

2,  VI  an  Septi- 

cämie 

- 

2)Sohmutz,'28  Trauma  d. 
Julius 

10,  II,  76 

(Entl.  11,VI,76.) 
Nach  vier  Mo- 
naten noch 
Fisteln 

Gebrauchs- 
fähigkeit 
vorhanden 

■1 

3)  Nopper, 
Carl 

18 

Caries  s. 

15,  V,  76 

(Entl.  17,11,77.) 

Nach  drei 

Vierteljahren 

fast  geheilt 

Gebrauchs- 
fähigkeit 
vorhanden 

4)  Hirsch, 
Carl 

U    Caries  d. 

4,  VI,  76 

Nach  einem 
halben  Jahre 
Amput.  vpegen 

Cariesrecidiv 

- 

r 

5)  W.  V.  H. 

40 

Trauma  s. 

16,  X,  76 

„     ,         ,     ,„     1  Nach  fünf  Mo- 
Nach  sechs  Wo- 1  „aten  sehr  gute 
chen  geheilt          Gebraufchs- 
1        fähigkeit 

Leben 

Gestrb. 

• 

Leben     Gestrb. 

0 

2 

5 

0 

Mortalität  28,6  Proc. 


Gestorben  bei  Behandlung  nicht  nach  Lister:  50  "/o  {=  11  :  22) 

nach  „     12,5  «/o  (=     3  :  24) 

,  Summa :  Gestorben  30,43  "/o  (14  :  46). 


392  Dr.  W.  stark. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  erhellt,  dass  seit  Einführung  des 
Lister'schen  Verfahrens  bei  der  Wundbehandlung  in  der  Freiburger 
Klinik  sich  das  Mortalitätsverhältniss  um  37,5  %  günstiger  gestaltete. 
Es  wäre  ein  voreiliger  Schluss,  die  Besserung  einzig  und  allein  jener 
Methode  zuzuschreiben.  Maniehfaltige ,  zufällige  Momente,  welche 
alterirend  auf  das  jeweilige  Resultat  einwirkten  (z,  B.  Ort,  In-  oder 
Extensität  und  Zeitdauer  der  Erkrankung  resp.  Verletzung,  Alter, 
Constitution,  Complicationen  etc.),  fallen  bei  einer  derartigen  Er- 
wägung schwer  in's  Gewicht.  Trotz  alledem  bleibt  es  auffallend  und 
darf  wohl  der  antiseptischen  Behandlung  zu  Gute  gehalten  werden, 
dass  seit  ihrer  Anwendung  kein  Fall  an  Pyämie  oder  Septicämie 
zu  Grunde  ging,  vor  derselben  nicht  weniger  als  sieben  (am  Hüft-, 
Knie-  und  Fussgelenk  Erkrankte)  daran  starben. 

Von  einem  Versuche,  den  Einfluss  der  Lister'schen  Verband- 
methode auf  die  Heildauer  und  Ausgiebigkeit  des  Gebrauchsvermögens 
auf  Grund  der  vorliegenden  Erhebungen  zu  constatiren,  kann  schon 
wegen  der  Ungleichheit  der  Fälle  und  ihrer  Beobachtungsdauer  nicht 
die  Rede  sein. 


Taf.  I 


Fi^.l. 


Fi^.l. 


L. 


V 


Fig.  2/. 


a/:._. 


'^1 


.•■,*A 


.\       ^  /«. 


^:^X^' 


MS 


^\  '     ^  \W''. 


,  r 


m'U 


•^o^'\^ 


'"'S. 


f''  ?■   *  AAm  '^^ 


rv  r.  A  ^•-  r^,  rs  £ 


ffUf^BMM^. 


V-'  .i.'  •  *'- 


Äili  " 


>  ■  tv^KKi, 


f^T■'^'   -r^ 


.^^A.. 


'W^* 


COLUMBIA  UNIVERSITY  LIBRARIES  (hsl.stx) 

RD  32  C99  C.1 

Beitr  aqe  zur  operativen  Chirurgie 


«gUUZlÜÜ  1 03  I