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Full text of "Beiträge zur vergleichenden Sprachforschung auf dem Gebiete der arischen, celtischen und slawischen Sprachen"

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BEITRAGE 

ZUR 

VERGLEICHENDEN 

SPRACHFORSCHUNG 

AUF  DEM   GEBIETE 


DER 


ARISCHEN,  CELTISOHEN  UND  SLAWISCHEN 

SPRACHEN. 


UNTER  MITWIRKUNG 

VON 

A.  LESSIEH  und  J.  SCHMIDT 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

A.  KUHN. 


SECHSTER  BAND. 


BERLIN, 

FERD.  DÜMMLER'S  VERLAGSBUCHHANDLUNG. 

HARRWITZ  UND  GOSSMANN. 

1870. 


Verzeichnis  der  bisherigen  mitarbeiten 


C.  Arendt  z.  z.  in  Peking. 

Prof.  Dr.  G.  I.  Ascoli  in  Mailand. 

Prof.  Dr.  Th.  Aufrecht  in  Edinburg. 

J.  Baudouin   de  Courtenay  in  St.  Petersburg. 

Prof.  Dr.  J.  Becker  in  Frankfurt  a.  M . 

Prof.  Dr.  Sophus  Bugge  in  Christiania. 

Wenzel  Burda. 

K.  Christ   in  Heidelberg. 

Oberlehrer  J.  G.  Cuno  in  Graudenz. 

Stadtbibliothekar  Dr.  Lorenz  Diefenbach  in 
Frankfurt  a.  M. 

Dr.  H.  Ebel  in  Schneidemühl. 

Chr.  W.  Glück  in  München,  f 

Prof.  Dr.  H.  Kiepert  in  Berlin. 

Prof.  Dr.  A.  Kuhn  in  Berlin. 

Prof.  Dr.  A.  Leskien  in  Leipzig. 

Dr.  Lorenz  im  Haag. 

Prof.  Dr.  C.  Lottner  in  Dublin. 

Lucian  Malinowski  in  St.  Petersburg« 

Prof.  Dr.  Miclosich  in  Wien. 

Prof.  Dr.  Max  Müller  in  Oxford. 

Prof.  Dr.  Friedrich  Müller  in  Wien. 


iv  Verzeichnis  der  bisherigen  mitarbeiter. 

Prof.  Dr.  Th.  Nöldeke  in  Kiel. 

Prof,  Dr.  Novotny  in  Prag. 

Dr.  Carl  Pauli  in  Münden. 

Prof.  Dr.  Ign.  Petters  in  Leitineritz. 

Prof.  Dr.  C.  T.  Pfuhl  in  Dresden. 

Prof.  Dr.  A.  Pictet  in  Genf. 

Prof.  Dr.  A.  F.  Pott  in  Halle. 

Prof.  Dr.  A.  Schleicher  in  Jena,  f 

Prof.  Dr.  Moriz  Schmidt  in  Jena. 

Dr.  Johannes  Schmidt  in  Bonn. 

Prof.  Dr.  H.  Schweizer-Sidler  in  Zürich. 

Prof.  Dr.  Smith  in  Kopenhagen. 

Prof.  Dr.  Spiegel  in  Erlangen. 

Prof.  Dr   H.  Steinthal  in  Berlin 

Whitley  Stokes,    Secretary   to  the  Legislative 
Council,  Calcutta. 

Prof.  Dr.  A.  Weber  in  Berlin. 

Prof.  Dr.  Whitney,    New-Haven,    Connecticut, 

ü.  St. 


Inhalt. 


Miscellanea  Celtica,    von    dem  verstorbenen  R.  T.  Siegfried.     Gesam- 
melt, geordnet  nnd  herausgegeben  von  Whitley  Stokes  .       1 
Einige  falle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  polnischen  declination.  Von 

J.  Baudouin   de  Conrtenay  19 

Este,  j(7«,  nsque  und  ik).     Von  Wenzel  Burda    .     . 89 

Beitrüge  zur  kenntnis  einiger  suffixe  im  slawischen.     Von  demselben     92 
J.  £.  Schmaler,  Die  slavischen  Ortsnamen  in  der  Oberlausitz.   Ange- 
zeigt von  Joh.  Schmidt 96 

Camillo  Keller,  Kurze  elementargrammatik  der  sanskritsprach e.  An- 
gezeigt von  A.  Weber 97 

G.  H.  F.  Nessel  mann.     Ein    deutsch  -  preufsisches    vocabularium    aus 

dem  anfange  des  fünfzehnten  Jahrhunderts.  Angezeigt  von  Pott  .  108 
J.  H.  C.  Kern  Over  het  woord  Zarathustra.  Angezeigt  von  A.  Kuhn  127 
Die  entwiekelung  von  unursprünglichem  j  im  slawischen  und  litauischen. 

Von  Joh.  Schmidt 129 

Ueber  den  dialekt  der  rassischen  Volkslieder  des  gouvernementB  Olonec. 

Von  A.  Leskien 162 

Einige  bemerkungen  zu  Schleichers  compendium  (zweite  aufläge).    Von 

Wenzel  Burda 188 

Beitrage  zur  kenntois  einiger  suffixe  im  slawischen.  Von  demselben  194 
Uebergang  der  tonlosen  consonanten  in  die  ihnen  entsprechenden  tonen- 
den in  der  historischen  entwiekelung  der  polnischen  spräche.  — 
Wortformen  und  selbst  sätze,  welche  in  der  polnischen  spräche  zu 
stammen  herabgesunken  sind.  —  Doppelung'  des  suflßxes  -ti-  in  der 
polnischen  und  russischen  spräche  —  Hinneigung  zu  e  im  polni- 
schen. —  Einige  beobachtungen  an  kindern.  —  Zetacismus  in  den 
denkmälern  und  mundarten  der  polnischen  spräche.  —  Wechsel  des 
s  (8,  s)  mit  ch  in  der  polnischen  spräche.  Von  J.  Baudouin  de 

Conrtenay 197 

Neutra  auf  -as  im  altirischen.     Von  H.  Ebel 222 

Endlichen  glossar.     Von  Whitley  Stokes 227 

Sanas  Chormaic.  Connac's  Glossary  translated  and ,  annotated  by  the 
late  John  O'Donovan,  LL.  D.  Edited,  with  notes  and  indices, 
by  Whitley  Stokes,  LL.  D.  —  Glossae  hibernicae  veteres  Co- 
dicis  Taurinensis,   edidit   Constantinus   Nigra.     Angezeigt  von 

H.  Ebel 28* 

1)  Gfit'fc  Ahunavaiti.  Sarat'ustrica  carmina  Septem  latine  vertit  etc. 
C.  KossQwicz.  —  Gat'a  Ustavaiti  latine  vertit  etc.  0.  Kosso- 
wiez.     Angezeigt  von  Fr.  Spiegel 287 


mm 


vi  Inhalt. 

Saite 
Bernhard  Jttlg  Über  wesen  und  aufgäbe  der  Sprachwissenschaft.   An- 
gezeigt von  Joh.  Schmidt 240 

Roget,    Baron   de   Belloguet   Ethnogenie  Gauloise  HI.     Angezeigt 

von  Lorenz  Diefenbach 241 

Altböhmisch  vrtrati  und  altind.  vrtrl-.  —  Das  litauische  suffix  -kla-. 

Von  Wenzel  Burda 243 

1)  Nachtrag  zu  beitr.  V,  209.  —   2)  Uebergang  des  i   in  u  im  polni- 
schen. —  S)  Zur  geschichte  der  poln.  zahlworter.  —  4)  pcola.  — 

5)  slza.     Von  J.  Baudouin  de  Courtenay 246 

Addenda.   —  Corrigenda.     Von  Whitley  Stokes 248 

Schreiben   von  C.  Lottner *    .     .     .  249 

Nachruf  (August  Schleicher).     Von  Joh.  Schmidt 251 

Die    partikeln   skr.  gha,    ghff,    ha   und   hi;   zend.  zi;   griech.  y»,  yt\ 

lith.  -gi,   slav.  ze  u.  8.  w.     Von  Pott ,     .  267 

Zur  lautlehre   der  lehnworter  in  der  polnischen  spräche.     Von  Lucian 

Malinowski 277 

Zur  Volksetymologie.     Von  demselben 300 

Otto  Blau  Bosnisch -türkische  Sprachdenkmäler.     Angezeigt  von  Pott  806 
Martin   Hattala   August   Schleicher  und   die  slaviscben  consonanten- 

gruppen.     Angezeigt  von  Wenzel  Burda 342 

August   Schleicher  Indogermanische   Chrestomathie.     Angezeigt  von 

A.  Kuhn 387 

Vjritra   —   verethra,     vritraghna  —   veretbraghna.    —   Frff, 

fran,  Tt^mQtjfMi.     Von  Fr.  Spiegel 388 

Ein   beispiel   der   praesensstammbildung  mittels  ta  im  slavischen.     Von 

Wenzel  Burda 392 

Zum  deutsch -preußischen  vocabular,    von  Nesselmann.     Von   dem- 
selben       393 

Visucius  Mercurius,  ein  beitrag  zur  geschichte  der  lateinischen  as- 

sibilation  auf  gallischem  boden.     Von  K.  Christ 407 

Preufsische  Studien.     I.  Lautlehre.     Von  Carl  Pauli 411 

Das  altirische  verbum.     Von  Whitley  Stokes 469 

Christian  Donalitius  littauische  dichtungen  nach  den  Königsberger  hand- 
schriften    herausgegeben   von   6.  H.  F.  Nessel  mann.     Angezeigt 

von  Johannes  Schmidt 475 

Sach-  und  Wortregister 4S5 


Verbesserungen. 


8.  3  letzte  zeile  lis :  Mogounos, 

8.  11  z.  18  für:  in  lis:  von. 

s.  14  z.  5  lis:  qädaena. 

s.  25  anm.**)   z.  4   nach:   (grajem)  flige  bei:    (dies  letzte  auch  phonetisch 

bedingt) 
s.  26   z.  15  v.  n.   nach:     das  ä    füge   bei:    es   soll    also    dieser   unterschied 

dort  bestehen.     Ich  kenne  aber  diese  Verhältnisse  nicht  näher, 
s.  Sl  z.  14—15  lis:  opif'itosli. 
8.  31  z.  6  v.  u.  lis:  cerekef . 
8.31  z.  5  v.u.  lis:  studnicy,  studnica. 
s.  32  z.  15  für:  letzteren  lis:  ersteren. 
s.  32  anm.  z.  3  lis:   1857. 
s.  39  z.  7  — 10   streiche   von:   und  2)  dafs  den  ausgangspunkt  bis:  fremden 

Ursprungs  sind, 
s.  41  z.  7  v.  u.  lis:  äm'igus. 
8.41  z.  7  v.u.  lis:  b'ibus. 
8.41  z.  4  v.u.  lis:  um'izgus. 
s.  41  am  ende.    Der  ausschliefelich  lateinische  Ursprung  der  suffixe  -us  (-u§), 

-is,     y8  (-i§),  -es  ist  sehr  zweifelhaft, 
s.  42  z.  15  v.  u.  lis:  neba. 
8.48   z.  6  —  3    v.  u.    lis:     j$zytti,    —     powojnifci,    —   potsetki,  — 

pfediwniki,  —  £f  attti,  —  fro&i* 
s.  50  z.  9  lis:  f  £il&ch. 
s.  58  z.  16—17  lis:  f  sf  atloälech. 
s.  54  z.  15  v.u.  lis:  cherb'ech. 
s.  55  z.  3  v.  u.  lis:  phonetischer. 
8.  56  z.  2—3  streiche:  hartauslautende. 
8.  57  z.  19  lis:  zyw'ol. 
s.  57  z.  21  lis:  s§£at. 
8.  58  z.  17  v.  o.  lis:  prysi<Sf . 

8.  60  z.  3.  lis:  chodfila. 

> 

8.  61  z.  6  nach:  auch  füge  bei:  vorzüglich. 

8.  61  unten  streiche  die  anmerkung. 

s.  67  z.  18  v.  u.  streiche:   dw'e. 

b.  6£  z.  19  v.  u.  lis:  gospodnowy. 

8.  71  z.  18  lis :  nalezle. 

8.  74  z.  14  v.  u.  lis:  rekama. 

8.  76  z.  12  zwischen:   ob  dm   und:  fast  soll  ein   —  stehen.    * 

8.83  z.  18  v.  u.   nach:   jähren  füge  bei:    ;  ze    stu    chtopam'i   mit    1*0 

bauern. 
8.  83  z.  3  v.  u.  streiche:  alt  tylo. 
b.  85  z.  6  v.  u.  nach:  plur.  füge  bei:  fordernd. 
8.  88  z.  14  für:  so  lis;  dennoch. 
8.  95  z.  16  v.  u.  lis:  aQfjydtv. 

8.  134  z.  9  v.  u.  lis:  DOMOpCKa«. 

8.  187  letzte  zeile  lis:  OMieBanib. 

8.  188  z.  8  lis:  lun$6 

8.  148  z.  9  v.  u.  lis:  cupere. 

8.  150  z.  6  v.  u.  lis :  bliäuju. 


s.  176  z.  16  lis:  rfkftXMH. 

8.  198  z.  2  streiche;  altbulg. 

8.  198  z.  S  für:  au,  so,  sü   IIa:  so,  su. 

8.  200  z.  11  für:  m'era  lis:   wz.  m'ir-. 

&i-2 00  z.  16  v.  u.  für:  von  lis:  oder. 

s.  204  z.  16 — 22  streiche  von:  Damit  bis:    1.  hälft«  des   15.  jabrh.j. 

8.207  anm.  *)  z.  3  —  4  streiche:   welcher  sich  nur  nach  praepositionen  mit 

dem  vorgeschlagenen  n  als  n  erhalten  hat. 
8.  207  anm.  *)  letzte  zeile  fuge  bei:  cf.  Beitr.  VI,  81  ff. 
s.  208  z.  11  v.  u.  für  etuliSa  lis*.  stulisu. 

s.  208  anm.  *)  letzte  zeile  füge  bei:  (Schleicher,   Beitr.  V,  208      209. 
s.  209  z.  16  streiche:  ?. 
s.  211  z.  17  lis:  m'iiofo 
8.212  z.  8,  10  und  16  lis:  t-f-s. 
s.  213  z.  4  —  5  lis:  w  dobrem. 

s.  215  z.  4 — 5  streiche:   fortyl  (kunstgriff)  für  und  neben  fortel. 
s.  216  z.  9  lis:  r,  1,  1. 
s.  216  letzte  zeile  lis:  zyk. 
s  219  z.  3  lis:  namaslowad. 

8.  219  z.  9  v.  u.  lis:  wöl.  , 

8.  219  z.  2  v.  n.  für:  p'e'fe   lis:  p'ere. 
s.  220  z.  11  v.  u.  tilge  die  klammer  hinter  kn^ga. 
s.  246  z.  15  lis:  kup  iL 
s.  250  z.  16  lis:  der  gallischen, 
s.  286  z.  13  lis:  boulevard. 
s.  288  z.  2  lis:  *garkcar. 
s.  389  anm.  z.  1  lis:  vrtrahana. 
8.  396  z.  17  v.  u.  für  z  lis:  z. 
s.  402  z.  11  lis:  wimino. 
8.  428  z.  15  für  ao  lis:  oa. 
8.  429  z.  9  v.  u.  lis:  coestue. 
s.  432  z.  18  v.  u.  lis:  übersieht, 
s.  439  z.  4  für  e  lis :  8. 
s.  446  z.  15  v.  u.  lis:  usak. 
s.  446  letzte  zeile  lis:  allein. 
8.  457  s.  14  lie:  lgzüvis. 


Verbesserung  zu  band  V. 

(Aus  einem  briete  von  Whitley  Stokes  Esq.). 
From   a  recent  cast  it  appears  that  the  Ogham  in  the  Killeen   Oormac 
inscription  (Beitr.  V,  863)  is  thus: 

■SVrr" TrUIJLTr 

Duftano-  safei-  sahattos 

and   in   the  last  line  of  the  Pictish  inscription  (Beitr.  V,  366)  for  GVß   the 
»tone  has  CVS. 


Miscellanea  Celtica,  von  dem  verstorbenen 

R.  T.  Siegfried.    Gesammelt,  geordnet  und 

herausgegeben  von  Whitley  Stokes. 

Vor  länger  als  einem  jabre  sandte  mir  dr.  Todd  aus 
Dublin  ein  kistchen  mit  dem  gröfsten  theil  der  handschrift- 
lichen hinterlassenschaft  meines  verstorbenen  freundes  Sieg« 
fried,  prof.  des  sanskrit  und  der  vergl.  gramm.  an  der  iri- 
schen Universität.  Die  papiere,  bestehend  aus  über  3000 
blättern  in  verschiedenem  format  und  in  verschiedenen 
characteren  und  sprachen,  einige  mit  bleistift  geschrieben 
und  jetzt  fast  unleserlich,  waren  in  grofser  Verwirrung  und 
erst  im  herbst  1866  -  vier  Jahr  nach  seinem  tode  -  war 
es  mir  möglich  sie  zu  ordnen. 

Ueber  sanskrit  hinterliefs  Siegfried  folgendes:  —  1)  Be- 
merkungen zu  Pänini.  2 )  Bern,  zu  dem  Vägasaneji  Präti- 
$äkhja.  3)  Bern,  zum  §ik  Prätipäkhj*.  4)  Bern,  zur  ve- 
dischen  grammatik:  lautgesetze,  declination,  verbum  und 
«scent.  5)  Bern,  zu  Atharva  Veda  IX,  8.  6)  Bern,  zum 
PanJkat&ntfb.  7)  Bern,  zur  Qakuntalä.  8)  Vorlesung  über 
die  Vedas  in  zwei  fassungen,  beide  unvollendet.  9)Vedica: 
a)  vedische  literatur,  b)  volk  des  Veda,  c)  lehre  und  glaube 
des  Veda.  10)  Sanskrit-literatur  nach  dr.  A  Weber,  Ber- 
lin 1849,  bem.  nach  Vorlesungen  von  prof.  Weber,  dessen 
Schüler,  wie  ich  glaube,  Siegfried  gewesen  war,  1 1)  Bern, 
zu  Vorlesungen  über  sanskritgrammatik.  Diese  waren  be- 
stimmt für  Siegfried's   cursus  an  der  Dubliner  Universität. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  1.  \ 


2  Stokes 

12)  Kurzes  Sanskrit  vocabular.  13)  Uebersetzung  von  29 
faymnen  aus  dem  Rig  Veda.  14)  Drei  ploka's  von  RV. 
VI,  75.  15)  Uebersetzung  von  Atbarva  Veda  II,  33.  15)  Eng- 
lische Übersetzung  der  Qakuntalä. 

Ueber  zend  findet  sich  eine  grofse  menge  grammati- 
scher bemerkungen. 

Ueber  Griechisch:  Bern,  über  griech.  lautgesetze.. 
Ueber  lateinisch :  Bern,  über  lat.  lautgesetze  und  lat.  Suf- 
fixe. Ueber  beide  sprachen:  .zahlreiche  bemerkungen  für 
eine  abhandlung  mit  dem  titel:  An  Introduction  to  Com- 
parative  Pbilology  for  Classical  Students. 

Ferner  finden  sich  bemerkungen  über  altpreufsisch  und 
litauisch,  über  angelsächsisch,  über  die  geschichte  der  eng- 
lischen ausspräche. 

Ein  manuscript,  betitelt:  The  Indo-European  Unity, 
sketch  of  the  results  of  Bopp's  science  of  comparative 
gram  mar. 

Bemerkungen,  betitelt:  Japetis.  Darunter  verstand 
Siegfried,  was  Pictet  „Origines  Indo-Europeennes"  nennt. 

Endlich  seine  keltischen  papiere,  bestehend  aus  einer 
grofsen  zahl  während  der  jähre  1858 — 1861  an  mich  ge- 
richteter briefe  und  aus  dem  folgenden:  1)  Bemerkungen 
über  keltische  götter.  2)  Alphabetisches  verzeichnifs  gal- 
lischer götter.  3)  „On  some  names  of  deities  among  the 
Celt8tf  ein  essay.  4)  Verzeichnifs  welscher  mythologischer 
namen.  5)  Gallische  Inschriften.  6)  Bemerkungen  über 
die  Dontaurios-inschrift.  7)  Alphabetisches  Verzeichnis  alt- 
keltischer personen-  und  Ortsnamen.  8)  Bemerkungen  über 
die  Marcellischen  formein.  9)  Bemerkungen  zu  meinen 
„Irish  Glosses"  Dublin  1860.  10)  Bemerkungen  über  das 
altirische  verbum.  11)  Bemerkungen  zu  der  vorrede  mei- 
ner ausgäbe  von  Cormac's  glossar.  12)  Auszüge  aus  dem 
Book  of  Armagh,  den  Brehon  Laws  und  anderen  irischen 
handschriften.  13)  Vorschläge  zur  bearbeitung  eines  iri- 
schen thesaurus  durch  Curry  und  O'Donovan.  14)  Be- 
merkungen zu  Zeufs,  Glück,  Ebel;  niedergeschrieben  für 
O'Donovan.     15)  Bemerkungen  zu  den  Juvencus-glossen. 


Miscellanea  Geltica.  3 

16)  Bemerkungen    über    meine   noten  zu  dem  cornischen 
gedieht  von  der  Passion. 

Aufserdem  hinterliefs  der  verstorbene  gelehrte:  1)  Ein 
durchschossenes  exemplar  von  O'Reilly's  Irish  Dictionary, 
mit  Zusätzen  und  Verbesserungen.  Dies  ist  jetzt  im  besitz 
Lottner's.  2)  Ein  durchschossenes  exemplar  von  Pughe's 
Welsh  Dictionary;  dies  ist,  glaube  ich,  im  besitz  von 
Siegfried's  vater,  einem  richter  zu  Dessau.  3)  Ein  durch- 
schossenes exemplar  von  Zeuf's  Grammatica  Celtica,  mit 
vielen  anmerkungen;  im  besitz  Lottner's.  —  Siegfried 
hatte  auch  finnisch  studiert  und  zeigte  mir  einmal  hand- 
schriftliche auszüge  und  Übersetzungen  aus  einem  gedieht 
in  dieser  spräche,  wie  ich  vermuthe,  der  Kalevala.  Ich 
weifs  nicht,  was  aus  diesen  geworden  ist. 

So  viel  ich  weifs  veröffentlichte  Siegfried  selbst  nichts 
unter  seinem  namen.  Kühn  genug  in  seinen  eignen  ideen 
und  freimüthig  im  verkehr  mit  freunden,  besafs  er  eine 
seltsame  abneigung  der  weit  die  resultate  seines  fleifses 
und  Scharfsinns  mitzutheilen.  Er  befürchtete,  und  nicht 
ganz  ohne  grund,  dafs  das  Selbstvertrauen  einiger  angehö- 
rigen  der  neuen  philologischen  schule  diese  Wissenschaft 
wieder  in  die  mifsachtung  bringen  würde,  der  sie  durch 
Bopp  und  seine  unmittelbaren  nachfolger  entrissen  worden. 
„Haben  Sie  acht,  schrieb  er  mir  einmal,  dafs  wir  nicht 
verfahren  wie  die  älteren  —  aber  ohne  ihre  entschuldigung 
der  Unwissenheit  —  und  worte  und  formen  abschlachten, 
nur  mit  schärferen  messern".  Er  verfafste  indefs  zwei 
ausgezeichnete  aufsätze  in  der  Saturday  Review,  nämlich 
eine  anzeige  von  Glück's  Keltischen  Namen  und  eine  an- 
dere von  Pictet's  Origines  Indo-Europ6ennes.  Er  erlaubte 
mir  aufserdem  als  von  ihm  herrührend  zu  veröffentlichen: 
die  etymologie  von  duine  homo  in  meinen  Irish  Glosses 
no.  89,  von  fiith  ib.  no.  99,  von  äue  nepos  ib.  p.  68,  n.,  von 
den  namen  auf  -gus  ib.  no.  352,  von  w.  taten  ib.  no.  682, 
von  ir.  in  avis  ib.  no.  746,  von  6a  kleiner  ib.  no.  758, 
von  imb  butter  (skr.  angi)  ib.  no.  784  (cf.  walach.  lembq 
von  lingua),  von  gallisch  Magounos  (=  maghavan)  ib.  no. 

1* 


•J 


4  Stokes 

952,    von  stäche  frau   ib.  no.  1073;    seine  erklärung  der 
welschen  comparative  ib.  no.  1 1 33,  der  ir.  relativen  verbal- 
formen ib.  no.  1071;  seine  Übersetzung  der  gallischen  in- 
schriften   an  die  Matres  Nemausicae  ib.  p.  100  n.  und  an 
Belesama  Beitr.  I,  451;    seine   geistreiche  hypothese  über 
den  Tarvos  trigarunus  ib.  473 ;  seine  entdeckung  des  ur- 
sprünglischen   s  im   anlaut  des  ir.  relativs  und  pronotnens 
ib.  470,  336;    seine    erklärung    des    dat.  sg.   der  neutralen 
n-stämme  ib.  452 ;   seine  vergleichung  von  triath  see,  ^en. 
trithan   mit   Tqitwv^    Thraitaona,    Träitana  ib.  472   und 
meine  Three  Irish  Glossaries   praef.  XIX;    seine   hübsche 
gleichsetzung   des    altir.  t-änac  ich  kam   mit  skr.  änanka 
Beitr.  II,  396,  seine  entdeckung  des  alten  futurs  auf  sjämi 
im  irischen  Beitr.  III,  51 ;  seine  beobachtung  vom  Verluste' 
des    suffixes   des  positivs  in   den  celtischen   comparativen 
Beitr.  IV,  403    und   Three  Irish  Glossaries   praef.  XXX; 
seine  erklärung  von  altw.  nemheunaur  Beitr.  IV,  417;  seine 
etymologie  von  lat.  laurus,  eigentl.  ein  u-  stamm  für  *dau- 
rus  =  ögvg,  däruj  triu:  s.  the  Play  of  tke  Sacrament  In- 
dex  8.  v.  laurelle;   seine    Zusammenstellung    von    altir.  art 
gott  etc.  mit  skr.  rta  und  von  Brigit,  die  gottbeit  welche 
die  dichter  verehrten,  Brigantia,   Brigantes  mit  brahman 
gebet:   s.  meine  Three  Irish  Glossaries  XXXIII*);    seine 
herleitung  des  altir.  clam,  w.  cläf,   com.  da  ff  von  der  wz. 
skr.  klam  (note  zu  meiner  ausg.  der  com.  Passion  25,2); 
seine  Zusammenstellung  des   altir.  etile  socius,  servus  mit 
skr.  Kar 9  niXw,  ge- fährte  ib.  179,  3;   des   com.  neid  lat. 

nidus  für  *gnisdus  mit  slav.  gne&do,  gr.  yivog,  skr.  nida 
für  *gni6da  ib.  206,  1. 

Aufser  dieser  liste,  die  noch  verlängert  werden  könnte, 
ist  kaum  ein  artikel  in  meinen  Irish  Glosses,  bei  dem  ich 
nicht  Siegfried  für  irgend  einen  zusatz  oder  eine  Verbesse- 
rung verpflichtet  wäre.  Im  besondern  verdanke  ich  ihm 
fast  alle  vergleichungen   welscher  Wörter  in  diesem  buche 

*)  Vgl.  auch  Bfhaspati  herr  des  gebets,  ein  vedischer  gott.  Im  altiri- 
schen scheint  ein  fem.  ifi-stamm  Brigte  existiert  zu  haben,  der  dem  Brigan- 
tia  näher  steht. 


Miscellanea  Celtica.  {> 

—  gegen   540  an   zahl.     Die  anerkennung  seiner  bilfe  auf 
p.  130  ist  keine  blofse  höflicbkeitsformel. 

Nach  Siegfried^  tode  hat  Lottner  dessen  lesung  und 
Übersetzung  der  gallischen  inschrift  auf  dem  bei  Poitiers 
gefundenen  silberamulet  (s.  den  abdruck  Beitr.  III,  170) 
veröffentlicht.  Diese  publication  ist  günstig  beurtheilt 
worden  von  Ebel  (Beitr.  IV,  252)  und  von  J.  in  Benfey's 
Or.  und  Occ.  II ,  570.  Nichts  destoweniger  kann  ich  S. 
hier  nur  theilweise  folgen  und  benutze  die  gelegenheit,  um 
die  nach  meiner  ansieht  —  so  weit  ich  bis  jetzt  berichtet 
bin  —  richtige  lesung  und  Übersetzung  der  inschrift  dar* 
zulegen.  Ich  gebe  die  lat.  worte  cursiv,  trenne  die  Wörter 
und  interpungiere: 

Bis  :  Dontaurion  anala;  bis  :  Dontaurion  deanala;  6t«, 
bis  :  Dontaurios  datalages  :  mm  danima  :  vim  spatemam 
asta  :  magi  ars  secuta  te  Justina,  quam  peperit  Sarra. 

Blase  an  den  Dontaurios*)  [embryozerstörer]  :  blase 
weg  den  Dontaurios  :  klage  an  die  Dontaurii  [so  weit  folge 
ich  S.]  :  verstärke  kraft  :  unterstütze  (o  Justina)  die  vä- 
terliche (i.  e  deines  gatten)  kraft  :  des  magiers  kunst  hat 
dich  verfolgt,  Justina,,  welche  Sarra  gebar. 

Das  verbum  datalages  nehme  ich  für  die  2.  sing,  im- 
perat.  medii  von  einem  i- stamm,  identisch  in  wurzel  und 
bedeutung  mit  altkymr.  datolaham  (gl.  lego)  Z.  1078.  (So 
ist  vernus  im  gall.  are-vernus  (gl.  ante  obsta)  =  skr.  ep^u&oa). 
danima  scheint  2.  sing,  imperat  act.  eines  denom.  von 
ir.  däna  fortis,  wie  äveftooo  von  wz.  AN.  Spatemam  ist  das 
lat.  paternam  mit  dem  in  den  romanischen  sprachen  so 
häufigen  verstärkten  anlaut.  S.  Diez  Gramm.  I,  327,  442 
und  vgl.  altir.  seipar  pfeffer  aus  *spiper,  mittelbret.  sclacc 
eis  von  frz.  glace,  corn.  squenip  (gl.  incestus),  frz.  guenipe. 
asta  scheint  %  sg.  imper.  act  von  lat.  asto^  welches  gele- 
gentlich mit  dem  accus,  construiert  wird.  Der  spruch.  ist 
ein  zauber  gegen  weibliche  Unfruchtbarkeit,  nicht  männ- 
liche inapotenz, 

*)  cf.  Rv.  I,  33,  9,  übersetzt  von  Muir:  Thou,  Indra,  with  the  believers, 
didst  blow  against  the  unbelievers,  with  the  priests  thou  didat  blow  away 
the  Dasyu. 


■V 


6  Stoke« 

Bitter  enttäuscht  war  ich  zu  finden,  dafs  mit  aus- 
nähme der  wörtlichen  Übersetzung  der  Qakuntalä  und  ei- 
niger Übersetzungen  vedischer  hymnen  keines  der  oben  auf- 
gezählten manuscripte  zur  veröffeptlichung  fertig  oder  na- 
hezu fertig  war.  Es  blieb  also  nur  übrig,  sie  durchzuge- 
ben, sorgfältig  alles  neue  und  richtige  oder  möglicherweise 
richtige  auszuziehen  und  diese  auszöge  mit  möglichster  treue 
zu  drucken.  Das  erste  resultat  meiner  herausgeberthätigkeit 
ist  nun  veröffentlicht.  Viel  bloße  conjecturen  wird  man 
darin  finden,  einiges  aus  Siegfried's  älteren  papieren,  das  er 
bei  weiterer  aufklärung  würde  aufgegeben  haben,  aber  bei 
d$m  jetzigen  zustand  unserer  kenntnis  von  den  keltischen 
sprachen  und  namentlich  vom  gallischen  werden  alle  ge- 
lehrte mit  Ebel  (Beitr.  IV,  253)  übereinstimmen,  dafs  jeder 
▼ersuch  eines  so  competenten  forschers  wie  Siegfried,  die 
dunkelheit  aufzuklären,  mit  dankbarkeit  müsse  angenommen 
werden.  Wie  J.  von  Müller  sagte:  die  Wahrheit  ruht  in 
Gott,  uns  bleibt  das  forschen. 

Oalcutta,  den  6.  febr.  1867.  W.  S. 

[Wir  haben  im  folgenden  nur  einige  abschnitte  aus 
Siegfried's  papieren  ausgewählt,  welche  die  keltische  laut- 
lehre,  flexion  und  Wortbildung  betreffen  und  behalten  uns 
weitere  Veröffentlichungen  vor.     Die  redaction]. 

VII.     Phonetisches. 

/  aus  A.  Ir.  ri  könig,  altw.  dou  rig  duo  reges  Z.  157, 
skr.  rag;  fir  wahr,  altw.  guir,  nhd.  wahr;  mi  monat,  gen. 
mfe,  skr.  mäs. 

Behandlung  der  lautgruppe  EST.  In  ichtar  pars  in- 
ferior [von  is  infra  =*ixo]  Z.  147;  echtar  extra,  w.  eithyr, 
uachtar  pars  superior,  w.  uthr  und  \* deckt ar  dextera,  gen. 
8g.  f.  dechtire  in]  mac  Dechiire  mufs  x  bereits  in  der  alt- 
keltischen periode  zu  c  geworden  sein.  So  vielleicht  in 
bocht  pauper  aus  BOESTO,  skr.  bhikU  betteln. 

Abfall  des  P  im  anlaut.     P  fallt  ab  in  folge  des  ac- 


Miscellanea  Celtica.  7 

Gentes:  ir.  lethan,  w.  llydan,  skr.  prthu,  nhatvg;  ir.  athair, 
skr.  pitdr  [ir.  il,  skr.  pwrw,  aoAug,  got.  filus ;  ir»  if  A  frumen- 
tum  =  z,  ptfw  speise,  skr.  pitü  trank]. 

Ausfall  des  P  im  in  laut.  6,  ua  =  apa,  ano;  da  = 
?7?r«(>;  *i/a»  =  [sfla/wa]  vnvog;  [foaid  dormiebat  zu  *©ä- 
pajämi,  sopio  und  das  lehn  wort  caut  =  caput]. 

SV  im  an  laut.  Ir.  F  für  SF  =  w.  chw  :  ir.  fairthe 
[.i.  fleadh  O'Clery's  Glossar]  a  feast  =  w.  ckware  play. 
ir.  faireög  glandula,  w.  chwarel  drüse,  Verhärtung  unter 
der  haut  :  cf.  nhd.  schwäre,  ir.  fedaim  (a  fedme  quod  cir- 
cumferimus  Z.  44 1 ),  w.  chwedl  a  story.  ir.  fillim  ich  wende, 
w.  chwel,  chwylaw.  ir.  faolchü  wolf,  w.  chwilgi.  [ir.  fiar 
Schwester,  w.  chw'iawr,  skr.  svasar].  ir.  farn  vester,  got. 
%%vara  [s.  Beitr.  IV,  396,  wo  chwi  mit  izvis  vos  verglichen 
ist].  Aus  Ihrem  do-phethar-su  [sororis  tuae  Beitr.  I,  473] 
würde  ich  nur  schliefsen,  dafs  sv  zu  f  werden  kann,  wel- 
ches die  altirische  Orthographie  zwischen  zwei  vocalen 
durch  ph  ausdrückte,  um  es  an  solchen  stellen  von  der  f 
emortua  zu  unterscheiden,  und  sehe  darin  noch  keine  ver- 
anlassung zu  glauben,  dafs  sv  je  nach  iranischer  weise  zu 
hartem  p  ward.  [Ein  anderes  beispiel  von  ir.  f  aus  sv  im 
anlaut  ist  *ßs  sechs  in  mör-iöser  sieben  personen,  wörtl. 
eine  grofse  sechszahl  personen  Beitr.  I,  473 ,  wo  ich  irrig 
annahm,  dafs  dieses  f  nicht  aspirierbar  wäre.  So  foaid 
dormiebat  wz.  svap.  Das  gaelische  piuthar,  gen.  pethar  = 
skr.  svasar  ist  völlig  sicher.  Dies  p  aus  sv  wird  zuweilen 
c  (oder  entstand  c  unmittelbar  aus  sv,  cf.  zend.  q  aus  sv!) 
wie  in  cadössin  ipse  Lib.  Arm.  18,  b.  1  =  fadesin  Z.  373; 
canisin  (duun  chanisin  nobis  ipsis  Z.  66,  1006  =  fanisin 
Z.  1004;  cttach  linkshändig,  citdn  linke  hand,  w.  chwith 
links.  Und  da  anlautendes  sv  irisch  oft  8  wird  (cf.  suan 
schlaf,  skr.  svapna;  siar  Schwester  =  svasar;  s6  sechs, 
w.  chwech,  SVAKS,  2£,  ^rfi£;  serbh  bitter,  w.  chwerto), 
können  wir,  denke  ich,  trotz  Siegfried's  zweifei,  wenigstens 
vier  repräsensanten  des  anlaut.  sv  im  altirischen  annehmen, 
nämlich  S,  F,  P,  C.  Das  vereinzelte  farn,  welches  auch 
barn  geschrieben  wird,    im  mittelir.  zuweilen  uarn,  jetzt 


8  Stokes 

bham,  und  gewifs  tarn  ausgesprochen  wurde,  würde  die 
zahl  der  möglichen  repräsentanten  von  sv  im  anlaut  auf 
fünf  steigern]. 

SC  im  inlaut  aus  DC.  ir.  uisce  wasser,  skr.  udaka;  ir. 
mesc  ebrius,  mesce  ebrietas,  skr.  madaka  [Ich  kenne  dieses 
wort  nicht:  rnada  bedeutet  trunkenheit,  madakara  berau- 
schend. Das  ir.  adj.  brise  brittle,  bret.  bresk  oder  brüsk 
fragile,  wenn  es  aus  brid-co,  bnid-co  entstanden  ist  —  cf. 
lat.  frud  in  frustum  aus  *frudtum  — ,  ist  ein  anderes  bei- 
spiel  dieses  Übergangs]. 

Welsch  ff  im  anlaut.  Das  welsche  anlaut.  ff  hat  mir 
mehr  Verlegenheit  bereitet  als  irgend  ein  andrer  buchstabe. 
In  einigen  Wörtern  läfst  es  sich  leicht  aus  sbh  herleiten: 
ffer  knöchel,  ocfvqov;  ffaelu  fehlen,  öyaklco;  ffunen  vitta, 
Gcpevöovri  [ist  ffunen  nicht  aus  dem  lat.  funis  entlehnt?], 
ff  est  speedy  [anovöaiog,  OTzevduj],  ffroen  [nüster,  nase], 
üa<pQaivo[iüu;  ffeli  listig,  ö%£Tfoog.  Diese  beispiele  sprechen 
für  sich  selbst.  [Anderwärts  vergleicht  Siegfried  w.  ffraeth 
redeflufs  mit  sprechen  und  bret.  fel&h  la  rate  mit  indo- 
europ.  SPLIGHAN  [splaghan?],  woher  skv.plihan,  gr.  (mXrjv, 
lat.  lien.  Mir  scheint,  dais  die  meisten  echt  welschen 
Wörter,  welche  mit  ff  beginnen,  entweder  auf  indoeurop. 
SP  oder  (wie  frwdd)  auf  ST  zurückweisen.  Ob  irgend 
ein  ff  aus  SV  entstanden,  bleibt  zu  beweisen]. 

Welsch  ff  im  inlaut.  w.  cyffred  [cause,  course]  = 
[cyv-|-rhed  =]  com-+-ret  laufen:  ist  das  harte  ff  hier 
durch  den  einflufs  des  rh  herbeigeführt?  [Ein  ähnlicher 
Übergang  des  aspirierten  b  (ausgespr.  v)  in  f  durch  einflufs 
von  §  =  h  begegnet  in  dem  altir.  honaif-leidmenaib ,  Tu- 
rin, gl.  no.  91  raig  saniebus  für  ö  naibh  sleidmenaibh  (sleidm 
gl.  sanies  Z.  733).  So  ist  neuir.  foirfe  das  altir.  foirbhthe 
i.  e.  foirothe,  wo  th  =  h]. 

VIII.     Declination. 

Gallische  fem.  ä- stamme.  In  dem  „legionis  seeunde« 
Italice*  von  Vaison  (Soc>  Ant.  Fr.  16,  143)  suche  man  den 


Miscellanea  Celtica.  9 

einflufs  eines  gall.  gen.  [sg.  auf  -£*,  woher  das  nicht  aspi- 
rierende ir.  -e  der  fem.  ä- stamme]. 

Altir.  u-declination.  Genitive  wie  ddnigthea,  gen.  sg. 
von  ddnigud  Z.  994  erweisen  einen  gen.  auf  AVAS  = 
[dem  -eoq  in]  rjöeog;  ved.  -w,  gen.  vas. 

Altir.  pronominaldeclination.  Für  den  gen.  sg.  fem. 
öena^  aine  [Z.  348]  sollte  das  lat.  unius  beachtet  werden. 
So  inna  [rrjg],  cacha,  nacha  alle  pronominal,  [die  endnng] 
=  lat.  -ius.  Die  älteste  form  ÄJÄS  dürfte  vorliegen  in 
dem  gewöhnlichen  e  [des  gen.  sg.  der  fem.  ä-stämme]. 

Welsche  u- stamme,  w.  tant  schnür,  pl.  tannau  m.  = 
skr.  tantu  faden,  pl.  tantavas.  Der  welsche  plural  auf  -au 
(für  AVAS?)  dieses  und  ähnlicher  Wörter  [z.  b.  dagr  SdxQv, 
pl.  dagr  au;  yd  körn  ir.  ith  —  z.  pitu^  pL  ydau]  scheint 
mir   ursprünglich  u-stämmen  anzugehören. 

Cornische  declination.  Wir  erwähnten,  glaube  ich, 
nie  die  cornischen  genit. ,  die  ich  Lhuyd  [Archaeologia 
Britannien  p.  242]  entnehme:  marh,  gen.  merk  pferd;  merk, 
gen.  myrh  mädchen  [diese  genitive  bei  Lhuyd  finden  keine 
stütze  in  den  mss.];  und  dat. :  pen,  dat.  er  dha  byn  auf  dei- 
nem haupte,  krös,  dat.  in  kreys  in  der  mitte.  [Dies  ist 
eine  stelle  aus  einem  an  mich  gerichteten  briefe  vom 
3.  aug.  1858,  ein  jähr  vor  dem  erscheinen  von  Mr.  Nor- 
ris'  Cornish  Drama,  in  welchem  derselbe  vol.  II,  p.  214 
gleichfalls  auf  pyn  rücksicht  nimmt,  es  jedoch ,  was  wohl 
als  ein  Schreibfehler  anzusehen  ist,  den  genit  w  von  pen 
nennt]. 

IX.     Comparation  (Comparativ,  Superlativ). 

Die  annähme  Ebels  [Beitr.  II,  80],  dafs  eine  art  von 
schwachem  comparativ  mit  ajans  gebildet  wurde,  ist  selt- 
sam. Die  unregelmäfsigkeiten  zwischen  -tu,  ~a,  -u  und 
dem  völligen  abfall  [der  endung]  wie  in  ferr  [besser]  sind 
natürlich,  weil  der  accent,  den  wir  vom  comparativ  besser 
kennen  als  von  fast  jeder  andern  form,  stets  auf  der  Wurzel- 
silbe liegt.  Dies  ist  bemerkenswerth,  denn  es  erklärt,  warum 
eine  so  sehr  schwere  endung  wie  IÄNS  schwinden  konnte, 


10  Stokes 

während  das  einfache  derivative  ia  [im  altir.]  nie  schwin- 
det. Darüber  mufs  man  stutzig  werden,  und  das  w.  -ach 
ist  mit  einem  mal  als  ein  anhang  erwiesen.  Ich  schickte 
Ihnen  einmal  eine  bemerkung,  in  der  ich  darauf  hindeutete 
und  Ihre  aufmerksamkeit  hinlenkte  auf  jenes  altir.  assa, 
welches  so  häufig  beim  comparativ  steht,  Z.  286.  Ich  bin 
eher  geneigt,  folgendes  für  richtig  zu  halten.  Ich  würde 
ein  adverb  annehmen,  ganz  natürlich  mit  der  praep.  a$  ex 
verbunden,  welches  zum  stehenden  anhängsei  des  compara- 
tivs  wurde,  wie  ^o^cc  bei  Homer  beim  Superlativ  ägiarog. 

[Dies  ist,  glaube  ich,  die  angezogene  bemerkung]:  w. 
hyn  =  ir.  siniu  [=  senior]  und  andere  beispiele  beweisen 
zu  deutlich,  dafs  das  comparativische  IANS  in  der  that 
im  welschen  vollständig  geschwunden  ist,  wie  es  nach  al- 
lem, was  wir  von  welschen  lautgesetzen  kennen,  sein  mufste. 
-ach  und  bret.  -och  müssen  dann  anhänge  sein,  und  die 
frage  ist  nur,  welches  wort  dem  comparativ  kann  ange- 
hängt worden  sein.  Nach  verschiedenen  versuchen  halte 
ich  fest  an  [einer  form  =  ir.]  ass  [ex  eo  Z.  592],  viell. 
die  praep.  ex  mit  einem  süffig,  pron.  Wie  neuir.  fearrde* 
durch  agglutination  aus  ferr  entstanden  ist,  so,  vermuthc 
ich,  w.  hardach  [amabilior  Z.  305]  aus  hard(i)  ach  eo  pul- 
chrior.  Dieses  ach  trat  zuletzt  auch  an  formen  wie  guell, 
welche  ursprünglich  den  reinen  alten  comparativ  allein 
bewahrten.  [Anderwärts  erwähnt  Siegfried  den  doppelten 
comparativ  lleiach].  Die  function  von  ir.  assa  [Z.  286] 
beim  comparativ  macht  dies  wahrscheinlich.  Welsch  tec- 
ach,  comparativ  von  teg,  steht  dann  für  teg^ach*),  ach 
vielleicht  in  dem  sinn  von  „far  out  handsomer".  [Es  ist 
nicht  zu  bezweifeln,  dafs  -ach  oder  -ch  ein  anhang  ist,  wie 
das  -et  (Z.  307)  des  comparativs  der  gleichheit  (=  skr. 
jathä?).     EheFs  ansieht  (Beitr.  II,  79),  dafs  das  alte  s  der 


*)  Die  Verschiebung  von  g  zu  c  ist  durch  die  elision  des  folgenden  vo- 
cals  herbeigeführt.  Dies  ist  auch  die  richtige  erklärung  der  com.  form  hac- 
cra  h&fslicher,  welche  Ebel  (Beitr.  V,  132)  als  ein  beispiel  von  assimilation 
hinstellt.  Haccra}  besser  hacra,  comparativ  von  hager,  entsteht  einfach  aus 
hag'ra.  Die  Verschiebung  im  welschen  comparativ  der  gleichheit  und  im 
Superlativ  beruht  wohl  auf  falscher  analogie.     W.  S. 


MisceUanea  Celtica.  11 

comparativendung  als  ch  erhalten  ist,  ist  anfechtbar,  1)  weil 
der  Übergang  von  einf.  s  in  ch  den  keltischen  lautgesetzen 
unbekannt  ist,  2)  weil  finales  s  stets  schwindet,  abgesehen 
davon,  dafs  sein  früheres  Vorhandensein  am  anlaut  des  fol- 
genden wortes  erkennbar  ist.  Ich  war  der  ansieht,  dafs 
das  welsche  ch  des  comparativs  ein  beispiel  von  der  aspi- 
ration  der  gutturalen  tenuis  wäre,  die  regelmäfsig  durch  s 
herbeigeführt  wird,  mag  es  dem  c  vorhergehen  oder  ihm 
folgen  (s.  Z.  147, 171, 181);  dafs  die  tenuis  hier  eine  alt- 
keltische conjunetion  =  frz.  que9  it.  che  repräsentierte,  dafs 
das  aspirierende  s  die  endung  des  comparativs  und  das 
-a-  von  -ach)  bret.  -o-  gleich  dem  alten  ä  in  iäns.  Aber 
Siegfried's  ansieht  gibt  eine  bessere  erklärung  des  vocals 
von  -ach  und  wird  unterstützt  durch  den  neuir.  anhang 
-de  de  eo  Z.  596,  auf  den  er  auch  hinweist  und  den  O'Do- 
novan  (Grammar  p.  121)  richtig  erklärt  hat.  Siegfried's 
annähme  erklärt  auch  die  Verschiebung  in  welschen  compp. 
in  g,  d,  b  zu  c,  f,  p]. 

Etymologie  von  TRÄN.  Altir.  fr&t,  w.  tren  [unge- 
stüm, heftig]  ergibt  gallisch  *trextios.  So  ir.  friert  infirmi- 
tas  gM.*exnertuos9  w.  chwedeg  sechzig  für  *seexdec-n.  Com- 
parativ  ir.  tressa,  w.  trech,  gall.  *trexiäs.  Iäns  ist  im  wel- 
schen völlig  verloren  gegangen,  wie  in  gwell,  hyn  (=  ir.  «$- 
mu),  uch  =  ir.  uas9  altkeit,  öxtäs.  Superlativ  [altir.  tressam 
Sanctäin's  bymnus  1],  w.  traha  Z.  144,  784  [wo  es  als  po- 
sitiv übersetzt  ist],  bret.  trirfha,  indoeurop.  TRAKSAMA. 
Ein  verbum  TRAKS  wäre  das  intensiv  von  TRAGH  lau- 
fen (cf.  ver-tragus,  r^co,  got.  thragjan)  und  aus  irruere 
scheint  die  bedeutung  des  Ungestüms  sich  entwickelt  zu 
haben.  Ir.  tr6ise  macht  =  w.  trais  gewalt,  ungestüm,  wo- 
her treissiur  [oppressor]  Z.  796  wäre  dann  TRAKSTI  oder 
TRAKSTIA.  [Aber  dies  gäbe  ir.  *trecht,  *trechte  und  w. 
w.  *frae*Ä?].  Dafs  der  positiv  TRAKS-NA  und  der  com- 
parativ  TRAKS -IÄNS  lautete,  wäre  nichts  unnatürliches. 
Manche  derivationssilben  des  positivs  gehen  so  verloren 
[im  keltischen  sowohl  wie  im  griech.,  lat.  und  skr.  Siehe 
die   note  Siegfried's   über  das  suff.  ra,    go  in  Three  Irish 


12  Stokes 

Glossaries  praef.  XXX].  Gallisch  SACSANO  von  SAKS 
wz.  SAH  ist  eine  ähnliche  formation  wie  *trexnos,  TRAK- 
S(A)NA. 

Gallischer  Superlativ  auf  -imo.  I.  O.  M.  VXELL1M. 
scheint  „  Jupiter  dem  höchsten "  zu  bedeuten  :  cf.  ir.  na- 
sal [superl.  huaislimem  Z.  287,  das  doppelte  endung  auf- 
weist *öxal-im'imo.  Beachte  die  assimilation  in  uxel- 
lim(o).  Woher  übrigens  S.  diese  interessante  form  habe, 
vermag  ich  hier  in  Indien  nicht  nachzuweisen]. 

Superlative  auf  -tamo  und  -isto.  [Die  endung  des] 
altir.  Superlativs  nessam  [proximus],  osk.  nessitno  dürfte 
TAMA  sein,  denn  im  zend  lautet  das  simplex  nazda. 
[Altw.  h-eithatn  Z.  1091,  jetzt  eithaf  äuiserst  ist  =  lat. 
extimus;  und  ist  nicht  der  altkeit,  name  Cunotamos  wahr- 
scheinlich ein  Superlativ  von  euno-s  hoch?].  In  Tolisto-boii 
haben  wir  vielleicht  einen  Superlativ  auf  ISTA,  skr.  istha, 
-i(Xro.  [Positiv  ist  vielleicht  toli-s,  epitheton  des  Hercules 
Rev.  arch.  VIII,  352,  vgl.  auch  Herculi  toli-andosso  Hen- 
zen  5916]. 

X.     Zahlwörter. 

II.  Bret.  daou  m.,  diou  f.  Da  das  ursprüngl.  v  [des 
anlauts  DV]  im  altkeit,  verloren  gegangen  zu  sein  scheint 
—  sonst  müfste  das  welsche  dwau  haben  —  so  weist  das 
wy  des  welschen  fem.  auf  ein  gall.  ete,  woher  ir.  dL  Im  z. 
duje  ist  j  rein  phonetisch.  Das  lat.  fem.  duae  dürfte  plural 
sein,  besonders  wenn  wir  das  neutrum  dua,  selbst  bei  Ci- 
cero, in  betracht  ziehen.    Bopp  vergleicht  es  mit  skr.  dvi. 

III.  Ir.  tris  tertius  ist  wichtig.  Ich  glaube,  dafs  s 
ist  rest  von  tja. 

IV.  Petorritum  zu  lesen  petro-ritum?  cf.  Petrucorius, 
Petrucorii,  Petrocorii  Glück  K.  N.  158. 

V.  Altir.  cöic,  w.  pump.  Welsch  u  [in  pump]  fordert 
gleichfalls  gallisch  o.  Der  accent  in  cöic  erweist  keinen 
langen  vocal,  sondern  gehört  zu  dem  neuen  diphthong  oi. 
[Ich  weiche  hier  von  Siegfried  ab:  6%  in  cöic  ist  kein  diph- 
thong, wie  das  neuir.  cüig  beweist,  das  caoig  lauten  müfste, 


Miscellanea  Oeltica.  13 

wenn  die  altir.  form  diphthongisch  gewesen  wäre.  Ich  bin 
der  meinung,  dafs  o  verlängert  wurde  zum  ersatze  des 
ausfalls  von  n  vor  c]. 

VIII.  Goldstücker's  idee,  dafs  AKTÄM  der  dual  von 
KAT  [vier]  sei,  ist  ansprechend.  Dafs  AM  die  ursprüg- 
liche dualbildung,  beweist  das  vedische  skr.,  wo  sie  AV, 
durchaus  nicht  du.  Ich  erwähnte  Ihnen,  glaube  ich,  ein- 
mal den  ähnlichen  fall  des  skr.  locativs  von  t-  und  ^stam- 
men: mati,  matäu  etc.,  gleichfalls  aus  am,  daher  in  im 
pron.:  tasmin  in  hoc.  Von  AKTÄM  kommt  das  ir.  ordi- 
nale ochtm-ad. 

X.  Ir.  dec,  w.  deng,  skr.  dacan,  DANKAM.  [Ich 
bezweifle  dies.  Altir.  d6c  ist  contrahiert  aus  deac,  welches 
nicht  nur  bei  Z.  312  vorkömmt,  sondern  auch  in  Fiacc's 
hymnus,  z.  2  (maccdn  se  mbliadan  döac)  und  im  Feiire  15.  juli 
und  22.  sept.  ( In  da  apstal  deac  und  for  dib  milib  deac) 
—  stets  zweisilbig.  —  In  diesem  deac  deutet  das  harte 
c  auf  ursprüngliches  NK  (daher  DÜ-ANK),  welches  viel- 
leicht erhalten  ist  in  w.  deng.  Das  wort  scheint  im  inlaut 
einen  consonanten  verloren  zu  haben,  wie  ich  vermuthe,  p 
(wie  in  ir.  caut  von  caput).  So  erhalten  wir  *ctt-pank,  wie 
ich  glaube,  2x5;  *pank  =  skr.  panttan]. 

• 

XI.     Pronomina. 

Notae  augentes  [Z.  332,  333]. 
sg.  -sa,  -se  1.  pl.  -ni 

-su9  -so,  -siu     2.        -si 

-se  3. 

Sg.  1.  -sa  (Z.  332),  skr.  svajam,  lautet  sse  nach  schwachen 
vocalen  [und  das  s]  erleidet  nie  infection.  pl.  ni  [für  §n%] 
mit  infection  weist  auf  die  vocalische  endung  des  verbums. 
Sg.  2.  -su  (svajam) :  das  i  [in  -sin]  durch  einflufs  der  schwa- 
chen verbalendung.  Ir.  tussu,  skr.  tvä  svajam.  pl.  2.  r&i 
kann  nie  infection  erleiden,  weil  von  SVIB  [svi-\-  sei?]. 
Sg.  3.  -se  ist  nota  augens  (is-6  se  skr.  asti  ajatn  sa?  oder 
wieder  svajam?).     pl.  3.  keine  nota  augens:  absolute  i. 


14  Stokes 

Verschiedene  pronominä.  Ir.  som,  sem,  SVASMA? 
intisiu  [t-siu]  =  is  ■+  svajam. 

fadösin  erinnert  mich  stets  an  skr.  svadhajä  sponte 
—  was  vielleicht  nur  scheinbar  ist  [und  fodHn  (gl.  ipse)  gen. 
fodüne  erinnert  mich  an  zend  qädä$na  das  eigne  selbst, 
Justi]. 

Das  weitverbreitete  relativpronomen  JA  dürfte  erhal- 
ten sein  in  altir.  id-mM,  gl.  quotus,  quantus  Z.  840,  1031, 
id  ss  skr.  jathä  [heidmtit  gl.  quantus  Z.  1031]. 


XII.     Verbalpartikeln. 

Vedisch  stnä9  classisch  *#»a,  hat  die  kraft  ein  prae- 
sens in  ein  Präteritum  zu  verwandeln.  Dies  smä  war, 
glaube  ich,  altir.  no  [Z.  417.  Ich  würde  mit  smä  eher 
altir.  mu9  tno  Z.  419  identifizieren  und  no  auf  den  demon- 
strativstamm NA  beziehen]. 

XIII.     Verb  um. 

Denominative*.  Wie  ir.  tech  für  tegh  haus,  so  steht 
gra&acham  [gratias  ago  Lib.  Armach.]  für  altw.  *grazagham 
—  in  der  that  eine  hübsche  altbritische  form*)  —  und  be- 
weist die  identität  der  -aa/-verba  mit  den  [ir.  verben  auf] 
-aighim.  Das  altwelsche  der  Luxemburger  und  Oxforder 
glossen  hat  nichts  besseres  als  -aham.  Siehe  Z.  498  [auch 
Z.  796].  „Dies  ist  das  -ajämi  der  10.  coojugation" ,  sagt 
Bopp,  welches  in  Sapaw,  Safid^w^  domo  vorliegt.  Aber 
die  lautgesetze  werden  die  gleichsetzung  kaum  erlauben. 
Sie  werden  sich  erinnern,  dafs  ich  sie  [i.  e.  die  keltischen 
denominativa]  mittelst  -äcämi  aus  dem  weitverbreiteten 
keltischen  suffix  -äc  herleitete,  dessen  tenuis  in  diesem  fall 
schon  in  gallischer  zeit  zur  media  herabgesunken  sein 
mufs. 


*)  Ich   weiche   hier  von  Siegfried  ab:    graz-  ist  gratias  und  acham  ist 
ago  mit  altw.  person.-endnng.     Grazacham  ist  nur  ein  lehnwort.      W.  S. 


Miscellanea  Oeltica.  15 

[Anderwärts  schreibt  Siegfried]:  Das  griech.  -afoi  ist 
gleichfalls  unerklärt,  denn  ich  kann  nicht  —  wie  Bopp  es 
thut  —  glauben,  dafs  es  einfach  =  AJAMI:  dies  gibt 
nur  da).  AKJÄMI  wird  mehr  erklären  und  für  die  deri- 
vative natur  dieser  verba  passen,  von  denen  manche  im 
ir.  deutlich  adj.  auf  -aka  neben  sich  haben  [z.  b.  cumach- 
taigitn,  cutnachtach].  Das  w.  -aw  [im  inf.  der  denominativa 
Z.  52 1J  beweist  [das  frühere  Vorhandensein  von]  g  [in  die- 
sen formen];  aber  dies  g  könnte  nur  eine  frühe  defectio 
[des  c]  sein. 

Altir.  itargninim  [gl.  sapio  prudentia,  Z.  431]  ist  deut- 
lich ein  denominativ  von  GNÄNA  kenntnis. 


Den  Status  durus  von  altir.  -imm  in  der  ersten  pers. 
sg.  praes.  ind.  act.  müssen  wir,  glaube  ich,  als  eine  aus- 
nähme von  der  allgemeinen  regel  der  infection  ansehen. 
Es  [i.  e.  das  m  dieser  person]  erleidet  regelrecht  infection 
im  welschen.  Ich  gebe  zu,  dafs  es  nicht  wünschenswerth 
ist,  solche  Verletzungen  weit  ausgedehnter  gesetze  anzuneh- 
men, aber  sie  finden  sich  sehr  häufig  in  sehr  häufigen 
Wörtern. 


Das  s  in  altir.  filus  [sunt?  Z.  1007,  1009]  von  -anti 
[herzuleiten]  ist  sehr  kühn.  Es  gibt  ähnliche  s  in  den 
secundären  zeiten:  no-charmi-s  [amabamus],  no-charti-s 
[amabant].  Sollten  sie  nicht  alle  zusammengehören?  [Ich 
verglich  kürzlich,  Beitr.  V,  114,  filus  mit  dem  gallischen 
karnidus  der  inschrift  von  Novara.  Aber  filus  ist  vielleicht 
ein  sg.,  denn  der  nom.  cenike9  centte,  mit  dem  es  sich  bei 
Zeufs  findet,  ist  ein  neutrum  pl.] 


Das  perfect  auf  t  [Z.  442,  503].  Hinsichtlich  dessel- 
ben sind  einige  punkte  sehr  auffallend:  erstens  der  directe 
gegensatz    gegen    das    germanische,    wo   die    abgeleiteten 


16  Stokes 

stamme  es  [i.  e.  die  wz.  dhä]  annehmen.  Was  hingegen 
das  [irische]  s  in  den  meisten  perfectis  anbetrifft,  so  ist 
ein  unleugbares  factum,  dafs  es  eigentlich  ein  doppeltes  ss 
ist.  Dann  auch  die  lautlichen  eigenthümlichkeiten  dieses  t. 
Im  welschen  ist  es  th  [nach  r],  welches  nicht  aus  dhä  her- 
geleitet werden  kann  und  auch  im  irischen  wirkt  es  mehr 
wie  t. 

Ich  wünschte,  dafs  es  aus  STÄ  zu  erklären  gienge, 
was  für  die  s-  und  /-perfecta  passen  würde. 

S  fallt  aus  zwischen  R  und  T :  ir.  tart  =  [got,  thaur- 
stei],  engl,  thirst,  TARSTI  [skr.  tars  *).  So  vielleicht  das 
ir.  praeteritum  ru-burt  tuli  aus]  *ruburst,  das  w.  kymerth 
[aus  *com-ber-st]. 

S  fällt  aus  zwischen  N  und  T.  Ir.  cinteir  [sporn], 
com.  kentar  =  xiöTyov,  x&vtqov,  skr.  gastram  [seh wert, 
messer]  aus  KANSTRAM  [vergl.  auch  altir.  daintech  (gl. 
dentatus)  mit  skr.  dä&trä,  ir.  cainte  Satiriker  mit  lat.  cen- 
sor  für  *cen$tor,  osk.  kenstur  und  viell.  ir.  sant,  w.  chwant 
verlangen  aus  SVANSTA,  wz.  SVAS;  so  frz.  contraindre 
für  con-s-traindre].  So  [mag]  welsch  a  gant  cecinit  [Z. 
503  aus  a  canst  entstanden  sein]. 

S  fallt  aus  zwischen  K  und  T:  von  ex  kömmt  ir. 
echtar,  w.  eithyr  [und  eithaf],  von  *öx  kömmt  ir.uachtar 
(w.  Uthr?).  So  entsteht  ir.  doecom -nacht  [  communieavit 
Z.  442]  aus  -NAKST  und  w.  doeth  venit,  wz.  AK,  ANK 
[aus  *doectj  *do-ak-§f]. 


Die  altir.  präterita  auf  -ai  dürften  wohl  leicht  zu  er- 
klären sein.  Warum  sollten  sie  nicht  imperfecta  sein? 
r*ind-arpai  [Z.  435,  für  rHnd-arbai  exheredavit,  ejeeit]  == 
ARBHAJAT  wie  skr.  ajögajat.  [Weitere  beispiele  dieses 
Präteritums    sind   an-as-ro-chumlai  (gl.  profectum)  Z.  840, 


*)  Anderwärts  stellt  Siegfried  ir.  tirim,  timne  mit  dieser  wurzel  zu- 
sammen. Ein  beispiel  des  Verlustes  von  s  zwischen  r  und  h  ist  altir.  arco 
ss  skr.  arh'hämi  (ARSKÄMI),  gr.  fy/o^cu  (*fy(Txo^ou).  So  auch  vielleicht 
der  ir.  mannsname  Coro  ss  ags.  horsc  velox,  callidus. 


Miscellanea  Celtica.  17 

do-r-intai  interpretatus  est  Z.  1064,  ro-d-*cribai  id  scripsit 
Book  of  Deir,  letzte  seite.  Die  altirisohen  praeterita  auf 
-t#,  -tt*  könnten  aus  -ät>t(f),  -ü>t(f)  erklärt  werden;  vergl. 
die  4.  zeile  der  inschrift  von  Limone,  tome  decavi  (wie  ich 
lese),  wo  tome  vielleicht  ein  pronomen  nie,  decavi  so  lat. 
dicavit  und  Obuldunu  Tinu  in  der  folgenden  zeile  der  dat. 
sg.  vom  namen  des  gottes,  dem  das  weihegeschenk  gemacht 
wurde]*). 

Altir.  do-r'-acräid  (gl.  e^acerbavit)  Z.  434:  [die  endung] 
scheint  =  w.  -awd  Z.  504. 

Die  altir.  s-fytura.  Ich  bin  wirklich  sehr  befriedigt, 
dafs  Sie  die  «-futura  für  richtig  halten  [s.  Beitr.  III,  51]. 
Sie  haben  sicher  recht,  dafs  dieselben  fast  ganz  wie  sub- 
junctive  gebraucht  werden.  Doch,  wenn  wir  sie  bei  wei- 
terem nachforschen  aufrecht  erhalten  können,  so  wäre  es 
schade  sie  unter  dem  seltsamen  namen  s  -  conjunctive  pas- 
sieren zu  lassen.  Möchten  Sie  sie  nicht  „die  alten  *-fu- 
tura  als  conjunctive  gebraucht"  nennen? 


Belatu-oadrus :  belatu  scheint  ein  inf.  auf  -tu  [cf.  den 
altir.  inf.  auf  -ad  =  iTÜ,  -tid  «  ATÜ  Z.  459,  460]. 


Ebel's  ansieht  [Beitr.  I,  162;  III,  269],  dafs  die  [altir.] 
3.  sg.  praet.  pass.  ein  partieipium,  würde  die  impersonellen 
oonstruetionen  Z.  475  nicht  erklären. 

Die  seeundären  formen  no-ltntae  [etc.  Z.  470]  sind 
deutlich   wie    die    relativen   zu  erklären,    durch  anftkgung 

eines  e. 

Die  [entsprechenden]  welschen  formen  beweisen  genug 

gegen  diese  participialtheorie. 


*)  Die  ganze  inschrift  lautet  (wie  ich  sie  zu  lesen  vorschlage)  so: 
TETVMVS  SEXTI  DVGIAVA  SA0ADIS  TOME  DECAVI  OBVLDVNV 
TINV  „Tetumus  Sexti  (filius)  Protector  Sassadensis  (vel  Sassensis?)  me  di- 
cavit Obulduno  Tino.  —   W.  S. 

Beitrage  z.  vgl.  sprachf.  VI.  1.  2 


18  Stokes,  Miscellanea  Geltica. 

Altir.  ata  [ist,  at  +  tä],  skr.  wz.  sthä,  lit.  stSwmi  [= 
skr*  fiädkämt]  ist  zehnte  classe  Bopp  Vgl.  Gr.  II,  265.  [Ist 
ir.  td  =  lit.  st6w?  Siegfried  stellt  anderwärts  zu  ir.  td  w. 
fötr,  welches  Pughe  eine  conjunction  nennt  und  mit  „dafs" 
fibersetzt]. 

Altir.  bieid  erit,  skr.  bhamäjati  :  biam  bhavisjämas: 
bieit  bhacifyanti.  w,  fut  bwyf  [ero]  =  einem  gallischen 
besamt. 


XIV.    Praefixe  und  Suffixe. 

Das  irische  negativpraefix  am-,  w.  af-  könnte  skr.  sämi 
[yui-]  sein  =  lat.  sftni,  ahd.  sämi,  ags.  sdm-  in  sdmboren 
unzeitig,  sdmcwic,  kanm  lebendig,  halb  todt,  sdtnms  [semi- 
sapiens,  parum  sapiens]  =  ir.  aimUsach  inscius«  Das  am- 
bewirkt infection,  wie  es  mufs,  und  erleidet  selten  umlaut, 
weil  es  aus  am-  entstanden  ist. 

[So  vergleicht  Siegfried  anderwärts  ein  anderes  ir. 
negativpraefix  nemh  (altir.  neb  geschrieben,  i.e.  net>)  mit 
dem  vedischen  nema  halb;  das  ir.  $6im,  welches  zuweilen 
„wenig"  bedeutet,  mag  =  s&ni-  sein]. 

Das  suffix  foä.  Ich  erkläre  das  altir.  claideb  schwert 
durch  das  suffix  toä.  [Ist  die  wz.  =  skr.  Math  tödten, 
verletzen?]. 

Dafs  die  derivata  auf  -unno  [Z.  737]  von  u- stammen 
kommen,  kann  durch  beispiele  bewiesen  werden,  und  wenn 
wir  die  Verwandtschaft  von  u  mit  VANT  berücksichtigen, 
können  wir  sogar  vermuthen,  dafs  -unno  aus  VANTIA 
entstanden  ist. 


Baudouin  de  Courtenay,  einige  tiüle  der  Wirkung  der  analogie  etc.       19 

Einige  falle  der  Wirkung  der  analogie  in  der 

polnischen  declination. 

Wenn  man  die  in  der  spräche  wirklich  vorliegenden 
worte  nimmt  wie  sie  sind  und  wie  sie  vom  sprechenden 
empfunden  werden,  so  kann  man  keine  vocalischen  stamme 
in  der  polnischen  declination  annehmen.  Vocalische  stamme 
werden  bei  den  polnischen  nomina  nicht  gefühlt* 

Es  gibt  gegenwärtig  in  der  polnischen  declination  nur 
consonantische  stamme,  wenigstens  werden  nur  solche  im 
Sprachgefühle  empfunden. 

Uebrigens  sieht  man  leicht,  dafs  sich  im  polnischen 
die  theilung  der  declination  nach  den  stammen  nicht  durch- 
führen läfst  Manche  casus  haben  bei  allen  nomina  nur 
eine  einzige  endung,  andere  zwei,  andere  drei  u.  8.  w. 
Streng  genommen  also  kann  man  nicht  von  den  declina- 
tionen  der  nomina,  sondern  nur  von  den  declinationen  der 
einzelnen  casus  reden.  Diese  casusdeclinationen  verändern 
sich  fortwährend;  die  aufgäbe  des  forschers  ist  nur  die,  zu 
verfolgen,  wie  sie  sich  historisch  entwickeln. 

Nichts  desto  weniger  lassen  sich  gewisse  gruppen  von 
nomina  aufstellen,  die  in  allen  ihren  casus  ähnlichkeit  zei- 
gen. Es  werden  stamm-,  und,  wie  sich  dies  in  den  sla- 
wischen sprachen  secundär  entwickelte,  genusdeclinationen 
sein.  Es  versteht  sich  aber,  dafs  es  zwischen  solchen  grup- 
pen keine  entschiedene  trennung  gibt;  vielmehr  sind  zahl- 
reiche Übergänge  und  berührungspuncte  vorhanden. 

Nach  dem  vorbilde  der  jetzigen  Sprachforscher  ordne 
ich  in  der  zweiten  abtheilung  meiner  abhandlung  (von  den 
endungen)  nach  den  einzelnen  casus  an  und  nicht  nach 
den  sogenannten  declinationen;  ich  füge  hinzu,  dafs  der 
entwickelungsgang  der  einzelnen  casus  nach  den  denkmä- 
lern  der  polnischen  spräche  dargestellt  und  meine  schreib-» 
weise  vollkommen  phonetisch  ist* 

Es  fragt  sich  jetzt,  wie  soll  ich  meinen  Stoff  im  gan- 
zen ordnen.  Die  einfache  antwort  ist:  nach  der  art  und 
weise  der  analogien.  Sehr  wohl,  aber  man  mufs  bedenken 

2# 


80  Baodouin  de  Courtenay 

dafs  in  allen  fallen  (z.  b.  besonders  in  den  endungen),  bei 
allen  casus  die  verschiedensten  momente,  die  verschieden- 
sten factoren,  die  verschiedensten  arten  der  analogie  in  be- 
tracht  kommen.  Die  analogie  kann  bei  einem  und  dem- 
selben casus  mit  der  zeit  wirken  nach  dem  stammauslaute 
(phonetisches  element,  analogie  der  laute),  nach  dem  ca- 
susidentitätsgefühle,  nach  dem  genusidentitätsgefühle,  nach 
dem  blofsen  wortidentitätsgefühle,  nach  dem  identitätsge- 
fuhle  verschiedener  anderer  kategorien  (z.  b.  numeraler  en- 
dungen), in  folge  des  vergessens  der  ursprünglichen  function 
und  des  Zusammenhanges  einer  gewissen  endung  mit  einer 
gewissen  kategorie  der  Wörter.  Es  kann  auch  ein  über- 
springen in  ein  anderes  casusgefühl  stattfinden,  so  dafs  die 
endung  entweder  in  andere  casus  oder  in  anderen  numerus 
eindringen  kann.  Wir  sehen  also,  wie  complicirt  die  sache 
ist,  und  dafs  es  unmöglich  ist,  nach  einem  einzigen  prin- 
cipe das  material  einzutheilen.  Ich  theile  also  ganz  äufser- 
lich  in: 

1)  die  Wirkung  der  analogie  im  inlaute, 

2)  die  wirkung  der  analogie  in  den  endungen, 

3)  überspringen  in  ein  anderes  casusgefühl. 

Dies  ist  keine  logische  eintheilung;  aber  was  thun?  wie 
kann  man  hier  streng  logisch  ordnen?  Es  ist  rein  unmög- 
lich logisch  zu  ordnen,  ohne  das  objeot  selbst  ganz  unna- 
türlich zu  zerreifsen. 


I.    Im  inlaute. 
A.    Vocale. 

1)  Übergewicht  der  analogie  der  anderen  casus 

über  das  lautgesetz. 

In  der  polnischen  spräche  gilt  das  lautgesetz,  dafs  die 
vocale  a,  o  zwischen  zwei  sogenannten  erweichten  (pala- 
talen)  consonanten  in  den  ihnen  entsprechenden,  mehr  pa- 
latalen  vocal  e  übergehen.  Wenn  also  dem  stammhaften 
a  oder  o  ein  erweichter  consonant  vorangeht,    und  wenn 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         21 

an  den  stammauslaut  eine  endung  tritt,  die  als  präjotirte 
den  harten  consonanten  des  Stammauslautes  erweicht,  dann 
geht  das  stammhafte  a  oder  o  in  e  über  (assimilation). 
Solche  endungen  in  der  declination  der  polnischen  sab- 
stantiva  sind:  voc.  sing.  masc.  -je,  loc.  sing.  masc.  neutr. 
-je;  loc.  und  dat.  sing.  fem.  -je,  nom.  acc.  dual  fem. (neutr.) 
-je,  nom.  pl.  masc.  -ji,  loc.  pl.  masc.  neutr. -je eh.  Also 
bildete  z.  b.  die  altpolnische  spräche: 

1)  von  den  männlichen  stammen:  cas  (zeit),  s$£ad- 
(nachbar),  sf'at-  (weit),  las-  (wald)  u.  s.  f.;  p'otr- (Peter), 
ariol-  (engel),  mod-  (honig),  lod-  (eis)  u.  8.  f..  die  voc. 
und  loc.  sing,  cese,  s^sedze,  sf  ece  (geschrieben  $wie- 
cie)  lese;  p'etfe,  anele,  m'edze,  ledze; 

2)  von  den  neutr.  st.:  San-  (heu),  w'an-  (brautschatz), 
zw'er<5adl-  (spiegel),  lat-  (sommer,  jähr)  u.  s.  f.;#öoi- 
( stirn),  jezor-  (see),  sol-  (dorf),  sodl-  (sattel)  u.  s.  w. 
die  loc:  sene,  w'ene,  iw'erdedle,  leöe,  cele,  jetefe, 
sele,  Sedle; 

3)  von  den  fem.  stammen:  b'esad-  (schmaus),  £<5an- 
(wand),  gw'azd-  (stern),  kolas-  (kalesche),  waräaw- 
(Warschau)  u.  s.  f.;  zon-  (ehefrau),  sostr-  ( Schwester), 
m'otl-  (besen)  u.  s.  w.  die  loc.  und  dat.  sing.  b'e£ed£e, 
sdene,  gw'ezdze,  kolese,  waräew'e;  zene,  sestre, 
m'etle  (das  dazwischenstehende  t  und  st  hebt  den  assi- 
milirenden  einflufs  des  fe  und  le  nicht  auf); 

4)  der  nom.  acc.  dual  von  den  fem.  stäm/nen  wurde 
auf  dieselbe  weise  gebildet; 

5)  vom  st.  sa.&ad-  nom.pl.  sa^edzi; 

6)  vom  st.  lat-  loc.  pl.  lelech. 

Schon  früh  aber  ward  von  einflufs  die  analogie  der 
anderen  casus,  hauptsächlich  die  des  nominativs,  den  das 
Sprachgefühl  jedenfalls  als  richtschnur  für  die  anderen  ca- 
sus betrachtet.  Demgemäfs  wurde  das  lautgesetz  vernach- 
lässigt, und  der  stammhafte  vocal  kehrte  in  den  genannten 
fällen  an  seine  stelle  zurück,  zu  grofser  freude  gewisser 
grammatiker,  denen  es  beliebt,  moralische  begriffe  in  die 
Wissenschaft  zu  übertragen,  und  die  spräche  der  lautgesetze 


22  Bandouin  de  Conrtenay 

wegen  sogenannter  „trägheit"  zu  zeihen.  5)  nnd  6)  blie- 
ben von  dieser  analogie  unberührt;  5)  kommt  bis  zur  stunde 
ohne  nebenform  vor  und  6)  mit  der  häufigeren  nebenform 
latach  (cf.  unten  über  den  loc.  pL). 

Was  die  anderen  fälle  betrifft,  so  finden  wir  schon  im 
15.  jahrh.  z.  b.  neben  gw'ezdze  auch  gw'aidze  (wie  als 
dual,  so  auch  als  loc.  und  dat.  sing.).  Nichtsdestoweniger 
sind  manche  von  den  in  1),  2),  3)  angeführten  formen  bis 
jetzt  erhalten,  und  zwar  ohne  nebenform;  so  z.  b.  £f  ede 
(und  nicht  £  fade),  s^äedze,  le£e,  anele,lede.  Manche 
haben  entschieden  das  stammhafte  a  oder  o:  £a£e,  lodze, 
m'odze,  w'ane,  £odle,  £<5ane,  kola£e,  waräaw'e, 
Jone,  Andere  schwanken,  und  zwar  ist  entweder  die  um- 
gelautete  form  häufiger,  als  die  der  analogie  folgende :  z  wer- 
<5edl$  neben  zw'erdadle,  gwezdze  neben  gw'azdze; 
oder,  was  gewöhnlicher,  umgekehrt:  p'otre  neben  p'etfe, 
jezore  neben  jezere,  sole  neben  sele,  $ostfe  neben 
Sestfe,  m'otle  neben  m'etle;  dzale  (masc.  im  theile) 
neben  dzele,  rozdzale  (masc.  im  kapitel)  neben  roz- 
dzele.  Diese  doppelten  formen  werden  auch  zur  diffe- 
renzierung  der  begriffe  benutzt;  so  z.  b.  na  cole  heifst: 
auf  der  stirn,  und  na  cele  im  metaphorischen  sinne:  an 
der  spitze,  z.  b.  einer  partei,  einer  armee  u.  ä.,  ähnlich, 
wie  vom  stamme  f$d-  der  gen.  r^du  bedeutet:  der  reihe, 
und  das  nach  der  analogie  des  nominativs  gebildete  r^du: 
der  regierung. 

Der  dual  kommt  in  der  jetzigen  spräche  nicht  mehr 
in  rechnung,  da  er  bis  auf  wenige  spuren  verschwun- 
den ist. 


2)  Uebergewicht    des    bedeutungs-  oder   func- 
tionsgefühls   über  die  lautgesetze  im  bereiche 

desselben  casus. 

Hieher  gehören  die  endungen.:  dat.  sing.  masc.  -ow'i, 
nom.  plur.  masc.  -ow'e,  die  im  altpolnischen,  ganz  ähnlich 
Wie  im  altbulgarischen,  nach  palatalem  (weichem  oder  er- 


einige  flüle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         23 

weichtem)  stamm  auslaute,    in  -ew'i,   -ew'e   überzugehen 
pflegten.     So  kommen  nach  harten  consonanten  vor:  dat. 
sing,  clow'ekow'i  (dem  menschen),   gradow'i  (dem  ha- 
gel),  prorokow'i  (dem  propheten),  sa^adow'i  (demnach- 
bar);   nom.  pl.:  biskupow'e  (bischöfe),  glosow'e  (stim- 
men), grobowe  (gräber),  chlebow'e  (brote),  chodowe 
(gänge),  panow'e  (herren),  sa^dow'e  (gerichte),  synow'e 
(söhne),   £ladow'e  (spuren)  u.  s.  f.     Nach  palatalem  (wei- 
chem oder  erweichtem)  stammauslaute  aber:  dat.  sing,  gfe- 
gofew'i  (dem  Gregor),    cesafew'i  (dem  kaiser),    kup- 
cew'i  (dem  kaufmanne),    krölew'i  (dem  konige),    km'e- 
<5ew'i  (dem  bauern),  andrejew'i  (dem  Andreas),  made- 
jew'i  (dem Matthias),  mojzeäewi  (dem Moses),  ma,zew'i 
(dem  manne),  odcew'i  (dem  vater),  ognew'i  (dem  feuer), 
pisarew'i  (dem  Schreiber),   s^pfew'i  (dem  Widersacher), 
älachdicew'i  (dem  edelmanne)  u.  8.  w.;  nom.pl.  krölew'e 
(könige),  m^ew'e  (männer),  mistf  ew'e  (meister),  w$zew'e 
(schlangen)  u.  8.  f. 

Nun  verlor  dies  lautgesetz  allmählich  seine  kraft,  und 
die  endungen  mit  o,  -owi,  -ow'e  begannen  als  nur  in 
dieser  form  dem  dat.  sing,  und  nom.  pl.  zukommende  en- 
dungen gefühlt  zu  werden.     Dies    ist   bedingt  durch  die 
gröfsere  häufigkeit    der  hartauslautenden  stamme.     Schon 
in  den  ältesten  denkmälern  der  polnischen  spräche  finden 
wir,  neben  den  oben  aufgezählten  formen  auf  -ew  i,  -ew'e, 
von  denselben  Substantiven  solche  auf  -owi,  -ow'e.     So 
z.  b.  pisafowi  neben  pisarew'i,  krolow'i,  ognow'i, 
km'edow'i,    maöejowi,    mikolajowi  (dem  Nikolaus), 
cudzozemcow'i  (dem  fremdlinge),   ku  bojow'i  (zu  dem 
kämpfe),    neutr.  jimenowi  neben  jim'enu  (dem  namen) 
u.  s.  w.;  krölow'e,  me,zowe,  w^zow'e,  krajowe  (län- 
der),    bicow'e  (peitschen),   oöcow'e  (väter),   stryjow'e 
(oheime),    nepfyjadelow'e  (feinde)   u.  s.  w.     Unter  den 
denkmälern   des  14.  und    15.  jahrh.   finden  wir  in  einem, 
und  zwar  einem   solchen  aus  dem  14.  jahrh.,  fast  allein 
-owi,  -ow'e,  in  einem  andern  späteren  dagegen  -ew'i, 
-ewe.    Hierin  erkenne  ich  dialektische  Verschiedenheit. 


24  Baudouin  de  Conrttnay 

Schon  im  16.  jahrh.  sind  die  endungeri  -ew'i  und 
•ew'e  völlig  ausgestorben,  und  heute  herrschen  ausschliefst 
lieh  -»ow'i  neben  -u,  und  -ow'e  neben  -ji;  nur  mit  der 
beschränkung,  dafs  den  nom.  plur.  der  unpersönliche  wesen 
bezeichnenden  substantiva  der  aco.  plur.  vertritt. 

B.    Consonanten. 

1)  Das  wort  nom.  o<5ec  (vater)  hiefs  im  gen.  odea,  im 
dat.  oleu  oder  odeov/i  oder  oleewi  u.  s.  f.,  welche  for- 
men naoh  poln.  lautgesetze  in  ojea,  ojeu  u. s.  w.  übergin- 
gen, ähnlich  wie  rajca  neben  racea(rath),  zdrajca  aus 
zdradea  (verräther),  und  wie  stajna  aus  stanna  (stall), 
was  ich  für  eine  dem  polnischen  eigenthümliche  ersatzdeh- 
nung  halte.  Nun  ist  aus  dem  Sprachgefühle  das  bewufst- 
sein  des  Ursprungs  der  formen  ojea,  ojeu  u.  s.  w.  ge- 
schwunden, und  es  schien,  als  ob  j  der  wurzel  gehörte 
und  darum  ist  nach  der  analogie  der  obliquen  casus  auch 
der  nom.  ojdec  gebildet.  Damit  vergl.  die  nom.  ogröjec 
(ölberg),  gröjeo  (stadt  Gröjec),  entstanden  aus  ogro- 
diec,  Grodiec,  durch  den  einflufs  der  obliquen  casus: 
gen.  ogröjca,  gröjca  f.  ogrööca,  grölea,  dat.  ogröj- 
cow'i  (resp.  ogröjcew'i),  grojcow'i  (resp.  gröjcew'i) 
f.  ogrödcowi,  grööcowi  u.  s.  f. 

2)  Das  bestimmte  pronomen  fäytek,  fsytka,  fsytko 
(aller,  alle,  alles),  bildet  den  nom.  plur.  folgendermafsen: 
fSytk-ji  =  fäytcy  =  fsyscy  (da  t  vor  c  =  ts  in  s 
übergehen  mufs).  Dies  s  wird  jetzt  von  dem  Sprachge- 
fühle als  zum  stamme  gehörig  angesehen  und  erstreckt  sich 
auch  auf  die  andern  casus,  so  dafs  die  formen  fäystek, 
fäystka,  fäystko  u.  s.  f.  die  älteren  fäytek,  fsytka, 
fsytko  u.  8.  f.  gänzlich  verdrängten. 

♦ 

II.    In  den  endungen. 

1.     Nom«  sing.  fem. 

Dieser  casus  hat  bei  den  meisten  Substantiven  (deren 
decünation    nämlich    der    sogenannten    a-declination    ent- 


einige  falle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         25 

spricht),  die  endung  a,  die  zugleich  als  genuscharakter 
gilt;  z.  b.  wo  da  (wasser),  g6ra  (berg),  feka(flufs),  g$ba 
(mund)  u.  8.  £  Dies  -a  ist  in  manchen  fällen  aus  -ija 
oder  -aja,  -oja  entstanden;  so  z.  b.  gt^b'a  (tiefe)  aus 
gl$b'ija,  lutna  aus  lutnija  (laute),  skladnä  (nach  ana- 
logie der  contrahirten  gebildet)  aus  skladnija  (syntax), 
laz'na  (bad)  aus  laz'nija,  studnä  (brunnen)  aus  stud- 
nija,  karm'a  (futter)  aus  karm'ija,  collect,  bra  14  (ge- 
brüder)  aus  brat'ija  =  bradija,  masc.  s^dz'ä  (richter) 
aus  8  §  dz' ija,  collect,  kä^za  (die  priester)  aus  k£$zija*) 
u.  s.  f.,  und  ferner  alle  zusammengesetzten  adjectiva,  bei 
denen  -a  aus  -aja,  z.  b.  tnlodä  (junge)  aus  mlodaja, 
und  manche  pronomina,  bei  denen  -a  aus  -oja  (ma  aus 
moja,  tfa  aus  tfoja,  sfä  aus  sfoja)  entstund.  Es  galt 
aber  im  altpolnischen  und  gilt  noch  in  der  jetzigen  polnischen 
Volkssprache  das  lautgesetz,  dafs  ein  contrahirtes  a  anders 
lautet  und  andere  phonetische  bedeutung  und  Wirkung  hat) 
als  das  ursprüngliche  a.  Ein  solches  contrahirtes  a  näm- 
lich näherte  sich  bedeutend  und  nähert  sich  noch  jetzt 
beim  volke  dem  o- laute;  es  entspricht  dem  langen  a  des 
böhmischen  und  dem  o  (aus  a  entstandenen)  des  kasubi- 
schen;  es  wird  getrübtes  a  (a  pochylone,  geneigtes  a)  ge- 
nannt und  als  ä  bezeichnet**).  Alle  diese  erwähnten  nom. 
sing.  fem.  endeten  also  nicht  auf  a,  sondern  auf  k.  Da 
aber  alle  diese  contrahirten  nominative  bei  den  Substanti- 
ven palatalen  stammauslaut  hatten,  so  betrachtete  map, 
nachdem  der  unterschied  der  contrahirten  und  uncontra-r 


*)  Daraus  könnte  man  folgern,  dafs  dereinst  der  accent  im  polnischen 
bei  diesen  Substantiven  auf  die  drittletzte  fiel.  Vgl.  aber  heutiges  pro w in« 
cyja  (volksmäfsig)  =  prowfncyja  (in  der  schritt-  und  gebildeten  spräche) 
(provinz).  —  Vielleicht  entstund:  1)  pani  (trau)  u.  s.  w.  aus  panfja, 
2)  braöA  u.  s.  f.  aus  br&lija). 

**)  Solches  £  kam  und  kommt  respective  noch  vor  z.  b.  a)  im  gen.  8g. 
neutr.  kazanä  (der  predigt)  aus  kazanija  u.  ä.;  b)  in  der  3.,  2.  u.  1.  sg. 
gra*  (er  spielt)  aus  graje,  gr&s  (du  spielst)  aus  grajes,  gräm  (ich  spiele) 
aus  graje.  (grajem)  u.  s.  w.;  c)  in  auslautenden  silben  vor  liquiden,  na- 
salen und  (aber  nur  etymologisch)  tönenden  momentanen  consonanten:  r&z 
(mal,  ausgesprochen  r&s),  w&l  (wall),  s£m  (selbst)  u.  s.  w.,  doch  nicht 
ausnahmslos. 


26  Baudouin  de  Courtenay 

hirten  substantiva  aus  dem  Sprachgefühle  geschwunden,  das 
ä  im  nom.  sing.  fem.  als  die  eigenthümlicbkeit  der  palatal- 
auslautenden stamme;  und  auf  diese  weise  entstanden: 
wola  (wille),  rola  (acker),  dolä  (Schicksal),  nedolä 
(mifsgeschick);  ferner:  pracä  (arbeit),  n$dza  (elend), 
roz&  (rose),  mäa  (messe)  u.  s.  f.,  so  aber,  dafs  neben  die- 
sen formen  mit  -ä  die  anderen  mit  -a  existirten.  Zu  die- 
sen palatalauslautenden  stammen  mufs  man  auch  die  fremd- 
wörter  auf  -ija  (und  -yja)  rechnen,  z.  b.  Uli  ja  (lilie), 
prowincyja  (provinz),  maryja  (Marie)  u.  s.  w.  Diese 
substantiva  unterliegen  im  jetzigen  entwickelungsstadium 
der  polnischen  spräche  der  allmählichen  oontraction;  gu- 
berna  (gouvernement)  z.  b.  kommt  häufiger  vor  als  gu- 
bernija  (=  gubernja  =  guberna,  welche  entwicke- 
lung  man  an  den  neben  einander  noch  jetzt  lebenden  for- 
men beobachten  kann).  Da  aber  das  a  schon  im  vorigen 
Jahrhunderte  aus  der  polnischen  Schriftsprache  geschwun- 
den ist,  so  existirt  jetzt  kein  unterschied  der  endung  we- 
der zwischen  den  contrahirten  (verkürzten)  und  uncontra- 
hirten  nominativen,  noch  zwischen  den  hart  und  den  pa- 
latal  auslautenden  stammen.  In  der  Volkssprache  lebt 
aber  noch  jetzt  das  a. 

Alles  dies  bezieht  sich  nur  auf  diejenigen  nomina,  de- 
ren declination  der  sogenannten  a-declination  entspricht. 
Es  gibt  aber  in  der  polnischen  spräche  substantiva  fem. 
gen.,  die  der  i-declination- entsprechen,  und  die  sowohl  im 
nom.  als  auch  im  acc.  sing,  auf  einen  palatalen  consonan- 
ten  auslauten:  moc  (macht),  p'esn  (lied)  neben  p'e£na, 
pam'^d  (gedächtnifs),  ma<5  (mutter),  na<5  (kräutig,  blät- 
terwerk), celad  (celadz,  gesinde),  latoroäl  (spröfsling), 
karm'  (futter,  nahrung)  neben  karm'a,  gl^p'  (gl^b',  tiefe) 
neben  gt^b'a  u.  8.  f.  und  im  16.  jahrh.  noch  lani  (hirsch- 
kuh),  welches  jetzt  entschieden  lana  heifst. 

2.     Accus,  sing,  fem. 

Der  accus,  sing.  fem.  bei  den  nomina,  die  auf  a  im 
nom.  auslauten,  besteht  aus  denselben  theilen,  wie  der  nom., 


einige  fälle  der  "Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.        27 

+  nasalem  consonant.  Es  spaltet  sich  also  diese  form 
in  -a-f-m  und  -a-f-m.  Dem  altpolnischen  lautgesetze 
gemäfs  pflegte  -a-f-m  im  auslaute  in  -$,  -a-f-m  aber 
in  -3  (nasalirtes  o)  überzugehen,  und  hierin  liegt  die  ganze 
geschichte  des  Unterschiedes  zwischen  -q  und  -3  im  acc. 
sing.  fem.  -5  kommt  also  allen  Substantiven,  adjectiven, 
pronomina  und  Zahlwörtern  mit  -a  im  nom.  zu,  -3  aber 
solchen  mit  -a  im  nom.  Demgemäfs  nahm  die  entwicke- 
lung  dieses  casus  denselben  gang,  wie  die  des  nominativs, 
so  lange  der  unterschied  des  -a  und  -a  bestand. v  Alle 
contrahirten  substantiva  hatten  -3  im  acc.  *).  Dann  reihten 
sich  ihnen  die  ihrer  analogie  folgenden  palatalauslautenden 
stamme  an,  doch  neben  anderen  formen  mit  -$.  Aehnlich 
bei  den  adjectiven  und  pronomina. 

Als  nun  der  unterschied  zwischen  a  und  a  im  18.  jahrh. 
schwand,  begannen  zwei  elemente  zu  streiten:  die  sprach- 
liche tradition  und  die  neu  sich  entwickelnden  analogien 
(schon  im  anfange  des  18.  jahrh.).  Es  giebt  viel  mehr 
substantiva  fem.,  die  uncontrahirt  sind  und  harten  stamm- 
auslaut  haben,  als  solche,  die  contrahirt  sind  und  weichen 
Stammauslaut  haben.  In  diesem  bereiche  also  waren  die 
Q-accusative  viel  mächtiger,  als  die  3-accusative,  und  was 
kann  natürlicher  sein,  als  dafs,  nachdem  das  gefühl  von 
der  contraction,  dann  auch  das  gefühl  des  palatalen  stamm- 
auslautes,  und  endlich  das  des  Unterschiedes  von  a  und  ä 
längst  geschwunden  waren,  das  häufiger  vorkommende  q 
sich  auf  alle  substantiva  fem.  mit  nom.  auf  a  ausdehnte? 
Die  innere  bedeutung,  die  einheit  der  grammatischen  ka- 
tegorie  ist  hier  als  latenter  urheber  hervorgetreten.  Dies 
geschah  aber  allmählich  und  stufenweise  (wie  es  ja  auch 
nicht  anders  sein  kann),  und  noch  jetzt  kann  man  acc.  auf 
-3  von  solchen  Substantiven  hören,  die  ihn  früher  so  hat- 
ten. Dieser  procefs  bahnt  sich  einen  umgekehrten  weg, 
als  der  andere,  der  der  analogie  des  weichen  stammaus- 


*)  Manche  contrahirte  substantiva  werden  im  nom.  in  i  contrahirt,  z.  b. 
gospodyni'(wirthin),  pani  (trän),  käeni  (äbtissin).  Im  acc.  hatten  sie 
und  haben  sie*  meistenteils  noch  9,  wie  die  anderen  contrahirten. 


28  Bandouin  de  Conrtenay 

lautes.  Er  ergriff  zuerst  die  substantiva,  'welche  am  spft- 
testen  -q  annahmen,  wo  also  die  vererbung  der  formen  die 
die  kürzeste  daner  hatte,  nämlich  solche,  wie  prac^  (die 
arbeit),  n$dz$  (das  elend),  mä$  (die  messe),  rö£$  (die 
rose),  puäc$  (die  wüste)  u.  8.  f.,  and  kaum  braucht  noch 
jemand  pracq,  n^dz^,  mä^,  r62a.,  puäc^u.  s.  w.  Dann 
folgten  dieser  neuen  analogie  solche  substantiva  wie  rol$ 
(den  acker),  dol$,  nedol$,  wyobrain$  (die  einbildungs- 
kraft)  n.  s.  f.;  sodann:  studn$,  la£n$,  wol$  u.  8.  f.;  und 
endlich:  prow'incyjs,  familij?  (die  familie),  lilijs* 
Maryj^  u.  8.  f.,  ferner:  gospodyn$,  pan$  u.  ä. ,  welche 
letzteren  seltener  vorkommen,  als  die  ihnen  entsprechenden 
formen  mit  3:  prow'incyjq,  familija.,  lilija.;  gospo- 
dyna.,  pana,  u.  s.  f.  Gleichberechtigt  aber  im  Sprachge- 
fühle sind  8tudn$  neben  studna.,  wol$  neben  wola. 
u.  s.  f. 

Eine  ganz  entgegengesetzte  richtung  bemerken  wir  bei 
den  adjectiven,  pronomina  und  Zahlwörtern.  Bei  den  adjecti- 
ven  ist  die  substantivische  declination  bis  auf  wenige  spu- 
ren schon  längst  geschwunden.  Sie  erhielt  sich  in  den 
adverbialischen  redensarten,  wie  z.  b.  od  dawna  (seit 
längst),  z  da  wen  dawna  (seit  lange  her),  za  £ywa(beim 
leben)  u.  s.  wv  in  den  meisten  adverbien,  und  noch  lange 
im  nomin.  mancher  adjectiva  und  participia,  wie  z.  b.  zyw, 
-a,  -o  (lebendig),  Mogoslaw'on,  -a,  -o  (gesegnet),  na- 
leion,  -a,  -o  (gefunden),  dan,  -a,  -o  (gegeben),  d^gnon, 
-a,  -o  (gezogen),  tart,  -a,  -o  (gerieben),  widzal,  -a,  -o 
(gesehend  habend)  u.  s.  f.  acc.  sg.  fem.  ±yw$  u.  s.  f.;  deren 
einige  noch  bis  zur  stunde  fortleben.  Solche  adjectiva 
sammt  den  pronomina  bildeten  ehemals  ohne  ausnähme 
den  acc.  sing.  fem.  auf  -5,  da  hier  kein  contrahirtes  a  zu 
gründe  liegt.  Da  es  aber  viel  mehr  adjectiva  gibt,  die  in 
allen  ihren  casus,  den  nominativ  mitgerechnet,  der  soge- 
genannten zusammengesetzten  declination  folgen,  so  fing 
man,  nachdem  der  unterschied  des  a  und  ä  aus  der  sprä- 
che, und  folglich  auch  aus  dem  Sprachgefühle  geschwun- 
den war,  an,  auch  den  acc.  sing.  fem.  nach  dem  vorbilde 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         29 

der  anderen  obliquen  casus  bei  allen  adjectiven  der  zusam- 
mengesetzten declination  folgen  zu  lassen.  Es  entwickelte 
sich  so  eine  ganz  eigentümliche  durchgreifende  adjectivi- 
sche  declination  mit  -3  im  acc.  sing.  fem.  Da  nun  auch 
alle  pronomina  und  das  zahl  wort  jeden,  jedna,  jedno 
(ein,  eine,  ein)  in  den  anderen  obliquen  casus  ihre  eigent- 
liche pronominale  declination  mit  wenigen  ausnahmen  schon 
längst  aufgegeben  hatten  und  nur  der  acc.  sammt  dem 
nom.  dieser  pronominalen  declination  treu  blieb,  so  begann, 
nach  dem  schwinden  des  Unterschiedes  zwischen  a  und  a, 
auch  die  analogie  der  zusammengesetzten  declination  auf 
den  acc.  einzuwirken,  und  so  entstanden  neben  sfoj  $  (seine), 
mojs  (meine),  fäystk^  (alle),  sam§  (selbst),  ow$  (jene), 
tamtQ  (die  dort),  jedn$  (eine)  u.  s.  f.,  sfoj 3,  moj^, 
fäystkq,  sam^,  owq,  tamtq,  jedn$,  die  schritt  für 
schritt  das  bürgerrecht  für  sich  gewinnen  und  die  anderen 
formen  gänzlich  zu  verdrängen  drohen.  Selbst  t$,  neben 
dem  am  längsten  erhaltenen  t$,  fängt  jetzt  an  aufzutauchen, 
aber  nur  bei  sehr  wenigen  individuen.  Das  schwanken  in 
dieser  hinsieht  ist  so  grois,  dafs  man  bei  einem  und  dem- 
selben schriftsteiler,  in  einem  und  demselben  buche,  auf 
einer  und  derselben  sehe  z^dzej  neben  z^dz^,  lilij$  ne- 
ben HliJ3,  röz$  neben  röz^,  jedn^  neben  jedn§,  W0I3 
neben  wol§,  swoj$  neben  swoj§,  selbst  swoj$  neben  # 
8w$  (1750)  u.  s.  w.  findet 

Wir  sehen  daraus,  auf  wie  schwacher  grundlage  die 
grammatiker  fufsen,  die  auf  den  längst  verschwundenen 
unterschied  von  a  und  a  orthographische  regeln  in  betreff 
des  gebrauchs  des  §  und  3  im  accus,  sing.  fem.  gründen 
wollen.  Auf  etwas  schon  längst  aus  dem  sprachbewust- 
sein  geschwundenes  kann  man  sich  nicht  berufen.  Es 
entwickeln  sich  jetzt  ganz  neue  analogien,  die  ein  eben  so 
greises  recht  haben,  als  die  früher  wirkenden  und  die  als 
unüberwundene  thatsache  die  vollkommene  aussieht  haben, 
sich  zu  erhalten  und  allen  Spitzfindigkeiten  der  grammati<* 
ker  zu  spotten.  Schon  jetzt  beginnt  wieder  eine  neue 
analogie  sich  zu  entwickeln,  der  zufolge  im  Sprachgefühle 


30  Bandouin  de  Conrtenay 

$  als  die  einzige,  sowohl  den  Substantiven,  als  auch  den 
adjectiven  zukommende  fem.  accusativendung  empfunden 
wird,  und  3  bleibt  nur  im  instrum.  (Warschauer -dialect: 
accus.  Saske  Kempe  die  Sachseninsel,  panne  Mo£- 
dienske  das  fräulein  Mozdzenska,  Julje  GocalkofsKe 
die  Julie  Goäalkofska;  im  acc.  sing.  fem.  der  adjectiva  $ 
bei  den  dichtem  des  reimes  wegen  u.  8.  w.).  Da  nun  die 
nasalen  vocale  (und  besonders  $)  im  auslaute  schon  jetzt 
sehr  oft  wie  die  ihnen  entsprechenden  reinen  vocale  ausge- 
sprochen werden,  so  wird  sich  künftig  -e  als  accusativ-,  -o 
aber  als  instrumentalendung  der  nomina  fem.  feststellen. 

Alles  dies  bezieht  sich  nur  auf  die  polnische  Schrift- 
sprache, die  zugleich  Umgangssprache  der  sogenannten  ge- 
bildeten Polen  ist. 

Wir  sehen  also,  dafs  die  neueste  analogie  im  bereiche 
des  acc.  sing.  fem.  -q  zur  substantivischen,  -3  aber  zur  ad- 
jectivischen  endung  gemacht  hat.  Dafs  sich  dieser  unter- 
schied in  der  polnischen  spräche  entwickelte,  ist  folge  eines 
rein  phonetischen  prozesses;  dieser  secundäre  unterschied 
existirt  weder  im  altbulgarischen,  noch  in  anderen  slavi- 
schen  sprachen  (wenigstens  nicht  in  dieser  weise). 


3.     Gen.  sing.  fem. 

Der  eigentliche  gen.  sing.  fem.  bei  den  polnischen  sub- 
stantiva  ist  dreifachen  Ursprungs.  Man  unterscheidet  näm- 
lich in  dieser  hinsieht:  1)  die  substantiva,  deren  declination 
der  der  sogenannten  a-  stamme  entspricht,  die  also  im  nom. 
sing,  auf  -a  mit  vorhergehendem  harten  consonant  auslau- 
ten; diesen  kommt  ursprünglich  im  gen.  sing,  der  vocal  -y 
zu;  2)  ferner  substantiva,  der  ja- declination  entsprechend, 
die  im  nom.  sing,  a  mit  vorhergehendem  palatalem  conso- 
nant zur  casusendung  haben;  diese  hatten  ursprünglich, 
wie  auch  im  altbulgarischen,  im  gen.  sing.  -$,  was  jedoch 
sehr  früh  zu  -e  herabgesunken  ist;  3)  die  substantiva,  der 
i-  declination  sammt  der  consonantischen  entsprechend,  die 
im  nomin.  singul.  auf  weiche  (palatale)  consonanten  aus- 


einige  falle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         31 

lauten  und,  was  den  auslaut  des  nom.  betrifft,  sich  nicht 
von  dem  im  polnischen  Sprachgefühle  empfundenen  stamme 
unterscheiden;  diesen  kommt  im  gen.  sing,  -i  als  casusen- 
düng  zu.  So  finden  wir  in  den  ältesten,  aus  dem  14.  und 
15.  jahrh.  herrührenden  denkmälern:  1)  smolwy  (der  Ver- 
abredung, heute  zmowy),  dzefki  (f.  dzefky,  etymol. 
geschrieben  dziewki,  der  Jungfer),  gtowy  (des  kopfes), 
krowy  (der  kuh),  new'asty  (des  weibes),  kary  (der 
strafe),  krölewny  (der  königin),  matuchny  (des  mütter- 
chens)  u.  s.  w.;  2)  nur  zweimal  duä$*)  und  sonst  duäe 
(der  seele),  zem'e  (der  erde),  praw'ice  (der  rechten), 
dzew'ice  (der  Jungfer),  teänice  (der  Sehnsucht),  jutfne 
(des  morgengebetes)  nadzeje  (der  hoffnung),  jidumeje 
(Idumäa's)  u.  s.  w.;  3)  krfi  (krwi,  des  blutes),  oplfi- 
toSdi  (des  Überflusses),  öeladzi  (des  gesindes)  u.  8.  f. 
Es  bestund  aber  in  den  ältesten  denkmälern  selbst  keine 
stete  unverletzte  regel,  und  wahrscheinlich  gab  es  auch  der 
ausnahmen  eine  eben  so  grofse  zahl.  Dies  war  die  Wirkung 
folgender  prozesse:  1)  Es  ging  vor  sich  eine  Vermischung 
der  genitive  auf  -e  (-$)  (der  ja- stamme)  mit  den  geniti- 
ven  auf  -i  (i- stamme).  So  z.  b.  begegnen  uns  einerseits 
neben  krfi,  celadzi,  op!fito£<5i  u.  s.  w.  auch  krf  e, 
malere  nom.  sing,  mader  (mutter),  cerekf  e  nom.  sing. 
cerKef  (kirche),  6<5e  nom.  sing.  ce&<5  (ehre)  u.  8.  f.;  an- 
derseits studnicy  nom.  sing,  stud nie a  (brunnen),  babi- 
loniji  (Babyloniens)  u.  s.  f.,  welche  letzteren  genitive 
auch  durch  anlehnung  an  die  y-  genitive  entstanden  sein 
können,  so  dafs  also  eine  wirkung  der  y-  genitive  auf  e-  ge- 
nitive,   und    der    e- genitive    auf   i- genitive    anzunehmen 


*)  1)  ostrzeiy  dusze.  twoje'j,  2)  rozumie'j  dusze,  moje'j.  Diese 
stellen  aber  ans  dem  sogenannten  psalter  Margaretha's  scheinen  mir  zweifel- 
haft zu  sein,  wie  auch  in  einem  buche  aus  dem  anfang  des  16.  jahrh.  vor- 
kommendes ze  wszytkie'j  dusze.  neben  ze  wszytkie'j  dusze,  was  ein 
einfacher  druckfehler  sein  kann.  Möglicherweise  kann  es  auch  wirkliche  form 
sein,  da  es  in  einem  gebete  gebraucht  ißt,  und,  wie  bekannt,  in  gebeten, 
wie  auch  in  andern  stehenden  redensarten  und  volkstümlichen  Wendungen, 
alterthttmliche  formen  sich  am  längsten  erhalten.  Miklosich,  der  mehrere 
beispiele  der  poln.  gen.  sing.  fem.  auf  -e,  anfuhrt,  liefs  sich  durch  falsche  und 
unbrauchbare  abdrücke  der  alten  Schriftsteller  verführen. 


32.  Baudouin  de  Courtenay 

wäre.  Damit  aber  endet  die  Verwirrung  noch  nicht.  Wir 
haben  gesehen,  dafs  es  in  der  altpolnischen  spräche,  wie 
auch  in  der  jetzigen  Volkssprache  der  meisten  gegenden 
Polens  ein  getrübtes  (geneigtes)  a  gibt,  und  dafs  die  con- 
trahirten  substantiva  fem.  (contrahirte  j  a*  stamme)  im  nom. 
sing«  auf  dies  ä  auslauteten.  Ganz  genau  so  aber  endigten 
auch  im  nom.  sing.  fem.  die  der  zusammengesetzten  decli- 
nation  folgenden  adjectiva.  Diese  ähnlichkeit  bewirkte 
dieselben  endungen  im  nom.  und  acc.  sing,  (-a  und  -3), 
und  dies  konnte,  ohne  alle  anlehnung  an  die  zusammenge- 
setzten adjectiva,  nur  in  folge  rein  phonetischer  prozesse 
geschehen.  Diese  beiden  casus  aber,  der  nom.  und  acc. 
sing,  fem.,  verknüpften  die  zusammengesetzten  adjectiva 
mit  den  contrahirten  Substantiven  derartig,  dafs  sie  eine 
Wirkung  der  analogie  der  letzteren  auf  die  anderen  ermög- 
lichten, und  diese  den  adjectiven  analoge  bildung  der  for- 
men der  contrahirten  substantiva  kam  auch  im  gen.  sing, 
fem.  zum  Vorschein.  Diese  adjectivische,  auch  in  den  be- 
reich  der  substantiva  hineingedrängte  endung  war -ej.  Von 
den  contrahirten  erweiterte  sich  die  endung  vermöge  der 
analogie  auf  die  anderen  palatal  auslautenden  stamme  und 
so  finden  wir  bereits  im  14.  und  15.  jahrh.:  s$dz£j  (der 
richterin),  bralej  (der  gebrüder),  s$dz6j  vom  maso.  nom. 
sg.  s$dzä  (richter),  r$kojm'£j  vom  masc.  nom.  sg.  re- 
kojma  (bürge),  panäj  nom.  sg.  pani  (frau),  poselkin£j 
nom.  sing,  poselkini  (botschafterin),  Maryjej  (Mariens), 
materyjej  (der  materie),  wigilijej  (des  Vorabends),  j i- 
dumej£j  neben  jidumeje  (Idumäa's);  wolej  (des  wil- 
lens) neben  wole,  rolej  (des  ackere),  zem'ej  (der  erde), 
puäöej  (der  wüste),  strozej  (der  wache),  <$a.26j  (des  ge- 
richtsprozesses),  mäej  (der  messe),  pfytcej  (der  parabel) 
u.  s.  f.*).  —  Man  könnte  dies  -6j  im  gen.  sing.  fem.  der 

*)  Leider  kann  uns  das  am  besten  und  sorgfältigsten  herausgegebene 
denkmal  der  polnischen  spräche  ans  dem  15.  jahrh.,  Zabytek  dawne'j 
mowy  polskie'j,  Poznan  1867,  in  dieser  hinsieht  nicht  viel  belehren,  da 
es  im  auslaute  y,  i  und  6}  nicht  unterscheidet,  in  allen  diesen  fallen  bald 
e,  bald  i  (y)  schreibend.  Man  findet  in  diesem  denkmale:  dawidowe  f. 
dawidowe'j,    nasze  f.  nasze*j,    dobre  wole  wahrscheinlich  f.  dobrrfj 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         33 

contrahirten  substantiva  auch  30  erklären,  dafs  sie  noch 
vor  ihrer  contraction  der  analogie  der  hartauslautenden 
stamme  unterlagen,  und  ihr  $  (e)  mit  y  (i)  vertauschten 
(SQdäij$  =  s$dziji),  welches  i  mit  dem  vorangehenden 
ij  zu  langem  i  zusammengezogen,  und  dann,  wie  im  böh- 
mischen, in  ej  übergegangen  ist  (s?dziji  =  *s$dzl  sa 
s^dz  ej).  Diese  erklärung  aber  scheint  mir  etwas  zu 
künstlich  und  nicht  in  den  entwickelungsgesetzen  der  pol* 
nischen  spräche  begründet  zu  sein. 

Die  analogie  des  gen.  sing,  (und  die  analogie  der  ad- 
jectiva  im  grofsen  und  ganzen)  wirkt  allmählich  auch  auf 
den  loc.  und  dat.  sing,  der  contrahirten  und  somit  der  pa- 
latalauslautenden fem.  substantivstämme,  und  die  adjectivi- 
sche  endung  -ej  vertritt  auch  in  diesen  fällen  das  Ursprung« 
liehe  -i.  Während  wir  im  14.  und  noch  im  15.  jahrh.  die 
dative:  bradi,  duöy,  locative:  w  woli,  w  newoli,  na 
puäcy,  na  iemi,  na  prawicy,  w  nadzeji,  f  chfili 
(im  augenblicke)  u.  s.  w.  finden,  so  haben  wir  schon  in  der 
zweiten  hälfte  (1450)  und  am  ende  des  15.  jahrh.:  na  ze- 
mej,  o  bradäj,  f  parochijej  oder  f  parachfijöj  (in 
der  parochie),  neben  o  woli,  w  zbroji  (in  der  rüstung) 
u.  8.  w. 

Am  ende  des  1 5.  jahrh.  stellte  sich  fest,  was  auch  im 
ganzen  16.  jahrh.  und  im  anfange  des  17.  fast  unverändert 
blieb,  dafs  fast  alle  substantiva  fem.  gen.,  deren  nom.  auf 
-a  und  deren  acc.  auf  -$  auslautete,  im  gen.  sing,  (safnmt 
dem  loc.  und  dat.)  -ej  hatten  (vollkommen,  wie  die  adjec- 
tiva,  aber  neben  anderen  formen:  gen.  -je,  loc.  und  dat. 
-ji).  Die  anderen  palatalauslautenden  fem.  Substantivstämme 


wole*j,  we  wczorajsze  ewangelije  wahrscheinlich  f.  we  wczorajsze'j 
ewangelije'j,  wasze  f.  waszdj,  w  teto  ziemie  Syryje  wabtteneiiilieh 
f.  w  tdjto  ziemie'j  Bylryjej,  je  f.  j4j  (dat.  und  gen.);  awiety  Ewan- 
gieli  wahrscheinlich  f.  swi$t4j  Ewangielij  6y,  od  nagly  smierc}  f. 
nagle'j,  odfeki  nieprzyjacielski  f.  nieprzyjaeielskie'j,  z«  w*zytfei 
daiEe  tirojl  f.  %%  wszytkie'j  dasze  twejlj,  s  nie  woli  wahrscheinlich 
£  z  niewoHj,  ku  boiy  sluzbie  f.  ku  boze'j.  Damit  vergleiche  man 
die  jetzige  ausspräche  des  dorrVolkes  in  manchen  gegen  den:  ziödfl  f.  zlo- 
die'j  (cüeb),  Madi  f.  Madlj,  Andfy  f.  Andrej  n.  ik 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  1.  3 


34  Baudouin  de  Courtenay 

hatten  im  gen.  sing,  -e  neben  -i  (-7),  in  folge  der  Ver- 
mischung ehemaliger  ji-st.  mit  den  ja- st.  So  z.  b.  gen, 
sentencyjej  (der  sentenz),  kfestyjij  (der  frage),  ma- 
ryjäj,  galilejej  neben  galilee,  samaryjej  (Sama- 
ria's),  betanijej  (Bethania's),  kalwaryjäj  neben  kal- 
waryje  (der  Kalwaria),  op'inijej  (der  meinung);  panej, 
gospodynöj  (der  wirthin),  brarfij,  sukn£j  (des  rockes), 
wol£j,  newolej  (der  Sklaverei),  rolej,  kup'ej  (des  kau- 
fes),  pusöej,  rb&6)  (der  rose),  mäöj,  p'eöij  (der  für- 
sorge),  pracej  (der  arbeit),  z$dzej  (der  begierde)  u.  s.  f. 
neben  studne  (des  brunnens)  u.  a. ;  loc.  und  dat.  o  sen- 
tencyjej, f  oecylijöj  (in  der  Cäcilie),  w  betanijej 
u.  8.  f.  neben  w  ewaneli  (im  evangelium)  nach  der  ana- 
logie  der  i- stamme  (z.  b.  cnotliwosci,  der  tugendhaftig- 
keit),  na  puäöej  neben  na  puäcy,  ku  wolej  neben  w 
woli,  panej,  bralej  u.  8.  f.;  gen.  krotofile  oder  kro- 
tochfile  (der  kurzweile),  nadzeje  (der  hoffimng),  zem'e, 
tr6jce  (der  dreieinigkeit),  dzew'ice,  w'innice  (des  Wein- 
berges), cudzoloznice  (der  ehebrecherin),  malice  (des 
weinstockes),  loinice  (des  ehezimmers),  bogarodzice  (der 
gottesgebärerin),  duäe,  selbst  krfe  (des  blutes)  neben 
roskoäy  (der  wonne). 

Im  17.  jahrh.  und  im  anfange  des  18.  ist  die  durch 
analogie  in  den  bereich  der  substantiva  hineingedrängte 
genitivendung  -ej  noch  mächtiger  geworden.  Sie  ging 
noch  weiter,  nicht  nur  die  im  acc.  -3  und  im  nom.  -&  ha- 
benden, sondern  auch  die  im  nom.  auf  a-  und  acc.  auf  -$ 
(einst  harte  a- stamme)  und  die  im  nom.  und  acc.  weich- 
consonan tisch  auslautenden  (die  ehemaligen  i- stamme)  oft 
genug  ergreifend.  In  diesem  Zeiträume  kann  man  diesen 
kämpf  der  formen  um  das  dasein  nach  den  verschiedenen 
analogien  am  besten  verfolgen.  So  begegnen  uns  neben 
den  auch  froher  vorkommenden  gen.  toinice,  oblub'e- 
nice  (der  braut),  i$cyce  (der  Stadt  Leozyca),  prace, 
ofce  (des  schafs),  zloöynce  masc.  (des  missethäters),  ob- 
mofce  masc.  (des  Verleumders),  tferdze  (der  festung), 
duäe,  jaskine  (der  höhle),  lutrie  (der  laute),  äyje  (des 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.        35: 

halses),  cele  (der  zelle),  ot  sylle  masc.  (von  Sulla), 
iem'e,  nadzeje,  hrab'e  masc.  (des  grafen);  krfe  (des 
blutes);  ferner  piwonijej  (der  pfingstrose),  okazyjej  (der 
gelegenheit),  bestyjej  (der  bestie),  kampanijej  (Cam- 
pania's),  bis  toryj  ej  (der  geschiebte),  j  in  kl  in  acyjej  (der 
neigung,  inclination),  cezaryjej  (Cäsaräas),  ewaage- 
lijej,  newolej  neben  newoli,  und  selbst,  möej  etc.; 
dann  neben  den  loa  f  tracyjej  (in  Thracien),  w  esty- 
macyjej  (in  der  hoebachtung),  w  materyj£j,  f  chiäpa- 
nijej  (in  Spanien),  we  franc.yjij  (in  Frankreich),  fp.ro- 
fesyjäj  (in  der  profession),  w  gl§b'ej,  pfy  lutnöj  u.s..f., 
dat.  jintencyjej  (der  intention),  z^dzej  u.  s.  f., ; —  auch 
so  seltsame  formen,  wie  gen.  ochotöj  nom.  ochota  (tust), 
glowej  (des  kopfes),  neenotäj  (der  Untugend),  eurotäj 
(der  Eurota),  zdrad£j  (des  verrathes),  adbidej  (der  Ad- 
bida,  eigennanie),  £f$toslaw£j  (der  owi^toslawa,  eigen- 
name),  bromyslawäj  (der  Bromyslawa,  eigenname) 
u.  s.  f.;  noc£j  nom.  noc  (nacht),  rospaeöj  nom.  rospad 
(Verzweiflung)  u.  s.  f.;  loc.  und  dat.  w  nadzej£j,  w  zbro- 
j6j,  w  noc£j  u.  8.  f.  —  Dies  bewirkte  selbst  eine. Vermi- 
schung des  -y  und  -i  mit  -ej  in  den  casusendungen;  es 
zeigt  sich  eine  gewisse  Stumpfheit  des  Sprachgefühls  in 
dieser  hinsieht,  was  von  den  dichtem  kraft  der  licentia 
poetica  besonders  benutzt  wurde,  z.  b.  nom.  sing.  masc.  der 
adj.  upör  zw'ef$cej  f.  up6r  zw'er^cy  (der  tbierische 
eigensinn),  orsak  zlotej  f.  oräak  zloty  (die  goldene 
sebaar,  gefolge;  beide  des  reimes  wegen);  gen.  plur.  der 
masc.  substanliva  z  ostathich  stopn£j  f.  z  ostatnich 
stopni  (von  den  letzten  stufen),  und  umgekehrt  -y  f.  -6j: 
gen.  sing.  fem.  der  adjeetiva  oery  b'aly  f.  cery  b'alej 
(der  weifsen  gesichtsfarbe),  do  f£i  wesoly  f.  do  f£i  we- 
soläj  (in  das  lustige  dorf),  z  ochotäj  öö6ry  f.  z  ochoty 
&öär6j  (aus  aufrichtiger  lust;  des  reimes  wegen),  noeöj 
plaöorody  f.  noey  piaöorodöj  (der  weinengebären- 
den nacht,  des  reimes  wegen),  älachty  tamtejäy  f. 
Alachty  tamtejääj  (des  dortigen  adels)  neben  paster- 
skiäj  äopy  (des  hirtenstalls);  dat.  und  loc.  sing.  fem.  der 

3* 


3$  Battdonin  de  Courtenay 

adjectiva  2?dz6j  pfekl^ty,  dyjanne  Sf$ty  f.  pfe- 
kl$t6j,  £f$t£j  (der  verfluchten  begierde,  der  heiligen 
Dianna),  po  pariäöyzne  dlu&i  f.  dlu£6j  (nach  der  lan- 
gen frohne)  u.  8.  f. 

Wahrscheinlich  ergriff  diese  analogie  des  gen.  sing, 
fem.  im  17.  jahrh.  zunächst  die  ehemaligen  i- stamme,  und 
später  die  a- stamme.  Es  war,  wie  es  nicht  anders  sein 
kann,  eine  stufenweise  vor  sich  gehende  ausbreitung.  Ein 
jedes  substantivum  war  den  verschiedenartigsten  analogien 
unterworfen.  So  konnten  z.  b.  die  palatalauslautenden  sub- 
stantivstämme  fem.  gen.  mit  a  im  nom.  aus  vier  quellen 
herkommende  endungen  im  gen.  sing,  annehmen:  1)  ihre 
eigene  -e  (früher  $),  2)  nach  der  analogie  der  hartauslau- 
tenden stamme  mit  a  im  nom.,  -y,  was  3)  mit  dem  i  der 
palatalauslautenden  stamme,  deren  nominativ  mit  dem 
stamme  gleichlautend  ist  (ehemalige  i-st),  zusammenflofs, 
und  4)  t)  nach  der  analogie  der  adjectiva.  —  Nun  schwin- 
det (in  der  1.  hälfte  des  18.  jahrh.)  &,  und  die  analogie 
der  adjectiva  hört  auf  zu  wirken.  Es  entwickelt  sich  ein 
scharfer  unterschied  der  substantivischen  und  adjectivischen 
declination.  Die  hartauslautenden  stamme  fem.  gen.  pflegen 
im  gen.  sing,  y,  die  palatalauslautenden  aber  e  anzuneh- 
men. Dieser  unterschied  erhielt  sich  im  18.  jahrh.,  und 
selbst  noch  im  anfange  des  19.  jahrh.  lebten  formen,  wie 
krf  e,  wole,  zem'e  u.  s.  f. 

Endlich  gaben  auch  die  weichauslautenden  fem.  stamme 
ihre  eigene  genitivendung  auf  und  folgten  der  analogie  der 
harten,  welche  wahrscheinlich  mit  dem  ehemaligen  i  der 
i-8t  zusammenwirkten,  so  dafs  es  jetzt  nur  eine  einzige 
endung  y  (i)  im  gen.  sing.  fem.  der  polnischen  substantiva 
gibt 


4.    Vocat.  sing. 

Bei  den  masoulinis  haben  wir  zwei  endungen,  -je  und 
-u,  die,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach,  in  froheren  spraeh- 
perioden  zum  stamme  gehörten,  und  nur  in  folge  seoun- 


einige  fülle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         87 

därer  prozesse  später  als  endungen  gefühlt  werden:  o  näofr- 
lich  kann  man  als  den  erhaltenen  stammauslaut  der:  u- 
8tämme  betrachten.  Ursprünglich  kam  -je  den  meisten 
hartauslautenden,  u  aber  den  palatal-  und  den  meisten  gut- 
turalauslautenden stammen  zu.  So  z.  b.  boze  (Gott!),  clo* 
w'ece  (mensch!),  duse  (geistig  brade  (bruder!),  pole 
(schweifst),  kfede  (blume!),  herodze  (Herodl),  pane 
(herr!),  äatane  (satanl),  syne  neben  synu  (söhn!), 
adain e  (Adam!),  jezuse  neben  latein.  jezu  (Jesu!),  p'e- 
tfe  (Peter!)  u.  8. f.;  ojce  (vater!),  kupöe  (kaufmannl), 
mlodzence  (jQngling!)  u.  s.  f.;  mistfu  (meistert),  £al- 
tafu  (psalter!),  pfyjadelu  (freund!),  krölu  (königl), 
km'elu  (grofshüfnerl),  towafysu  (geführte!),  mojzedu 
(Moses!),  go£lu  (gast!)  u.  s.  f.;  pomocniku  (helfer!), 
op'ekalniku  ( vormund!  beschfitzerl),  miloäniku  (lieb- 
haber!),  synaöku  (söhnchen!),  zlo£niku  (bösewicht!), 
pfykladniku  (muster!  vorbild!  vom  menschen)  u.  e.  f. — 
Später  aber  nahmen  alle  gutturalauslautenden  stamme  -u 
an,  so  dafs  jetzt  nur  boze  ausschliefalich  und  dtoWece 
ausnahmsweise  neben  cloVeku  gebraucht  wird;  im  übrigen 
aber  sagt  man  duchu  (geist!),  rogu  (hornl),  kruku 
(rabe!)  u.  s.  f.  u  kommt  jetzt  ausschliefslich  in  synu  und 
ludu  (volk;  cf.  ludze  nom.  voc.  acc.  plur.),  und  sehr  oft 
in  dzadu  neben  dzadze  (greis!  grofs  vater!  alter  bett» 
ler!)  vor. 

Im  femin.  haben  wir: 

-o  bei  den  hartauslautenden  stammen:  panno  (fräu- 
lein!),  slawo  (rühm!),  matko  (mutter!),  dzefko  (jung* 
fer!  später  magd!),  new'asto  (weib!),  pokoro  (demuth!), 
c6rko  (tochter!),  £ostro  ( Schwester!)  u.  s.  f.  Bei  den  pa- 
latalauslautenden stammen,  die  den  ja- stammen  entsprechen 
ging  früher  dies  -o  gewöhnlich  in  e  über  (assimilation). 
So  z.  b.  im  altpolnischen  nur  nadzejo  (hoffnung!),  ma- 
ryjo  neben  maryja  (Marie!),  aber  duäe  neben  duäo 
(seelel),  gospodze  (herrin!),  dzew'ico  neben  diewice 
(Jungfrau!),  s$däe  neben  s$dzo  (richter!)  etc.,  und  neben 
später  entstandenen  duöa,   dzew'ica,   8fdz&,   zdrajca 


38  Baudonin  de  Courtenay 

(verr&ther!)  u.  s.  w.  Vergl.  damit  voc.  wojewoda  (woje- 
wbde!),  dafca  (geber!),  rozböjca  (räuber!),  starosta 
neben  starosto  (starost!)  u.  8.  f.  im  16.  jahrb. 

Die  ehemaligen  i- stamme  haben  i  im  voc:  g$£li  (ci- 
ther!),  m'ilosdi  (liebe!),  dobroöi  (gute!),  p'eSni  (lied!), 
mocy  (kraft!)  u.  s.  f. 

Nun  aber  finden  wir  solche  voc.  sing,  fem.,  wie  ka£u 
(Eäthchen!),  baSu  (Bärbelchen!),  kry£u  l Kristinchen!), 
j62u  (Josefchen!),  zo$u  (Sophiechen!),  do£u  (Dorchenl), 
andzu  (Aennchen!),  manu  (Mariechen!),  fruzu  (Eu- 
phrosinchen!),  bronu  und  bron<5u  (Bronislavchen!),  lolu 
(Eülalchen!),  franu  (Fränzchen!),  oleSu  (Alexandrin- 
chen!),  juldu  (Julchen!),  anulku  (Aennchen!),  bro- 
nulku  (Bronislavchen;  aber  nur  paulinko  Paulinchen, 
justynko  Justinchen,  julko  Julchen),  lolu  (täntchen!), 
matulu  (mtttterchen!),  cörulu  (töchtereben!);  marysu 
(Mariechen!),  matu&u  (mütterchenl),  cörusu  (töchter- 
chen!), neben  mary&,  matu£,  c6ru$* (besonders  beim 
volke).  Diese  formen  sind  augenscheinlich  durch  analogie 
der  masculina  entstanden,  die  von  zwei  Seiten  her  wirken 
konnte:  1)  nach  den  lauten,  und  so  finden  wir  es  auch  im 
voc.  sing,  nur  bei  den  palatal-  und  gutturalauslautenden 
feminin8tämmen,  2)  in  folge  der  gemeinsamen  benennungen 
der  knaben  und  mädchen,  da,  wie  wir  sehen,  diese  substantiva 
meistens  liebkosende  eigennamen  sind.  Man  sagt  eben  so 
dem  knaben  (und  respective  manne)  als  auch  dem  mäd- 
chen: staäu  (Stanislavchen!),  ludw'isu  (Ludwig!  Luis- 
ohen!),  brondu,  wladzu  (Wladislavchen!),  jozu,  oleSu 
u.  s.'  f. ;  und  von  diesen  gemeinsamen  namen  könnte  sich 
die  endung  -u  zuerst  auf  die  andern  liebkosenden  mädchen- 
namen  und  später  auf  die  anderen  palatal-  und  guttural- 
auslautenden femin.  stamme  erweitert  haben,  die  aber  sämmt- 
lich  nur  liebkosende  verwäntschaftsnamen  sind. 

Wir  haben  im  polnischen  manche  masculina  mit  nom. 
auf  -o,  fast  ausschliefslicb  eigennamen  und  liebkosende 
verwandtschaftswörter:  fredro,  tarto,  jagetto  (alle  drei 
zünamen),  tadzo  (Thaddäuschen),  wtadzo  (Wladislavchen), 


einige  Alle  der  Wirkung  der  anelogie  in  der  poln.  declination.         89 

wujko  (onkelchen),  tato  (tata,  Väterchen),  tatulo  (ver- 
kürzt tatlo,  beim  volke)  u.  8.  f.  (vergl.  bfucho  neben 
bjruch,  bauch).  Aug.  Schleicher  erkennt  hier  zweifachen 
einflufs:  des  vocativs  und  des  neutrums.  Doch  mu£s  man 
bedenken,  dafs  1)  der  vocat.  von  mehreren  von  diesen  sub- 
stantiva  auf  -u  auslautet:  wujku,  tatu  neben  tato,  ta- 
tulu,  tad£u,  wtadzü  u.  8.  f.,  und  2)  dafs  den  ausgangs- 
punkt  für  diese  nominativbildung,  pller  Wahrscheinlichkeit 
nach,  die  eigennamen,  familiennamen  bildeten,  und  alle 
diese  familiennamen  fremden  Ursprungs  sind. 

Hinsichtlich  dieses  punktes  der  polnischen  declination 
sind  wir  demnach  noch  im  unklaren. 


5.     Nom.  sing.  masc.  und  neutr.   der  prono- 

mina. 

Die  pronominale  declination  ist  im  polnischen  schon 
längst  mit  der  sogenannten  zusammengesetzten  zusammen- 
geflossen; die  selbstständige  pronominale  erhielt  sich  am 
längsten  in  den  nominativen  und  accusativen  aller  genera. 
Aber  auoh  diese  casus  erliegen  im  vorigen  und  jetzigen 
Jahrhundert  der  analogie  der  adjectiva.  Wie  es  sich  mit 
dem  acc.  sing.  fem.  verhält,  haben  wir  sehpn  gesehen.  Der 
accusativ  des  masc.  und  neutr.  gleicht  dem  nominativ  (im 
neutrum  vertritt  eigentlich  der  acc.  den  nom.),  und  was 
von  diesem  gilt,  gilt  auch  von  jenen.  Im  neutr.  weichen 
die  ehemals  ausschliefslich  herrschenden  formen  samo, 
jedno,  tamto,  to  schritt  fbr  schritt  den  nach  der  ana- 
logie der  adjectiva  gebildeten  same,  jedne,  tarnte,  te 
(z.  b.  te  diecko,  dies  kind)  u.  s.  f.  Die  formen  naäe, 
vaäe,  moje,  tfoje  u.  s.  f.  sind  ganz  ursprünglich,  da  hier 
e  aus  dem  o  in  folge  der  assimilation  an  den  vorangehen- 
den palatalen  consonanten  entstund. 

Im  masc.  kann  man,  neben  den  noch  allgemein  ge- 
brauchten sam  (selbst,  allein),  6f  (6w,  jener),  naä  (unser) 
hie  und  da  samy,  owy,  naöy  hören,  welche  formen 
auch  bei  den  Schriftstellern  (schon  im  17.  jahrh.),  und  be- 


40  Baudouin  de  CoorUnay 

sonders  bei  den  dichtem,  aber  nicht  nur  des  reimes  wegen, 
vorkommen. 


6*     Acc.  nom.  plur.  neutr,   der  pronomina  und 

adjectiva. 

Im  15.  jahrb.  hatte  dieser  casus  überwiegend  noch 
seine  selbständige  en/lung  -a,  ähnlich  wie  bei  den  Sub- 
stantiven; z.  b.  neb'osa  tfoja  (deine  himmel),  fäytka 
usta  l£<5iwa  (jeder  schmeichlerische  mund),  usta  sfoja 
(seinen  mund),  k£$£$ta  waäa  (eure  forsten),  wrota  w'e- 
kujä  (ewige  ttiore),  föelka  zw'er^ta  le£nä  (alle  wald- 
thiere),  bardzo  w'elikä  cu da  (sehr  grofse  wunder),  sfoja 
m'asta  (seine  Städte),  sfa  prawa  (seine  rechte)  u.  8.  f. 
Es  unterlagen  aber  diese  formen  der  analogie  der  feminina 
und  unpersönlichen  masculina  (acc),  und  gingen  in  tfoje, 
l&liwe,  sfoje,  sfe,  wase,  w'ekuje,  fäelke,  le&ne 
u.  s.  f.  über.  Die  hartauslautenden  pronominalstämme  aber 
erreichten  diese  formen  nicht  unmittelbar.  Es  lebten  noch 
mehr  spuren  der  pronominalen  declination,  und  eine  solche 
spur  war  der  nom«  und  acc.  fem.  und  der  acc.  masc.  anf 
y,  z.  b.  ty.  Der  analogie  dieser  form  folgte  auch  neutr. 
ta,  für  welches  also  ty  eintrat,  z.  b.  ty  wrota  (diese 
thore);  erst  später  (im  17.  Jahrhundert)  folgte  masc.  fem. 
neutr.  ty  der  adjeotivischen  (zusammengesetzten)  declina- 
tion! te. 


7.     Nom.  (und   acc.)  pl.  masc.   auf  -a. 

Die  gewöhnlichen  endnngen  des  nom.  pl.  masc.  sind 
-ji,  -ow'e,  -e,  und  das  aus  dem  acc.  in  den  nominativ 
übergegangene  -y  (-e).  Manche  substantiva  masc.  haben 
aber  in  diesem  casus  -a.  So  z.  b.  akta  (aoten),  kori- 
trakta  (vertrage),  dokumenta  (documente),  koäta  (Un- 
kosten), grunta  (boden,  gründe),  Organa  (organe)  u.  8.  f.; 
diese  mannichfaltigkeit  der  endnngen  ward  auch  benutzt, 
um    bei    einigen    Wörtern    verschiedene   functionen   anszur 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         41 

drücken.  So  z.  b,  heifst  akta  acten,  geschäftsbücher,  akty 
aber  auftritte  auf  der  bühne  (scenische  acte)  oder  band- 
langen,  organy  (mit  accent  auf  der  vorletzten  silbe)  or- 
gel,  und  Organa  (mit  accent  auf  der  dritt-  oder  auch  vor- 
letzten silbe)  organe.  Das  hineindrängen  des  a  in  diesen 
casus  bei  masc.  substantivis  mufs  man,  meiner  meinung 
nach,  mehreren  factoren  zuschreiben ;  wie  überall,  so  ist  es 
auch  hier  zu  einseitig,  nur  eine  einzige  Ursache  finden  zu 
wollen.  Die  Ursachen  wirken  complicirt  und  verstärken 
sich  gegenseitig.  Eine  einzelne  Ursache  könnte  ja  die  ge- 
gebene wirkung  hervorrufen ;  desto  sicherer  stellt  sich  die 
Wirkung  bei  vielen  Ursachen  ein.  Hier  also  wirkten  fol- 
gende factoren: 

1)  der  einflufs  des  lateinischen  (und  griech.);  denn  zuerst 
zeigt  sich  a  im  nom.  pl.  masc.  bei  den  aus  diesen  sprachen 
entlehnten  Wörtern  (sowohl  bei  den  masc.  als  auch  fem.  und 
neutr.  auf  dem  einheimischen  boden),  so  z.  b.  heifst  es  feno- 
mena  ((pawopeva),  eksperymenta,  dokumenta  neben 
dokumenty,  elementa  neben  elementy,  procenta 
neben  procenty,  ekspensa  neben  ekspensy,  ekscesa 
neben  ekscesy,  procesa  neben  procesy,  jinteresa 
neben  jinteresy*,  gusta  (masc.  lat.  -us),  egzamina, 
prezenta  neben  prezenty,  volumina,  poemata,akta 
neben  akty,  kontrakta  neben  kontrakty  u.  s.  f.  Daf« 
wirklich  auch  eine  endung  entlehnt  sein  kann,  beweisen 
unter  andern  voc  jezu  kryste  neben  jezu£e  krystuse, 
die  gen.  sing.  fem.  cezaree  (17.  jahrh.)  neben  cezaryjej, 
und  nom.  pl.  fem.  monete  (1450),  muze  (musae)  neben 
muzy  (17.jabrh.),  und  Suffixe:  lat.  -us  (-uä),  -is,  -ys  (-iS)f 
-es,  im  poln.  w'isus  (spitzbube),  lajdus  (schür  ke),  calus 
(kufs),  smigus  (schmackostern),  dyngus  (dass.),  bibus 
saofbold),  dzikus  (menschenscheu,  wild),  w'arus  (kriegs- 
m&nn),  nygus  (faullenzer),  obdartus  oder  odartus  (ein 
abgerissener  kerl),  umizgus  (einer,  der  einem  frauenzim- 
mer  den  hof  macht,  pussirrath);  now'icyjui  (noviz),  chu- 
deuä  (ein  armer  teufel),  dandys  neben  dandy  (galant, 
stutzer),  urw'is  neben  urw'iä  (galgenstrick),  rwetea  neb. 


42  Baudouin   de  Courtenay 

rwentes  (ripps!  rapps!)  u  s.w.;  -ista:  oberzysta  (gast- 
wirth),  stuzb'ista  (fleifsig  dienend),  und  davon  sluzb'i- 
sty,  sluzb'istosc*  u.  8.  f.;  so  kommt  die  endung  -unek 
aus  dem  deutschen,  z.  b.  stosunek  (stofsung,  verhält- 
nifs),  warunek  (währung,  bedingung)  u.  v.  ä.  Von  den 
lateinisch- griechischen  Wörtern  aus  erstreckte  sich  a  im 
nom.  plur.  masc.  auf  einige  aus  dem  deutseben  entlehnte 
Wörter:  kosta  neben  koäty,  grunta  neben  grunty  u.s.f^ 
und  endlich  auf  manche  einheimische:  j^öm'ona  (geraten), 
okr^ta  neben  okr^ty  (schiffe),  uf§da  neben  uf^dy 
(ämter),  otdena  neben  otdene  (nuancen,  schattirungen), 
und  selbst,  in  der  neuesten  zeit,  predm'ota,  ktopota, 
äöegöta  u.  s.  f.,  doch  sind  diese  selten  neben  pf  edm'oty 
(gegenstände),  ktopoty  (kummer,  sorgen),  seegoty  (ein* 
zelheiten). 

2)  Was  j^cm'ona  betrifft,  so  kann  diese  form  aus 
der  ehemaligen  neutralen  declination  dieses  Wortes  erhalten 
sein:  nom.  sing.  j$cm'§,  nom.  pl.  j$6m'ona,  und  so  halte 
ich  die  anlehnung  an  die  neutrale  declination  für  den  zwei- 
ten factor.  Umgekehrt  wirkte  die  masc.  declination  auf 
die  neutrale,  und  man  kann  bei  einigen  neutr.  Wörtern  im 
nom.  pl.  -y  treffen.  So  z.  b.  oöKi  neben  ocka  (äuglein), 
neb'osy  neben  neb'osa  (himmel),  neby  neben  neba  (dass.), 
cygary  neben  cygara  (cigarren),  slowy  neben  slowa 
( worte),  volksthümlich  auch  zniwy(zniwy)  neben  zniwa 
(ernten)  u.  s.  f.  Vgl.  russisch  fety,  licy  (Puskin),  v6jski 
(Zukovskij)  neben  leta,  lic&,  vajskä  u.  s.  f. 

3)  Dies  a  im  nom.  plur.  masc.  kann  zu  den  resten  des 
dualis  gehören.  Damit  kann  man  die  im  bereiche  der  con- 
jugation  stattfindende  Vermischung  der  formen  des  duals 
und  plurals  vergleichen.  Die  Schriftsprache  hat  den  plüral 
bewahrt:  chodzmy  (gehen  wir),  cbodle  (gehet  ihr),  ro- 
b'emy  (wir  machen),  rob'ile  (ihr  macht)  u.  s.  f.;  die  Volks- 
sprache aber  den  dual:  chodzwa,  chodta,  rob'iwa, 
rob'ita  u.  s.  f.,  oder  in  der  1.  person  eine  merkwürdige 
Verbindung  des  plur.  consonanten  m  mit  dem  dualvocale  a: 
chodzma,  rob'jma. 


einige  fülle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         43 

Aug.  Schleicher  vermuthet  noch 

4)  die  gewöhnung  des  Sprachgefühls  den  genitiv  sing, 
und  den  nom.  plur.  oft  gleichlautend  zu  vernehmen,  z.  b. 
in  altbulg.  dela,  polja,  ryby,  voljs,  kosti;  so  auch 
im  russ.  goto sa  etc.  gen.  8g.  und  nom.  pl.  —  Ich  stimme 
dieser  vermuthung  vollkommen  bei. 

Das  a  im  nom.  plur.  masc.  ist  keine  ausschliefsliche 
eigenthfimlichkeit  des  polnischen.  Noch  ausgedehnter  be- 
sitzt es  die  russische  spräche,  in  der  viele  männl.  substan- 
tiva  im  nom.  pl.  nicht  y,  sondern  a  haben:  b'erega,  go- 
to sa,  gor  od  a  u.  s.  f.  Hier  wenigstens  mufs  der  einflufs 
des  lateins  ausgeschlossen  werden,  da  auch  gerade  die  aus 
dem  latein  entlehnten  Wörter  masc.  gen.  im  nom.  pl.  y  ha- 
ben: dokum'enty,  akty,  pro<5enty,  processy  u.  s.  f. 

8.    Instr.  plur. 

Es  gibt  eine  dreifache  endung  dieses  casus  im  polni- 
schen: -y,  -m'i,  -am'i.  -y  kam  ursprünglich  (aber  nur 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach)  den  hartauslautenden  mas- 
culinis  und  neutris  (den  a-  und  u -stammen  entsprechend), 
-am'i  den  femininis  mit  dem  nom.  sing,  -a  (den  a-  und 
ja-stämmen  entsprechend),  -m'i  endlich  den  palatal  aus- 
lautenden mascul.  und  femin.  mit  consonantisch  auslau- 
tendem nom.  sing,  (den  i-  stammen  entsprechend)  zu.  Diese 
schöne  regelmäl'sigkeit  aber  findet  man  selbst  in  den  älte- 
sten polnischen  denkmälern  nicht.  Schon  im  14.  und  15. 
jahrh.  ist  das  gefühl  des  Unterschieds  verloren  gegangen, 
und  es  hat  eine  so  riesenhaft  entwickelte  wirkung  der  ana- 
logien  stattgefunden,  dafs  manchmal  die  ursprünglich  einer 
gewissen  kategorie  der  substantiva  zukommende  endung 
bis  auf  wenige  spuren  verdrängt  ist.  So  z.  b.  neben  masc. 
j$zyki  (f.  j^zyky,  mit  den  zungen),  powojniki  (mit 
den  windelbändern),  pots$tki  (mit  den  instruktionsrich- 
tern),  pfediwniki  (mit  den  gegnern),  Sfatki  (mit  den 
zeugen),  grechy  (mit  den  Sünden),  bogi  (mit  den  göttern), 
duchy  (mit  den  geistern),  dary  (mit  den  gaben),  ptoty 
(mit   den    zäunen),    naktady    (mit   den    kosten),    cudy 


44  Baudouin  de  Oourtenay 

(mit  den   wundern),  syny  (mit  den  söhnen),  pany  (mit 
den  herren),  pogany  (mit  den  beiden),  zwony  (mit  den 
glocken),  organy  (mit  den  orgeln),  psy  (mit  den  bunden), 
glosy  (mit  den  stimmen),  nepfyjaloly  (mit  den  feinden), 
z$by  (mit  den  zahnen)  u.  s.  f.  finden  wir:  nepryjadotm'i 
und   nepfyjadelm'i,   synm'i,   wozm'i  (mit  den  wagen), 
chlebm'i   (mit   den  broten),    wolm'i   (mit   den    ochsen), 
panm'i,  zydm'i  (mit  den  Juden),  apostolm'i  (mit  den 
aposteln)  u.  s.  f.,  und  obr$dam'i  (mit  den   ceremonien) 
u.  s.  f.     Nur  neutra   halten  sich  fest:  k£$z$ty  (mit  den 
forsten),   usty  (mit  dem  munde),  laty  (mit  den  jähren), 
stady  (mit  den  berden),   laly  (mit  den  körpern),   stowy 
(mit   den  worten)  u.  s.  w.     Neben  fem.  slzam'i  (mit  den 
thränen),    nogam'i  (mit   den   füfsen),  wo  dam' i  (mit  den 
ge wässern),  gfywnam'i  (mit  den  marken),  pracam'i  (mit 
den   arbeiten),    silam'i  (mit   den   kräften),   m$£cyznam'i 
masc.  (mit  den    mannspersonen)  u.  s.  f.   findet  man,  aber 
selten,  möwm'i  (mit  den  reden);  neben  masc.  mQzm'i  (mit 
den  männern),  krolm'i  (mit  den  königen),  zlodzejcui  (mit 
den  dieben),  ludzm'i  (mit  den  leuten),  krajm'i  (mit  den 
ländern),  pfyw'ilejm'i  (mit  den  Privilegien),  konm'i  (mit 
den  pferden),   rycefm'i.  (mit   den  rittern),   groäm'i  (mit 
den  grosehen),  p'en^dzm'i  (mit  geld),   älachdicm'i  (mit 
den  edelleuten),  km'ecra'i  (mit  den  gro&hüfoern),  towa- 
fyöm'i   (mit    den    geführten),    ojcm'i   (mit    den    vätern), 
strözm'i  (mit  den  Wächtern),  oraöm'i  (mit  den  pflügern), 
gwozdzm'i  (mit  den  nageln),  m'es^cm'i  (mit  den  monateü), 
mecm'i  (mit  den  Schwertern),    kijm'i  (mit  *den  stocken) 
u.  8.  f.  j$£cy  (mit  den  gefangenen),  o<5cy  oder  otcy  oder 
ojoy  (mit  den  vätern),  jescy  (mit  den  reitern),  starcy 
(mit  den  greisen),  llachdicy  n.  s.  f.;  neben  fem.  g$slm'i 
(mit  den  cithern)  auch  culosdam'i  (mit  den  Zärtlichkeiten), 
sedam'i  (mit  den  netzen),   g$slam'i  u.  8.  f.     Dieses  allge- 
meine schwanken  setzt  sich  fort  bis  in  das  18.  jahrh.    Es 
begegnen  uns  in  diesem  Zeiträume  formen,  wie  masc.  braty 
(mit  den  brüdesn),  mury  (mit  den  mauern),  wlosy  (mit 
den  haaren),  greki  (mit  den  Griechen)  u.  s.  f.  neben  kon» 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         45 

traktam'i  (mit  den  vertragen),  und  kotm'i  (mit  den  pflök- 
ken),  kutasm'i  (mit  den  quasten),  lasm'i  (mit  den  Wäl- 
dern); neutr.  laly  (mit  den  körpern),  usty  (mit  dem 
munde),  wojsKi  (mit  den  heeren)  u.  8.  f.;  masc.  m'istf  m'i 
(mit  den  meistern),  m^oi'i  (mit  den  uiännern),  puklefm'i 
(mit  den  Schilden),  pacef  ni'i  (mit  den  panzern),  plom'£iim'i 
(mit  den  flammen)  u.  s.  f.  neben  w'ency  (mit  den  kränzen), 
ojcy,  padalcy  (mit  den  blindscbleichen),  w'ersy  (mit 
den  versen),  m'eskancy  (mit  den  einwohnern)  u.  8.  f.,  to- 
wafysm'i  neben  towaryäam'i,  welcher  analogie  auch  die 
neutra  folgten:  sercy  (mit  den  herzen),  jajcy  (mit  den 
hoden)  und  selbst  usy  (mit  den  ohren)  u.  s.  f.  Im  fem. 
neben  göram'i  (mit  den  bergen),  gw'azdam'i  (mit  den 
Sternen)  u.  s.  f.  auch  görm'i,  Zonm'i  (mit  den  ehefrauen) 
(selten);  in  der  zweiten  hälfte  des  17.  jabrh.  nach  der  ana- 
logie der  hart  auslautenden  masc.  und  neutr.  stamme:  po- 
n$ty,  z.  b.  jinäem'i  pon^ty  (mit  andern  reizen),  ügi, 
z.  b.  ö$liwnem'i  ügi  (mit  sehnebegabten  bündnissen), 
perlowem'i  wody  (mit  perlen  wassern),  z  nisRem'i 
doliny  (mit  niedrigen  thälern)  u.  ä. 

Im  18.  jahrh.  hat  -am'i  des  femin.  das  entschiedene 
übergewicht  gewonnen,  was  schon  im  16.  anfing;  es  ist 
seit  dieser  zeit  die  allgemeine  endung.  Nichtsdestowenn 
ger  sind  die  anderen  endungen  nicht  gänzlich  verdrängt, 
»m'i  z.  b.  blieb  bei  einigen  palatal  auslautenden  stammen; 
man  sagt  jetzt  fast  ausschliefslich  p'en$dzm'i,  ludzm'i, 
konm'i  neben  kon am'i,  gwozdzni'i  (od.gozdzm'i)  neben 
gwozdzam'i,  krölm'i  neben  krölam'i,  km'edm'i  ne- 
ben km'eeaini,  kam'enm'i  neben  kam'enam'i  (mit  stei- 
nen) u.  s.  f.,  und  selbst  nepfyjaöolm'i,  anolm'i  (mit 
den  engein);  neutr.  pol  m'i  neben  polam'i  (mit  den  feldern), 
oöm'i  selten  neben  ocami  und  ocyma,  z.  b.  ocm'i  spla- 
kanem'i  (mit  verweinten  äugen);  femin.  g§slm'i  neben 
g$6lam'i,  ge.£m'i  neben  g$sami  (mit  den  gänsen),  po-» 
stalm'i  neben  postadam'i  (mit  den  gestalten),  &$dzm'i 
neben  z$  dz  am'i  (mit  den  Begierden),  fal  m'i  neben  fal  am'i 
z.  b.  Stoma  fal  m'i  (mit   hundert  wogen),    skronm'i  ne- 


46  Baudouin  de  Courtenay 

ben  skronam'i,  z.  b.  z  jasnem'i  skronm'i  (mit  hel- 
len schlafen),  selbst  z.  b.  äponm'i  neben  äponam'i  (mit 
den  klauen)  u.  s.  f.  Der  instr.  plur,  auf  -y  aber  kann  von 
allen  hart  auslautenden  stammen  gebildet  werden,  und 
zwar  nicht  nur  von  inasc.  und  neutr.,  sondern  auch  von 
femin.  Diese  letzten  formen,  feminina  nämlich,  werden 
von  den  grammatikern,  die  sich  um  die  sogenannte  reinheit 
der  muttersprache  sehr  ängstlich  bekümmern,  und  darum 
die  ganze  spräche  nach  gewissen,  meistens  nur  subjectiven 
richtscbnuren  geordnet  haben  wollen,  despotisch  verwiesen. 
Hierbei  vergafs  man,  dafs  wie  feminines  -am'i  sich  als  all- 
gemeine endung  auch  bei  masc.  und  neutr.  festellen  konnte, 
so  auch  mit  gleichem  rechte  masc.-neutr.  -y  ins  femininum 
übergehen  kann.  Man  findet  solche  formen  bei  den  besten 
polnischen  Schriftstellern,  sowohl  prosaikern,  als  auch  dich- 
tem, seit  dem  17.  jahrh.,  und  selbst  in  der  Volkssprache. 
E9  ist  nur  beachtenswert!),  dafs  der  instr.  plur.  auf-y  von 
Substantiven  nur  in  Verbindung  mit  adjectiven  oder  prä- 
positionen  vorkommt,  wenn  nämlich  die  instrumentale  be- 
ziehung  schon  genügend  durch  adjectivisches  -em'i  oder 
durch  die  präposition  ausgedrückt  wird;  z.  b.  masc.  s  po- 
licki  plom'enej^cem'i  (mit  flammenden  wangen),  z  dlu- 
gem'i  wlosy  (mit  langen  haaren),  t$sknem'i  glosy  (mit 
sehnsuchtsvollen  stimmen),  kfitn^cem'i  bfejäji  (mit  blü- 
henden ufern)  u.  s.  f.;  8  sokoly  (mit  falken),  s  psy  (mit 
banden)  u.  s.  f.  u.  s.  f. 

Neutr.  krötRem'i  slowy  (mit  kurzen  worten),  ze- 
lonem'i  dfewy  (mit  grünen  bäumen),  öichem'i  Soly 
(mit  stillen  dörfern)  u.  s.  w.,  und  selbst  jasnem'i  neb'e- 
s&em'i  ocy  (mit  hellen  blauen  äugen),  wyt$zonem'i 
uSy  (mit  angespannten  obren); 

Fem.  wody  bl^kitnem'i  (mit  himmelblauen  gewäs- 
Sern),  ze  fsp  analem' i  budowy  (mit  herrlichen  gebäu* 
den),  s  trup'em'i  glowy  (mit  todtenköpfen),  z  glowy 
spuäöonem'i  (mit  gehängten  köpfen),  nagem'i  älany 
(mit  nackten  wänden),  p'erfäem'i  barwy  (mit  ersten  fär- 
ben), demnem'i  drogi  (mit  dunkeln  wegen),  sfem'i  p'e- 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         47 

äöoty  (mit  seinen  liebkosungen),  dlugem'i  godziny  (mit 
langen  stunden),  z  gw'azdy  jiskf  3c em'i  (mit  funkelnden 
Sternen),  namowy  sfojem'i  (mit  seinen  Überredungen), 
sfojem'i  pfestrogi  (mit  seinen  Warnungen),  srebrnem'i 
ostrogi  (mit  silbernen  sporen),  sfem'i  karty  (mit  seinen 
blättern),  sfojem'i  pon$ty  (mit  seinen  reizen),  sfem'i 
äpony  (mit  seinen  klauen),  olbfym'em'i  sily  (mit  rie- 
senkräften),  nebotycnem'i  baäty  (mit  himmelhohen  ba- 
steien),  rözowem'i  gazy  (mit  rosengasen),  cujnem'i 
warty  (mit  wachsamen  wachen),  rozowem'i  fst$gi  (mit 
rosenbanden),  zlocistem'i  laski  (mit  goldreichen  Stäben), 
z  dlugem'i  palki  (mit  langen  keulen),  zlodistem'i  galki 
(mit  goldreichen  knöpfen),  s  kury  i  jindyki  (masc;  mit 
hennen  und  truthähnen),  und  selbst:  sm'ertelnem'i  rfem- 
nosdi  (mit  tödtlichen  finsternissen),  dziwnem'i  nespo- 
kojnosdi  (mit  wunderbaren  ängsten,  unruhen)  u.  s.  f.; 
volksthümlich:  pfed  tfojem'i  syby  (vor  deinen  fenster- 
scheiben). 

Im   russischen  hat  sich  die  endung  -am'i  fast  aus- 
schliefslieh  festgestellt« 


9.     Dat.  plur. 

Die  älteste  endung  des  masc.  und  neutr.  war  -6m, 
fem.  aber  -am.  So  z.  b.  masc.  sa^adöm  (den  nachbarn), 
diiwom  (den  wundern),  synöm  (den  söhnen),  pbloköm 
(den  wölken),  ptaköm  (den  vögeln),  gfechöm  (den  Sün- 
den), w'ek6m  (den  Zeitaltern),  anjelöm  (den  engein), 
iWeiöm  (den  thieren)  u.  s.  f.;  neutr.  dzalom  (den  wer- 
ken), ustom  (dem  munde),  slow 6m  (den  Worten),  zw'e- 
f$t6m  (den  thieren)  u.  s.f.;  fem.  drogam  (den  wegen), 
ob'etäm  (den  opfern),  kobylam  (den  Stuten),  nogam 
(den  fftfsen),  poWek&m  (den  augenlidern),  wargäm  (den 
lippen),  kobylkam  (den  heuschrecken),  s  lug  am  (den  die- 
nern) u.  s.  f.  Bei  den  wenigen  palatal  auslautenden  masc. 
und  neutr.  stammen  kommt  -em  vor:  ludzem  neben  lu- 
dz6m  (den  leuten),  dz e dem  neben  dze<56m  (den  kindern). 


48  Battdonin  de  Courtenay 

Da  aber  o  m  in  der  auslautenden  sylbe  vor  m  im  altpol- 
nischen ein  getrübtes  (geneigtes)  o  hatte,  dessen  ausspräche 
sich  der  des  u  näherte,  so  findet  man  in  den  denkmälern 
neben  synom  auch  synuni,  neben  panom  —  panum 
(den  herren),  neben  zem'anom  —  zem'anum  (den  land- 
edelleuten),  neben  latom  —  latum  (den  jähren),  slow  um 
neben  slowom  oder  slowam  (den  worten),  was  dem  böh- 
mischen -iim  entspricht.  —  Aber  schon  in  den  ältesten  denk* 
malern  des  14.  und  15.  jahrh.  zeigt  sich  die  gegenseitige 
wirkung  der  genera.  Das  masc.  neutr.  -om  treffen  wir  bei 
femin.  zuerst  bei  den  palatal  auslautenden  stammen.  So 
z.  b.  koäöom  (den  knochen),  skronom  (den  schlafen), 
maso.  pfest$pcom  (den  Verbrechern),  s$dzom  (den  rieh* 
tern,  was  auch  das  natürliche  genus  beförderte),  s^sadom. 
vom  nom.  fem.  s$£ada  (nachbarin,  wozu  sich  der  unmit- 
telbare einflufs  des  masc.  s^äadom,  den  nachbarn,  ge- 
sellte) u.  s.  f.  neben  duäam  (den  Seelen),  gardzel&m 
(den  kehlen),  studn&m  (den  brunnen),  celu£<?&m  (den 
kinnladen)  u.  s.  f.  Der  einflufs  des  femin.  war  sehr  be- 
schränkt. Bei  masc.  finden  wir  -am  nur  vereinzelt:  gfe- 
ch&m  im  14.  jahrh.  (den  sünjden),  skutkam  im  16.  (den 
Wirkungen)  u.  ä.  Gröfser  war  der  einflufs  des  fem.  auf 
das  neutr.,  und  zeigte  sich  zuerst  bei  den  palatal  auslau- 
tenden stammen:  dzejäm  (den  thaten,  der  geschichte), 
ulQzanam  (den  belästignngen),  udi^neriam  (den  bedrük- 
kungen,  15.  jahrh.)  neben  dzedem  und  neben  dze<56m 
(den  kinderft);  später,  im  16, jahrh.,  kommt  -im  auch  beiden 
hart  auslautenden  stammen  vor:  b'odräm  (den  hüften), 
wrot&m  (dem  thore),  slowam  (den  worten),  praw&m 
(den  gesetzen),  m'ast&m  (den  Städten),  latäm  (den  jäh- 
ren) u.  8.  f.  neben  b'odrom,  wrotom,  slowom,  latom 
u.  8.  f.  Nichtsdestoweniger  blieb  im  15.  und  16.  jahrh. 
••om  überwiegend  masc.  neutr.,  und  -4m  überwiegend  fe- 
minine endung,  z.  b.  masc.  öestnikom  (den  mundschen- 
ken),  k?e£<Sijanom  (den  Christen),  otcom  (den  vätern), 
ludzom  (den  leuten),  rycefom  (den  rittern),  w'epfom 
(den  borchen),    liepfyjadelom  (den  feinden,    15.  jabrb.), 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         49 

korom  (den  chören),  apostotom  (den  aposteln;  16.  jahrh.) 
u.  s.  f.;  neutr.  latom,  slowom,  ks^z^tom  (deo  forsten), 
bydl^tom  (dem  vieh)  u.  8.  f. ;  fem.  dzefkam  (den  mäd- 
chen),  glachdankäm  (den  adeligen),  gfywnäm  (den 
marken),  robotam  (den  arbeiten),  8  lug  am  (den  dienern), 
stronäm  (den  Seiten),  zonäm  (den  ehefrauen),  pannäm 
(den  fräulein),  skodam  (den  schaden),  sosträm  (den 
Schwestern),  cöräm  (den  töchtern),  wdowam  (den  witt- 
wen);  starostäm  masc.  (den  starosten) ;  recam  (den  Sa- 
chen), nem oc am  (den  schwächen,  krankheiten),  potfaram 
(den  verläumdungcn),  c$sdäm  (den  theilen),  paiiam  (den 
frauen),  dzewicam  (den  Jungfern),  sf  in  am  (den  Schwei- 
nen), dusäm  (den  seelen),  zem'am  (den  ländern),  fsam 
(den  dörfern),  dawnosdam  (den  antiquitäten);  8$  dz  am 
masc.  (den  richtern),  zupcäm  masc.  (den  den  Salzberg- 
werken vorgesetzten)  u.  s.  f.;  maram  (den  bahren),  ne- 
w'astam  (den  weibern),  nogam  (den  ftifsen),  göram  (den 
bergen),  cnotäm  (den  tugenden);  pastucham  masc.  (den 
hirten);  roskosam  (den  wonnen),  mysläm),  (den  gedan- 
ken),  tluscäm  (den  volkshaufen),  ofcäm  (den  schafen), 
gle.bokos<5äm  (den  tiefen)  u.  8«  f. 

Nun  aber  verursachen  2  factoren  die  vollständige  aus- 
rottung  der  endung  -am: 

1)  die  ausspräche  dieses  -am  selbst,  das  sich  als  -am 
dem  -om  sehr  näherte,  und 

2)  die  analogie  der  häufiger  gebrauchten  masc.  und 
neutr.  dative  auf  -om. 

In  folge  der  Wirkung  dieser  beiden  factoren  verlor  sich 
-am  allmählich  aus  dem  sprachgebrauche,  und  jetzt  stellte 
sich  -om  fest,  als  die  einzige  dem  dat.  plur.  der  substan- 
tiva  zukommende  endung. 

Im  russischen  ist  das  umgekehrte  geschehen;  dort  ver- 
drängte die  endung  -am  die  andere.  Aber  im  russischen 
war  auch  die  Wirkung  des  phonetischen  factors  eine  ent- 
gegensetzte; denn  bekanntlich  zeigt  sich  im  russischen  die 
neigung,  ein  jedes  unbetontes  o  wie  a  auszusprechen. 

Im  dat.  plur.   sehen  wir  in  der  polnischen  declination 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  1.  4 


50  Baudonin  de  Courtenay 

das  übergewicht  bei  dem  masc.;  im  loc.  und  instr.  pl.  bei 
dem  femin. 

10.     Locat.  plur. 

In  den  ältesten  uns  zugänglichen  polnischen  denkmä- 
lern  (14.jahrh.)  stellt  sich  uns  in  diesem  casus  eine  bunte 
mannichfaltigkeit  dar.  Wir  finden  dort  fünf  endungen  des 
loc.pl.  -jech  (altbulg.  -ech),  -och,  -ach,  -ech,  -ich. 
Nicht  alle  aber  sind  gleich  häufig.  Den  hart  auslautenden 
fem.  stammen  war  -ach  eigen,  z.  b.  na  fekach  (auf  den 
flössen),  f  £ilach  (in  den  kräften)  u.  8.  f.  -jech  kommt 
den  hart  auslautenden,  -och  aber  den  weich  auslautenden 
masc.  und  neutr.  zu,  z.  b.  masc.  w  obrazech  (in  den  bil- 
den)), sqdzech  (in  den  gerichten)  u.a.;  neutr.  w  dzelech 
(in  den  werken),  f  p'ism'ech  (in  den  schritten)  u.  8.  f.; 
masc:  na  konoch  (auf  den  pferden),  f  placoch  (im 
weinen;  im  poln.  plur.)  u.  s.  w.;  neutr.  f  sercoch  (in  den 
herzen),  -ech  kommt  vor  bei  den  palatal  auslautenden 
fem.  stammen  mit  dem  nom.  =  stamm  (den  i  -  stammen  ent- 
sprechend), z.  b.  f  postadech  (in  den  gestalten),  w  ros- 
kosech  (in  den  wonnen)  u.  s.  f.  -ich  kommt  nur  ein- 
mal vor  in  g^slich  neben  g$&lech,  g§£loch  und  g$- 
slach  (in  den  cithern).  —  Diese  schöne  regelmäfsigkeit 
wird  jedoch  durch  die  Wirkung  der  verschiedenen  analo- 
gien  in  den  verschiedensten  richtungen  verdorben.  Bald 
richtet  sich  die  analogie  nach  der  phonetischen  beschaffen- 
heit  des  Stammauslautes,  bald  nach  dem  gefühle  der  ge- 
nus  verwand  tschaft,  bald  entsteht  sie  nur  durch  vergessen  des 
ursprünglichen  Zusammenhangs  einer  gewissen  endung  mit 
einer  gewissen  kategorie  der  substantiva.  Das  phonetische 
moment  veranlafste  das  erscheinen  des  masc.  neutr.  -och 
bei  den  palatal  auslautenden  fem.  stammen,  z.  b.  w  g§- 
sloch,  f  postadoch  neben  postadech  u.  s.  f.,  und  des 
-jech  bei  den  hart  auslautenden  fem.  stammen,  z.  b.  p'§t-, 
nom.  sg.  p£ta  (ferse),  loc.  pl.  p'^dech. 

Die  analogie  der  häufiger  vorkommenden  formen  im  be- 
reiche  desselben  casus  (und  genus)  trug  -ach  auch  über  auf 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         51 

einige  palatalauslautende  fem.  stamme  mit  nom.  auf  con- 
sonant  (i  -stamme),  z.  b.  f  pov/es<5ach  (in  den  erzählun- 
gen)9  w  g$slach  neben  g§6loch,  ge.£lech,  g^Slich 
u.  s.  f.,  und  -ech  auf  palatalauslautende  neutr.  stamme: 
f  polech  (in  den  feldern).  Masc.  w  ludzech  (in  den 
leuten)  und  neutr.  f  polech  bildeten  sich  in  folge  der  Wir- 
kung zweier  analogien:  1)  der  der  palatalauslautenden  fem. 
stamme  (phonetisches  moment)  -ech,  2)  der  der  hartauslau- 
tenden masculinen  und  neutralstämme  (genusidentität) 
-jech  (vielleicht  auch  3)  durch  umlaut,  d.  i.  assimilation  an 
den  vorangehenden  palatalen  consonanten).  Nur  durch  ver- 
gessen des  Zusammenhanges  der  endung  mit  einer  gewissen 
kategorie  der  substantiva  kann  ich  das  vorkommen  des 
-ach  bei  masc.  und  neutr.,  z.  b.  we  zwonkach  (in  klin- 
geln, glöckchen),  f  sp'ewanach  (in  gesängen),  w  nale- 
zeiiach  (in  erfindungen;  zuerst  bei  palatalauslautenden 
neutr.),  und  des  -och  bei  den  hartauslautenden  masc.  und 
neutr.  stammen  erklären,  was  noch  durch  das  genusiden- 
titätsgefühl  einerseits  und  das  gefühl  des  Überflusses  der 
zwei  formen  für  einen  casus  derselben  zahl  und  desselben 
genus  andererseits  unterstützt  wurde.  Es  ist  nur  merk- 
würdig, dafs  -och  von  den  palatalauslautenden  masc.  stam- 
men auf  die  hartauslautenden  masc.  stamme  zuerst  über- 
ging, die  jetzt  mit  ihnen  auch  u  im  loc.  sing,  theilen,  d.  i. 
auf  gutturalauslautende  und  auf  syn,  nebst  einigen  ande- 
ren, z.  b.  we  zwonkoch,  w  bogoch  (in  den  göttern), 
f  synoch  (in  den  söhnen),  w  daroch  (in  den  gaben)  u.s.f. 

Nach  alledem  finden  wir  in  den  ältesten  polnischen 
denkmälern  (14.  jahrh.)  folgende  beispiele  des  loc.  plur.: 

-jech:  masc.  w  ostatcech  (in  den  resten),  f  po- 
dolcech  (in  den  unteren  theilen  des  kleides),  w  zam^- 
tcech  (in  den  Wirrnissen),  f  skutcech  (in  den  Wirkun- 
gen), w  oblocech  (in  den  wölken),  f  prorocech  (in  den 
propheten),  f  pfebytcech  neben  f  pfebytkoch  (in  den 
Stiftshütten),  w  barlodzech  (in  dem  wirrstroh),  w  bo- 
dzech  neben  w  bogoch  (in  den  göttern),  w  gf  esech  (in 
den  Sünden),  f  stanech  neben  f  stanoch  (in  den  zelten), 

4* 


52  Baudouin  de  Courtenay 

f  poganecb  neben  f  poganocb  (in  den  beiden),  f  ka- 
planech  (in  den  priestern),  w  organech  (in  den  orgeln), 
w  obrazech  neben  w  obrazocb  (in  den  bildern),  w  le- 
£ech  (in  den  wäldern),  w  narodzech  (in  den  Völkern), 
we  s^dzech  (in  den  gerichten),  f  chodzech  (in  den  gan- 
gen), f  podolech  (in  den  thälern),  po  liepfyjadelech 
(nach  den  feinden),  w  rozum'ech  (in  der  Vernunft),  f 
psalm'ech  (in  den  psalmen),  w  r$kaw'ech  (in  den  fir- 
meln), w  dziw'ech  (in  den  wundern),  f  skarb'ech  (in 
den  schätzen),  w  grobe ch  (in  den  gräbern). 

neutr.  w  neb'eäech  (in  den  himmeln),  w  uädech  (im 
munde),  we  wrodech  (im  thore),  na  m'escech  (an  den 
orten),  w  dzelech  neben  w  dzaloch  (in  den  werken), 
na  skr  y dl ech  (auf  den  flögein),  fp'ism'ech  (in  den  Schrif- 
ten), o  Sf'adectf'ech  (von  den  Zeugnissen),  we  er  ew'ech 
(in  den  eingeweiden),  w  blogoslaw'enstf  ech  (in  den 
segen),  w  bogactf'ech  (in  den  reichthümern),  f  slow'ech 
(in  den  Worten),  w  neb'ech  (in  den  himmeln). 

fem.  f  p'^dech  (in  den  fersen). 

-och:  masc:  f  krajoch  (in  den  ländern),  we  dnoch 
(in  den  tagen),  na  konoeb  (auf  den  pferden),  w  lud z och 
(in  den  menschen),  f  koncoch  (in  den  enden),  f  pata- 
coch  (in  den  palästen),  f  placoch  (im  weinen),  f  pf e- 
bytkoch  neben  pfebyteech,  we  zwonkoch  neben  we 
zwonkach  (in  den  glocken),  w  ueynkoch  (in  den  tha- 
ten),  f  pagörkoch  (in  den  hQgeln),  w  bogoch  neben  w 
bodzecb,  f  stanoch  neben  f  stanech,  f  poganoch, 
f  synoch  (in  den  söhnen),  w  daroch  (in  den  geschen- 
ken),  w  obrazocb. 

neutr.  f  sercoch  (in  den  herzen),  w  dzaloch  neben 
w  dzelech. 

fem.  w  g$£loch  neben  g$slecb,  g$&lich,  g^Slach 
(in  den  cithern),  f  postadoch  neben  f  postadech  (in 
den  gestalten),  w  gl^bokoSdoch  neben  w  gt^bokosdech 
(in  den  tiefen). 

-ach:  fem.  w  naukach  (in  den  lehren,  Wissenschaf- 
ten),  na  fekach  (an  den  Aussen),   w  wargach  (in  den 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         53 

lippen),  w  drogach  (in  den  wegen),  w  niäinach  (in  den 
thälern),  f  strunach  (in  den  saiten),  w  gorach  (in  den 
bergen),  we  zlzach  (in  den  trähnen),  w  lichotach  (im 
elend),  f  prawotach  (in  der  rechtlichkeit),  na  wo  dach 
(an  den  ge wässern),  f  Sjtach  (in  den  kräften),  we 
dmach  (in  den  finsternissen),  w  molwach  (in  den  re- 
den), na  wir bach  (auf  den  weiden),  f  tajnicach  (in 
den  geheimnissen),  w  ulicach  (in  den  strafsen);  w  io- 
dzach  (in  den  nachen);  w  g$£lach  neben  w  g$sloch, 
g^slech,  g^slich,  w  myglach  (in  den  gedanken),  f  ce- 
rekf'ach  (in  den  kirchen),  w  lubosdach  (im  ergötzen), 
f  pow'esdach  (in  den  geröchten). 

ma8c.  we  zwonkach  neben  we  z wonkoch. 

neutr.  f  sp'ewanach,  w  nalezenach. 

-ech:  fem.  g§slech  neben  g$slicb,  g^Sloch,  g^- 
slacb,  f  postadech  neben  f  postaloch,  f  sf'atloS- 
dach  (in  der  helle),  w  gl^bokosdech,  w  roskoÄech 
(in  den  wonnen),  fkaznech  (in  den  strafen). 

masc.  w  ludzech  (in  den  menschen). 

neutr.  f  pol  ech  (in  den  feldern). 

-ich:  fem.  g^slich. 

Im  15.  jahrh.  (bis  ungefähr  zur  hälft e  des  16ten)  sind 
fem.  -ech  und  -ich  gänzlich  vom  -ach  verdrängt,  z.  b. 
w  zaiobach  (in  den  klagen),  o  kostkach  (von  den  wor- 
feln), pfy  wojewodach  masc.  (bei  den  wojwoden),  f  ko- 
pach  (in  den  schocken),  o  ran  ach  (von  den  wunden), 
pfy  perlach  (bei  den  perlen),  w.d^browach  (in  den  hai- 
nen),  wnedzelach  (an  den  Sonntagen),  w  ze  mach  (in  den 
ländern,  districten),  o  sf'inach  (von  den  Schweinen),  o  r^- 
kojmach  masc.  (von  den  bürgen),  o  zböjcach  masc. (von 
den  räubern),  o  pozoscach  masc.  (von  den  mordbrennern), 
w  fecach  (in  den  Sachen),  we  fsach  (in  den  dörfern), 
w  jastkach  (in  dem  kripplein  Christi),  pfy  ja^ lach  (bei 
dem  kripplein  Christi),  fpfeliwnosdach  (in  den  mifs- 
geechicken),  w  dobrocach  (in  der  gute).  Dies  -ach 
kommt  auch  vor  bei  masc:  o  km'elach  (von  den  grofs- 
hüfhern),  f  p'en^dzach  (im  gelde),  f  sm^tkach  (in  den 


54  Baudouin   de  Courtenay 

betrübnissen),  na  gozdzach  (auf  den  nageln),  undneutr.: 
w  bfem'onach  (in  den  bürden),  f sercach  (in  den  her- 
zen), o  dzatkacb  (von  den  kindern), —  -ech  kommt  vor, 
aber  nur  als  umgelautetes  -ach  oder  -och,  z.  b.  w  ze- 
m'ech  für  w  zemach,  o  8§dzecb  für  sedzach  inasc. 
(von  den  richtern),  f  konech  für  f  konoch,  pfy  ryce- 
fech  für  rycefoch  (bei  den  rittern),  w  ludzech  für  und 
neben  ludzoch.  Bei  den  masc.  und  neutr.  dauerten  noch 
-jech  und  -och  fort,  z.  b.  masc.  na  rocech  (auf  den 
jährlichen  gerichtsvereammlungen),  w  ogrodzech  (in  den 
gärten),  w  liälech  (in  den  briefen),  po  kloporfech  (nach 
den  sorgen),  na  grodzech  (auf  den  bürgen),  o  poz- 
w'ech  (von  den  Vorladungen),  w  zastawech  (in  den  p fän- 
dern), o  83 dz  ech  (von  den  gerichten),  o  d$b'ech  (von  den 
eichen),  pfy  panech  (bei  den  herren),  w  leäech  (in  den 
wäldern),  o  testamendech  (von  den  testamenten),  f  chro- 
slech  (in  den  reishölzern),  ftardzech  (in  den  markten), 
na  dwofech  (auf  den  höfen),  w  zap'isech  (in  den  ver- 
schreibungen),  o  zydzecb  (von  den  Juden),  w  le£ech,  we 
wolech  (in  den  ochsen),  o  gwatrfech  (von  den  gewalt- 
thaten,  nothzüchtigungen),  na  powrozech  (auf  den  strik- 
ken),  na  godzech  (auf  den  schmausen),  f  sklep'ech  (in 
den  kellern),  o  apostolech(von  den  aposteln),  o  herbe ch 
(von  den  wappen) ;  neutr.  w  m'esöech  vom  stamme  m'ast- 
nom.  masto  (ort),  w  ledech  (in  den  jähren),  f  praw'ech 
(in  den  gesetzen),  na  piSm'ech  (auf  den  Schriften),  o  do- 
bfech  (von  den  gütern),  .w  u&dech,  na  neb'esech,  na 
drew'ech  (auf  den  bäumen);  masc.  f  p'en$dzoch,  po 
dnoch  (nach  den  tagen),  o  orteloch  (von  den  urtheilen, 
aussprächen),  w  grogoch  (in  den  groschen),  o  pfyw'i- 
lejoch  (von  den  Privilegien),  o  km'eloch,  po  odcoch 
(nach  den  vätern),  o  älachdicoch  (von  den  edelleuten), 
o  gajoch  (von  den  hainen),  o  konoch  neben  f  konech, 
f  koiicoch,  o  kupcoch  (von  den  kaufleuten),  o  pala- 
coch,  o  jigraöoch  (von  den  Spielern),  o  ucrioch  (von 
den  Schülern),  f  käme  hoch  (in  den  steinen),  zwycajoch 
(in  den  gebrauchen),    ludzoch,    o   cesafoch  (von   den 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         55 

kaisern),  o  rokoch  (von  den  jährlichen  gerichtsversamm« 
hingen),  we  clonkoch  (in  den  gliedern),  na  porockoch 
(auf  den  filialen  gerichtsversammlungen),  na  zamkoch(auf 
den  schlossern),  o  op'ekalnikoch  (von  den  Vormündern), 
w  bf  egoch  (an  den  ufern),  o  zb'egoch  (von  den  über* 
lau  fern),  na  sachoch  (im  Schachspiel),  na  zemanoch 
(bei  den  landedelleuten),  o  fsanoch  (von  den  landleuten), 
o  mescanoch  (von  den  Städtern),  w  domoch  (in  den 
häusern),  o  bratoch  (von  den  brüdern),  po  casoch(nach 
den  zeiten),  o  d^boch  (von  den  eichen),  we  dwu  woloch 
(in  den  zwei  ochsen)  neben  we  dwu  wolech,  f  sm?t- 
koch  neben  f  sm§tkach,  o  ucynkoch,  o  zwoleni- 
koch  (von  den  anhängern),  na  bregoch,  o  germkoch 
(von  den  knappen),  o  nalogoch  (von  den  Qblen  angewohn- 
heiten);  neutr.:  na  m'escoch  nom.  m'esce(ort),  na  m'ej- 
scoch  (dass.),  o  w'ecoch  (von  dem  reichstage),  na  po- 
loch  (auf  den  feldern),  o  dzedoch  (von  den  kindern), 
na  bydloch  (auf  dem  vieh),  o  dzaloch  (von  den  wer- 
ken), w  ococh  (in  den  äugen),  o  uchoch  (von  den  oh- 
ren);  fem.:  w  recoch  (in  den  Sachen),  na  jagodzech 
(auf  den  wangen).  —  Das  fem.  -a-ch  wurde  bis  zur  hälfte 
des  16.  jahrh.  mit  a  (getrübtem  a)  ausgesprochen,  was  dem 
böhmischen  -ach  entspricht,  und  näherte  sich  also  dem 
-och.  Dies  bewirkte  die  Verwechslung  des  -och  und 
-ach,  und  -ach  erscheint  zuerst  bei  den  gewöhnlich  auf 
-och  auslautenden  masc.  und  neutr.:  we  zwonkäch  ne- 
ben we  zwonkoch  (14.  jahrh.),  f  sp'ewanäch  (in  den 
gesängen),  w  naiezenach  (in  den  erfindungen;  14. jahrh.), 
o  km'edach,  f  pen^dzach  (15.  jahrh.).  Um  die  mitte  des 
16.  jahrh.  findet  der  Übergang  des  -ach  in  -ach  statt,  und 
da  schon  früher  -ach  und  -och  wechselten,  so  blieb  auch 
jetzt  diese  Verwechslung;  -och  verlor  sich  und  -ach  nahm 
seinen  platz  ein.  Es  scheint,  dafs  zwei  factoren  das  er- 
scheinen des  -ach  bei  masc.  und  neutr.  bedingten:  1)  ein 
phonetisches:  -ach  zeigt  sich  zuerst  bei  palatalauslauten- 
den stammen  als  Vertreter  des  -och;  2)  das  gefuhl  der 
Bedeutung:  die  masc.  nämlich,  zu  der  fem.-declination  ge- 


56  Baudouin  de  Courtenay 

hörig,  wie  poborcach  (Steuereinnehmer),  8 ^ dz ach,  m$- 
äcyznach,  ermöglichten  dem  -ach  auch  auf  andere  hart- 
auslautende masc.  stamme  sich  zu  erweitern.  Vor  allem 
also  zeigt  sich  -ach  um  die  mitte  des  16.  jahrh.  bei  den 
palatal-  und  gutturalauslautenden  masc.  stammen:  obyca- 
jach  (gewohnheit,  sitte),  kr  ajach  (land),  pfyw'ilejach 
(Privilegium),  post$pkach  (betragen),  uöynkach  (that). 
Bei  andern  hartauslautenden  ist  -ach  nur  eine  ausnähme: 
masc.  na  z^bach  (auf  den  zahnen),  f  tfosach  (in  den 
geldkatzen);  neutr.  zr  od  lach  (quelle),  dfewach  (bäum). — 
Erst  allmählich,  schritt  für  schritt,  verdrängte  -ach  auch 
-jech  bei  masc.  und  neutr.;  aber  dies  letztere  wurde  noch 
im  18.  jahrh.  gebraucht:  masc.  na  balwanech  (auf  den 
wogen),  po  wolech,  w  oblocech  (in  den  wölken),  pa- 
sech  (in  den  gürtein),  f  prusech  (in  Preufsen),  f  kano- 
nech  (in  den  kanonen),  na  mufech  (auf  den  mauern), 
f  pow'edech  (in  den  districten),  f  easech  (in  den  zeiten), 
grodzech  (in  den  bürgen),  w  razech  (in  den  fällen); 
neutr.  f  praw'ech,  w  ledech,  w  m'esrfech  (in  den  Städ- 
ten), o  dozywodech  (von  den  leibgedingen)  neben  masc. 
krölach  (könig),  koncach,  pasach,  ludach  (volk), 
w  umyslach  (in  den  gemüthern),  miner  ach  (in  den 
mineralien),  na  sejmach  (an  den  reichstagen),  w  dach- 
ach  (in  den  dächern);  neutr.  zolach  (kraut)  u.a.  Ja 
noch  mehr,  das  -jech  kommt  auch  bei  einigen  femin.,  aber 
nur  höchst  selten  vor:  na  jagodzech  (auf  den  wangen; 
schon  1520),  f  äacech  (in  den  kleidern),  skodzech  (in 
den  schaden),  f  kralech  (in  den  gittern)  neben  gewöhn- 
lichem -ach. 

Das  allgemeine  herrschen  des  -ach  bei  allen  Substan- 
tiven vollendete  sich  in  der  zweiten  hälfte  des  18.  jahrh. 
und  jetzt  bleiben  vom  früheren  -jech  nur  sparsame  reste: 
we  wloäech  (in  Italien,  land)  neben  o  wlochach  (von 
den  Italienern;  volk,  doch  auch  land),  we  wQgfech  (in 
Ungarn,  land)  neben  o  W?grach  (von  Ungarn,  meist  nur 
volk),  prusech  neben  prusech  (in  Preufsen);  neut.  na 
lieb'e&ech  (im  himmel),    nur  in  gebeten  gebräuchlich  ne- 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in'  der  poln.  declination.         57 

ben  na  neb'osach,  w  le<5ech  neben  w  latach  (in  den 
jähren),  und  nur  selten  masc.  f  kfedech  neben  fkf'atach 
(in  bluinen),  casech  neben  casach  (in  zeiten). 

Im  russischen  herrscht  -ach  bei  allen  Substantiven. 


11.     Genit.  plur.  -öf  (-6w). 

Es  gibt  mehrere  endungen  in  diesem  casus:  1)  reiner 
stamm  mit  den  lautgemäfsen  Wandlungen  und  einschiebun- 
gen  im  inlaute;  2)  -i  (-y),  3)  -öf  (-öw).  Sie  sind  ur- 
sprünglich verschieden  auf  die  verschiedenen  substantiva 
vertheilt  und  nach  den  verschiedenen  analogien  im  laufe 
der  zeit  entwickelt.  Ich  will  nicht  auf  diesen  gegenständ 
näher  eingehen  und  beschränke  mich  nur  auf  eine  von  die- 
sen endungen,  nämlich  auf  -öf  (-öw).  Diese  endung  ge- 
hört ursprünglich  dem  masc.  an.  Aber  auch  hier  war  sie 
früher  in  beschränktem  gebrauche;  bei  harten  masc.  stam- 
men stand  ihr  reiner  stamm,  bei  palatalen  -i  oder  auch 
reiner  stamm  zur  seite.  Noch  im  16.  jahrh.  begegnen  wir 
solchen  genitivformen,  wie  wtos  (der  haare),  z$p  (z$b, 
der  zahne),  zyw'ol  (der  demente),  cut  (cud,  der  wun- 
der), tys^c  neben  tys§cy  (der  tansende),  Scjzeii  neben 
s^zni  und  sqzriof  (der  klaftern),  sqsad  (der  nachbarn, 
vielleicht  auch  durch  das  fem.  desselben  Stammes  unter- 
stützt und  noch  im  18.  jahrh.  gebräuchlich),  starost  (der 
starosten)  und  wojew6t  (wojewöd,  der  wojwoden;  beide 
masc,  aber  im  sing,  femininisch  declinirt)  u.  8.  f.;  im 
17.  jahrh.  sind  diese  formen  seltener,  aber  noch  z.  b.  do 
tatar  (zu  den  Tataren).  Dieser  genitiv,  dem  reinen  stamme 
scheinbar  gleich,  ist  bei  den  masc.  bis  auf  wenige  spuren 
verloren  gegangen  und  bei  hartauslautenden  stammen  durch 
-öf,  bei  palatalauslautenden  durch  -i  uud  -6f  vertreten, 
welches  -öf  auch  das  -i  allmählich  verdrängt.  Jetzt  sind 
genitive  dem  reinen  stamme  gleich  nur  noch  bei  län- 
dernamen  in  gebrauch,  z.  b.  w§ger  (Ungarns),  wloch 
(Italiens),  nem'ec  (Deutschlands)  neben  den  völkernamen 
WQgröf,  wlochöf,  nemcöf;    ferner  im  adverbialen  do- 


58  Baudouin  de  Courtenay 

tychcas  (=  do  tych  cas,  bis  jetzt),  und  vielleicht  noch 
in  ein  paar  anderen  fällen  (vgl.  adverb.  z  daw'en  dawna, 
seit  lange  her);  im  übrigen  herrscht  allgemein  -öf  bei  har- 
ten masc,  und  diese  endung  ist  auch  bei  palatalen  vor- 
wiegend. 

Aber  das  masc.  -öf  ging  auch  über  seinen  bereich 
hinaus  und  suchte  sich  auch  fremdes  gebiet  anzueignen. 
Im  18.  jahrh.  nämlich  fing  es  an,  sich  bei  den  fem.  und 
neutr.  festzusetzen.  Man  findet  in  diesem  Jahrhunderte 
fem.  fsöf  (wsiöw,  der  dörfer),  konfederacyjof  (der 
conföderationen),  religijöf  (der  religionen),  gfinköf  (der 
schweinchen),  grof  (der  spiele),  myäöf  (der  mause)  u.  s.  f. 
neben  fsi,  konfederacyji,  religiji,  sfinek,  ger, 
myäy;  neutr.  ucudöf  (der  gefühle),  natchnenöf  (der 
begeisterungen),  kazanöf  (der  predigten),  pfyslow'öf 
(der  sprücbworte)  u.  s.  f.  neben  ucuc,  natchnen,  kazan, 
pfyslöf  (przyslöw).  Nun  aber,  am  ende  des  18.  jahrh«, 
kam  die  grammat.  revision,  und  es  schien  den  grammatikern, 
dafs  nur  im  masc.  der  gen.  plur.  auf  -öf  enden  dürfe, 
und  tiiese  regel  gilt  bis  jetzt  in  der  Schriftsprache.  Nichts- 
destoweniger war  die  analogie  zu  stark,  um  durch  den 
aussprach  dieses  oder  jenes  grammatikers  sich  vernichten 
zu  lassen;  sie  dauert  fort,  und  selbst  bei  den  sogenannten 
gebildeten,  in  die  schulmeisterlichen  regeln  eingeübten  klas- 
sen  der  polnischen  gesellschaft  beobachtet  man  diesen  fort- 
schritt  der  analogie  in  der  Umgangssprache,  und  gerade 
auch  in  den  Städten.  Man  hört  z.  b.  fem.  klusköf  (selbst 
nach  dieser  analogie  nom.  sg.  m.  klusek  neben  f.  kluska, 
klos),  palmöf(derpalmen),  konfederacyjof,  matköf  (der 
mütter),  äaföf  (der  schränke),  krowöf  (der  kühe),  nogöf 
(der  füfse),  r^köf  (der  hände)  u.s.f.  neben  klusek,  palm, 
konfederacyji,  matek,  äaf,  kröf  (kröw),  nök,  ra.k 
und  re,ku  (dual);  neutr.  kopytöf  (der  hufe),  cygaröf 
(der  cigarren),  oknöf  (der  fenster),  pfyslow'öf,  kazanöf 
u.  8.  f.  neben  kopyt,  cygar,  oKen,  pfyslöf  (przy- 
stöw)  oder  pfyslöf  (przyslöw),  kazari.  Und  in  der 
purificirten    Schriftsprache  (in   den  büchern)  selbst  erhielt 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         59 

sich  die  ununterbrochene  tradition  solcher  formen  seit  dem 
ende  des  18.  jahrh.  bis  auf  die  heutige  zeit:  fem.  gl$b'öf 
(der  tiefen),  trosköf  (der  sorgen),  zaw'asöf(der  thürbän- 
der),  p'eluchöf  (der  windeln)  u.  s.  f.  neben  gl§b'i,  trosk, 
zaw'as,  p'eluch;  neutr.  ucudöf,  oblicöf  (der  antlitze), 
cygaröf,  pfyslow'öf  u.  8.  f.  neben  uöul,  oblicy  u.  s.w.; 
und  in  manchen  fällen  ist  dies  -öf  selbst  von  der  prakti- 
schen schulmeisterlichen  grammatik  approbirt ,  nämlich  im 
femin.  bei  den  einsilbigen,  z.  b.  msöf  (der  messen),  my- 
äof,  f$öf,  fsöf  (w8zow,  der  lause)  u.  s.  f.,  und  im  neutr. 
bei  den  aus  dem  lateinischen  entlehnten  mit  nom.  sg.  auf 
-um,  z.  b.  gimnazyj  öf  nom.  sg.  gimnazyjum  (gymna- 
sium),  seminaryjöf  (der  seminarien),  liceöf  (der  lyceen) 
u.  s.  f.,  so  wie  bei  den  aus  dem  dual  stammenden:  ocöf 
(der  äugen),  uäöf  (der  obren)  neben  ocu,  uäu  und  selbst 
66,  uä.  —  Es  scheint,  dafs  im  femin.  die  einsilbigen  und 
dann  die  palatal  auslautenden  stamme,  im  neutr.  die  aus 
dem  lateinischen  entlehnten  mit  dem  nom.  sg.  auf  -um, 
dann  die  palatal  auslautenden  stamme,  und  zwar  zuerst 
die  contrahirten,  diese  endung  vor  den  andern  angenom- 
men haben,  und  dafs  sich  diese  endung  -öf  (-öw)  trotz 
alles  sträubens  purificirender  grammatiker  etwa  nach  einem 
Jahrhundert  als  die  allgemein  gültige  im  gen.  plur.  aller  ' 
genera  feststellen  wird. 

Eine  hauptursache  dieses  prozesses  erkenne  ich  in  der 
deutlichkeit  der  endung  -öf  und  in  der  bestimmtheit  des 
Zusammenhanges  zwischen  der  lautform  und  der  function. 

12.     Nom.  pl.   des  participii  praeteriti. 

Dieses  particip,  mit  dem  präsens  des  hilfsverbums 
jesm  (jetzt  jestem),  je&  (jetzt  jestes)  u.  s.  f.  zusammen- 
gezogen, vertritt  im  polnischen  das  präteritum,  und  zwar 
ist  in  der  3.  person  das  blofse  particip  ohne  die  vom  hilfs- 
verbum  herrührende  endung  im  gebrauch;  dabei  werden 
die  genera  unterschieden.  So  z.  b.  vom  verb.  chodzil 
(gehen)  sing.  masc.  1.  chodzil-em  aus  chodzil  jesm, 


60  Baudouin  de  Courtenay 

chodzites*  aus  chodzit  jes,  chodzit  f.  ehemaliges  cho- 
dzit jest;  fem.  chodziläm  aus  chodzita  je&m,  cho- 
dzita £  aus  chozilaje£  (getrübtes  ä  wegen  der  contrac- 
tion),  chodzita  f.  chodzita  jest;  neutr.  chodzitom 
aus  chodzito  je£m,  chodzitoä  aus  chodzito  je£, 
beide  ungebräuchlich,  chodzito  f.  chodzito  jest;  plur. 
masc.  chodzilismy  aus  chodzili  jesmy,  chodzilisle 
aus  chodzili  jesde,  chodzili  f.  chodzili  83;  fem.  und 
neutr.  chodzilysmy  aus  chodzity  jesmy,  chodzity- 
srfe  aus  chodzity  jesde,  chodzity  f.  chodzity  83 
(die  uncontrahirten  formen  kommen  noch  in  den  ältesten 
denkmälern  vor).  Wir  sehen  also,  dafs  im  plur.  masc.  und 
femin.  sammt  neutr.  unterschieden  werden.  Nun  fangt 
aber  bei  manchen  personen  z.  b.  in  Warschau  der  genus- 
unterschied zu  schwinden  an,  und  das  masc.  gewinnt  das 
übergewicht  über  die  anderen  genera.  So  z.  b.  sprechen 
diese  personen  chodzilismy  und  chodzilim  sowohl  f. 
chodzilismy  als  f.  chodzilysmy,  chodzilisde  f.  cho- 
dzilisöe  und  chodzitysc'e,  chodzili  f.  chodzili  und 
chodzity.  Dies  zusammenfliefsen  ist,  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach,  durch  die  syntactischen  Verhältnisse  bedingt. 
Eine  ähnliche  erscheinung  zeigt  sich  schon  längst  in  der 
russischen  spräche,  nur  mit  dem  unterschiede,  dafs  es  im 
russischen  keine  vom  hilfsverbum  herkommenden  personal- 
endungen  gibt,  aber  dafür  mufs  man  jedesmal  die  person 
mit  dem  pronomen  (oder  in  der  3.  person  auch  durch  das 
substantivum)  ausdrücklich  bezeichnen.  So  z.  b.  sagt  man 
im  russischen  my  chadili  (wir  gingen),  wy  chadili  (ihr 
ginget),  ani  oder  ane  (ludi ,  zensciny,  deti)  chadili; 
und  so  auch  im  sing.,  nur  mit  der  Unterscheidung  der  ge- 
nera: ja  chadit,  ja  chadita  (ja  chadito),  ty  chadit, 
ty  chadita  (ty  chadito),  on  (cetovek)  chadit,  ana 
(zenäöina)  chadita,  ano  (dit'a)  chadito.  Doch 
auch  im  polnischen  kann  man  dieselbe  neigung,  das  Per- 
sonalpronomen vom  verbum  gesondert  auszudrücken,  wahr- 
nehmen. Es  gibt  leute,  die  fortwährend  ja,  ty,  on,  ona 
u.  8.  f.  brauchen. 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         61 

13.     Neutra  mit  dem  suffixe  -m'en  (-m'on). 

Die  ncutra  mit  dem  suffixe  im  plur.  -m'on  (-m'en), 
im  sing,  -m'en,  haben  den  nom.  sing,  auf  -m'<j,  z.  b.  stirem \ 
(Steigbügel),  ram'§  (arm),  bfem'§  (bürde)  etc.  Da  nun 
die  nasalen  vocale  im  auslaute  ihren  nasalton  sehr  leicht 
aufgeben,  so  werden  auch  diese  nominative  von  vielen  mit 
e  anstatt  q  ausgesprochen.  Dies  übt  einflufs  auf  die  ganze 
declination  dieser  Wörter;  sie  werden  dann  wie  die  palatal 
auslautenden  stamme  mit  nom.  sg.  auf  -e  (z.  b.  pole  feld, 
slonce  sonne  u.  8.  f.)  von  manchen  personen  gefühlt  und 
demgemäfs  declinirt:  gen.  stfema,  bf em'a  f.  stf emena, 
bfem'ena,  dat.  stfem'u,  instr.  stfemem,  loc.  stfem'u. 
Vgl.  stamm  neb'os-  neben  neb-  (himmel),  *koles-  neben 
kol-  (rad),  *slow'es-  neben  slow-  (wort)  u.  ähnl.  Nur 
ist,  so  viel  ich  weifs,  der  plural  (in  dem  auch  ein  anderer, 
hart  auslautender  stamm  zu  gründe  liegt)  von  dieser  ana- 
logie verschont  geblieben,  und  man  sagt  noch  allgemein: 
nom.  strem'ona,  brem'ona,  gen.  stfem'on,  bfem'on 
u.  8.  f.;  manche  Wörter  aber  unterliegen,  meines  wissens 
wenigstens,  gar  nicht  dieser  analogie,  und  man  spricht  z.  b. 
neben  nom.  ram'e  ausnahmslos  gen.  ram'ena,  dat.  ram'enu 
u.  s.  w. 


14.     Adjectivische  declination  bei  den  im  sing, 
femininisch  declinirten  masculina. 

Manche  substantiva  sind  masc.  und  werden  dennoch, 
im  sing,  wenigstens,  feminin  declinirt,  z.  b.  8§dza  (richter), 
hrab'a  (graf),  m$scyzna  (mannsperson)  *),  wojewoda 
(wojwode),  organista  (organist)  u.  s.  f.  Einige  von  ihnen 
sind  contrahirt  oder  haben  auf  palatale  auslautende  stamme 
und  hatten  ehemals  (vergl.  den  genit.  sing.),  nebst  andern 
contrahirten  feminina,  im  gen.,  loc.  und  dat.  sg.  neben  ih- 

*)  In  den  denkmälern  des  15.  jahrh.  bedeutet  das  wort  meniscyzna 
neben  zeniscyzna  (vergl.  rass.  zenscina)  u.  a.  nicht  manns-,  sondern 
weibsperson. 


62  ßaudouin  de  Courtenay 

rer  eigentlichen  endung  -i  auch  eine  andere,  in  folge  der 
analogie  von  den  adjeetiven  entlehnte,  nämlich  -ej;  man 
sprach  z.  b.  s$dzej  neben  s$dzi,  r^kojm'ej  neben  r$- 
kojm'i  (des  bürgen),  hrab'ej  neben  hrab'i.  Damit  rei- 
chen sie  einigermaßen  in  das  gebiet  der  adjeetiva  hinüber, 
und  als  später  das  gefühl  des  natürlichen  genus  erwachte 
und  manchmal  das  übergewicht  über  die  endungsgemäfse 
declination  gewann,  bekamen  sie  im  gen.  (acc),  dat.  und 
loc.  sing,  die  adjeetivischen  masc.  endungen  -ego,  -emu? 
-ym  (-im),  z.  b.  gen.  s$c|zego,  hrab'ego,  r§kojm'ego 
neben  s$dzej,  hrab'ej,  r^kojm'ej  und  s$dzi,  hrab'i, 
r^kojm'i  (acc.  s^dzego  etc.  neben  s§dz§  oder  SQdz§, 
hrab'$  u.  s.  f.);  loc.  s$dzim,  hrab'im  neben  s$dzej, 
hrab'ej  und  s$dzi,  hrab'i.  Nun,  und  zwar  wahrschein* 
lieh  erst  in  diesem  Jahrhundert,  wirkte  die  analogie  dieser 
substantiva  auf  einige  andere  ähnliche,  vermöge  des  iden- 
titätsgefühls  einer  kategorie  von  masculina  mit  dem  nom. 
sg.  auf  -a  (wie  feminina);  und  demgemäfs  bildet  das  pol- 
nische volk  z.  b.  gen.  f  ^eeego  (rz^deego),  dozoreego, 
ferner  kolonistego,  organistego  (beide  fremden  Ur- 
sprungs mit  suff.  -ist-,  nom.  ista)  u.  s.  f.  neben  f  §ccy, 
dozorey,  kolonisty,  organisty;  dat.  r^ccemu,  do- 
zorcemu,  kolonistemu,  organistemu  neben  f$ccy, 
dozorey,  kolonis<5e,  organis<5e;  acc.  (=  gen.)  f qc- 
cego  u.  8.  f.  neben  f^cc§,  kolonisty  u.  s.  f.,  von  den 
stammen  nom.  sg.  f  $cca  (haus Verwalter),  dozorca  (Schutz- 
mann), kolonista  (kolonist),  organista  (organist). 

Bei  andern  solchen  Substantiven  wirkte  das  erwachen 
des  genu8gefühls  in  anderer  richtung;  es  erzeugte  da  sub- 
stant.  masc.  endungen;  z.  b.  dat.  sing,  stförcow'i  neben 
stförey  nom.  sing,  stförca  (schöpfer). 

15.     Syntactischer  factor  in  der  analogie. 

Dieser  ist  ein  mächtiger  factor  in  seiner  wirkung  auf 
die  endungen.  Ihm  z.  b.  verdankt  man,  dafs  bei  den  neu- 
tren  der  nomin.  dem  aecusative  gleicht. 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         63 

In  der  geschichtlichen  entwickelung  der  polnischen 
declination  läfst  sich  auch  der  syntactische  factor  bemer- 
ken. Jch  will  dies  nicht  näher  untersuchen  und  erwähne 
blofs,  dafs  rein  synthetische  motoren  folgendes  verursachen 
konnten: 

1)  allmähliche  Verschmelzung  des  vocativs  mit  dem 
nominativ.  Der  vocativ  gibt  stufenweise  seine  eigentüm- 
liche endung  auf  und  gleicht  dem  nom. 

*2)  die  Vertretung  des  nom.  pl.  durch  den  acc.  pl.  bei 
den  feminina  und  unpersönlichen  masculina  (mit  verschie- 
denen übergangen); 

3)  die  Vertretung  des  accus,  durch  den  genitiv  bei 
den  lebende  wesen  bezeichnenden  masculina  und  anderes 
(cf.  dual). 

16.     Dual. 

Der  ganze  dual  im  polnischen  unterliegt  jetzt,  bis  auf 
wenige  spuren,  der  analogie  des  plurals,  wozu  mancherlei 
factoren  mitwirkten;  erstens  der  syntactische  factor,  ferner 
das  streben  nach  Vereinfachung  der  sprachlichen  formen, 
wobei  beide  die  mehrheit  bezeichnenden  zahlen  zusammen- 
flössen, und  zwar  so*  dafs  der  ungleich  häufigere  plural  die 
oberhand  gewann;  dann  wirkte  zur  Vertilgung  des  duals 
das  vergessen  des  Zusammenhanges  der  endungen  mit  der 
inneren  form  (wie  hier,  mit  der  zahl)  u.  s.  w.  Jedoch  gibt 
es  auch  reste  des  duals. 

In  der  früheren  polnischen  spräche  aber  war  der  dual 
im  gebrauche,  und  seine  anwendung  nimmt  erst  mit  der 
zeit  ab.  Doch  ist  auch  in  den  ältesten  denkmälern  sein 
gebrauch  fast  nur  auf  namen  der  paarigen  körperglieder 
(meist  mit  pronomina  possessiva)  und  auf  die  mit  den  Zahl- 
wörtern dwa  (zwei),  oba  (beide)  u.  ä.  verbundenen  sub- 
stantiva  beschränkt,  wo  die  zweiheit  dem  syntactischen 
zusammenhange  zu  folge  ganz  deutlich  hervortritt.  Es  ist 
beachtenswerth,  dafs,  wie  die  paarigen  glieder  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach    zur   bildung   des  duals  anlafs  ge- 


64  Baudouin  de  Courtenay 

geben  hatten,  so  auch  die  sie  bezeichnenden  substantiva 
den  dual  am  längsten  behielten.  Dies  war  die  folge  1)  des 
altertümlichsten  Ursprungs  und  der  sehr  häufigen  Wieder- 
holung, also  der  längsten  vererbung  tund  damit  des  zähe- 
sten  zusammen  Wachsens  mit  der  natur  der  spräche,  2)  der 
natürlichen  grundlage,  die  ganz  augenscheinlich,  handgreif- 
lich ist.  Später,  als  der  gebrauch  des  duals  allmählich 
verschwand,  erhielt  er  sich  am  längsten  und  bis  zur  stunde 
aufser  einigen  benennungen  der  körperglieder  (doch  vielfach 
entstellt)  in  festen  Wendungen  und  sprüch worten.  Damit 
vergleiche  man  den  locat.  sing,  ohne  präposition  in  zim'e 
(im  winter),  lele  (im  sommer;  noch  im  18.  jahrh). 

Gleich  wie  im  altindischen  und  altbulgarischen  wer- 
den auch  im  polnischen  drei  dualendungen  unterschieden: 
1)  nom.  und  acc,  2)  dat.  und  instrum.,  3)  loa  und  gen. 
Ich  will  alle  diese  formen  einzeln  durchnehmen. 

1)  Nom.  und  acc.  a)  Masc.  Die  endung  ist  -a, 
bei  allerlei  stammen,  nur  mit  dwa  (zwei)  und  oba  (beide) 
gebräuchlich.  Im  gebiete  der  substantiva  hielt  sie  sich 
länger  bei  den  palatal-,  als  bei  den  hartauslautenden  stam- 
men. So  z.  b.  finden  wir  ona  dwa  bra<5enca  (jene  zwei 
brüder),  dwa  grosa  (zwei  groschen),  dwa  rydla  oder 
dwa  ryla  (zwei  spaten),  dwa  chor^za  (zwei  fahnen trä- 
ger; 15.  jahrh.),  dwa  m'e^ca  (zwei  monde),  dwa  m'eca 
(zwei  Schwerter;  1.  hälfte  des  16.  jahrh.),  puchaca  dwa 
(zwei  uhu),  dwa  m'eca,  dwa  kfyza  (zwei  kreuze),  dwa 
tys^ca  (zwei  tausende),  dwa  krola  (zwei  könige;  2.  hälfte 
des  16.  jahrh.),  dwa  konea  (zwei  enden;  17.  jahrh.),  dwa 
tys^ca,  dwa  grosa,  dwa  garca  (zwei  garniec;  1.  hälfte 
des  18.  jahrh.)  u.  s.  f.  Von  den  hartauslautenden  stammen 
haben  wir  nur  sehr  sparsame  beispiele:  dwa  wota  (zwei 
ochsen)  u.  ä.,  und  schon  im  14.  jahrh.  liest  man  dwa  pro- 
logi  (zwei  prologe),  und  später  dwa  syny  (zwei  söhne; 
1500),  dwa  ja8tfj|b'i  (zwei  habichte;  um  1550),  obadwa 
narody  (beide  nationen;  1590)  u.  8.  f.  Aber  auch  die 
palatalauslautenden  stamme  fingen  schon  im  16.  jahrh.  an 
den  dual   durch  den  plural  zu  ersetzen,   z.  b.  dwa  m'ece 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         65 

(zwei  Schwerter),  dwa  w^ze  (zwei  schlangen),  dwa  mto- 
dzency  (zwei  Jünglinge)  u.  s.  w.,  was  stufenweise  zum 
schwinden  des  dualen  -a  führte.  Nichtsdestoweniger  kann 
man  noch  heute  dwa  grosa,  dwa  garca  und  selbst 
dwa  kuryjerka  (nom.  sg.  kuryjerek,  courierchen,  name 
eines  in  Warschau  erscheinenden  tageblattes)  neben  den 
häufigeren  dwa  grose,  dwa  garce,  dwa  kuryjerki 
hören.  Die  Wirkung  des  nom.  und  acc.  dual.  masc.  auf  den 
nom.  plur.  masc.  haben  wir  schon  oben  gesehen. 

Nicht  nur  substantiva,  sondern  auch  adjectiva  nahmen 
im  ältesten  polnisch  den  dual  an;  ich  habe  nur  ein  beispiel 
gefunden:  dwa  bradenca  barzo  bogata  (zwei  brüder 
sehr  reiche;  15.  jahrh.);  für  pronomina:  ta  jesta  m'$ 
naucyta  (diese  haben  mich  gelehrt;  14.  jahrh.),  ona 
dwa  brarferica  (jene  zwei  brüder),  jozef  z  maryjg 
jesta  ona  byla  pfyäla  (Joseph  mit  Marie  (sie)  sind  ge- 
kommen), tac  S3  byta  (diese  sind  gewesen;  15.  jahrh.). 
Dagegen  liefern  mehr  beispiele  die  participia  praeteriti,  in 
der  Zusammensetzung  mit  dem  verbum  substantivum  (auch 
im  dual,  z.  b.  3.  pers.  jesta  u.  s.  f.)  das  praeteritum  bil- 
dend: chodzita  jeswa  (wir  zwei  gingen;  14.  jahrh.),  ta 
jesta  m'$  naucyla  (diese  zwei  haben,  wörtl.  sind,  mich 
gelehrt;  14.  jahrh.),  byta  sta  (f.  jesta)  dwa  bradenca 
barzo  bogata  a  tad  83  byla  sfoja  m'asta,  grody  i 
dzedziny  spfedala  a  uböstfu  (collectivum)  i  teze  na 
kosdoty  s^d  je  oni  byli  rozdali  (nicht  ona  byta  roz- 
data,  wegen  der  zu  weiten  entfernung  des  subjects  dwa 
bradenca)  a  sf^tego  Jana  s%6  oni  byli  naslado- 
wali  (nicht  nasladowala;  es  waren  zwei  brüder  sehr 
reich  und  diese  haben  ihre  städte,  bürgen  und  erbgüter 
▼  erkauft  und  den  armen  und  auch  für  die  kirchen  ha- 
ben sie  dieselben  vert heilt,  und  dem  heiligen  Johann 
sind  sie  gefolgt;  15.  jahrh.);  a  gdysrfi  w'^c  jözef  z 
maryj^  jesta  ona  byta  do  tego  to  m'asta  pfysta 
(und  nachdem  also  Joseph  mit  Marie  (sie)  sind  in  die  Stadt 
gekommen;  15.  jahrh.),  bytasta  oba  (jözef  i  maryja) 
w    tym   domnimanu  (sie  waren   beide  —  Joseph   und 

Beiträge  z.  vgl.  spraohf.  VI.  1.  5 


66  Bandouin  de  Conrtenay 

Maria  —  in  dieser  vermuthung;  1520).  Bei  diesen  formen 
werden  manchmal  die  genera  vergessen  und  das  ganze  als 
eine  verbale  form  betrachtet.  So  z.b.  fßr  das  neutr.:  serce 
(neutr.)  moje  i  rfalo  (neutr.)  moje  weselita  (f.  wese- 
lile,  vielleicht  auch  der  dissimilation  wegen  vermieden,  cf. 
französ.  mon  äme  f.  ma  äme  u.  s.  f.  und  durch  den  ein- 
flufs  des  nom.  pl.  neutr.  unterstützt)  s$  jesta  (mein  herz 
und  mein  körper  freuten  sich);  för  das  fem.  poc$lasta 
(schon  contrahirt  aus  poc^la  jesta  f.  poetle  jesta) 
sob$  gadad  i  rozmaw'al  dw'e  gw'azdze  neb'esKe 
matki  (pl.)  sf§te  (sie  haben  begonnen,  mit  sich  zu 
sprechen  und  zu  unterreden,  zwei  himmlische  Sterne,  hei- 
lige raütter;  1520). 

Der  nominativ  masc.  des  Zahlwortes  dwa  wird  noch 
jetzt  gebraucht,  aber  nur  bei  unpersönlichen  substantiva. 
Bei  persönlichen  hat  er  eine  postjotation  nach  der  analogie 
anderer  numeralia  (tfej,  cterej)  bekommen  und  heifst 
dwaj  (cf.  dzisaj  heute,  tutaj  hier,  fcoraj  gestern  u.  s. f. 
f.  dzisa,  tuta,  fcora).  Demzufolge  sagt  man  dwa  stoty 
(zwei  tische),  dwa  w'illti  (f.  w'ilky,  zwei  wölfe),  aber 
dwaj  panow'e  (zwei  herren),  oder,  was  noch  häufiger 
vorkommt,  man  setzt  den  gen.  anstatt  des  nom.  und  acc: 
dwoch  (dwuch  oder  dwu)  panöf  oder  synöf  sowohl 
pfyälo  (nom.  sing,  neutr.;  zwei  herren  oder  söhne  sind 
gekommen),  als  auch  dwoch  panöf  (acc.)  widzalein  (ich 
habe  zwei  herrn  gesehen).  Dieser  unterschied  und  Vertre- 
tung eines  casus  durch  den  anderen  ist  eine  seeundäre  er- 
scheinung  und  fällt  in  den  bereich  der  syntax. 

Vom  dual  des  persönlichen  pronomens  finden  wir  keine 
spuren.  Man  könnte  ihn  wohl  aus  den  verbalformen  aus- 
scheiden, doch  hätten  diese  erschlossenen  formen  nicht  die 
bedeutung  wirklicher  thatsachen.  Es  wären  für  die  1.  ps. 
wa  oder  vielleicht  auch  ma(pödzma,  cf.  oben  bei  nom. 
pl.  masc.  auf  a;  wahrscheinlich  m  vom  plur.,  a  vom  dual), 
für  die  2.  und  3.  ta.  Ich  füge  noch  hinzu,  dafs  die  beim 
volke  gebräuchliche  höfliche  anrede  der  2.  person  nicht 
blofs  ty  (du),  sondern  wy  (ihr)   dwojenie  (doppelung) 


einige  falle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.        67 

genannt  wird.  Es  ist  ein  directer  beweis  dafür,  dafs  man 
früher  den  dual,  nicbt  den  plural  zu  solchem  zwecke 
brauchte,  und  dafs  der  gebrauch  noch  aus  der  zeit  stammt, 
als  man  den  dual  noch  fohlte. 

b)  Neutr.  Bei  den  hartauslautenden  ist  die  endung 
-je,  bei  den  palatalauslautenden  stammen  aber  -j\,  z.  b. 
dw'e  sde  (zwei  hundert,  noch  als  zwei  worte  geffthlt  im 
15.  und  16.  jahrh.;  jetzt  gilt  dw'esde  als  ein  wort),  dw'q 
lede  (zwei  jähre;  bis  ins  18.  jahrh.  im  allgemeinen  ge- 
brauche als  sehr  häufig  wiederholte,  stete  Wendung),  dw'e 
wojsce  (zwei  beere),  dw'e  m'esde  (zwei  orte;  16.  jahrh.) 
neben  dw'e  wojska,  dw'e  m'asta,  dw'e  ja.dercc  (zwei 
kernchen  oder  testiculi),  d  w'e  zarne  (zwei  kerne ;  1 7.  jahrh.) 
u.  8.  f.;  dw'e  sloncy  (zwei  sonnen),  dw'e  poli  (zwei  fel- 
der;  16.  jahrh.),  ocy  (äugen),  usy  (ohren;  bis  zur  stunde 
gebräuchlich).  Ein  sehr  bekanntes  sprüchwort  ist:  m§dr^j 
glow'e  doStf  dw'e  slow'e  (einem  klugen  köpfe  sind  genug 
zwei  worte).  So  lautete  früher  dies  sprüchwort.  Nach- 
dem aber  der  dual  aus  dem  sprachgebrauche  verschwun- 
den, verstand  man  dies  sprüchwort  nicht  mehr  und  sub- 
stituirte  des  reimes  wegen  f.  dw'e  slow'e  —  na  slow'e 
(auf  einem  worte,  ein  wort):  ma,drej  gtow'e  dosd  na 
slow'e.  —  Dw'e  lede  kommt  noch  jetzt  als  stete  wendung 
in  der  polnischen  Volkssprache  vor,  und  selbst  manche 
Schriftsteller  wenden  diese  alte  form  an.  Sie  fühlen  dw'e 
lede  aber  nicht  mehr  als  den  dual,  sondern  als  eine  mit  den 
numeralien  zusammenhängende  form,  und  schreiben  auch 
tfy  lede,  ctery  lede  für  und  neben  tfy  lata  (drei  jähre), 
ctery  lata  (vier  jähre);  womit  man  vergl.  den  russischen 
nom.  pl.  masc.  auf  -a  (dualen  Ursprungs)  bei  Zahlwörtern, 
z.  b.  nicht  nur  dva  celaVeka  (zwei  menschen),  sondern 
auch  tri  cetaveka  (drei  menschen),  cetyre  öelaVeka 
(vier  menschen),  aber  p'at'  celav'ek  (fünf  menschen). —  Der 
nom.  acc.  dual  auf  -ji  ist  früher  ausgestorben  als  der  auf 
-je;  er  hinterliefs  aber  einige  spuren  in  der  jetzigen  spräche. 
So  haben  wir  ocy,  uäy,  plecy  (schultern;  letzteres  jetzt 
als  plur.  fem.  gefohlt)  von  st.  oc-,  uä-,  plec-,  welche  alle 

5* 


68  Baudouin  de  Courtenay 

aber  nur  als  plurale  gefühlt  werden  (schon  im  14.  jahrh.). 
Man  bildet  auch  den  eigentlichen  plural  von  den  stammen 
ok-,  uch-,  also  nom.  oka,  ucha,  aber  mit  anderer  be- 
deutung:  oka  wohl  äugen,  aber  in  einem  netz,  ucha  ohren, 
aber  am  topfe  oder  korbe  (früher  auch  menschliche  ohren 
bedeutend,  z.  b.  dw'e  ucha,  1700).  Neben  plecy  findet 
man  im  17.  jahrh.  von  demselben  stamme  den  eigentlichen 
plural  pleca,  dessen  parallele  ich  in  dem  allein  gebräuch- 
lichen nozdfa  (oder  nozdfe  fem.,  nasenlöcher),  für  den 
dual  nozdfy,  welchen  wir  erschliefsen  müssen,  da  andero 
dnalcasus  von  nozdfe  wirklich  vorkommen  (cf.  unten;  der 
nom.  sing,  heifst  nozdfe),  und  in  jajca  (hoden)  f.  dual 
jajcy  (sing,  jajce  kommt  nicht  vor;  cf.  jajo,  jajko,  das 
ei)  sehe. 

Vom  nom.  acc.  dual,  des  neutr.  von  den  adjectiven 
finde  ich  kein  beispiel;  dafür  aber  vom  pronomen  posses- 
sivum,  aber  nur  im  14.  jahrh.,  und  schon  damals  neben 
den  pluralen  formen:  oöy  moji  (meine  äugen),  oöy  tfoji 
(deine  äugen)  neben  oöy  moje  und  ocy  gospodnowy 
(die  äugen  des  herrn),  und  nur  usy  tfoje  (deine  ohren). 

Participium  praeter,  mit  dem  verbum  subst.  das  prae- 
teritum  bildend:  pom diele  jesta  ocy  moje  (meine  äugen 
sind  matt  geworden),  wyw'edle  jesta  ocy  moje 
(meine  äugen  haben  herausgeführt),  w'idzcle  jesta  ocy 
tfoji  (deine  äugen  haben  gesehen),  ocy  moji  mdlesta 
aus  mdle  jesta  contrahirt,  mdle  eher  adject.  als  partic.) 
byle  (meine  äugen  waren  matt  geworden;  alles  aus 
dem  14.  jahrh.). 

Das  zahlwort  lautete  im  nom.  acc.  dual,  neutr.  dw'e, 
ob'e,  und  noch  nach  dem  verschwinden  des  duals  bei 
neutr.  Substantiven  brauchte  man  es  in  Verbindung  mit  plu- 
ralen formen.  So  z.  b.  dw'e  lerfe  (zwei  jähre),  dw'e  m'e- 
ide  (zwei  ort£;  cf.  oben),  ocy  ob'e  (beide  äugen),  heba 
ob'e  (beide  himmel),  dw'e  ucha  (zwei  ohren),  dw'e  w'elKe 
dfewa  (zwei  grofse  bäume),  f  sto  lat  tfydzeSci  i  dw'e 
(nach  132  Jahren),  dw'e  starostfa  (zwei  starosteien),  pfes 
dw'e  le<5e  (zwei  jähre  hindurch),  na  lat  dw'e  (auf  zwei 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         69 

jähre),  wojska  ob'e  (beide  heere),  stowa  ob'e  (beide 
worte),  lat  dw'e  u.  s.  f.  Aber  schon  im  17.  jahrh.  finden 
wir  im  neutr.  dwa,  oba  fiftr  dw'e,  ob'e,  z.  b.  m'^dzy 
oba  wojska  (zwischen  beide  heere).  Diese  formen  dran- 
gen ins  neutrum  ein  in  folge  der  wirkung  zweier  factoren, 
zweier  analogien:  des  duals  masc,  und  des  pl.  neutr.  Beim 
volke  ist  noch  die  form  dw'e,  z.  b.  dw'e  Jede,  neben  dwa 
im  gebrauche. 

c)  Fem.  Die  endungen  sind  identisch  mit  denen  des 
neutrums:  -je  bei  den  hart-,  -ji  bei  den  palatalauslauten- 
den. Die  femin.  auf  - j  e  hielten  sich  am  längsten  von  allen 
dualformen;  z.  b.  dw'e  bapce  (zwei  hebammen),  je  (f.  jej) 
r$ce  (ihre  hände),  na  ob'e  strone  (auf  beide  Seiten; 
15.  jahrh.),  dw'e  sekife  (zwei  äxte),  dw'e  motyce  (zwei 
hauen),  dw'e  persone  (zwei  personen;  1450),  dw'e  se- 
kefe  (zwei  äxte;  1500),  dwVryb'e  (zwei  fische),  dw'e 
gw'azdze  (zwei  sterne),  na  ob'e  dw'e  nodze  (auf  beide 
fbfse),  dw'e  sukence  (zwei  rockeben;  1520),  dw'e  gf  y  wne 
(zwei  mark),  dw'e  nedzw'edze  lap'e  (zwei  bärenpfoten), 
dw'e  zene  (zwei  frauen),  ty  dw'e  dyjane  (diese  zwei 
Dianen),  dw'e  osob'e  (zwei  personen),  dw'e  wadze  (zwei 
mängel),  dw'e  drodze  (zwei  wege),  r§ce,  nodze  (föfse), 
dw'e  skodze  (zwei  schaden),  dw'e  s^sedze  (zwei  nach- 
barinnen;  1570),  giow'e  ob'e  (beide  köpfe),  dw'e  äkodze 
(zwei  schaden),  dw'e  strone  (zwei  Seiten),  ryb'e  (zwei 
fische),  gw'azdze  (zwei  sterne),  panne  (zwei  fräulein), 
b'alegtow'e  (zwei  weiber;  1585),  dw'e  f ece  (zwei  flüsse), 
strale  (zwei  pfeile),  nauce  (zwei  doctrinen),  dw'e  skale 
(zwei  felsen),  na  strone  ob'e  (auf  beide  Seiten)  neben 
strony  ob'e,  re.ee  ob'e  (1590),  po  dw'e  dragm'e  (je 
zwei  drachmen),  dw'e  öcypde  (zwei  prisen),  ob'e  strone 
(1620),  ob'e  korone  (beide  krönen),  dw'e  pafe  (zwei 
paare),  dw'e  osob'e  (1690),  na  ob'e  strone,  dw'e  k&q- 
dze  (zwei  bücher),  dw'e  stom'e  (zwei  strohe),  dw'e  po- 
wadze  (zwei  autoritäten),  dw'e  godzine  (zwei  stunden), 
dw'e  sestfe  neben  dw'e  Sostfe  (zwei  Schwestern),  ob'e 
matee  (beide  mötter),  dw'e  kolumhe  (zwei  Säulengänge 


70  Baudouin  de  Courteoay 

1695),  dw'e  panne  (1700),  na  ob'e  strone,  dw'e  ks$- 
dze,  dw'e  Sostfe,  dw'e  ätuce  (zwei  stück;  1720),  dw'e 
rode  (zwei  rotten),  na  ob'edw'e  strone,  dw'e  klodze 
(zwei tonnen;  1735),  dw'e  wloce  (zweihufen),  dw'e  osob'e, 
dw'e  Sostfe  (1740)  u.  s.  f.  Die  formen  auf  -ji  bei  den 
palatalauslautenden  stammen  dauerten  nicht  so  lang;  wenn 
sie  auch  noch  im  18.  jahrh.  vorkommen,  so  ist  es  dennoch 
nur  ausnahmsweise  und  sie  werden  mit  dem  plur.  verwechselt: 
dw'e  nedzeli  (zwei  Sonntage),  dw'e  6$sdi  (zwei  theile, 
gleich  dem  plur.;  1450),  dw'e  nedzeli  (1500),  dw'ekonw'i 
(zwei  grofse  kannen;  1570),  dw'e  zrenicy  (zwei  pupillen), 
dw'e  nedzeli,  dw'e  troji(zweiTroja's),  dw'e  m'ili(zwei 
meilen;  1585),  dw'e  nedzeli,  dw'e  m'ili,  dw'e  pldi  (zwei 
geschlechter),  dw'e  smycy  (zwei  hetzriemen;  1695),  dw'e 
m'ili,  dw'e  pI<H,  dw'e  chorqgw'i  (zwei  fahnen;  1720), 
dw'e  f£i  (zwei  dörfer;  1730),  dw'e  nedzeli  neben  dw'e 
nedzele,  dw'e  m'ili  (1735)  u.s. f.  Diese  form  verwechselte 
man  später  mit  nom.  pl.  fem.:  fsi,  möy  (messen),  smycy, 
zlo.4di  u.  s.  f.  neben  fse,  mäe,  smyce,  zlosde.  Sie  lebt 
noch  als  volksthömlicher  ausdruck:  dw'e  nedzeli,  aber 
man  spricht  auch  tfy  nedzeli  neben  tfy  nedzele  (drei 
Sonntage);  man  fohlt  also  diese  endung  als  eine  mit  den 
numeralien  zusammenhängende.  Mehr  verbreitet  in  der 
Volkssprache  und  noch  als  dual  gefühlt  sind  andere  for- 
men, von  hartauslautenden  stammen,  auf  -je,  diese  sind 
zumal  in  Volksliedern  des  reimes  wegen  beibehalten;  doch 
sind  sie  auch  in  der  Umgangssprache  des  volkes  üblich. 
So  z.  b.  dw'e  dzefcyiie  (zwei  mädchen),  dw'e  pole  (zwei 
schö&e  am  kleide,  nom.  sg.  pola),  dw'e  bab'e  (zwei  alte 
weiber),  dw'e  koze  (zwei  ziegen),  dw'e  kfarde  (zwei 
quart)  u.  s.  f.  —  Die  form  r$ce  (hände)  kommt  auch  in 
der  Schriftsprache  vor;  aber  sie  ist  jetzt  plural  geworden, 
und  von  irgend  einer  mehrbeit  von  händen  wird  niemals 
r$ki,  sondern  nur  r$ce  gebraucht;  r$ki  existirt  gar  nicht 
als  nom.  und  acc.  plur.  —  Schon  im  16.  jahrh.  begann 
man  auch  in  Verbindung  mit  dw'e,  ob'e  den  plural  anzu- 
wenden.    Selbst  dann,  wenn  zu  dw'e  zwei  substantiva  ge- 


eiuige  fälle  der  wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         71 

hören,  und  eines  zu  weit  entfernt  in  demselben  satze  steht, 
hört  das  geföhl  des  duals  auf,  z.  b.  dw'e  gw'azdze  ne- 
b'cste  matKi  (nicht  matce)  sf$te  (zwei  himmlische 
sterne,  heilige  mütter;  1520).  Andere  beispiele:  strony 
ob'e  neben  strone  obe  (beide Seiten;  1590),  dw'e  uncyje 
(zwei  unzen;  1620),  strony  ob'e  dw'e  (1680),  dw'e  drogi 
(zwei  wege),  dw'e  cörKi  (zwei  töchter),  dw'e  Wellte  gory 
(zwei  grofse  berge;  1695),  dw'e  kozy  (zwei  ziegen;  1700), 
dw'e  zawady  (zwei  hindernisse;  1720),  dw'e  nedzele 
neben  d  w'e  nedzeli  (zwei  Sonntage;  1735)  u.  s.  w.  u.  8.  w. 

Pronomen  possessivum:  r§ce  sfoji  (seine  hände;  14. 
jahrh.). 

Pronomen  demonstrativum :  <?e  (diese;  14.  jahrh.). 

Participium  praeteriti,  mit  dem  verbum  substantivum 
das  praeteritum  bildend:  ne  stregle  (sie  wachten  nicht), 
6e  jcsta  m'e  pfew'edle  i  dow'edle  (diese  haben  mich 
durchgeführt  und  zugeführt),  r§ce  jego  sluzyle jesta 
(seine  hände  dienten),  zama.tek  i  tesnica  nalezle  (in 
folge  der  genuscongruenz  mit  dem  zweiten  substantivum  fem. 
tesnica,  nach  dem  allgemeinen  syntactischen  gesetze  sollte 
sich  das  praedicat  in  betreff  des  genus  nach  dem  masc. 
zam^tek  richten)  jesta  m'^  (die  Verwirrung  und  Sehnsucht 
haben  mich  gefunden;  14.  jahrh«),  je  (gen.  sg.  fem.  f.  jej) 
r$ce  83  (nicht  jesta)  byle  uschle  (ihre  hände  sind 
verdorrt  geworden;  15«  jahrh.). 

Das  zahlwort  dw'e,  ob'e  ist  bis  zur  stunde  ohne  alle 
Veränderung  geblieben. 

2)  In str.  und  dat.  Die  verschiedenen  endungen  die- 
ses casus  sind:  -ama,  -oma,  -ima,  -ema,  -jema, 
-yma.  Der  haupttheil  aller  dieser  endungen  ist  -ma, 
und  der  vorhergehende  vocal  hing  ursprünglich,  wie  es 
scheint,  vom  stammauslaute  oder  vom  genus  ab.  So  z.  b. 
gehörte  -ama  ohne  zweifei  den  femininen.  Wir  finden 
nämlich  instr.  r$kama  (mit  zwei  händen)  im  14..  15.  und 
selbst  noch  im  17.  jahrh.  Es  kommt  auch  ein  beispiel  für 
diese  endung  im  masc.  vor:  m'e  dz  y  dw'ema  dorn  ama 
(zwischen  zwei  häusern;  15.  jahrh.).   Sie  unterlag  aber  sehr 


\ 


72  Baudouin  de  Courtenay 

früh  der  analogie  des  masc.  -oma,  welches  sowohl  im 
masc.,  als  auch  im  fem.  und  neutr.  6ich  zeigt,  womit  man 
-öm  vergleiche,  das  jetzt  im  dat.  plur,  allein  herrscht, 
-yma  und  -oma  sind  nur  phonetische  Veränderungen  der- 
selben endung  und  gehören  dem  neutr.;  -jema  kommt 
beim  zahlworte  dw'ema,  -yma  nebst  -ema  bei  adjectivis 
und  was  damit  zusammenhängt  vor. 

Der  dativ  hat  viel  froher  seine  duale  endung  aufge- 
gegeben,  als  der  instrumental.  Vom  dativ  finden  wir  sehr 
sparsame  beispiele:  masc.  onyma  dw'ema  bradeneoma 
(jenen  zwei  brüdern),  ob'ema  sfyma  p  an  oma  (seinen 
beiden  herren;  15.  jahrh.),  dw'ema  groäoma  (den  zwei 
groschen)  neben  zemanom  dw'ema  (zweien  landedelleu- 
ten;  1500)  und  dw'ema  zwolenikom  (zweien  anhängern; 
1520)  u.  s.  f.;  fem.:  ob'ema  stronoma  (beiden  Seiten; 
1500)  u.  8.  f.;  kein  neutr.,  kein  ocyma,  usyma,  sondern 
nur  plur.  o com,  uäom.  Am  längsten  hielt  sich  der  dativ 
beim  personalpronomen  nama  (uns  beiden),  wama  (euch 
beiden),  und  (bis  zur  stunde)  im  zahlworte  dw'ema,  ob'- 
ema oder  dwoma,  oboma.  Der  entwickelungsgang  des 
instrum.  ist  reicher,  mannichfaltiger  und  länger  (die  oben 
angeführten  beispiele  auf  -ama  mitgerechnet),  masc: 
dw'ema  zakonoma  (mit  zwei  gesetzen;  14.  jahrh.), 
dw'ema  prys$znikoma  (mit  zwei  vereideten),  dw'ema 
sfatkoina  (mit  zwei  zeugen),  dw'ema  woloma  (mit 
zwei  ochsen),  se  dw'ema  paropkoma  (mit  zwei  knech- 
ten), se  dw'ema  dzestoma  gfyw'en  (mit  zwanzig  mark 
1450;  1500  schon:  ze  dw'ema  dzesty  instr.  plur.),  ze 
dw'ema  sfatkoma,  dw'ema  woloma,  ze  dw'ema 
celadnikoma  (mit  zwei  gesellen),  ze  dw'ema  rydloma 
(mit  zwei  spaten;  1500),  m'edzy  dw'ema  lotroma  (zwi- 
schen zwei  gaunern),  m'edzy  dw'ema  ölow'ekoma  (zwi- 
schen zwei  menschen),  dw'ema  Strumen  oma  (mit  zwei 
strömen),  dw'ema  dr$goina  (mit  zwei  Stangen;  1520), 
dw'ema  narodoma  (mit  zwei  Völkern),  dw'ema  rogoma 
(mit  zwei  hörnern;  1560)  u.  s.  w.;  fem.:  dw'ema  riedze- 
loma  (mit  zwei   Sonntagen),    m'$dzy   dwoma    dzedzi- 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.  ,      73 

noma  (zwischen  zwei  erbgütern),    ze   dw'ema  slugoma 
(ma8C  mit  zwei  dienern),  dw'ema  ranoma  (mit  zwei  wan- 
den; 1500),    r$koma   wlasnyma  (mit  eigenen  händen), 
tn'edzy  r$koma  (zwischen   den  händen)   neben  r^kämi 
panens&imi    (mit    den    jungfräulichen    händen;     1520), 
dw'ema  fekoma  (mit  zwei  Aussen;  1580),    ob'ema  r$- 
koma  (mit  beiden  händen;  1590)  u.  s.w.;    neutr.:  pfede 
dw'ema  latoma  (vor  zwei  jähren;  1500),  ocyma  (mit  den 
äugen),  usyma  (mit  den  ohren)  beide  seit  dem  14. jahrh. 
bis  zur  stunde;  oeema  (1680,  1730),  usema  (1660),  noz- 
dfema   (mit  den   nasenlöchern ;    1590,    1680),    plecoma 
sfojima   (mit   seinen   schultern;    14.  jahrh.),    s  plecoma 
äerokem'i  (mit  breiten  schultern;  1590),   s  pf yp'econemi 
jajoma  (mit  den  angebackenen  hoden,  testibus,  vor  1700) 
u.  ä.   Hier  aber  begann  die  analogie  des  plurals  auch  sehr 
früh  (im  15.  jahrh.)  einzuwirken:  masc.  s  konmi  dw'ema 
(mit  zwei  pferden;  1590),    dVema  w'efcham'i  (mit  zwei 
gipfeln;  1650),    z  dw'ema  w$zam'i  (mit  zwei  schlangen; 
1700),   m'^dzy  tem'i  dw'ema  zakonam'i  (1730)  u.  s.  f.; 
fem.  m'edzy   dw'ema  dzedzinam'i   (zwischen  zwei  erb« 
gütern;  1450),    m'edzy  dwoma  fekam'i  (zwischen  zwei 
Aussen;  1590)  u.  s.  f.    Aber  der  instr.  dualis  schwand  nicht 
ohne  widerstand  zu  leisten  und  selbst  einige  spuren  seiner 
analogie  zu   hinterlassen.     Aufser  den  eigentlichen  dualen: 
plecoma,  nozdfema,  ocyma,  usyma,  r$koma  u.s.f. 
finden  wir  im  17.  jahrh.  als  plural  z$boma:  zgfytat  z$- 
boma  (er  knirschte  mit  den  zahnen;  1660),    in  folge  des 
zusammenhangsgefübls  mit  numeralien:   pfed  4ma  riedze- 
loma  (vor  vier  wochen;  1690),    bei  den  neuesten  Schrift- 
stellern neben  ocyma,   uäyma,   plecyma  (echter  dual) 
auch  plural  oknyma  (mit  den  fenstern),    wrotyma  (mit 
dem  thore),  fschodyma  (mit  den  treppen),  ustyma  (mit 
dem  munde),  sf^tyma  (mit  den  feiertagen)  u.  s.  w.  neben 
den   häufigeren  plur.:    ocam'i,    usam'i,    plecam'i,    ok- 
nam'i,  wrotam'i,  fschodam'i  oder  schodam'i,  ustam'i, 
äf'Qtam'i    und   neben    okny,    wroty,    fschody,    usty, 
Sf^ty,  selbst  ocy,  usy  (cf.  oben  instr.pl.).     In  volkslie- 


74      ,  Baudouin  de  Courtenay 

dem  kommen  neben  den  eigentlichen  dualformen  auch  solche 
nach  der  analogie  des  dnals  gebildete  instrumentale  plur. 
(des  reimes  wegen  und  in  folge  der  attraction)  vor,  ähn- 
lich wie  im  böhmischen,  z.  b.  rudern  federn  f$doma 
za  ob'ema  stotoma  (der  eigentliche  dual,  maec. ;  in  der 
reihe  in  der  reihe  in  den  reihen  hinter  den  beiden  tischen), 
in'^dzy  dw'ema  topoleckoma  (femin.,  zwischen  zwei 
pappelchen),  o  ni'^dzy  dwoma  göreckoma  b'ezy  woda 
struzeckoma  (beide  fem.,  o!  zwischen  zwei  berglein  läuft 
das  wasser  in  den  Aufsehen).  —  Die  jetzt  gebräuchlichen 
r^koma,  usyma,  oeyma  sind  keine  duale  mehr,  es  sind 
der  bedeutung  nach  lauter  plurale,  neben  den  eigentlichen 
pluralformen,  r^kam'i,  uäani'i,  ocam'i,  üblich. 

In  der  älteren  spräche  begegnen  uns  auch  beispieie 
des  dat.  instr.  dual,  von  adjeetiven,  possessiven  fürwörtern 
und  ähnl.:  dat.  onyma  dw'ema  bralenconia  (jenen  zwei 
brödern),  ob'ema  sfyma  panoma  (seinen  beiden  herren; 

15.  Jahrb.),  dw'ema  sob'e  rownyma  (zweien  sich  glei- 
chen; 1500);  instr.  r$kama  mojima  (mit  meinen  bänden), 
pfed  oeyma  myma  (vor  meinen  äugen),  pfed  oeyma 
tfojima  (vor  deinen  äugen),  pfed  oeyma  gospodno- 
wyma  (vor  den  äugen  des  herrn),  usyma  naäyma  (mit 
unseren  obren),  plecoma  sfojima  (mit  seinen  schultern; 
14.  jahrh),  sfyma  r$kama  (mit  seinen  händen),  dw'ema 
sf'atkoma  lepsyma  albo  znam'enitsyma  i  star- 
syma  (mit  zweien  besseren  oder  vornehmeren  und  älteren 
zeugen;  1450),  dw'ema  rownyma  (mit  zwei  gleichen; 
1500),  r$koma  wlasnyma  (mit  eigenen  händen),  r§- 
koma  sfojima,  tfyma  r$koma  (mit  deinen  händen)  ne- 
ben r$kami  panenskem'i  (mit  den  jungfräulichen  hän- 
den), sfyma  oeyma,  pfed  tfyma  oeyma,  myma 
ceyma  (mit  meinen  äugen),  pfed  oeyma  waäyma  (vor 
euren  äugen),  krfawyma  oeyma  (mit  blutigen  äugen; 
1520),     oeyma  sfema  (1570)  u.  8.  w.,    aber  schon  im 

16.  jahrh.  neben  den   pluralen   formen  (r§kami  panen- 
sKem'i),  und  nicht  über  das  16.  jahrh.  hinaus. 

Was  die  numeralia  dwa,  oba  betrifft,  so  scheint  ihre 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         75 

ursprüngliche  dativ-  und  instrumentalform  dw'ema,  ob'- 
exna  für  alle  genera  zu  gelten.  Diese  formen  leben  bis 
jetzt  fort,  sind  aber,  besonders  als  dativ,  in  sehr  seltenem 
gebrauche;  z.  b.  dat.  masc.  onyma  dw'ema  braden- 
coma,  ob'ema  sfyma  panoma  (15. Jahrb.),  dw'ema 
groäoma,  dw'ema  sob'e  röwnyma,  zemanom  dw'e- 
ma (1500),  dw'ema  zwolenikom  (1520),  ob'ema 
(1590),  bfegom  dw'ema  (den  beiden  ufern;  1680), 
tym  dw'ema  brarfi  (diesen  zwei  brüdern),  ob'ema  (1730) 
u.  8.  f.,  noch  heute  z.  b.  ob'ema  oder  dw'ema  panom 
(beiden  oder  zweien  herren);  fem.  ob'ema  stronoma(den 
beiden  Seiten;  1500)  u.  s.  f.,  noch  heute:  dw'ema  dzef- 
cynom  (zweien  mädchen),  ob'ema  stronom  u.  8.  w.;  als 
instr.  werden  dw'ema,  ob'ema  häufiger  gesprochen  und 
geschrieben,  doch  nicht  ausschliefslich.  Daneben  bildete 
sich  im  16.  jahrh.,  vielleicht  nach  analogie  der  substantiva 
in  folge  der  congruenz,  die  form:  dwoma,  oboma,  z.  b. 
m'$dzy  dwoma  fekam'i  (zwischen  zweien  flössen)  neben 
ob'ema  r$koma  (mit  beiden  bänden;  1590),  krölewi- 
com  dwoma  (den  zwei  kronprinzen)  u.  ä. ;  und  jetzt  ist 
diese  form  häufiger  ftls  jene.  Manche  wollen  damit  masc. 
und  neutr.  vom  fem.  unterscheiden  (dwoma  masc.  neutr., 
dw'ema  fem.),  aber  es  ist  nicht  in  der  bisherigen  entwik- 
kelung  der  spräche  begründet.  Für  den  dativ  ist  jetzt 
anstatt  dwoma  die  form  dwöm  (dwum),  durch  den  ein- 
flufs  des  dat.  plur.  (und  des  tfem,  öterem)  entstanden, 
die  gewöhnlichste;  instr.  hat  dwoma,  dwuma  (nach  ana- 
logie von  dwu  und  dwuch),  dw'ema.  Daneben  blüht 
und  hat  grofse  aussieht  sich  künftig  zu  erhalten  die  aus 
dem  genit.  und  loc.  entlehnte  endung  u,  sowohl  im  dativ 
als  auch  im  instr.:  dwu,  obu  (cf.  unten).  Dafür  aber 
wird  jetzt  -oma  (oder  -ma)  als  instrumentale  endung  der 
numeralia  und  der  damit  zusammenhängenden  Wörter  gefühlt, 
und  man  sagt  für  älteres  tfem'i,  ctyrm'i  oder  cterm'i 
—  tfema  (mit  dreien),  cterema  (mit  vieren),  ferner: 
p'$doma  (mit  fünfen),  se&doma  (mit  sechsen)  u.  s.  f. 
dzesQloina  (mit  zehnen),  jeden astoma  (mit  eilfen,  alt: 


76  Baudouin   de  Courtenay 

jednym  od.  jednq  na  6<5e),  dwuna Stoma  (alt:  dw'ema 
na  sie,  mit  zwölfen),  tfynastoma  (alt:  tfem'i  na  äc*e, 
mit  dreizehn)  u.  s.  f.,  äesnastoma  (mit  sechszebn)  u.  8.  f., 
d  wudzestoma  (mit  zwanzig,  alt:  dw'ema  dzestoma  oder 
dWema  dzesty),  p'<?dze£§doma  (älter:  p'$<5i|  dzeä^t, 
mit  50)  u.s.  f.,  Stoma  (mit  100,  älter:  stem);  dann: 
v/eloma  (mit  vielen),  kilkoma  (mit  einigen)  u.  ä.  neben: 
dwu  (nicht  aber  tf u,  cteru),  p'e^u,  äesdu  u.  8.  f.,  stu, 
w'elu  u.s.  f.  und  neben:  p'§<5^,  sesd§  u.  s.  f.,  selbst:  je- 
denastc|,  dwudzest^,  p'§dze£$<5j|,  kilk^,  w'elj|  u.s.f. 
(6.  unten);  dat.  dw'ema,  ob'ema  neben  dwum  (dw6m), 
obum  (ob 6m  fast  ungebräuchlich),  entstanden  nach  ana- 
logie  des  tf  em,  cterem  und  des  dat.  plur. ;  von  andern 
fast  ausschliefslich  die  dativform  auf  u:  p'$cu,  dzes$du, 
jedenastu,  dwudzestu,  stu  u.  8.  f.,  kil&u,  v/elu  ne- 
ben w'elom  u.  s.  w.  (cf.  unten). 

Der  dual  vom  pronom.  personale  ist  in  der  Schrift- 
sprache schon  ausgestorben  (im  17.  jahrh.):  dat.  nama 
(1585,  1610),  instr.  nama  ob'ema  (1520),  m'^dzy  nama 
neben  nad  ob'ema  nam'i(1590),  dat.  jima  (ihnen  beiden; 
15.  jahrh.).  Noch  jetzt  spricht  das  volk  mancher  gegen- 
den  instr.  woma  (=  w4ma). 

3)  Gen.  und  locat.  Die  endung  ist  bei  beiden  casus 
för  alle  genera  -u.  Sie  wich  aber  der  analogie  des  plu* 
rals,  wenige  spuren,  obgleich  der  bedeutung  nach  auch 
nicht  echt  dualisch,  ausgenommen.  Die  beiden  casus  er- 
fuhren dieses  Schicksal  nicht  gleichzeitig.  Früher  ver- 
schwand der  loc.  dual,  als  der  gen.  dualis,  ähnlich  wie  der 
dativ  dem  instrumentalis  voranging.  Beispiele  für  den  loc. 
masc.  o  dwu  apostolu  (von  zwei  aposteln),  we  dwu 
wolu  (in  zwei  ochsen;  15.  jahrh.),.  o  dwu  gtosu  (von 
zwei  stimmen;  16.  jahrh.),  o  dwu  dluzniku  (von  zwei 
Schuldnern),  po  dwu  dnu  (nach  zwei  tagen;  1520,  1570) 
u.  8.  f.;  neutr.  na  dwu  malu  m'astku  (auf  den  zwei  klei- 
nen Örtchen;  15.  jahrh.),  po  dwu  latu  (nach  zwei  jähren; 
1450,  1500),  we  dwu  latu  (1500),  w  o6u  nasu  (in  un- 
sern  äugen;  14.  Jahrb.),    w  ocu   mojich,    w  ocu   tfych 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         77 

neben  w  oöach,  w  uäu,  pfy  uäu  (1585),  w  obu  tych 
m'ejscu  (in  diesen  beiden  orten;  1590),  w  ocu  neben  w 
ocach  (1610),  w  ocu  (1660, 1680),  w  usu  neben  w  ocach 
(1680)  u.s.w,;  fem.  w  r§ku  tfoju  (in  deinen  bänden), 
w  r$ku  sfoju,  w  moju  r$ku  (14.  jahrh.),  w  sfu  r$ku, 
w  r§ku  poganskich  (in  heidnischen  händen),  f  tu  to 
dwu  nedzelu  (in  diesen  zwei  wochen;  15.  jahrh.),  we 
dwu  zem'u  (in  zwei  ländern),  we  dwu  nedzelu  neben 
gen.  do  dwu  nedzel  (1500),  w  obu  fsu  (in  beiden  dör- 
fern;  1505),  w  obu  r^ku  (1570)  u.  s.w.  Aber  im  17. Jahr- 
hundert hört  dies  vollkommen  auf;  die  Vertretung  durch 
den  plural  beginnt  schon  sehr  früh:  we  dwu  woloch  (in 
zwei  ochsen;  1505),  we  dwuch  kosdolach  (in  zwei 
kirchen;  1700),  na  tych  dwuch  koncacb  (auf  diesen 
zwei  enden;  1720),  we  dwu  m'e^cach  (in  zwei  mona- 
ten;  1730)  u.s.f.,  w  o6och(1550, 1570),  o  tfech  uchoch 
(vom  stamme  uch-,  nicht  nö-;  1570),  w  ocach  neben 
w  ocu  (1585,  1610),  na  usach  (1630),  w  ocach  neben 
w  uäu  (1680)  u.  ä.;  na  mojicb  oder  sfych  r^käch  ne- 
ben na  sfycb  r§ku  (1520),  po  dwu  dragmach  (zu 
zwei  drachmen;  1620)  u.  s.  w.  Jetzt,  wo  man  noch  ganz 
gewöhnlich  den  gen.  usu,  ocu  braucht,  darf  man  den  lo- 
cativ  nicht  so  bilden,  indem  man  ihn  durch  die  nach  ana- 
logie des  plurals  von  demselben  stamme  oc-,  u§-  gebilde- 
ten und  allein  geltenden  formen  w  oöach,  w  usach  er- 
setzt, w  r$ku  wird  als  locativ  gebraucht,  aber  nicht  mehr 
als  dual,  sondern  vielmehr  als  sing.  loc.  masc.  gefohlt  (über- 
springen in  anderes  casus-,  genus-  und  zahlgefühl),  indem 
man:  na  r^ku  prawym  (auf  der  rechten  band),  w  mo- 
jim  r$ku  (in  meiner  hand),  w  r$ku  tfym  (masc,  als 
ob  nom.  sing.  r§k  oder  r$k  wäre)  neben  loc.  fem.  r$ce 
spricht.  Loc.  plur.  (nebst  dual)  heifst:  r§kach  fem.,  z.  b. 
w  mojich  rgkach.  Nur  des  Ursprungs  der  form  r$ku 
bewuste  oder  archaisirende  schreiben  und  sprechen:  w  mo- 
jich r$ku  als  dual,  w  r^kach  als  plur.  und  w  r$ce 
als  sing.  R$ku  aber  als  genit.  plur.  wird  allgemein  ge- 
braucht neben  häufigerem  r$k.  —    Beispiele  für  den  ge« 


78  Baudouin  de  Courtenay 

nitiv,  der  aus  syntactischen  gründen  bei  den  persönlichen 
Substantiven  masc.  gen.  auch  den  acc.  (der  entwickelungs- 
gang  dieses  acc.  dual,  ist  vom  -a  zu  -u,  und  vom  -u  zu 
-6f  -6w)  ersetzt:  masc.  se  dwu  rodu  (aus  zweien  ge- 
schlechtern),  se  dwu  klejnotu  opcu  (obcu;  aus  zwei 
fremden  kleinoden),  dwu  celedniku  (zweier  gesellen), 
dwu  celadzinu  (dass.),  dwu  wolu  (zweier  ochsen),  pfes 
(=  be8)dwu  kfartniku  (ohne  zwei  accisebeamten),  dwu 
dze£$tu  (der  zwanzig;  noch  gesondert,  jetzt  contrahirt 
dwudzestu;  1450),  dwu  wolu  (zweier  ochsen),  dwu 
pacholku  (zweier  burschen),  dwu  dostojniku  (zweier 
Würdenträger),  dwu  grosu  (zweier  groschen)  neben  dwu 
dostojniköf,  dwu  celadniköf,  dwu  £f&tköf  (zweier 
zeugen;  1500),  dwu  w'epfu  (zweier  borche),  dwu  m'e- 
£$cu  (zweier  monate;  1505),  dwu  zwoleniku  (zweier 
anhänger),  dwu  synu  (zweier  söhne),  dwu  onych  lotru 
(jener  zwei  gauner),  dwu  ariolu  (zweier  engel;  1520), 
dwu  groäu,  dwu  wolu,  dwu  tys^cu  (zweier  tausende), 
dwu  synu  (1570),  dwu  uf^du  (zweier  ämter),  dwu 
m^zu  (zweier  gemahle),  dwu  synu  (1585),  dwu  kotu 
(zweier  katzen),  dwu  bogu  (zweier  götter),  dwu  kupku 
(zweier  becher),  dwu  wolu,  obu  pfodku  (beider  vorfah- 
ren), dwu  scyp'ijonu  (zweier  Scipionen;  1590)  u.  8.  f.; 
neutr.  ocu  moju,  ocu  tfoju,  skfydlu  tfoju  (deiner  flü- 
gel;  14.  jahrh.),  dwu  latu  (zweier  jähre;  1450)  u.  8.  f.; 
fem.  r§ku(14.jahrh.),  obu  fsu (beider dörfer),  dwu  kopu 
(zweier  schocke),  obu  stronu  (beider  Seiten;  1450),  obu 
dzedzinu  (beider  erbgüter)  neben  dwu  riedzel  (zweier 
wochen;  1500),  r$ku  (1590)  u.  s.  f. 

Plurale  form,  diesen  dualgenitiv  vertretend:  dwu  ce- 
ladnikof, dwu  sfatkof,  dwu  dostojniköf  neben  dwu 
dostojniku,  dwu  pacholku,  dwu  wolu  (1500),  tych 
dwuch  punktöf  (dieser  zwei  puncte;  1720),  dwu  w'sznof 
(zweier  gefangenen ;  1740)  etc.;  dwu  lat  neben  dwu  latu 
(1500),  dwu  dal  (1570)  u.  8.  f.;  dwu  nedzel  neben  loc. 
we  dwu  nedzelu  und  gen.  z  obu  dzedzinu  (1500) 
u.  s.  f.  —  Gegenwärtig  sind  noch  folgende  reste  des  gen. 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         79 

dualis  bei  Substantiven  vorhanden:  r§ku  als  plural  neben 
häufigeren  ra.k  (locativ  r§ku  gilt  als  singular)  und  uäur 
ocu  neben  häufigerem,  nach  der  analogie  des  gen.  pl.  masc. 
(s.  oben)  gebildeten  ocöf,  usof,  und  neben  seltnerem,  der 
analogie  des  gen.  pl.  neutr.  folgenden  6  c,  us. 

Beispiele  des  loc.  gen.  dual,  von  adjectiven,  nebst  pro- 
nomen  demonstr.  und  possess.:  loc.  w  ocu  nasu  (14.  jahrh.), 
na  dwu  maiu  m'astku  (auf  den  zwei  kleinen  Örtchen; 
15.  jahrh.),  wmoju  r^ku,  wr^ku  tfoju,  wr§ku  sfoju 
(14.  jahrh.),  f  sfu  r$ku  (15.  jahrh.)  u.  8.  f.,  aber  sehr  früh 
vom  plur.  verdrängt:  w  r^ku  pogans&ich  (15.  jahrh.;  in 
heidnischen  händen),  na  mojich  r$käch,  na  sfych  r§- 
käch,  na  sfych  r$ku  (1520),  w  ocu  mojich,  w  ocu 
tfych  (1585)  u.s.  f. 

gen.  (acc.)  ww'esrf  dwu  starSu  sfego  rodu,  a 
drugu  dwu  drugego  rodu  po  madery,  a  tfeöu  dwu 
(acc.)  tfedego  rodu  (einführen  zwei  ältere  seines  Stam- 
mes, und  zwei  andere  anderen  Stammes  nach  der  mutter, 
und  zwei  dritte  dritten  Stammes),  dwu  lepsu  i  staräu 
a  se  dwu  rodu  dwu  lepäu  (acc.  zwei  bessere  und 
ältere  und  aus  zwei  stammen  zwei  bessere),  se  dwu 
klejnotu  opcu  (aus  zwei  fremden  kleinoden;  1450),  dwu 
tfe<5u  (zwei  dritte)  neben  ww'esrf  dwu  starsych  .... 
(1500  id.  ac  1450),  ocu  moju,  ocu  tfoju,  skfydlu 
tfoju  (deiner  flögel;  14.  jahrh.),  moju  r$ku,  r^ku  tfoju, 
r$ku  sfoju,  r^ku  lucku  (d.i.  ludzku)  (der  menschli- 
chen hände;  14.  jahrh.)  etc. 

Pronomina  personalia:  naju  (noch  im  16.  jahrh.,  unser 
beider),  waju(euer  beider):  ktöryz  waju  obu  näsilnöj 
um'ilowäl  (1520;  wer  von  euch  beiden  hat  am  stärk- 
sten geliebt)  u.  s.  w.  Beim  volke  mancher  gegenden  lebt 
waju  noch  heute,  z.  b.  z  waju,  kumo,  s$  sm'eja^  (über 
euch,  gevatterin,  lacht  man). 

Numeralia  dwa,  oba:  die  ältere  und  ehemals  allein 
giltige  form  für  beide  casus,  loc.  und  gen.  (respective  acc), 
und  alle  genera  ist  dwu,  obu  (die  beispiele  siehe  oben). 
Im   17.  jahrh.   entstand  durch   anlehnung  an  tf  ech,  cte- 


80  Baudouin  de  Courtenay 

rech  die  form  dwuch,  obuch,  z.  b.  z  obuch  stron 
(von  beiden  Seiten),  tych  dwuch  pon$t  (dieser  beiden 
reize),  w  dwuch  lalach  (in  zwei  körpern;  1690),  we 
dwuch  ko&do}ach  (in  zwei  kirchen),  na  tych  dwuch 
koncach  (auf  diesen  zwei  enden;  1720)  neben  we  dwu 
m'es^cach  (in  zwei  monaten;  1730),  dwuch  nacyji 
(zweier  nationen),  z  obuch  stron  (1720),  tych  dwuch 
punktöf  (dieser  beiden  punkte;  1720)  u.  s.  f.  Diese  form 
dwuch,  wie  wir  sehen,  hat  zwei  endungen :  1)  -u,  2) -eh. 
Daraus  bildete  sich  nach  analogie  des  dat.  instr.  dwoma, 
dwom  (als  ob  dwo-  stamm  wäre),  mit  Verwechslung  des 
u  mit  o  dwoch  oder  d  wo ch  (jetzt  von  dwuch  ganz  und 
gar  nicht  lautlich  zu  unterscheiden,  cf.  dwom  =  dwum), 
z.  b.  po  dwoch  ledech  (nach  zwei  jähren),  oboch  (bei- 
der) u.  s.  f.  Alle  diese  formen:  dwu,  dwuch,  dwoch 
obu,  obuch,  oboch  leben  bis  zur  stunde  fort,  nur  wer* 
den  obuch  und  oboch  sehr  selten  gebraucht;  dwoch 
kommt  auch  im  kleinrussischen  vor. 

Diese  endung  -u  des  gen.  loc.  dual,  ist  jetzt  sehr  ge- 
bräuchlich und  zwar  mit  ganz  anderer  bedeutung.  Von 
diesen  Zahlwörtern  dwu  und  obu  erstreckte  sie  sich  auf 
andere  Zahlwörter  und  Wörter,  die  sowohl  zu  den  Zahl- 
wörtern, als  auch  zu  den  unbestimmten  fürwörtern  gezählt 
werden  können,  und,  allen  casus  dienend,  ist  sie  eine  all- 
gemeine, generelle  endung  der  unbestimmten  fürwörter  und 
Zahlwörter  geworden.  Da  dies  in  folge  des  gewaltigen 
überspringens  in  andere  kategoriengefühle  geschehen  ist, 
so  will  ich  diese  erscheinung  im  dritten  und  letzten  ab- 
schnitte meines  aufsatzes  behandeln. 

m.    Überspringen  in  ein  anderes  kategorien- 
( casus-,  genus-  und  zahl-)  gefühl. 

Die  betrachtung  der  historischen  entwickelung  der 
dualformen  und  ihres  einflusses  auf  die  neubildungen  der 
polnischen  spräche  hat  uns  schon  manche  bespiele  dieser 
erscheinung  geliefert  (die  Vertretung  des  duals  durch  den 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         81 

plnral  fällt  nicht  in  diesen  bereich,    weil  hier  eine  ganze 
kategorie  zu  gründe  gebt): 

1)  fem.  r$ce,  r$koma,  rqku  (gen.),  neutr.  oöy, 
uäy,  plecy  mit  ihrer  ganzen  declination  werden  jetzt  nur 
als  plural  gefühlt; 

2)  loc.  dual.  fem.  r^ku  ist  loc.  sing.  masc.  (?  neutr.) 
geworden,  z.  b.  na  r$ku  prawym(auf  der  rechten  band, 
als  ob  der  nom.  sg.  r$k  oder  r$k  wäre); 

3)  acc.  nom.  dual,  neutr.  le<5e  wird  von  manchen  als 
die  in  Verbindung  mit  numeralien  zu  brauchende  plurale 
form  gefühlt; 

4)  dwuch  entstand  nur  in  folge  des  vergessens  der 
ursprünglichen  bedeutung  von  dwu,  und  diese  bestimmte 
form  dwu  ist  zum  thema  herabgesunken,  um  bestimmteres 
dwuch  zu  bilden. 

Betrachten  wir  jetzt  die  Veränderungen,  welche  durch 
den  einflufs  des  -u  des  gen.  loc.  dual,  in  riesenhafter  aus- 
dehnung  entstanden  sind.  Sie  alle  betreffen  nur  die  die 
sabstantiva  bestimmenden  werter,  und  nicht  die  substantiva 
selbst.  Dm  sie  zu  verstehen,  müssen  wir  noch  eine  andere 
kraft,  die  sogenannte  attraction,  hinzunehmen.  Man 
mala  diese  hier  in  betracht  kommende,  so  zu  sagen,  wör- 
terzusammenhangsattraction  von  der  syntactischen  oder 
satzbauattraction  unterscheiden.  Diese  unsere  attraction 
ist  nichts  anderes,  als  eine  innere  congruenz  des  bestimm- 
ten und  bestimmenden,  des  subjeets  und  prädicats,  des  Sub- 
stantivs und  adjeetivs,  des  Substantivs  und  verbums,  und 
diese  innere  congruenz  erzeugt  sehr  naturgemäfs  auch  die 
äuisere  congruenz.  Es  ist  die  congruenz,  welcher  die  ad- 
jeetiva  ihre  casusendungen ,  die  verba  ihre  zahlen  und 
manchmal  ihre  genera  verdanken.  In  folge  dieser,  schon 
theilweise  ins  gebiet  der  syntax  gehörenden  und  dort  näher 
zu  untersuchenden  kraft  entstund  folgendes. 

1)  Die  Zahlwörter  p's<5,5,  äesö  6,  sedem  7,  osera  8, 
dzew'^d  9,  dzes§<5  10  sind  ursprünglich  substantiva  ab- 
straeta  fem.  gen.,  und  wirklich  kommen  im  älteren  polnisch 
fast    ausschliefslich  formen  vor,    wie  gen.  loa  dat.  p'^li, 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  1.  6 


32  Baudouin  de  Courtenay 

äesrfi,  sedm'i  u.  8.  f.;  instr.  p'edQ,  sesd^,  sedm'3  u.  8.  w», 
was  man  manchmal  noch  heute  zu  tage  hören  kann.    Alle 
syntactischen  beziehungen  also  drückte  man  an  diesen  Zahl- 
wörtern aus,  und  das  substantivum  trat  nur  als  ergänzung 
dazu,  z.  b.  dal  to  p'§di  (dat.)  paropk6f  (er  hat  es  fünf 
knechten  gegeben),   pojechal  s  p'<^3  (instr.)  ludzi  (er 
ist  mit  fünf  leuten  gefahren),  oltafe  sw'ec  sedm'q  jasne 
(die  altäre  durch  sieben   lichter  hell)  u.  s.  f.     Allmählich 
aber  trat  das  gefühl  ein,  dafs  dies  beziehungen  nicht  des 
Zahlwortes,  sondern   des  Substantivs  seien,    und  dafs  das 
zablwort  eigentlich  nur  die  rolle  der  näheren  bestimmmung 
spiele.    Darum  fing  man  an,  die  Casusbeziehungen  am  sub- 
stantivum auszudrücken.   Da,  wie  sich  von  selbst  versteht, 
diese  sustantiva  im  plural  stehen  müssen,  so  versetzte  man 
in  folge  der  inneren  congruenz  auch  die  sie  näher  bestim- 
menden Zahlwörter  in  den  plural  und  sagte:  instr.  p'^doma 
(die  duale,  plural  und  numeral  gewordene  endung)  ludzm'i 
(mit  fünf  leuten),   und  andere  casus  nahmen  vom  dual  die 
jetzt  numeral  gewordene  allgemeine    endung    -u    an:    dat. 
p'$lu  ludzom  (den  fünf  leuten),    gen.  p'$lu  ludzi,   loc. 
p'3<5u   ludzach    und    selbst   iustr.  p'$lu  ludzm'i    neben 
p'$doma  ludzm'i   u.  8.  f.     Nur  wenn  das  Zahlwort  allein 
steht,   kann  man  den  nach  der  analogi^  des  plurals  gebil- 
deten   dativ    p'^om,    dzes^dom   (dzes^dom)    u.  s.  f. 
brauchen.     Hier    sind    fem.  sing.  p'$<5  u.  s.  f.  zu  pluralen 
geworden,  so   dafs  man  selbst  im  nomin.  bei  persönlichen 
masculinis  nicht  den  nominativ,  welcher  em  singular  wäre, 
sondern  nur  den  gen.  anwendet,  z.  b.  p'^du  ludzi  pfyslo 
(fünf  leute  sind  gekommen),  und  dieser  gen.  plur.  wird  in 
beziehung  zum  prädicat  wieder  als  nom.  sing,  neutr.  gefühlt : 
jedenastu,  dwudzestu,  stu  u.  s.  w.  ludzi  pfyälo  (11, 
20,  100  u.  8.  w.  leute  sind  gekommen). 

2)  Die  Zahlwörter  von  11 — 19  sind  durch  Verbindung 
der  Zahlwörter  1  —  9  mit  1 0  mittelst  der  präposition  n  a 
entstanden,  und  wir  finden  in  der  älteren  spräche  noch 
gen.  jednego  na  srfe  (der  11),  dwu  na  srfe  (der  12), 
loc.  f  p'^di  na  sde  (in  15)  (sde  f.  dzes^de,  altbulg.  de- 


einige  fälle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         $3 

8$te  u.  s.  f.  und  selbst  ordinalia:  f  p'a.tym  na  &de  (in 
dem  fünfzehnten),  w  osmym  na  s de  (in  dem  achtzehnten) 
u.  s.  f.  Indwunasde  fand  eine  Wirkung  der  attraction 
des  zweiten  gliedes  an  das  erste  statt,  und  ans  dwu  na 
£<5e  entstand  dwunastu,  jetzt  die  allgemeine  form  für 
alle  casus,  und  nach  dieser  analogie  bildeten  sich  jede- 
nastu  11,  tfynastu  13,  cternastu  14  u.  s.  f.  dzew'$t- 
nastu  19,  kilkunastu  (einige  über  10).  —  Aehnlich 
haben  wir  nach  analogie  des  dwudzestu  20  für  alle  ca- 
sus tfydzestu  für  tfech  dzes^t  30,  p'§dzes§du  für 
p'^di  dzesa.t  50  etc.,  dzew^dzes^du  90,  im  instr.  ne- 
ben dwudzestoma  (ze  dwudzestu  oder  dwudzestoma, 
mit  20),  tfydzestoma,  p'§dzes§doma,  dzew^dzesQ- 
doma,  und  im  dat.,  aber  höchst  selten,  dwudzestom, 
tfydzestom,  p'^dzeS^dom,  dzew'^dzeS^dom. —  Die- 
ses allgemeine  beherrschtwerden  der  numeralia  durch  die 
endung  -u,  und  noch  specieller  die  echt  duale  form  dwustu 
2O0,  wirkte  auch  auf  die  hunderte  ein  und  so  sagen  wir 
(in  Verbindung  mit  subst.  für  alle  casus)  stu  (od  lat  stu, 
8eit  100  Jahren)  für  und  neben  gen.  sta,  dat.  stu,  instr. 
stem  (aber  in  anderer  bedeutung,  mehr  concret),  tfystu 
300  für  und  neben  gen.  tfech  set,  dat.  tfem  stom,  instr. 
trema  stam'i  (tfem'i  sty),  loc.  tfech  stach,  cterystu 
400  neben  cterech  set  u.  s.  f.  Daneben  instr.  stoma, 
dwustoma,  tfystoma  u.s.f.  und  im  dat.  sehr  selten  und 
fast  ungebräuchlich  stom,  dwustom,  tfystom  u.s.f., 
aber  nur  p'^duset  500,  äesduset  600  u.  8.  f.  Wir  sehen, 
dafs  hier  sto,  anstatt  als  neutr.  sing,  als  numeraler  plural 
gefühlt  wird. 

3)  In  obojgu,  dwojgu  fliefst  der  loc.  sing,  von  nom. 
oboj  go  (beide),  d  wojgo  (zwei)  und  die  allgemeine  numerale 
und  plurale  endung  -u  zusammen  (cf.  r^ku).  Nun  aber  ist 
diese  form  für  alle  casus  gesichert  und  wird  neben  gen. 
obojga,  dwojga,  instr.  obojgem,  d wo jgem  gebraucht. 

4)  Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  tyle  (alt  tylo, 
so  viel),  w'ele  (contrahirt;  viel)  und  Kilka  (alt  Kilo, 
]£ilko,    einige).     Es   sind   ursprünglich   neutr.  sing,    und 

6* 


84  Bandonin  de   Courtenay 

noch  jetzt  spricht  das  volk  gen.  w'ela.  Aach  diese  Wörter 
unterlagen  der  analogie  der  numeralia,  and  es  bildete  sich 
tylu,  w'elu,  Kilku  für  alle  casus  neben  tyloma,  w'e- 
loma,  Kilkoma  im  instr.,  undtylom,  w'elom,  Rilkom 
im  dat.  (jetzt  selten  und  nur  ohne  subst,  mit  Substantiven 
aber  immer  dat.  w'elu,  wie  obu,  dwu,  obudwu).  Der 
instr.  heifst  pfed  tylu,  w'elu,  Rilku  laty,  wie  pfed 
dwu  laty,  oder  pfed  tyloma,  v/eloma,  kilkoma 
laty,  wie  pfed  dwoma  laty,  oder  pfed  tyl$,  Kilka^ 
Wel$  laty,  wie  pfed  p'$l?  laty  f.  p'^c^  lat  (siehe  un- 
ten). Nom.  sing,  kilka,  ganz  unbestimmt  in  betreff  des 
genus,  entstand  wahrscheinlich  durch  den  zweifachen  ein- 
flufe  1)  des  nom.  pl.  neutr.,  da  dies  wort  als  plural  gefühlt 
ward,  und  2)  des  instr.  Rilk^,  der  so  aussieht,  als  ob  er 
mit  dem  nom.  sing.  fem.  Kilka  zusammenhinge. 

5)  Wir  haben  drei  Wörter  fem.  gen.,   die  neben  ihrer 
eigentlichen    substantivischen     function    zu    unbestimmten 
Zahlwörtern  (theil  weise    auch    für  Wörtern)    herabgesunken 
sind;  nämlich  para  (paar),  sila  (kraft),  masa  (masse)  in 
der   bedeutung    ein    paar,    viel,    menge,    ungeheuer 
viel.     In  dieser  function  erlagen   auch  diese  Wörter  dem 
einflufs  der  numeralen  endung  und  sind  aus  fem.  sing,    zu 
pluralen  Zahlwörtern  geworden.    Demzufolge  finden  wir  im 
17.  jahrb.    gen.  silu    zbrodni  (vieler  verbrechen),    situ 
do  fortuny  wy  nosemy  nesprobowanych  (wir  erheben 
zur  bedeutung   viele   unerprobten),    wedlug  situ  zdana 
(nach   vieler  meinung),    drob'azgem  silu  slof  (mit  der 
kleinigkeit  vieler  worte),    w  rozlicnosci  situ  fecy   (in 
der  Verschiedenheit  vieler  sachen),  u  silu  (bei  vielen,    of. 
u   w'elu),    ludzi   silu   polykala  (sie  verschluckte  viele 
menschen)  u.  s.  f.     Wie   wir  sehen,   es  sind  alles  genitive, 
resp.  accusative,   und  es  scheint,   dafs  nur  in   diesem    ca- 
sus   dieses    wortes   sich    die  endung   -u   einnistete.      Jetzt 
ist  nom.  sila  als  zahl  wort  indeclinabel  geworden,  und  man 
sagt:  nom.  und  acc.  sila  w'ilköf  (gen.  abhängig  von  sila, 
viele  wölfe),  gen.  sila  w'ilköf,  dat.  sila  w'ilkom,  instr. 
sila  w'ilkam'i,  loc.  f  sila  w'ilkach,  feöach  (sacheu) 


einige  fälle  der  wirfcong  der  analogie  in  der  poln.  declination.         85 

u.  8.  f.  Daf&r  aber  sagt  man  jetzt:  gen.  masu  pf  edm'o* 
töf  (einer  menge  von  gegenständen),  loa  w  masu  pf  ed- 
m'o tach,  dat.  masu  pfedm'otom,  instr.  masu  pfed* 
m'otami.  —  Ebenso  do  paru  mlodych  ludzi  (zu  ein 
paar  oder  einigen  jungen  leuten;  do  pary  mlodych  ludii 
nur  dann,  wenn  man  von  zwei  individuen  ungleichen  ge- 
schlechtes spricht),  na  paru  konach  (auf  ein  paar  pfer- 
den),  seltener  na  pafe  koni  (bestimmter  gesagt). 

Alle  diese  zahlreichen  Übergänge  und  tief  eingreifend« 
Veränderungen  bewirkte  der  einflufs  des  duals,  ausgehend 
von  den  Zahlwörtern  dwu,  ob u,  unter  ihn  begünstigenden 
umständen.  Es  giebt  noch  eine  scheinbar  eben  so  seltsame 
von  den  zahlwortern  stammende  analogie,  nämlich: 

6)  In-str.  auf  -q.  Wie  schon  oben  gesagt,  sind  die 
numeralia  5 — 10  feminina  abstracta  und  bilden  eigentlich 
den  instr.  eben  so,  wie  andere  substantiva  fem.  gen.:  p'$c? 
—  dzes^cq.  Diese  formen  erlitten  theil weise  beschränküng 
in  folge  der  einwirkung  der  analogie  von  dwu,  obu« 
Nichtsdestoweniger  sind  die  formen  p'  §  <5  $  —  dies ^6^  ganz 
und  gar  nicht  vollkommen  aufgegeben,  sie  werden  noch 
beliebig  gebraucht.  Ja  noch  mehr,  sie  vererbten  sich  auf 
andere  numeralia  und  mit  diesen  zusammenhängende  Wörter 
und  demzufolge  entstanden  instrumentale,  wie  jedenastq 
11,  dwunast<|  12  u.a.  f.,  Kilkanasts  oder  Kilkunast% 
(mit  einigen  über  zehn),  dwudzestq  20,  tfydzest^  30 
u,  ß.  f.,  st$  100;  Kilkq,  v/el§7  tyl^,  entweder  den  be- 
ziehungsausdruck  am  Substantiv  gar  nicht  störend  (z.  b.  z 
Wel%  ludzm'i  mit  vielen  leuten,  pfed  kilk$  laty  vor 
einigen  jähren,  pfed  tyl^  m^zami  vor  so  vielen  männern), 
oder  als  instr.  vom  nom.  sing.  fem.  jeden asta,  dwu- 
dzesta,  8ta,  kilka,  w/ela,  tyla  gefühlt  und  das 
Substantiv  als  eine  ergänzung  im  gen.  plur.  (z  w'elq 
ludzi,  pfed  tyl$,  w'el^,  kilk^  u.  8.  f.  lat;  cf.  p'$c$ 
lat  und  par$  koÄi  oder  par$  konm'i).  Gegen  diese 
formen  sträuben  sich  alle  polnischen  grammatiker,  da  die-» 
selben  ihnen  unverständlich,  uncorrect,  unregelmäßig,  „un- 
organisch "  zu  sein  scheinen.     Die  Wirklichkeit  spottet  je- 


86  Bandouin  de  Courteuay 

doch  des  eifers  der  Schulmeister;  schon  im  17.  jahrh.  fin- 
den wir  zahlreiche  beispiele  dieser  formen,  und  ihr  entste- 
hen kann  man  sehr  leicht  erklären. 

Noch  einige  andere  fälle  des  überspringens  in  ein  an- 
deres kategoriengeföhl  sind: 

1)  Die  ehemaligen  collectiva  neutr.  gen.  (contrahirt, 
auf  -je),  z.  b.  lerne  (dornstrauch),  gwozdze  (nägel), 
kam'ene  (gestein,  aus  kam'enije),  w^gle  (kohlen)  u.  s.f. 
sind  in  den  plural  übergesprungen.  Noch  im  14.  jahrh. 
lesen  wir  z.  b.  w$gle  rozglo  se  jest  od  nego  (die 
kohlen  sind  durch  ihn  angezündet).  Nnn  beginnen  zwei 
factoren  einzuwirken:  1)  der  syntactische,  da  nämlich  diese 
substantiva,  obgleich  der  form  nach  singular,  nur  die  mehr- 
heit  ausdrücken;  denken  wir  an  die  syntactische  erscbei- 
nung,  dafs  Wörter,  wie  volk,  regiment  u.  s.  w.  in  vielen 
sprachen  (z.  b.  griech.,  lat.,  altbulg.,  russisch  u.  s.  f.)  das 
prädicat  im  plural  bei  sich  haben;  2)  die  vollkommene 
ähnlichkeit  und  auch  das  zusammentreffen  in  der  form 
(z.b.  kam'ene  collect,  und  plur.  von  sing,  kam'en,  gwoz- 
dze collect,  und  plur.  von  gwozdz;  dasselbe  gilt  von 
cerne  und  w$gle)  mit  dem  nomin.  plur.  der  weichaus- 
lautenden stamme.  Demzufolge,  obgleich  man  noch  kf  ece 
(blumen),  zboze  (getreide)  u.  8.  f.  als  sing,  fühlt  und 
demgemäfs  declinirt,  fühlt  man  doch  kam'ene,  gwozdze, 
cerne,  w$gle  nur  als  plur.  und  declinirt  darnach.  —  Zu 
diesen  collectiven  gehört,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach, 
auch  noch  das  wort  ludze  (menschen).  Cf.  w'ele,  gen. 
w'ela  neutr.  sing.,  und  später  sing.  fem.  in  w'ela.,  plur. 
numerale  in  w'elu,  w'eloma,  w'elom. 

2)  Von  den  femin.  collect,  älachta  (edelleute),  braca 
(gebrüder),  ks$za  (priesterschaft)  ist  nur  Stacht  a  bei  seiner 
alten  declination  und  kategorie  geblieben.  Ks$za  ist  jetzt 
vollkommen  in  den  plural  übergesprungen,  und  bat  bis  auf 
den  nom.  ks$za  (aber  auch  als  plur.  gefafst:  nicht  ta  ksQza, 
sondern  ci  ks$za)  masc.  pluralendungen  angenommen: 
gen.  (acc.)  ks^zy  (mit  dem  gen.  sing.  fem.  gleichlautend), 
dat.  ks^zom  (alt.  sing.  fem.  ks^zy),  instr.  ksQzm'i  (alt. 


einige  falle  der  Wirkung  der  analogie  in  der  poln.  declination.         87 

8g.  f.  k£$23),  loc.  (o)  ks^zach  (alt.  8g.  f.  k&q&y  oder 
ks§£ej,  cf.  oben  beim  gen.  sing.  fem.).  —  Brada  schwankt 
und  nimmt  bald  die  form  des  masc.  plur.,  bald  die  des 
fem.  sing,  an:  nom.  ci  braca  (also  als  plural  gefohlt),  gen. 
brali  (gen.  fem.  sg.  und  pl.  masc,  zusammengeflossen),  dat. 
braci  oder  bralom  (1728:  tym  dw'ema  brali);  acc. 
=  gen.,  instr.  bradm'i  oder  brad$,  loc.  o  braci  oder  o 
bracach  (1570:  o  tych  dwu  bracej).  Das  Übergewicht 
ist  aber  entschieden  auf  der  seite  des  masc.  plur. 

3)  pojutfe  (übermorgen)  ist  aus  dem  loc.  sing,  (po- 
-jutfe)  ein  nom.  sing,  geworden  und  wird  im  Sprachge- 
fühle zu  den  contrabirten  gerechnet. 

4)  Das  wort  skurwysyn  =  s  kurwy  syn  bedeutet 
wörtlich:  ex  meretrice  filius;  8  ist  präposition  (ex), 
kurwy  gen.  sg.  fem.,  syn  nom.  sg.  masc.  Nun  fühlte  man 
s kurwy  als  adjectiv  (nom.  sing,  masc.)  und  bildete  im 
17.  jahrh.  den  gen.  skurwego  syna,  dat.  skurwemu 
synow'iu.  s.  w.  Heutzutage  sind  meines  Wissens  nur  for- 
men wie  skurwysyna,  skurwysynow'i  im  gange. 

5)  Stuka  m'$sa  (ein  stück  fleisch)  besteht  aus  nom. 
sg.  f.  Stuka  und  gen.  sg.  n.  m'$sa.  In  folge  der  atfoaction 
aber  wird  auch  m'^sa  als  nom.  sing.  f.  gefühlt  und  gen. 
ötuKi  m'$sy  neben  dem  in  ein  wort  zusammengeflossenen 
ätukam'$8y  gebildet  (cf.  Welkanoc  ostern,  acc.  ehemals 
w'elk$  noc,  jetzt  nur  Welkanoc,  gen.  w'elRäjnocy  od. 
w'elkanocy  u.  s.  f.;  tydzen  woche,  bei  welchem  der  ge- 
nitiystamm  tygodn-  allen  andern  obliquen  casus  zu  gründe 
liegt). 


Ich  habe  im  vorstehenden  die  Wirkung  der  analogie 
in  der  polnischen  declination  keineswegs  erschöpft,  sondern 
nur  angedeutet.  Untersucht  man  genauer,  so  werden  sich 
noch  zahlreiche  fälle  der  analogie  finden.  Ich  erwähne 
nur  die  weitgreifende  anlehnung  der  pronominalen  declina- 
tion an  die  adjectivische. 


8S    Baudouin  de  Courtenay,  einige  fidle  der  Wirkung  der  analogie  etc. 

Schließlich  möge  noch  eine  allgemeine  bemerkung 
über  die  analogie  platz  finden. 

Aus  meiner  ganzen  darstellung  erhellt: 

1)  dafs  jeder  casus  von  jedem  substantivum  in  po- 
tentia  alle  endungen  hat,  die  in  der  spräche  leben,  um 
die  diesem  casus  entsprechenden  beziehungen  auszudrücken. 
Ueberwiegt  nur  eine  gewisse  analogie,  gleich  tritt  au  die 
stelle  der  einen  endung  eine  andere,  früher  diesem  casus 
gar  nicht  zukommende«  —  Gröfsere  aussieht  sich  zu  er- 
halten haben  hierbei  die  an  anzahl  überwiegenden  formen, 
formen  die  sich  häufiger  in  der  spräche  wiederholen,  die 
stets  gebraucht  werden,  deren  analogie  überwiegend  ist; 
denn  die  Wiederholung  der  eindrücke  macht  diese  stärker 
und  fester  haftend.  Es  kann  so  geschehen,  dafs  eine  ge- 
wisse analogie  die  erhaltung  seltnerer  formen  begünstigt 
und  selbst  neue  kategorien  für  sie  schaffit.  —  Bei  alledem 
strebt  das  volk  nach  Vereinfachung  der  sprachlichen  for- 
men, deren  nothwendigkeit  es  nicht  mehr  fühlt. 

2)  Nur  dann  ist  die  Wirkung  der  analogie  ermöglicht, 
wenn  es  gewisse  berührungspunete  und  Übergänge  von 
einer  wörterkategorie  zur  andern  giebt. 

Zuletzt  fragt  es  sieb,  wie  sollen  wir  uns  die  wirkung 
dieser  sprachlichen  kraft,  der  analogie  denken?  Es  ver- 
steht sich,  nur  mechanisch,  nur  nach  den  einzelnen  ent- 
wickelungsmomenten.  Man  soll  also  eine  ganze  reihe  der 
allmählich  wirkenden  einflösse  annehmen,  die  das  Sprach- 
gefühl der  einzelnen  die  gegebene  spräche  redenden  indi- 
viduen  stufenweise  verändern  (nicht  aber  aufheben)  und 
es  in  dieser  oder  anderer  richtung  sich  entwickeln  und 
sich  neue  anschauungen  bilden  lassen.  —  Dies  aber  streng, 
genau  und  erschöpfend  zu  bestimmen,  wird  niemals  der 
Wissenschaft  gelingen. 
Jena,  februar  1868.        J.  Baudouin  de  Courtenay 

aus  Warschau. 


^ -mi^p*       iv     i      i^  — — — pw ^wwrTywf 


Burda,  este,  fcrr*,  usqne  und  iki.  89 

Este,  äw«,  usque  und  iki. 

Miklosich  vergleicht  in  seinem  lexikon  das  .  adverb 
eäte  mit  dem  griechischen  fri.  Vom  Standpunkte  des  alt- 
slowenischen  allein  könnte  man  gegen  jene  Zusammenstellung 
nichts  einwenden,  weil  St  der  regelmäfsige  Stellvertreter 
von  tj  ist  und  wohl  angenommen  werden  kann,  dafs  este 
etwa  auf  *etje  zurückgeht. 

Aber  eben  mit  diesem  altslowenischen  st  hat  es  oft 
seine  besonderen  Schwierigkeiten,  sobald  nämlich  aus  der 
spräche  selbst  nicht  erkannt  werden  kann,  ob  dem  ät  ein 
t,  st  oder  sk  zu  gründe  liegt.  Tritt  dieser  fall  ein,  dann 
kann  die  beacbtung  der  anderen  slawischen  sprachen  noch 
einiges  licht  verschaffen.  Im  böhmischen  z.  b.  steht  einem 
altslowenischen  ät,  wenn  dieses  aus  tj  entstanden  ist,  regel- 
mäßig ein  c  gegenüber.  Und  dafs  nun  die  böhmische  form 
des  fraglichen  wortes  gerade  jeät£,  und  nicht  etwa  *jece 
lautet,  macht  die  vergleichung  mit  ht,  sehr  zweifelhaft,  da 
ät  (ätö  ist  nur  bohemismus  statt  eines  blofsen  äte)  im  böh- 
mischen nur  dann  einem  altslowenischen  dt  entspricht,  wenn 
das  letztere  die  Verbindungen  st  und  sk  enthält. 

Neben  eäte  findet  man  noch  häufiger  j est e,  ferner 
auch  oäte  nebst  jagte.  Wenn  man  nach  dem  bekannten 
gesetze  des  anlautes  im  altslowenischen  von  j  in  jeäte  und 
ja&te  absieht,  bleiben  für  die  etymologie  nur  eäte,  oSte 
und  *aäte  zu  berücksichtigen  übrig. 

Die  betrachtung  nun,  dafs  die  enklitische  partikel  Ra 
=s  xt  =  que  im  altslowenischen  seltener  als  in  den  andern 
sprachen  vorkommt,  liefs  mich  im  letzten  theile  von  este 
die  vermifste  partikel  vermutben,  indem  ich  annahm,  daß 
sie  sich  vielleicht  öfter  finden  dürfte,  aber  nur  nicht  als 
solche  erkannt  worden  sei.  Die  analogie  von  ze  =  yi 
läfst  für  Ra  =  T6  im  altslowenischen  ce  erwarten  und  es 
steht  dann  eäte  einem  lautgesetze  zufolge  für  *es-ce.  Wenn 
man  ferner,  dies  vorausgesetzt,  in  den  andern  sprachen  sich 
nach  verwandten  für  eöte  umsieht,  so  läfst  es  sich  statt  mit 
£r*  eher  mit  dem  griechischen  fort  und  dem  lateinischen 


90  '  Burda 

usque  vergleichen.     Von  iare  ausgehend,  dessen  kg  wohl 
mit  der   präposition   kg  oder   elg  identisch   ist,  kann  man 
etwa  *as-ka  aus  vollerem  *ans-ka  (vgl,  kg,  d.  i.  as,  ne- 
ben   elg,    d.  i.    ans)   verkürzt,    als    grundform    aufstellen. 
Während    die    entstehung    von    &rre    aus  *aska,  *anska 
keine  Schwierigkeiten  bietet,  läfst  sich  in  beziig  auf  usque 
voraussetzen,   dafs  sich  aus  der  grundform  zuerst  *osque 
entwickelte,  welcher  Vorgang  im  acc.  pl.  masc.  der  a-stämnra 
deutlich  vorliegt  (lupos  und  vulfans)  und  dann  erst  in 
usque   überging.     Es    bleibt   nur   noch  übrig,    eine   dem 
griechischen    kg  analoge  präposition   auf  dem  gebiete   des 
slawolettischen  nachzuweisen.    Und  in  der  that  führt  Bie- 
lenstein  (lettische  spräche,  IL  bd.,  s.  293,  §.  546)  unter  den 
präpositionen  auch  die  jetzt  vollkommen  veraltete  Is  (bis) 
an,  die  nach  den  lautgesetzen  des  lettischen  3och  nur  aus 
*ins   oder   *ens  =  ursprünglichen    ans   entstanden   sein 
kann.   Daran,  dafs  im  ersten  theile  von  *aäte,  oäte,  este 
ein   n  ausgefallen  sein  soll,  und  nicht  vielmehr  in  einem 
nasalen  vokale  erhalten  blieb,  darf  man  keinen  anstofs  neh- 
men, sondern  bedenken,  dafs  ja  auch  oba,  obu  im  grie- 
chischen äficpo)  djLKpi  lauten.   Ueberdies  stimmt  die  neben- 
form  oäte  auch  im  anlautenden  vokale  vortrefflich  zu  oba 
und  obü. 

Eine  ähnliche  Verstärkung  einer  präposition  durch  die 
enklitika  &a  zeigt  auch  das  litauische  iki.  Lautet  nämlich 
ye  im  litauischen  gi,  so  schliefst  man  darnach  auch  ein 
ki,  und  das  anlautende  i  in  iki  ist  nach  litauischem  laut- 
gesetze  aus  dem  volleren  in  =  ursprünglichem  an  ent- 
standen, weshalb  iki  zu  schreiben  vorzuziehen  wäre.  Zwi- 
schen e£te  und  |ki  besteht  lautlich  nur  der  unterschied, 
dafs  ersteres  in  Übereinstimmung  mit  griechisch  und  latei- 
nisch vor  der  enklitika  noch  ein  s  enthält,  welches  dem 
litauischen  fehlt. 

Die  so  gewonnene  Zusammenstellung  von  este  mit 
&?rs,  usque  und  theil weise  auch  mit  4 kl  wird  durch  die 
syntax  bestätigt.  Das  slavische  este  kommt  gewöhnlich 
nur  noch  als  adverb  vor,  das  sich  im  deutschen  am  besten 


este,  ftrr*,  usque  und  iki.  91 

durch  „noch  immerfort,  noch  immer"  wiedergeben  läfst. 
Z.  b.  böhmisch  jeötö  tu  sedi(er  sitzt  noch  immerfort 
da),  jeste  neäel  (er  ist  noch  immer  nicht  gegangen). 
Man  vergleiche  damit  das  horazische  ...  tarnen  „usque* 
recurret.  Interessant  ist  es  insofern,  als  sich  darin  die  dem 
griechischen  lg  entsprechende  slawische  präposition  noch 
als  adverb  erhalten  hat.  Die  zweite  von  Miklosich  ange- 
führte bedeutung  ron  este,  nämlich  rjdr],  kann  ich  mit  der 
lateinischen  und  griechischen  nicht  vergleichen,  da  ich  den 
Ostromir,  aus  welchem  sie  geschöpft  ist,  nicht  zur  hand 
habe.  Möglich  ist  übrigens,  dafs  sie  sich  aus  einem  ge- 
brauche entwickelt  hatte,  der  sich  auch  im  lateinischen 
findet,  z.  b.  local  usque  a  mari  und  temporal  usque  a 
Thale,  inde  usque  * ). 

Das  litauische  ikl  (Schleicher,  lit.  gramm.  s.  286  und 
287)  und  das  lettische  is  (Bielenstein,  lettische  spräche, 
IL  bd.,  8.  293,  §.  546)  stimmen  zu  lateinischen  und  grie- 
chischen redensarten:  usque  Bomam  und  Üare  Inl  to  dd- 
neSov.  Endlich  bildet  usque  in  sätzen  wie:  ferrum  usque 
eo  retinuit,  quoad  . . .  den  Übergang  zur  griechischen  kon- 
junktion  tera,  der  auch  das  litauische  4  kl  (Schleicher,  lit. 
gr.  s.  333)  zur  seite  steht. 


*)  Nur  an  einer  stelle,  95,  4  (Luc.  7,  6)  Übersetzt  jeste  im  ostr.  das 
griech.  17&7,  sonst  stäts  das  gr.  *V».  Diese  stelle  lautet:  jeste  ze  jemu  ne 
dalece  s§st§(lis  s$Stn)  otü  domu,  rjdij  Sh  av%ov  ov  (xaxQav  anlxov- 
Toq  an 6  tt^q  olxtaq*  Der  Assemanianus  (ed.  Racki)  hat  aber  este  ze  emu 
id$atju  su  nimi  ne  dalece  s§stu  otü  domu.  Da  beide,  Ostrom,  und 
Asseman.,  ans  einer  quelle  stammen,  so  ist  vor  der  hand  der  text  noch  nicht 
als  kritisch  sicher  gestellt  zu  betrachten.     A.  S. 

Wenzel  Burda. 


92  Burda 

Beiträge  zur  kenntnis  einiger  suffixe  im 

slawischen. 

I.     Suffix  -yto,  -yta  und  -*|tü. 

Es  ist  bekannt,  dafs  der  nom.  8g.  part.  praes.  act.  des 
prä8ens8tammes  *veze-  =  urspr.  vag  ha-  auf  die  grund« 
form  vaghants  für  das  masc.  und  vaghant  für  das  neutr. 
zurückgeht  und  dafs  nach  dem  auslautsgesetze  im  masc. 
ts  und  im  neutr.  t  abfallen  mufste.  Das  Qbrig  bleibende 
*vaghan  verwandelte  sich  einem  lautgesetze  des  slaw.  zu- 
folge schliefslich  in  vezy,  welches  für  beide  geschlechter 
gilt,  worauf  besonders  hingewiesen  werden  soll. 

Von  dem  mit  dem  suffixe  m  an  abgeleiteten  subst.  nom. 
sg.  kamy,  plamy  u.  a.  können  mittelst  des  secundären 
Suffixes  ka  deminutiva  gebildet  werden,  wie  kamy-kü, 
plamy-kü.  Hier  ist  deutlich  zu  sehen,  dafs  der  stamm 
kam  an-,  wenn  das  suffix  -ka  antritt,  dieselbe  form  an- 
nimmt, die  er  im  nominativ  zeigt. 

Diese  zwei  sicheren  beispiele  sollen  darthun,  dafs  ein 
ursprüngliches,  in  den  auslaut  tretendes  an  ohne  unterschied 
des  geschlechtes  im  masc.  und  neutr.  zu  y  werden  kann, 
und  zweitens,  dafs  ein  konsonantischer,  mit  einem  nasal 
schliefsender  stamm,  sobald  konsonantisch  anlautende  suf- 
fixe an  ihn  treten,  dieselbe  form  wie  im  nom.  sg.  annimmt. 

Nachdem  dieses  vorausgeschickt  worden  ist,  kann  ich 
zur  sache  übergehen,  und  als  beispiel  für  das  suffix  -yto 
möge  kopyto  (ungula)  gelten.  Ich  bin  nämlich  der  an- 
sieht, dafs  dieses  suffix  nicht  einfach  ist,  sondern  in  -y-to 
zerlegt  werden  mufs  und  dafs  y  in  diesem  falle  gerade  so 
aus  einem  ursprünglichen  an  sich  entwickelt  hat,  wie  im 
nom.  sg.  neutr.  vezy  und  masc.  kamy.  Die  grundform 
des  wortes  ist  daher  *kapan-ta-m,  und  es  hat  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  auch  ein  noch  älteres  nomen  ge- 
geben, dessen  stamm  *kapan  mit  einem  konsonanten  en- 
digte und  das  im  nom.  sg.  *kopy  gelautet  hat.  An  diesen 
stamm  trat  dann  das  erweiternde  suffix  -ta   wie  -ka  an 


beitrage  zur  kenntnis  einiger  auffixe  im  slawischen.  93 

*kaman  und  es  hat  sich  *kapan-  vor  -ta  in  *k-opy- 
verwandelt  wie  *  kam  an-  vor  -ka  in  kamy.  Die  ein- 
wendung,  dafs  kamy  ein  masc.  ist  und  *kopy  ein  neutr. 
sein  müfste,  wird  durch  das  oben  angefahrte  neutr.  des 
part.  praes.  act.  vezy  zurückgewiesen. 

Aus  dem  slawischen  allein  lassen  sich  für  diese  auf- 
fassung  weiter  keine  gründe  vorbringen,  aber  sie  wird  sehr 
wahrscheinlich,  ja  beinahe  gewifs,  wenn  man  erscheinungen 
in  anderen  sprachen  berücksichtigt.  Ich  weise  vor  allem 
auf  das  lateinische  unguen  und  unguentum,  in  welchem 
die  erweiterung  eines  konsonantischen  Stammes  auf  an 
durch  ein  suffix  -ta  klar  vorliegt  und  das  auch  in  der 
function  ganz  gut  zu  kopyto  pafst.  Denn  so  viel  ist 
gewifs,  dafs  dieses  zu  der  wurzel  kap  (schlagen)  gehört 
und  wie  unguen,  unguentum  ein  mittel  oder  Werkzeug 
bezeichnet.  Noch  häufiger  als  das  suffix  an  und  an-ta 
ist  das  damit  sehr  nahe  verwandte  suffix  -man  und  -man- 
-ta.  Auch  bei  diesem  bestehen  öfter  noch  beide  formen 
neben  einander  wie  segmen  und  segmentum,  tegumen 
und  tegumentum,  medicamen  und  medicamentum 
u.  a.  m.  oder,  was  im  bezug  auf  kopyto  besonders  merk- 
würdig ist,  gerade  die  form  mit  dem  schon  erweiterten 
suffixe  -mento  =  urspr.  -manta  ist  die  ausschliefslich 
übliche,  und  sind  nomina  auf  -mentum  im  lateinischen 
ziemlich  häufig. 

Noch  wichtiger  ist  der  umstand,  dals  die  in  rede  ste- 
hende erscheinung  nicht  auf  das  lateinische  allein  beschränkt 
ist,  sondern  sich  auch  im  altindischen,  gotisch-althochdeut- 
schen und,  wenn  meine  vermuthung  richtig  ist,  im  griechi- 
schen wieder  findet.  Die  existenz  derselben  im  altindischen 
beweist  der  stamm  apmanta-,  welcher  wie  kopyto  ein 
neutrum  ist,  und  aus  dem  gebiete  der  deutschen  sprachen 
gehört  hieher  das  gotische  hliuma  neben  dem  althoch- 
deutschen hliumunt.  Für  das  griechische  möchte  ich  die 
nomina  auf  -{icc  mit  dem  stamme  -juar-  erwähnen.  Denn 
da  a  nach  einem  lautgesetze  gleich  a-f- nasal  sein  kann, 
so  läge  hier  nur  der  fall  vor,  dafs  statt  ro  =  urspr.  ta 


94  ,  Burda 

blofs  r  an  einen  stamm  auf  -man-  getreten  und  -pavr-  in 
-uar-  verwandelt  worden  wäre. 

Aufser  kopyto  sind  im  slawischen,  so  viel  ich  weifs, 
noch  zwei  nomina  mit  dem  suffixe  -y-to  gebildet.  Das 
erste  von  ihnen  ist  koryto  (cisterna),  welches  im  böhmi- 
schen vorzugsweise  den  trog  bezeichnet,  worin  den  thieren 
futter  vorgeschüttet  wird.  Es  wäre  daher  möglich,  dafs 
es  mit  dem  griechischen  ^OQivvvfAi  verwandt  ist.  Das 
zweite  wort  varyto  kommt  in  der  königinhofer  handschrift 
vor,  wo  es  ein  Saiteninstrument  bezeichnet.  Ich  führe  es 
hier  an  ohne  allen  commentar,  blofs  weil  es  in  suffix  und 
function  ganz  mit  koryto  und  kopyto  übereinstimmt. 
Endlich  weifs  ich  recht  gut,  dafs  neben  kopyto  einmal 
auch  kopato  vorkommt;  doch  soll  dieser  fall  der  gegen- 
ständ eines  späteren  artikels  sein, 

Aehnlich  wie  mit  -y-to  scheint  es  sich  auch  mit  dem 
suffixe  -y-ta  zu  verhalten,  was  ich  jedoch  nur  als  unmafs- 
gebliche  meinung  ausspreche.  Mir  sind  zwei  beispiele  da- 
von bekannt,  nämlich  das  böhmische  rokyta,  welches 
eine  weidenart  bezeichnet,  und  das  russische  volokyta 
( altslo venisch  wäre  *vlakyta)  mit  der  bedeutung  homo 
vagus  als  masc,  procrastinatio  als  fem.  (siehe  Miklosich, 
bild.  d.  nomina  im  altslov.  §.  112).  Man  vergleiche  übri- 
gens das  lateinische  Carmenta  neben  Carmentis  und 
mit  letzterem  sementis  nebst  dem  verbum  sementare, 
endlich  noch  placenta. 

Liefsen  sich  endlich  Wörter  auf  -y-tü  nachweisen,  so 
besäfse  man  beispiele  dieses  Suffixes  für  alle  drei  geschlech- 
ter, nämlich  -y-to  n.,  -y-ta  f.,  -y-tü  m. 

Ein  nomen  auf  -y-tü  ist  mir  nun  allerdings  nicht 
bekannt,  aber  für  den  fall,  dafs  in  kopyto  der  vokal  y 
einem  ursprünglichen  an  entspricht,  ist  das  wort  chom^tü 
besonders  wichtig,  obwohl  sich,  wie  gesagt,  dagegen  ein- 
wenden läfst,  dafs  man  ja  statt  3  ein  y  erwartet  hätte.  Wer 
jedoch  gedenkt,  dafs  das  part.  praes.  act.  des  verbums  j  esmi 
nicht  nur  wie  gewöhnlich  sy  lautet,  sondern  auch  in  der 
form  83  nachgewiesen  ist,  der  dürfte  in  3  des  Wortes  cho- 


beitrage  zur  kenntnis  einiger  suffixe  im  slawischen.  95 

mi|tü  die  regelmäfsige  Umwandlung  eines  ursprünglichen 
an  erblicken  und,  im  vergleiche  zu  dem  jedenfalls  schon 
abgeschwächten  y,  das  3  vielmehr  fiir  den  volleren  und 
älteren  laut  ansehen.  Dafs  chomqtü  mit  dem  litauischen 
kamäntas  identisch  ist,  bedarf  keines  be weises,  aber  ob 
hier  das  suflßx  -ta  an  einen  früheren  konsonantischen  stamm 
(etwa  *kaman)  getreten  ist,  läfst.sich  nicht  nachweisen, 
sondern  höchstens  wahrscheinlich  machen. 

Die  auffallende  ähnlichkeit  des  slawischen  kopyto 
mit  dem  griechischen  xojtccvov  in  wurzel,  funetion  und  theil- 
weise  auch  im  suffixe  ist  sicherlich  nicht  zufällig  (auch 
das  slawische  hat  neutra  auf  suffix  -ana-,  wie  vreteno, 
böhmisch  vfeteno,  deminutiv  sogar  noch  vfet-än-ko, 
was  altslo venisch  *vretenüko  =  ursprünglich  vrata- 
nakam  lauten  müfstej,  und  ferner  ist  zu  bemerken,  dafs 
konsonantischen  Suffixen  bisweilen  vocalische  auf  a  zur 
seite  stehen,  somit  neben  xonavov  auch  ein  stamm  *xo7iav- 
wie  unguen  möglich  wäre,  welcher  dann  ganz  mit 
*kopy  in  kopy-to  übereinstimmen  würde.  Mit  den 
Substantiven,  welche  ein  mittel  oder  Werkzeug  bezeichnen, 
gehen  nomina  agentis  band  in  hand,  die  konsonantischen 
Stammes  sind  (ao^wi/,  Tiavftijv  edo,  pecten),  und  der 
Übergang  konsonantischer  stamme  in  vocalische  weibliche 
findet  sich  bei  -uov  und  -^ova,  ~piv  und  -piva.  So  wie 
sich  dann  xonavov,  Sqmavov  zu  kopyto  verhalten,  so 
verhält  sich  SgsTtdvrj  mit  dem  litauischen  kämana  zu  ka- 
mäntas und  chom^tu,  d.  h.  es  könnte  neben  einem  fe- 
mininum  auf  -ana  (Sgenäv^^  kämana)  und  einem  neu- 
trum  auf  -ana,  -an  (kopy-to,  unguen,  ÖQinavov)  auch 
ein  masculinum  auf  -an  vorkommen.  Dieses  wäre  *ka- 
man,  an  welches  dann  erst  das  erweiternde  suffix  -ta- 
gefügt  wurde.  Zum  Schlüsse  mag  noch  bemerkt  werden, 
dafs  das  polnische  chomqto  wie  kopyto  ein  neutrum 
ist  und  das  altslovenische  masculinum  kor§  in  Miklosich's 
Lex.  palaeosl.  auch  einmal  als  neutrum  angeführt  wird, 
also  kors  n.  zu  kor$  m.  wie  chom^to  oder  kopyto 
zu  chom^tü  oder  die  grundformen  der  nominative  karan 


zu    karans    und    kamantam   oder    kapantam    zu   ka- 
mantas. 

Wenzel  Burda. 


Die   slawischen   Ortsnamen    in   der  Oberlansitz   und   ihre   bedentnng,    von 
J.  E.  Schmaler.     Bantzen  1867,  Schmaler  und  Pech.     4.     16  sa. 

Die  ersten  drei  Seiten  dieser  abhandlung  sowie  der 
titel  sind  in  deutscher  und  sorbischer  spräche  geschrie- 
ben, alles  übrige  nur  deutsch.  Der  Verfasser  theilt  die 
Ortsnamen  in  drei  kategorien,  1)  in  solche,  die  von  dem 
namen  des  grunders  oder  herm  eines  ortes,  2)  in  solche, 
die  von  natürlichen  Verhältnissen  herzuleiten  sind  und  3)  in 
solche,    welche   in   folge   einer  gewissen  Übereinkunft  ent- 


Ueber  die  einordnnng  mancher  namen  in  die  eine  oder 
andere  dieser  kategorien  mag  man  noch  mit  dem  Verfasser 
len,    die   Schwierigkeit  aber,    welche   in  allen 
m  Ordnungen    von  oft  unverständlichen  namen 
lie  kritik  zur  nachsieht  stimmen  müssen.     In- 
verschiedenen unterabtb eilungen   der  drei  ka- 
die  alphabetische  reihenfolge  beobachtet  wor- 
ie  benutzung   der  arbeit  wesentlich  erleichtert. 
Zu  danken  haben  wir  dem  Verfasser,   dais  er  sich  etymo- 
logischer Spielereien  ganzlich  enthalten  hat  und  bei  dunke- 
let namen  seine  rathloeigkeit  offen  bekennt. 

Jena.  Johannes  Schmidt. 


Weber,  anzeigen.  97 

Kurze  elementargrammatik  der  sanskritsprache.  Mit  vergleichender  be- 
rückaichtigung  des  griechischen  und  lateinischen.  Von  Camillo  Kell- 
ner, dr.  phil.,  lehrer  am  gymnasium  zu  Zwickau.  Leipzig,  F.  A. 
Brockhaus.  1868.     1  Thlr.  10  Sgr.     pp.  XXII.  211.     8. 

Ein  werk  der  vorliegenden  art  ist  lange  schon  als  ein 
dringendes  bedürfnifs  gefühlt  worden.  Der  verf.  hat  sich 
somit  ein  überaus  dankbares  thema  erkoren,  als  er  die  aus- 
arbeitung  desselben  übernahm.  Dieser  glückliche  griff  zeugt 
von  muth  und  richtiger  einsieht  in  das,  was  noth  thut. 
Auch  ist  die  art  der  behandlung  des  Stoffes  im  allgemei- 
nen *)  dem  gegenwärtigen  niveau  der  vergleichenden  Sprach- 
wissenschaft wohl  entsprechend.  Leider  aber  läfst  sich  das 
gleiche  —  und  das  bleibt  denn  doch  bei  einem  solchen 
werke  die  bauptsache  —  nicht  auch  von  des  verf.'s 
kenntnifs  des  sanskrit  selbst  sagen.  Es  ergiebt  sich 
vielmehr  augenscheinlich,  dafs  er  seine  künde  desselben 
nicht  sowohl  aus  wirklicher  Vertrautheit  mit  dem  leben  der 
spräche,  als  vielmehr  wesentlich  nur  aus  den  vorliegenden 
sanskritgrammatiken  geschöpft  hat.  Nicht  einmal  das  Pe- 
tersburger Wörterbuch,  welches  zumal  in  solchem  falle 
und  för  solche  zwecke  denn  doch  geradezu  als  ganz  un- 
entbehrlich erscheint,  kann  ihm  bei  der  ausarbeitung  sei- 
nes werkes  zur  hand  gewesen  sein.  Für  diese  unfertigkeit 
und  unzureichende  sanskritkenntnifs  des  verf.'s  treten  die 
folgenden  punkte  mit  voller  entschiedenheit  ein. 

1)  Die  häufige  Verwendung  entweder  ganz  unbelegter, 
oder  doch  nur  selten  sich  findender  wurzeln  in  den  bei- 
spielen,  und  zwar  mehrfach  nicht  einmal  unter  beobachtung 
der  dafür  geltenden  regeln.  So  auf  p.  28.  29  tikate  (müfste 
wenigstens  tekate  oder  tikate  lauten),  dramati  p.  29  (dravati 
läge  näher),  KandatS  p.  29  (müfste  Kandati  lauten),  aganti 
sie  gehen  p.  30.  Auch  statt  $ubhat€  p.  29  müfste 
$obhate  oder  pubhati  stehen. 


*)  mit  ausnahmen  freilich.  So  erscheint  auf  p.  74  in  der  note  as  als 
pluralstamm  des  pronomens  der  ersten  person,  während  denn  doch  das  s  von 
asm&n  etc.  gar  nicht  zu  dem  anlautenden  a,  sondern  zu  dem  folgenden  ma 
(sma)  gehört. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  1.  7 


98  Weber 

2)  Die  bei  bringung  falscher  beispiele.  äli,  biene,  ist 
masculinum,  nicht  femininum  (p.  50);  ebenso  ahi  schlänge, 
nicht  ahl  (p.  5?).  anta  ist  in  der  regel  mascul.;  es  als 
neutrales  paradigma  aufzufuhren  (p.  61)  leitet  irre.  —  la- 
turtaja  p.  85  ist  ein  unding  für  Katuätaja.  —  Die  1.  pers. 
praes.  von  wurzel  sü.  ist  suvö,  nicht  süvö  (p.  106).  — 
Die  3.  pers.  imper.  von  wz.  da  lautet  dadätu,  nicht  dattu 
(1  zweimal,  auf  p.  108  und  167).  —  Hieher  gehört  auch 
die  falsche  oder  wenigstens  gesuchte  Übersetzung  der  ge- 
gebenen beispiele.  So  väidja  p.  15  der  veden kundige, 
baläpva:  p.  22  das  starke  pferd,  tarütpatti:  ibid.  der  er- 
trag des  baumes,  bäläutsukjam  p.  23  des  knaben  angst, 
bälartu:  ibid.  des  knaben  gang,  kavjartha:  ibid.  des  dich- 
ters  reichthum,  pipakä  p.  26  durstig  (!),  tvis  ibid. 
flamme,  kas  p.  40  gehend,  würz.  $iä  p.  111  unter- 
scheiden. 

3)  Die  mehrfache  Wiederholung  desselben  druckfehlers 
dicht  neben  einander.  So  p.  10  zweimal  mähäl,  —  p.27 
zweimal  märut,  —  p.  19  fünfmal  wz.  budh  in  der  form 
bhud,  ebenso  p.  34.  35  dreimal  abhödhajam  oder  abhö- 
dajam,  p.  95  zweimal  bhödanti,  —  p.  35  dreimal  svadu 
mit  kurzem  a,  —  p.  42  siebzehnmal  hrid  für  hrd,  — 
p.  45  achtmal,  p.  70  dreimal  und  p.  207  (im  index)  dur- 
manas  für  duruianas,  —  p.  66  zweimal  und  p.  210  im 
index  pakthi  für  sakthi,  —  p.  175  panipadje  und  panipa- 
düni  für  °patje,  °patlmi,  — p.  185  dreimal  pambös  für 
gambhös.  Die  zahl  der  einzelnen  druckfehler  ist  aufser- 
dem  eine  überaus  grofse. 

4)  Falsche  oder  doch  ungehörige,  resp.  ungenau  ge- 
faßte regeln.  Im  gewöhnlichen  sanskrit  heifst  es  nie,  wie 
p.  24  gelehrt  wird,  strijäj  iha  oder  gävä  atra,  nur  strijä 
iha  und  gäväv  atra.  Der  Sprachgebrauch  hat  sich  unbe- 
dingt hiefür  entschieden.  Nur  die  grammatiker  lehren  auch 
die  andere  weise.  —  Dafs  anlautendes  9  nach  finalem  n  zu 
kh  wird,  ist  §.  81  ganz  mit  stillschweigen  übergangen,  und 
auch  in  §.  83  wird  darauf  nicht  hingewiesen.  —  Die  regel 
§.  87    von    der   beliebigen    vordopplung    der    consonanten 


anzeigen.  99 

nach  r  brauchte  in  einer  „  elementargram  matik"  gar  keine 
stelle  zu  finden.  —  Dafs  „die  schweren  casus  aus  der  voll- 
sten ursprünglichen  form  des  Suffixes  gebildet  werden" 
(p.  43),  die  mittleren  aus  der  bereits  „einmal  geschwäch- 
ten Stammform",  die  leichtesten  aus  der  „zweimal  ge- 
schwächten" dgl.,  ist  eine  unrichtige  darstellung  des  Sach- 
verhaltes, steht  auch  im  Widerspruch  mit  der  eignen  an- 
gäbe des  verf.'s  auf  p.  48,  dafs  „vant  die  ursprüngliche 
form  des  suffixes  väs  sei".  Nicht  rag  an  (s.  p.  175),  son- 
dern rag  an  ist  die  grundform.  In  den  starken  casus  fin- 
det eben  meist  eine  Steigerung  statt,  während  in  den  mitt- 
leren sich  meist  das  ursprüngliche  thema  zeigt.  —  Dafs 
bei  den  radikalen  nomina  (p.  40)  die  mit  bh  beginnenden 
endungcn  an  den  nom.  sg.  antreten,  ist  eine  rein  von  dem 
äufserlichen  ausgehende  darstellung.  —  Die  regel  über  su- 
tus  p.  46  ist  in  einer  „ element argramm atiku  sehr  überflüs- 
sig. —  Die  reihenfolge  der  vokalischen  deklinationen  geht 
(p.  52)  vom  finalen  ar  (r)  aus,  blos  wegen  des  leichteren 
anschlusses  an  die  vorangestellte  consonantische  deklina- 
tion,  den  die  ar-stämme  bieten,  und  schliefst  mit  finalem  a. 
Die  erste  deklination  wird  somit  zur  letzten.  So  sehr 
wir  im  übrigen  für  sprachgeschichtliche  forschungen  die 
ersetzung  des  r  durch  ar  billigen,  so  hat  dieselbe  bei  einer 
grammatik,  resp.  „elementargrammatik",  des  sanskrit  denn 
doch  ihre  bedenken,  wie  der  vorliegende  fall  zeigt.  —  Die 
Erklärung  des  lokativs  und  genetivs  der  Wörter  auf  u  durch 
eine  Steigerung  desselben,  so  dafs  im  lokativ  aus  av-i  durch 
abfall  der  endung  an,  resp.  im  gen.  durch  abfall  des  an- 
lauts  der  endung  (as)  ös  geworden  sei  (p.  55),  ist  ebenfalls 
eine  rein  äufserliche,  giebt  resp.  für  den  völlig  gleichen 
ausgang  des  locativs  der  i- stamme  gar  keine  auskunft. 
Auch  die  erklärung  des  Sna  und  äja  im  instr.  dat.  der 
Wörter  auf  a  (p.  60)  ist  eine  ganz  äufserliche.  — '  Die  en- 
dung äis  im  instr.  plur.  der  masc.  auf  a  geht  schwerlich 
auf  äbhis  zurück  (p.  61),  steht  ja  doch  die  form  ebhis 
im  Veda   noch    direkt    daneben.  —    Der  locativ  von  püs 


100  Weber 

heifst  nicht  punsu,  wie  der  verf.  aus  M.  Müller' 8  grarama- 
tik  ohne  weiteres  nachschreibt  (p.  65),  sondern  püsn  (vgl. 
jetzt  Böhtlingk-Roth  V,  1 604).  —  Die  obliquen  casus  von 
9van  werden  aus  pun,  nicht  aus  ^ün  (p-  65)  gebildet.  — 
Die  dualformen  sind  bei  akäi  etc.  nicht  von  der  analogie 
der  übrigen  leichtesten  casus  auszunehmen  (p.  66),  wie 
das  eigene  paradigma  des  verf.'s  zeigt,  wo  richtig  akänös 
aufgeführt  ist.  —  Bei  sakhi  ibid.  ist  zu  lesen:  „in  dfen 
übrigen  schweren  (dies  wort  fehlt)  casus  erscheint  sa- 
khäi".  —  anvanR  hat  in  den  starken  casus  nicht  använk, 
sondern  nur  anvanK  (p.  61).  205).  —  Der  instr.  plur.  des 
pronomens  der  ersten  person  ist  asmabhis,  nicht  asmabhis 
(p.  74,  wohl  Mos  druckfehler).  —  In  den  worten:  „die  fle- 
xion  ist  die  des  simplex  kastf  p.  79  bricht  mal  der  alte 
Adam,  die  Wörter  durch  ihre  nominative,  nicht  durch 
ihre  thematischen  formen  zu  bezeichnen,  wieder  durch 
(ebenso  Qivas,  viermal,  auf  p.  185.186).  —  Bei  den  zahl* 
Wörtern  ist  tripatam  p.  82  einfach  als  „300u  angegeben, 
ohne  irgend  notiz  davon  zu  nehmen,  dafs  es  vielmehr 
eigentlich  103  bedeutet  (vgl.  ind.  stud.  IX,  469),  und  erst 
sekundär  auch  für  300  verwendet  wird.  — -  Dafs  „die  für 
die  verbalform  am  meisten  charakteristische  silbe  den  hoch- 
ton hat"  (p.  92),  ist  in  dieser  fassung  völlig  irrig.  In 
der  ganzen  ersten  conjugation  ruht  ja  der  accent  durch- 
weg (bis  auf  die  augmentirten  formen)  in  den  Specialtempora 
nur  auf  dem  thema,  während  er  in  der  zweiten  conjuga- 
tion —  bis  auf  die  bekannten  ausnahmen  im  8g.  par.,  im 
1.  ps.  imper.,  und  im  potential  —  durchweg  auf  der 
endung  ruht.  Hieraus  ergiebt  sich  zugleich,  dafs  von 
dem  gewicht  der  personalendungen  (p.  102)  hierbei  nicht 
als  mafsgebend  die  rede  sein  kann,  denn  dann  müfste  dies 
gewicht  doch  auf  alle  verba  gleichmäfsig  wirken:  in  der 
that  gehören  ja  auch  die  faktisch  schwersten  dgl.  en- 
dungen,  die  der  I.  ps.  imper.,  zu  den  angeblich  leichten« 
Die  Verstärkung  des  thema's  hängt  vielmehr  einfach  nur 
mit  der  betonung  zusammen.  Der  grund  freilich,  warum 
die  alte  weise  der  verba,   denn  das  ist  offenbar  die  der 


anzeigen.  101 

conjugation  II,  der  neuen  weise  der  conjugation  I  ge- 
wichen ist,  liegt  noch  nicht  klar  vor.  —  Die  vollständige 
aufführung  der  medialformen  der  wz.  as  auf  p.  92  —  94 
mufs  den  glauben  erwecken,  als  ob  dieselben  ganz  ge- 
bräuchlich seien,  während  doch  faktisch  nur  etwa  der  sg. 
praes.  belegbar  ist,  die  übrigen  formen  nur  aus  der  son- 
stigen verbalconjugation  erschlossen  sind.  —  Dafs  die  „wur- 
zeln auf  a"  (sie!)  bei  der  bildung  des  praesensstammes 
die  halbvokale  v  oder  j  einschieben  (p.  95),  ist  eine  ganz 
verkehrte  anschauung.  Die  wurzel  gjö  speciell,  die  dem 
verf.  so  schwere  bedenken  macht  (s.  p.  XI  und  p.  95),  exi- 
stirt  nur  als  eine  abstraktion  Vöpadeva's.  Und  die  son- 
stigen angeblichen  wurzeln  auf  e,  äi,  ö,  die  er  sich  nicht 
recht  erklären  kann,  obschon  er  Schleichers  ansieht,  dafs 
es  „wurzeln  auf  a"  seien,  beitritt,  sind  höchst  einfach  als 
bildungen  der  vierten,  nicht  der  ersten  (p.  97)  classe, 
resp.  als  wurzeln  auf  ä  zu  erkennen,  deren  ä  sich  vor  dem 
ja  der  vierten  classe  entweder  bewahrt,  so  glä-jämi,  oder 
verkürzt,  so  da-jämi,  hva-jämi,  oder  verliert,  so  d-jami 
(kuriose  andere  erklärung  auf  p.  154).  „Wurzeln  auf  ä" 
giebt  es  im  sanskrit  überhaupt  nicht,  und  wenn  man  auch 
vom  indogermanischen  Standpunkte  aus  bei  einigen  wur- 
zeln auf  am  und  an  allenfalls  dergl.  unnasalirte  nebenfor- 
men  auf  a  vielleicht  statüiren  mag,  so  ist  es  doch  schwer- 
lich gerathen  auf  grund  dessen  die  sämmtlichen,  ziemlich 
zahlreichen  wurzeln  auf  ä,  primäre  wie  pä,  da,  mä  u.  dgl., 
und  sekundäre  wie  mnä  aus  man,  glä  aus  gal  (gar,  gar), 
hvä  aus  hü  etc.  als  auf  ä  ausgehend  hinzustellen,  was  nur 
zur  folge  haben  kann,  dafs  in  jedem  einzelnen  falle  die  Ver- 
längerung desselben  erst  wieder  apart  statuirt  werden  mufs 
(vgl.  z.  b.  hier  p.  106. 108.  109.  118.  123. 125. 140. 148).— 
Die  wurzeln  dhar  und  mar  (p.  98)  werden  allerdings  von 
den  indischen  grammatikern  kurioser  weise  als  verba  der 
6ten  classe  aufgeführt,  aber  deren  praesensstämme  dhrijä, 
mrijä  sind  vielmehr  einfach  als  passiv- formen  mit  seeun- 
därer  aktivbedeutung  aufzufassen;  dasselbe  gilt  von  wz.  dar, 
drijö  (p.  99).  —  Die  formen  pipürvas  pipürthas  etc.  (p.109) 


102  Weber 

sind  grammatische  düfteleien  (Vöpadöva's).  Die  texte  bie- 
ten piprivas  etc.  —  Der  abfall  eines  „dentalen  auslautes" 
yor  den  mit  t,  tb,  dh  beginnenden  endungen  (p.  110)  ist 
ein  falscher  usus,  der  in  eine  „eleuientargrammatik"  nicht 
hineingehört.  —  Die  wz.  dar  schwächt  keineswegs  ihr  ar 
zu  „ri  (nicht  r)tf  (p.  114),  sondern  zeigt  nur  r  (drnä°, 
nicht  drinä0).  —  wz.  bhrl  (ibid.)  bedeutet  zunächst  nicht: 
tragen  (dies  ist  nur  eine  unrichtige  angäbe  einiger),  und 
bildet  ferner  nicht  bhrinä0,  sondern  entweder  bhrinä0  oder 
bhrnä0.  —  Beim  „starken"  aorist  (p.  117)  ist  diejenige 
form,  bei  welcher  blos  die  endungen  an  die  wurzel  treten, 
fast  ganz  bei  seite  geschoben  (p.  118),  während  sie  gerade 
speciell  in  den  Vordergrund  treten  mufste.  —  Der  aorist 
ahvam  (ibid.)  erklärt  sich  einfacher  aus  wz.  hü  direkt,  als 
aus  der  Weiterbildung  derselben  zu  hva  (d.  i.  hvä).  —  Beim 
„  schwachen u  aorist  ist  kurioser  weise  die  form  mit  dem 
bindevokal  i,  deren  2.  ps.  plur.  ätm.  übrigens  auf  idhvam, 
nicht  auf  idhvam  (so  zweimal)  ausgeht,  vorangestellt 
(p.  120).  —  Der  aorist  amäsisam  für  die  wurzeln  mi,  ml 
(p.  123)  stützt  sich  nur  auf  Vöpadeva  (aus  Pän.  VI,  1,  50 
folgt  er  ebenso  wenig,  wie  das  bei  Westergaard  und  Mül- 
ler sich  findende  perfectum  mainäu,  mame);  die  texte  bie- 
ten, auch  für  das  perfect,  nur  i-  formen.  —  Ein  perfect- 
stamm  guhva  von  wz.  hva  (p.  126)  existirt  nicht;  das  per- 
fect wird  aus  wz.  hü  gebildet  (guhäva),  vergl.  p.  164.  — 
Die  wurzeln  vart,  vardh,  vakä  etc.  lauten  auch  mit  va  an 
und  schliefsen  consonantiscb,  haben  aber  doch  nicht  u  als 
reduplikations8ilbe  (p.  126)  sondern  va;  die  einfache  con- 
sonanz  im  auslaut  war  zu  betonen.  —  Beim  singular  des 
perfect  par.  (p.  127)  war  der  Zusammenhang  zwischen  be- 
tonung  und  Verstärkung  des  thema's  hervorzuheben,  resp. 
in  den  Vordergrund  zu  stellen.  —  Die  erklärung  der  for- 
men teniva  u.  dgl.  (p.  128)  durch  Schwächung  des  a  der 
Wurzelsilbe  zu  i,  ausfall  des  anlauts  derselben  und  con* 
traktion  des  a  der  reduplikationssilbe  mit  dem  i  der  Wur- 
zelsilbe zu  e  ist  eine  ganz  äufserliche.  Vedische  formen 
wie  paptima,  tatniäe  zeigen,  dafs  der  weg  ein  ganz  andrer 


anzeigen.  103 

war;  der  wurzel vokal  fiel  zuerst  aus,  dann  der  wurzelan- 
laut,  und  die  Verwandlung  des  a  der  reduplikationssilbe 
zu  e  ist  nur  eine  ersatzdehnung.  —  Von  M  und  Mit  (p.  132) 
waren  auch  die  beiden  gebräuchlicheren  formen  Rikäja, 
kiketa  aufzuführen  (zu  la  vgl.  wenigstens  p.  152),  so  wie 
auf  gi  gigäja  aufmerksam  zu  machen,  um  so  mehr  als  der 
verf.  auf  p.  1 73  n.  zeigt,  dafs  er  bei  Kikls  den  werth  dieser 
form  richtig  schätzt.  —  Das  zur  bildung  des  futurum  Sim- 
plex (p.  134)  verwendete  sjämi  etc.  war  gar  nicht  als  ein 
„futurum  von  asu,  sondern  eben  nur  als  eine  „praesens- 
bildung  auf  ja"  zu  bezeichnen:  denn  es  hat  sich  doch  ge- 
wifs  nicht  zuerst  blos  von  wz.  as  allein  ein  „futurum"  ge- 
bildet, während  alle  die  andern  wurzeln  leer  ausgingen. — 
Die  medialform  des  participialfutur's  (p.  138)  ist  im  faktischen 
gebrauch  der  spräche  nicht  recht  vorhanden;  ein  para- 
digma  war  daher  unnöthig.  —  Dafs  das  part.  praes.  ätm. 
bei  cl.  10  vorwiegend  sich  auf  äna  bilde  (p.  142),  ist 
irrig:  es  ist  dies  vielmehr  höchst  selten  der  fall. —  Ebenso 
ist  die  active  form  des  part.  praes.  pass.  äufserst  selten, 
die  mediale  form  nicht  blo3  die  gewöhnlichere  (p.  143), 
sondern  die  fast  alleinige.  —  Beim  part.  perf.  pass.  ist  in- 
lautendes ar  der  Schwächung  in  r  fast  durchweg  unter- 
worfen: der  verf.  sagt  irrig  (p.  145),  dafs  dies  in  der  re- 
gel  nicht  geschehe,  und  das  von  ihm  angeführte  beispiel 
dharäita  ist  falsch;  wz.  dhrs  bildet  dhrsta  oder  dhräita, 
dharsita  ist  part.  perf.  pass.  des  causativs.  —  Schliefsen- 
des  j  bei  wurzeln  existirt  entweder  gar  nicht,  kann  also 
auch  im  p.  p.  p.  gar  nicht  abgeworfen  werden,  so  bei 
wz.  sphäj  p.  145,  welches  trotz  pasphäjö  wohl  nur  als  wz. 
sphä  cl.  4  aufzufassen  ist,  oder  die  betreffenden  wurzeln 
nehmen  binde vocal  i  an.  —  Der  unterschied  der  be to- 
nung bei  den  formen  des  infinitivs  auf  tum,  und  des  ge- 
rnndiums  auf  tvä,  welcher  die  verschiedene  behandlung, 
resp.  Steigerung  oder  Schwächung,  der  wurzeln  zur  folge 
hat,  war  hervorzuheben  (p.  147.  148).  —  wz.  gä  gehen  bil- 
det gigämi,  nicht  gagämi  (p.  151);  „die  vedischen  formen 
gagäti  [wovon  gagat],  gagäjät  sind  noch  nicht  nachzu- 


104  Weber 

weisen"  (petersb.  wtb.).  —  g$jate  (p.  152)  ist  ursprünglich 
ein  passivum,  nicht  medium  der  cl.  4;  im  Veda  werden  die 
passiva,  und  zwar  in  deponentialer,  wie  in  passiver  bedeu- 
tung, häufig  auf  der  wurzel  betont,  —  wz.  gjä  bildet  fak- 
tisch gita  im  p.  p.  p.;  glna  (p.  155)  geben  nur  die  gramma- 
tiker  an.  —  wz,  div  spielen  (p.  154)  bildet  djüta  im 
p.  p.  p.,  djüna  gehört  zu  wz.  div  jammern.  —  matja  ist  nicht 
als  verbaladjektiv  von  wz.  man  (p.  158)  aufzufassen.  — 
Das  perfect  mamäu  von  wz.  mi  (p.  158)  ist  schwerlich  zu 
recht  bestehend  (s.  oben  p.  102).  —  Bei  wz.  $ü  (p.  162)  war 
zu  erwähnen,  dafs  der  accent  durchweg  auf  der  wur- 
zel ruht,  was  offenbar  die  stete  guna-steigerung  derselben 
zur  folge  hat.  Vermuthlich  ist  hier,  wie  bei  wz.  äs  (auch 
stets  ebenso  betont)  die  bedeutung  für  dies  ruhen  des 
tones  auf  der  wurzel  mafsgebend  gewesen.  —  Das  p.  p.  p. 
der  wz.  budh  lautet  regulär  buddha,  nicht  budhita  (p.  169), 
eine  form,  die  zum  wenigsten  nur  sehr  selten,  resp.  in  spe- 
cialer bedeutung,  gebraucht  wird.  —  Die  erklärung  der 
wurzeln  90,  so  durch  ap,  resp.  as  (p.  162.  171)  hat  an  die- 
sem orte  nichts  rechtes  zu  suchen,  ist  ja  zudem  auch  an 
und  für  sich  noch  sehr  zweifelhaft.  —  Das  desiderativ 
der  wz.  budh  lautet  in  der  regel  bubhuts ,  nicht  bubödhis 
(p.  172).  —  Neben  pipatis  (ibid.)  war  pits  zu  erwähnen,  wie 
denn  der  gänzliche  mangel  einer  erwähnung  der  formen 
lips,  rips,  rits  etc.  höchst  auffällig  ist.  —  Das  desiderativ 
von  kars  ziehen  lautet  nicht  Kiklr&ämi  (p.  175),  sondern 
dies  ist  das  desiderativ  von  wz.  kar  machen.  —  Das  in- 
tensivum  wird  nicht  gebildet  durch  das  passivum  mit  gu- 
nirter  praesensreduplikation  (p.  174),  wie  die  vom  verf. 
angegebenen  beispiele  ja  auch  selbst  zeigen,  z.  b.  kekrije 
intens.,  aber  passiv  krijö,  tästarje  intens.,  aber  stlrje  pass. 
(ein  „passiv  starjetf  existirt  nicht).  Der  verf.  hat  sich  hier 
durch  sein  bestreben,  äufserliche  hilfsmittel  zur  bildung 
der  formen  anzugeben  (vgl.  z.  b.  p.  141.  142  „um  das  ... 
zu  finden"),  irre  leiten  lassen.  —  Die  aktivform  des  in- 
tensivs  ist  etwas  stiefmütterlich  behandelt  (p.  174);  sie  fin- 
det sich  nicht  blos  „zuweilen",  sondern  steht  ganz  gleich- 


anzeigen.  105 

berechtigt  neben  der  deponensform  da. —  pälajämi  (p.  175) 
kommt  nicht  von  päla,  sondern  ist  aus  pärajämi,  caus.  wz. 
par,  entstanden.  —  Die  nominal bildung  ist  auf  p.  176. 177 
sehr  kärglich  abgespeist.  —  Bei  der  composition  war 
es  bei  dem  sonstigen  Standpunkt  des  verf.'s  in  der  that 
unerläfslich,  etwas  bessere  Ordnung  in  die  bekanntlich 
theilweise  zusammenfallenden  sechs  classen  der  indischen 
grammatiker  hineinzubringen  (beiläufig  bemerkt  steht  nicht 
gandha  fine  comp,  für  gandhi  p.  184,  sondern  gerade  um- 
gekehrt). Das  speciminis  caussa  auf  p.  185  —  6  erklärte 
compositum  ist  nicht  ganz  richtig  aufgefafst;  in  „$ambhö: 
parjankagranthibandhadvigunitabhugagä^lesasävltagänö: 
(whilst  his  serpents  coil  with  the  folds  of  his  vesture 
round  his  bended  knees,  Wilson)  ist  nämlich  bhugaga  plu- 
ralisch aufzufassen,  und  dvigunita  gehört  nicht  zu  bhu- 
gaga, sondern  zu  äplesa;  also:  „Qiva,  dessen  kniee  bedeckt 
sind  durch  die  umwindungen  seiner  schlangen,  welche  die- 
selben verdoppelt  haben,  um  ihm  zur  Herstellung  der  pa- 
rjankagranthi  genannten  positur  (sitting  on  the  hams  with 
a  cloth  fastened  round  the  knees  and  back)  behülflich 
zu  sein".  Oder  wenn  man  mit  dem  verf.  konstruirt  —  und 
in  der  that  stimmt  ihm  der  hiesige  comm.  des  drama's 
(Chambers  443)  zu  — ,  so  darf  man  doch  nicht  vom 
„schlangenpaar"  sprechen,  sondern  mufs  fibersetzen:  „be- 
deckt durch  die  umwindungen  der  schlänge,  die  sich  ver- 
doppelt hat,  da  sie  das  band  für  die  parjanka-positur  bil- 
det". Jedenfalls  wäre  ein  verweis  auf  den  sachlichen  ver- 
halt der  hier  vorliegenden  Vorstellung,  die  sonst  als  baarer 
unsinn  erscheint,  wohl  am  platze  gewesen.  — 

In  der  darstellung  des  schrift  Systems  ist  die  angäbe 
(p.  189)  unrichtig,  dafs  nur  dann,  wenn  der  erste  der 
zusammentreffenden  consonanten  zur  rechten  keinen 
senkrechten  strich  hat,  sich  beide  consonanten  zu  einem 
compendium  „auf  folgende  weise"  vereinigen,  denn  die  auf 
p.  190  „folgenden"  beispiele  enthalten  auch  falle,  wo  der 
erste  consonant  ein  t,  n,  ä  ist,  die  doch  sämmtlich 
zur  rechten  einen  senkrechten  strich  haben.    Das  angeb- 


106  Weber 

liehe  „compendium"  gnj  (p.  193)  ist  vielmehr  gjr  zu  le- 
sen. —  In  der  Schriftprobe  (p.  194 — 197),  die  kurioser 
weise  aus  einer  ganz  sekundären  quelle,  nämlich  aus  einem 
1861  von  Kossowicz  veranstalteten  abdruck  der  Sävitrl,  entr 
lehnt  ist,  während  doch  die  Boppsche  ausgäbe  (1829),  resp. 
die  Originalausgabe  des  Mahäbhärata  (III,  16620 — 16657) 
weit  besser  zu  gründe  gelegt  wäre,  ist  eine  sehr  grofse 
zahl  von  fehlem  enthalten,  und  zwar  theilweise  solche,  die 
auch  in  der  lateinischen  Umschrift  auf  p.  198 — 200  ganz 
ebenso  wiederkehren.  Es  sind  darunter  resp.  einige  sehr 
grobe  Schnitzer.  So  ist  in  v.  27  beide  male  nrpater 
(mit  viräma)  pärevam  aus  Kossowicz  herübergenommen, 
und  in  v.  19  hat  der  verf.  in  cukle  das  von  Kossowicz 
für  kl  verwendete  compendiumszeichen,- welches  allenfalls 
wie  ktl  aussieht,  gänzlich  verlesen,  resp.  in  beiden  texten 
.durch  culkte  (siel)  wiedergegeben!  was  er  sich  dabei  wohl 
gedacht  haben  mag?  Abgesehen  von  diesen  und  den  son- 
stigen direkten  fehlem  (z.  b.  viermal  sth  statt  st  und  drei- 
mal umgekehrt  st  für  sth)  ist  aber  auch  die  beobachtete 
Orthographie  selbst  sehr  mangelhaft.  Es  ist  gegen  alle 
Ordnung  im  innern  der  Wörter  die  nasale  durch  anusvara 
zu  geben,  also  käkanlm,  krtägalir,  dagegen  finales  m  ei- 
nes compo8itionsgliedes  dem  folgenden  anlaut  anzupassen, 
so  8atjasandhö,  santäpam,  santänam  (neben  klkit,  säme- 
nire  übrigens,  wofür  consequenter  weise  kin&it,  samme- 
nire  zu  erwarten  wäre).  Auch  wäre  bei  der  vom  verf.  be- 
liebten durchführung  der  abtheilung  der  einzelnen  Wörter 
von  einander  darauf  zu  halten  gewesen,  dafs  finales  m  vor 
folgendem  vocal  eben  durch  m,  nicht  durch  anusvara,  ver- 
treten ward.  Die  Verdoppelung  des  dh  nach  r  in  vjavard- 
dhata  v.  19.  21  ist  ganz  überflüssig,  zumal  da  die  regel 
(§•  87)  sonst  nicht  beobachtet,  vielmehr  dharmätmä,  dhär- 
mika:,  sarva,  artha  etc.  ohne  Verdopplung  geschrieben 
ist.  —  Das  zugefügte  vocabularium  (p.  205  —  211)  be- 
zieht sich  nicht,  was  doch  vor  allem  zu  erwarten  gewesen 
wäre,  auf  die  mitgetheilte  sprachprobe.  Und  in  bezug  auf 
die  einzelnen  darin  aufgeführten  Wörter  ist  z.  b.  zu  bemer- 


/ 


anzeigen.  107 

ken,  dafs  anaduh  (§.  140)  nicht  als  thema  gelten  kann, 
sondern  nur  anadvah,  was  ja  übrigens  auch  zu  dem  eige- 
nen System  des  verf.'s,  wonach  er  sogar  använk  als  thema 
aufführt,  besser  pafst.  —  wz.  khid  heilst  nicht  betrüben, 
sondern  etwa  drucken,  und  nur  im  ätm.  sich  bedrückt  füh- 
len, betrübt  sein;  auch  ist  die  parasm.  form  khindämi  in 
der  spräche  selbst  nicht  lebendig,  nur  khidämi,  resp.  khid- 
jämi  (in  neutraler  bedeutung)  ist  belegbar. 

Wir  haben  uns  im  vorstehenden  wesentlich  auf  das 
beschränkt,  was  uns  gerade  beim  durchlesen  des  werkes 
als  besonders  mangelhaft  darin  aufgestofsen  ist.  Es  würde 
zu  weit  führen,  nun  auch  noch  näher  auf  den  plan  des- 
selben und  die  ausführung  dieses  planes,  resp.  die  an- 
ordnung  und  vertheilung  des  Stoffes  einzugehen. 
Auch  da  würden  allerlei  bedenken  zu  erheben  sein.  Und 
doch  beruht  gerade  hierin  das  eigentümliche  verdienst 
des  verf.'s,  welches  wir  ihm  in  keiner  weise  schmälern 
wollen.  Freilich  ist  er  auch  dabei  nicht  gerade  mit  be- 
sonderer Originalität  zu  werke  gegangen,  hat  sich  resp., 
wie  er  auch  selbst  angiebt,  wesentlich  an  Schleichers  me- 
thode  angeschlossen,  wie  er  denn  sogar  auch  die  morpho- 
logischen formein  Schleicher's  je  bei  gelegenheit  verwer- 
thet.  Immerhin  aber  bleibt  das  werk  denn  doch  zum  we- 
nigsten eine  wirklich  selbständige  umgiefsung  alten  Stoffes 
in  neue,  leider  eben  durch  die  gerügten  defecte  arg  ver- 
unstaltete, form. 

Für  das  Übungsbuch,  welches  der  verf.  auf  p.  XI  in 
aussieht  stellt,  empfehlen  wir  ihm  noch  ganz  besondere 
vorsieht.  Nach  dem  speeimen,  welches  er  hier  bereits  in 
der  „Schriftprobe"  vorgelegt  hat,  halten  wir  ihn  zunächst 
noch  lange  nicht  für  reif  genug,  um  etwas  derartiges  zu 
unternehmen.  Auch  können  wir  es  nicht  billigen,  dafs  er 
nur  „transcribirte  sprachstücke*  in  aussieht  stellt;  halten 
es  im  gegentheil  für  dringend  noth wendig,  dafs  die  trän- 
scription  nur  etwa  den  ersten  beiden  dgl.  stücken  bei- 
gefügt wird,  um  eben  in  das  lesen  einzuführen;  dagegen 
müfsten  auch  sie,  und  alle  folgenden  stücke  nur,  in  der 


108  Pott 

originalschrift  gegeben  werden.  Das  glossar  könnte  dann 
wieder  entweder  blos  oder  doch  gröfstentheils  in  lateini- 
scher Umschrift  gedruckt  sein.  Eine  derartige  Verbin- 
dung beider  methoden  ist  das  beste  mittel,  um  den  an- 
fönger  allmälig  in  die  kenntnifs  des  Qevanägari  einzufüh- 
ren, in  welchem  ja  doch  für  immer  der  gröfste  theil  der 
sanskritliteratur  gedruckt  werden  wird. 

Berlin,  16.juni  1868.  A.  Weber. 


Ein  deutsch  -  preufsisches  vocabularium  aus  dem  anfange  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts.  Nach  einer  elbinger  handschrift  mit  erläuterungen  her- 
ausgegeben von  G.  H.  F.  Nesselmann.   Königsberg  1868.   56  s.    8. 

Wer  einem  paläontologen  die  freude  über  den  fund 
einer  bis  dahin  unbekannten  vorweltlichen  thiergattung  hö- 
herer art  nachzuempfinden  nicht  unter  seiner  würde  hält: 
der  wird  auch  den,  und  zwar,  weil  es  sich  dabei  um  un- 
seres gleichen  handelt,  noch  weitaus  mehr  berechtigten  hoch- 
genufs  eines  Sprachforschers  begreifen,  wenn  ihm  von  einer 
erloschenen  spräche  noch  wieder  aufgefundene  kostbare 
reste  vor  äugen  gestellt  und  für  wissenschaftliche  benutzung 
zugänglich  gemacht  werden.  Jedes  volk  ist  ein  stück 
menschheit  und  seine  spräche  ein  gut  theil  seiner  seele. 
Deshalb  büfst  mit  dem  Verluste  der  spräche,  d.  h.  mit  dem 
allmäligen  eintausche  gegen  eine  fremde  ihm  aufgedrun- 
gene, ein  volk  (es  sind  aber  die  alten  Preufsen  durch  die 
deutschen  Ordensritter  nicht  gänzlich  vom  erdboden  ver- 
tilgt, sondern,  was  von  ihnen  übrig  geblieben,  flofs  zu  an- 
fange des  17.  Jahrhunderts  mit  den  deutschen  ansiedlern 
in  eins ! )  zugleich  auch  die  wichtigste  seite  seiner  eigenart 
ein,  und  geht  damit,  selbst  beständen  in  der  forterzeugung 
seine  leiber  mit  denen  seiner  sieger  unvermischt  fort,  gleich- 
wohl als  dieses  volk  unter.  Ein  schmerzlicher  verlust 
das,  unter  allen  umständen!  —  wo  nicht,  dies  einmal,  z.  b. 
von   manchen  rasch  dahin  schwindenden  rohen  Indianer- 


anzeigen.         *  109 

stammen,  zugegeben,  im  grofsen  haushalte  menschlicher 
entwickelung,  —  doch  jedenfalls,  zu  geschweigen  theilnahm- 
vollen  mitgefuhls,  für  die  Wissenschaft  der  Völker-  und 
Sprachkunde;  und  zwar  ein  unersetzlicher,  dafern  die  sprä- 
che als  nicht  durch  die  schrift  eingefangen  und  gefesselt 
spurlos  wie  vom  winde  verweht  ist,  nirgends  mehr  der 
nachweit  eine  erinnerung  von  sich  hinterlassend  und  den 
anhält,  das  volk,  welches  in  jenen  sprachklängen  lebte  und 
webte,  nach  diesen  und  mittelst  dieser  einzuordnen  an 
dem,  ihm  in  dem  grofsen  vielstimmigen  völkerconcerte  ge- 
bührenden platze. 

Etwas  ähnliches  bietet  uns  nun  wirklich  obige  schrift 
von  dem  vielseitig,  im  besondern  aber  um  die  sprachen  in 
unserem  engern  vaterlande,  lithauisch  und  das  damit  nächst- 
verwandte ausgestorbene  idiom  der  alten  Preufsen  wohl- 
verdienten königsberger  gelehrten.  Natürlich  kommt  es 
uns  gar  spafshaft  vor,  wenn  man  nicht  selten  bei  Franzo- 
sen (und  das  ist  noch  nicht  übermäfsig  lange  her)  dem 
glauben  begegnete,  als  spräche  man  im  königr eich  Preu- 
fsen, Berlin  an  der  spitze,  nicht  etwa  deutsch,  sondern 
eine  davon  grundverschiedene  spräche,  die  preufsische. 
Wir  lachen  ob  solcher  Unwissenheit,  und  zwar  mit  vollem 
rechte.  Allein  wie,  wenn  in  unseren  eignen  busen  zu  grei- 
fen wir  nichts  desto  weniger  alle  Ursache  hätten,  und  die 
Franzosen  doch  nicht  auf  einem,  in  solchem  maafse  dik- 
ken  irrthume  säfsen,  als  es  auf  den  ersten  blick  scheinen 
wollte?  Es  bleibe  hier  unbesprochen,  dafs  ein  grofser  theil 
des  an  der  Elbe  und  ihren  Zuflüssen  belegenen  geländes 
zwar  lirdeutscher,  allein  erst  wieder  von  den  Slawen, 
welche  in  die  von  germanischen  stammen  verlassenen  länder- 
gebiete  nachrückten,  zurückeroberter  boden  sei.  Uns  küm- 
mert jetzt  nur,  dafs  die  provinz  Preufsen,  welche  durch 
eine  allerdings  sonderbare  Verkettung  von  umständen  in 
erweitertem  umfange  dem  gleichbenannten  königreiche  ih- 
ren namen  lieh,  unläugbar  nicht  nur  noch  heute  die  sprach- 
lich den  Slawen  um  vieles  näher  als  uns  verwandten  Li- 
t  hau  er  (mit  preufs.-lith.  mundart,  wogegen  die  poln.-lith. 


110  *  Pott 

in  Schamaiten)  in  ihrem  schoofse  beherbergt,  sondern  auch 
die  nachkommen  jener  echten  Preufsen,  deren  nun  schon 
seit  Jahrhunderten  verstummte  rede  mit  dem  lithauischen 
und,  in  etwas  weiterem  verwandtschaftlichen  abstände,  dem 
lettischen  eine,  dem  allgemeinen  typus  nach  slawische, 
jedoch  weitaus  alterthümlichere  besondere  sprachgruppe 
ausmacht,  welche  man,  jedoch  (z.  b.  wegen  der  finnischen 
anwohner  der  Ostsee,  Finnen,  Esthen,  Liven)  nicht  ganz 
sachgemäfs,  als  baltische  zusammenfafst.  Wie  viele  nun 
aber  selbst  in  Preufsen  wissen  von  jenem  alten  preufsen- 
idiome  aus  mehr,  oder  vielleicht  noch  weniger,  al6  blofsem 
hörensagen,  ungeachtet  uns  doch  eine  solche  kenntnifs,  und 
wäre  es  nur  aus  rein  vaterländischem  interesse,  nahe  ge- 
nug angeht?  Das  leidet  aber  jetzt  keine  entschuldigung 
mehr. 

Zuerst  war  es  J.  S.  Vater,  durch  welchen  das  Stu- 
dium des  altpreufsischen  wieder  ermöglicht  und  belebt 
wurde.  In  seinem  1821  erschienenen  buche:  Die  spräche 
der  alten  Preufsen  nämlich  ist,  nach  dem  unvollständigen 
exemplare  des  im  geheimen  köhigsberger  archive  aufbe- 
wahrten lutherischen  katechismus  von  1561,  der  text  mit 
deutscher  interlinear-übersetzung  abgedruckt,  sowie  daraus 
Sprachlehre  und  Wörterbuch  angefertigt.  Höheren  anfor- 
derungen  jedoch  genügte  erst  Nesselmann  in:  Die  spräche 
der  alten  Preufsen  an  ihren  Überresten  erläutert.  Berlin 
1845.  Nicht  nur,  dafs  er  den  vorgedachten  katechismus 
vollständig  und  fehlerfreier  wiedergab,  enthält  sein  buch 
auch  noch  von  zwei  anderen  altpreufsischen  katechismen 
(beide  von  1545),  welche  typographische  Seltenheiten  sind, 
den  Wiederabdruck,  und  bekundet  desgleichen  durch  rück- 
sichtnahme  auf  die  verwandten  sprachen  einen  bedeuten- 
den fort8chritt.  Schon  1848  aber  gab  der  stadtrath  Ferd. 
Neumann  zu  Elbing  im  V.  bände  der  neuen  preufs.  pro- 
vinzialblätter  von  einem,  in  seinem  besitz  befindlichen 
handschriftlichen  preufsischen  Vokabular  künde,  ohne  dafs 
in  den  20  jähren  die  von  ihm  verheifsene  Veröffentlichung 
erfolgt  wäre.    Allein,  sobald  im  april  1868  Schenkung  der 


anzeigen.  111 

handschrift  an  die  elbinger  Stadtbibliothek  erfolgt  war, 
machte  sich  unser  autor  ohne  verweilen  daran,  den  bis 
dahin  fast  ganz  unbenutzt  liegenden  schätz  zu  heben  und 
ans  Höht  zu  stellen.  Es  besteht  aber  das  von  Peter  Holcz- 
wesscher  [-warther?]  aus  Marienburg  abgefafste  oder  doch 
abgeschriebene  deutsch-preufs.  Vokabular  aus  802  nummern, 
welche,  mit  ausnähme  von  no.  459  —  468:  farbenadjeetiva, 
sämmtlich  Substantivs  sind,  und  das  bisherige  material, 
obschon,  eben  jener  beschränkung  wegen,  nur  in  einseiti- 
ger richtung  bedeutend  erweitern.  Die  grammatik  trägt 
vergleichsweise  nur  wenigen  nutzen  davon,  wogegen  der 
gewinn  auf  Seiten  des  Wörterbuchs  um  so  beträchtlicher 
ausfallt,  als  der  luthersche  katechismus  seiner  natur  nach 
eine  menge  von  sehr  wissenswerthen  benennungen  zumal 
dem  täglichen  leben  angehörender  dinge  ausschlofs  und 
zu  ausfullung  jener  schwer  empfundenen  locken  das  Grun- 
au9sche  verzeichnifs  seines  geringen  umfanges  halber  nur 
wenig  aushalf.  Ueberdem  aber  erweist  sich  das  Vokabu- 
lar auch  für  die  deutsche  lexikographie  nicht  ganz  nutz- 
los, indem  die  deutschen  Wörter  darin,  welche,  indem  die 
handschrift  allem  anscheine  nach  aus  dem  anfange  des 
15.  jahrh.  herrührt,  zum  theil  sehr  alterthümlich  und  viel- 
leicht landschaftlich  gefärbt  sind,  weshalb  zu  deren  erklä- 
rung  sich  der  herausgeber  öfters  der  beihülfe  abseiten  der 
gerraanisten  Schade  und  Zacher  versichert  hat.  Da 
diese  Wörter  aber  durchaus  hochdeutschen  charakter  trar 
gen,  ins  alte  Preufsen  aber  eher  niederdeutsche  bevöl? 
kerung  eindrang:  so  mufs  dieser  umstand  mit  in  betracht 
gezogen  werden,  will  man  sich  etwa  von  dem  zweck  bei 
abfassung  dieses  Vokabulars  rechenschaft  ablegen,  welches 
uns  ein  gütiges  gescbick  aus  dem  Schiffbruch  der  zeiten 
gerettet  hat. 

Eine  vorzüglich  wichtige  bemerkung  sei  mit  des  verf.'s 
eigenen  Worten  hervorgehoben:  „Eine  genaue  vergleichung 
des  vorliegenden  Vokabulars  mit  der  spräche  des  etwa 
150  jähre  jüngeren  katechismus  von  1561  ergiebt  das  au* 
genscheinliche  resultat,    dafs  in  beiden   quellen  uns  zwei 


1 12  Pott 

von  einander  abweichende  dialekte  der  preufsischen  spräche 
vorliegen ;  und  zwar  haben  wir  in  dem  aus  Marienburg 
datirten  Vokabular  den  dialekt  von  Pomesanien,  dagegen 
in  dem  vom  pfarrer  Abel  Will  in  Pobethen  verfafsten 
katechismus  den  dialekt  von  Samland  vor  uns;  auch  zeigt 
die  vergleichung,  dafs  der  samländische  dialekt,  obgleich 
die  quelle,  aus  der  wir  ihn  allein  kennen,  soviel  späteren 
Ursprungs  ist,  doch  noch  wesentlich  reiner  und  unverfälsch- 
ter sich  darstellt,  als  der  pomesanische  dialekt  in  einer 
anderthalb  Jahrhunderte  älteren  Urkunde.  Das  aus  Tolkemit 
herrührende  wörterverzeichnifs  von  Simon  Grünau  steht 
zwischen  beiden  dialekten  in  der  mitte,  jedoch  mit  stärke- 
rer hinneigung  zu  der  spräche  des  katechismus". 

Die  einrichtung  des  buches  ist  die,  dafs  auf  die  ein- 
leitung  das  Vokabular  folgt,  welches  nicht  alphabetisch  ist, 
sondern  nach  Sachen  (z.  b.  gott  und  himmel;  jähr  und  zeit; 
erde;  feuer;  luft  u.  s.  w.)  geordnet.  Dann  kommt  die  sehr 
sorgfältige  erklärung  der  Wörter  in  alphabetischer  reihen- 
folge  durch  den  herausgeber,  mit  angäbe  der  parallel -for- 
men aus  dem  katechismus  und  mit  vergleichen  aus  dem 
lithauischen ,  lettischen  und  slawischen,  sowie  unter  hin- 
zuftlgung  der  erklärung  von  den  deutschen  Wörtern,  wo 
diese  erforderlich  ist.  Den  beschlufs  macht:  Deutsches 
register. 

Trotz  der  grofsen  Sorgfalt,  welche  Nesselmann  jedes- 
mal der  aufsuchung  von  verwandten  gewidmet  hat,  steht 
doch  eine  nicht  geringe  an  zahl  von  artikeln  noch  ohne  alle 
anknfipfung  da;  und  wer  weifs,  ob  nicht  viele  von  ihnen 
durch  die  invidia  temporum  für  immer  verwaist  bleiben 
müssen.  Die  ernte  hat  der  herausgeber,  welchem  wir  allein 
für  die  blofse  Veröffentlichung  des  wichtigen  fundes  zu 
reichstem  danke  verpflichtet  wären,  und  zwar  verdienter 
mafsen,  schon  gehalten.  Aehren,  des  bückens  werth,  wel- 
che er  mag  haben  liegen  lassen,  dürften  sich  nur  noch 
wenige  sammeln  lassen.  Vielleicht  ist  unter  dem  folgenden 
das  eine  oder  andere  nicht  unbrauchbar.  Aclocordo 
leitseil,  fahrleine,  kommt  von  auclo,  halfter,  and  cordo, 


anzeigen.  \[$ 

dessen   o  hinten,  wie  schon  N.  anmerkt,  mundartlich  der 
feminalausgang   ist  für    a  im  katechismns.     Das  ist  ohne 
zweifei  poln.  kor  da  (aus  lat.  chorda),  obschon  ein  gürtel 
von  stricken,  den  einige  ordensbräder  um  den  leib  tragen; 
kordel  m.,  strick,  im  poln.,  lith.  kardelus  starkes  tan.  — 
Broakay,    bruch   als  kleidungsstück ,    ist  kelt.  braccae 
Dief.  Origg  Eur.  no.  69,  und  hat  mit  poln.  brzuch,  bauch, 
gewifs  nichts  zu  thun. —  Dantimax,  Zahnfleisch,  enthält 
trotz  menso,  poln.  mi^so,  ksl.  mjaso  fleisch,  doch  viel- 
leicht eine  form,  wie  poln.  mi^sko,  zartes  fleisch,  in  sich, 
obschon   der  nasal%  widerspricht,    weshalb  N.  s.  34  zu  an- 
dern erklärungen  greift.  —    Zu  doacke  (der  vogel  staar) 
halte  ich  ahd.  däha,  taha  (monedula)  GrafF  V,  364.  Dohle 
entsprang  aus  dem  dem.  dachel  morgenbl.  1861,  no.  51  8. 
1205.   Pr.  kote,  tale  d.  i.  dohle.  Stender  hat  im  wtb.  s.  387 
lett.  kohsa  dole,  tahlken  (letzteres  also  wieder  mit  neuer 
deminutivendung  -ken  niederd.  st.  chen).    Merkwürdig  ge- 
nug kommt  der  lith.  name  des  staares  warne  na  auch  mit 
Warnas  rabe  Ness.  wtb.  8.  54  zusammen.  —  Dumpbis, 
gerberlohe,  hängt,  da  sie  aus  eichenrinde  gemacht  wird,  augen- 
scheinlich mit  poln.  d$b,  eiche,  zusammen.    Lith.  döbai, 
dobbai  pl.  die  beize  der  rothgerber.   Das  wort  mufs  übri- 
gens  den  Slawen   abgeborgt  sein,   weil  die  eiche  pr.  au- 
sons,   lith.  auzülas   heifst.     Gnode,   teigtrog,   zu  poln. 
gniot§  jch  knete.   —  Granstis  bohrer,    lith.  gr^sztas 
Nesselm.  wb.  s.  269.  —  Caymoys,   achsel,  ist  lett.  ka* 
meeschi  (s  durchstrichen),  pl.  von  kammessis.  —  Kalso, 
fladen,  wird,   da  s  hier  wie  im  katechismus  sehr  verschie- 
dene zischlaute  vertreten  mufs,  poln.  kolacz,  fladen,  eine 
art  kuchen,  ksl.  kolac",  libum.  Mikl.  lex.  p.  297  sein;  xo- 
Xixiov  DC.  —  Hinter  kisses,  pelz,  scheint  verborgen  ein 
wort,  wie  poln.  kozuch   vom  veralteten  koza,  kuza  feil; 
lett.  kaschoks.    Da  schlufs-s  wohl  kaum  für  x  gesetzt  ist, 
wäre  z.  b.  an  ksl.  kozitza  pellis,  kozie  n.  öhguctva^  pelles 
Mikl.  lex.  p.  295  zu  erinnern.  —  Keckers,  erweis,  erbse, 
ist  wohl  die  kichererbse,  cicter.  —  Gnabsem  bei  Grünau 
möchte  nicht  eig.  hanf  knapios  sein,  sondern  hanfsame  (vgl, 

Beiträge  ».  vgl-  sprachf.  VI.  1.  8 


114  Pott 

pr.  8 einen  same,  lith.  im  nom.  semü  hinten  ohne  nasal). 
—  Clumpis  stuhl,   k8l.  kla^p"   f.  (scamnum)  Mikl.  lex. 
p.  292.   Da  weiches  jer  hinten  auf  i  hinweist,  auch  in  der 
endung  sich  deckend.  —    Ist  kramp tis,   glossirt   nayl 
(eiserner  nagel),  eigentlich  unser  krampe?  Oder  zu  xqs- 
pdvvvpi  wz.-wb.  II,  172?  —  Kumetis  bauer  (gebuer)  wird 
richtig  mit  lith.  kümetys  instmann  (auch  zardininkas)  zu- 
sammengestellt. Siehe  indefs  auch  ksl.  kmet"  u.s.w.  Mikl. 
lex.  p.  293,  wo  die  walachische  for"m  ebenfalls  u  zeigt  und 
mir  deshalb  aus  mou^Tijg  aufgenommen  scheint.  —  Lu- 
riay,  meer,    mufs  wahrscheinlich  vorn  i  statt  1   gelesen 
werden.  Indefs  das  1  in  lagno,  leber,  welches  (wenigstens 
g  statt  k   hindert  nicht)   mit  lett.  aknis  sich  vergleicht, 
hätte  auch  in  lat.jeour,  jecinoris,  skr.  jakrt  ein  jot  als 
gegenstück.  —  Mandi  welis  (quirnestab),  quirlstock,  klingt 
auffallend  an  das  gleichbedeutende  lith.  menturre  Nesselm. 
lith.  wb.  8.  393  an,   das  zu  skr.  manth  gehört.  —  Palst 
mulgeno  mark  (medulla)  zu   dem   deutschen   worte  mit 
eintausch   von  1  gegen  r,    oder  zu  ksl.  mozg  Mikl.  lex. 
p.  378?  Im  letzteren  falle  dürfte  man  sich  auf  den  Schreib- 
fehler wolistian   statt  wosistian  zicklein  8.  50  berufen. 
Der  zusatz  hinten,  wie  in  kartano  stange,  emelno  mi- 
stel.    Deynayno  morgenstern,  ksl.  d"n"nitza  vom  adj. 
d"n"n  (diei)  Mikl.  lex.  p.  185.   Krixtieno  erdschwalbe, 
lith.  krägzde  8.  Ness.  wb.  8.  225.     Daher  bei  Diosk.  Ad- 
xot  XQovGxdvti  statt  y^XiSoviov  ii&yct,  Schöllkraut,  russ.  bo- 
rod&vnik,    lett.   struttenes  Grimm  gesch.  I,  204  no.  3.  — 
Pagaptis,  bratspiefs,  leitet  sich  passend  von  dem  verbum, 
wozu  lith.  pakabinu,  aufhängen,  Ness.  lith.  wb.  s.  170  ge- 
hört.   Ob  aber  auch  der  acc.  dylapagaptin,  Werkzeug, 
Ness.  im  katech.  s.  94  mit  dylan  werk?  Lith.  kepti jedoch 
ist  backen,   braten.     Das  g  statt  k  dürfte  uns  nicht  hin- 
dern, da  auch  agins,  sagnis,  girmis  den  weicheren  laut 
seigen  an  stelle  des  harten.  —  Zu  peccore,  bäcker,  wäre 
besser  ksl.  pekar"  (pistor),  poln.  pekarz  verglichen,  als 
das  den  Germanen  abgeborgte  lith.  bekere,  das  ganz  an- 
dern  Ursprungs   scheint.     Die  slawischen   Wörter   gehören 


anzeigen.  j  ja 

zu  skr.  paK,  was  von  unserem  backen  unwahrscheinlich 
ist.  üeber  die  bildung  s.  später.  —  In  penpalo  Wachtel 
und  pense  (kynboem)  wäre  man  geneigt,  u  statt  n  zu 
lesen,  hielte  nicht  die  vom  vf.  s.  29  unter  kentaris  gemachte 
bemerkung,  eu  werde  sonst  nicht  gefunden,  einigermaßen 
davon  zurück.  Die  fichte  heifst  lith.  puszis  f.,  was,  im 
fall  sz  auf  den  indischen  palatalzischer  zurückweist,  sich 
recht  gut  mit  mvxq  vertrüge,  woraus  das  ksL  mit  neugr. 
ausspr.  des  diphtb.  pevg'  in.  (adj.  pev'kin  nßvxivog)  Mikl. 
lex.  p.  559  gemacht  hat.  Eine  der  lith.  namensformen  für 
wachtel  ist  pepala.  —  Aus  plinxne  scheint  d.  plinse  oder 
plinze,  art  eierkuchen,  s.  Heyse,  zu  rühren.  Die  deutsche 
glosse,  wodurch  es  erklärt  wird,  pletcze  ist,  da  cz  in  den 
deutschen  Wörtern  stets  unser  z  vertritt  (im  polnischen 
aber  drückt  cz,  wenigstens  jetzt,  tsch  aus)  unser  platz 
(kuchenart),  z.  b.  in  zuckerplätzchen,  s.  gleichfalls 
Heyse.  —  Proglis,  brantrute,  soll,  meint  man,  im  zweiten 
worte  verschrieben,  d.  h.  brantreite,  dreifufs,  sein.  Ich 
meinerseits  halte  die  lesung  aufrecht,  und  rathe  auf  eine 
brandruthe,  d.  h.  einen  kienspahn,  dergleichen  man  in  jenen 
nordlichen  gegenden  zur  erleuchtung  verwendet.  Vergl. 
esthnisch  bei  Hupel  piirk,  erklärt  durch  per  gel.  Eben 
so  lettisch  bei  Stender  skalla  pergel,  holzfackel,  weil  eg 
gesplissen  wird.  Das  wort  rute  kennt  das  Vokabular 
wirklich  als  erklärung  von  preufs.  riste.  In  betreff  der 
Umstellung  des  r  in  proglis  s.  analoge  fälle  bei  Nesselm. 
s.  7;  strambo,  stoppeln,  heifst  lith.  stambras  Stengel, 
halm.  Fulda  hat  in  der  idiotikens.  perge  f.,  Schweiz, 
forche,  kiefer,  kienbaum.  Vergl.  überdem  Nesselm.  unter 
passupres.  —  Saltan,  speck,  liefse  sich  mit  lith.  pal- 
tis,  Speckseite,  nur  unter  annähme  eines  fehlers  im  ersten 
worte,  vereinen,  ßuss.  sälo,  poln.  sadlo,  schmeer,  erklärt 
nicht  das  t.  Indefs  haben  wir  auch  kamerto  kammer; 
swintian  schwein;  lanxto  fenster,  lith.  langas.  Estq-* 
reyto,  eidechse,  vgl.  poln.  jaszczur-ka.  Das  verhalten 
der  laute  vorn,  wie  in  staytan  schild,  poln.  6zczit.  Ich 
weifs  nicht,  ob,  nach  nicht  seltener  Verwechselung,  t  für  k. ; — 

8* 


116  Pott 

Skerptas,  rttsterbaum ,  ist  schwerlich  verschieden  von 
lith.  skirpstüs,  rothbuche.  Nesseln*,  wb.  s.  478.  Das  vok. 
trennt  davon  wimino  ulme.  —  Scritayle  radfeige;  litb. 
skrittas,  aber  skritte  kreis  Ness.  wb.  8.  482.  Im  letti- 
schen heilst  das  rad  skrittulis,  die  feige  aber  zufolge 
Stender  skrittula  gabbals  (stück,  theil).  —  Seese 
amsel,  lith.  szesze.  —  Kann  sixdre  durch  Umstellung 
lett.  stehrts,  lith.  starta  sein?  —  Smorde  faulbaum. 
Vgl.  lith.  smirdele  (Sambucus  ebulus)  vom  gestank,  smir- 
das.  Faul,  stinkend,  lett.  ssmirdens.  —  Snoxtis,  rotz, 
vgl.  lith.  snokszti  schnauben.  —  Sperglawanag,  Sper- 
ber, ist  leicht  erklärt.  Es  ist  wanag,  habicht,  verbunden 
mit  dem  nur  gering  abweichenden  spurglis,  Sperling,  wie 
ja  auch  der  deutsche  name  des  vogels  vorn  goth.  s parva 
enthält.  Vergl.  nicht  minder  engl,  sparrow-hawk,  der 
finkenfalk.  Auch  läfst  sich  nicht  verkennen,  dafs  gertoa- 
nax,  habicht,  genauer  der  hühnerhabicht  ist  aus  gerto, 
henne,  mit  lith.  wänagas,  lett.  wanags  habicht.  In  wa- 
nag mufs  aus  versehen  die  endung  weggeblieben  sein,  x 
findet  sich  oft  am  schlufs  als  nominativzeichen  s,  zusam- 
mengeflossen mit  einem  guttural,  z.  b.  slayx  regen  wurm, 
litb.  sie kas.  Wosux  Ziegenbock.  Czilix  zeisig.  Me- 
denix-taurwis  (beerhun,  etwa  beeren  fressendes  huhn  f. 
auerhahn?).  Vielleicht  d an t im ax,  gaylux,  genix,  gun- 
six,  cawx,  lonix.  —  Stabs  ist  schöps  aus  ksl.  skop"tz 
(eunuchus)  mit  s  statt  tz,  falls  nicht  das  s  im  preufs.  no- 
minativendung  wegen  poln.  skop  hammel. 

S.  4  wird  bemerkt,  dafs  c  und  t  in  der  mitte  der 
Wörter  zuweilen  gar  nicht  zu  unterscheiden  seien,  während 
sie  am  anfange  der  Wörter  einander  gar  nicht  ähnlich  sä- 
hen. Das  kann  man  nun  auch  sonst  sehr  häufig,  z.  b.  in 
den  von  Diefenbach  herausgegebenen  glossaren,  wahrnehmen. 
Die  sache  gewinnt  aber  för  unseren  fall  an  bedeutung, 
*  weil  es  den  anschein  hat,  als  sei  der  Wechsel  zum  öfteren 
nicht  blofs  in  graphischen  mifsverständnissen  zu  suchen, 
sondern  sei  ein  mundartlicher,  was  auch  um  defswillen 
nicht  leicht  zu  entscheiden  ist,  weil  man  c  und  k  zuweilen 


anzeigen.  117 

promiscue  schreibt.   Nesselmann  bemerkt  8.  40  unter  prei- 
talis,  ambofs,  lith.  prei-kalas  lith.  wb.  8. 176  von  kälti 
schmieden,  das  t  sei  in  der  handschrift  sehr  deutlich,  und 
verweist    über    die    vertauschung  von   t  und  k  in  beiden 
sprachen  auf  torbis  korbgeflecht  am  wagen;    tuylis  der 
zahme  eher,   lith.  kuitys;    turpelis  leisten  des  Schuhma- 
chers trotz  und  neben  pr.  kurpe  schuh.    Allein  auch  tun- 
clis  ist  lith.  kukälei  m.  pl.  raden  im  körn,  lett.  kohkaTi 
kornnäglein,  rahden,  ksl.  k§kol"  m.  nigella,  poln.  kqkol- 
nica  kornraden  (Agrostemma  githago)  von  k§kol  lolch, 
lolium.  —  Desgleichen  yttroy  wade,  lett.  ikri  waden  am 
schenket.   2.  lett.  fischrogen,  und  Kreewu  semmes  (Rufs- 
lands) ikri   kaviar.     Irisch  iuchair  fish  spawn.     Der  vf. 
führt  russ.  ikry  an.     R.  ikra,  ikrü  aber  bezeichnet  nicht 
nur  fischrogen,  kaviar,  sondern  auch  wade.     Eben  so  zu- 
folge  Mrongovius   poln.  ikra   der  fischrogen  2.  besonders 
im  preufs.-poln.  die  wade,  sonst  lytka.    Vielleicht  vermit- 
telt   durch    die    bedeutung   drüse   mit   dem   begriffe   ange- 
schwollenes   als    vergleichsdrittem.     Mikl.  lex.    p.  255.  — 
Twaxtan,    mit    queste    glossirt,    erklärt   Schade    bade- 
schürze,  badehose.     Das  bedeutet  nun  mhd.  queste  wirk- 
lich.   S.  Ben.  I,  894      Bringe  mir  ouch  den  bader  mit  der 
questen:  läfst  freilich  zweifelhaft,  ob  das  nämliche  gemeint 
sei.     Auch  im  Vokabular  folgt  obiges  wort  hinter  stubo- 
nikis  (beder,  bader),  bei  Heyse  stüberer  auch  stübner 
ehemals  für  bader  (s.  Diez  et.  wb.  8.  336  it.  stufa,  franz. 
6tuve    badstube,    ofen);    d.  loser  (der  zur  ader  läfst) 
und   loskop    d.  i.   lafskopf  =  schröpfkopf  (aus   cupa, 
nicht  caput).     Die   queste  bringt  Müller  mit  castula  in 
Verbindung,   was  in  Diefenb.  gloss.  p.  105  bad-tuch  er- 
klärt wird,  und  möglicher  weise  demin.  wäre  aus  castus, 
keusch.    Trotz  dem  allen  bin  ich  in  zweifei,  ob  twaxtan 
in  Wahrheit  so  verstanden  werden  mufs,  wie  Schade  meint. 
Ob  die  alten  Preufsen  so  zarte  rücksichten  nahmen,   beim 
baden    badeschürzen    vorzuthun,    mag    billig   beanstandet 
werden   zu   glauben,    und  ein  badelaken,  vermuthlich  um 
sich  nachher  hineinzuwickeln,  hiefs  kekulis.    So  darf  ich 


118  Pott 

dann  wohl  bescheidentlich  mit  meiner  vermuthung  heraus- 
rücket!, unter  twaxtan  sei  vielmehr  der  badequast  zu 
verstehen,  und  das  wort  daraus  entstellt.  Dieser,  bei  den 
Lithauern  wanta  Ness.  8.  51,  heifst  zufolge  Stender,  deutsch- 
lett.  wb.  s.  101  perrema  (zum  baden  gehörend,  von  pehrt 
baden;  prügeln)  sslohta  (besen,  quast),  die  belaubten  bir- 
kenruthen  dazu  aber  sehaggas,  lappas.  Mit  diesen  quästen 
scheint  man  den  badenden  zu  schlagen,  da  ksl.  prati 
'aqovuv  ferire,  auch  lavare  (wegen  des  schlagens  des  Zeu- 
ges mit  dem  bläuel?)  bezeichnet  Mikl.  lex.  p.  659.  —  Die 
picht  seltene  bezeichnung  junger  thiere  mittelst  der  endung 
-istian  (eig.  acc.)  N.  s.  50,  z.  b.  gertistian,  küchlein, 
brächte  die  form  dem  griech.  -i<rxog  nahe,  im  fall  ihr  t 
fbr  k  stünde  und  nicht  etwa  st  (vgl.  oben  gegenüberstehen 
von  szcz  im  polnischen)  doch  anders  zu  fassen  ist. 

Für  eine  andere  mundartliche  eigenthümlichkeit  erachte 
ich,  dafs  o  den  Vorschlag  von  w  zeiget.  Woaltis  eile, 
woltis  Unterarm,  findet  seine  parallele  in  lith.  ölektis, 
indem  das  wohl  berechtigte  k  (vgl.  pr.  alkunis  ellenbogen) 
nach  voraufgegangener  assi [Dilation  gewichen  ist,  gerade 
wie  in  pentinx  (aus  pienc-ts,  lat.  quin-tus,  im  ka- 
tech.),  freitag.  So  hat  der  Lette  saltis  art  schlänge,  lith. 
zaltis,  allein  auch  salktis  hausschlange.  Stender,  Wör- 
terbuch hinter  der  gramm.  ausg.  I,  8.  134.  Desgleichen 
woasis  esche,  woble  apfel,  wobsdus  dachs,  wosee  ziege. 
Wund  an,  wasser,  lautet  im  kat.  unds,  ähnlich  wie  lat. 
unda,  welche  formen  mit  blofsem  u  jedoch  erst  aus  va 
entstanden  scheinen.  Wubri,  wimpro,  wimper,  braue, 
schwerlich  mit  anschlufs  an  das  deutsche  comp.,  sondern 
ähnlich  wie  öcpQvg  oder  doch  and.  ähnliche  formen  des  Wor- 
tes vorn  mit  vokal,  wie  z.  b.  ill.  obärva,  cafir.  äbrü.  S. 
et.  forsch.  II,  411.  Wobilis  klee:  lith.,  sonderbarer  weise 
mit  d,  döbilas,  aber  lett.  ahbolites  (als  derain.  von  ah- 
bols,  apfel)  und  ah  bot  u  sahles,  vermuthlich  indem  man 
die  rothen  köpfe  des  klees  mit  äpfeln  verglich.  Stender  wb. 
8.  393,  allein  als  obs.  auch  dahboli  s.  394.  —  Vgl.  auch 
z.  b.  lith.  argonai,  wargonai,  orgel,  aus  Organum. 


anzeigen.  119 

Das  wenige,  was  sich  in  grammatischer  hinsieht 
dem  neuen  Stoffe  abgewinnen  l&fst,  besteht  etwa  in  folgen- 
dem. Nesselmann  hat  „spräche  der  alten  Preufsen"  8.  47 
die  beobachtnng  niedergelegt,  dafs  die  im  nom.  sg.  auf 
vokal  ausgehenden  preufs.  nomina  weiblichen  geschlechts 
seien,  und  gilt  dieser  satz  unstreitig  auch  hier.  Vor  allem 
entspricht  eine  grofse  masse  solcher  auf  o  im  vok.  denen 
auf  a  im  katechismus.  Z.  b.  menso  fleisch,  kat.  mensa, 
lith.  mesa,  ös  f.;  crauyo  blut,  kat.  krawia,  jedoch  lith. 
kraujas,  o  m.  Tauto  land,  lith.  tatftä,  6s  f.  speziali- 
sirt  zu:  das  Oberland,  Deutschland.  Seltsam  genug,  dafs 
wir  weit  von  Preufsen  weg  und  in  unendlich  früherer  zeit 
ganz  der  nämlichen  erscheinung  begegnen.  Das  oskische 
nämlich  hat  schon  in  seinen  älteren  denkmälern  im  nom. 
sg.  der  a-decl.,  trotz  der  scheinbaren  annäherung  an  die 
II.  lat.-griech.  decl.,  nachweislich  blofs  ü,  während  im  um- 
brischen  anfangs  noch  u  (o)  und  a  neben  einander  gehen, 
wogegen  in  der  jüngeren  periode  o  allein  geltend  geworden 
sein  mag.  Aufrecht  und  Kirchhoff  denkm.  s.  110.  —  Dann 
folgt  eine  grofse  zahl  auf  e.  Z.  b.  caune  m arder,  lith. 
kiäune,  &s  f.;  same  erde,  lith.  z'eme,  äs  f.  —  Podu- 
kre,  Stieftochter,  lith.  pödukre,  es  f.  (auch  pödukra, 
6s)  Nesselm.  wb.  8.  149  mit  der  präp.  po-,  pa-  (bei)  vok. 
8.  11  zur  bezeichnung  von  stief-,  wie  z.  b.  auch  pomatre 
Stiefmutter.  Das  sanskrit  und  zend  (Justi  wb.  s.  392)  ge- 
ben bei  den  verwandtschaftsnamen  auf  r  diesen  cons.  im 
nom.  auf,  und  ist  dies  in  merkwürdiger  Übereinstimmung 
auch  für  das  lithauische  und  preufsische  als  regel  anzu- 
nehmen. Daher  pr.  mothe  mutter,  lith.  mote  Nesselm.  wb. 
s.  409  eheweib,  eben  so  aber  auch  bei  dem  m.  pr.  brote 
bruder.  Defshalb  befindet  sich  Nesselmann  im  irrthum, 
wenn  er  im  lithauischen  auch  für  den  nom.  sg.  etwaige 
formen  mit  r  neben  solchen  ohne  r  als  ursprünglicher  be- 
trachtet, während  sie  dasselbe  doch  nur  erst  jure  postli- 
minii  (wie  z.  b.  npers.  dokhter  statt  des  altertümlicheren 
dokht)  wieder  erhielten.  Defshalb  ist  swestro  (o  statt 
a),    poln.  siostra,   Schwester,  nur  nach  dem  slawischen 


120  Pott 

und  germanischen  zu  rechtfertigen,  während,  ohne  den  Zu- 
satz des  fem.  o,  eine  ähnliche  form,  wie  lith.  sessü  = 
skr.  svasä,  zend.  qanha,  allein  lat.  soror,  zu  erwarten 
stünde.  Podukre,  pomatre  sind  nur  durch  das  e,  als 
ableitenden  zusatz,  in  der  Ordnung.  Semen  der  same, 
lat.  se-men,  hat  gleichfalls  den  schlufsnasal  erst  wieder 
aus  den  obliquen  casus  hergestellt,  wie  lith.  semenis  an 
stelle  des  altertümlicheren  semü,  gen.  mens  Nesselm. 
wb.  s.  459,  wie  ahd.  samo,  gen.  samin  Graff  VI,  55. 
Komaters  gevatter,  poln.  kmotr,  fem.  kmotra  (comma- 
ter)  entstammt  dem  latein.  —  Der  nominalausgang  e  übri- 
gens ist  für  gewöhnlich  wohl  als  aus  ia  (vgl.  skr.  I  f.  aus 
ja,  z.  b.  de  vi,  göttin,  lith.  dewe;  wie  die  lat.  motion  av- 
-ia)  entstanden  zu  denken,  in  ähnlicher  weise  wie  die  lat. 
V.  decl.  nur  gewissermafsen  abart  ist  von  der  I.  Daher, 
vermuthlich  durch  assimilirenden  einflufs  des  i,  so  viele 
formen  auf  -ies,  zumal  wechselnd  mit  solchen  auf -ia,  z.  b. 
inateries  :  materia.  So  steht  dem  lith.  kukne  (coquina, 
engl,  kitchen,  küche)  gegenüber  poln.  kuchnia,  russ. 
küchnja,  und  sind  die  frauennamen  Euphemia,  Dorothea 
von  den  Lithauern  zu  Pimme  und  Urte  (das  d  wich  der 
epallelie  wegen;  lett.  Dahrte,  nach  dem  zweiten  theil 
Tihga)  verunstaltet.  —  Warne,  die  krähe,'  lithauisch 
jedoch  hinten  mit  a  war  na,  wird  unstreitig  ihrer  geringern 
gröfse  wegen  von  warnis,  lith.  wärnas  (also  hinten  mit 
a)  m.  rabe,  als  f.  unterschieden.  Vgl.  Nesselm.  wb.  s.  54.  — 
Warene  messingkessel,  ist  ungenau,  da  lith.  var-inis 
(fem.  ines)  ehern,  kupfern,  varies,  erz  Schleicher  lit. 
gramm.  s.  122  und  für  messing  preufs.  cassoye  aufgeführt 
wird.  Indefs  vergl.  bei  Nesselm.  wb.  s.  51  szwitwaris, 
messing,  mit  szwittu  glänzen  s.  533,  lett.  dseltanajs 
warsch  (r  und  s  virgulirt)  eigentlich  gelbes  kupfer;  war- 
rains  kupfern,  ehern.  Mielcke  und  Nesselmann  geben 
waras,  kupfer,  ohne  i  an;  allein  zu  varies  (varias),  ge- 
wöhnlich varis,  gen.  rio  erz,  kupfer  Schleicher  glossar 
s.  336  pafst  nicht  nur  besser  die  durch  striche  im  r  (gen. 
warra)  angedeutete  mouillirung  im  lettischen,  sondern  auch 


anzeigen.  121 

pr.  wargien  kupfer,  was  eigentlich  der  acc.  sg.  ist  mit  g 
für  jot,  wie  saligan,  grün,  lith.  zalias.  Kaum  doch  engl, 
ore  u.  s.  w. 

Das  lithauische  hat  übrigens  auch  fem.  auf  ia,  z.  b. 
wyniczia  weinberg,  und  i,  wie  marti  die  braut,  Schwie- 
gertochter. Defshalb  mögen  auch  mehrere  preufs.  subst. 
anf  i  als  gleichen  Charakters  angesprochen  werden  5  und 
zwar  als  aus  ia  verschrumpft.  So,  als  ein  sehr  deutliches 
beispiel,  dusi,  seele,  was  doch  wohl  eher  dem  lith.  duszia, 
ös  f.  gleichkommt,  als  dusze,  es  f.  Ferner  ludini  (wir- 
tyne  hausfrau,  wirthin)  von  ludis  wirth,  hausherr,  ähn- 
lich wie  lith.  kunnigene,  auch  kunnige  predigerfrau, 
von  kunnigas  prediger  (eig.  herr,  unser  wort  könig),  vgl. 
königin;  Adomene  Adams  weib.  Mielcke  sprach!,  s.  21. 
Uebrigens  scheinen  zuweilen  i  und  e  blofs  durch  unge- 
nauere Schreibung  verwechselt.  So  z.  b.  pr.  asy  rain,  lith. 
eze;  preufs.  pelki  bruch,  sumpfstelle,  lautet  im  lith.  pelke; 
ferner  possi  hälfte.  —  Bei  änderen  Wörtern  wird  die  ent- 
scheidung  noch  mifslicher,  sei  es  nun  aus  mangel  an  paral- 
lelen, oder  auch  wegen  verdachtes,  ob  wir  plurale  vor  uns 
haben.  Sansy,  gans,  mag  einer  anderen  decl.  folgen,  als 
lith.  zasis  (richtiger  mit  rhinismus  3),  gen.  es  f.,  bei  Mielcke 
ies.  Culczi,  hüfte,  verträgt  sich  wohl  besser  mit  lith. 
kulsze,  es  als  mit  der  übrigens  auch  fem.  form  kulszis, 
es.  Mit  wolti,  ähre,  vergleicht  sich  lith.  waltis,  es  f. 
rispe  im  hafer.  Kaum  aber  fehlt  jenem  aus  blofsem  Schreib- 
fehler das  s.  Vergl.  etwa  arelie  adler,  lith.  erelis.  — 
Mehr  oder  weniger  räthselhaft  sind  mir  sari  gluth  (vergl. 
etwa  gorme  hitze);  kiosi  becher;  posty  weide  (im  suff. 
ähnlich  wie  sos-to,  bank,  lith.  sos-tas  d.  i.  sitz);  lonki 
steg;  stabni  ofen  (etwa  lapideus  von  stabis,  stein?); 
clattoy  klette  (aus  dem  deutschen?).  Garkity  senf. 
Ksl.  gor"k  bedeutet  mxQog.  Wubri,  s.  ob.,  liefse  in  hin- 
blick  nach  dem  skr.  nom.  bhrü-s  den  ausgang  u-s  erwar- 
ten, welchem  man  anderweitig  oft  genug  begegnet,  z.  b. 
dang us  mit  der  doppelten  bedeutung  himmel  und  gaumen 
(ovQavidKoq^  lith.  dangus  burnos,  eig.  himmel  des  mun- 


\ 


122  Pott 

des,  wie  holl.  verhemelte,  gehemelte  des  monds).  Alu, 
meth,  hat  wahrscheinlich  aus  blofsem  versehen  das  end-s 
nicht,  wie  es  lith.  alüs  erfordert.  Dolu,  galle,  schwerlich 
noch  neutr.  —  Sollte  wubri  mehrheitlich  gemeint  sein, 
welche  vermuthung  auch  bei  noseproly3  nasenlocb,  nahe 
gelegt  ist,  gleichwie  bei  agins  äuge,  ausins  ohr,  die  wohl 
nur  acc.  plur.  (Nesselm.  spräche  der  alten  Preufsen  s.  53) 
sein  können,  worin  das  ns  trefflich  zum  gothischen  stimmt? 
Falls  jedoch  etwa  zu  ksl.  prolijati  (effundere),  woher 
proliva  (os  fluviorum)  Mikl.  lex.  p.  699,  wäre  der  i-laut 
wurzelhaft.  Bei  peadey  sacken,  d.  i.  socken,  und  broakaj 
hose  (im  neueren  sinne)  wegen  der  zwei  beinlinge,  zweifele 
ich  keinen  augenblick  an  pluralität  der  form,  wie  pr.  ta- 
wai  väter;  gannai  weiber;  auch  mit  der  Variante  ei,  in 
seltenem  einverständnifs  mit  griech.  oi,  ai;  lat.  i  (ei),  ae 
bei  sigmatischem  ausgange  auch  hier  im  sanskrit.  —  Auch 
blensky  schilf  und  craysi  halm  neben  crays  heu 
könnten  recht  wohl  nach  lithauischer  weise  plur.  sein. 

Wir  kommen  noch  einmal  auf  den  plur.  zurück,  wol- 
len aber  zuvor  einiger  benennungen  von  mannspersonen 
gedenken,  welche  nichts  desto  weniger  ausnahmsweise  sich 
in  einen  vokal  verlaufen.  Scrutele  schroter,  d.  i.  Schnei- 
der, ist  vollkommen  richtig,  indem  dies  durch  dissimilation 
hinten  aus  dem  deutschen  umgeänderte  nom.  ag.  gerade  so 
gebildet  ist,  wie  lith.  brüvele  brauer  u.  a.  Schleicher  lit. 
gramm.  s.  114.  Gilt  dieselbe  entschuldigung  für  peccore 
bäcker?  Lith.  bekere  allerdings  masc.  S.  oben.  Tucko- 
ris,  weber,  pafst  besser  (wohl  contr.)  zu  lith.  -orius,  z.  b. 
stiklorius  glaser,  Schleicher  a.  a.  o.  8.  111.  Kukore 
ist  die  köchin;  aber  lith.  kükorius,  koch.  Gekürzt  in 
den  vokalen  ist  auch  artoys  ackersmann,  lith.  artöjis 
(pflüger),  was  ich  im  wesentlichen  dem  gr.  ctQortig  gleich 
erachte  trotz  mangels  eines  i-lautes  in  dem  griech.  suffixe, 
älter  -rag.  Es  ist  letzteres  vermuthlich  nach  ausstofs  von 
jot  contrahirt  worden.  Man  mufs  aber  wissen,  das  o  in 
-tojis  steht  für  langes  a,  wie  sich  aus  lett.  -tais  (mit 
ausstofs  von  a),  fem.  täja  Bielenst.  lett.  gramm.  I,  s.  212 


anzeigen.  123 

ergiebt.  Dafs  i  in  lith.  -tojis  aber  durch  assinrilation  aus 
früherem  a  entstand,  erhellet  aus  formen  nach  anderer  li- 
thauischer  mundart,  deren  Bulgarin,  Rufsland  I,  170  f. 
unt^r  den  benennungen  von  Handwerkern  und  nomm.  ag. 
nicht  wenige  auffährt.  Nämlich  korija-toja-fs  krieger, 
aber  mokitoifs  der  lehrer  (mokitinifs  schäler).  Passum- 
ditojafs  miethling.  Skaititojafs  rechnungsfuhrer.  Scho- 
kinetojafs  tänzer.  Tekintojas  drechsler,  aber  auch 
vorn  mit  a  sogar:  teplotajas  der  maier.  Waistitojas 
arzt.  Blofsem  ag,  rjg  (äol.  a),  lat.  a,  z.  b.  scriba,  conviva 
gemäfs:  dainoiafs  (von  den  dainos)  Sänger;  drosheijas 
bildhauer.  Aebnlicher  bildung  ist  pr.  medies  Jäger,  lith. 
med£jis.  —  Ziemlich  häufig  kommt  im  preufsischen  ein 
anderes  suffix  -nikis,  oder  gekürzt  -nix  (Nesselm.  spräche 
der  Preufsen  8.  219)  vor.  Nämlich  stubonikis.bader; 
laukinikis  lehnsmann;  mynix  gerber.  Balgninix  Satt- 
ler, im  lithaui sehen  bei  Bulgarin  balninikas,  wogegen 
preufs.-lith.  balnininkas,  also  noch  mit  n  vor  k,  wogegen 
lett.  -neeks.  ßuss.  sedjel"nik  sattler.  Desgleichen  bei 
Bulgarin  schikschnikafs  riemer;  russ.  ^omutnik  (kum- 
metmacher).  Duoninikafs  bäcker  (nach  dem  brote  be- 
nannt, wie  russ.  ^Ijebnik)  u.  v.  a.  —  Was  soll  man  nun 
aber  sagen  zu  wald  wico  ritter,  worin  o  als  femininendung 
falsch  sein  mufs,  so  gut  wie  in  aubirgo  (oder  anbirgo?) 
garbreter,  garkoch  (unmöglich  doch  frz.  auberge)?  Scheint 
lett.  wald  ine  eks  regent.  —  Rapa,  engel,  ist,  wie  über- 
haupt, so  im  besondern  durch  seinen  schlufs  sonderbar. 
Es  ist  nur  eine  sehr  schwache  vermuthung,  wenn  ich  an 
ksl.  rab  (servus)  denke,  indem  ja  darin:  diener  gottes 
gesucht  werden  müfste.  —  Smoy,  mann,  findet  kaum 
durch  das  g  in  lith.  zmogus  seinen  vollen  aufschlufs. 
Auch  menig  mond  und  wanag  habicht  (ohne  das  s  im 
lith.  und  lett.)  müssen  hinten  ungenau  wiedergegeben  sein. 
Mary  das  haff,  obschon  lith.  mär  es  pl. 

Is  ist  weitaus  die  häufigste  aller  nominativendungen 
der  im  Vokabular  aufgeführten  worter,  und  zwar  um  des- 
willen,  weil,  wie  schon  Nesselmann  angiebt,  ein  grofser 


124  Pott 

iheil  derer  auf  urspr.  a-s  mit  hineingezogen  ist  in  das  ge- 
biet   derer,    welchen    i-s    von  rechts  wegen  gebührt.     Nun 
finden  sich  aber  auch  die  ausgänge  es  und  os  (ios).  Welche 
bewandtniis  hat  es  damit?  Obgleich  der  katechismus  keine 
sigmatische    plurale    nachzuweisen    scheint,    so    dürften 
doch,   meine  ich,   die  mehrzahl  der  Wörter  mit  obigen  en- 
dungen    im  Vokabular  kaum  anders  gefafst   werden,    und 
erhielten   wir   damit  eine  bis  jetzt  uns  unbekannte  preufsi- 
eche   pluralform.     Nur  mufs  man  sich  entsinnen,   dafs  der 
Lithauer   auch    viele  pluralia   tantum  zählt,    wie  miezei 
gerste  (vok.  moasis,  als  wäre  es  sing.),  pinnigai  (weil 
aus  mehreren  stücken  bestehend)  geld,   kamanos,   zäum 
u.  s.  w.     Preufs.  raples,    zange,    kann  unmöglich   etwas 
anderes  sein   als  lith.  reples  f.  pl.  von   einem  thema  auf 
-e,   die,  kneipzange,  welche  ihrer  zwei  glieder  wegen  den 
mehrheitlichen  numerus  zeigt,   wie  desgl.  die  scheere,  pr. 
scrundos,  unstreitig  wie  lith.  rankos,  die  hände,  plural 
von  rankä  (im  du.  ranki),  und  schwerlich  doch,  wieder 
gen.  sg.  rankös.    Vgl.  etwa  ahd.  scrintan  (ändere)  Wur- 
zel- wb.  II,  160.   Nicht  anders  frz.  les  ciseaux,  und  esthn, 
kärid  scheere,   aber  auch  kärad  hafer  (lett.  plur.  ausas 
hafer,    lat.  avenae,    engl,   oats;    rudsi   roggeu  Rosenb. 
formenl.  s.  80),  linnad  flachs  u.  s.  w.  Hupel  esthn.  gramm. 
1818  s.  140.  —  Aketes   die  egge,  lith.  ekkeczios  f.  pl. 
wie    marczios,    braute,    von   marti.     Lett.  ezzeschi   (z 
statt  k,  und  s  virgulirt).     Das  t  (vgl.  vormals  egde)  ver- 
bürgt   z.  b.   durch    ekket-negelis  eggzinke  (nagel).  — 
Knapios,  lett.  kan'n'epes  hanf,  aber  bei  Nesselm.  lith. 
sg.  knape,  kanape,  lat.  cannabis.  —  Clines  kleie,  lith. 
klynes  f.  pl.,  wie  auch  der  Lateiner  z.  b.  furfures  bordea- 
cei   gebraucht,   als   ein  vieltheiliger  stoff.  —  Gewifs  dra- 
gios,  hefen,  eben  so  pl.,  wie  das  gleiche  engl,  dregs,  und 
lith.  meles,  lett.  meeles.     Desgleichen   ksl.  drozdija  f. 
pl.  Tovyia  faex.  Mikl.  lex.  p.  176. 

Auklextes,  oberker,  scheinen  die  vom  geworfelten 
getreide  abgefegten  spreutheile.  Vergl.  klexto  kehrwisch 
zum  reinigen  des  backofens.     Vorn  steckt  darin  die  preu- 


anzeigen.  1 25 

fsische  untrennbare  präp.  au-  (skr.  ava),  meine  präpp. 
ß.  604,  und  bedeutet  demnach  etwa  das  hinweggefegte. 
Vgl.  au-werus,  sindir,  metallschlacke,  das  ich  zu  poln. 
u-wrze-<5,  uwarzid  gar  kochen,  gar  sieden,  halte.  Au- 
wirpis  fluthrinne,  d.  h.  ab-  oder  durchlafs,  wie  crauya- 
wirps  aderlasser  Nesselm.  s.  49.  —  Auch  sirmes,  lauge, 
könnte  pl.  sein,  freilich  in  Widerspruch  mit  dem  lithauischen 
männlichen  sg.  szärmas.  Desgl.  kaules  dorn.  Ackons, 
granne,  steht  ohne  zweifei  mit  lith.  akötas,  gewöhnlich 
im  pl.  akötai  in  Verbindung.  Ob  es  aber  acc.  pl.  auf -ns 
sei,  oder  ein  vokal  (i  oder  e)  hinter  n  ausgestofsen :  ich 
weifs  es  nicht.  —  Passupres,  Stangen  zum  trocknen  von 
holzspähnen.  —  Tusawortes  manchuelt,  als  vielleicht 
Zwerchfell?  —  Peles  armmuskel,  lith.  pele  (mus),  oder 
auch  die  starke  muskel  am  daumen;  pl.  pferdekrankheit, 
maus  oder  fiebel.  Lett.  pell  es  viehkrankheit,  da  die  mause 
oder  drfisen  lebendig  werden.  —  Bei  sarxtes,  scheide 
des  Schwertes,  ist  dem  begriffe  nach  pluralität  nicht  recht 
glaubhaft.  Möglich,  dafs  e  einen  anderen  vokal  vertritt, 
wie  in  esketres  stör,  lith.  erszketras.  Stroysles  ist 
der  fisch  döbel.  Ueber  kisses  pelz  s.  ob.  Aber  takes, 
wehr  an  der  mühle,  könnte,  wenn  mit  lith.  takiszas  ein- 
hellig, eig.  zweifachen  zischlaut  zu  einem  zusammengezogen 
haben.  Nothwendig  jedoch  ist  die  annähme  nicht  wegen 
lett.  taz-8,  worin  s  nominativendung,  und  z  für  k  steht 
vor  ausgefallenem  i.  —  Lauksnos  soll  vermuthlich  schon 
der  Übersetzung  gestirne  nach plur.  sein.  Auch  wohl  wayos 
wesen,  wiesen  od.  ahd.  waso?  Bei  Schleicher  gloss.  s.  336 
vejd  (veja)  rasen,  rasenplatz.  —  Perwios  estrich.  — 
Aboros  raufe.  —  Lisytyos  nothstall.  —  Brunyos  brüst- 
hämisch,  brünne.  —  S.  18  hat  das  vok.  sliwaytos  pflu- 
men,  wisnaytos  kirsen,  krichaytos  krichen  (art  kleiner 
pflaumen;  hann.  kreiken;  lith.  kryke  wilder  Pflaumenbaum), 
die  schon  durch  die  Übersetzung  als  pl.  fem.  gekennzeichnet 
sind.  Auch  unstreitig  crausios  birne  (eher  plur.  bieren, 
piern  vom  sg.  bir,  wofür  erst  spät  birne  s.  Grimm  wb.), 
wozu  nicht  ganz  lith.  krausze  für  birn  (im  pl.  -es)  pafste. 


126  Pott 

Crausy,  der  birnbaum,  müfste,  vgl.  mit  lith.  krauszis, 
jo  m.,  das  s  aufgegeben  haben,  was  ich  jedoch  nicht  zu 
behaupten  wage.  Was  will  aber  die  endung  -aytos  in 
den  drei  obigen  Wörtern?  Es  scheinen  deminutivformen, 
und  zwar  weibliche,  von  der  deminutivendung  im  lithaui- 
schen,  z.  b.  brol-äitis  brüderchen,  Schleicher  lit.  gramm. 
s*  131.  141,  vielleicht  indem  man  sie  sich  patron.  dachte. — 
Uebrigens  kann  es  uns  nicht  wunder  nehmen,  wenn  in  der 
endung,  und  so  in  decl.,  auch  wohl  genug  und  numerus, 
die  baltischen  sprachen  nicht  immer  zusammengehen.  Bei- 
spielsweise steht  dem  pr.  dumis  rauch  gegenüber  der  lith. 
pl.  dümai;  oder  sarke  elster,  statt  lith.  szarka  u.  8.  w., 
während,  im  fall  sie  sich  deckten,  ersteres  hinten  o  haben 
müfste.  Syrne,  Samenkorn,  entspricht  polnischem  ziarno, 
scheint  aber  ausländisch  wegen  beibehaltung  des  älteren 
girnoy  wis  handmühle.  Vergl.  mein  wurzelwb.  II,  s.  256. 
Aehnlich  sari  gluth  (lith.  zarija  glühende  kohle)  und 
gorme  bitze. 

Ein  nicht  gerade  an  der  Oberfläche  liegendes  sufBx  ist 
versteckt  in  folgenden  Wörtern,  denen  das  lithauisebe  sein 
suff.  -tuve  f.  und  -tuvas  masc.  (Schleicher  lit.  gramm. 
s.  117)  gegenüber  stellen  würde.  Pre-artue,  pflugreute, 
von  lith.  är-ti,  pflügen.  Schu-tuan  acc.  sg.  zwirn,  von 
lett.  schuh-t  (seh  wie  im  deutschen),  nähen.  So  aber 
auch  wahrscheinlich  coestue,  bürste,  in  vergleich  mit 
coysnis  kämm,  und  nurtue  hemd.  Lith.  nerti  wird 
vom  anziehen  wenigstens  der  schuhe  gebraucht.  —  In 
compp,  finden  sich  an  präpp.,  aufser  dem  erwähnten  au-, 
noch  pa  (po)  z.  b.  passalis  frost,  lith.  pä-szalas  Nes- 
selm.  wb.  8.  512;  pre  in  preitalis,  preartue.  Attolis, 
grummet,  vgl.  lett.  at-sals,  was,  wie  unser  nachheu,  eig. 
abermaliges  gras  zu  heifsen  scheint.  Eine  andere  präpos. 
(nämlich  sl.  za)  könnte  verborgen  liegen  in  sardis,  czuen, 
das  freilich  unser  zäun  ist,  möglicher  weise  aber  ein  um- 
zäuntes.  Vergl.  ksl.  za-grada  (sepimentum),  woher  das 
adj.zagrad"n  (horti),  zagrad  (urbs),  Dobr.  Inst.  p.  202, 
wie  engl,  town  ja  eig.  ags.  tun  (septum,  praedium,  pagus, 
oppidum),  fris.  tun  v.  Richth.  8. 1094  ist.  Poln.  za-groda, 


anzeigen.  127 

verzäunung,  gehöft,  wird  nämlich  budissin.  (in  einklang 
mit  häufigem  wegfall  von  g  in  diesem  lausitzischen  idiome) 
zu  sa-roda  garten.  Es  heifst  aber  lith.  zardis  ein  rofs- 
garten.  Dagegen  lith.  gärdas  horde,  hürde,  scheint  nicht 
sowohl  mit  diesen  deutseben  Wörtern  zu  stimmen,  als  mit  goth. 
gards  oixog,  avk^  altn.  gerdi  (sepes).  Doch  s.  Diefenb. 
goth.  wb.  II,  390  no,  20.  Oder  sollte  pr.  sardis  eher  ein 
stangenzaun  sein?  Vergl.  sl.  zerd"  palanga,  pertica  Dobr. 
Inst.  p.  144,  russ.  zerd",  dünne  lange  Stange.  Lith.  zar- 
das  Scheiterhaufen  (lett.  ss ah rts);  ein  gerüst,  worauf  man 
erbsen  zum  trocknen  aufhängt,  was  im  esthn.  sard  lautet; 
lett.  sahrds  erbsen  oder  bohnenstaken ,  sahrdeht  einen 
staken  aufstecken. 

Zum  schluis  sei  dem  vf.  noch  einmal  mein  wärmster 
dank  dafür  ausgesprochen,  dafs  er  seinem  langjährigen  ver- 
schlusse endlich  den  bort  entrifs,  an  welchem  sich  nunmehr 
erfreuen  und  ihn  benutzen  kann,  wer  dazu  lust  verspürt. 
In  welchem  mafse  gegenwärtiger  Schreiber  dies  gethan, 
davon  können  sowohl  leser  wie  hr.  Nesselmann  nach  obi- 
gem urtheilen,  und  wird  letzterer  überdem  aus  meiner 
thätigen  und  raschen  theilnahme  an  dem  nur  eben  erschie- 
nenen werke,  hoffe  ich,  die  Überzeugung  gewinnen,  wie 
sehr  ich  die  ehre  zu  würdigen  weifs,  wenn  er  mich  bei 
seinem,  mir  so  werthen  buche  pathenstelle  einnehmen 
liefs. 

Am  16.  oct.  1868.  Pott. 


Over  het  woord  Zarathnstra  en  den  mythischen  persoon  van  dien  naam, 
door  J.  H.  C.  Kern.  (Overgedrukt  uit  de  verslagen  en  mededeelingen 
der  koninglijke  akademie  van  wetenschappen ,  afdeeling  letterkunde, 
deel  XI).     Amsterdam,  C.  G.  van  der  Post  1867.    33  ss.    8. 

Wir  beabsichtigen  in  der  folgenden  kurzen  anzeige 
keine  kritik  der  in  der  Überschrift  genannten  kleinen  schrift 
zu  geben,  zu  der  wir  uns  nicht  berufen  fühlen,  sondern 
nur  kurz  über  ihren  inhalt  zu  berichten,  um  auf  denselben 
auch  weitere  kreise  aufmerksam  zu  machen. 

Der  vf.  stellt  sich  als  aufgäbe,  eine  antwort  auf  die 
frage  „wer  oder  was  ist  Zarathustra"" zu  geben.  Er  spricht 


128  Kuhn,  anzeigen. 

sich  zunächst  über  den  unterschied   von  historischer  und 
mythischer   person   aus  und   geht  dann  zur   Untersuchung 
der  frage  über,  zu  welcher  von  beiden  kategorieen  Zoroa- 
ster  gehöre,   ob  es  der  name  eines  mann  es  oder  eines  We- 
sens  sei,    das    nachweisbar   zur   mythologie  unserer   alten 
stammverwandten  in  Iran  gehöre.     Die  prüfung  der  Über- 
lieferungen der  alten,   welche  der  vf.  nun  folgen  läfst,  er- 
gibt ihm,  dafs  von  historischen  nachrichten  auch  nicht  im 
mindesten   die  rede  sein  könne,   er  wendet  sich  daher  zur 
Untersuchung  der  angaben,  die  das  Avesta  selber  über  Za~ 
rathustra  und   seine  verwandten  gibt  und  vermuthet,  dafs 
Pourusappa    den   nächtlichen   mit   Sternen   besäten   hinimel 
und  Maidhjomäo    seinem   namen  nach  den  Vollmond  oder, 
wie  das  lat.  medilunia,  das  erste  viertel  bedeute,  wobei  er 
sein   beiwort  aparazäto  „im  westen  geboren"  erklärt.     Es 
folgt  nun  eine  Untersuchung  über  den  namen  Zarathustra, 
deren    resultat    ist,    dafs    das    wort   (von  *zara  gold   und 
*thwistra  —  w.  tviä  — )  goldglanz,  den  goldglänzenden,  gr. 
XQvaocpaiqq    bedeute.     Daran    reiht  K.    die    erwägung    der 
stellen,  wo  Zarathustra  oder   dessen   Superlativ  einen  titel 
oder  eine   würde   zu   bezeichnen   scheint   und   wendet  sich 
gegen  Spiegels  und  Justis  annähme,  dafs  damit  der  ober- 
priester  gemeint  sei;  die  vergleichung  der  stellen  Jap.  1',  50 
und  Mihir-Jast  17.  115  ergibt  ihm,  dafs  darin  ein  begriff 
wie   „majestät,   superl.  oberste   majestät"  liege  und  damit 
in  diesen  stellen  Mithra  bezeichnet  werde.    Aber  den  ver- 
künder des  gesetzes,   Zarathustra,   hält  er  nicht  auch  für 
Mithra,   sondern   für   ein   ihm  verwandtes  lichtwesen,   den 
abendstern,   und   sucht   dies   namentlich  aus  der  stelle  des 
19  Farg.  des  Vendidad,  die  in  zum  theil  von  Spiegel  und 
Windischmann    abweichender    Übersetzung    gegeben    wird, 
zu    beweisen.     Die    sprachlichen    und    sachlichen    gründe, 
welche  K.  anführt,  verdienen  alle  beachtung,  so  auch  was 
schliefslich  über  Qaoäjant  (welches  er  von  $uk,   nicht  wie 
Windischmann,  Mithra  79,   von   pu  ableitet)  vorgebracht 
wird,  den  er  als  eine  Wiedergeburt  des  Hesperus,  als  den 
Phosporus,  ansieht. 

A.  Kuhn. 


Schmidt,  die  entwickeltrag  von  unurspr.  j  etc.  129 

Die  entwickelung  von  unursprünglichem  j  im 

slawischen  und  litauischen. 

Eine  anerkannte  thatsache  ist,  dafs  der  spiränt  j  im 
körper  der  worte  grofse  Verwüstungen  bewirkt,  welche 
zuerst  von  Schleicher  (zur  vergleichenden  sprachengeschichte) 
unter  dem  namen  des  zetacismus  zusammengestellt  und  er- 
klärt sind.  Später  haben  Diez,  Curtius,  Schuchardt  u.  a. 
diese  erscheinung  weiter  erörtert.  Indem  ich  den  vocajis- 
mus  der  indogermanischen  wurzeln  untersuchte,  bin  ich 
darauf  geführt  worden,  dafs  nicht  nur  ursprünglich  vor- 
handenes j  die  anliegenden  laute  afficiert,  sondern  dafs  sich 
im  verlaufe  des  sprachlebens  auch  ein  parasitisches  j  hie 
und  da  entwickelt,  wo  sein  erscheinen  durch  wort-  oder 
Stammbildung  gar  nicht  begründet  ist,  und  den  zersetzungs- 
process  der  worte  beschleunigt. 

Da  ich  gegenwärtig  durch  andere  arbeiten  verhindert 
bin,  die  einschlägigen  erscheinungen  auf  dem  ganzen  ge- 
biete unseres  Sprachstammes  zu  verfolgen,  so  begnüge  ich 
mich  fürs  erste  den  theil  der  Untersuchung,  welcher  das 
altbulgarische  und  litauische  betrifft,  zu  veröffentlichen.  In 
diesen  sprachen  ist  der  Vorgang  am  klarsten  erkennbar  und 
zugleich  am  ausgedehntesten. 

Längst  hat  man  erkannt,  dafs  sich  im  altbulgarischen 
j  in  unursprünglicher  weise  vor  vocalischem  anlaute  ent- 
wickelt. Schleicher  (compendium  §.  89)  fuhrt  nur  a,  e,  $, 
3,  e,  I,  i  als  solcher  affection  unterworfen  auf.  Aber  auch 
vor  anlautendem  u  stellt  sich  j  ein,  z.  b.  udü,  judü  mem* 
brum,  utro,  jutro  diluculum^  nslov.  jutro  mane,  osorb. 
jutry  ostern.  Miklosich  (lex.)  meint  utro  stünde  für 
"ustro,  ohne  ein  weiteres  beispiel  für  den  befremdenden 
ausfall  eines  ursprünglichen  s  vor  t  anzuführen.  Auch  mir 
ist  keins  zur  hand.  (Ueber  das  nur  einmal  vorkommende 
jato  neben  jasto  cibus  aus  *jad-to  siehe  Leskien  beitr. 
V,  413).  Ueber  allen  zweifei  erhoben  wird  aber  die  in 
rede  stehende  etymologie  durch  die  vergleichung  der  deut- 
schen worte  ahd.  ös-tarä  (vergl.  osorb.  jutry  pl.  ostern), 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  9 


130  Schmidt 

ös -tan,  anord.  aus-t-r  osten,  morgen.  Als  würzet  ergibt 
sich  skr.  uä  brennen,  vas  leuchten  (vgl.  us-rä-s  morgend- 
lich, us-r&  morgen,  lit.  ausz-rä  morgenröthe,  skr.  us-as, 
lat.  aur-ör-a).  Das  j  von  jutro  neben  utro  ist  also  un- 
ursprünglich. 

Ferner  hat  sich  j  eingestellt  in  jngü  auster  aus  der 
noch  erhaltenen  älteren  form  ugü.  Ich  verbinde  dies  wort 
mit  den  gleichbedeutenden  sv-Qo-g,  aus-ter,  indem  ich 
-gü  als  suffix  betrachte  wie  -ga  in  slu-ga  servus.  (Suff, 
-gü,  -ga  Miklosich  bildung  der  nomina  §.  156  flg.).  Die 
Wurzel  hat  ihr  s  ebenso  verloren  wie  in  utro*). 

Die  aus  urspr.  an  hervorgegangene  praeposition  u  ad, 
apud  (Schleicher  comp.2  8. 127)  erscheint  auch  als  ju,  z.  b. 
in  ju-sini  (sini  lividus,  niger)  gräulich  neben  u-sini, 
ju-crüminü  (crüminu  ruber)  röthlich  neben  u-crü- 
minü. 

Umgekehrt  verliert  sich  anlautendes  j  vor  u  in  ucba, 
russ.  yxa  fischsuppe,  gewöhnlich  jucha  £a>^og  (vergl.  skr, 
jüsa);  in  u,  u-ze  jam  findet  sich  das  ursprünglich  vor- 
handene j  (vgl.  lat.  jam,  lit.  j au,  got.  ju)  nur  noch  höchst 
vereinzelt,  bei  ersterem  wie  es  scheint  nur  in  der  Verbin- 
dung mit  der  negation  ne  u  und  ne  ju  ovdenw.  Dieser 
verlust  des  anlautenden  j  ist  höchst  merkwürdig,  da  er  zu 
aller  sonstigen  neigung  der  slawischen  sprachen  in  diame- 
tralem gegensatze  steht.  Ist  doch  der  anlaut  j  so  beliebt, 
dafs  er  selbst  fremdworten  vorgesetzt  wird,  z.  b.  jelinü 
"isMifi^jevangelistü  evangelista,  jegupi tu  neben  eguptü 
ALyvnxoQ,  ja  dies  j  wird  sogar  zu  ij  zerdehnt:  ijerakli 
*H(>axA??s,  ijerüganü  ögyavov  (o  nach  j  mufs  e  werden, 
Schleicher  comp.2  §.  87,  1,  *ijorüganü  wurde  also  ije- 
rüganü) u.a.  s.  Miklosich  vgl.gr.  d.  sl.  spr.  1,22.  Er- 
innern will  ich  jedoch,  dafs  dieser  im  anlaute  so  seltene 
Schwund  von  urspr.  j  im  inlaute  mehrfach  eingetreten  ist, 
z.  b.  in  den  imperfecten  dela-achü,  nese-achü  u.  a.  für 

*)  Vielleicht  ist  auch  slu-ga  aus  *slus-ga  entstanden,  da  slus-ati 
auscultare,  po-slus-ati  obedire  der  bedeutung  nach  näher  liegen  als  sln-ti 
nomin  ari,  darum  esse. 


die  entwickelang  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       131 

*dela-jechü,  *nese-jechü  (s.  Schleicher  Comp.*  §.  305) 
und  in  der  flexion  des  bestimmten  adjectivs,  z.  b.  gen. 
dobra-ago  aus  dobra-jego,  welches  letztere  von  Sre- 
znewskij  (Drevnie  glagoliceskie  pamjatniki  St.  Petersburg 
1866  p.  152)  als  wirklich  vorkommend  nachgewiesen  ist« 

Schon  im  altbulgarischen  ist  der  anlaut  a  ohne  vor- 
geschlagenes j  selten,  aber  er  kommt  doch  noch  vor,  wie 
das  Wörterbuch  ausweist.  Im  serbischen  haben  sich  nur 
noch  a  und  die  damit  zusammengesetzten  ako,  ali  ohne 
den  Vorschlag  erhalten,  ajle  übrigen  haben  j  angenommen, 
z.  b.  ja,  altbulg.  azü,  jazü  ego,  jagne,  altbulg.  agn§, 
jagn^  agnus  (s.  Mikl.  vergl.  gramm.  I,  298);  ähnlich  im 
neubulgarischen,  jaz,  az",  jagne,  agne  u.a.  (Mikl.  vgl. 
gramm.  I,  263).  Auch  polnisches  anlautendes  a  erhält  in 
der  älteren  literatur  und  in  der  Volkssprache  j  vorgesetzt, 
z.  b.  jastrycb,  astrych  (deutsch  estrich),  jantoni, 
jawgustyn  u.a.  (Mikl.  vgl.  gramm.  1,446). 

Dies  parasitische  j  greift  nun  auch  den  folgenden  vo- 
cal  an,  so  findet  sich  statt  des  älteren  asjuti,  asuti  gra- 
tis, frustra  in  späteren  glagolitischen  quellen  jaäjuti  und 
jesuti,  vergl.  cech.  jesutny,  jesitn^  (altbulg.  e  nach  j 
weist  auf  älteres  o,  nicht  a;  die  Schreibung  mit  o  belegt 
Mikl.  lex.  8.  v.  osuti  und  jesuti).  Im  cechischen  bleibt 
anlautendes  ja  theils  unverändert:  jablko,  jazyk,  theils 
wird  es  durch  assimilation  zu  je:  jehne,  jeviti  =  alt- 
bulg. agn$,  jagne,  javiti,  theils  endlich  durch  fortge- 
setzte einwirkung  des-j  auf  den  folgenden  vocal  zu  ji: 
j ist i  comedere,  neben  jedlcomedit,  altbulg.  jasti,  jalü. 

Aber  nicht  nur  anlautend,  sondern  auch  inlautend  ent- 
wickelt sich  im  altbulgarischen  j  vor  vocalen.  Am  sicher- 
sten ist  es  nachweisbar  vor  u  (=  indog.  äu).  ljubü  ca- 
rus,  ljuby  amor,  ljubiti  amare  hat  man  von  jeher  mit 
recht  zu  wz.  lubh  gestellt,  ljudü  populus  entspricht  dem 
lett.  laudis  leute  (Bielenstein  lett.  spr.  s.75),  got.  -lauth-s 
in  jugga-lauth-s  veavi(Sxog^  dessen  th  nur  des  folgen- 
den s  wegen  för  d  eingetreten  ist,  daher  in  anderen  casus 
dem   ursprünglicheren    laute   wieder   weichen   mufs,    z.  b. 


132  Schmidt 

juggalaudeis  nom.pl.  Marc.  14,  51,  juggalaud  voc. 
sg.  Luc.  7,  14;  alts.  liudi,  ags.  leöde,  ahd.  liuti  homi- 
nes.  Die  deutschen  und  slawischen  worte  entspringen  also 
aus  einem  stamme  *läudh-a,  welcher  mit  \aj:-6-q  ver- 
wandt ist;  letzteres  weist  auf  eine  wz.  ru,  ersteres  auf 
ru-dh  (s.  Curtius  g.  e.a  s.  325,  Diefenbach  vergl.  wtb.  d. 
got.  spr.  II,  127  u.  a.). 

rjuti,  rev$  (lautgesetzlich  fflr  *rjov^)  rugire  hat 
ein  klar  erkennbares  unurspr.  j  (vgl.  w-qv-ü),  lat.  rü-mor, 
räv-is,  rau-cu-s,  skr.  ru,  Curtius  g.  e.*  319f.).  Ohne 
dies  parasitische  j  finden  sich  noch  rutije  Glag.,  dessen 
r  freilich  wie  öfter  die  geltung  von  rj  haben  kann,  und 
das  mehr  beweisende  rovy  hinniens  Sup. 

Für  rjujinü,  rjujenü  September  erweist  lit.  ruja 
brunstzeit  des  wildes,  rujis  brunstmonat,  September  die 
unursprünglichkeit  des  j  (es  findet  sich  auch  rujenü). 
Höchst  wahrscheinlich  ist,  dafs  lit.  ruja  ursprünglich  das 
brünstige  gebrüll  der  hirsche  bedeutete,  und  dafs  obige 
worte  daher  mit  Dobrövsk^  Slovanka  I,  72  und  Pott  wur- 
zelwtb.  1269  von  rjuti,  wz.  ru,  abzuleiten  sind*). 

Das  j  von  kljus^  jumentum  wird  durch  poln.  klusak 
zeiter  als  unursprünglich  erwiesen,  da  altbulgarischem  lju 
im  polnischen  lu  entsprechen  mufs. 

Neben  plusta  ntr.  plur.  pulmo  findet  sich  pljuäta, 
welches  in  neuslov.  pljuca,  russ.  njnonje,  cech.  plice  fort- 
lebt. Dafs  j  unursprünglich  ist,  folgt  aus  lit.  plaüczei 
pl.  t.  lunge  (welches  wie  plusta  aus  *plau-tja  hervor- 
gegangen ist)  und  lat.  pul-mo. 

Auch  in  klju-ci  uncus,  clavis  ist  das  j  unursprüng- 
lich, da  das  wort  zu  clav-i-s,  nkrip-i-q  gehört  (Schleicher 
formenl.  d.  ksl.  spr.  8.  95);  ci  ist  suffix  wie  in  bi-ci  fla- 
gellum,  bri-öi  novacula.  Es  finden  sich  auch  formen 
ohne  das  j  z.  b.  kluc$  Sup.,  welches  jedoch  wenig  be- 
weist, da  j  nach  liquiden  (1,  r,  n)  oft  unbezeichnet  ge- 
lassen wird. 


*)  Vgl.  Miklosich  die  slav.  monatanamen  s.  10  f. 


die  entwickelang  von  mrarepr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       133 

bljuda.,  bljusti  videre  leitet  Miklosich  (lex.)  top 
wz.  budh  ab,  was  nach  der  analogie  der  bisher  behandel- 
ten worte  wohl  möglich  wäre.  Ganz  zweifellos  ist  diese 
etymologie  aber  nicht,  denn  wz.  budh  liegt  schon  in  alt* 
bulg.  büdeti  vigilare,  buditi  excitare  vor,  und  die  be- 
deutungsdifferenz  zwischen  büdeti  und  bljusti  ist  nicht 
gering. 

bljudo,  bljuda  patina  ist  deutsches  lehn  wort,  vgl. 
got.biudsr(>a7re£a,  alts.biod,  ags.  beöd,  nord.  bioäfvon 
biudan  offerre  Gr.  III,  432. 

Nach  dieser  erörterung  wird  man  ohne  bedenken  in 
folgenden  worten  die  form  ohne  j  für  ursprünglicher  hal- 
ten, obwohl  ich  für  diese  annähme  keine  stützen  aus  den 
verwandten  sprachen  herbei  zu  schaffen  vermag: 

rutiti  8$  agitari,  rjutiti  ist  im  altbulgarischen  nur 
in  Verbindung  mit  praepositionen  belegt  vüz- rjutiti  8$ 
se  praecipitare;  ebenso  liegen  im  6echischen  die  nachkom- 
men beider  formen  neben  einander  routiti  und  rititi  = 
poln.  rzucil  werfen.  Ferner  chlupati,  chljupati  men- 
dicare,  von  den  Varianten  chlepiti,  chlepiti  wird  spä- 
tes die  rede  sein;  ruma  und  rjuma  Zxlvaig,  deliquium 
animi,  wohl,  aus  dem  griech.  paifia  durch  entlebnung  ge- 
flossen. 

Ich  führe  nun  einige  worte  an,  welche  das  j  selbst 
nicht  mehr  enthalten,  sein  einstiges  Vorhandensein  aber  in 
der  assibilation  vorhergehender  consonanten  verrathen: 

ziv-ati  (Iv  lautgesetzliche  Wandlung  von  ju  Schlei- 
cher Comp.2  §.85,4),  praes.  zv-a.,  zv-esi  und  zu-ja., 
zu-jeSi  mandere  und  zv-ati,  praes.  2v-s,  zv-eäi  ru- 
minare  weisen  auf  früheres  *gju  zurück;  zivati  verhält 
sich  zu  zuj^  genau  wie  plivati  zu  pljuja.  spuere,  wz. 
spiv,  spju,  nur  dafs  in  letzterem  das  j  sichtbar  bleibt, 
während  es  in  zuja.  in  dem  assibilierten  guttural  ver- 
schwinden mufs.  Miklosich  (lex.)  und  Diefenbach  (got. 
wtb.  II,  453),  der  viel  ungehöriges  einmischt,  vergleichen 
ahd.  chiuwan,  ags.  ceovan,  welche  auf  eine  indogerma- 
nische wurzel  *gu  zurückführen.   Das  von  Grimm  diphth. 


134  Schmidt 

206  vermuthete  got.  *kiggvan  f&Ut  durch  vergleichung 
der  altbulgarischen  worte.  Diese  wz.  gu  findet  sich  auf 
lettischem  gebiete  in  zunas  f.  pl.  kiemen,  zaunas  kinn- 
backen,  kiemen.  Auch  das  lit.  £aune  ein  Stückchen  brot 
(Ness.)  stelle  ich  hieher,  veranlafst  durch  poln.  zuchel 
bissen  neben  £ucha<5,  zuchled  langsam  kauen.  Von 
altbulg.  zivati,  zavati  wird  später  gehandelt  werden. 

cu-ti,  cu-j$  noscere,  cuv-ati  audire,  servare  ge- 
hören, wie  Ebel  (beitr.  I,  270)  erkannt  hat,  zur  wz.  sku 
(got.  skav-jan,  griech.  xo-ia>  u.a.,  s.  Ebel  zeitschr.  IV, 
157,  Curtius  g.  e.2  140).  Die  in  lat.  cavere,  got.  us- 
skavjan  sis  sich  vorsehen,  usskavs  vorsichtig  ausgebil- 
dete bedeutungsmodification  finden  wir  auch  in  altbulg. 
cuvati,  öuvajg  neben  der  ursprünglicheren,  cujcj  hat 
anlautendes  s  verloren,  welches  in  stutiti  sentire  erhalten 
ist  (ät  lautgesetzliche  wandelung  von  skj  Schleicher  Comp.* 
s.  305);  ötutiti  ist  denominativum  von  vorauszusetzendem 
*tStutü  (=  lat.  cautus).  Auch  cu-do,  stu-do  miracu- 
lum  (gen.  cudese  und  cuda)  gehört  hierher;  es  verhält 
sich  der  bedeutung  nach  zu  cuti,  nhd.  schauen  wie 
&avua  zu  itzdofxai  und  ist  von  cu  mit  dem  suff.  -do  ge- 
bildet wie  sta-do  grex  von  sta  stare  (Miklosich  bildung 
der  nomina  im  altslov.  §.  115).  Von  cudo  mittels  suffix 
urspr. -ja  kann  abgeleitet  sein  cuzdi,  stuzdi  peregrinus, 
in  welchem  der  bedeutungsübergang  von  extraneus  zu  frz. 
etrange,  engl,  stränge  umgekehrt  vorläge.  Zweifel  an  die- 
ser herleitung  erwecken  aber  die  nebenformen  tuzdi, 
stuädi.  Nun  findet  sich  noch  £udü,  studü  gigas,  d.h. 
Tschude  (über  die  3aBo.aoi;Kaji  und  HOMopcKaa  njßjb  s. 
Zeuss  die  Deutschen  und  die  nachbarstämme  s.  688 f.,  Sjög- 
ren ges.  schrift.  1,466  f.  Castren  kl.  scbrift.  86  f.),  keinesfalls 
kann  ätudü,  cudü  von  cudo  wunder  abgeleitet  sein  oder 
umgekehrt  dies  von  jenem,  da  keins  von  beiden  ein  se- 
cundärsuffix  enthält;  auch  als  msc.  und  neutr.  coordiniert 
können  sie  nicht  sein,  da  cudo  ursprünglich  ein  s-stamm 
ist  (gen.  cudese).  In  cudü  nun  sieht  Öafafik  (slaw. 
alterth.  I,  285  ff.  314ff.)  2xv&ris.    Da  aber  die  Tscbuden 


die  entwickelang  von  anarspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       135 

ein  finnischer  stamm  sind,  die  Skythen  hingegen  von  Zeuss 
(die  Deutsehen  und  die  nachbarst.  284  ff.  und  neuerdings 
von  Müllenhoff  monatsber.  d.  akad.  zu  Berlin,  aug.  1866) 
mit  guten  gründen  für  Eranier  erklärt  werden,  so  ist  die 
vermuthung  Safafiks  bedenklich.  Miklosich  (lex.)  ver- 
gleicht mit  ä tuzdi  das  got  thiuda,  indem  er  auf  die 
analogie  von  neuslov.  ljudski  peregrinus  verweist.  Die 
ableitung  wird  durch  Jornandes  c.  23  gestützt,  welcher 
als  arctoae  gentes  neben  den  Scythae  die  Thiudi  auf- 
zählt. Viel  material  hat  Pott  (wz.  wtb.  849  ff.)  zusammen- 
gestellt, ohne  aber  zu  einer  entscheidung  zu  gelangen.  Die 
(8.  852)  versuchte  herleitung  von  öudo  wunder  aus  cuzdi 
fremd  fallt  nach  dem  oben  gesagten.  Alle  vier  formen  öuzdi, 
stuzdi,  stuzdi,  von  dem  präsumtiven  völkernamen  cudü, 
&tudü  herzuleiten  sehe  ich  keine  möglichkeit:  cuzdi  weist 
auf  anlautendes  k,  tuzdi  hat  anlaut.  t  und  ä tuzdi  kann 
sein  st  sowohl  aus  tj  wie  aus  stj  wie  aus  skj  entwickelt 
haben.  Mir  ist  daher  am  wahrscheinlichsten,  dafs  sich  in 
diesen  formen  ableitungen  von  zwei  ursprünglich  verschie- 
denen worten  gemischt  haben,  nämlich  ein  ä tuzdi,  cuzdi 
wunderbar  und  ein  stuzdi,  stuzdi  tscbudisch,  d.  h. 
dann  fremd  überhaupt  (mit  derselben  Verallgemeinerung 
wie  unser  spanisch,  welsch,  böhmisch,  türkisch  zur  be- 
zeichnung  des  fremden,  wie  Pott  s.  854  bemerkt).  Für 
unseren  zweck  ist  aber  der  Übergang  von  stuzdi,  tuzdi 
in  stuzdi  zu  beachten,  denn  auch  er  kann  nur  durch  ein 
zwischen  t  und  u  entwickeltes  j  hervorgerufen  sein. 

Ferner  hat  sich  j  unursprünglich  entwickelt  in  studi 
mos,  voluntas  wie  das  darneben  erhaltene  kudi  voluntas 
erweist.  Aus  der  combination  beider  ergiebt  sich  ein  äl- 
teres "skudi,  woraus  einerseits  mit  verlust  des  8  kudi, 
andererseits  *skjudi,  d.i.  Studi  ward. 

äuj  sinister,  grundform  *sjaujas  hat,  verglichen  mit 
skr.  savja-s,  lat.  scaevus,  griech.  axcuog  (urspr.  also 
skavja  Curtius  g.  e.2  8. 152)  ein  unursprüngliches  j. 

Aus  dem  russischen  führe  ich  noch  mit  unursprüng- 
lichem j  an  AHMKHiia  dutzend,  aiohmi»  daumen,  zoll,  beides 


136  Schmidt 

fremdworte,  4k>5k1h  stark,  vgl.  poln.  du£y,  lit.  daüg  viel. 
Secundäres  j  vor  nicht  afficiertem  u  zeigt  im  serbischen 
durak,  <5urka,  daran  (<5  =  tj)  für  *kjuräk  u.  s.  w. 
(beispiele  für  6  ans  assibiliertem  k  s.  bei  Mikloslch  vergl. 
gramm.  I,  333)  truthahn,  walach.  curcanü,  ngr.  xovgxog, 
xovqxcc,  xovpxdvog,  ans  altbnlg.  kurü  gallus. 

In  manchen  fallen  nun  gewann  das  parasitische  j  die 
oberhand  über  das  folgende  u,  so  wurde  ju  zu  i.  Diesem 
hergange  begegnen  wir  auch  in  andern  sprachen,  z.  b.  ital. 
pimaccio  statt  piumaccio,  piviale  statt  pioviale, 
umbr.  iveka  =  lat.  juvenca.  Aehnlich  ist  auch  die  con- 
traction  in  altbulg.  igo  =  skr.juga-m,  jedoch  liegt  hier 
kein  gesteigertes  u  vor,  vielmehr  wurde  urspr.  jugam  zu 
*jügo  und  dies  regelrecht  zu  igo. 

Es  finden  sich  so:  mit  ursprünglichem  j  pli-nq-ti 
neben  plju-na-ti  spuere,  wz.  spju,  spiv,  ferner  mit  un- 
ursprünglichem  j  vüz-lib-iti  neben  vüz-ljub-iti  amare, 
von  derselben  wurzel  libo  neben  ljubo,  welches  wie  das 
lat.  vis  den  interrogativen  und  relativen  pronomina  ange- 
fügt wird,  um  sie  in  indefinita  zu  verwandeln  z.  b.  küto 
ljubo  (libo)  quicunque,  jakovü  ljubo  (libo)  qualis- 
cunque;  ätitü  scutum  aus  *skjutü  =  lat.  scu-tu-m 
wz.  sku  tegere  (skutü  extrema  vestis  kommt  als  deut- 
sches lehnwort  hier  nicht  in  betracht,  vergl.  got.  s kaut 8 
xpaantdovy  nord.  skaut).  Wenn  also  von  zuj<|  mando 
im  Gregor  von  Nazianz  eine  participialform  zij^stiimü 
erscheint,  so  erklärt  sich  diese  hier  ganz  einfach  und  wir 
haben  nicht  nöthig  mit  Miklosich  (lex.  s.  v.  zivati)  das 
wort  für  verschrieben  aus  zujqätiimü  zu  halten.  Das 
in  dem  assibilierten  dental  nicht  völlig  gebundene  j  hatte 
noch,  wie  in  gtitü  aus  *skjutü,  die  kraft,  sich  das  fol- 
gende u  zu  assimilieren.  Indem  man  nun  den  Ursprung 
des  i  vergaß,  entwickelte  sich  Zivati  und  zavati,  d.  i. 
*zevati,  also  völlig  als  ob  die  wz.  gi  oder  giv  lautete; 
das  v  in  Zivati  kann  man  nämlich  zwiefach  deuten,  ent- 
weder ist  es  letzte  reminiscenz  von  zvati,  zivati,  oder 
es  hat  sein  dasein  der  analogie  häufiger  verba  auf  -vati 
zu  verdanken. 


die  entwickelung  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       137 

Ebenso  entwickelte  sich  aus  pljuskü  sonus  ein  pH- 
skü  und  mit  zweiter  Steigerung  ein  aus  dem  serbischen 
pläsak  zu  folgerndes  *pl£skü.  Aehnlich  haben  wir  zwi- 
schen chljupati  und  chlepiti  mendicare  ein  vermitteln- 
des *chlipati  anzunehmen,  zwischen  sljuzi  malva  und 
der  nebenform  slezü  ein  *slizT.  Das  e  der  darneben 
vorkommenden  pleskü,  chlepiti  ist  entweder  nur  gra- 
phische Variante  von  e  oder  verdankt  seinen  Ursprung  der 
analogie  von  gnet$,  gnesti  neben  gnetati  comprimere, 
greb$,  greti  remigare  neben  ogrebati  8$  abstinere, 
leteti  neben  letati  volare,  mesti  neben  metati  jacere 
(mehr  beispiele  8.  bei  Miklosich  vgl.  gramm.  I,  134  ff.). 

Durch  diesen  wandel  von  ju  in  i  erklärt  sich  auch 
die  thatsache,  dafs  griech.  v  in  fremdworten  Sowohl  durch 
ju  wie  durch  i  wiedergegeben  wird.  Die  lautverbindung 
ju  (io)  hatte  eben  zu  der  zeit,  als  diese  griechischen  worte 
herübergenommen  wurden,  zum  theil  schon  einen  i- ähn- 
lichen klang  und  eignete  sich  dadurch  zur  Umschreibung 
des  griech.  v.  Beispiele;  kjuminü  xvfiivov,  mjuro  pv- 
qov,  zmjurna  G^ivgva^  sjurijskü  (fvQiaxog^  kjurilü  und 
kirilü  KvQiXXog,  kjurü  und  kirü  xvQiog  u.  a. 

In  den  jüngeren  slawischen  sprachen  findet  sich  die 
contraction  von  altbulg.  ju  in  i  mehrfach.  Durchgängig 
regel  ist  sie  im  cechischen:  cititi  =  altb.  stutiti,  cizi 
=  stuzdi,  lid  =  ljudü,  plice  =  pljuäta  u.a.  s.  Mi- 
klosich vergl.  gramm.  I,  414.  Im  neubulgarischen  sind  j  u 
und  i  so  in  eine  analogie  verschmolzen,  dafs  nicht  nur  i 
für  ju,  sondern  auch  umgekehrt  ju  für  i  eintritt.  Es  fin- 
det sich  also  klic  clavis  neben  kljuc,  Hb!  amo  neben 
ljubi,  plijü  spuo  neben  pljujü  und  umgekehrt  ju  an 
stelle  von  altbulg.  i  zjuvejü  vivo  neben  zivejü,  sljuni 
saliva  maculo  neben  slini  (altb.  slina  saliva,  ahd.  sllm), 
äjurok  latus  neben  äirok  (s.  Miklosich  vergl.  gramm.  I, 
266).  Auch  *in  anderen  slawischen,  sprachen  findet  sich 
vertauschung  von  älterem  i  mit  ju,  z.  b.  russ.  caioHa  und 
ciHHa.  Böhtlingk  nimmt  in  cjaona  ausfall  von  p  an  und 
will  es  so  mit  mieBaiob,   altbulg.  plivati  spuere  vermit- 


138  Schmidt 

teln,  ein  anderes  beispiel  eines  derartigem  Ausfalles  von  p 
ist  aber  nicht  nachgewiesen.  Aufserdem  lassen  sich  cm-Ha, 
caioiia  nicht  von  ahd.  sll-m  trennen.  Nach  dem,  was 
eben  vom  neubulgarischen  angeführt  ist,  macht  aber  die 
annähme  eines  wechseis  von  h  mit  10  keine  Schwierigkeit, 
auch  das  verwandte  poln.  sluz  schleim  (dies  ist  richtiger 
als  slöz;  Miklosich  vergl.  gramm.  I,  452)  zeigt  denselben 
Wechsel.  Aus  dem  polnischen  nenne  ich  noch  luna.c  er- 
gießen (das  wäre  altbulg.  *lju-na.ti)  für  das  veraltete 
lina.d,  vgl.  altbulg.  lijati  fundere. 

Da  wir  nun  gesehen  haben,  wie  häufig  sich  ein  j  vor 
u  entwickelt,  und  ferner  die  neigung  ju  in  i  zu  contrahie- 
ren  beobachtet  haben,  werden  wir  berechtigt  sein  die  nun 
folgenden  bisher  unerklärten  fälle,  in  welchen  i  neben  äl- 
terem u  steht,  so  aufzufassen,  dals  wir  ein  zwischen  bei- 
den liegendes  *j  u  voraussetzen.  Miklosich  (vergl.  gramm. 
I,  25)  führt  folgende  beispiele  auf:  veriga,  veruga  ca- 
tena,  rimiskü,  rumiskü  romanus,  zidü  neben  ijudej 
lovSaioq.  Schleicher  (formenl.  d.  ksl.  spr.  8.  4?)  bringt  noch 
bei:  tichü  tranquillus,  teäiti  consolari,  skr.  tuö  gaudere, 
contentum  esse,  tüä-nlm  tacite  (die  vocale  dieser  drei  for- 
men verhalten  sich  wie  die  von  ahd.  chiuwan  :  zivati  : 
zavati,  d.i.  zevati  oder  von  pljuskü  :  pliskü:serb. 
plesak);  kricati  clamare,  skr.  krup*).  Auf  diese  weise 
erkläre  ich  noch  krizi  crux  (z  für  das  zu  erwartende  c 
findet  sich  öfter  in  fremd  Worten,  z.  b.  kalezi  xaAv|,  jere- 
tizica  haeretica),  ferner  obligati  neben  lugati  men- 
tiri **),  vergl.  got.  liugan;  cichati,  cichna.ti  sternuere 
neben  küchna.ti  sternutare,  kychavioa  sternutatio  (skr. 
ksu  niesen?).     Das  serbische  zeigt  auch  in  fremdworten 


*)  In  eis  tu  für  *  cid- tu  purus,  welches  Schleicher  a.  a.  o.  mit  skr. 
cudh  purificari  verbindet,  und  in  Jtrivü  obliquus,  cnrvus  welches  er  = 
curvus  setzt,  ist  das  i  auf  anderem  wege  entstanden.  Die  entsprechenden 
lit.  skafstas  klar,  glänzend,  skystas  klar  (von  flüssigkeiten)  und  kreivas 
krumm,  schief  beweisen,  dafs  schon  zur  zeit  der  slawisch-litauischen  einheit 
die  beiden  wurzeln  in   die  i-reihe  übergetreten  sind. 

**)  Möglich  ist  jedoch  auch  die  auffassung  von  Miklosich  vgl.  gramm. 
I,  139. 


die  entwickelung  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       139 

i  an  stelle  von  u  z.  b.  mir  murus,  rim  Roma  (auch  alt- 
balg, rimü  8.  o.)  u.  a.  8.  Miklosich  vergl.  gramm.  1,301. 
Das  von  mir  vorausgesetzte  vermittelnde  ju  zeigt  unter 
den  von  Miklosich  aufgeführten  beispielen  ljutac,  woraus 
durch  contraction  litica  saxum  wurde. 

Auf  parasitisches  j  weisen  auch  cech,  rihnouti  (cech. 
i  =  altbulg.  ju  8.  o.),  poln.  rzygn$<5,  rzygad  verglichen 
mit  russ.  pwrHvinb,  altbulg.  rygati,  griech.  kgevysw\  das 
lit.  riaugmi  rülpse  zeigt  das  j  un verhüllt. 

Die  resultate  vorstehender  Untersuchung  sind  also: 

1)  In  den  allermeisten  fällen  ist  altbulg.  ju  aus  älte- 
rem u  entstanden  *). 

2)  Indem  der  parasitische  spirant  sich  den  folgenden 
vocal  assimiliert,  wird  letzterer  im  weiteren  verlauf  des 
sprachlebens  mehr  oder  weniger  regelmäfsig  in  die  i-reihe 
hinüber  gedrängt. 

Mit  fleifs  habe  ich  das  vor  u  entwickelte  j  in  dieser 
Untersuchung  vorangestellt,  weil  es  stets  erkennbar  ist,  sei 
es  wirklich  geschrieben,  sei  es  nur  in  der  affection  der 
vorhergehenden  consonanten  erhalten.  Schwieriger  ge- 
staltet sich  die  beobachtung  bei  den  übrigen  vocalen.  Ganz 
aus  dem  spiele  bleiben  müssen  i,  i,  &,  $,  weil  sie  an  sich 
schon  assortierend  auf  vorangehende  gutturale  und  —  aus- 
genommen i**)  —  dentale  wirken,  welche  uns  bei  der  bis- 
herigen Untersuchung  so  gute  führer  waren,  ein  j  aber  vor 
i,  I,  e  nicht  geschrieben  wird  (je  wird  i,  s.  Schleicher 
Comp.2  §.  87,  3).  Die  Verbindung  j$  findet  sich  nur  an- 
lautend, aufserdem  waltet  bei  q  stets  zweifei,  ob  es  aus 
urspr.  an  oder  in  entstanden  ist.  Sie  alle  geben  also  über 
parasitisches  j  keine  auskunft.  Vor  e  werden  gutturale 
ebenfalls  assibiliert,  wenn  demnach  z.  b.  die  lautfolge  öe 
erscheint,  so  ist  nicht  zu  entscheiden,  ob  ke  oder  kje  zu 


*)  Ich  habe  zu  vorliegender  Untersuchung  mir  sämmtliche  worte,  welche 
die  Verbindung  ju  enthalten  oder  enthielten,  zusammengestellt. 

**)  Anlautendes  zdi  findet  sich  nicht,  sti  kann  aus  stji  und  ski  ent- 
standen sein.  Für  den  vorliegenden  zweck  weifs  ich  mit  den  sti  im  an- 
laute bietenden  worten  nichts  anzufangen. 


140  Schmidt 

gründe  liegt.  Die  dentalen  aber  nebst  s  und  z  bleiben 
vor  e,  verwandeln  sich  hingegen  mit  je  zu  ste,  zde,  de, 
ze.  Von  diesen  vier  Verbindungen  kann  aber  $e  auch  für 
che  =  urspr.se  stehen,  also  ohne  parasitisches  j  entstan- 
den sein,  z.  b.  kann  sesti  res  sowohl  als  *sjesti  gelten 
(vgl.  pisa.  für  * p i s j ^ )  wie  als  *chestl  aus  *sesti.  Es 
bleiben  also  nur  die  lautfolgen  äte,  zde,  ze  als  einzige 
spuren  eines  etwa  vor  e  entwickelten  j,  da  das  unverän- 
derte je  sich  nie  nach  consonanten  findet  (ausgenommen 
natürlich  in  fallen  wie  otü  n-jego  Schleicher  Comp.3 
s.  307). 

So  enthält  unurspr.  j  zega,  zesti  urere,  welches,  wie 
die  bei  Miklosich  s.  v.  verzeichneten  nebenformen  zdegcj, 
zdeguti  (für  zdegjjti)  erweisen,  aus  *djeg-  entstanden 
ist.  zega.  verhält  sich  zu  2dega.  genau  wie  die  oben  er- 
örterten cudo  :  ctudo,  cuti  :  gtutiti.  Zu  dieser  Wur- 
zel gehört  auch  serb.  zagriti,  welches  nicht,  wie  Miklo- 
sich (vgl.  gramm.  I,  334)  annimmt,  eine  reduplicirte  form 
ist,  „in  welcher  nach  sanskritischer  regel  guttural  durch 
palatal  ersetzt  scheint",  zagriti  ist  abgeleitet  von 
zag-rü,  welches  im  lit.  zagarai  dürre  reiser  (ursprüng- 
lich also  brennmaterial)  erhalten  ist.  Das  erschlossene 
*djeg  weist  auf  älteres  *djag,  djagh,  und  hierin  ist 
leicht  skr.  dah  mit  parasitischem  j  zu  erkennen,  dessen  d 
in  Aeromb  birkentheer  erhalten  hat  (vgl.  lit.  deg-ti  brennen, 
degütas  =  ^eromb).  Der  wurzelvocal  ist  dann  in  sü- 
zigati,  sü-zagati  (d.i.  *-zegati)  in  die  i-reihe  hin- 
übergedrängt, ob  durch  das  j  veranlafst,  ob  der  bekannten 
allgemeinen  neigung  der  spräche  folgend,  bleibt  ungewiss. 

Es  bleiben  noch  die  vocale  a,  o,  ü  zu  untersuchen 
übrig,  jo  wird  inlautend  zu  e,  aber  e  neben  o  erscheint 
ganz  regelrecht,  wie  im  lateinischen  und  griechischen  als 
Vertreter  von  urspr.  a.  Also  auch  hier  würde  nichts  ftr 
unsere  Untersuchung  zu  gewinnen  sein,  wenn  nicht  in  einem 
beispiele  ein  zischlaut  auf  einstiges  Vorhandensein  von  j 
wiese.  Es  findet  sich  neben  solyga  jaculum ,  baculum 
selyga  pertica,    beide  vermitteln  sich  durch  *sjolyga, 


die  entwickelang  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       141 

aus  welchem  durch  gleichzeitige  Wirkung  des  j  nach  vor- 
wärts und  rückwärts  selyga  entstehen  muste. 

Auch  vor  ü  entwickeltes  j  zu  erkennen  ist  misslich, 
da  jü  lautgesetzlich  zu  i  werden  mufs,  I  und  ü  aber  viel- 
fach mit  einander  wechseln,  ohne  dafs  man  berechtigt  wäre 
ein  vermittelndes  j  u  anzusetzen.  Vielleicht  darf  man  das 
in  äilü,  tSidü  (part.  perf.  act,  der  bedeutung  nach  zu  wz.  i 
gehörig,  8.  Schleicher  formenl.  s.  326)  enthaltene  öid  aus 
ursprünglichem  sjad  erklären.  Neben  der  wz.  s ad,  ä-sad 
adire,  griech.  in  öSog* (Curtius  g.  e.2217)  erhalten,  hat 
das  skr.  nämlich  sjand  (gatikarmä  Naigh.)  fluere,  fluc- 
tuari,  huc  illuc  cursitare  Westerg.  sad  ist  auf  slawischem 
boden  in  chod-iti  ire  bewahrt  und  sjand  mochte  ich  in 
sidü  profectus  sehen.  Nimmt  man  an,  dafs  in  sjad 
—  denn  so  ohne  nasal  ist  die  wahre  wurzel  von  sjan- 
dat§  anzusetzen,  dessen  nasal  aus  der  praesensbildung 
(nach  Schleichers  eintheilung  IV,  c,  2)  in  die  anderen  tem- 
pora  eindrang  —  sich  das  anlautende  s  ungewandelt  er- 
hielt, wie  in  der  anderen  wz.  sad  sedere,  altbulg.  s^d^, 
sesti  considere,  nicht,  wie  in  choditi,  zu  ch  wurde,  so 
läge  zwischen  sjad  und  äid  die  mittelstufe  *sjüd  ganz 
im  einklange  mit  den  altbulgarischen  lautgesetzen.  Ist  diese 
erklärung  richtig,  so  haben  wir  ein  beispiel  von  parasiti- 
schem j  übereinstimmend  im  sanskrit  und  slawischen. 

Vor  -3  läfst  sich  die  entwickelung  von  j  in  einigen 
fällen  nachweisen;  statt  des  zu  erwartenden  j$  findet  sich 
in  russisierender  weise  ju  geschrieben.  Ich  nenne  folgende 
worte:  ljukati  neben  lqkati  decipere  (vgl.  lqka  malitia, 
l$k$,  l$8ti  flectere,  lit.  l&nkti  flectere,  U%giog  logog, 
lat.  licinus  obliquus)  raz-ljucati  neben  raz-lqcati 
separare;  stukü,  d.  i.  *stjukü  strepitus  neben  stukü 
sonitus,  in  welchen  der  Ursprung  des  u  aus  3  erwiesen 
wird  durch  poln.  szcz^k  geplapper  =  ätukü  und  st$k 
Seufzer  =  stukü. 

Aus  dem  polnischen  mögen  noch  erwähnt  werden 
chrz^szcz  =  altbulg.  ehr 30 ti  scarabaeus,  wi$za  fessel 
8=  altbulg.  v^za,  tysi^c  =  altbulg.  tys^äta  mille  (auch 
das  öech.  tisic  zeigt  das  parasitische  j). 


142  Schmidt 

Endlich  bliebe  der  vocal  a  noch  zu  berücksichtigen. 
Findet  er  sich  nach  assibilaten,  so  herrscht  ungewifsheit, 
ob  ja  oder  e  der  ursprungliche  laut  war.  a  und  e  wech- 
seln aber  häufig  miteinander,  man  bleibt  also  völlig  im 
unklaren,  ob  z.  b.  in  öadü  fumus  neben  kaditi  suffitum 
facere,  in  po-zarü  incendium  neben  goreti  ardere  ein 
älteres  *kjadü  *gjaru  oder  *kedü  *gerü  vorliegt.  Im 
ersteren  falle  wäre  j  entwickelt,  im  anderen  hätte  e  als 
dehnung  von  a  zu  gelton  oder  der  wurzel vocal  wäre,  wie 
oft,  in  die  i- reihe  Obergetreten.  Also  nur  nach  1,  r,  v, 
m,  n  ist  klar  erkennbar,  ob  älteres  e  oder  ja  vorliegt, 
weil  nur  diese  consonanten  keine  lautgesetzliche  affection 
des  folgenden  ja  veranlassen.  Ich  vermag  daher  nur  in 
zwei  beispielen  parasitisches  j  vor  a  nachzuweisen:  prja- 
ziti  frigere,  russ.  npasKHnib  neben  dem  ursprünglicheren 
praziti,  nsl.  praziti,  nbulg.  prazi,  cech.  prahnouti, 
poln.  prazyd;  die  wurzel  ist  sprag  oder  spragh,  wie 
das  litauische  lehrt:  sprageti  prasseln,  spraginti  rö- 
sten, splrgti  speck  ausbraten,  spirgas  stück  gebratenen 
Speckes.  Das  andere  beispiel  ist  prjaga  %iS(>ov,  novellum 
tritici  granum  neben  dem  gleichbedeutenden  prüga;  mög- 
licherweise gehört  prjaga  zu  prjaziti,  da  x^Q0V  e*n 
gericht  von  gerösteten  weizengraupen  ist,  unsere  zwei  bei- 
spiele  flössen  also  gar  in  eins  zusammen.  In  jüngeren  sla- 
winen  findet  sich  j  mehrfach  vor  a  eingeschaltet,  z.  b.  in 
den  fremdworten  serb.  tirjanin  =  tyrannus  und  russ. 
paca  rjas.a  mönchsgewand,  altbulg.  rasa  =  lat.  rasum. 

Vielleicht  ist  es  nicht  zufällig,  dafs  in  den  letztge- 
nannten fallen  ein  r  vor  dem  vocale  steht,  hängt  vielmehr 
mit  einer  ersoheinung  zusammen,  auf  welche  von  hier  aus 
ein  neues  licht  fällt.  Wir  finden  nämlich  vor  r,  1,  v 
häufig  gutturale  assibiliert,  ohne  dafs  ein  vocal  folgt,  wel- 
cher diese  affection  verursacht  haben  könnte.  Dafs  aber 
die  laute  1,  r,  v  an  sich  nicht  nothwendig  vorhergehende 
gutturale  in  palatale  wandeln,  beweisen  die  zahlreichen  an- 
laute von  k,  g  +  r,  1,  v,  welche  im  wörterbuche  leicht  zu 
finden  sind.    Schleicher  (Comp.2  s.  303)  sagt:  „vor  r,  1,  v 


die  entwickelang  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       143 

tritt  ebenfalls  die  in  rede  stehende  Wandlung  der  gutturale 
mit  Vorliebe  ein".  Nach  meinen  beobachtungen  halten  die 
fälle,  in  welchen  die  gutturalen  unangetastet  bleiben,  so 
ziemlich  denen  das  gleichge wicht,  in  welchen  sie  afficiert 
werden.  Ich  will  nun  hier  die  mir  bekannten  falle  ange- 
ben, in  welchen  worte  derselben  wurzel,  zum  theil  auch 
derselben  bildung  die  einen  assibilierten  guttural  zeigen, 
die  anderen  nicht.  Schleicher  (a.a.O.)  führt  an:  eye  tu 
blume  neben  böhmisch  kvet;  cveliti  weinen,  altböhm. 
kveliti,  neuböhm.  kviliti;  clov-eku  mensch,  wz.  kru, 
slu  in  slu-ti  nominari;  örüt-ati  einschneiden  neben 
krat-ükü  kurz  (lautlich  noch  näher  steht  krüt-ü  talpa). 
Miklosich  (vgl.  gramm.  I,  199)  erwähnt  noch:  erüs-tvu 
solidus,  firmus  neben  vüs-krus-n^-ti  lyetgeöd-ai,  ävieta- 
ö&cu.  Diese  Zusammenstellung  macht  er  aber  in  seinem 
lexicon  selbst  zweifelhaft,  indem  er  erüs-tvü  aus  £rüd- 
1  -tvü    erklärt   und  mit  got.  hardus   vergleicht;    letzterer 

etymologie  neige  ich  nun  mehr  zu,  weil  in  6redü  firmus 
das  in  örüstvü  erschlossene  d  klar  vorliegt  und  credü 
genau  zu  got.  hardus  stimmt;  vüskrüsn^ti,  dessen  s 
ursprünglich  und  keine  wandelung  von  d  ist,  wie  die  con- 
jugation  ergibt,  hat  also  mit  erüstvu  nichts  gemein.  Aus 
Miklosichs  grammatik  (a.  a.  o.)  entnehme  ich  noch  zrülo 
neben  grülo  guttur.  Aufserdem  habe  ich  assibilierende 
kraft  des  r,  1  wahrgenommen  in  zreti,  zrq  deglutire  (vgl. 
lit.  görti  trinken)  neben  grütani  guttur  (lit.  ger-kle' 
gurgel,  Schlund);  zreti,  zr^  sacrificare  (lit.  girti  preisen, 
skr.  grnämi  preise,  yijgvg  u.  a.  s.  Curtius  g.  e.a  s.  162) 
neben  gra-j  cantus;  zlüdati  capere  neben  gladü  fames 
(vgl.  got.  gredus  hunger);  srüäeni  neben  srüseni  cra- 
bro  (poln.  sierszen,  szerszen,  lit.  szirszys);  crSpü 
testa,  later  (skr.  karpara  schale,  topf,  ahd.  scirbi  testa), 
mit  erhaltenem  k  russ.  KHpniprb  (kirpicü  Ziegelstein); 
für  ör&pü  könnte  man  vielleicht  annehmen,  dafs  die  assi- 
bilierende kraft  des  e  durch  r  hindurch  auf  den  guttural 
gewirkt  habe.  Da  wir  nun  c,  z,  £  sonst  nur  vor  j  und 
palatalen  vocalen  entstehen  sehen,   so  schliefse  ich,    dafs 


144  Schmidt 

r,  1,  v,  wenn  sie  assibilation  vorhergehender  laute  veran- 
lassen, einen  weicheren,  j- ähnlichen  klang  gehabt  haben, 
d.  h.  dafs  sich  aus  ihnen  ein  parasitisches  j  entwickelt  hat, 
eine  erscheimtag,  welche  namentlich  bei  1  in  den  romani- 
schen sprachen  reichlich  zu  beobachten  ist.  Ich  erinnere 
nur  an  den  Übergang  von  lat.  1  in  ital.  i,  z.  b.  fiore  = 
lat.  florem,  chiamare,  span.  llamar,  d.  i.  l'amar  = 
clamare,  vergl.  Diez  granim.  der  roman.  spr,  I2,  195  ff. 
Die  schrift  bezeichnete  dies  j  nicht,  wie  sie  selbst  urspr.  j 
nach  r,  1  oft  unbezeichnet  läfst,  z.  b.  bura  für  burja 
procella,  v«ola  für  volja  voluntas,  so  gut  aber  in  diesen 
fällen  r,  1  den  werth  von  rj,  lj  haben,  können  sie  es  auch 
in  obigen  zrülo,  zlüdati  u.  s.  f.  gehabt  haben.  Zur  be- 
gründung  dieser  ansieht  erinnere  ich  an  die  im  bisherigen 
mehrfach  erschienenen  worte,  deren  parasitisches  j  gerade 
nach  r,  1  eingetreten  ist  (ljukati,  d.i.  lj^kati,  prja- 
ziti,  poln.  chrz^szcz  und  die  worte  aufs.  131  bis  133) 
und  nenne  noch  poln.  grzbiet,  altbulg.  grübü  dorsum; 
rzodkiew  rettig  entweder  direct  oder  durch  deutsche 
vermittelung  aus  radix. 

Dafs  die  entwickelung  von  parasitischem  j  im  ferneren 
leben  der  slawischen  sprachen  mehr  und  mehr  zunimmt, 
ist  in  der  bisherigen  Untersuchung  an  den  betreffenden 
stellen  angedeutet  worden.  Für  das  altbulgarische  glaube 
ich  sie  erschöpfend  behandelt  zu  haben,  für  die  übrigen 
slawischen  sprachen  ist  dies  noch  nicht  möglich,  wegen 
der  mangelnden  Voruntersuchungen  über  den  im  einzelnen 
sehr  schwierigen  vocalismus  dieser  sprachen.  Die  fast  all- 
gemeine Wandlung  von  altbulg.  e  in  je,  ie,  resp.  jo,  io 
ist  bekannt.  Ehe  ich  mich  aber  zum  litauischen  wende, 
will  ich  hier  noch  einige  polnische  worte  erörtern,  welche 
Miklosich  (vgl.  gr.  I,  468)  unerklärt  läfst,  die  aber  für  die 
beurtheilung  des  skr.  kS  von  Wichtigkeit  sind. 

Eine  im  anlaute  slawischer  worte  ganz  ungewöhnliche 
lautverbindung  ks  zeigen  poln.  ksi§ga,  ksicjzka  buch 
und  ksi^zQ  fürst,  altbulg.  kniga  und  kn$zi.  Beginnen 
wir  mit  ersterem.  Im  suprasler  codex  findet  sich  geschrie- 


die  entwickelung  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       145 


ben  küniga,  d.  i.  künjiga;  hieraus  entwickelte  sich  alt- 
böhm.  knjezka,  kneh  gen.pl.  von  kniha.  Eine  diesem 
entsprechende  form  *kniega,  *kniezka  nehme  ich  auch 
für  das  polnische  an.  In  *kniega  fiel  nun  der  nasal  aus 
wie  in  dzis  heute  (für  *dznis  =  altbulg.  dini  si)  und 
in  gi$<5  beugen  (für  *gni^d,  *gn§<5  =  altbulg.  gün^ti) 
und  der  vocal  erhielt  eine  nasale  trübung  wie  in  mi$dzy 
neben  dem  älteren,  noch  in  der  bibel  von  1563  vorkom- 
menden miedzy  =  altbulg.  mezdu  inter,  mi^szad  ne- 
ben mieszac'  =  altbulg.  mesati  miscere,  piecz$c  === 
altbulg.  pecati  sigillum  (mehr  beispiele  für  q  aus  e  bei 
Miklosich  vgl.  gramm.  I,  454f. ).  *kj^ga  hätte  nun  nach 
der  gewöhnlichen  regel  *cz$ga  werden  sollen,  statt  des- 
sen trat  ksiega  ein.  Suchen  wir  dies  lautpbysiologisch 
zu  begründen.  Der  Übergang  von  k  in  c  geht  durch  fol- 
gende stufen:  kj,  kch,  tch  (linguales  t),  ts,  ts,  d.i.  c. 
Die  physiologische  grenze  zwischen  dem  am  weitesten  vorn 
gesprochenen  k  und  dem  am  weitesten  hinten  gesproche- 
nen t  ist  nicht  zu  bestimmen,  ebenso  wenig  lassen  sich 
ch,  s  und  ä  gegeneinander  abgrenzen;  k  und  t,  wie  an- 
dererseits ch,  &  und  ä  sind  durch  continuierliche  Über- 
gänge untereinander  vermittelt,  sie  schwimmen  in  einander. 
Hiermit  hängt  zusammen,  dafs  das  altbulgarische  in  fremd- 
worten  z  (d.  i.  tönendes  s)  an  stelle  von  j  (d.  i.  tönendes 
ch)  setzt,  z.  b.  zuku  juncus,  zidinü  neben  ijudej,  von 
denen  sich  das  erstere  an  lat.  judaeus,  das  letztere  an 
griech.  lovSalog  anzulehnen  scheint.  (Vgl.  den  entsprechen- 
den wandel  von  lat.  j  in  den  romanischen  sprachen).  Fer- 
ner ist  zu  berücksichtigen,  dafs  das  altbulgarische  in  fremd- 
worten  —  und  fremd  sind  auch  kn§zl  und  kniga*)  — 
gutturale  vor  vocalen,  welche  sonst  assibilation  bewirken, 
unverändert  läfst,  in  welchem  falle  der  die  ausspräche 
möglichst  getreu  wiedergebende   cod.  supr.  den  gutturalen 


*)  knezi,  kün§zi  ist  aus  dem  ahd.  cuning  entlehnt;  auch  kniga 
führt  Miklosich  unter  den  fremdwörtern  auf,  Dobrovaky  und  Pott  (wz.-wtb, 
467)  vermuthen  entlehnung  aus  dem  chines.  king. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  10 


146  Schmidt 

das  zeichen  der  erweichung  beisetzt  (zahlreiche  beispielc 
bei  Miklosich  vgl.  gramoi.  I,  205 f.);  sein  k"  bedeutet  aber 
kj.  Dürfen  wir  in  unserem  falle  nun  annehmen,  dafs  von 
dieser  lautgruppe  kj  sich  das  j  wie  in  zidinü  zu  z  wan- 
delte, so  muste  kz  als  unaussprechbar  entweder  zu  gz 
oder  zu  ks  werden.  Letzteres  liegt  im  poln.  ksi^ga  vor. 
Und  ich  sehe  in  der  that  nichts,  was  dieser  annähme  im 
wege  stünde,  wird  doch  j  nach  t,  was  wie  wir  sahen  vom 
palatalen  k  wenig  absteht,  im  russischen  zu  s  z.  b.  mbicaia, 
d.i.  tysjatäa,  tausend,  altbnlg.  mit  Umstellung  tysqäta, 
aus  *tys$tja.  Wenn  wir  also  k£  an  stelle  des  zu  erwar- 
tenden tä  finden,  so  liegt  ersteres  dem  ausgangspunkt  kj 
etwas  näher,  indem  das  k  nur  palatal  wurde,  seine  arti- 
culation8stelle  am  gaumen  also  der  Sphäre  der  t-laute  zwar 
näherte,  aber  nicht  ganz  in  sie  hinein  legte  *).  .Dafs  nun 
k  in  ksi$ga  palatal  auszusprechen  sei,  kann  nicht  bezwei- 
felt werden,  da  diese  ausspräche  dem  k  vor  allen  mouil- 
lierten lauten  zukommt  (s.  Miklosich  vgl.  gramm.  I,  475). 

Entsprechende  mittelstufen  wie  zwischen  kniga  und 
ksi$ga  zum  theil  erhalten  sind,  nehme  ich  zwischen  alt- 
bnlg. kn^zi  und  poln.  ksi^dz  fürst,  priester,  ksiqzs 
fftrst  an:  *kni$zi,  *kniqdz,  *ki§dz.  Die  erschlofsene 
form  #kni$zi  liegt,  nach  einer  mündlichen  mittbeilung 
8chleichers,  im  polabischen  wirklich  vor:  die  manuscripte 
bieten  tgenangs,  tjenangs,  tschenangs,  tjinangs, 
an  dem  einstigen  bestehen  einer  form  Kn^z  (kjnj^z), 
worauf  diese  Schreibungen  deuten,  läfst  sich  also  nicht 
zweifeln. 

Alle  sonst  noch  mit  ksi,  d.i.  ks  anlautenden  polni- 
schen worte  sind  ableitungen  von  den  eben  besprochenen, 
so  ksieni  äbtissin  aus  *ksi$gini,  altbulg.  kn^gyni  (vgl. 
öech.  knini  aus  knjahynja),  ksi$zyc  mond  erklärt 
Linde  wohl  mit  recht  als  fftrst  der  nacht;  bei  der  bildung 
des  wortes  scheint  die  analogie  von  miesieje  eingewirkt 
zu  haben. 


/ 


*)  Skr.  ks  aus  guttural -J-  j  Zeitschr.  XVI,  438. 


die  entwickelung  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       147 

Im  litauischen  habe  ich  ursprüngliches  wie  unursprüng- 
liches j  im  inlaute  der  wurzeln  nur  vor  u,  au  und  ganz 
vereinzelt  vor  o  beobachtet.  Es  steht  dies  in  bemerkens- 
werthem  einklange  mit  dem  altbulgarischen,  welches  pa- 
rasitisches j  auch  meist  vor  u  =  lit.  au  zeigte. 

Dafs  anlautendem  e  ein  unursprüngliches  j  vorge- 
schlagen wird,  hat  Schleicher  (Comp.2  §.  194)  schon  er- 
kannt. Diese  erscheinung,  in  dialekten  von  gröfserer  aus*- 
dehnung,  ist  aber  auch  im  hochlitauischen  nicht  auf  an- 
lautendes e  beschränkt.  Vor  u,  au  findet  sich  unurspr.  j 
in  junk-stü,  jünk-ti  gewohnt  werden,  jauk-inti  ge- 
wöhnen, dressieren,  vgl.  altbulg.  vyk-nq-ti  discere,  pri- 
-vyk-n^-ti  assuescere,  uc-iti  docere,  got.  bi-ub-ts  ge- 
wohnt, biuhti  gewohnheit  (also  nicht  mit  Gr.  II,  23, 
no.  262  zu  biugan  zu  stellen),  skr.  üK-ja-ti  gefallen  fin- 
den, gern  thun,  gewohnt  sein.  Hier  ist  demnach  j  vor 
labiales  u,  au  vorgeschlagen,  wie  umgekehrt  v  vor  pala- 
tales  e  in  venas  unus. 

Da  Nesselmann  die  erweichung  der  consonanten  nicht 
bezeichnet,  Kurschats  beitrage  mir  aber  nicht  zur  hagd 
sind,  so  bin  ich  für  meine  Untersuchung  auf  die  in  den 
beiden  Schleicherschen  glossaren  (zum  lesebuche  und  zum 
Donaleitis)  enthaltenen  worte  beschränkt. 

Zunächst  finden  wir  einige  alte  bekannte  aus  dein 
slawischen  auf  litauischem  boden  als  lehn  worte  wieder: 
bliüdas  Schlüssel,  altbulg.  bljudü  patina;  liübyti  zu 
thun  pflegen,  gern  haben,  woneben  Ness.  373  das,  ich  weifs 
nicht  ob  bewährte,  lab  et i  ohne  j  bietet,  altbulg.  ljubiti 
amare,  russ.  »uoÖHinfc,  poln.  lubid;  liutas  lowe,  bei  wel- 
chem man  zweifeln  kann,  ob  es  eine  Weiterbildung  von 
altbulg«  livü  leo  ist  oder  ob  es  ein  substantiviertes  adjec- 
tivum  ist,  dem  altbulg.  ljutu  ferus  entsprechend,  vgl.  lutis 
stürm,  unwetter,  lutingas  stürmisch  (Ness.);  pliüszkis 
dummer  Schwätzer,  pliuszke'ti  plappern,  schnattern,  alt- 
bulg. pljuskü  sonus,  poln.  pluskal  plätschern;  ziupöne 
vornehme  frau,  altbulg.  iupanü  obrigkeitliche  person,  wel- 
ches auch  in  das  slawische  aus  der  fremde  eingedrungen 

10* 


148  Schmidt 

ist  (s.  Pott  wz.-wtb.  242  ff.)«  Gar  nicht  erwähnt  habe  ich 
hier  die  mit  cz  anlautenden  worte  (cz  würde  in  echt  li- 
tauischen Worten  auf  älteres  ti9  tj  weisen),  welche  man 
leicht  finden  kann;  sie  sind  alle  entweder  aus  dem  slawi- 
schen entlehnt  oder  schallnachahmend  und  haben  daher  für 
unsere  Untersuchung  keinen  werth. 

Ein  paar  aus  dem  slawischen  entlehnte  worte,  welche 
in  ihrer-  heimath  noch  kein  j  zeigten,  haben  es  auf  litaui- 
schem boden  entwickelt.  So  ist  das  altbulg.  gruäa  pirus 
theils  unverändert  herüber  genommen  als  gruszä  Ness., 
theils  mit  richtigem  gefühle  lituanisiert  als  kriäusze  (te- 
nuis  für  altbulg.  media  wie  in  möku,  altbulg.  mog^; 
apibrgszkis,  altbulg.  br&zgü;  pupä,  altbulg.  bobü; 
sllpnas,  altbulg.  slabü).  Ferner  siülau,  siülyti  an- 
bieten, ni8S.  cyjmmh  versprechen  (das  u  im  litauischen 
worte  weist  auf  entlehnung,  denn  russ.  y  entspricht  in  echt 
litauischen  worten  au);piud^ti  hetzen,  russ.  dial.  nj^Hini., 
altbulg.  p^diti  pellere,  poln.  p^dzirf. 

Auch  deutsche  lehnworte  entwickeln  j:  liaups6'  lob, 
preis  aus  lob,  lift'sininkas  losmann,  sziüilö  schule, 
sziüilmistras  und  szülmistras  Schulmeister,  sziurü'ti 
scheuern,  szliürpti  schlürfen.  Aus  allen  diesen  fremd- 
worten  erhellt  von  vornherein,  dafs  die  entwickelung  eines 
parasitischen  j  zu  den  neigungen  des  litauischen  gehört. 

Von  echt  litauischen  worten  zeigen  nun  folgende  nach- 
weislich später  entwickeltes  j:  kiaüle  seh  wein,  ohne  j 
kuil^s  eber;  kiaüszft  schädel,  welches  Grimm  (gr.P,539) 
mit  dem  gleichbedeutenden  anord.  hau 8-8  vergleicht, 
kiaüszis  ei  gehört  wohl  auch  dazu,  das  tertium  beider 
ist  die  harte  hülle  (lit.  sz  =  urspr.  s  wie  in  aüszti  tagen, 
auszrä  morgenröthe  wz.  us,  szeszuras  Schwiegervater  = 
socer  u.  s.  w.).  Ferner  kiäune  marder,  altbulg.  kuna 
felis,  pellis  melis,  plur.  kuny  caprinae  vestes.  Die  ver- 
schiedenen bedeutungen  des  slawischen  wortes  lafsen  sich 
nur  vereinigen,  wenn  man  als  ausgangspunkt  aller  den  be- 
griff des  feiles  setzt.  Dachs  und  marder  gelten  ja  auch 
hauptsächlich  des  feiles  wegen,  welches  in  früherer  zeit  bei 


die  entwickelang  von  unurspr.  j  im  slawischen  nnd  litauischen.       149 

den  Slawen  wie  geld  zur  Zahlung  diente;  so  übersetzt  denn 
auch  kuna  an  einer  stelle  des  Zlatostruj  das  griecb.  ößoXog 
(s.  Mikl.  8.  v.),  vergl.  das  veraltete  russ.  kvhm  geld.  Ich 
stelle  nun  ku-na  mit  der  grundbedeutung  feil  zu  lat.  cu- 
-ti-s,  alts.  hü-d,  wz.  sku  tegere.  Diese  Wurzel  hat  in 
mehreren  sprachen  ihr  anlautendes  8  theils  bewahrt,  theils 
abgeworfen,  so  erscheint  öxv-t-oq  neben  xv-v-og,  lat.  scü- 
-tum  neben  cü-tis,  ahd.  sciu-ra  receptaculum  neben 
hü-d  cutis.  Mit  erhaltenem  s  und  parasitischem  j  begeg- 
nete uns  die  wurzel  schon  in  altbulg.  sti-tü  aus  *skju-tü 
acutum,  in  ku-na  haben  wir  sie  also  ohne  s,  in  lit.  kiaune 
ohne  8,  aber  mit  j.  Dieselbe  wurzel  kju  zeigt  noch  lit. 
kiaü-ta-8  schale,  hülse,  welches  sich  in  form  und  bedeu- 
tung  nahe  zu  alts.  hü-d  stellt*). 

sziaurys  nordwind  aus  *skaur^s,  wie  gpt.  sküra 
vindis  Xallaxp  (über  ü  s.  Schleicher  comp,9  s.  156),  ahd. 
scür  tempestas,  altbulg.  severü  boreas  (grundform  *skäv- 
-ara-s),  lat.  caurus  beweisen. 

pa-liäu-ju,  -liov-iau,  -liau-ti  aufhören  stelle  ich 
zu  Xv-u). 

Dem  lit.  piau-la-s  faules  holz,  das  im  finstern  leuch- 
tet (Ness.,  der  hier  ausnahmsweise  die  erweichung  angibt), 
entspricht  genau  das  ahd.  fü-1,  nhd.  faul;  die  wurzel  pu 
hat  sich  auf  litauischem  boden  auch  ohne  j  erhalten  in 
püv-ü,  pü-ti  faulen,  pü-lei  eiter  u.  a. 

riäugmi,  riaugeti  rülpsen  wurde  schon  oben  er- 
wähnt, es  zeigt  die  gleiche  entwickelung  von  j  wie  cech. 
rihnouti,  poln.  rzygn^ö,  rzygad  gegenüber  den  rein 
gehaltenen  altbulg.  rygati,  kQtvyuv,  ructare. 

Für  unursprünglich  halte  ich  ferner  das  j  in  siunczü, 
siq'sti  senden,  welches  ich  zu  got.  sintha-  mal,  ga-sin- 
tha  gefahrte,  sandjan  senden  stelle,  deren  th,  d,  wie 
Lottner  (zeitschr.  XI,  163)  aus  altir.  set  weg  erwiesen  hat, 


*)  Lit.  skura  haut,  welches  Curtius  (g.  e.9  ß.  164)  von  wz.  sku  her- 
leitet, idt  polnisches  lehnwort,  poln.  sköra  =  altbulg.  skora,  gehört  also 
zu  Curtius'  no.  53. 


150  Schmidt 

einem  ursprünglichen  t  entspricht,  und  die  daher  von  wz. 
8  a  d,  686g  u.  8.  w.,  denen  sie  Curtins  (g.  e.*  8.  21?)  zuge- 
sellt, zu  trennen  sind.  Ich  nehme  nun  dem  altir.  set,  got. 
sintha-  entsprechend  einen  litauischen  stamm  *sunta-  an 
mit  der  gleichen  bedeutung  wie  altir.  set,  woraus  sich 
*siunta-  mit  parasitischem  j  entwickelte.  Von  diesem 
*siunta-  wurde  siunczü  abgeleitet,  welches  zwar  ganz 
das  ausseben  eines  primären  verbums  bat,  aber  ebenso  wenig 
primär  zu  sein  braucht  wie  viele  andere,  offenbar  denomi- 
native  verba.  So  erheucheln  ursprünglichkeit  folgende  mit 
siunczü  ganz  gleich  gebildete  verba:  plaukiu,  pläukti 
behaaren,  jükius,  ju'ktis  scherzen,  szvenczü,  szv§'sti 
feiern,  heiligen,  deren  ableitung  von  plaukai  haare,  jü- 
kas  scherz,  szv£ntas  beilig  niemand  leugnen  wird.  Diese 
und  eine  reihe  anderer  worte,  unter  welche  ich  nun  auch 
siunczü  rechne,  verbalten  sich  genau  wie  die  griechischen 
verba  ayyiHia^  fiaXccödco,  [iccguaioco  u.  a.,  die  allgemein 
als  secundär  anerkannt  sind.  Die  erschlofsene  ältere  wur- 
zelform  sunt  ist  im  lettischen  sütu  ich  schicke  erhalten; 
litauischem  siunt  würde  lett.  schut  entsprechen  müfsen. 

dzü-ti  trocknen  intrans. ,  dzäu-ti  trans.  (vgl.  daito, 
skr.  du  brennen  trans.  und  intrans.;  die  bedeutungen  ver- 
halten sich  wie  die  von  lat.  ar-ere  und  ar-d-ere). 

Aus  brSd-kriaünis  messer  mit  einer  schale  von 
hirschborn  (Donaleitis)  folgt,  dafs  Nesselmanns  krauna 
schale,  heft  des  mefsers  ungenaue  Schreibung  für  kriauna 
ist.  Dies  kriauna  vergleiche  ich  mit  Miklosich  (lex. 
palaeosl.  s.v.  crenü)  dem  altbulg.  crenü  manubrium.  In 
kriauna  finden  wir,  gegen  cr£nu  gehalten,  zwei  affectio- 
nen  der  wurzel  vereinigt:  entwickelung  von  parasitischem  j 
und  übertritt  des  wurzelvocals  in  die  u- reibe.  Die  näm- 
lichen beiden  lautaffectionen  zeigen  lit.  bliaujn,  bliöviau 
brüllen,  blöken  gegenüber  den  gleichbedeutenden  altbulg. 
blejati,  mbd.  blaen,  lat.  balare;  ferner  kliüvü,  kliüti 
hangen  bleiben  gegenüber  von  altbulg.  klej  gluten,  gr. 
xoXKu  SLUS*xol-ja;  ferner  ziurö'ti,  ziuriü  sehen  gegenüber 
von  altbulg.  zrj$,  zrfeti  videre,  lit.  zereti  glänzen,  zäras 


die  entwickelang  von  unurspr.  j  im  slawischen  und  litauischen.       151 

glänz  (Schleicher  lit.gr.  48);  endlich  sriubä  suppe  neben 
sre'bti  schlürfen*). 

Endlich  erwähne  ich  die  einzige  mir  bekannte  Wortsippe, 
in  welcher  sich  j  vor  o  entwickelt  hat:  ziöju,  zioti  den 
mund  aufsperren,  ziövauti  gähnen,  ziopsöti  den  mund 
aufsperren,  maulaffen  feil  halten.  Sie  stammen  von  der 
indogermanischen  Wurzel  gha  klaffen,  gähnen,  welche  auch 
als  ghi  und  ghu  erscheint.  Man  könnte  versucht  sein 
zioti  mit  lat.  hiare  in  engste  beziehung  zu  setzen,  allein 
hiare  enthält  die  wurzelform  hi,  nicht  etwa  hia  mit  pa- 
rasitischem j  aus  ha  entstanden.  Dafs  a  im  lat.  hi-are 
lediglich  zur  verbalen  düng  gehört,  erhellt  aus  hi-scere 
und  hi-ul-cu-s  (gebildet  wie  pat-ul-c-iu-s  von  pa- 
tere).  Andererseits  aber  läfst  sich  aus  hi-are  kein  ar- 
gument  gegen  meine  erklärung  von  zi6-ti  entnehmen,  weil 
ziov-auju,  grundform  ghjäv-äva-jä-mi,  deutlich  das 
aus  der  wurzelform  ghu  (in  ahd.  gau-mo  faux,  lat.  fau-c-, 
#«f-og,  %av-vo-g)  gesteigerte  ghäv  mit  parasitischem  j 
zeigt,  dessen  existenz  damit  auch  für  zioti  erwiesen  ist* 

Aus  dem  litauischen  habe  ich  also  in  einunddreiisig 
fällen  unursprüngliches  j  nachzuweisen  versucht.  In  den 
Schleicherschen  glossaren  finden  sich  aber  überhaupt  nur 
einundfänfzig  worte  mit  j  vor  vocalen  im  inlaute  der  Wur- 
zel **).  Die  gröfsere  hälfte  derselben  hat  das  j  also  in  un- 
ursprünglicher weise  entwickelt.  Es  versteht  sich,  dafs  bei 
dieser  Zählung  eine  zusammengehörige  gruppe  von  worten 
wie  £iöti,  äiövauti,  ziopsöti,  ziopczöti  und  andere 
derivate  von  zio-  nur  als  ein  posten  aufgeführt  sind. 

Wie  der  vocalismus  des  litauischen  überhaupt  noch 
auf  einer  älteren  stufe  steht  als  der  des  altbulgarischen,  so 
hat  auch  das  parasitische  j  ihn  noch  in  keiner  weise  beein- 
flußt und  alle  folgenden  vocale  unverändert  gelafsen. 


*)  VergL  oben  die  altbulgarischen  sljuzi  neben  slezi,  chljupati  ne- 
ben chlepati,  pljuskü  neben  *pleskü. 

**)  Unter  diesen  einundfünfzig  sind  auch  die  worte  begriffen,  welche  wie 
dzaügtis  das  j  nur  noch  aus  seiner  Wirkung  auf  die  vorhergehende  dentalia 
erkennen  lassen. 


152  Leskien 

Im  lettischen  greift  das  j  noch  weiter  um  sich:  gfäut 
praet.  grawu  zertrümmern,  lit.  gräuti  (so  schreibt  Schlei- 
cher im  Donal.  überall  z.  b.  I,  2,  während  er  im  lesebuche 
griäuti  hat,  z.  b.  z.  15.  19  der  dainä  aufs.  5;  man  siebt 
daraus,  dafs  schon  im  litauischen  die  ausspräche  schwankt); 
?ukt  einschrumpfen,  raukt  in  falten  ziehen,  lit.  surükti, 
raükti;  kraut  häufen,  kruwa  häufe,  lit.  krau ti,  kruvä; 
krakt  schnarchen,  krächzen,  lit.  kränk  ti,  merüt  mefsen, 
lit.  meruti.  Bielenstein  lett.  spr.  I,  s.  98  sagt:  ü  erhält 
gern  ein  leicht  vorklingendes  i,  cf.  bjüs  f.  büs  er  wird 
sein,  Zjüka  f.  züka,  schwein,  jüde'ns,  f.  üde'ns  was- 
8er,  piüst  f.  püst  blasen. 

Johannes  Schmidt. 


Ueber  den  dialekt  der  russischen  Volkslieder 

des  gouvernements  Olonec. 

Die  zunehmende  Wichtigkeit,  welche  die  erforschung 
der  lebendigen  volksdialekte  für  die  Sprachwissenschaft  be- 
kommt, wird  es  rechtfertigen,  wenn  ich  hier  einige  einge- 
hendere mittheilungen  über  den  russischen  localdialekt  des 
gouvernements  Olonec,  also  des  landes  um  den  Onegasee, 
mache,  zumal  es  der  ist,  dem  die  grofse  Sammlung  meist 
epischer  Volkslieder  von  Rybnikov  angehört,  eine  Samm- 
lung, die  auch  für  die  entwickelung  und  geschichte  der 
volkspoesie  überhaupt  die  gröfste  beacbtung  verdient*). 
Der  vierte  band  enthält  einen  aufsatz  vom  Sammler:  „Aber 
die  eigenthümlichkeiten  des  Oloneckischen  dialekts",  des- 
sen kurze  angaben  im  folgenden  mit  benutzt  sind. 

Was  die  laute  betrifft,  so  ist  es  leider  in  der  cyrilli- 
schen Schrift  nicht  möglich,  die  wirklichen  laut  Verhältnisse 


*)    IIliCHII    COtfpaHHblH    IL    H.  PwÖHHKOBblMl,.    MoCKBa 

1861 — 1867.     4  theile.   (Lieder,   gesammelt  von  P.  N.  Rybnikov.     Moskau 
1861—1867). 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      153 

genau  zu  erkennen.  Diese  schrift  ist  schon  zum  ausdruck 
der  laute  des  gemeinrussischen  höchst  ungenügend,  wie 
vielmehr  für  den  dialekt.  Auch  hat  der  Sammler  nicht 
überall,  wo  es  möglich  war  phonetisch  zu  schreiben,  dies 
gethan,  sondern  sich  meist  dem  gebrauch  der  russischen 
Schriftsprache  mit  ihrer  historischen  Schreibung  angeschlos- 
sen. Nur  im  3.  und  4.  bände  ist  der  versuch  gemacht, 
einige  laute,  die  besonders  stark  von  der  gebräuchlichen 
Sprechweise  abweichen,  durch  fetteren  druck  als  solche  zu 
bezeichnen.  Ich  beschränke  mich  daher  für  die  lautlehre 
auf  das  sicher  erkennbare  und  auffallendste. 

*  (£)  wird  in  den  flexionsendungen  ausnahmslos  zu 
h  (i),  z.  b.  loc.  sing.  senepH  =  Beiep'fe  (nom.  seiep'B, 
veöerü,  abend)*),  dat.  loc.  p-BKH  =  pfotB  (nom.  ptaa 
r£ka,  flufs);  mit  den  altbulgarischen  formen  stimmen  auf 
diese  weise  überein  die  locative  und  dative  von  ja- stam- 
men, z.  b.  kohh  (nom.  kohb  korri,  pferd)  =  ab.  konh 
(koni),  nojH  (nom.  nojie,  feld)  =  ab.  noziH  (poli),  ajbih 
(nom.  4jnia,  seele)  =  ab.  ftoyiiiH  (dusi).  Im  text  der  gedichte 
steht  meist  *  (e),  obwohl  Rybnikov  selbst  die  regel  als 
eine  durchgehende  bezeichnet  („der  bucbstabe  *  wird  fast 
überall,  am  ende  der  wörte  aber  und  in  den  flexionsfor- 
men  überall  wie  h  (i)  ausgesprochen").  Nämlich  auch  im 
inlaute  findet  sehr  häufig  dieselbe  Verwandlung  statt,  z.  b. 
CBBm&a'b  MHcanb  (svit'olii  misjaci)  =  gemeinrussiscb. 
cB-bme.i'b  m'bcaui»  (svetelü  mesjacü,  leuchtender  mond): 
In  dem  gedichte  I,  XXIV,  wo  durchgängig  auch  h  (i) 
geschrieben  ist,  kommen  so  vor:  cHienrb  (siöetü)  = 
gmr.  ctienn.  (seöetü,  er  schneidet);  paKaBHemi»  (rza- 
vietü)  =  p3KaB*emrb  (rzaveetü,  rostet);  l^BHomoe 
(cvitnoe)  =  nB*nmoe  (cvetnoe,  farbig)  u.  a,  1,49, 
v.  23  steht  ^oöpee  (dobrie)  =  ^o6p*e  (dobree,  com- 


*)  Ich  gebe  die  russischen  worte  in  der  lateinischen  Umschreibung  buch- 
stabe  für  buchstabe  nach  dam  von  Schleicher  in  diesen  beitragen  befolgten 
princip;  wo  es  nöthig  ist,  füge  ich  die  wirkliche  ausspräche  hinzu;  auslau- 
tendes ü  wird  überall  nicht  ausgesprochen,  1  nur  als  erweichung  des  vorher- 
gehenden lautes. 


154  Leskien 

par.  besser),  obwohl  Rybnikov  angibt,  es  hiefse  im  compar. 
B-fepHjie  (vernjae)  =  B*pH*e  (vernee,  treuer)  u.  s.  f. 
Im  3.  und  4.  bände  wird  das  wie  i  zu  sprechende  e  durch 
den  druck  hervorgehoben.  Aus  der  Zusammenstellung  der 
dort  vorkommenden  beispiele  habe  ich  mir  keine  regel  für 
das  unterbleiben  oder  eintreten  der  Verwandlung  zu  i  bil- 
den können;  es  werden  nebeneinander  geschrieben:  p-bica 
(reka,  flufs)  und  pn<mHbKa  (ricinika,  demin.  von  reka); 
4l»BHi^a  (dSvica,  mädchen)  und  a-bbhhhv  =  ahbhhhy 
(  d  i  v  c  i  n  u ,  acc.  sing,  von  d  i  v  c  i  n  a ,  mädchen).  Bekanntlich 
ist  der  Übergang  von  e  zu  i  auch  sonst  in  den  slawischen 
sprachen  häufig,  durchgehend  im  chorvatischen  zweige  des 
serbischen ,  ebenso  im  kleinrussischen,  wo  das  so  entstan- 
dene i  den  vorhergehenden  consonanten  erweicht,  also 
eigentlich  als  ji  zu  fassen  ist.  Sicher  ist  das  auch  im 
Olon.  dialekt  anzunehmen.  Die  nicht  erweichende  aus- 
spräche des  i  wäre  für  ein  russisches  ohr  zu  auflallend, 
als  dafs  der  herausgeber  sie  nicht  angemerkt  haben  sollte. 

Die  erhaltung  des  vollen  i  in  der  infinitivendung  kann 
bei  allen  verben  stattfinden  und  ist  regel  am  versende,  z.  b. 
-bxamu  (echati,  fahren),  während  gmr.  *xamt  (gchati, 
spr.  jechat'),  pymamH  (rusati,  zerschneiden),  4coih 
(esti,  essen)  u.  s.  w. 

Die  im  russischen,  kleinrussischen,  polnischen  und  sor- 
bischen verbreitete  neigung  e  in  o,  je  in  jo  fibergehen  zu 
lassen  (die  öbrigen  slawischen  sprachen  zeigen  diese  er- 
scheinung  nur  vereinzelt)  geht  in  diesem  dialekt,  nament- 
lich, wie  Rybnikov  bemerkt,  an  der  nord-  und  ostseite 
des  Onegasees  sehr  weit:  monepb  (top er i)  =  gmr.  me- 
nepb  (teperi,  jetzt);  mo6a,  co6n,  moÖH,  co6h  (tobja, 
sobja,  tobi,  sobi)  für  rneda,  cetfn,  meö-fc,  ceö*  (tebja, 
sebja,  tebe,  seb£,  deiner,  seiner,  dir,  sich);  poöanfa 
(robjata)  =  peöama  (rebjata,  kinder);  6opo3no  (bo- 
rozno)  für  äepeaKHO  (berezno,  ntr.sing.von  bereznyj, 
vorsichtig).  Auffallend  ist,  dafs  in  diesen  beispielen  die 
erweichung  fehlt,  während  in  den  übrigen  sprachen,  welche 
denselben  lautwandel  kennen,  nur  erweichendes,  d.  h.  also 


Über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      155 

in  je  übergegangenes  e  zu  o,  d.  h.  also  jo  wird.  Die  er- 
weichung  findet  sich  indefs  auch  hier  in  den  meisten  fäl- 
len: coro  (s'ogo,  spr.  s'ovo,  gen.  sing,  von  cefi,  sej, 
ab.  Ch,  sl,  er)  ceaiy  (s'omu,  dat.  sing,  desselben).  Im  3. 
und  4.  theil  ist  das  wie  jo  zu  sprechende  e  durch  den 
druck  hervorgehoben.  Ich  gebe  die  dort  vorkommenden 
beispiele  (die  zum  theil  mit  den  gemeinrussischen  überein- 
stimmen), ohne  eine  regel  für  das  auftreten  des  jo  finden 
zu  können:  BecHymica  (demin.  von  BecHa,  vesna,  früh- 
ling), noAOHeHOMT»,  AHine,  ie  (d.  i.  imo),  Ky,4ephiiiiKH, 
npHcejinaMbi ;  noiecnmoH,  6e3CHeniHoeH,  noHH3exoHbKOH, 
Bce;  acHmbe,  ötimbe,  na^ema,  nopyieifaji;  Jiime,  cömv, 
cnaiem»,  pa3ieca.ia ,  maäaieKi»,  Be^ept,  HHiero,  ena, 
maHi^eearnb ,  menjihixrb  ^em»  AOSK^vcb  (III,  21,  v.  9), 
4*BH<u>eH,  c§m#chhkoh,  CBHme.n>,  hcShj,  om^aBagnrb , 
Cmasepnb. 

Altbulgarisches  le  (je,  russisch  e  geschrieben)  wird 
zu  jo,  z.  b.  §ro  (jogo,  spr.  jovo),  gemr.  ero  (spr.  jevö) 
=  ab.  lero,  gen.  sing,  von  h  (er);  eä  (joj)  =  ab.  kh  (jej, 
ebenso  gmr.);  CBoefi  (svojoj)  =  ab.  cboigh  (svojej,  dat. 
sing.  fem.  von  cboh,  svoj,  sein)  und  so  in  den  gleicharti- 
gen fällen.  Jenes  j  o  verliert  bisweilen  im  anlaut  das  j , 
z.  b.  o^sa  (odva,  kaum)  =  ab.  kaba,  gmr.  e^sa  (jedva), 
vergl.  altrussisch  o^sa  (Miklosich,  über  die  spräche  Ne- 
stors u.  8.  w.,  p.  29);  onje  (oäce)  =  ab.  ieiHT€  (jeste, 
noch),  gmr.  enje  (jeäce,  spr.  jeäcö).  Derselbe  fall  ist 
im  gewöhnlichen  russisch  in  worten  wie  o^hht»  (odinü, 
ein)  =  ab.  le^mn  (jedinü);  oaepo  (ozero,  see)  =  ab. 
K^epo;  oceHk  (oseni,  herbst)  =  ab.  lecem». 

Als  eine  der  vorigen  analoge  erscheinung  mufs  wohl 
der  Übergang  von  erweichendem  e  in  h  (j  a),  nach  palata- 
len  einfach  a,  aufgefafst  werden :  sKaimx'b  (zanichü,  bräu- 
tigam)  =  SKeHHXTb  (Zenichü);  HeajiaHHbiH  (zalannyj, 
erwünscht,  lieb)  =  »eejiaHHbiii  (ielannyj);  p-BmamiainbiH 
(resatöatyj,  bunt  ausgelegt)  =  p-fcmeiniaiiiMH  (reset- 
6atyj);  nponjaifbiiije  (proäöaniice,  abschiedssegen)  ae 
uponjeiibHute  (proäöeniice);    BpeniiHH   (vremjani)  = 


156  Leskien 

BpeMeHH  (vreineni,  gen. -dat.  sing,  von  vremja,  zeit); 
Maub  (mjaci,  messer)  =  gmr.  Meib  (raeci),  ab.  UkYh 
(mici);  sogar  ha  (nja)  für  He  (ne,  nicht).  Uebrigens 
sind  die  falle,  wo  j  a  =  e  nach  m  steht,  beweisend  dafür, 
dafs  vor  e  auch  die  labialen  erweicht  werden,  was  von 
den  grammatikern  zum  theil  bezweifelt  ward.  Derselbe 
Vorgang  findet  im  Weifsrussischen  statt:  3ajienbiu  (zjalo- 
nyj)  =  3eaeHbiH  (zelenyj,  grün);  sanum  (zjamlja)  = 
aeMoa  (zemlja,  erde);  mana  (zana)  ==  Heeiia  (zena, 
frau);  vgl.  ByciaeBT».  HcmopimecKaji  rpaMMamHKa  pycc- 
Karo  jiabiKa.  2.  H3#.  MocKBa  1863  (Buslajev,  historische 
grammatik  der  russischen  spräche.  2.  aufl.  Moskau  1863. 
I,  p.  24). 

Das  aus  altem  i  entstandene  e  hat  zuweilen  abwei- 
chend vom  gewöhnlichen  russisch  keinen  erweichenden  ein- 
flufs,  z.  b.  in  omaijbKm  (otecikij,  väterlich)  von  ab.  OThi|b 
(otici,  vater);  MOJio^aHbKiä  (molodenikij,  jugendlich), 
vgl.  ab.  MsaAMTL  (mladinü);  doch  scheint  dieser  fall  sel- 
ten zu  sein. 

Eine  alterthümlichkeit  ist  es,  dafs  auslautendes  i  nach 
c  erhalten  bleibt:  Moao^ei^b  (molodeci,  Jüngling),  mueam* 
(misjaci,  monat),  wie  im  altbulgarischen  MA^bifh  (mla- 
dici),  MiCAifh  (messet),  gegenüber  gmr.  MO.io#eiVb  (mo- 
lodecü)  u.  s.  w.  Mit  andern  Worten:  im  gmr.  ist  i  in 
der  ausspräche  spurlos  verschwunden,  während  es  sich  im 
dialekt  in  der  erweichung  des  vorhergehenden  consonanten 
noch  erhalten  hat.  Die  3.  plur.  praes.  hat  ebenfalls  die 
dem  altbulgarischen  genau  entsprechende  form:  ^asaionib 
(davajuti,  sie  geben)  =  ab.  pBAKTb  (davaja.ti),  wäh- 
rend auch  hier  gmr.  ^aßaionn.  (davajutü,  d.  i.  da- 
vajut). 

Die  Vertretung  von  altbulgarischem  i  (u)  durch  o  im 
auslaut  der  praepositionen,  die  im  gmr.  im  allgemeinen 
nur  vor  consonantengruppen  im  anlaut  des  folgenden  Wor- 
tes regel  ist,  findet  in  den  gedichten  unzählige  male  auch 
vor  einfacher  consonanz  statt:  bo  KieBt  (voKieve,  in 
Kijev),  ko  moMj  (ko  tomu,  zu  diesem),  co  Aoöpoio  (so 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.     157 

dobroju,  mit  der  guten);  einzeln  sogar  vor  folgendem 
vocal;  ko  amtiiiMT»  ko  cmojiHKaM'b  (ko  etyimü  ko  sto- 
likamü,  zn  diesen  tischen),  ko  amoMj  (ko  etomu,  zu 
diesem).  Häufig  ist  die  erhaltung  des  ü  als  o  im  nom. 
sing,  der  männlichen  a- stamme  bei  suffigiertem  artikel: 
Kpecnrb-onrb  (krestü-otü),  vom  herausgeber  so  geschrie- 
ben, es  ist  aber  zu  schreiben  Kpecmo-nnb  (kr es to- tu, 
spr.  krestot,  kreuz-das)  =  ab.  KpicrE-rE  (krüstu-tü); 
zu  vergleichen  ist  russ.  mo-nrb  (to-tü,  dieser),  zweimal 
gesetztes  ra,  und  Schreibungen  altrussiscber  quellen  paäonrb 
s=s ab.  ßftEi-Ti  (rabotü  =  rabü-tü,  knecht-der),  CB-femocb 
(svetosi)  =  ab.  arara-ch  (svetü-si,  welt-diese;  vergl- 
Buslajev  a.  o.  I,  p.  44).  Ebenso  sind  zu  erklären :  mejuvb* 
omi»,  d.  i.  also  mciieo-mi»  (selko-tü,  seide-die),  KO-ia- 
qHRrb-omrb,  d.i.  KOjiaHHKO - nnb  (kolaciko-tü,  eine  art 
gebäck),  caMO-nt'b  (samo-tü)  =  ab.  cam-ro  (selber  der); 
Bmopoii-enrb  pa3T»,  das  wäre  ursprüngliches  vütorü-ji-tu 
razü  (das  zweite  mal),  daneben  aber  nach  j  auch  o  z.  b. 
KHH3b-om%,  d.i.  ursprünglich  *kün$zjü-tü,  kün^zi-tü 
(ftirst-der),  daraus  hätte  russisch  knjazje-tü  werden  müs- 
sen, das  je  ist  hier  aber  wie  so  oft  zu  jo  geworden.  Dafs 
hier  wirklich  das  pronomen  tl  gewissermafsen  als  artikel 
angefügt  ist,  beweisen  die  fälle,  wo  die  andern  flexionsfor- 
men  desselben  ebenso  auftreten,  z.  b.  rpji3f»-ina  (grjazi-ta 
nom.  sing,  fem.,  schmutz-der),  nopjKj-mj  (poruku-tu, 
acc.  sing,  fem.,  bürgschaft-die),  ijepKBH-mbi  (cerkvi-ty, 
nom.  plur.  fem.,  kirchen-die).  In  diesen  fällen  schreibt  der 
herausgeber  den  bindestrich,  aber  dasselbe  verhältnifs  wal- 
tet in  vielen  beispielen,  wo  diese  bezeichnung  fehlt,  z.  b. 
nmHi^bi  mbi  KjeByiyH  (pticy  ty  klevucii,  die  pickenden 
vögel),  3B-fcpeä  mbixi.  pbrayuiiiXT»  (zvärej  ty'chü  ryku- 
ciichü,  gen.  plur.,  der  brüllenden  tbiere)  u.  s.  w.  Hier 
ist  offenbar  der  anfang  zu  einer  suffigierung  des  artikels, 
wie  sie  im  neubulgarischen  zur  regel  geworden  ist;  auch 
die  Stellung  desselben  nach  dem  adjectivum  in  smopoH- 
eim»  pasi»  (s.  o.)  ist  ganz  wie  im  neubulgarischen. 

Es  scheint,   dafs  in  einzelnen  fällen  der  dialekt  altes 


158  Leskien 

ü  ab  solches  mit  eigenthflmlicher  ausspräche  bewahrt  hat* 
wenigstens  macht  Rybnikov  IV,  p.  8  zu  der  Schreibung 
B'bicpjn»  (statt  gmr.  BOKpyn»,  herum)  die  bemerkung:  i» 
eeje  He  nepeme.i'b  bi»  o  („%  ist  noch  nicht  in  o  überge- 
gangen"), was  wohl  nur  heifsen  kann:  *  wird  noch  ge- 
sprochen, aber  eben  nicht  wie  o. 

Bekanntlich  wird  im  russischen  die  altbulgarische  laut- 
Verbindung  ra,  la  durch  oro,  olo  ersetzt,  z.  b.  ropo#b 
(gorodü)  =  ab.  rpi#t  (gradü,  stadt),  110.104%  (mo- 
lodü)  =  ab.  111041  (mladü,  jung).  Dasselbe  ist  nach 
Rybnikovs  aussage  in  dem  dialekt  durchgehend  der  fall, 
derselbe  vermeidet  sogar  noch  mehr  als  das  gewöhnliche 
russisch  die  Verbindungen  r  und  1  mit  andern  consonan- 
ten,  daher  oöojioko  (oboloko)  =*  gmr.  odiaxo  (oblako, 
wölke),  cmojioßi»  (stolobü)  =  gmr.  cmojfvb  (stolbü, 
pfeiler),  Aotfgp'b  (dob'örü)  =  gmr.  4o6p%  (dobrü,  gut), 
vgl.  serbisch  dobar.  Es  ist  daher  als  eine  von  der  tra- 
dition  festgehaltene  alterthümlichkeit  anzusehen,  wenn  die 
lieder  sehr  häufig  die  den  altbulgarischen  entsprechenden 
formen  haben;  rpa^T»  (gradü),  gmr.  ropo^nb  (gorodü, 
Stadt);  Bpairb  (vranü),  gmr.  BopoHi»  (voronii,  rabe); 
nuia^uä  (mladyj),  gmr.  mojio^uh  (molodyj,  jung); 
djiamo  (zlato),  gmr.  3040010  (zoloto,  gold);  Bjiaci» 
(vlasü),  gmr.  Bojiocb  (volosü,  haar)  u.  s.  w. 

Zu  dem  im  slawischen  so  häufigen  vorschlage  von  j 
vor  anlautende  vocale  liefert  der  dialekt  auch  einige  neue 
beispiele,  so  das  auffallende  Sin»,  ßna,  auch  iom»  geschrie- 
ben, d.  i.  jonü  (spr.  Jon),  Jona  für  oht»,  oHa  (onü,  ona, 
er,  sie).  Der  Vorschlag  von  v  findet  sich  in  dem  worte 
BioHomb  (vjunoäi),  gmr.  ioHoma  (junosa,  jQngling). 
Dagegen  fehlt  öfter  das  n  vor  cass,  obl.  von  n  (i,  er) 
nach  praepositionen,  z.  b.  bt»  ero  (vu  jego,  spr.  v  jevö 
oder  v  jövo,  in  ihn  hinein);  Ha  Sura  (na  jomü,  auf  ihm), 
kt.  6h  (kü  joj,  spr.  k  joj,  zu  ihr)  statt  bt»  nero  (vü 
nego,  spr.  v  n'evö)  u.  s.  w. 

Häufig  sind  zusammenziehungen  von  vocalen  nach  aus« 


über  den  dialekt  der  rtiss.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      159 

fall  des  trennenden  j:  npojieinuBamnb  (proletyvatü)  = 
npo^embiBaemnb  (proletyvaetii,  d.  i.  -vajetü,  er  fliegt 
vorbei)  und  so  in  allen  3.  sing,  gleicher  bildung;  msoro 
(tvogo)  =  niBoero  (tvoego,  d.  i.  tvojego,  deiner); 
cbomj  (svomu)  =  CBoeMj  (8voemu,  d.  i.  svojemu, 
seinem),  wie  im  serbischen  in  denselben  pronominalformen; 
andre  consonanten  sind  ausgefallen  in  xomb  (choäi), 
Momb  (moäi)  =  xoiemb  (choöeäi,  du  willst),  MOHcemb 
(mo2eäi,  du  kannst). 

Gewisse  gruppen  anlautender  consonanten  scheint  der 
dialekt  zu  scheuen  und  erleichtert  sie  durch  prosthetisches 
o9  z.  b.  onjiemb  (opletl)  statt  njemb  (pleti,  peitsche). 
Auf  der  andern  seite  fallen  aber  auch  anlautende  silben 
ganz  ab,  z.  b.  cmoK-b  (stokü)  für  ab.  bictoki  (osten), 
gmr.  BocmoKT»  (voetokü);  stehend  ist  der  abfall  von  bi- 
(vü-)  bei  der  praeposition  sugi  (vüzü),  so  dafs  von  der- 
selben, die  nur  in  Zusammensetzungen  vorkommt,  blos  z 
nachbleibt,  z.  b.  s/iox'b  (zdochü),  gmr.  bs^oxt.  (vzdo- 
chü,  athemzug,  seufzer;  vz-  fÖr  vüz-);  apa^osambCJi 
(zradovati-sja)  =  ab.  b^^obotü  c*?  sich  freuen). 

Als  eine  der  haupteigenthümlichkeiten  des  oonso- 
nantismus  gibt  Rybnikov  an,  dafs  14  (c)  und  *  (c)  be- 
ständig eins  statt  des  andern  gebraucht,  oder  besser  ge- 
sagt, beide  buchstaben  ausgesprochen  werden  wie  i*b  (ci, 
also  wie  weiches  c;  der  laut  mag  ungefähr  der  des  polni- 
schen ci,  6  sein,  wenigstens  umschreiben  die  Russen  diesen 
laut  durch  ihr  u(b).  So  soll  also  i^^jimh  (celyj,  ganz) 
nach  hIuuh  (celyj),  jmt^e  (lice,  gesicht)  nach  juhio 
(liöo)  hinklingen,  und  umgekehrt  «rpKoe  ( c uz oj,  fremd) 
nach  i^ioskoh  (cju2oj),  Benepb  (veöerü)  nach  Beijep'b 
(vec  orü,  abend).  Aus  den  b.  IV,  p.  225  ziemlich  ge- 
treu im  dialekt  wieder  gegebenen  prosaerzählungen  flöge 
ich  noch  hinzu  die  Schreibungen  Hoi^bio  (nöciju)  für 
HOHbio  (noöiju,  instr.  sing,  von  noci,  nacht);  noaioiq» 
(pomoci)  f&r  noMOHb  (pomoöi,  hülfe);  ceäqacb  (sej- 
cjasü)    fftr   ceä-nacb   (sej-casü,    sogleich);     vfi   (c'o, 


1 60  Leskien 

was),  vergl.  gmr.  hdio  =  ab.  yi>-to  (cto  =  ci-to,  was), 
irai^ero  (ni-cego,  spr.  n'ic'evo;  gen.  sing.,  nichts)  = 
gmr.  uiraero  (nicego);  pcma  (d.  i.  c'istav)  =  gmr.  qHcma 
(cista,  nom.  sing,  fem.,  rein).  Nach  Buslajev  a.  o.  I,  p.  10 
ist  dies  eine  eigenthümlichkeit  des  gesammten  novgoroder 
dialekts,  von  dem  der  unsrige  eine  unterabtheilung  bilden 
soll.  Dafs  eine  ähnliche  art  der  affection  z  erleidet,  geht 
aus  Rybnikovs  angäbe  hervor,  der  laut  werde  vor  n  wie 
z  gesprochen,  z.  b.  4opo3Hwfi  (doroznyj)  für  ^opoHCHbiu 
(doroznyj,  reise-);  6opo3HO  (borozno)  für  6epe$Kno 
(berezno,  s.o.).  Da  diese  worte  ab.  *drazinü,  *bre- 
zinü  lauten  würden,  so  ist  doroznyj  wohl  als  doroz- 
nyj zu  fassen  und  z  verhielte  sich  zu  z',  wie  oben  c  zu  c. 
Während  dieser  Vorgang  vor  n  übrigens  nicht  ausnahmslos 
ist,  findet  er  sich  auch  sonst,  z.  b.  sejin3nmb  (zeliziti) 
für  meA±3-bmb  (zelezeti,  zu  eisen  werden).  [Das  von 
Bybnikov  mit  aufgezählte  poro3eHH&m  (rogozennyj)  = 
gmr.  poro>KHbiH  (rogoznyj,  aus  binsen  bestehend)  gehört 
nicht  hierher,  es  entspricht  ab.  rogozinü  von  rogozü, 
wo  die  Verwandlung  von  z  zu  z  ebenfalls  nicht  eingetreten 
ist;  ebenso  ist  alt  nopo3Hi»iii  (poroznyj),  gmr.  allerdings 
noposKHUH  (poroznyj,  leer),  aber  noch  nopo3HHmb  (po- 
rozniti,  leeren)  neben  noposKHHim»  (porozniti);  z  ist 
hier  der  rest  von  zd  des  ab.  nß&^hin»  (prazdinü)].  Wie 
sind  diese  erscheinunge\n  zu  erklären?  Ich  glaube,  es  ist 
auf  keinen  fall  daran  zu  denken,  dafs  der  dialekt  in  die« 
sen  lauten  ursprünglich  die  dentale  Wandlung  der  guttu- 
ralen statt  der  palatalen  hat,  weil  z.  b.  in  vecerü,  ze- 
lezo  6,  z  allgemein  slawisch,  also  der  slawischen  grund- 
sprache  angebörig  sind.  Die  ganze  Sache  wird  vielmehr 
darauf  hinauskommen,  dafs  c,  z,  c  entschieden  weich  ge- 
sprochen werden,  also  obwohl  sie  selbst  durch  einflufs  von  j 
entstanden  sind,  doch  noch  ein  j-laut  nach  ihnen  gehört 
wird.  Diese  ausspräche  mochte  dem  ohre  des  beobach- 
ten bei  c  und  z  mehr  dental  als  palatal  klingen  und  in 
der  that  allmählich  dental  geworden  sein,  daher  die  Schrei- 
bungen  ci  =  6,  z  (d.  i.  zi)  =  z.     Allerdings  participie- 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      161 

ren  auch  im  gewöhnlichen  russisch  c  und  2  an  der  erwei- 
chung  durch  folgende  laute,  aber  in  sehr  wenig  hörbarem 
grade,  so  dafs  die  erweichung  nur  an  der  davon  afficier- 
ten  ausspräche  des  vorhergehenden  vocals  zu  merken  ist, 
z.  b.  cmepeib  (sterecf,  hüten)  wie  stere'c,  nicht  wie 
stere'c,  was  sein  müfste,  wenn  i  in  diesem  falle  nicht 
erweichte. 

Diese  hier  an  c,  z,  c  zu  beobachtende  ausspräche 
fuhrt  mich  auf  einen  punkt  der  slawischen  lautlehre,  der 
mir  eine  besprechung  zu  verdienen  scheint.  Bekannt  ist 
die  regel,  dafs  im  altbulgarischen  die  gutturalen  k,  g,  ch 
mit  j  zu  c,  z,  s,  seltener  k,  g  zu  c,  z,  die  dentalen  t,  d 
aber  zu  £t,  zd  werden,  z.  b.  1.  sing,  praes.  *plakj$  zu 
placa.,  *lügja,  zu  luz§,  dychja.  zu  dysa.  (von  pla- 
kati,  weinen;  lügati,  lügen;  dychati,  athmen);  aus 
*otikjü  otici  (vater),  aus  *stigja  stiza(pfad);  l.sing. 
praes.  *metjq  zu  mesta.,  2$dja,  zu  z^zd^(von  metati, 
werfen;  z§dati,  dürsten).  Man  denkt  sich  diesen  Vorgang 
gewöhnlich  so,  dafs  j  in  den  so  entstehenden  palata- 
len  lauten  völlig  aufgehe  und  für  die  ausspräche  ver- 
schwinde, also  nach  slawischer  auffassung,  dafs  diese  laute 
hart,  ohne  erweichung  gesprochen  werden.  Dafs  dies  aber 
wenigstens  ursprünglich  nicht  der  fall  war,  läfst  sich, 
glaube  ich,  sehr  wahrscheinlich  machen.  Miklosich  vergl, 
gramm.  I,  p.  107  bemerkt:  „praejerierte  vocale  haben  ur- 
sprünglich gewifs  auch  nach  palatalen  gestanden  %  d.  h. 
j  ist  nach  diesen  geblieben,  und  führt  zum  zeugnifs  alte 
Schreibungen  wie  Yiofleca  (cjudesa,  plur.  von  cudo,  wun- 
der), ftAKimio  (davülju  dat.  sing.  part.  praet.  act.  davü), 
nach  c  c2rLiiM|io  (sliinicju,  dat.  sing,  von  slünice,  sonne) 
an;  vergl.  auch  Schleicher,  compendium  p.  303.  That- 
sache  ist  nun,  dafs  die  Schreibung  von  ju  statt  des  ge- 
wöhnlichen u  bei  der  Verwandlung  von  gutturalen  in  c, 
2,  £,  c,  bei  der  von  dentalen  in  St,  zd  aufserordentlich 
häufig  ist,  namentlich  in  glagolitischen  quellen*  Raöki, 
Aasemanov  ili  vatikanski  evangeliatar,  einl.  p.  XVII,  führt 
eine  grofse  anzahl  von  fällen  an:    das  oft  wiederkehrende 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  1 1 


162  Leskien 

oticju  =  oticu,  dat.  sing,  von  otici  (vater);  slepcju 
=  slepicju,  dat.  sing,  von  slepici  (blinder);  kora- 
bicju,  dass.  von  korabici  (schiff);  cjudotvorcju  = 
—  tvoricju,  dass.  von  —  tvorici  (wundertbäter) ;  cju  = 
gew.  cu  (part.,  z.  b.  in  nyne-cu,  eben  jetzt);  sehr  häufig 
kommt  vor  öjudo  (s.o.);  ferner  cjuesi,  d.  i.  cujeäi, 
2. sing,  praes.  von  öuti  (hören,  merken);  m^zju,  dat.  sing, 
von  m^zi  (mann);  äjujca  (die  linke);  slysavüsjuju  (gen. 
dual,  zusammenges.  decl.  des  part.  praet.  act.  slysavü, 
gehört  habend);  äedüsjuju  (dass.  von  sedü,  sidü,  ge- 
gangen seiend);  priäedüäju  (dat.  sing,  dess.);  naöenüsju 
(dat.  sing.  part.  praet.  act.  nacenü  =  nacinü,  angefangen 
habend);  s^ätju  (dat.  sing.  part.  praes.  syj,  seiend),  und 
so  in  denselben  casus  öfter;  ebenso  im  adv.  mezdju  (zwi- 
schen). Kacki  (p.  XVIII)  fugt  hinzu,  dafs  dieser  gebrauch 
sich  in  den  übrigen  glagolitischen  denkmälern  ebenfalls 
finde,  auch  in  den  chorvatischen,  und  zwar  desto  häufiger, 
je  älter  die  -quellen.  In  den  cyrillischen  denkmälern  fehlt 
•es  wenigstens  nicht  ganz  an  beispielen,  im  Ostromirschen 
evangelium  cjudotvorici.  Von  j  vor  andern  vocalen 
finden  «ich  spuren:  von  je  für  e  kenne  ich  kein  beispiel, 
dagegen  kommt  vor  j  a  für  gewöhnliches  a,  im  Asseman. 
evangelium  (vgl.  Racki,  p.  XVIII)  der  gen.  syna  clovece 
(des  menschensohns)  für  öloveca,  gen.  sing,  des  adj.  ölo- 
vö  6 1  (menschlich,  =  *  ö  1  o  v  e  k  - j  a  - s  von  ö  1  o  v  £  k  ü ,  mensch). 
/  Wäre  hier  nicht  der  laut  j  a  nach  c  gewesen,  so  hätte  jene 
glagolitische  quelle  nicht  das  zeichen  für  e  schreiben  kön- 
nen, dann  nur  für  g  und  ja  (cyr.  %  und  m)  gilt  in  glago- 
litischer schritt  dasselbe  zeichen,  nicht  zugleich  für  a. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  ceetü,  d.  i.  cajeti  (3.  sing, 
praes.  von  cajati,  hoffen),  und  aus  dem  Miklos.  wtb.  füge 
ich  noch  hinzu  öjasü  für  casü  (zeit);  die  ältere  form  ist 
6£sü  (neub.  ces),  vergl.  auch  das  entlehnte  litauische 
cz&'sas;  später  gilt  nach  palatalen  älteres  e  =  ja  (vergl. 
Schleicher,  compendium  p.  302,  303).  Häufig  ist  ferner 
im  Assem.  evang.  j§  für  %  in  denselben  fällen:  öj$do  = 
ö$do  (kind),  zj^tva  (ernte),  lezj$gti  (nom.  plur.  part. 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      163 

praes.  lez§  von  lezati,  liegen);  vid£sj$,  be§j§  (3.plur. 
aor.  comp,  von  videti,  sehen,  byti,  sein)  and  so  sehr  oft 
in  derselben  form.  Diese  zahlreichen  beispiele,  scheint 
mir,  machen  es  gewifs,  dafs  wir  es  nicht  mit  einer  ortho- 
graphischen willkürlichkeit  zu  thun  haben,  sondern  dafs 
ursprünglich  die  Verwandlung  der  gutturalen  vor  j  (oder 
palatalen  vocalen)  in  c,  z,  ä,  c,  z,  die  der  dentalen  in 
3t,  zd  mit  erhaltung  des  j -lautes  stattgefunden  hat,  j  dem- 
nach nicht  unmittelbar  in  diesen  lauten  aufgeht,  sondern 
erst  später  schwindet,  dafs  also  die  Stufenfolge  ist  z.  b. 
*s$tju,  "s^tsju,  s$ätju,  endlich  nach  schwund  des  j 
s^ätu,  so  *dycbj3,  dysj^,  dyä$  u.  s.  f.  So  gehtauf 
einer  viel  späteren  sprachstufe  j  in  palatalen  auf,  z.  b.  neu- 
slov.  (Miklosich  1,257)  pobreze  für  pobrezje,  porece 
für  poreeje  =  ab.  noßHYHie  (poreeije).     Nach  dem  mir 

!  vorliegenden  beobachtungsmaterial,  das  allerdings  beschränkt 

ist,  komme  ich  zu  der  vermuthung,  dafs  der  verlust  des  j 
am  ersten  im  eigentlichen  altbulgarischen ,  und  serbischen 
eingetreten  ist  (das  Ostrom,  evang.  und  andere  quellen  ha- 
ben j  nur  noch  sehr  selten  und  in  altserbischen  quellen 
findet  sich  nur  sehr  wenig  ähnliches,  vergl.  Safafik,  serbi- 
sche lesekörner  p.  39);  dafs  die  glagolitischen  denkmäler, 
die  ja  so  manches  alterthümliche  erhalten  haben,  das  j 
aus  älterer  zeit  mit  hinüber  genommen  haben ;  dafs  endlich 
im  russischen  das  j  sich  sehr  lange  gehalten  hat  und  noch 

b  vorhanden   ist   in   der  oben    ausgeführten  ausspräche    des 

dialekts.  Gerade  den  altrussischen  quellen  scheinen  hier- 
her gehörige  Schreibungen  besonders  geläufig  zu  sein:  Mi- 
klosich, über  die  spräche  Nestors  p.  28  fuhrt  viele  an, 
z.  b.  vdovicjamü  (dat.  plur.  von  vdovica  =  ab.  vi- 
dovica  aus  *vidovikja);  mertveeja  gen.  sing.  =  alt- 
bulg.  mrütvica  von  mrütvici  (der  tote);  solncju  dat. 
sing.  =  ab.  slünicu  von  slünice  (sonne);  duäju  acc. 
sing.  =  ab.  duä§  von  dusa  (seele);  muzju  dat.  sing.  = 
ab.  mqzu  von  m^zi  (mann);  cjudo  (s.  o.).  Buslajev  a.  o. 
I,  p.  68  führt  aus  altrussischen  quellen  an:  odezju  acc. 
sing.  »  ab.  odezd$  von  odezda  (kleid),    Y&ftio  (ö^zju, 

11* 


164  Leskien 

d.  i.  nur  graphisch  für  cuzju)  acc.  sing.  fem.  =  ab.  Stu- 
idq  von  st  uz  dl  (fremd),  mezj u  =  ab.  mez du  (zwischen); 
p.  73  hvskh  (nuzja)  =  ab.  nuzda  (noth),  xomo  (chocju) 
=  ab.  c host 3  (ich  will).  Andre  slawische  sprachen  be- 
stätigen ebenfalls  die  ausgesprochene  ansieht:  neubulga- 
risch heifst  es  nie  anders  als  cjudo,  cjuvam  (ich  höre, 
ab.  cuti),  äjum  (lärm),  sjumu  =  ab.  suma  (wald),  und 
formen  wie  müz-jot  d.i.  =  ab.  m^zi  +  artikel  tu  sind 
doch  auch  nur  zu  erklären  aus  mijzjü-tü,  so  gut  wie 
bo-jüt  oder  bo-jot  =  ab.  boj-|-tü  aus  bojü-tü;  eben 
dahin  gehören  vocative  wie  müzjo  zu  müä  =  ab.  mqzi. 
Im  kleinrussischen  ferner  ist  ab.  ca,  cu  stets  da,  6u  d.  b. 
cja,  cju,  z.  b.  Jy^a,  ty<5u  =  ab.  lica,  licu  (von  lice, 
gesicht);  psenyc'a  =  ab.  piäenica  (weizen).  Endlich 
glaube  ich  durch  die  annähme  vom  verbleiben  des  j  nach 
der  palatalen  Verwandlung  eine  dem  russischen  eigentüm- 
liche lauterscheinung  erklären  zu  können.  Wo  das  russi- 
sche die  dem  altbulgarischen  eigenthümliche  Wandlung  von 
tj  zu  st  statt  des  ihm  angehörigen  c  (d.  i.  ts)  herüber- 
genommen hat,  erscheint  jedesmal  sts,  äc  (m).  Das  ist 
nur  begreiflich,  wenn  man  annimmt,  dafs  die  laute  nicht 
üit,  sondern  noch  §  tj  waren;  dies  tj  ist  dann  regelrecht 
nach  russischen  lautgesetzen  zu  ts  geworden  und  so  ent- 
steht sts;  z.  b.  gen.  sing.  part.  praes.  bestimmter  declinat. 
von  delati  ab.  delaj^dtaago,  dies  aber  aus  delaj§- 
ätjaago  nach  dem  oben  bemerkten;  daraus  russisch  *de- 
lajuätjago,  delajustäago  (4*.iaiom,aro).  Auch  wo 
das  russische  altbulgarisches  zd  erhalten  hat,  hört  man  in 
der  ausspräche  bisweilen  zdz;  dasselbe  findet  sich  nach 
Buslajev,  a.  o.  p.  70,  in  altrussischen  quellen  des  12.jahrh., 
z.  b.  #HKYk  (düzdci  für  düzdzi)  =  ab.  jpawL  (düzdi, 
regen),  und  ist  auf  dieselbe  weise  zu  erklären. 

Bei  dem  bisherigen  habe  ich  wesentlich  consonanti- 
sches  ursprünglich  vorhandenes  j  im  äuge  gehabt,  analog 
mufs  aber  der  Vorgang  bei  den  palatalen  vocalen  gewesen 
sein.  Wenn  z.  b.  von  pek$  die  2.  sing,  peceäi  lautet, 
so  sind  die  durchgangsstufen  *pekje£i  (das  heifst  für  e 


Über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouveraements  Olonec.      165 

ist  in  der  ausspräche  je  eingetreten  oder,  vielleicht  rich- 
tiget* ausgedrückt,  zwischen  dem  von  vorne  herein  vor  e 
und  i  mehr  palatalen,  d.  h.  mehr  vorn  im  munde  als  vor 
a  u.  s.  f.  gesprochenen  k  und  e  oder  i  stellt  sich  von  selbst 
j  ein),  daraus  *pecjesi,  endlich  pecesi.  Die  mittelstufe 
ist  erhalten  z.  b.  in  der  oben  angeführten  Schreibung  b£äj§ 
u.  a.  Man  kann  gegen  die  so  angenommene  mittelstufe 
*pekjesi  einwenden,  dafs,  wenn  bereits  für  die  ältere  zeit 
e  =  je  anzusetzen  sei,  aus  pletesi  (von  pleta.)  hätte 
*plesteäi  werden  müssen.  Dagegen  ist  aber  zu  erinnern, 
dafs,  wie  noch  jetzt  in  den  slawischen  sprachen,  der  vor 
den  palatalen  vocalen  sich  einstellende  j-laut  ein  sehr  lei- 
ser war,  und  überall  die  gutturalen  vom  j  viel  eher  und 
leichter  afficiert  werden  als  die  dentalen.  Das  ist  eine 
wenn  auch  vielleicht  schwer  zu  erklärende  sprachliche  that- 
sache  und  eben  der  grund,  weshalb  in  den  slawischen 
sprachen  die  Wandlung  der  gutturalen  übereinstimmend  ist, 
also  der  grund  spräche  angehörte,  während  sie  in  der  Wand- 
lung der  dentalen  bekanntlich  weit  auseinander  gehen  (im 
heutigen  serbisch  noch  werden  t  und  d  selbst  durch  ur- 
sprüngliches j  nur  leise  afficiert,  so  dafs  in  dieser  bezie- 
hung  das  serbische  unter  den  slawischen  sprachen  auf  der 
ältesten  stufe  steht)*).  Die  häufigkeit  der  beibehaltung 
des  j  u  in  den  oben  angeführten  beispielen  gegenüber  dem 
fehlen  von  j  e  erklärt  sich  einfach  daraus,  dafs  u  gar  nichts 
palatales  hat,  man  also,  wenn  die  erweichung  überhaupt 
bezeichnet  werden  sollte,  ju  schreiben  mufste,  während  e 
einmal,  wie  bemerkt,  an  sich  nach  j  e  hin  gesprochen  wurde 
und  aufserdem  für  j  e  das  glagolitische  aiphabet  kein  be- 
sonderes zeichen  hat,  sondern  je  durch  e  mit  vertreten 
wird,   wie  ebenso  im  späteren  kirchenslawisch- russischen 


*)  vielleicht  ist  in  älterer  zeit  die  ausspräche  je  s  e  gar  nicht  nach 
dentalen  eingetreten  (wie  sie  z.  b.  im  heutigen  serbischen  und  sonst  nicht 
stattfindet)  und  das  eintreten  von  j  nach  gutturalen  hängt,  wie  oben  be- 
merkt, nur  von  der  an  sich  palatalen  ausspräche  dieser  laute  vor  e  und  i  ab. 
Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  hier  die  sache  weiter  untersuchen,  da 
alle  fälle  des  zetacismus  auch  in  den  verwandten  sprachen  darauf  hin  zu 
prüfen  wären. 


* 


166  Leskien 

schreibgebrauch.  Das  q  hatte  ohne  zweifei  so  gut  erwei- 
chenden einflufs  wie  e,  daher  denn  auch  im  Assem.  evan- 
gelium  Schreibungen  wie  pj^ti  für  p§ti  vorkommen. 

Nebenbei  bemerke  ich,  dafs  nach  der  gegebenen  dar- 
stellung  die  gewöhnliche  Schreibung  litauischer  formen  wie 
jäuczio  (gen.  sing,  von  jäutis),  wofür  Schleicher  stets 
jäuczo  schreibt,  vielleicht  auf  richtiger  warnehmung  oder 
auf  älterer  ausspräche  beruht.  Andre  sprachen  bieten  eben- 
falls beispiele  von  zetacismus  mit  erhaltung  von  j  oder  i, 
z.  b.  wenn  man  seit  dem  5.  jahrh.  n.  Chr.  Titsius  für 
Titius,  aber  nicht  Titsus  sprach  (vergl.  Corssen,  aus- 
spräche, vokalismus  etc.  2.  aufl.  p.  64).  Doch  zurück  zu 
unserm  dialekt. 

Sehr  auffallend  ist  es,  dafs  bei  den  guttural  auslau- 
tenden wurzelverben  im  praesens  vor  e  die  palatale  Wand- 
lung unterbleiben  kann,  z.  b.  neicenift  (pekesi,  von  neqb, 
1.  sing.  neKj,  backen)  statt  neieuib  (pecosi);  meK&nn, 
(teKotü,  von  meqi»,  1  *  sing,  meicv,  fliefsen)  statt  meiern*» 
(tecotu).  Buslajev.  a.  o.  I,  p.  74  führt  aus  dem  Twer- 
sehen  und  andern  dialekten  ähnliche  beispiele  an :  CMorenn, 
(smogotü)  flär  CMOjKenn,  (smozetü  3.  sing,  praes.  von 
cmoHb  vermögen),  CMorewb  (smogomü  1.  plur.  praes.  desjs.) 
für  CMOJKeMT,  (smo^emü)  u  8.  f.  Dafs  diese  formen  alt 
seien,  also  in  die  zeit  gehören,  wo  die  Verwandlung  der 
gutturale  in  palatale  noch  nicht  eingetreten  war,  ist  mir 
unwahrscheinlich,  weil  es  vereinzelte  fälle  sind  und  im  rus- 
sischen ähnliches  vorkommt,  was  sich  anders  erklären  läfst. 
Altbulgarisches  yaobhi|H  (ölovecS,  loa  von  clovgkü)  ist 
russ.  le^oB-feK-fc  (celoveke),  also  ohne  die  dentale  Wand- 
lung des  k  und  so  in  allen  entsprechenden  fällen  der  de- 
clination.  Hier  ist  es  offenbar  die  analogie  der  übrigen 
casus,  die  im  russischen  überall  k  vor  der  endung  haben, 
gewesen,  die  auch  die  beibehaltung  des  k  im  locativ  be- 
wirkt hat.  So  wird  es  die  analogie  von  neicy,  meicy 
(peku,  tekti,  1.  sing.)  und  neKjniT»,  meKjnrb  (pekutü, 
tekutu,  3.  plur.)  gewesen  sein,  die  neieeiiib  (pekesi) 
u*  8.  w.  hervorgebracht  hat,   gerade  wie  im  kleinrussischen 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      167 

die  übrigen  personen  umgekehrt  auf  die  1.  sing,  und  3.plur. 
wirken  und  man  sagen  kann  peöu,  peöut'. 

Stehend  scheint  die  assimilation  von  k,  g,  ch  an  n 
zu  sein:  craeHO  (steno)  =  gmr.  craerno  (stegno)  =  alt- 
bulg.  stigno  (höfte);  cmeHymb  (stenuti)  =  gmr.  cmer- 
Hjmb  (stegnuti);  cmocnjaocb  (stosnulo-si)  wie  ab. 
tüsn^ti  für  *tuskn$ti  (eilen),  im  russischen  soll  moc- 
Knymh  ca  (tosknuti  sja,  sich  ängstigen)  vorkommen; 
CMamyjn>  (smanulü)  =  gmr.  cxiaxuyjrb  (smachnulu) 
von  CMaxnymb  (smachnuti,  abschütteln,  abhauen);  cmci- 
Hyjmch  (stolnuli-si),  gmr.  infinitiv  cmojKHymb  (weg- 
stofsen),  ab.  tlüknqti;  omoMHjmb  (otomnuti)  =  gmr. 
omoMKHviHb  (otomknuti,  aufschliefsen ),  ab.  mükn^ti 
(die  beispiele  sind  aus  Rybnikov,  eigenthümlichkeiten 
u.  s.  w.). 

In  den  casusformen  von  jito6oBb  (ljubovi,  liebe)  as- 
similiert sich  v  dem  b,  gen.  und  dat.  juo6u  (ljubi)  = 
juoöbh  (ljubvi). 

Die  von  Schleicher  zum  beweise  des  Überganges  von 
j  in  g  angeführten  beispiele  (compendium  p.  628)  lassen 
sich  noch  vermehren  durch  CBamocaaBroBHib  (Svjato- 
slavgovici)  für  CBjraiocsaBbeBHib  (Svjatoslavieviöi), 
je  ist  zu  go  geworden.  Vielleicht  gehört  hierher  auch 
repaüirb,  repjibiKT»  (gerlikü,  gerlykü)  =  gmr.  jipjibiK'b, 
epjübiK'b  (jarlykü,  erlykü,  diplom,  brief),  doch  ist  das 
wort  nicht  russisch. 

Die  eigentlich  dem  ab.  angehörige  lautverbindung  zd 
=  dj,  die  im  gemeinrussischen  ziemlich  verbreitet  ist, 
kennt  der  dialekt  fast  gar  nicht  („sehr  selten  zeigt  sich 
zd  statt  des  gewöhnlichen  2,  z.  b.  casK^aiomb  [sie  setzen, 
pflanzen]"  Rybn.),  sondern  hat  dafür  die  nach  russischen 
lautgesetzen  regelrechte  Vertretung  von  dj,  nämlich  z,  so 
innewy  (mezu),  gmr.  meiK^y  (mezdu,  zwischen);  poacoHO 
(rozono),  gmr.  posK^eno  (rozdeno,  ntr.  sing.  part.  praet. 
pass.  von  roditi,  gebären);  npotfysieainb-cji  (probuzati- 
-sja),  gmr.  npoÖyac^anib-CÄ  (probuzdati-sja,  erwachen). 
Wie  schon  oben  bemerkt,   ist  c  (tä)  die  eigentlich  russi- 


1 


168  Leakien  / 

sehe  Vertretung  von  urspr.  t  j ,  während  im  gemeinrussiscbcn 
auch  das  altbulg.  st  als  sts  (m)  sehr  verbreitet  ist.  Der 
dialekt  ist  auch  hierin  zum  theil  consequenter :  die  part. 
praes.,  die  aber  nur  noch  adjectivisch  gebraucht  werden, 
haben  c,  z.  b.  n-Bßyiiji  nnmijhi  (pevuöija  pticy,  sin- 
gende vögel);  CBHcmyqiH  cojOBeä  (svistucij  solovej, 
pfeifende  nacht igall).  Der  dialekt  besitzt  daneben  die  den 
gmr*  entsprechenden  formen  mit  in;  (sts,  sc),  aber  nach 
Rybnikovs  angäbe  in  etwas  andrer  bedeutung.  Während 
nämlich  die  vorher  angefahrten  mit  c  fast  stets  als  ste- 
hende epitheta  in  offenbar  alt  fiberlieferten  Verbindungen 
erscheinen,  drücken  die  mit  in;  eine  besondere  energie, 
einen  hervorragenden  grad  der  im  verbum  bezeichneten 
thätigkeit  ans,  wodurch  die  bedeutung  sogar  causativ  wer- 
den kann,  z.  b.  cnaw;ee  3eju»e  (spjascee  zelie)  eigent- 
lich schlafendes  gift  (oder  kraut),  d.  h.  für  immer  einschlä- 
ferndes; iininbe  3a6yAyin;ee  (pitie  zabuduscee)  eigent- 
lich vergessender  trank,  d.  i.  vergessen  machender,  das  ge- 
dächtnifs  raubender.  Derartige  secundäre  bedeutungsdifle- 
renzierungen  ursprünglich  gleicher  formen  kommen  ja  auch 
sonst  in  den  sprachen  vor.  Ob  jene  formen  mit  in;  wirk- 
lich volksthümlich  sind  oder  von  aufsen  hereingekommen, 
vermag  ich  freilich  nicht  zu  entscheiden. 

Die  in  andern  slawischen  sprachen  häufige  abwerfung 
des  Suffixes  3.  sing,  praes.  verb.  ist  auch  hier  bei  wurzel- 
verben  stehend:  xoie  (choce,  er  will),  Moace  (moze,  er 
kann),  Beae  (veze,  er  führt)  statt  gmr.  xoiemb  (cho- 
öetu)  n.  s.  w.;  wenigstens  in  einigen  gegenden  auch  bei 
den  abgeleiteten,  das  lied  1,51  gibt  viele  beispiele:  noxa- 
HCHBae  (pochazivae,  er  gebt  hin),  nocMampnBae  (po- 
smatrivae,  er  sieht  hin)  u.  s.w.  In  der  3.  plur.  praee. 
kommt  derselbe  abfall  des  Suffixes  nur  bei  der  i-classe  vor, 
z.  b.  ch^h  (sidja)  =  chajmti»  (sidjatu,  sie  sitzen); 
xoina  (chotja)  =  xomanib  (cbotjatü,  sie  wollen). 

Liebhaber  auffallender  lautübergänge  finden  in  dem 
dialekt  reiches  material;  der  Übergang  von  v  in  m  ist 
nicht  selten;    Rybnikov   führt  an:   MaKOMica  (makomka) 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.    .  16$ 

=  MaKOBKa  (mohnkopf,  kirchthurmsknopf ) ;  noxataaiKa 
(pochmatka)  =  noxßainKa  (pochvatka,  heldenthat?); 
npuMHi^ADib  (primicjati) .=  npiiB-fcqanib  (privecati). 
Auch  das  umgekehrte  findet  sich  in  6jiaaoü  (bladoj)  = 
mjihaou  (rnladoj,  jung);  g  für  d  steht  in  rjui  (gl ja)  = 
AJin  (dlja,  für).  Die  aufzäblung  weiterer  einzelheiten  un- 
terlasse ich,  weil  ich  weder  aus  dem  text  etwaige  fehler 
aufnehmen  will,  noch  aus  Rybnikovs  darstellung  ersehen 
kann,  wie  weit  hier  allgemeinere  gesetze  herrschen. 

Die  declination  der  nomina  bietet  einige  besonder- 
heiten,  die  der  erwähnung  werth  sind.  Von  der  erhaltung 
des  ü  im  nom.  sing,  der  männlichen  a-stämme  war  bereits 
oben  die  rede.  Bei  den  auf  -ynja  gebildeten  femininen 
findet  im  nom.  sing,  zusammenziehung  statt  wie  im  ab., 
z.  b.  rocj^apwHH  (gosudaryni,  herrin);  ebenso  sind 
die  den  ab.  entsprechenden  nominative  40111  (doci,  ab. 
düsti,  tochter;  daneben  auch  ^oqepb,  doceri)  und  Mama 
(mati,  mutter)  erhalten. 

Lautlich  und  syntaktisch  völlig  unerklärlich  ist  mir 
bei  den  femininen  a- stammen  die  nominativform  als  acc. 
sing.  Einen  fehler  anzunehmen  ist  nicht  möglich,  da  der 
fall  zu  oft  vorkommt.  Zur  bestätigung  einige  beispiele: 
onrb  acHBaro  siyaca  areiia  onuijqamb  I,  19,  v.  331  (otü 
zivago  muh  zena  otlucati,  vom  lebenden  manne  die 
frau  wegnehmen),  vgl.  ebend.  v.  187:  Kino  cmaHenrb  onn» 
»HBa  MyjKa  aceHj  omminib  (kto  stanetü  otü  ziva 
muza  zenu  otnjati,  wer  wird  vom  1.  m.  d.  fr.  w.),  wo 
regelrecht  der  acc.  steht;  He  cboio  dih  paäomyuiKy  patioma- 
emb,  mM  cmo^ibKO  3Haä  iu,H-Kaina  BapHinb,  I,  44,  v.  144 
(ne  svoju  ty  rabotusku  rabotaesi,  ty  stoliko  znaj 
sci-kasa  variti,  nicht  deine  arbeit  arbeitest  du,  wisse 
du  nur  grfitz-brei  zu  kochen);  Kliman  pbiäa  noßbi^a- 
Banu»  (kunnaja  ryba  povydavati,  kostbaren  fisch  her- 
ausholen) 1,45,  v.  5;  cnpoöoBamb  cboh  CHjia  6ora- 
mbipcKaa  1,47,  v.  125  (sprobovati  svoja  sila  bo- 
gatyrskaja,  zu  prüfen  seine  heldenkraft);  na  co6±  ho- 
cnnib  OAesKHiiy   6m  cmjriihvio,  CM-feHiijH)  o^encimy-mo 


170  Leskien 

KasKAbiH  Aem>,  KajK^hiH  ^em»  o^enca  cHosa  na  hobo  1,48, 

v.  166,  dieselben  vv.  181,  182,  232  (na  sob£  nositi 
odezicu  by  sm£nnuju,  sioennuju  odezicu-to  ka- 
zdyj  denf,  kazdyj  den!  odeza  snova  na  novo,  an 
sich  zu  tragen  ein  wechselndes  kleid,  ein  wechselndes  kleid 
jeden  tag,  jeden  tag  ein  kleid  von  neuem  aufs  neue,  d.  h. 
immer  ein  andres).  Derartige  beispiele,  wo  accusativ-  und 
nominativform  neben  einander  stehen,  liefsen  sich  noch 
manche  geben. 

Ein  nicht  weniger  auffallendes  moment  ist  es,  dafs 
den  femininen  a- stammen  der  dativ-locativ  sing,  gänzlich 
fehlt  und  durch  die  genitivform  ersetzt  wird,  z.  b. :  bo 
Moefi  ApysKMibi  (vo  moej  druziny,  in  meinem  gefolge); 
b^  xopoäpoii  JhnnBM  (vü  chorobroj  Litvy,  in  dem 
tapfern  Litauen);  na  ropw  (na  gory,  auf  dem  berge); 
ko  6epe3&i  (ko  berezy,  zur  birke);  roBopnnrb  omb 
KHüseBOH  njieMHHHHHbi ,  mojeo^oh  3a6aBbi  (govoritü 
onü  knjazevoj  plemjannicy,  molodoj  Zabavy, 
sagt  er  der  fürstennichte,  der  jungen  Zabava);  roBopmrb- 
HaKa3biBa.1i)  cBoefi  mojlo^ou  Heenbi  (govorilü-nakazy- 
valü  "Svoej  molodoj  zeny,  sprach-befahl  er  seiner 
jungen  frau)  u.  s.  w.  (s.  auch  unten  beim  pronomen  und 
adjectivum).  Woher  diese  erscheinung?  Der  dat.-loc.  hat 
die  endung  e,  der  genitiv  y;  da  nun  *  (e)  überall  zu  h  (i) 
wird,  könnte  man  annehmen,  dafs  durch  die  Schreibung 
m  (y)  eben  h  (i),  aber  als  nicht  erweichend,  ausgedrückt 
werden  sollte  (wie  im  kleinrussischen),  dem  widerspricht 
aber  das  oben  über  i  =  e  bemerkte.  Es  bleibt,  glaube 
ich,  nur  eine  möglichkeit  der  erklärung.  Das  y  wird 
schon  im  altbulgarischen  nach  j-  haltigen  lauten  zu  i, 
ebenso  im  russischen.  Im  russischen  wird  aufserdem  y 
nie  nach  gutturalen  geschrieben,  sondern  dafür  stets  i, 
z.  b.  gen.  p1>KH  (reki,  von  p*Ka,  reka,  flufs)  =  ab.  p«KU 
(reky).  Da  nun  in  unserm  dialekt  das  e  des  dat-loc. 
überall  zu  i  wird,  also  AyiiiH,  p-feicn  (dusi,  reki),  so 
mufste  auf  diese  weise  in  einer  grofsen  anzahl  von  worten 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gonvernements  Olonec.     171 

gen.  und  dat.-loc.  zusammenfallen.  Das  dadurch  getrübte 
Sprachgefühl  für  den  formellen  unterschied  dieser  casus 
hatte  die  folge,  dafs  nun  überhaupt  nicht  mehr  geschieden 
wurde,  auch  wo  der  dialekt  lautlich  scheiden  konnte,  wie 
zwischen  gen.  hcchw  (zeny)  und  dat.-loc.  aceim  (zeni)  = 
Heeirfc  (zene).  Wir  haben  also  hier  den  interessanten 
fall,  dafs  durch  ein  ganz  secundäres  lautgesefz  und  falsche 
analogie  der  spräche  ein  materieller  schade  zugefügt  ist. 
Wie  dies  aufhören  des  Unterschiedes  zwischen  gen.  und 
loc.-dat.  im  substantivum  dieselben  casus  des  pronomens 
und  zusammengesetzten  adjectivs  in  Verwirrung  gebracht 
hat,  davon  nachher. 

Der  instrum.  sg.  von  cmia  (sila,  gewalt)  lautet  mehr- 
mals chjiomt.  (silomü)  :  chjiomi>  sosbMj  (silomü  vo- 
zimy,  mit  gewalt  werde  ich  nehmen,  1, 33,  v.  28),  CEuioirb 
yBe3i>  (silomü  uvezü,  mit  gewalt  führte  er  weg,  ebend. 
v.  61).  Das  ist  der  erste  beginn  eines  Vorganges,  der  im 
serbischen  durchgedrungen  ist:  zenöm,  ab.  zenoja.. 

E^epKOBb  (cerkovi,  kirche)  ist  zum  theil  in  die  ana- 
logie der  a-stämme  übergetreten:  gen.  sing,  daher  ijepKBM 
(cerkvy),  acc.  i^epiesy  (cerkvu). 

Von  genitiven  und  locativen  auf  u  habe  ich  folgende 
angemerkt.  Sie  stimmen  zum  theil  mit  den  im  russischen 
gewöhnlichen;  wie  weit  die  abweichung  des  dialekts  hier 
geht,  vermag  ich  indefs  nicht  genau  zu  bestimmen.  Gram- 
matiken und  Wörterbücher  geben  über  diese  formen  nur 
ungenügende  auskunft  und  das  DahPsche  Wörterbuch  fehlt 
mir.  Ich  gebe  jedoch  die  formen  hier,  weil  die  beobach- 
tung  der  ausdehnung,  in  der  die  declination  der  ursprüng- 
lichen u -stamme  sich  erhalten  oder  durch  analogie  in  die 
a-stämme  eingedrängt  hat,  für  die  slawische  grammatik 
von  einiger  bedeutung  ist;  genitive:  nojoHy  (polonu, 
vgl.  das  gewöhnliche  BbiKynmnb  Koro  H3T»  njräny,  vyku- 
piti  kogo  izü  plenu,  jemanden  aus  der  gefangenschaft 
loskaufen);  qmo  öbiao  iia^-fejiy  40p oro  (cto  bylo  na- 
delu  dorogo,  was  war  von  der  beute  theuer);  omB^iny 
irbiirjb  (otvetu  netü,   keine  antwort);    Bbiuie  a*cy  cmo- 


\72  Leskien 

niaro   (vyse  lesu   stojacagoj,    höher   als  der   stehende 
wald);    ohtb  KpHicy   (otü   kriku,   vom   geschrei);    Me^y 
cjia^Karo  (medu   sladkago,  süfsen  honigs);    nocsHcmy 
coaoBbeBaro  (posvistu  solovievago,  des  nachtigallen- 
pfiffs);    noKpHKy  3Bl>pHHaro  (pokriku  zverinago,   des 
au&chreis  des  wilden  thieres);    noorfc  6oh>  (posle  boju, 
nach  dem  kämpfe);    mBoero  po#y  (tvoego  rodu,  deines 
geschlechts,    deiner  geburt,    vergl.  das   gewöhnliche  omi. 
po#y);    ct.  O/jHoro  pa3j  (sü   odnogo  razu,   mit  einem 
mal,  wie  gewöhnlich  cb  paay);    orao  chj  (oto  snu,  aus 
dem  schlafe);    omi>  napy  (otü  paru,  aus  dem  dampfe); 
omvjyxy  ne  ^aeaioqH  (otduchu   ne  davajuci,  des  auf- 
athmens  nicht  gebend);  ct.  nnpy  (sü  piru,  vom  schmause); 
CBfciny   ödtaaro   (svetu   belago,    der  weifsen,    d.  i.   der 
schönen   weit);    uzt»  jijkj   (izü  luku,    aus  dem  bogen); 
msoro   HaKa3j   (tvogo   nakazu,   deines   befehle);    6e3T» 
mo^Kj  (bezü  tolku,  ohne  ansagen);  inejuty  saMopcxaro 
(selku  zamorskago,  überseeischer  seide);    noitopy  Be- 
•uncaro  (pokoru   velikago,   grofser  demut);    H3t  aomj 
(izü  domu,  aus  dem  hause);  Moero  poemy  (moego  ro- 
stu,  meines  wuchses);  h3t»  bh^j  (izü  vi  du,  aus  dem  ge- 
siebt);    ci>   jiemy   (sü   letu,    im   Auge,    eigentlich    „vom 
fluge");  bockj  aparo  (vosku  jarago,  Jungfernwachses); 
ct.  mHxa  flfiuy  (sü  ticha  Donu,  vom  stillen  Don  her); 
locative:  na  öepery  (na  beregu,  auf  dem  ufer);  na  mipr 
(na  piru,  beim  schmause);  Ha  öoio  (na  boju,  im  käm- 
pfe); bt»  cpyöy  (vü  srubu,  im  stalle?);  bt»  chipoarb  4j6y 
(vü  syromü  dubu,    in  der  feuchten  eiche);     bt»  S-Bjiy- 
oaepy  (vü  Belu-ozeru,  in  Belozero);    Ha  Kopaöjiio  (na 
korablju,  auf  dem  schiffe);  na  moan»  rpoöy  (na  tomü 
grob u,    auf  jenem   grabe);    Ha   Biiicy   moemb  (na  veku 
toemü,  in  diesem  leben);    bt»  3jiamoMT>  Bepxy  (vü  zla- 
tomü  verchu,  in  der  goldnen  höhe);    bo  inoeMT.  emaey 
(vo  toemü   stanu,    in    diesem   lager);     bt»   noaoHy  (vü 
polonu,  in  gefangenschaft);  na  KajHHio  (na  kamnju,  auf 
dem  steine);  Ha  MoemHKy  (na  mostiku,  auf  dem  brück- 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.       173 

lein);    bt»  yr.iy,   bt»  yroAKy  (vü  uglu,   vü  ugolku,  im 
winkel);  bt»  mepemy  (vü  teremu,  im  erker). 

Der  alte  vocativ  der  ja- stamme  auf  u  ist  erhalten  in 
khh3H)  (knjazju)  I,  p.  309,  in  pamaio  (nom.  pamafi, 
rataj,  abgekürzt  aus  opamaii,  pflüger).  In  demselben 
verse  I,  3,  63:  afi  me  mw,  pamaio,  pamaioiiiKo  (aj  ze 
ty,rataju,ratajusko,  o  du  pflüger,  pflügerchen),  ebenso 
v.  53:  tfosKbfl  mH  noMO?b,  opainaiouiKO  (bozija  ti  po- 
moci,  oratajusko,  gottes  hülfe  dir,  lieber  pflüger)  sind 
pamaioHiKO,  opamaiomKO  vocative  vom  nominativ  opama- 
iomKa  (oratajuäka,  liebkosendes  deminutiv  wie  tfam- 
lomKa,  batjuäka,  Väterchen).  Die  so  gebildeten  deminu- 
tiva,  der  form  nach  fem.  a- stamme,  können  wie  diese  de- 
diniert  werden,  haben  aber  auch  den  nom.  auf  o  und  wer- 
den dann  wie  die  masc.-neutr.  flectiert;  nom.  z.  b.  amonrb 
opamaii- opamaiomKO  1,3  v.  83  (etotü  orataj-orata- 
jusko,  dieser  u.  s.  w.);  tfaimouiKo  IV,  2  v.  5  und  so  öf- 
ter; gen.  öamioniKa,  dat.  öamiouiKj  (batjuska,  bat- 
jusku)  u.  s.  w.  Der  hergang  ist  hier  der,  dafs  durch 
den  so  sehr  häufigen  gebrauch  der  vocativformen  dieser 
worte  in  der  vertraulichen,  schmeichelnden  anrede,  der 
vocativ  den  nominativ  verdrängt  hat;  die  äufserliche  ähn7 
lichkeit  desselben  mit  den  neutris  auf  o  hat  dann  die  ana- 
loge flexion  bewirkt.  Aehnliches  findet  sich  im  serbischen. 
In  den  serbischen  liedern  ist  der  gebrauch  der  vocativform 
für  den  nominativ  ungemein  häufig.  Man  vergleiche  fol- 
gende beispiele:  Ka#  mo  nyo  KpajibeBiitry  MapKO,  kad  to 
cuo  Kraljevicu  Marko,  Vuk  11,59  v.  76  (als  das  hörte 
Kraljevic  Marko;  nom.  sg.  wäre  Kraljevic);  nojes^Hine 
40  Aaa  no6pamnMa  (pojezdise  do  dva  pobratima), 
npeKO  xpacna  Mecma  E^apnrpa^a  (preko  krasna  mesta 
Carigrada),  je^HO  jecme  Kpaabesiitty  Mapxo),  jedno 
jeste  Kraljevicu  Marko),  a  #pyro je  öeaee  Kocma^HHe 
(a  drugo  je  beze  Eostadine)  Vuk  II,  61  v.  1 — 4  (es 
ritten  zwei  bundesbrüder  durch  die  schöne  Stadt  Carigrad, 
der  eine  ist  Kraljevic'  Marko  und  der  andere  ist  Beg  Ko- 


174  Leskien 

Kostadin;  der  nom.  wäre  begKostadin);  neniKo  öjeiue 
CmpaxBHHtry  6ane  (netko  bjeäe  Strahinic'u  bane), 
6jenie  öaHe  y  najienoj  BaHbCKoj  (bje£e  bane  u  malenoj 
Banjskoj)  Vuk  II,  44  v.  1  (es  war  ein  ban  Strahinic', 
war  ban  im  kleinen  Banjska).  Ich  vermuthe  daher,  dafs 
die  im  serbischen  so  häufigen  nom.  sing.  masc.  auf  o  von 
eigennamen  sich  als  vocative  erklären  und  zwar  femininaler 
form,  Marko  wie  zeno;  als  nominativ  wäre  also  *  Mark  a 
anzusetzen,  gerade  wie  für  die  liebkosungsnamen  Bozo, 
Mizo  u.  s.  w.,  von  denen  Danicic'  (OÖjihi^h  cpncKora 
jeaHKa,  3.  »34,  p.  14)  sagt,  sie  seien  in  einigen  gegenden 
feminina  mit  a  im  nomioativ.  Es  ist  indefs  möglich,  dafs 
ein  vocativ,  später  nominativ  Marko  nicht  geradezu  von 
einer  femininalen  nominativform  ausgegangen  ist,  sondern 
dafs  nur  die  vocativform  der  feminina,  als  eine  besonders 
in  die  ohren  fallende,  auf  masculina  übertragen  ist;  we- 
nigstens nehmen  im  neubulgarischen  sehr  viele  männliche 
a-  und  ja-stämme  die  vocative  auf  o  an,  z.  b.  bezako- 
niko  von  bezakönik  (gesetzloser);  rätajo  von  rätaj 
(knecht).  Das  neubulgarische  führt  mich  darauf  auch  die 
serbischen  nominative  Miloje,  Blagoje  u.  s.  f.,  ebenfalls 
nur  von  eigennamen,  för  ursprüngliche  vocative  anzuse- 
hen; der  vocativ  lautet  nämlich  hier  Miloje,  nicht,  wie 
es  sonst  regel  bei  ja- stammen  ist,  *Miloju,  im  neubul- 
garischen nun  ist  der  nom.  ganz  regelrecht  z.  b.  Dragöj, 
der  vocativ  aber  ebenfalls  Dragöj e;  es  liegt  also  wenig- 
stens sehr  nahe,  in  den  genannten  serbischen  nominativen 
vocative  zu  suchen. 

Der  vocativ  HcioB-feie  (öelovece,  von  qe.soB'feK'h 
mensch)  steht  I,  p.  88;  6oxee  (boze,  von  6on»,  gott)  wie 
gemeinrussisch  auch. 

Vom  dual  kommen  einzelne  beispiele  vor:  oötota  py- 
Kaiia  (obema  rukama,  instr.,  mit  beiden  händen),  ko- 
numana  (kopytama,  mit  den  hufen),  ganz  vereinzelt 
auch  der  instr.  dual,  statt  des  plur.:  cb  acmioia  rocmasia 
(sü  estima  gostjama,  mit  diesen  deinen  gasten;  von  der 
dualform  des  instrum.  pl.  der  adject.  und  pronom.  sogleich). 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      175 

Im  plural  sind  die  ursprüngl.  formen  der  u-  stamme 
seltener  erhalten,  abgesehen  natürlich  vom  gen.  plur.  auf 
-ob*  (-ovo),  der  hier  wie  allgemein  russisch  im  gebrauch 
ist.  Oefter  liest  man  den  nom.  plur.  Tamapoee  (Tata- 
rove,  die  Tataren).  Pluralformen  wie  gmr.  cwnoBba  (sy- 
novfja,  von  synü,  söhn)  sind:  nymeßba  (putevija, 
nach  Rybnikovs  wörterverzeichnifs  vom  nom.  sing,  nymo, 
netz);  moHeßba  (tonevija,  von  monji,  netz);  £apoBba 
(darovija)  mit  gen.  4apoBbesi>  (darovijevü)  von  Aapnt» 
(darü,  gäbe);  MjaeeBbii  (muzevija,  von  myaenb,  mann); 
ajimeBba  (zjatevija,  von  3amb,  Schwiegersohn);  kjmobwi 
(kumovija,  von  Kjan»,  gevatter);  CBamosba  (svatovija, 
von  cBamt,  freiwerber);  inypeBbfl  (surevija,  nom.  sing. 
mypHH'b,  surin ü,  Schwager);  TamapoBba  ( Tatar ovija, 
Tataren);  jiyroBba  (lugovija,  von  «lyra,  lugü,  wiese; 
plur.  gew.  .«yra,  luga);  gen.  plur.  aß'spbeB'b  (zverievü, 
nom.  sing.  3B*pb,  zvSri,  thier). 

Der  alte  dem  altbulgarischen  entsprechende  genitiv 
pluralis  auf  u  ist  erhalten  in  ceMb  ro#b  (semi  godü, 
sieben  jähre);  Typeiyb-3eMoa  (Turecü-zemlja,  Türken- 
land); Tamapb  (Tatarü)  neben  Tamaposeä  (Tata- 
rovej). 

Der  instr.  plur.  endet  fast  in  allen  liedern  auf  -mm 
(-my):  ^-BsyniKaMbi  (devuskamy,  nom.  sing,  devuska, 
mädchen);  ropo^aMw  (gorodamy,  nom.  sing,  gorodü, 
Stadt);  demnach  ganz  wie  im  kleinrussischen,  z.  b.  ry- 
bamy  =  ab.  puEaun  (rybami),  nur  dafs  in  letzterer 
spräche  die  allgemeine  regel  herrscht,  wornach  ab.  i  kleinr. 
y  wird,  d.  h.  keinen  erweichenden  einflufs  auf  den  vorher- 
gehenden consonanten  ausübt,  während  in  unserm  dialekt 
sonst  davon  nichts  zu  bemerken  ist.  Es  bleibt  aber  zur 
erklärung  kaum  ein  andrer  aus  weg,  wenn  man  nicht  die 
annähme  zulassen  will,  dafs  die  alte  instrumentalendung 
der  msc.  und  neutr.  y  hier  erhalten  ist,  aber  nach  falscher 
analogie  mit  dem  -am  von  -ami  verbunden  wurde,  als 
man  im  russischen  anfing,  alle  substantiva  im  dat.,  instr., 
loc.-pl.  nach  analogie  der  femininalen  a-stämme  zu  flectie- 


<*T 


176  Leskien 

ren.  Für  unmöglich  halte  ich  solche  dinge  in  der  slawi- 
schen declination  nicht:  man  denke  an  das  angeführte 
CHjioM'b  für  chjioh)  (im  serbischen  allgemein  so)  und  an 
fälle,  wie  wenn  im  serbischen  ein  plural  sinovi  gebildet 
werden  kann,  d.  h.  an  den  regelrechten  nom.  plur.  der 
u- stamme,  ab.  cwhok6  (synove),  noch  die  endung  der  a- 
stämme  antritt  (ab.  pAEH,  rabi).  Kaum  irgendwo  herrscht 
die  neigung  ursprünglich  verschiedene  formen  eine  nach 
der  andern  zu  gestalten  so  sehr,  wie  in  der  declination 
der  neueren  slawischen  sprachen.  —  Nicht  selten  ist  vor 
der  endung  der-  Stammauslaut  weggefallen,  z.  b.  Boponoiw 
(vorotmy,  von  sopoma,  plur.  tant.,  thor);  rpa^Mw 
(gradmy  von  rpa^nr»,  Stadt);  öorambipMw  (bogatyrmy, 
von  öoramwpb,  held).  Diese  formen  gehen  nicht  zurück 
auf  die  gmr.  BopomaMH  (vorotami)  u.  s.  w.,  sondern  auf 
formen  analog  den  ab.  rpwum  (grechümi,  vgl.  Miklosich 
III,  p.  16),  von  denen  Schleicher  (CicioneHie  ochobt»  na  -y) 
nachgewiesen  hat,  dafs  sie  den  u- stammen  entlehnt  sind. 
Endlich  kann  der  vocal  im  auslaut  der  instrumentalendung 
ganz  abfallen,  so  dafs  der  casus  dem  dat.  plur.  gleich  lau- 
tet: 6yjianawb-mo  rojiOBw  nepejiOMaiibi,  KjmaKaM'b-mo 
öyfiHbi  3aBA3anbi  1,45  v.  15  (bulavamü-to  golovy  pe- 
relomany,  kusakamü-to  bujny  zavjazany,  mit  keu- 
len  waren  die  köpfe  zerschlagen,  mit  binden  die  trotzigen 
verbunden);  pyicaaib  MoryqiHMrb  noHStmyHsnjicn  (rukamü 
moguöiimü  ponatuzilsja,  mit  den  mächtigen  händen 
strengte  er  sich  an)  I,  51  v.  100;  mynrb  pytcaMi»  ohh 
cnjiernaionicA  (tu tu  rukamü  oni  spletajutsja,  da  rin- 
gen sie  mit  den  händen)  ebend.  v.  104.  Eine  Verwechs- 
lung mit  dem  dativ  liegt  hier  nicht  vor,  die  beiden  casus 
sind  syntaktisch  zu  streng  geschieden.  Ich  erkläre  daher 
die  sache  so:  das  auslautende  volle  i  der  endung  ward 
zu  I  (wie  öfter  im  russischen,  z.  b.  infinitivendung  -ti  für 
ab.  -ti)  und  dies  ging  dann  ganz  verloren,  wie  auch  sonst 
oft.  Ist  das  richtig,  so  würde  es  die  oben  geäusserte  ver- 
mutbung  bestätigen,  dafs  in  -amu  das  -m  die  an  -aM-  an- 
gefügte instrumentalendung  der  masculina  sei,  angefügt  zur 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      177 

Unterscheidung  vom  dativ.  Diese  anfügung  müßte  also 
zu  einer  zeit  geschehen  sein,  als  y  bei  den  masculinen 
noch  lebendig  war  und  der  instrum.  fem.  schon  auf  -am! 
oder  -am  auslautete;  das  so  entstandene  -amy  ging  dann, 
als  die  masculina  ihre  eigenthömliche  form  in  den  betref- 
fenden casus  des  plurals  verloren,  auch  auf  diese  über.  — 
Auffallend  ist  noch,  dafs  bei  der  Verbindung  von  adjectiv 
und  Substantiv  ersteres  im  instrum.  plur.  stets  die  dual- 
form hat:  cmapwMa  cmapyaiKaMU  (staryma  staru£~ 
kamy,  mit  alten  mütterchen),  Hccimhiaia  Ky^epieaMu  (zel- 
tyma  kuderkamy,  mit  gelben  locken),  jiacKOBbisia  caor 
BaMbi  (laskovyma  slovamy,  mit  schmeichelnden  Wor- 
ten), AOCKattbi  ^jöoBMMa  (doskamy  dubovyma,  mit 
eichenen  brettern)  und  so  fast  ausnahmslos.  Das  eintreten 
der  dualform  für  die  des  plurals  ist  wie  im  serbischen  und 
auch  sonst  in  slawischen  volksmund arten;  dafs  aber  wie 
hier  gerade  nur  die  adjectiva  davon  betroffen  werden,  dem 
weife  ich  sonst  nichts  an  die  seite  zu  stellen. 

Nicht  selten  ist  in  der  declination  das  übertreten  der 
a-8tämme  in  die  analogie  der  ja- stamme.  Bybnikov  führt 
an;  m»  jihcjixi»  (vü  lisjacbü)  =  bi>  jrfecax'b  (vü  Jesa- 
chü,  in  den  wäldern),  BMHcmnxrb  (vmistjachü  für  vü  m.) 
=  Bwbcmax'b  (vmestachü,  bedeutung  die  des  gemeinr. 
B9rfccnrfe9  vmeste,  zusammen),  bo  cnaxT»  (vo  snjachü) 
ä  B'b  cHaxi»  (vü  snachü,  in  träumen).  Bybnikov  sagt, 
dergleichen  käme  nur  im  loc.  plur.  vor;  man  kann  daher 
auf  den  gedanken  kommen,  j  a  sei  hier  =  e  und  jihc^xt» 
entspreche  ab.  A*c*xh  (lesechü).  Ganz  consequent  ist  der 
dialekt  in  der  Verwandlung  von  e  zu  i  ja  nicht,  wie  das 
oben  angefahrte  Bfcpaae  neben  4o6pne  für  B*fepsrfce,  Aodpft? 
zeigt»  Möglich  ist  es  also,  dafs  sich  in  jenen  locativen 
die  alte  form  erhalten  hat.  —  Die  mit  suffix  -nü  gebil- 
deten adjectiva  können  alle  wie  ja- stamme  behandelt  wer- 
den z.  b.  öyjiamHÄH  (bulatnjaja),  öyaammoio  (bulat- 
njuju),  6yjianiHee  (bulatnee),  nom.  sing«  msc.  gmr.  6y- 
jiamHBiH  (bulatnyj,  stählern);  pamnee  (ratnee),  pam 
neiuy  (ratnemu),  nom.  sing.  msc.  gmr.  panrauH  (ratnyj), 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  12 


l 


178  Leskien 

ab.  ßaThM  (ratinü,  kriegerisch);  so  Aopo^mii,  coöopHiH, 
6o«aomBm9  dojibmä  für  ^opo^Hbiö  u.  s.  f.  Veranlassung 
dazu  mag  der  schon  in  älterer  zeit  vorkommende  Wechsel 
der  Suffixe  -in  und  -Hb  gewesen  sein,  z.  b.  ab.  rophNt  (go- 
rinü,  bergig)  neben  rophith  (gorini). 

Die  nicht  zusammengesetzte  declination  der  adjectiva 
ist  in  den  casus  des  Singulars  und  im  nom.-acc.  plur.  durch- 
aus in  gebrauch  auch  bei  attributiver  anwendung,  na- 
mentlich in  den  feststehenden,  altüberlieferten  epischen  for- 
mein: ciaBeorb KieB-b-rpa^T»  (slavenü  Kievü-gradü,  die 
herrliche  Kijev-stadt);  cwpa  seMAB  (syra  zemlja,  feuchte 
erde),  «memo  nojie  (cisto  pole,  freies  feld),  cHHe  Mope 
(sine  more,  blaues  meer);  cwpy  aeM^io  acc.  sing,  fem« 
(syru  zemlju);  chhio  Mopio  dat.  sing,  neutr.  (sinju 
morju);  chha  Mopa  gen.  sing.  ntr.  (sinja  morja),  ebenso 
KpacHa  3oyioma  (krasna  zolota,  des  rothen  goldes),  m- 
ema  cepeäpa  (cista  serebra,  des  reinen  silbers);  der 
dat.  sing.  fem.  wie  beim  Substantiv  durch  den  genitiv  ver- 
treten kt>  MOjioAbi  HacmacbH  (kü  molody  Nastasii, 
zur  jungen  Nastasia);  ^oöpw  Mojio^ubi  nom.  plur.  masc. 
(dobry  molodey,  die  braven  Jünglinge);  6-bjiu  pyiua 
nom.-acc.  plur.  (bSly  ruki,   weise  bände). 

Die  pronominale  declination,  zunächst  der  geschlech- 
tigen pronomina,  ist  durch  zweierlei  bemerkenswerth :  n 
(tu)  wird  mit  h  (i)  zusammengesetzt,  demnach  decliniert 
wie  die  zusammengesetzten  adjectiva;  die  casus  des  femi- 
ninums  sind  in  Verwirrung  gerathen  in  folge  der  oben  be- 
sprochenen Verwechslung  von  dativ  und  genitiv.  Die  von 
mir  im  texte  angetroffenen  von  den  gemeinrussischen  ab- 
weichenden formen  geben  folgendes  Schema.  Die  gewöhn- 
lichen kommen  alle  daneben  vor,  doch  sind  die  folgenden 
wenigstens  eben  so  häufig  und  jenen  im  gebrauche  ganz 
gleich: 


aber 


den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      179 


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12  * 


180  Leskien 

Alle  diese  formen  können  auch  von  anionnb  (etotü, 
dieser)  vorkommen. 

Vereinzelt  kommen  diese  zusammengesetzten  formen 
schon  im  altbulgariscben  vor  (vgl.  Miklosich  III,  71).  Ent- 
sprechend ist  im  ab.  die  declination  von  ruft  (kyj)  und 
vielleicht  ist  die  analogie  dieses  in  unserm  dialekt  ebenso 
flectierten  pronomens  für  n  mit  mafsgebend  gewesen.  Die 
einzelnen  formen  erklären  sich  folgeodermafsen : 

sing.masc:  noi  (toj)  wäre  ab.  ruft;  vgl.  russ.  mo- 
jio^oh  (maladoj)  mit  ab.  u»a#yH  (mladyj).  ' 

moeaiy  (toemu,  d.  i.  tojemu,  vergl.  ab.  kojemu 
von  kyj),  eigentlich  =  tomu-jemu;  mHMy  (tymu)  da- 
gegen ist  offenbar  so  entstanden,  dafs  die  spräche  die  öf- 
ter wiederkehrende  silbe  ihm-  als  stamm  empfunden  hat. 

moearb  (toemü,  vgl.  ab.  kojemi)  =  tomi-jemi. 

nibiMT»  (tymü),  zusammengezogen  aus  üimhmt»  (tyi- 
mu,  vgl.  ab.  kyimi)  =  *tümi-  (nicht  temi-)imi;  räth- 
selhaft  ist  mir  mueiH'b  (co  raueMi.  nnchMOMi»  I,  19,  v.  15, 
so  tyemü  pislmomu,  mit  diesem  briefe);  man  wird 
wohl  kaum  annehmen  können,  dafs  hier  die  älteste  form 
*tümi-j£mi  (denn  daraus  ist  imi  entstanden)  zu  gründe 
liege. 

neutr.  moe  (toe  d.i.  toje)  ist  einfach  =  T0-ie(to- je); 
in  fflbie  (tye)  ist  wieder  mw-  als  stamm  gebraucht. 

femin.mskR  (taja)  =  T«-fc  (ta-ja)f  das  von  Bybni- 
kov  angeführte  mwe  (tye)  weifs  ich  nicht  zu  erklären; 
möglicherweise  ist  es  =  m&ia  (tyja),  da  auslautendes  ja 
von  je  in  der  ausspräche  sehr  wenig  unterschieden  ist; 
dann  wäre  him-  als  stamm  gefafst. 

myio  (tuju)  =*  tä-k  (taja.);  Rybnikovs  moe  (toe) 
ist  mir  unverständlich,  wenn  es  nicht  die  form  des  geni- 
tivs,  also  :=  toh  (tojs)  ist,  für  regelrechtes  moa  (toja) 
stehend. 

moa  (toja)  =  ab.  toh  (toj$);  mwa  (tyja)  wäre 
ab.  *rua  für  *:ruieu  (*tyj§,  *ty-jej$),  d.  h.  das  fem.  ra 
nominal  flectiert  mit  dem  gen.  von  h.  Ebenso  lauten  da- 
tiv  und  locativ,  hier  ist  also  dasselbe  ineinanderfliefsen  der 


über  den  dialekt  der  rnss.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      181 

casus,  wie  beim  femininum  des  Substantivs,  und  das  Sub- 
stantiv hat  offenbar  das  pronomen  in  diese  Verwechslung 
hineingezogen« 

moeä  (toej)  entspricht  nicht  ab.  to*  (toj$),  sondern 
einem  *TO*iett  (*to-jej$),  d.  h.  instr.  von  n  an  den  stamm 
to  gefügt.  Daraus  wurde  russisch  zunächst  *tojeju,  wie 
ab.  A0YUI6H  (dusej^)  zu  Aymeio  (duäeju),  zuletzt  moen, 
wie  man  auch  Ajnieä  (dusej)  sagen  kann. 

plur.:  nom.  msc.  mw  (ty)  ist  der  ab.  accus,  tu,  der 
im  russ.9  wie  beim  Substantiv,  den  nom.  mit  vertritt;  mwH 
(tyi)  wäre  ab.  *tm-h,  d.  h.  die  als  nomin.  benutzte  accu- 
sativform  mit  dem  nom.  plur.  von  h;  moH  (toi)  hat  iho- 
als  stamm  gebraucht;  mwe  (tye)  wäre  ab.  ru-a,  d.h.  die 
accusativform  beider  pronomina,  im  russischen  als  nom., 
wie  russisch  Aoöpue  (dobrye,  die  guten)  nom.  plur.  «* 
ab.  ^ospiJii  (dobryj^)  acc.  plur. 

nom.  ntr.  mwa  (tyja)  enthält  n  (ja),  aber  an  den 
stamm  mw-  gesetzt,  wie  das  adjectivum  in  derselben  form 
russ.  Aodpua  (dobryja)  gegenüber  ab.  Aocpan  (do- 
braja). 

nom.  fem.  amw  (ety)  =  ab.  ttj  (ty);  mwa  wäre 
ab.  Tii-a  (ty-j$);  muH  (tyi)  dagegen  ist  mir  uner- 
klärlich. ~ 

Die  übrigen  casusformen  des  plurals:  mwnxi»,  rnuxi; 
muHMb,  mwMTb  (tyichü,  tychü;  tyimü,  tymü)  ent- 
sprechen ganz  der  bildung  der  gleichen  casus  beim  be- 
stimmten adjectivum;   muuia  (tyma)  ist  die  dualform. 

Das  demonstrativpronomen  ist  in  unserm  dialekt  be- 
sonders ausgebildet  und  die  bedeutungen  feiner  differenziert 
als  gewöhnlich,  so  weist  aBinonrb  (evtotü)  hin  auf  ge- 
genstände, die  sich  auf  die  erste  person  beziehen,  acmonn» 
(estotü)  gehört  zur  zweiten,  £mnonn»  (entotü)  zur  drit- 
ten person. 

Von  h  ist  in  vollem  gebrauch  der  acc.  sing.  fem.  10 
(ju)  sas  ab.  m  (j$).  Der  instr.  plur.  hat  öfter  die  dual- 
form HHiua  (nima). 

Von  den  personalpronomina   sind  die  formen  mo6a, 


182  Leskien 

mo6ii  u.  8.  w.  schon  oben  besprochen;  es  bleibt  nur  zu 
erwähnen,  dafs  die  enklitischen  formen:  ma  (tja,  acc), 
mH  (ti,  dat.  der  2.  ps.)  häufig  sind,  und  dafs  mhä  (mnja 
gen.  sing.  1.  ps.)  statt  Menn  (menja)  vorkommt. 

Die  declination  des  zusammengesetzten  adjec- 
tivs  hat  eine  anzahl  älterer  und  vom  gemeinrussischen 
abweichender  formen. 

Der  nom.  sing.  masc.  erscheint  öfter  in  der  auffallen- 
den form  noraHuifi  (poganyij,  heidnisch),  rjiy6oKm& 
(glubokiij,  zusprechen  glubokijij,  tief),  einmal  sogar 
(aus  versehen?)  I,  48  v.  357  ^oma^BHuaiH  (loäadinyiij, 
pferde-).  Ich  weifs  über  diese  form  nichts  anders  zu  sa- 
gen, als  dafs  das  schliefsende  j  vielleicht  nur  nachahmung 
des  gewöhnlichen  russischen  Schreibgebrauchs  ist,  der  no- 
minativ  also  eigentlich  auf  j  i  auslautet  und  dies  dann  = 
ab.  h,  d.  h.  ji  anzusetzen  wäre,  indem  ausnahmsweise  das 
I  zu  vollem  i  wurde.  Ob  das  möglich  war,  ist  indefs  sehr 
zweifelhaft. 

Als  nom.  sing.  fem.  kommt  vor  rjiynwa  (glupyja, 
dumm),  wo  nach  falscher  analogie  rjiynu-  als  stamm  ge- 
fafst  ist.    - 

gen.  sing.  fem.  xopoöpua  (chorobryja,  tapfer)  ganz 
wie  ab.  ppacpuii  (chrabryjs). 

dat.-loc.  sing.  fem.  ^oöpoee  (dobroej,  gut)  ist  nicht 
=  ab.  &OEp*iJ  (dobrej)  sondern  =  *dobro-jej,  d.h.  der 
dativ  jej  an  den  stamm  dobro-  gefügt.  In  folge  des 
Verwechselns  der  dativ-  und  genitivformen  beim  femininum 
kann  aber  diese  form  auch  genitiv  sein,  z.  b.  h3t>  JfriniBbi 
noraHoeH  (izüLitvy  poganoej,  aus  dem  heidnischen 
Litauen);  wie  umgekehrt  die  genitivform  als  dat.-loc.  er- 
scheint, z.  b.  Ha  ciaBHoii  ropw  Ha  bucokui  (na  slavnoj 
gory  na  vysokija,  auf  dem  herrlichen  berge,  auf  dem 
hohen). 

loc.  sing.  masc.  cjiaBHoewb  (slavnoemü),  wäre  = 
ab.  ^csABio-KMik  (*slavno-jemi),  nicht  =  casMttMh  für 
*CMM*-ieub  (slavn&emi,  *slavn£-jemi) ;  also  die  be- 
treffende casusform  von  h  dem  stamme  angefugt,  wie 
mehrfach. 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      183 

instr.  sing.  masc.  entspricht  ganz  dem  ab.  und  kommt 
oft  unzusammengezogen  vor,  z.  b.  öorambipcKiHMt  (bo- 
gatyrskiimü,  ritterlich,  beldenmäfsig)  =  ab.  AOEpUHUh 
(dobryimi). 

instr.  sing.  fem.  ^oöpoefi  (dobroej)  steht  der  ur- 
sprünglichen form  näher  als  die  ab.  AOBpOK  (dobrojaj; 
aus  den  beiden  zusammengerückten  casusformen  dobroj^- 
-jej  ^  ist  zunächst  *dobro-jeja.  geworden,  daraus  russisch 
*dobro-jeju,  nach  verlust  des  u  (wie  in  cujioh,  siloj  = 
chjioio,  siloj u)  dobrojej  (geschrieben  ^oöpoeä).  Die 
gmr.  form  ^oöpoio  (dobroju)  ist  der  ab.  gleich. 

nom. -acc  plur.  msc.  id6mhhh  (temnyi,  finster),  40- 
tipuii  (dobryi)  =  ab.  acc.  plur.  £OcpiJ  (dobry)  +  nom. 
plur.  h  (i);  im  russischen  sind  nom.  und  acc.  beständig  in 
einander  geflossen. 

Die  übrigen  casus  des  plurals  sind  ganz  wie  im  alt- 
bulgarischen und  sehr  oft  unzusammengezogen:  gen.  loc. 
paaHbiHX'b  (raznyichü,  verschieden),  Be^HKiHXi»  (veli- 
kiichu,  grofs);  dat.  pa3HWHMT>  (raznyimü),  ApyriHMi» 
(drugiimü,  ander);  der  instr.  hat,  wie  oben  erwähnt, 
fast  ausnahmslos  die  dualform:  cmapwMa  (staryma,  alt), 
Mory^BMa  (mogucima,  mächtig). 

Wie  auch  in  andern  slawischen  sprachen  treten  zu 
masculinis  femininaler  form  attributive  bestimmungen,  ad- 
jectiva  und  pronomina,  ebenfalls  in  dieser  form,  z.  b.  cjiyra 
moä  B-tpHaÄ  (sluga  moja  vernaja,  mein  treuer  diener) 
vergl.  serb.  Slugo  moja,  Oblacic'u  Rade.  —  Da  ti  bog 
da,  sibinjska  vojvodo.  Dantäic.  Oöjihi^h  p.  20. 

Ueber  die  conjugation  ist  aufser  den  oben  bespro- 
chenen lautgesetzlichen  Vorgängen  wenig  zu  bemerken.  Die 
2.  sing,  praes.  ecn  (esi,  du  bist),  ^acH  (dasi,  du  gibst) 
haben  sich  erhalten,  wie  nach  Buslajev  a.  o.  I  p.  11  im 
novgorodschen  überhaupt. 

Nur  eine  für  die  slawische  grammatik  bemerkenswer- 
the  form  glaube  ich  in  unserm  dialekt  gefunden  zu  haben, 
die  3.  sing.  aor.  tfucmb  (bysti,  er  ward).  Die  stelle 
(1,21  v.  58)  läfst  sich  nur  so  verstehen: 


184  Leskien 

A  MoryqiH  öoramwpH  bc*  omB*im>  ^epxeami»: 
„Kiui3b  Baa^HMHpi,  cmojtbHO-KieBCKiii! 
^BiaeMT.  mw  cnb  iienpiflmejieM'b  nonpaßmnbCJi.'' 
Bbicmb  KHA3b  BecejiT,  h  pa^oceirb. 

(a  mogucii  bogatyri  vse  otvetü  derzatü: 
„Knjazi  Vladimirü  stolino-Kievskij! 
Dumaemü  my  sü  neprijatelemü  popravitisja." 
Bysti  knjazi  veselü  i  radosenu. 

d.  h.  die  starken  helden  geben  alle  die  antwort:  „fürst  Wla- 
dimir der  hauptstadt  Kijev,  wir  denken  mit  dem  feinde 
fertig  zu  werden."   Es  ward  der  fürst  heiter  und  froh.) 

Es  sei  mir  gestattet,  hier  einige  bemerkungen  über 
diese  bildung  der  3.  (und  2.)  sing.  aor.  comp,  hinzuzufü- 
gen, die  sich  bei  vocalisch  auslautenden  wurzeln  so  häufig 
findet  (die  fälle  sind  aufgezählt  bei  Miklosich  III  p.  85). 
Die  organische  form  dieses  aorists  ist  z.  b.  ofiip«;?*  (um- 
rächü,  ich  verstarb),  oriipft  (umre),  oifup*;  die  2.  und 
3.  sing,  entstanden  durch  den  im  slawischen  notwendigen 
abfall  der  auslautenden  consonanten  aus  *  umre  88,  "unt- 
res t.  Statt  der  3.  sing.  OYiiptt  (und  durch  analogie  auch 
in  der  2.  sing.)  tritt  nun  sehr  häutig  OYMfTCTO  ein.  Miklo- 
sich (III  p.  85  etc.)  erklärt  dies  so :  es  sei  der  vocal  u  an- 
getreten, um  die  secundäre  personalendung  t  vor  dem  sonst 
nothwendigen  abfall  zu  schützen  und  vergleicht  p.  87  diese 
erscheinung  mit  dem  gotischen  that-a  für  that.  Dieser 
vergleich  pafst  nicht,  denn  das  auslautende  a  von  thatä 
mufs  ein  langes  gewesen  sein,  sonst  wäre  es  später  abge- 
fallen, und  ist  wahrscheinlich  eine  jener  partikeln,  wie  sie 
pronominibus  so  oft  angefügt  werden.  Aber  davon  abge- 
sehen scheint  mir  jene  erklärung  aus  andern  gründen  un- 
möglich, und  Schleichers  meinung  (formenlehre  der  kir- 
chensl.  spräche  p.  338;  compend.  p.  680),  das  -tu  (-ti, 
wovon  sogleich)  sei  die  nach  falscher  analogie  von  neuem 
angefügte  primärendung  der  3.  sing,  praes.,  als  die  allein 
haltbare.  Miklosichs  erklärung  würde  allenfalls  passen  auf 
die  formen  euch,  arcte,  neu  (bystü  er  war,  das  tu  er 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      185 

gab,  jastü  er  afs),  wo  man  in  *byst  u.  s.w.  also  die  er- 
haltung  der  ursprünglichen  form  mit  dem  8  des  bülfs ver- 
bums und  dem  secundären  t  sehen  könnte;  aber  wie  pafst 
sie  auf  oyiipOTL,  npoftinrL,  kääti  (umretü,  prolitü  er  ver- 
gofs,  kl§tü  er  verfluchte)?  Wäre  Miklosichs  erklärung 
richtig,  so  würde  es  hier  ja  umrestü  u.  s.  w.  heifsen. 
Das  fehlen  des  8  zeigt  aber  ganz  klar,  dafs  die  form  umre 
fertig  vorhanden  war,  und  dann  erst,  also  in  einer  verhält- 
nifsraäfsig  späten  periode  das  -tu  antrat.  Dem  scheint 
nun  die  form  bystü  zu  widersprechen,  an  die  ja  bei  die- 
ser annähme  -tu  angetreten  sein  müfste,  als  wenigstens  8 
noch  erhalten  war,  also  in  älterer  zeit.  Aber  der  wider- 
sprach ist  nur  scheinbar.  Das  s  findet  sich  nur  in  den 
drei  formen  bystü,  dastü,  jastü,  d.  h.  in  den  drei  aori» 
sten,  deren  praesentia  lauten  jesti,  dasti,  jastl,  und 
jene  aoristformen  sind  rein  nach  der  analogie  dieser  prae- 
sensformen  gebildet,  während  den  übrigen  aoristen  auf  -tu 
keine  praesentia  mit  s  gegenüber  stehen;  daher  haben  sie 
es  auch  nicht.  Die  Übereinstimmung  ist  evident.  Das 
auslautende  ü  steht  dann  natürlich,  wie  Schleicher  es  an- 
nahm, als  spätere  und  unrichtige  Schreibung  für  i.  Auf 
diesen  punkt  mufs  ich  aber  etwas  näher  eingehen,  denn 
nach  Miklosichs  darstellung  könnte  es  scheinen,  als  bilde 
gerade  das  ü  im  auslaut  ein  hindernifs  für  die  ausgespro- 
chene ansieht.  Miklosich  sagt  (III,  p.  165)  mit  hindeu- 
tung auf  Schleichers  ansieht:  „an  eine  ersetzung  der  stum- 
pfen personalendungen  durch  volle  und  Verwechslung  des 
b  mit  i>  ist  gewifs  nicht  zu  denken".  Aber  gerade  mit 
dem  ü  im  auslaut  sieht  es  bedenklich  aus.  Unter  den  von 
Miklosich  III,  p.  85  etc.  citierten  quellen  kommen  der  Clo- 
zianus  und  das  Assemanische  evangelium  als  glagolitische 
für  die  entscheidung,  ob  auslautend  i  oder  h  stehe,  nicht 
in  betracht;  von  den  übrigen  ist  der  gröfste  th eil  jung  (der 
Siäatovacer  Apostolus  vom  jähre  1324;  der  Pentateuch  aus 
Kruöedol  aus  dem  15.  jahrh.;  der  Bolognaer  Psalter  aus 
dem  12.  jahrh.,  nach  Miklosichs  eignen  angaben).  Es  blei- 
ben als  die  ältesten  der  Suprasliensis  und  das  Ostromirsche 


186  Leskien 

evangelium,  beide  aus  dem  ll.jahrh.;  und  Miklosich  mufs 
hier  (I,  78  sind  die  richtigen  formen  angeführt)  ganz 
übersehen  haben,  dafs  im  Ostrom,  evang.  nach  Vosto- 
kovs  ausgäbe  kxicti  (bystü)  gar  nicht  vorkommt,  son- 
dern einzig  und  allein  EiiCTh  (bysti)  z.  b.  gleich  auf  der 
ersten  seite  des  textes  mehrmals  und  nach  Vostokovs  ci- 
taten  im  glossar  wenigstens  17  mal  so.  Ebenso  fehlt  ßacn 
(dastü)  in  derselben  quelle,  nur  ßacib  (dastl)  kommt 
vor,  und  zwar  oft.  Die  von  Miklosich  III,  p.  85  als 
„lacTi  ostrom.  44.  93"  citierte  form  kann  ich  an  beiden 
stellen  nicht  finden,  an  beiden  steht  vielmehr  *CTb  (est!); 
ferner  ebend.  „cmtcn  ostrom.  9.  127"  ist  bei  Vostokov 
im  glössar  CEHCTb  (sünesti)  geschrieben  und  so  steht 
an  beiden  stellen  im  text.  Aufserdem  kommen  im  Ostrom, 
evangelium  vor  die  aoriste  oehti,  üoehti,  am,  oeate,  npHBTO, 

KKATl,   J^AYATE,    nßOCTß-ftrE,     OlfllplTL    (obitü,   povitü,    j^tÜ, 

ob^tü,  kl$tü,  zac$tü).  Vielleicht  haben  diese  for- 
men mit  i  Miklosich  veranlafst,  das  b  der  oben  angeführ- 
ten für  falsch  zu  halten  und  demgemäfs  die  von  ihm  ci- 
tierten  zu  ändern.  Der  schlufs  ist  aber  unberechtigt,  wo 
es  sich  um  formen  handelt,  deren  erklärung  zweifelhaft 
ist;  denn  so  gut  man  annehmen  kann,  das  b,  I,  von  eijctl 
(bysti)  u.  8.  w.  stehe  mifs verständlich  für  %,  ü,  so  gut 
kann  man  sagen,  x  in  nrE  (j?tü)  u.  s.  w.  stehe  für  b  und 
das  letztere  ist  hier  in  der  that  viel  wahrscheinlicher  schon 
aus  dem  ganz  äufserlichen  gründe,  dafs  eiicte  (bysti), 
AACTb  (dasti)  häufiger  vorkommen  als  »te  und  alle  an- 
dern, es  also  doch  unbegreiflich  wäre,  wenn  hier  con- 
sequent  der  fehler  gemacht  sein  sollte.  Und  dafs  ichs 
kurz  sage,  auf  die  aus  dem  Ostrom,  evangelium  ange- 
führten beispiele  reduciert  sich  die  ganze  frage,  denn  der 
Suprasliensis  beweist  gar  nichts,  weil  in  ihm  zwischen 
i  und  b  die  gröfste  Verwirrung  herrscht.  Wenn  also  z.  b. 
Joh.  1,  3  im  Ostrom,  lautet  h  E6£  Nero  ■HVbio^e  H€  eucte 
KSKe  EiiCTb  (i  bez  nego  nicitoze  ne  bysti  jeze  by- 
sti), im  Suprasl.  (ed.  Miklosich  p.  7)  heifst  h  Eecroro  ne 
etjcti  ih  kamo  rose  EWCT^i)  (i   bestogo  ne   bystü  ni 


- — 1 


über  den  dialekt  der  russ.  Volkslieder  des  gouvernements  Olonec.      187 

jedino  jeze  bystü),  so  ist  das  gleichgiltig,  denn  auf 
derselben  seite  steht  3.  sing.  TBOpHTh  (tvoritü),  lecrL 
(jestü),  auf  der  seite  vorher  viermal  recrE  (jestü)  nebst 
TBOßHTO  (tvoritü)  und  3.  plur.  ßA2K#iiffiT'E  (razdaj^tü), 
p.  12  reciii  (jesmü),  p.  17  npt^aM'L  (predamu)  und  so 
auf  jeder  seite.  Damit  dürfte  wohl  die  frage  erledigt  sein. 
Ich  will  nur  noch  hinzufügen,  dafs  es  nichts  als  eine  aus- 
dehnung  derselben  analogie  ist,  wenn  namentlich  in  altrus- 
sischen quellen  (vgl.  Miklosich  III,  p.  87)  auch  in  der  3.  sg. 
und  3.  plur.  des  sogenannten  imperfectums  die  primären- 
dung  angesetzt  wird,  z.  hahiu€-te  (idjase-ti),  A*KA,\QY-Tb 
(delachu-ti).  Die  von  Miklosich  a.  o.  aus  Nestor  ci- 
tierten  beispiele  haben  alle  e  und  statt  des  ebenda  als 
„ uovx^AiueTi  [muzdasetu]  ostrom.  279  a  citierten  steht 
bei  Vostokov  in  glossar  und  text  moysk#iiii€TE  (Buslajev  a.  o. 
I,  p.  180  führt  nur  formen  auf  -ti  an,  die  vor  dem  accu- 
sativ  h  sogar  mit  vollem  i  geschrieben  vorkommen ,  z.  b. 
MOSKIIU6TH  h  (moljaseti  i),  moekhwyth  h  (ljubljachuti  i). 
Es  ist  einleuchtend,  dafs  hier  überall  die  primärsuffixe  an- 
traten, weil  in  formen  wie  ^«KaAuie,  #KKftix&  (delaase, 
-ch$)  das  Sprachgefühl  die  charakteristische  personalen- 
.düng  vermifste.  Endlich  wird  man  nach  dem  gesagten 
nicht  daran  zweifeln  können,  dafs  die  1.  sing.  aor.  ehitl 
(für  cum,  bymü),  2.  sing,  bhch  (für  buch,  bysi),  für  die 
Miklosich  III,  p.  168  sehr  künstliche  erklärungen  sucht, 
nichts  anderes  sind  als  Ell  (by)  mit  den  primärendungen 
der  1.  und  2.  sing,  (die  dann  wie  das  einfache  Ell  auch 
die  3.  sing,  vertritt),  wie  im  kleinrussischen  bym,  bys'. 
Göttingen,  december  1868.  A.  Leskien. 


188  Burda 

Einige  bemerkungen  zu  Schleicher's  compen- 

dium  (zweite  aufl.)- 

1.     Zu  §.  182,  s.  307,  b  und  §.  226,  s.  454,  455. 

Suffix  osti. 

Geht  man  von  dem  grundsatze  aus,  dafs  Vorschlag 
oder  einschub  von  consonanten  am  meisten  dort  eintritt 
und  auch  begründet  ist,  wo  er  zur  Vermittlung  heterogener 
laute  oder  zur  erleichterung  der  ausspräche  dient,  so  siebt 
man  nicht  ein,  warum  z.  b.  in  l^kosti  neben  lakoti  (hamus) 
(vom  adj.  lqkü,  curvus)  dem  t  ein  s  vorgeschlagen  sein 
sollte,  da  doch  lakoti  gerade  so  leicht  oder  noch  leichter 
auszusprechen  ist  als  l^kosti.  Uebrigens  findet  sich  in 
ähnlicherweise  die  lautfolge  o  +  t  +  vocal  unzählige  male 
ohne  8  vor  t  (z.  b.  dobrota,  b&lota  u.  s.  w.)  und  woher 
kommt  es,  dafs  dieses  s  sich  constant  nur  in  gewissen  Suf- 
fixen zeigt?  In  bezug  auf  -osti  wird  wohl  jedermann  zu- 
geben, dafs  dieses  suffix  ursprünglich  nicht  so  häufig  ge- 
braucht wurde,  sondern  anfangs  nur  auf  bestimmte  falle 
beschränkt  blieb  und  erst  später  so  sehr  überhand  nahm. 
Immerhin  ist  eine  befriedigende  erklärung  sehr  schwierig, 
und  der  folgende  versuch  stützt  sich  besonders  auf  einige 
suffixe  des  litauischen. 

a)  Im  griechischen  finden  sich  neben  vielen  adjeotiven 
auch  substantiva  auf  og.  Häufig  tritt  og  an  die  gestei- 
gerte wurzel  nach  abzug  des  adjectivsuffixes  z.  b.  kQv&gog 
—  'doev&oQ)  paxQog  —  fiijxog;  öfters  aber  genügt  es,  ohne 
Steigerung  der  wurzel  blos  den  stamm vocal  des  adjectiv- 
stammes  mit  og  zu  vertauschen,  um  das  Substantiv  zu  er- 
halten z.  b.  ÜQaavg  . —  &dgöog^  evovg  —  evgog  u.  s.  w. 
Dasselbe  liegt  auch  im  litauischen  ed-rüs  (gefräfsig)  neben 
e'd-esis  (frafs)  und  gail-üs  (mitleidig)  neben  gail-esis  (reue, 
leid)  vor;  aus  dem  slawischen  ist  endlich  ljuto,  gen.  ljut- 
-ese  (labor  nimius)  neben  dem  adjectivum  ljutü  (acerbus, 
saevus,  vgl.  lett.  adv.  l'öti)  hieher  zu  ziehen. 

b)  Im  lateinischen  werden  ferner  von  stammen,  welche 
ursprünglich  auf  as  ausgiengen,  durch  die  suffixe  to-,  tat- 


einige  bemerkungen  zu  Schleichers  compendium.  189 

adjectiva  und  abstracta  gebildet,  z.  b.  onus-tus,  robus-tus, 
vetus-tus,  hones-tus,  hones-tas  u.  s.  w.  Wenn  es  im  latei- 
nischen üblich  wäre,  von  dergleichen  stammen  abstracta 
auf  ti  abzuleiten,  so  könnte  ein  solches  von  vetus  doch 
nur  etwa  *vetus-tis  heifsen.  Denkt  man  sich  aber  den- 
selben Vorgang  auf  das  slawische  wort  ljuto,  gen.  ljutese 
angewendet,  so  erhält  man  das  wirklich  vorkommende  Sub- 
stantiv ljut-os-ti  von  derselben  bedeutüng  wie  ljuto.  Nur 
dürfte  man,  wie  sich  da  mit  recht  einwenden  läfst,  eher 
*ljut-es-ti  (s.  unten  bei  d)  als  ljutosti  erwarten,  weil  das 
suffix  ti  nur  an  den  stamm  gefugt  werden  kann  und 
dieser  doch  ljutes  lautet.  Doch  kommt  im  griechischen 
das  suffix  <*£,  wiewohl  selten,  neben  og  vor  wie  in  yrjgag 
vergl.  skr.  gar-as  neben  £ar-ä,  ferner  gen.  sing,  xgiwg  aus 
*xQ&aoQj  *XQ€f<x6og  neben  dem  lat.  cru-or  u.  a.  m.  Wenn 
man  ferner  osti  aus  dem  slawischen  in  das  litauische  über- 
trüge, so  müßte  es  natürlich  -asti-  und  im  nom.  sg.  -aeti-s 
lauten.  Nach  Schleicher,  lit.  gramm.  s.  117  kommt  es 
auch  in  der  that  vor  z.  b.  in  gyvastis  (leben),  rimastis 
(ruhe)  u.  a.  m.  Zu  gyvastis  neben  dem  adjectiv  gyvas  = 
altsl.  zivü  gibt  es  zufällig  wohl  im  altslovenischen  kein 
*zivosti,  allein  dieses  wort  findet  sich  in  andern  slawischen 
sprachen  z.  b.  böhm.  zivost'  =  gyvastis  in  laut  und  be- 
deutüng. Man  bemerke  auch,  dafs  sich  zu  rimastis  im 
gotischen  rimis  ein  as- stamm  nachweisen  läfst,  wie  etwa 
im  slawischen  ljuto,  gen,  ljutese  neben  ljutosti.  Der  unter- 
schied, dafs  rimastis  mit  got.  rimis  sich  an  ein  verbum, 
ljutosti  und  ljuto  aber  an  ein  adjektiv  anschließen,  dürfte 
durch  das  lateinische  -or  ausgeglichen  werden,  das  nicht 
nur  primär,  wie  in  tim-or,  sondern  auch  secundär,  wie  in 
alb-or,  gebraucht  werden  kann.  Wie  dann  alb-or  von  al- 
bus, so  kommt  z.  b.  drüzosti  (audacia)  von  drüzü  (audax) 
her,  nur  dafc  im  slawischen  eine  Weiterbildung  durch  ti 
stattgefunden  hat.  Um  ferner  das  sekundäre  ti  im  slawi- 
schen möglich  zu  finden,  denke  man  an  das  altindische 
suffix  täti  (sarva-tati  u.  a.  m.),  welches  ein  abstractum  auf 
*  (vgl*  prthü-tä  von  prthu,  aber  altbaktri&ch  frath-anb-,  gr. 


190  Burda 

ßccQ-og  neben  na%b-TYig)  voraussetzt.  Wie  also  (sarva-)tä-ti 
neben  (prthü-)tä  und  dem  adj.  prthü  steht,  so  verhält  sich 
im  slawischen  ljut-os-ti  zum  stamme  ljut-es-  und  dem  adj. 
ljutü. 

c)  Wenn  von  litauischen  Wörtern  auf  -asti  die  rede 
ist,  können  die  auf  -esti  (Schleicher,  lit.  gramm.  s.  118) 
nicht  unerwähnt  bleiben.  Obwohl  hier  e  (mökestis)  und 
dort  a  (gyvastis)  erscheint,  und  die  betonung  eine  andere 
ist,  so  sind  beide  Suffixe  doch  wohl  identisch,  weil  meh- 
rere umstände  dafür  sprechen.  Was  nämlich  den  vocal  e 
betrifft,  so  führt  Nesselmann  im  lit.  Wörterbuch  aus  Szyr- 
wid  auch  keikastis  neben  keikestis  (fluch,  von  keikiu  keikti 
fluchen)  an,  wodurch  beide  suffixe,  -asti  und  -esti,  wenig- 
stens lautlich  zusammenfallen.  Wegen  der  abweichenden 
betonung,  wenn  man  sie  überhaupt  beachten  will,  dürfte 
das  suffix  ti  in  der  lit.  gramm.  8.  116  zu  berücksichtigen 
sein.  Den  abstracten  nemlich,  welche  durch  ti  abgeleitet 
sind  und  das  suffix  betonen  (at-min-tis  erinnerung;  pri- 
-gim-tls  wesen,  natur;  pa-zin-tis  erkenn tnifs),  stehen  infini- 
tive  zur  seite,  deren  suffix  das  nämliche  ist,  welche  aber 
die  Wurzelsilbe  betonen  (at-min-ti  sich  erinnern;  pri-glm-ti 
angeboren  werden,  pa-zin-ti  erkennen).  Der  stamm,  an 
welchen  ti  in  beiden  fallen  gefügt  wird,  ist  derselbe.  Ein 
ähnliches  verhältnifs,  d.  h.  betonung  des  Suffixes  ti  bei 
gyvastis  und  betonung  der  Wurzelsilbe  bei  gailestis  (-es- 
wird  nach  lit.  gramm.  s.  189,  b  übersprungen)  findet  bei 
den  in  rede  stehenden  Wörtern  statt;  könnten  wohl  nicht 
auch  hier  die  stamme,  die  dem  stamme  at-min-  in  at-min- 
-tis  analog  wären  und  an  welche  hier  wie  dort  ti  gehängt 
wurde,  ebenso  in  beiden  fallen  gleich  sein,  nämlich  gyvas- 
und  gailes-P  Es  wäre  dies  eine  parallele  zu  der  erschei- 
nung,  dafs  in  den  griechischen  verben  (ftoQivvvfxi,  xgspdv- 
WfAi  die  formen  *aroQBg9  *XQ6pag,  welche  lautlich  wohl  zu 
den  lit.  gailes-  und  gyvas-  passen,  geradezu  als  verbal- 
stämme  dem  oben  genannten  at-min-  entsprechend  gebraucht 
werden,  obwohl  substantiva  wie  *6tOQ-og,  *xQB{i-ctg  aufser- 
dem  nicht  vorkommen,  wie  etwa  wiederum  im  litauischen 


einige  bemerkungen  zu  Schleichers  compendiam.  191 

es  zwar  nomina  rim-as-tls  vgl.  yeX-aa-(Tvg))  aber  keine  dem 
griechischen  ysXdat  zu  vergleichenden  verba  gibt.  Wegen 
des  oben  angeführten  keik-as-tis  sind  ja  die  ausgänge  as 
und  es  wohl  nicht  wesentlich  von  einander  verschieden. 
Wenn  man  endlich,  was  für  diesen  fall  von  besonderer  be- 
deutung  ist,  aufser  gailestis  auch  gailesis  findet  (Nessel- 
mann), dann  dürfte  es  wohl  schwer  gehen ,  an  der  iden- 
tität  von  .-es-  in  beiden  Wörtern  zu  zweifeln.  So  wäre 
man  denn  mit  gailesis  wiederum  bei  den  as- stammen 
angelangt  (vergl.  lit.  gramm.  s.  110:  e'desis  u.  a.  m.),  von 
denen  oben  ausgegangen  worden  war.  Durch  die  annähme 
von  as-stämmen  in  gyvas-tis  und  gailes-tis  gewinnen  aber 
diese  litauischen  bildungen  eine  merkwürdige  ähnlichkeit 
mit  altindischen  nomina  actionis  auf  as,  deren  dativ  als  in- 
finitiv  fungiert  (Comp.  §.  230,  s.  470)  und  lassen  sich  auch 
im  litauischen  zu  diesen  Substantiven  mitunter  präsens- 
stämme  auf  a  angeben.  Man  vergleiche  z.  b. ,  abgesehen 
von  der  Verschiedenheit  der  wurzeln,  das  skr.  subst.  kaksas, 
inf.  Käkdase,  praes.  Kaksa-  mit  dem  lit.  subst.  gailesis  ne- 
ben gailestis  (=  altslov.  zalostT),  praes.  gaila  man.  Das 
verhältnifs  des  inf.  glväse  zum  praes.  gfva-si  und  dem  adj. 
glvärS  findet  sich  im  lit.  gyvas-tls,  altpreufs.  giwa-si  (du 
lebst)  und  lit.  adj.  gyvas  ganz  genau  wieder.  Ferner  mö- 
kestis  neben  möku  moke'ti  (verstehen;  bezahlen);  rüpestis 
(sorge;  vgl.  Xvny])  neben  man  rüp'  (es  liegt  mir  am  her- 
zen). Nomina  wie  *mökesis,  *rüpesis  sind  mir  nicht  be- 
kannt, aber  doch  möglich  (s.  kälbesis,  sprichwörtliche  re- 
densart).  Noch  häufiger  stehen  präsensstämme  auf  a  den 
Substantiven  auf  -esis  zur  seite,  z.  b.  kälbesis  zu  kalbü 
kalbe'ti  reden,  wegen  b  +  es  vgl.  lat.  nub-ere;  bildesis  zu 
blldu  bildeti  (poltern,  d-t-es  auch  im  lat.  rod-ere);  traszke- 
sifi  zu  traszku  traszketi  (poltern,  k-t-es:  lat.  duc-ere); 
skambesis  zu  skambü  skambe'ti  (tönen,  aber  lett.  skanöt  *), 
adj.  skans  m.,  skana  f.  helltönend,  mb  +  es:  lat.  lamb- 
-ere)  u.  s.  w. 


*)  Auch  akandlt  (Stender).     J.  S. 


192  Burda 

Für  die  erweiterung  der  as- stamme  durch  das  suffix 
ti  mag  wohl  das  überaus  häufige  vorkommen  des  letzteren 
sowohl  in  infinitiven  als  auch  in  anderen  Substantiven  mafs- 
gebend  gewesen  sein. 

d)  Im  slawischen  läfst  sich  eine  spur  von  -esti  neben 
-osti  nachweisen.     So  findet  sich  z.  b.  in  einem  altböbmi- 

V 

sehen  denkmal  (Stitny)  das  wort  celest'  neben  celost'  = 
altslov.  celosti  und  dann  noch  drzest'  =  altslov.  drüzosti. 
Es  kann  hier  wohl  böhmisches  e  sich  zum  altslovenischen 
o  so  verhalten  wie  in  nehet,  vezech  =  altslov.  nogütT,  ve- 
zochü  oder  sich  auf  ein  aus  o  entstandenes  ü  stützen,  al- 
lein es  scheint  doch  mehr  als  blofser  zufall  zu  sein,  dafs 
im  griechischen  sich  worter  finden,  die  mit  celes-t'  und 
drzes-t',  sobald  man  von  der  erweiterung  durch  t'  absieht, 
nicht  nur  im  Suffixe,  sondern  auch  in  der  wurzel  überein- 
stimmen, nämlich  xdllog  und  öagoog  *).  Wie  sich  frag* 
oog  zu  &gccavg  verhält,  so  hat  man  auch  im  litauischen 
biaurüs  (greulich)  neben  biaüres-tis  (greuel).  Durch  das 
adjectivische  biaures-tis  m.,  biaures-fö  f.  (ein  schmutziger, 
eine  schmutzige)  wird  man  sehr  an  das  lateinische  hones- 
-tus  gemahnt.  Zu  bedenken  ist  ferner,  dafs  im  slawischem 
sich  secundäres,  abstracta  bildendes  tä  häufig  findet  (ra~ 
bo*ta  u.  a.),  aber  das  daraus  entstandene  tä-ti  scheint  nicht 
vorzukommen,  sondern  mag  eben  durch  die  combination 
os-ti  ersetzt  worden  sein,  worin  -os-  die  stelle  von  -i# 
vertritt.  Wenn  endlich,  wie  aus  skr.  ap-a-as  neben  ap-aa, 
lat.  facin-us  u.  a.  hervorgeht,  das  suffix  as  nicht  immer 
unmittelbar  an  die  wurzel  treten  muis,  so  dürfte  es  um 
so  leichter  geschehen  sein,  dafs  das  slawische  noch  weiter 
gieng,  indem  es  von  den  meisten  adjectiven  abstracta  *uf 
osti  ableitet. 

e)  Durch  Zerlegung  und  annähme  einer  erweiterung 
von  ursprünglichen  as-  stammen  lassen  sich  noch  andere 


*)  Altbnlg.  draza  stammt  von  der  wurzel  dar gh,  skr.  darh  fest  Bein, 
vom  suffixe  abgesehen  entspricht  ihm  got.  tnlg-us  standhaft,  fest.  Allerdings 
gehen  darh  und  &ag<r  wohl  beide  ans  der  einfachen  wz.  dhar  hervor,  aber 
mittels  verschiedener  anfügungen.       J*  S. 


einige  bemerkangen  zu  Schleichers  compendium.  193 

suffixe  des  slawischen  mit  denen  verwandter  sprachen  ver- 
einigen, für  die  sich  sonst,  wenn  man  sie  nämlich  als  gan- 
zes betrachten  würde,  wenig  anknüpfungspunkte  fanden. 
So  stimmen  radost$  (pl.  f.  laetitia)  und  das  daneben  vor- 
kommende radosti  wohl  darin  übereiu,  dafs  beide  auf 
grundlage  eines  Stammes  *rad-os-  entstanden  sind.  Wäh- 
rend aber  rados*ti  an  seinem  ende  das  suffix  ti  enthält, 
hat  radost$  (stamm  radosta,  aus  *rados-tja)  das  daraus 
hervorgegangene  tjä,  welches  auch  im  lateinischen  substan- 
tiva  aus  adjectiven  bildet,  wie  laeti-tia,  justi-tia  u.  a.  m. 
Ebenso  läfst  sich  altsl.  zal-os-ti  =  lit.  gail-es-tis  mit  dem 
kleinrussischen  zaloäcy  zusammenstellen,  und  aus  dem  alt- 
böhmischen sind  instr.  pl.  radoscemi  (vor  freude),  miloäcemt 
(vor  liebe)  beizufügen.  Ein  anderer  fall  liegt  in  dem  Suf- 
fixe -ostyni  vor.  Denn  der  Zusammenhang  von  -tyni  mit 
dem  griechischen  -ovvtj  aus«  *Tfavri,  altind.  -tvana-  ist  wohl 
nicht  zu  verkennen  (vgl.  dixcuo-tivvri  mit  blagos-tyni  gute 
u.  a.);  nur  enthält  das  slawische  suffix  noch  einen  bestand- 
theil  mehr,  nämlich  -ja  (nom.  sg.  -ji),  so  dafs  also  -tyni 
für  ursprüngliches  *tvanjä  steht,  wie  auch  das  y  in  öetyri 
aus  älterem  va  entsprungen  ist.  Nicht  zu  übersehen  ist 
endlich  die  ähnlichkeit,  welche  sich  zwischen  -os-tyni  in 
mi l-o s- tyni  misericordia  und  dem  gotischen  -assu-  in 
ibnassus  zeigt,  welches  Bopp  für  zusammengesetzt  aus 
as  +  tu  erklärt  (vgl. /e/Uatf-irtv,  und  mit  -inas-  in  ska&~ 
-inas-8us  etwa  facinus). 

Schwieriger  ist  das  litauische  -^st6,  alt  -ysta  (lit.  gr, 
8.  118)  zu  erklären.  Indessen  kann  betontes  y,  d.  i.  i  auch 
eine  contraction  von  ja  sein  wie  in  tretysis  neben  trecz£- 
8is9  szlap^sis  neben  szlap&sis,  und  somit  würde  dieses 
suffix  von  ja -stammen  seinen  ausgang  genommen  haben 
(vergl.  z.  b.  got.  reiki  von  reiks,  barniski  von  barnisks  mit 
lit.  nekystö  von  nekas,  sarg^ste  von  sargüs,  bei  welchem 
ohnedies  schon  einige  casus  von  einem  stamme  *sargja- 
gebildet  werden).  Ist  ja  z.  b.  auch  xdtäog  für  *xa#o£ 
vom  adj.  xäXog  =  skr.  kaljas  ein  ähnlicher  stamm,  wie  er 
in  sarg^s-t&  enthalten  ist. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  13 


194  Burda 

Als  endresultat  dürfte  sich  aus  dem  vorhergehenden 
etwa  folgendes  ergeben:  der  consonant  s  im  slawischen 
suffixe  -osti  scheint  kein  blofser  Vorschlag,  sondern  ein  in- 
tegrierender bestandtheil  zu  sein.  Denn  es  läfst  sich  schwer- 
lich vom  litauischen  suffixe  -asti,  -esti  trennen,  welches 
aber  wohl  in  -as-ti,  -es-ti  zu  zerlegen  ist  und  in  dem  wahr- 
scheinlich ein  ursprünglicher  as- stamm  durch  das  suffix 
-ti  weitergebildet  wurde«  Und  andererseits  mufs  -os  in 
-osti  gerade  so  erklärt  werden  wie  in  -oäta  (aus  *os-tja, 
in  radoätej  und  -ostyni,  von  denen  das  letzte  allem  an- 
scheine nach  mit  dem  gothischen  -assu-  zusammenhängt. 
Wenn  nun  in  *-astu-,  woraus  -assu- jedenfalls  zunächst  ent- 
standen ist,  niemand  einen  blofsen  Vorschlag  von  s  an- 
nimmt, warum  sollte  er  in  -osti  u.  a.  stattgefunden  haben? 

Wenzel  Burda. 


Beiträge  zur  kenntnis  einiger  suffixe  im 

slawischen* 

Suffix  ynja,  nom.  8g.  yni. 

Es  klingt  für  den  ersten  augenblick  etwas  sonderbar, 
wird  jedoch  im  folgenden  zur  Wahrheit  werden,  dafs  das 
soeben  erwähnte  suffix  trotz  seines  geringen  umfanges 
aus  drei  anderen  zusammengesetzt  ist.  Da  ja  im  nom. 
sing,  in  ji  übergeht  und  gerade  n  davor  steht,  so  könnte 
dieser  umstand  zu  der  meinung  veranlafsen,  es  sei  das 
ganze  suffix  vielleicht  nichts  anderes  als  eine  slawische  form 
des  ursprünglichen  -anjä-,  welches  wie  im  griechischen 
■friaiva,  Xvxaiva  feminina  bildet.  Aber  -ynja-  geradezu 
einem  ursprünglichen  -anjä-  gleich  zu  setzen,  ist  haupt- 
sächlich wegen  des  vocales  y  nicht  zuläfsig  oder  doch  et- 
was misslich.  Denn  nach  der  analogie  der  suffixe  -man-, 
-an-,  -ana-  müfste  ein  ursprüngliches  a  im  slawischen  als 
e  erscheinen,   vergl.  ka-men-e,   step-en-e  (gen.  sing.), 


beitrage  zur  kenntnis  einiger  suffixeim  slawischen.  195 

pr^d-eno.  Daraus  geht  wenigstens  so  viel  hervor,  dafs 
der  vocal  y  in  -yni  höchst  wahrscheinlich  einem  ursprüng- 
lichen a  einzig  und  allein  nicht  entspricht. 

a)  Aus  den  femininen  ljuby  (amor),  svekry  (socrus) 
und  j^try  (tivdrriQ)  neben  den  masculinen  ljubü  (carus), 
sv ekrü  (socer)  und  dem  griechischen  üvazriQ  kann  man 
entnehmen,  dafs  das  euffix  y  =  urspr.  ü  auch  dazu  dient, 
feminina  und  abstracta  zu  bilden;  letzteres  ist  in  ljuby, 
ersteres  in  svekry  der  fall.  Am  belehrendsten  ist  aber 
das 'wort  j§try.  Es  unterscheidet  sich  nämlich  vom  gr. 
eh'ccTtiQ,  lat.  janitrix  und  lit.  gente,  gen.  sing,  genters  be- 
sonders dadurch,  dafs  das  suffix  -tar,  mittels  dessen  alle 
genannten  Wörter  abgeleitet  sind,  im  slawischen  zu  einem 
femininum  auf  ü  weiter  gebildet  erscheint,  grundform  jan- 
-trü-8  aus  jantarü-s.  Wenn  aber  die  slawische  erwei- 
terung  durch  -ü-  mit  der  lateinischen  durch  -ic-  zusam- 
menfallt, so  beweist  dies  wohl,  dafs  beide  suffixe  -ü-  und 
-Ic-  dieselbe  function  haben.  Ueberdies  liegt  die  weiter- 
bildung  eines  Stammes  auf  -tar-  zu  einem  neuen  auf  rtru- 
auch  im  lateinischen  Substantiv  toni-tru-  von  tonare  vor, 
obgleich  die  genera  von  j^try  und  tonitru  verschieden 
sind. 

b)  Ist  aber  svekry  das  femininum  zum  a- stamme 
svekro-,  noui.  svekrü,  und  ljuby  zu  ljubo-,  so  wird 
wohl  die  Voraussetzung  erlaubt  sein,  dafs  diese  bildungs- 
weise nicht  auf  die  erwähnten  fälle  beschränkt  war,  son- 
dern häufigere  anwendung  fand. 

Man  nehme  jetzt  nur  vorläufig  an,  dafs  überall  dort, 
wo  jetzt  das  suffix  -ynja-  sich  findet,  ein  kürzerer  stamm 
auf  ü  vorangegangen  ist,  z.  b.  *bogy  dem  vorkommenden 
bogyni  (göttin).  An  einen  solchen  ü- stamm  traten  fer- 
ner die  suffixe  an -ja,  die  ja  auch  im  griechischen  femi- 
nina bilden:  Xvxaiva  zu  Xvxog.  Der  stammvocal  des  an- 
genommenen ü-stammes  spaltete  sich  vor  dem  a  des  neuen 
Suffixes  nothwendigerweise  zu  uv,  vgl.  gen.  sing,  krüv-e 
zu  nom.  sing.  *kry  (erschlofsen  aus  dem  neuslowenischen 
kri  und  dem  slowakischen  krü),   so  dafs  man  als  grund- 

13* 


196  Bord« 

form  von  bogyni  etwa  bhagnvanl  aus  bhaguvanjä  auf- 
stellen kann.  Und  nun  findet  dasjenige  anwendung,  was 
Bopp  vgl.  gramm.  3.  ausg.  1.  bd.  s.  272  sagt:  „Aus  jtivan- 
entsteht  in  den  schwächsten  casus  die  form  jün-  (gen.  jü- 
n&s  gegenüber  dem  acc.  jüvänam) ;  indem  nämlich,  nach 
zusammenziehung  der  silbe  va  zu  u,  dieser  vocal  mit  dem 
vorhergehenden  u  zu  ü  zusammenfliefsen  mufs.  Aus  dem 
zusammengezogenen  stamme  jün-  entspringt  auch  durch 
anftkgung  des  feminincharacters  I  der  weibliche  stamm  jünf; 
hierzu  stimmt  merkwürdig  der  durch  ein  angefügtes  c  er- 
weiterte lateinische  stamm  jünlc-,  der  sich  zu  seinem  skr. 
vorbilde  verhält,  wie  genitrlc-  zu  ganitrl-".  Eine  ver- 
gleichung  des  wortes  *juvanf  und  der  angenommenen 
grundform  *bhaguvanl  zeigt  deutlich,  dafs,  abgesehen 
von  j  und  bhag,  beide  einen  gleichen  ausgang  besitzen: 
(j)uvanf,  (bhag)uvanl.  Ferner  sagt  Bopp  (a.  a.  o.): 
„Ueberhaupt  fügt  sich  im  sanskrit  der  feminincharacter  t 
bei  Wörtern,  welche  im  masc.  und  neutr.  stamm  Schwächun- 
gen zulafsen,  in  der  rege]  an  den  geschwächten  stamm  der 
letzteren".  Nun  aber  ist  I  in  (bhag)uvani  der  genannte 
feminincharacter,  der  einen  geschwächten  stamm  verlangt, 
und  ebenso  ist  -uvan-  wirklich  ein  stammauslaut,  welcher 
eine  Schwächung  zuläfst;  man  wird  also  wohl  nicht  irren, 
wenn  man  behauptet,  in  bhag-uvan-l  sei  dieselbe  Schwä- 
chung eingetreten,  durch  welche  jünf  aus  *juvani  her* 
vorgegangen  war,  d.  h.  in  bhaguvani  schwand  a  und  das 
dadurch  zu  u  vocalisierte  v  verschmolz  mit  dem  vorher- 
gehenden u  zu  ü,  daher  bhaguvani,  bhaguum  und 
endlich  bhagüni. 

Dem  letzten  worte  entspricht  das  slawische  femininum 
bogyni  so,  wie  man  es  sich  nicht  befser  wünschen  kann. 

c)  Als  beweis  für  diese  auffafsuog  des  Suffixes  yni 
lä&t  sich  noch  folgendes  anführen.  Die  erweiterung  eines 
älteren  ü-  Stammes  durch  -an-l  zu  yni  ist  schon  mehr  als 
wahrscheinlich,  weil  sich  neben  yni  in  blagyni  (bonitas) 
von  blagü  auch  noch  das  einfachere  y  in  ljuby  (amor) 
von  ljubü,  und  zwar  ohne  unterschied  der  fhaction  vor- 
findet. 


Baudouin  de  Courtenay,  Übergang  der  tonlosen  consonanten  etc.     197 

Die  länge  des  ü  in  der  grundform  ünl=yni  ist  feiv 
Der  im  altpreufsischen  erhalten.  Denn  Nesselmann  fährt 
die  worte  sup-üni*)  nom.  sg.  (hausfrau)  und  mald-ünin 
acc.  sg.  (jugend)  an,  beide  mit  dem  zeichen  der  länge.  Ist 
das  erste  ein  femininum  wie  bogyni,  rabyni  u.  s.w.,  80 
verhält  sich  wiederum  das  zweite  zum  slawischen  a^jecti- 
vum  mladu  wie  z.  b.  dobryni  zu  dobri*.  Gerade  das 
abstractum  maldünin  beweist,  dafs  das  altpreufsiscbe 
-üni  mit  dem  slavischen  -yni  identisch  ist. 

Wenzel  Burda« 


Uebergang  der  tonlosen  consonanten   in  die 
ihnen  entsprechenden  tönenden  in  der  histori- 
schen entwickelung  der  polnischen  spräche. 

Präposition  z,  s.  Diese  präposition  vertritt  im 
polnischen  drei  altbulgarische  präpositionen :  1)  izü  (ex); 
2)  8Ü,  so  (de);  3)  sü,  so  (cum).  Dieser  letzten  stellt  sich 
als  nebenform  8q  zur  seite,  und,  was  das  Verhältnis  des 
sü  und  sq  betrifft,  so  scheint  mir,  dafs  nicht  erst  im  sla- 
wischen sich  sü  aus  83  entwickelt  hat,  sondern  dafs  beide 
formen  schon  früher  neben  einander  existirten,  da  wir  z.  b« 
auch  im  sanskrit  sa  neben  sam  haben. 

Diese  drei  präpositionen  kommen  sowohl  gesondert, 
causale  beziehungen  ausdrückend,  vor  als  auch  in  Zusam- 
mensetzung. Im  polnischen  finden  wir  in  der  Zusammen- 
setzung nur  2)  und  3)  unterschiedlos  gemischt,  1)  wird 
hier  durch  vy  vertreten,  z.  b.  altbulg.  izübrati,  poln« 
wybrac  (wählen).  Bei  dem  gesonderten  gebrauche  dieser 
drei   präpositionen    fand    im    polnischen  eine  vollkommene 


*)  das  ü  ist  hier  wohl  aas  langem  5  entstanden,  vergl.  lit.  iiupöne, 
und  dies  ist  entlehnt  aus  dem  slawischen  zupanja,  zupani;  lit.«,  preufs. 
fi  also  sss  slaw.  a.      Sr. 


198  Baudotiin  de  Conrtenay 

Vermischung  statt;  nur  dem  poln.  s,  se  (cum)  stehen  als 
ihm  ausschliefslich  zukommende  nebenformen  altbulg.  83, 
su9  so,  sä  zur  seite. 

Da  in  dieser  gemeinsamen  form  sowohl  die  präposi- 
tion  mit  z,  als  die  präpositionen  mit  8  stecken,  so  hinter- 
ließen auch  beide  lautvarietäten  ihre  spur,  aber  nicht  gleich- 
mäßig: z  ist  vorherrschend,  8  aber  selbst  in  der  uns  zu- 
gänglichen ältesten  epoche  seltener  und  mit  der  zeit  ab- 
nehmend. 

Ob  es  s  oder  z  lautet,  kann  man  nur  vor  vocalen, 
nasalen  (m,  m',  n,  n),  l-lauten  (1,  J,  1'),  zitterlauten  (r,  f) 
und  vor  j  bestimmen.  Vor  verscblufslauten  und  reibungs- 
geräuschen  (aufser  j)  ist  es,  in  folge  der  nothwendigen  as- 
similation,  unmöglich  zu  entscheiden.  Gruppen  also,  wie 
zb,  sp,  zd,  st,  zz,  ss  u.  s.  f.  kommen  nicht  in  rech- 
nung. 

Getrennt  finden  wir  s:  1)  dem  jiz  (ex)  entsprechend: 
8  neba,  s  neb'os  (aus  dem  hinimel)  (14.  jabrh.);  —  s 
inego  (aus  meinem),  s  jich  domu  (aus  ihrem  hause), 
s  m'eöewa  (aus  Mieczew),  8  r$koj  ernst  fa  (aus  der  bürg- 
schaft)  (um  1400);  —  fstat  s  martfy  (er  ist  auferstan- 
den), 8  egipta  (aus  Aegypten)  (erste  b.  d.  15.  jahrh.);  — 
8e  cmyntafa  (aus  dem  kirebhofe),  se  dwu  rodu  (aus 
den  zwei  geschlechtern),  se  f£i  (aus  dem  dorfe)  (1450);  — 
s  nich  (aus  ihnen),  s  nej  (aus  ihr),  s  nas  (aus  uns),  8 
nego  (aus  ihm),  se  mne  (aus  mir)  (1520);  daneben:  z 
osoby  (aus  derperson)  (14.  jahrh.);  z  jej  (aus  ihr,  1500); 
z  ust  (aus  dem  munde),  z  r^k  (aus  den  händen),  zna- 
dzeje  (aus  der  hoffnung),  z  neba  (aus  dem  himmel)  (1520); 
z  mof  a  (aus  dem  meere)  1580)  u.  8.  f. 

2)  Dem  s  (de)  entsprechend:  8  obu  stronu  (von 
beiden  Seiten)  (14.  und  15.  jahrh.);  s  m'esca  (von  dem 
orte,  um  1400)  u.  s.w.; 

3)  dem  s  (cum)  entsprechend:  se  drzenim  (mit  zit- 
tern), se  tzam'i  (mit  den  thränen),  se  zw'? Kern  (mit  dem 
klänge,  —  heutzutage  ze  dzw'§lrem),  se  placem  (mit 
dem  weinen),    s  otcy   naäym'i  (mit  unsern  vätern),    se 


Übergang  der  tonlosen  consonanten  etc.  199 

ks<jz$ty  (mit  den  forsten),  s  obliöym  (mit  dem  antlitz), 
8  m^zm'i  (mit  den  männern),  8  ludzm'i  (mit  den  leuten), 
s  moc$  (mit  macht),  8  jescy  (mit  den  reitern)  (14.jahrh.); 
—  se  tfym'i  (mit  dreien),  se  ctyrm'i  (mit  vieren),  s 
inym'i  (mit  den  meinigen),  8  nim  (mit  ihm),  s  jednym 
(mit  einem),  s  margorat^  (mit  Margaretha)  (um  1400);  — 
se  slym  duchem  (mit  dem  bösen  geiste),  s  abramem 
(mit  Abraham),  s  tn'üym  (mit  dem  lieben),  s  nim'i  (mit 
ihnen)  (15.  jahrh.);  —  se  dw'ema  paropkoma  (mit  zwei 
knechten),  se  dw'ema  dzestoma  (mit  zwanzig),  se  psöo- 
lam'i  (mit  den  bienen),  se  dw'ema  pfys^znikoma  (mit 
zwei  vereideten),  s  mal  er  3  (mit  der  matter)  (1450);  — 
8  nam'i  (mit  uns),  s  nim  oder  s  nem  (mit  ihm),  8  ri§ 
(mit  ihr)  (1500);  —  s  nim,  s  nim'i  (mit  ihnen),  's  nam'i, 
s  113  (1520);  —  se  mn$  (noch  im  16.  jahrh.);  daneben: 
z  jizaakem  (mit  Isaak)  (15.  jahrh.);  ze  dw'ema  sfat- 
koma  (mit  zwei  zeugen),  z  ryceftfem  (mit  der  ritter- 
schaft),  z  jinem'i  (mit  den  andern),  ze  sfym  odeein  (mit 
seinem  vater),  z  jim'enim  (mit  dem  gute)  (1500);  z  task$ 
(mit  der  gnade),  z  ojcy  (mit  den  vätern),  ze  dw'ema 
(mit  zweien),  z  mlot&em  (mit  dem  j ungern),  z  onym'i 
(mit  jenen)  (1560);  z  nim'i  (mit  ihnen)  (1580)  u.  8.  f. 

In  den  präpositioneilen  Zusammensetzungen  wird  z, 
jiz  (ex)  durch  wy  vertreten;  und  wir  finden  hier  nur  s 
(de)  und  s  (cum),   unterschiedslos  zusammengeflofsen  : 

sebrad  (sammeln),  sebrane  (Versammlung)  (14.  jahrh., 
1500);  sjem  oder  sejm  (reichstag)  und  sejmo  wad  (reichs- 
tag  halten)  von  se  (cum)-Hwz.  ji  ( ire ) -f- suff.  m,  z.  b. 
loc.  na  semm'e  (1500);  sejmo  wac  (herabnehmen,  heute 
zrfejmowad,  verb.  perf.  zdj<|d),  sejmowane  (das  her- 
abnehmen) von  se  (de)  -+-  wz.  j  im  (nehmen)  (1520),  semred 
sterben),  smart  (er  ist  gestorben)  (1450,  1500);  s  er  wad 
(herabreifsen,  1520),  6Jachad  (herabfahren,  15.  jahrh.), 
sjednoöerie  (Vereinigung,  16.  jahrh.),  sjimad  (herabneh- 
men, 1450);  slqcyd  (16. jahrh.)  neben  zl(|cy6  (verbin- 
den), sioroad  (zerbrechen,  1500),  slozyc  (zusammensetzen, 
16.  jahrh.),   stupid  (berauben,  1450),  sm^did  (betrüben). 


200  Baodouin  de  Oonrtenay 

sm$tek  (betrübnis)  (14.  jahrh.  —  1520),  sm'ilowae  se 
(sich  erbarmen),  sm'iiowane  (das  erbarmen)  14.  jahrh. — 
1520),  smoiwa  (Verabredung,  14.  jahrh.),  smowa  (dass.), 
smow'id  se  (sich  verabreden)  (1400 — 1520,  und  noch 
1560);  smudirf  se  (sich  betrüben),  smuda  (zeitversäum- 
nis,  1450);  smysl  (sinn,  1500 — 1650)  neben  zmysl  (schon 
1580),  sm'säane  (Vermischung,  14.  jahrh.);  s  durch  pala- 
tale  assimilation  zu  s  geworden  z.  b.  in  slicny  (hübsch, 
1520),  slup(gelübde),  slub'ic  (versprechen) (1400— 1520); 
£lub'i<5  se  (sich  gefallen,  1520);  Sm'erny  (mäfsig,  1520) 
von  s-f-m'era  etc.,  sm'erny,  sm'erny  (friedlich,  cf.  russ. 
sm'irnyj)  (1520),  Sm'erd  (tod),  sm'§kcyc5  (erweichen 
1520),  sneSd  (aufefsen),  z.  b.  snedli  (sie  haben  gegefsen) 
(14.  jahrh.);  £m'otana  (sahne,  16.,  17.  jahrh.);  sfadek 
(zeuge)  mit  assimilation  des  wurzelhaften  w';  —  neben: 
zw'adek  (zeuge,  1500;  hier  eine  umgekehrte  assimilation) ; 
zum'eli  Se  (erstaunten)  später  zdum'eli  £$;  zl^kfsy  se 
(erschrocken  seiend,  1520),  zl^cyd  (verbinden,  1520),  se 
zlub'iio  (es  gefiel,  1520),  zm'^kcywa  (wir  beide  werden 
es  erweichen,  1580)  u.  s.  f.  u.  s.  f. 

In  der  nur  dem  s  (cum)  zukommenden  nebenform  83, 
so:  83 sat  (nach bar),  sämsat  von  samsat,  sarusat(1650 
— 1730);  s^p'ef ,  s^p'erca  (widersacher,  15. jahrh.);  sam- 
nene,  somnene  (gewifsen,.  1520). 

Allmählich  beginnt  dies  im  15.  und  am  anfange  des 
1 6.  jahrh.  weit  genug  verbreitete  s  dem  tönenden  z  zu  wei- 
chen: 1520:  8  nim'i,  schon  1560:  z  nim'i.  In  zwei  bü- 
ehern  von  1650,  1640  finden  wir  stets  smysly  (sinne),  in 
den  andern  ausgaben  derselben  bücher,  1752,  1754,  nur 
zmysly.  —  Heutzutage  erhält  sich  tonloses  8  in  einigen 
präpositionellen  Zusammensetzungen  deutlich  tonlos,  ob- 
gleich vielleicht  zehnmal  weniger  als  im  15.  jahrh. 

In  der  nebenform  83,  80,  su:  s^sat  (nachbar),  s^sek 
(scheuerfach);  sobor  (concilium),  sojuä  (bündnifs);  su- 
m'ene  oder  sumAene  (gewifsen). 

Als  eigentliche  präposition  s:  sejm  (reichstag),  sej- 
mowa<5  u.  8.  w.,  sm$tny  oder  smutny  (trübe),  sm$tek 


Übergang  der  tonlosen  consonanten  etc.  201 

oder  sm utek  (Betrübnis),  smucid  s  $  (sich  betrüben)  u.  s.  f. ; 
palatal  assimilirt,  d.  i.  s:  slicny  (hübsch),  slup  (auch 
Slup  ausgesprochen^  gelübde,  trauung),  u-£m'efad  (beru- 
higen), sm'ece  (kehricht),  sm'erd  (tod),  sm'eta na  (sahne), 
gnadad  (frühstücken),  snadane  (frühstück),  snedny 
(efsbar),  sfadek  (aus  s-w'ad-e-k,  zeuge,  wo  durch  den 
gegenseitigen  einflufs  des  8  und  w',  s  palatal  und  w'  ton- 
los geworden  ist),  sf'adomy  (aus  s-w'ad-o-m-y,  be- 
wufst),  und  in  ihren  ableitungen.  Vielleicht  auch:  smyk 
(bassgeigenbogen),  smycek  ( Violinbogen),  smyc  oder 
emyca  (hetzriemen),  smukly,  wysmukly  (schlank), 
osmukad,  osmykac  (abstreifen),  smagad  (geifseln), 
8ma2yd  (prägein),  skr y  dlo  (fiügel),  sköra  (haut),  sf$dzid 
(aus  8-w§dzid,  dampfen),  sfqt  (aus  s-wqd,  dunst),  slepy 
(blind),  £lip'e  (äugen);  entschieden  aber  nicht  in  äl ac ti- 
li c  (edelmann),  wie  manche  polnische  historiker  behaupten 
(als  ob  dieses  wort  aus  *z-lach-ci-d  von  lach  entstan- 
den wäre),  da  slachdic  vom  ahd.  slahta  und  slaht 
(genus,  ge-schlecht)  stammt,  von  der  Wunderlichkeit  jener 
etymologie  selbst  abgesehen.  —  Sonst  herrscht  in  den  prä- 
positioneilen Zusammensetzungen  z;  für  frühere  Wörter  mit 
s  haben  wir  jetzt:  zebrac,  zebrane,  zrfejmowad,  zem-  . 
red,  zmarl,  zexwad,  zjechad,  zjednocyd,  zdejmad, 
zdj^d,  zla^yd,  zlamad,  zto2yd,  zlup'id,  zm'ilowad 
6$,  zm'ilowane,  zmowa,  zm6w;i<5  s§ ,  zmuda, 
zmysl,  zra'$äane,  riezm'erny  (unermefslich)  u.  s.  w. 

Beim  volke  mancher  gegenden  lebt  tonloses  s  auch 
getrennt  fort,  nämlich  vor  n,  als  s  (palatal  assimilirt): 
&  nij  (aus  ihr),  s  nich  (aus  ihnen),  s  riego  (aus  ihm), 
s  na.  (mit  ihr)  u.  s.  w.  Sonst  hat  sich  hier  z  als  allge- 
meine präposition  festgestellt  und  ist  nur  in  folge  laut- 
physiologischer  bedingungen  tonlos  (s),  also  vor  tonlosen 
consonanten,  z.  b.  s  konem  (mit  dem  pferde),  s  panem 
(mit  dem  herrn),  8  sob$  (mit  sich),  s  torby  (aus  der 
tasche)  u.  8.  f.;  ähnlich  in  Zusammensetzung:  skoncyc* 
(endigen),  spusdid  (herablafsen),  ssadziö  (herabsetzen), 
stulid  (zusammendrücken)  u.  s.  w. 


202  Baudouin  de  Courtenay 

Die  präposition  ote,  ot  (von)  ist  im  polnischen  in 
ode,  od  übergegangen,  natürlich  steht  od  nur  da,  wo  es 
so  ausgesprochen  werden  kann,  also  vor  vocalen  u.  8.  w. 
Nichts  desto  weniger  hat  sich  auch  ot  in  wenigen  spuren 
erhalten,  die  sich  aber  mit  der  zeit  vermindern.*  —  Noch 
im  17.  jahrh.  finden  wir  otm$t  (Verwirrung),  otnoga 
(sprofs,  flufsarm),  jetzt  nur  odme.t,  odnoga.  Dafür  aber 
sind  bis  zur  stunde  erhalten  otför  (Öffnung),  otfarty  (ge- 
öffnet, offenherzig),  otferaC  und  otfofyc*  (öffnen)  u.s.w. 
aus  ot  +  wz.  w'er,  wor,  wo  tonloses  t  auf  w  assimilirend 
wirkte.  —  Im  böhmischen  ist  ebenso  älteres  ot  durch  od(e) 
vertreten. 

Die  präposition  k  (zu)  gieng  in  g  über  in  gfeöy, 
gfecny  (anständig,  höflich)  aus  k  fecy,  und  in  gmy- 
sli  neben  kmysli  (dem  sinne  entsprechend;  16.  jahrh.) 
aus  k  mysli.  Dafs  sie  in  gwoli  (halber,  wegen,  aus 
k  woli)  in  g  übergieng,  war  physiologisch  nothwendig  (?). 

Im  anfange  des  16.  jahrh.  finden  wir  neben  srom 
(schäm),  srom  ad  se  (sich  schämen),  srom'ezliwy  (schäm* 
haft)  u.  8.  f.  auch  zrom,  za-zromane  (beschämung), 
zromaje.cy  se  (sich  schämend),  zrom'ezliwoäc*  (Schad- 
haftigkeit) u.  s.  f.  von  der  wz.  srom.  Ebenso  neben  dze- 
wosl^b  (brautwerber)  —  dzewozl$b  (s  —  z). 

In  allen  formen  und  ableitungen  des  Wortes  lab$<5 
(schwan)  finden  wir  im  16.  und  noch  im  17.  jahrh.  <5,  also 
gen.  sg.  lab$da,  dat.  pl.  labe^om  u.  s.  f.;  adject.  Iab$<5i 
(schwanen-)  u.  s.  f.  Später  aber  trat  im  stamme  das  tö- 
nende dz  ein;  also  nom.  sg.  lab $(5  (physiologisch  bedingt), 
aber  gen.  lab^dza,  dat.  pl.  lab$dzom  u.  s.  f.,  adj.  lab§- 
dzi  u.  s.  f.  Aehnlich  steht  im  böhmischen  labud'  —  neben 
dem  älteren  labut',  kaprad'  —  (farnkraut)  für  altböhm. 
slowak.  paprat'. 

Im  16.  jahrh.  kommt  w'elgi  (grofs)  nom.pl.  v/eldzy 
neben  w'elki,  w'elcy  vor;  im  17.  und  18.  aber  w'elgo- 
polski  für  und  neben  w'elkopolski  (grofspolnisch),  w 
w'elgipolsce  für  w  w'elkopolsce  (in  Grofspolen)  u. 8. f.; 
und  beim  volke  kann  man  noch  heute  w'elgi,  w'elgä 
u.  s.  f.  für  w'elki,  w'elkä  (grofs)  hören. 


Übergang  der  tonlosen  consonanten  etc.  203 

Von  der  wurzel  wys-  (hoch)  bildet  die  polnische 
spräche  adj.  wysoki  (hoch),  wyssy  (höher),  auch  wyäy 
ausgesprochen  u.  s.  w.  Von  derselben  wurzel  stammen 
auch  das  adverbium  wyzej  (höher)  und  subst.  wyzyna 
(hochebene).      Das    adverbium    wyzej    lautete    noch    im 

16.  jahrh.  wyäej;  und  dafs  auch  das  subst.  wyzyna  ehe- 
mals wysyna  gelautet  hat,  beweist  der  ortsname  vy- 
äyna;  denn  in  den  Ortsnamen  erhalten  sich  öfters  alter- 
tümlichere formen  am  längsten. 

Die  consonantengruppe  st  im  verbum  jestem,  jestes, 
jest  u.  s.  f.  wird  von  manchen,  wo  dies  physiologisch  mög- 
lich ist,  wie  zd  ausgesprochen;  also  jezdem,  jezdes,  je- 
zdesmy,  jezdeSde,  aber  nur  jest. 

Auslautendes  c  vor  e  der  aus  dem  verbum  substantivum 
übriggebliebenen  -em,  -es,  -esmy,  -esce  wird  oft  wie 
dz  ausgesprochen,  z.  b.  nidzem  (=  nie  jesm)  ne  w'i- 
dzat  (ich  habe  nichts  gesehen),  udedzem  (=  udec  jesm) 
ne  mögt  (ich  konnte  nicht  entfliehen),  nidze&de  (=  nie 
je£rfe)  ne  zrob'ili  (ihr  habt  nichts  gethan)  u.  s.  f. ;  älach- 
lidzem  (=  slachdic  jesm)  dobry,  moWis  (ich  bin 
ein  guter  edelmann,  sagst  du;  17.  jahrh.). 

Eine  entgegengesetzte  richtung,  nämlich  die  tönenden 
consonanten  in  tonlose  zu  verwandeln,  sehe  ich  1)  da  wo 
nach  analogie  des  nominativs  stammhafter  tönender  conso- 
nant  durch  den  entsprechenden  tonlosen  vertreten  wird, 
z.  b.  vom  stamme  caprag-  (Schabracke)  finden  wir  noch 
im  17.  jahrh.  nom.  pl.  capragi,  gen.  sg.  capraga  n.  s.  f.; 
nun  wirkte  der  physiologisch  bedingte  nom.  sg.  caprak  auf 
die  ganze  declination,  und  so  entstanden  gen.  sg.  capraka, 
nom.  plur.  capra&i  u.  s.  f.   (vielleicht  sind   aber  die  im 

17.  jahrh.  vorkommenden  formen  mit  g  folge  jener  richtung, 
die  tonlosen  in  tönende  zu  verwandeln).  —  Vom  stamme 
dezd£- (regen)  mufs  der  nom.  sg.  desc  lauten;  und  darum 
haben  wir  auch  den  gen.  descu  neben  dzdzu  u.  s.  f.  — 
Das  subst.  nom.  lep  (köpf)  vom  stamme  leb-  wird  zwar 
gen.  sg.  tba,  dat.  Ibu,  nom.  pl.  tby  etc.  declinirt;  aber  das 
deminutivum  lautet  tepek  (köpfchen). 

Ferner  finden  sich  vereinzelte  beispiele  dieser  Wandlung 


204  Bandonin  de  Coartenay 

der  tönenden  consonanten  in  tonlose.  Das  aus  der  präpos. 
paz  und  dem  subst.  noged  (dem  altbulg.  nogüti  entspre- 
chend) zusammengesetzte  subst.  lautet  entweder  paznoged 
oder  paznokec  (nagel),  welche  letztere  form  durch  die 
anlehnung  an  die  obliquen  casus  gen.  paznoktSa,  dat. 
paznokdow'i  (beide  physiologisch  bedingt)  u.  s.  f.  entstehen 
konnte. 

Aehnlich  spricht  z.  b.  das  Warschauer  volk  1.  pers. 
prät.  setem  für  ä  edlem  (ich  gieng),  nach  analogie  der 
3.  pers.  (partic.)  set  für  sedl  (er  gieng)  u.  8.  w. 

Anfangs  des  16.  jahrh.  kommen  sporadisch  formen 
vor  wie  sreb'$  (füllen)  für  und  neben  zfeb'$  (heute  mei- 
stens zreb'$  oder  zreb's),  wesm'ede  (ihr  werdet  nehmen) 
für  und  neben  weim'ede,  ne  nalesli  (sie  haben  nicht 
gefunden)  für  und  neben  ne  nalezli,  pfew'e£li  (sie  haben 
hinübergeführt)  für  und  neben  pfew'ezli.  Damit  vergl. 
maslo  (butter)  von  der  wz.  maz,  w'oslo  (rüder)  von  der 
wz.  w'ez.  —  Im  14.  und  15.  jahrh.  brauchte  man  für  zly 
(bös)  —  s?y,  z.  b.  pfed  slym  pow'etrym  (vor  der  bösen 
luft;  um  1400),  se  slym  duchem  (mit  dem  bösen  geiste), 
nad  stym'i  duchy  (über  die  bösen  geister;  1.  hälfte  des 
15.  jahrh.). 

Berlin,  mai  1868. 

J.  Baudouin  de  Courtenay. 


Wortformen  und  selbst  sätze,   welche  in  der 
polnischen  spräche  zu  stammen  herabgesunken 

sind. 

• 

Ich  sehe  hier  vollkommen  ab  von  allen  entlehnten  no- 
mina  masc.,  die  meistens  nur  ihren  nominativ  im  polnischen 
als  stamm  gelten  lassen.  Ich  spreche  nicht  darüber,  dafs 
z.  b.  der  abl.  pl.  rebus  (rebus)  und  der  dat.  pl.  omnibus 
(omnibus),  vom  volke  auch  ognibus  (Volksetymologie)  aus- 


/ 

wortformen  und  selbst  s&tze,  welche  in  der  poln.  spräche  etc.       205 

gesprochen,  im  poln.  stamme  (und  auch  nominative  sing.) 
geworden  sind  (obgleich  nicht  unmittelbar  aus  dem  latein 
entlehnt),  denn  hier  fehlte  es  vollständig  am  Sprachgefühle; 
ich  will  mich  nur  auf  die  einheimischen  Wörter  beschränken. 

1.     Fertige  wortformen,  als  stamme  dienend. 

Gen.  dual,  dwu,  obu  wurden  als  stamm  zur  bildung 
der  gen.  dual,  (plur.)  dwuch  (dwöch),  obuch  (oböch) 
benutzt,  welche  neben  älteren  dwu,  obu  vorkommen. 

In  ähnlicher  weise  dient  die  3.  person  sing.  präs.  vom 
verbum  subst.  jest  jetzt  als  präsensstamm  für  andere  per- 
sonen  (die  3.  pl.  ausgenommen);  sing.  1.  jest-em,  2.  jest- 
-e£,  pl.  1.  jest-esmy,  jest-esde.  Damit  kann  man  die 
im  16.  und  17.  jahrh.  gebrauchte  wendung  mysmy  s$  = 
my  jesmy  (1.  pl.)  s§  (3.  pl.)  oder  s^smy  (wir  sind)  ver- 
gleichen. Noch  im  1 5.  jahrh.  sagte  man  jesm,jes,je£my, 
jesce. 

Vom  pronomen  ty  (du)  stammt  das  verbum  ty-k-a-d 
(dutzen,  du  sagen),  welches  durch  Volksetymologie  mit 
tyk-a-d  (antasten,  röhren)  im  Sprachgefühle  zusammenge- 
flofsen  ist. 

Pron.  kto£  oder  ktö£  (jemand)  =  kto  +  s  kann  als 
subst.  gefühlt  und  dann  folgendermaßen  declinirt  werden: 
8g.  nom.  kto£,  gen.  kto£a,  dat.  kto£ow'i,  loc  ktosu  u.s.f., 
pl.  dorn,  ktose,  gen*  ktosöf,  dat.  ktosom  etc.;  die  pro- 
nominale declination  ist  nur  im  sing,  gebräuchlich:  gen. 
kogös,  dat.  komus  etc. 

Aus  dem  pronomen  nie  (nichts)  =  ni  4- c  (co)  wur- 
den die  substantiva  nic-o-sd  (nichtigkeit),  nic-e-stf-o 
(nichts)  und  von  letzterem  weiterhin  das  verbum  u-nic- 
-e-8tf-i-d  (vernichten)  gebildet.  Von  einer  anderen,  dem 
polnischen  fremden  Variation  dieses  pronomens  (niä£o) 
flfAyyfnt.  das  verbum  niäcyd  (vernichten). 

Vom  adverbiam  tak  (ja;  verkürzt  aus  neutr.  tako, 
solches)  stammt  das  verbum  po-taJ£-iw-a-d  (beipflichten, 
ja  sagen).  Vgl.  russ.  pod-da-k-iv-a-tf,  deutsch  be-ja- 
-hen,  ver-nein-en,  ver-nicht-en  u.  s.  f. 


206  Baudouin  de  Courtenay 

Die  adverbien  dzi£aj  (heute),  fcoraj  (gestern),  beide 
secundär  postjotirt,  werden  von  einigen  Schriftstellern  im 
sinne  von  Substantiven  verwendet,  z.  b.  instr.  8g.  dzisajem, 
föorajem  u.  8.  f. 

2.     Mit   präpositionen  verbundene   casusformen, 
-   welche  neubildungen  zu  gründe  liegen. 

Die  adjectiva  gfecny  (artig,  hoflich),  negfecny 
(unartig),  dorecny  (angemefsen,  gescheit),  nedofecny 
entstanden  durch  vermittelung  der  ausdrücke  k  (präpos.  zu) 
feöy  (dat.  sing,  fem.,  subst.  Sache)  und  do  (präpos.  zu) 
f  ecy  (gen.  sg.  fem.).  . 

Adj.  codzenny  (täglich)  ist  durch  adverbialisches 
codzen  (täglich)  =  co  (pron.)  4-dzeri  (acc.  sg.  masc.) 
vermittelt. 

Adj.  nikcemny  (früher  untauglich,  später  nichtswür- 
dig, niederträchtig)  ist  eine  Weiterbildung,  vermittelt  durch 
den  ausdruck  nikcemu  (für  k  nicemu,  zu  nichts)  =  ni 
(negation)  -+-k  (präposition)  -+-  cemu  (dat.  des  pron.  co 
was,  mit  ni  =  nichts),  wofür  man  jetzt  do  nicego  sagt. 
Hier  wird  vom  Sprachgefühle  der  seines  endvocals  beraubte 
dativ  vom  pron.  co  (also  cem-  aus  cemu)  für  den  stamm 
angesehen. 

Subst.  msc.  dojutrek  (verzögerer)  ist  eine  Weiterbil- 
dung, durch  do  jutra  (bis  morgen)  =  do  (präp.)  H-ju- 
tra  (gen.  sg.  ntr.)  vermittelt. 

Der  genitiv  tygo-dna  für  tego-dna  von  ty-dien 
(woche)  vermittelte  den  stamm  tygodn-  für  die  obliquen 
casus  und  für  den  plur.,  also  dat.  tygodnow'i,  instr. 
tygodnem  u.  s.  f.,  nom.  pl.  tygodne  u.  s.  f. 

3.    Stammgewordene  casus  mit  präpositionen. 

Ehemaliges  ähnlich  wie  niköemu  gebildetes  ni-we-£ 
(jetzt  w  nie,  in  nichts)  =  ni  (negation)  4-we  (präpos., 
in)  +  5  (=  öe,  jetzt  nur  co,  pronomen  acc,  was)*)  wird 


*)  Damit  vergl.  ziiis6ym  =  z  lii  s  2ym  für  %  Aiiym  (mit  nichts), 


wortformen  und  selbst  Sätze,  welche  in  der  poln.  spräche  etc.        207 

heutzutage  als  subst.  fem.  gefühlt,  und  demzufolge  werden 
einerseits  solche  Wendungen,  wie  w  niwec  obrödic  (zu 
gründe  richten)  ermöglicht,  andererseits  ein  verbum  ni- 
wecyd,  zniwecyrf  vernichten),  und  was  damit  zusammen- 
hängt, gebildet. 

Ebenso  gebildet  ist  das  substantivum  nicpon  (tauge- 
nichts)  =  nie  (nichts)  4- po  (präpos.  nach) -f- n  (entweder 
acc.  oder  verkürzter  loc. *)  vom  pronomen  ji,  ja,  je,  im 
nomin.  durch  on,  ona,  ono  vertreten),  und  adjeetivisches 
niepotym  (unbrauchbar,  zu  nichts)  =  nic-f-po-f-tym 
(loc.  sg.  msc.  und  ntr.  vom  pron.  ten,  ta,  to),  z.  b.  to 
clow'ek  niepotym  (das  ist  ein  mensch  zu  nichts). 

Adj.  potomny  (nachfolgend),  pfytomny  (anwesend), 
subst.  potomek  (nachkomme),  potomstfo  (nachkommen- 
schaft),  potomnosd  (nachweit),  prytomnosd  (anwesen- 
heit)  u.  s.  w.  sind  Weiterbildungen  von  den  mit  den  präpo- 
sitionen  po  (nach)  und  pry  (bei,  an)  zusammengesetzten 
loc.  sing.  (msc.  und)  ntr.  po  tom,  pfy  tom,  sparsamen 
spuren  der  heutzutage  fast  vollständig  erloschenen  prono- 
minalen declination. 

4.     Mehrere  zusammengerückte  Wörter  (nomina) 

als  stamme  geltend. 

Voc.  sg.  ojee  naä  (vater  unser!),  als  eigenname  des 
betreffenden  gebets,  ist  zu  einem  subst.  msc.  zusammenge- 
rückt, was  auch  der  accent  beweist:  ojc&nas  (nicht  öjce 
naä),  und  wird  dem  entsprechend  declinirt:  gen.  ojeenasa, 
instr.  ojeenasem,  loc«  w  ojeenasu  u.  s.  f. 

Subst.  neutr.  Weleziego  (eine  pflanze,  zehrwurz,  esels- 
ohren,  pfaffenbinde)  **)  =  w'ele  (pron.  viel)  -+-  ztego  (gen. 

w  nifcym  (17.  jahrh.)  =  w  lii  w  cym  für  w  riicym  (in  nichts),  zniskgt 
=  z  rii  8  k^d  für  z  nik$d  (von  nirgends). 

*)  Vergl.  dori  für  do  nego  (gen.),  dlari  Air  dla  liego  (gen.),  nan* 
(für  na  ji,  acc.)  neben  na  nego.  Nach  dem  verschwinden  des  echten  selb- 
ständigen aecusativs  ji,  welcher  sich  nur  nach  prftpositionen  mit  dem  vor- 
geschlagenen n  als  n  erhalten  hat,  ist  dies  ursprünglich  nur  aecusativische  n 
cur  generellen  form  für  alle  casus  neben  den  andern,  ihnen  eigentümlichen, 
herabgesunken,  ähnlich  wie  duales  -u. 

**)  nach  Linde  Arum  maculatum.     Sr. 


208  Baudouin  de  Courtenay 

s.  n.  vom  adj.  zly,  schlimm),  ist  aber,  so  viel  ich  weifs, 
noch  indeclinabel. 

1)  WasmoSd,  was<5  (eine  anrede  =  Sie),  asrf  (dass.), 
2)asindzej,  3)  jegomos<5  masc.  (gnädiger  herr),  4)j^j- 
rnosd,  jimosd  (gnädige  frau),  5)  jespan,  6)  acan  (= 
deutsch  2.  sing.  Ihr)  n.  s.  f.  sind  aus  1)  waäa  mosd  (nom. 
8.  f.),  2)  wasa  mo£<5  dobrodzej,  3)  jego  (gen.  sg.pron.) 
mos 6  (nom.  sing.  fem.  mit  überspringen  in  anderes  genus- 
geföhl),  4)  jej  mo£<5,  5)  jego  mo£<5  pan,  6)  waämoäö 
pan  zusammengerückt,  und,  weil  sehr  häufig  als  anrede 
and  titel  gebraucht,  meistens  bedeutenden  Verkürzungen 
unterlegen. 

Die  zusammenrückung  nom.  Velkanoc  ( oster n)  = 
w'elka  (grofse)  -+■  noc  (nacht)  dient  jetzt  als  ein  stamm 
für  die  ganze  declination  dieses  wortes:  gen.  dat.  v/elka- 
nocy  (oder  w'elK^jnocy)  u.  8.  f. 

Das  adj.  pofäedni  ist  nach  dem  vorbilde  des  latei- 
nischen quotidianus*)  aus  der  zusammenrückung  po 
(präp.  nach,  über)-r-ffie  (wäe,  pron.  alle) -H  drii  (acc. 
plur.  subst.  tage)  gebildet  und  hat  dabei  ein  überspringen 
in  anderes  kategoriengefühl  stattgefunden  u.  s.  w. 

5.     Verbale  formen,  substantivisch  geworden. 

Das  subst.  stuli£,  gen.  stulisa  (masc.  eine  pflanze, 
sophienkraut,  Wiesenraute)  **)  könnte  man  für  nichts  mehr 
und  nichts  weniger  ansehen,  als  für  die  2.  pers.  sing,  vom 
verbum  inf.  stuliö  (schliefsen,  zusammendrücken).  VergL 
aber  g n ad  oä  (braunes  pferd),  griidoeS(läusekraut),  gw'az- 
dos  (sinnau)***),  sporyä  (afterkorn),  strojiä  (stock  am 
zuggarne)  u.  s.  f. 

Subst.  fem.  nezapom'inajka  (vergifsmeinnicht)  ist 
eine  Weiterbildung  durch  suffix  ka  vom  imperativ  ne  za- 
pom'inaj  (vergüs  nicht).  Damit  vgl.  lat.  noli  me  tan- 
gere  und  deutsch  vergifs  mein  nicht. 

*)  Damit  vergl.  altbnlg.  naefstinyj  und  rnas.  nasuscnyj,  dem  grie- 
chischen inbovaioq  genau  nachgebildet. 
**)  nach  Linde  Thalictrnm.     Sr. 
***)  nach  Linde  werden  mehrere  pflanzen  gw'azdos  genannt     Sr. 


wortformen  und  selbst  sätze,  welche  in  der  poln.  spräche  etc.        209 

Ebenso  ist  der  imper.  he  chlej  (wolle  nicht)  zum  subst. 
n e  c  h  6 e j  (trägheit,  faulheit),  gen.  n  e c  h  6  e j  a ,  geworden. 


6.  >  Ganze  Sätze,  die  entweder  zu  stammen  her- 
abgesunken   sind,    oder    Weiterbildungen    ver- 
mitteln, 

Subst.  masc.,  aber  femininisch  declinirt,  w'er«5ip'§ta 
(luftspringer)  ist  durch  den  satz  w'errfi  p'qtq  (er  dreht 
mit  der  ferse)  vermittelt.  Mit  3  konnte  dies  wort  im  nom. 
nicht  schliefsen,  und  darum  ersetzte  man  den  instr.  p'§tc| 
durch  den  entsprechenden  nom.  p'^ta.  Aehnlich  gebildet 
sind  odfysköra  masc.  (leuteschinder)  aus  odfy  (alter 
imper.,  schinde)  skor§  (acc.  s.  f.,  die  haut),  dlaw'imu- 
yka  fem.  (fliegenschnäpper,  einvogel)  aus  dlaw'i  (er  würgt) 
musk$  (das  fliegchen),  sf  iscypala  oder  sf  iscypaJka 
(windbeutel)  aus  sf  i§cy  (er  sauset,  pfeift  zischend)  und 
pala  oder  palka  (keule?)  u.  ä. 

Das  subst.  masc.  p^dziw'atr  (windbeutel)  ist  nur  der 
satz  p^dzi  w'atr  (er  treibt  den  wind).  Ebenso:  wy- 
drw'igros  (geldauslocker,  geldschneider)  =  wydrw'i  gros 
(er  wird  den  groschen,  das  geld  ablocken),  odrw'isf'at 
oder  okp'isf  at  (erzbetruger)  =  odrw'i  oder  okp'i  sfat 
(er  wird  die  weit  betrügen),  obezysf'at  (herum treiber)  = 
ob'ezy  sfat  (er  wird  in  der  weit  herumlaufen,  wörtlich: 
die  weit  belaufen)  u.  s.  f. 

Subst.  msc.  ssekfat  (eine  art  kolibri)  ist  der  satz: 
s&e  kfat  (er  saugt  die  blume). 

Aus  dem  satze  samo  b'ije  (es  schlägt  selbst)  entstand 
das  subst.  neutr.  samob'ije  oder  masc.  samob'ij  dies 
letzte  vielleicht  aus  dem  imperativ;  schlage  selbst;  beide 
worte  bezeichnen  in  den  volksfabeln  ein  wunderbares,  un- 
belebtes und  doch  schlagendes  wesen,  in  folge  des  stre- 
bens  nach  personification  und  mythologisieren,  das  durch 
die  spräche  selbst  gegeben  ist. 

Subst.  neutr.  w'idzim'is^  (gutdünken),  indeclinabel 
oder,  da  nom.  widzim'ise  ausgesprochen  wird,  gen.  wid- 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  14 


210  Baudouin  de  Courtenay 

£im'sa  u.  8.  w.,  ist  nur  der  satz:  widzi  m'i  s^  (es  scheint 
mir). 

Das  gebet  zur  heiligen  Maria  beginnt  mit  dem  satze 
zdrow&&,  zusammengezogen  aus  zdrowa  jes  (du  bist" 
gegrüfst,  sei  gegrüfst).  Davon  ist  durch  eine  Weiterbil- 
dung mittelst  des  Suffixes  k  das  subst.  fem.  zdrowaska 
als  benennung  dieses  gebetes  entstanden. 

Von  dem  satze  padam  do  nök  (nög)  („ich  falle  zu 
fbfsen",  ein  höflicher  begrQfsungsausdruck)  ist  das  subst. 
fem.  pluiale  tantum  padamdonöäki  gebildet. 

Damit  könnte  man  das  wort  copfak  vergleichen,  den 
Spitznamen,  der  den  Cechen  von  den  österreichischen  Deut- 
schen beigelegt  wird,  und  der  aus  der  böhmischen  frage: 
„co  pak?"  (was  denn)  durch  Volksetymologie  (als  ob  es 
von  zopf  stamme)  entstanden  ist*). 

Ferner  könnte  man  an  den  Ursprung  des  wortes  „bi- 
got"  erinnern. 

Es  läfst  sich  diese  Sammlung  der  hieher  gehörenden 
Wörter  des  polnischen  vielfach  vermehren.  Ich  habe  z.  b. 
die  Ortsnamen  gar  nicht  berücksichtigt,  und  unter  diesen 
findet  sich  eine  beträchtliche  zahl  solcher,  die  einem  sprich- 
worte  oder  beiläufigen  aussprflchen  ihre  entstehung  ver- 
danken. —  Eine  Sammlung  der  auf  ähnliche  weise  gebil- 
deten böhmischen  Ortsnamen  kann  man  finden  in  dem  auf- 
.  satze  „Humor  v  nasich  nazvecb  mist  a  osob"  in  der  Zeit- 
schrift „Svetozor",  Wien  1861,  no.  5,  s.  227. 

Berlin,    mai  1868. 


*)  Ich  habe  nur  „zoppak",  mit  slaw.  Schreibung  „copak"  gehört, 
meist  in  Verbindung  mit  dem  adjectivum  „böhmisch"  z.  b.  das  ist  ein  rich- 
tiger böhmischer  „zoppak",  d.  h.  ein  mensch  der  nur  cechisch,  nicht  deutsch 
spricht,  oder  sprechen  will  und  jede  deutsche  anrede  mit  co  pak?  was 
denn?  d.  h.  „ich  verstehe  das  nicht"  erwidert.     Sr. 

J.  Baudouin   de  Courtenay. 


doppelung  des  suffixea  -ti-  in  der  poln.  und  russ.  spräche.  211 

Doppelung  des  Suffixes  -ti-  in  der  polnischen 

und  russischen  spräche. 

-ti-  ist  die  grundform  dieses  Suffixes,  die  im  altbul- 
garischen vorkommt.  Russisch  haben  wir  -t'  oder  -ti  (be- 
sonders im  inlaute),  polnisch  aber  -d  oder,  noch  im  16.jahrh. 
bei  Infinitiven,  und  im  14ten  etwa  bei  Substantiven  -di. 

1)  Substantiva,  meistens  femin.  abstr.  —  Das  ein- 
fache suffix,  im  polnischen  -c,  weicht  allmählich  dem  ver- 
doppelten -sd  (aus  -cc).  Im  14.  jähr b.  finden  wir  jednod: 
loc.  w  jednodi  u.  s.  f.,  später  nur  jednosd  (einigkeit). 
Am  anfange  des  16ten  cystod  neben  cystoSd  und  cy- 
stota  (reinigkeit,  keuschheit);  jetzt  ist  nur  cystosd  ge- 
läufig. Das  im  14.  jahrh.  vorkommende  sromod  aber  ist 
durch  die  form  mit  suffix  -ta  —  sromota  (schände)  — 
verdrängt.  Heutzutage  finden  wir  seltner  das  einfache  (w'il- 
god  feuchtigkeit,  dobrod  gute  u.  8.  w.),  sehr  häufig  aber 
das  verdoppelte  suffix:  rownosd  (gleichheit),  m'ilosd 
(liebe),  zlosd  (bosheit),  wolnosd  (freiheit),  j e d n o s d  (ei- 
nigkeit) u.  8.  f.  —  Im  russischen  sind  die  formen  mit  dem 
verdoppelten  Suffixe  fast  allein  herrschend*). 

2)  Infinitivus.  Noch  im  ganzen  16.  jahrh.  und  am 
anfange  des  17ten  finden  wir  im  polnischen  den  infinitiv 
jid  (gehen),  was  uns  einen  directen  beweis  dafür  liefert, 
dafs  das  in  der  conjugation  dieses  verbums  erscheinende 
d  nicht  zu  der  wurzel  gehört,  —  und  zwar  eben  sowohl 
in  dem  einfachen  verbum  jid,  als  auch  in  seinen  Zusam- 
mensetzungen mit  präpositionen:  odyd  oder  odejd  (aus 
od-jid),     wriid   (aus   w-jid),     wyriid**)   (aus  wy-jid), 

*)  Die  deutung  von  -s<5,  altbulg.  -sti  aus  *-<5c  d.  i.  -ti  ti  ist  mehr 
als  zweifelhaft.  Vgl.  Miklos.  bildung  der  nomina,  im  altsl.  §.  83;  zeitschr. 
I,  148.     Sr.     [Vgl.  auch  oben  8. 188—194.  _  J.  S.] 

**)  n  statt  j  kann  nicht  .befremden.  Man  darf  nur  bei  der  ausspräche 
des  j  die  luft  auch  durch  die  nase  tonend' strömen  lassen,  und  n  ist  fertig. 
Damit  vergl.  den  Wechsel  des  n  mit  j  in  jem'i  für  riemi  (mit  ihnen),  jim 
für  nim  (,mit  ihm)  u.  s.  f.,  om'ina<5  für  om'ija<5  (ausweichen)  (16.  und 
17.  jahrh.),  und  noch  heute  wyrida,  für  wyjd$,  wynida.  für  wyjid§  (ßie 
werden  ausgehen),  pfyndz'e  für  pfyjdz'e  (er  wird  kommen;  z.  b.  in  War- 
schau), bajduryl  =  banduryl  (schwatzen)  und  viele  andere.  [Ueber  den 
werth  dieses  n  vgl.  Schleichef  comp.  §.  182,  7,  c,  s.  807.  —  J.  S.] 

14* 


212  Baudouin  de  Courtenay 

pfyd  (aus  pry-jil)  u.  s.w.  Später  aber  verdoppelte  man 
das  suffix,  und  so  entstanden  formen,  wie  jisd,  odejsd, 
wej£<5,  wyjSd,  pryjSd  u.  8.  w.,  wobei  das  im  präsens- 
stamme erscheinende  d  ( j  i  d  9 ,  jidzeä  u.  s.  f.)  nicht  ohne 
einflufs  war.  —  Ebenso  wird  dieses  suffix  jetzt  verdoppelt 
im  verbum  w  z  3  d  (nehmen),  man  spricht  neben  wzqd  auch 
wza^d,  was  auch  durch  rein  phonetische  gründe  befördert 
sein  kann.  Denn  qd  ist  =  q-f-t-f-s  =  vocal  mit  dem  na- 
salen mittone  (kein  verschlufs)  -f-  verschlufslaut  -+-  reibungs- 
geräusch;  %&6  aber  =  a.  +  s-f-t  +  s,  d.i.  nasaler  vocal  -f- 
reibungsgeräusch  -+-  verschlufslaut  -+-  reibungsgeräusch  (alle 
drei  desselben  organes).  Es  ist  also  leichter  wza.sd,  als 
wzqd  auszusprechen,  und  darum  spricht  man  häufiger 
wza.£d  oder  wzond  (ond  =  vocal -+- nasalconsonant  mit 
dem  verschlufse  -f-t-f-s),  als  wz§d,  was  jedenfalls  eine 
gewisse  anstrengung  erfordert. 

Im  russischen  wird  das  infinitivsuffix  -ti  (t')  bei  dem 
verbum  it'i  (gehen)  verdoppelt,  und  zwar  viel  deutlicher, 
aber  nur  in  den  präpositioneilen  Zusammensetzungen:  saj- 
ti tfs a  (zusammenkommen)  aus  so-f-i-t'i-t'i-sa,  ujt'it'  (ab- 
gehen) aus  u-i-t'i-tf,  najtfitf  (finden)  aus  na-i-t'i-tf,  vaj- 
tfitf  (eingehen)  aus  vo-i-t'i-t',  abajt'it'sa  (entbehren)  aus 
obo-i-t'i-t'-£a  u.  s.  f.,  neben  den  der  Suffixverdoppelung 
entbehrenden  formen:  sajtiS,  ujt'i,  najt'i,  vajt'i,  abaj- 
IfiS  u.  s.  w. 

Berlin,   mai   1868. 

J.  Baudouin   de  Courtenay. 


Hinneigung  zu  e  im  polnischen. 

.  1)  Neben  dem  instr.  dual,  ocyma  (mit  den  äugen), 
uSyma  (mit  den  ohren)  findet  man  im  17.  und  18.  jahrh. 
oöema,  uäema;  und  nozdfema  (mit  den  nasenlöchern) 
ist  die  einzig  vorkommende  form. 

2)  -ym   im  instr.  und   loc.  8.  m.  u.  n.,  und   selbst  im 


hinneigung  zu  e  im  polnischen.  213 

dat.  plur.  der  adjectiva  wird  von  manchen  wie  em  ausge- 
sprochen, z.  b.  instr.  m.  dobrem  clow'eKem  (mit  dem 
guten  menschen)  f.  dobrym  clow'eKem,  n.  t$p*em  p'ö- 
rem  (mit  der  stumpfen  feder)  f.  t^pyrn  p'orem,  loc.  w. 
dobrem  clow'eku  f.  w  dobrym  clow'eku,  f  t^pem 
p'öfe  für  f  t^pym  p'öf  e  etc.;  dat.pl.  m.  dobrem  ludzom 
(den  guten  menschen),  n.  dzelom  lue  Kern  (den  mensch- 
lichen werken),  t^pem  p'örom  (den  stumpfen  federn), 
fem.  ziem  dzefcynom  (den  bösen  mädchen)  u.  s.  f.  für 
dobrym  ludzom,  dzelom  luckim,  t^pym  porom, 
ztym  dzefcynom.  Dies  ist  auch  hauptursache  des 
Schwankens  und  der  Uneinigkeit  in  der  Orthographie. 

3)  Eine  gewisse  dissimilation  kommt  vor  in  -ym'i  des 
instr.  pl.  der  adjectiva  und  -imy  der  1.  pers.  plur.,  die  im 
laufe  der  zeit  allmählich  in  -em'i  und  -emy  übergehen« 
So  spricht  man  z.b.  für  dobrym'i  (mit  den  guten),  t^pym'i 
(mit  den  stumpfen),  lucKim'i  (mit  den  menschlichen), 
pfedriim'i  (mit  den  vorderen)  u.  s.  f.  jetzt  fast  allgemein: 
dobrem'i,  t^pem'i,  lucKem'i,  pfednem'i  u.  s.  f.;  für 
cynimy  (wir  thuen),  rob'imy  (wir  machen),  patfymy 
(wir  schauen)  u.  s.  w. —  cynemy,  rob'emy,  patfemy. 

4)  In  den  denkmälern  des  16.  (seltner),  17.  (am  häu- 
figsten) und  18.  jahrh.  kann  man  diese  Vertretung  des  y 
oder  i  durch  e  im  part.  praet.,  das  temp.  praeter,  bildend, 
beobachten:  sing.  m.  bei  (er  war),  w'eäcel  (er  wahrsagte), 
tocel  (er  drehte),  n.  belo  (es  war),  welo  (es  heulte), 
zn^öelo  s$  (es  hat  sich  gelockt),  fem.  zycela  (sie 
wünschte),  wystaWela  (sie  stellte  heraus),  prem'$nela 
s$  (sie  verwandelte  sich);  pl.  masc.  kup'eli  (sie  haben  ge- 
kauft), beli  (sie  waren),  zrob'eli  (sie  haben  gemacht), 
omyleli  s§  (sie  haben  sich  geirrt),  belismy  (wir  waren); 
fem.  und  ntr.  bely  (sie  waren),  äpedely  (sie  entstellten), 
grozely  (sie  drohten),  zawely  (sie  haben  geheult),  na- 
baw'ety  (sie  erfüllten,  verursachten)  u.  s.  f.  für  und  neben 
byl,  w'egcyl,  tocyl;  bylo,  wylo,  zn^lilo  $s,  zy- 
cyla,  pfem'enila  s$;  kup'ili,  byli,  zrob'üi,  omylili 
6$,    bylismy;     byly,    Speöity,    grozily,     zawyty, 


214  Baudouin  de  Courtenav 

nabaw'ify  etc.     Dialectisch    und  von  einzelnen   personen 
kann    man   noch  heute  solche   formen  hören. 

5)  Das  adj.  frygijsKi  (phrygisch)  kommt  im  17.jahrh. 
auch  als  frygejsti  :  frygejsKej  vor. 

6)  Aus  styr  (Steuerruder),  syr  (käse),  pastyf  (hirt), 
bohatyr  (held)  etc.  sind  die  darneben  gebräuchlichen 
ster  oder  ster,  ser  oder  ser,  paster  oder  paster, 
bohater  n.  s.  f.  entstanden. 

7)  Eine  ähnliche  erscheinung  wie  unter  6)  im  auslaute 
tritt   uns   auch  im  inlaute  entgegen.     So  werden  z.  b.  die 
Wörter  söyry  (lauter,  aufrichtig),    styrnik  (steuermann) 
jetzt  meistenteils  äcery,  sternik  gesprochen.     Im  16., 
17.  und   18.  jahrh.  finden  wir  sporadisch   nom.  s.  f.  sela 
(kraft),  instr.  sel$,  dat.  sele,  voc.  s.  m.  zb'ef  e  (raubmör- 
der!);    z  belic$  (mit  dem  beifufse,  artemisia  vulg.),   ba- 
re ly  (gen.  sg.  oder  acc.  pl.,  fafs),  Kelka  (ein  paar),  telko 
(nur),  mel<|  sq  (sie  irren  sich),  cerklem  (mit  dem  zirkel), 
tegodnöf  (der  wochen,  —  was  den   anschein  einer  grö- 
sseren  ursprünglichkeit  zeigt)  u.  f.  f.  für  und  neben  sila, 
sil^,    sile,  instr.  zb'irem,   z  bylic^,   baryly,  Kilka, 
tylko,   myla^  s$,   cyrklem,  cyrkulik  (kreischen),  ty- 
godnöf  u.  8.  f.    Die  meisten  von  diesen  formen  kann  man 
noch  heute  zu  hören  bekommen.  —  Viele  Warschauer  spre- 
chen Jenny  (anderer),  jenstygowac  (anklagen),  jendyk 
(truthahn),  jembryk  (kaffeekanne)  u.  8.  f.  und  selbst  j^- 
stygowac,  j^dyk  (in   folge   der  hinneigung  zum  nasal- 
vocale  q)  für  jinny,  jinstygowac,  jindyk,  jimbryk; 
80  auch  lenija  oder  lenja  (linie),  lelija  (lilie)  f.  linija, 
lilija;  diese  letzte  form  lelija  habe  ich  auch  in  den  denk- 
mälern  des  16.  jahrh.  gefunden.     Einige  wenige  individuen 
sprechen  jetzt  z.  b.  selbst  b'elet  (billet)  für  b'ilet  u.  ä. 

Umgekehrt  näherte  sich  e  in  manchen  fällen,  als  ge- 
trübtes, dem  i  oder  y  und  ist  selbst  in  diese  übergegan- 
gen. Dies  ist  der  fall  mit  -em  im  loc.  sg.  msc.  und  ntr., 
welches,  der  analogie  des  instr.  -ym  erliegend,  im  15.  und 
16.  jahrh.  in  -ym  überging.  So  auch  im  15.  und  16. jahrh. 
der  instr.  8g.  ntr.  von  den  contrahirten  stammen,  z.  b.  jim'e- 


einige  beobachtungen  an  kindern.  215 

nim  (mit  dem  gute)  im  unterschied  von  jim'enem  (mit 
dem  namen),  zbozym  (mit  dem  getreide),  z  weselim 
(mit  der  freude)  u.  s.  f.;  heute  nur  -em.  —  Im  16.  und 
17.  jahrb.  finden  wir  forty]  (kunstgriff)  für  und  neben 
fortel,  dyjamynt  (diamant)  f.  und  n.  dyjament,  dzito 
(werk)  f.  dzelo;  dzilo  sprechen  auch  jetzt  viele  Polen 
u.  8.  f.  u.  8.  f. 

Berlin,  aiai  1868. 

J.  Baudouin   de  Courtenay. 


Einige  beobachtungen  an  kindern. 

Alle  im  folgenden  erwähnten  beobachtungen  habe  ich 
an  polnischen  kindern  theils  selbst  gemacht,  theils  von 
glaubwürdigen  personen  vernommen;  nur  ein  einziger  fall 
bezieht  sich  auf  ein  russisches  kind. 

I.  Lautliches.  1)  u  für  i;  ein  dreijähriger  knabe: 
ja  b$d$  möw'ul  f.  mow'il  (ich  werde  sagen);  später  mit 
t:  omylut  s$  f.  omylil  £$  (er  hat  geirrt);  ne  ma  älu- 
fof  für  ne  ma  äliföf  (er  hat  keine  epauletten)  u.  ä. 

2)  e  für  a  in  folge  der  assimilation :  pow'eda  für  po- 
w'ada  (er  sagt)  u.  ä.,  wie  auch  von  manchen  erwachsenen 
gesprochen  wird. 

3)  3  för  5  in  wyp$dzaj$  för  wyp^dzajq  (sie  trei- 
ben aus)  u.  ä. 

4)  Manche  kinder  sprechen  j  für  r,  1,  1,  z.  b.  a)  jak, 
jozum,  daj,  kjaje,  juja,  jiba,  jisa,  jidel,  jinek, 
daji  etc.  für  rak  (krebs),  rozum  ( Vernunft),  dar  (gäbe), 
kraje  (er  schneidet),  rura  (röhre),  ryba  (fisch),  rysa 
(spalte),  rydel  (spaten),  rynek  (markt),  dary  (gaben) etc.; 
b)  japa,  juäko,  jep,  daj,  jisy,  jiko,  daji  etc.  ftkr 
lapa  (pfote),  löäko(bett),  lep  (köpf),  dal  (er  gab),  lysy 
(kahlköpfig),  lyko(bast),  daly  (sie  gaben)  etc.;  c)jaska, 
jajka,   dajeko,   stfejam,   strejiä,  daji,  jina  u.  8. f. 


216  Baudouin  de  Courtenay 

für  laska  (stock),  lalka  (puppe),  daleko  (weit),  stre- 
lam  (ich  schiefse),  stfelis  (du  wirst  schiefsen),  dali  (sie 
haben  gegeben),  lina  (seil)  u.  8.  w. 

Der  umstand,  dafs  sie  für  ryba,  rysa,  dary,  lysy, 
Jyko,  daly  —  jiba,  jisa,  daji,  jisy,  jiko,  daji  aus- 
sprechen, liefert  neben  vielem  andern  den  beweis  dafür, 
dafs  i  in  der  polnischen  spräche  (nicht  Orthographie)  im 
anlaute  und  nach  vocalen  präjotirt  ist.  Denn  wenn  hier 
blofs  r,  1  nicht  ausgesprochen  wäre,  dann  würden  diese  Wör- 
ter yba,  ysa,  day,  ysy,  yko,  day  lauten.  Dies  ist 
aber  nicht  der  fall;  der  vocal  y  macht  keine  ausnähme, 
und  auch  vor  ihm  wird  anstatt  r  j  ausgesprochen.  Nun 
folgt  eine  assimilation  des  vocals  y  an  den  vorangehenden 
consonanten  j  (es  versteht  sich,  dafs  alles  dies  auf  einmal 
geschieht,  nicht  nacheinander),  um  muskelthätigkeit  zu  er- 
sparen, da  der  Übergang  der  spracborgaue  von  j  zu  y  zu 
schwierig  ist.  So  geht  jy  in  ji  über,  und  der  anlaut  der 
Wörter  jiba,  jisy  für  ryba,  tysy  stimmt  vollkommen  zu 
dem  der  Wörter  jinny,  jich,  jim'§  u.  s.  f.  mit  ursprüng- 
lichem j. 

5)  Viele  kinder  sprechen  1  für  t  und  r:  für  lep, 
tapa,  lysy,  rura,  rak,  ryba  u/s.  f.  —  lep,  lapa, 
Hey,  lula,  lak,  liba  (assimilation  des  y  an  den  voran- 
gehenden palatalen  consonant  1,  ähnlich  wie  an  j). 

6)  r  für  1:  krutka  für  klötka  (schlofs)  habe  ich  von 
einem  dreijährigen  kinde  gehört. 

7)  Wie  bei  andern  Völkern,  so  sprechen  auch  bei  den 
Polen  viele  kinder  und  einzelne  erwachsene  d,  t  für  g,  k 
z.  b.  dura,  tura,  todut,  tot,  dadac  u.  8.  f.  für 
göra  (berg),  kura  (henne),  kogut  (hahn),  kot(katze), 
gadac  (plaudern).  Mir  scheint  aber,  dafs  dies  keine  ge- 
wöhnlichen dentalen  d ,  t  sind,  sondern  hinten,  am  gaumen 
entstehende,  vielleicht  an  die  sogenannten  sanskritischen 
cerebralen  erinnernde  laute. 

8)  Umgekehrt  brauchen  manche  kinder  k  für  t  und  p, 
z.  b.  krochy  für  trochy  oder  trooh$  (ein  bifschen), 
kroäk$  für  troäk?  (das6.);    zyk  für  zyt  (Jude);    kan- 


einige  beobachtungen  an  kindern.  217 

tofle  für  pantofle  (pantoffeln);  komidoj  für  pomidor 
( liebesapfel). 

9)  s  für  z  im  anlaute:  sjem,  slodzej,  s  maslem, 
srob'ic  etc.  für  zjem  (ich  werde  essen),  zlodzej  (dieb), 
z  mastem  (mit  butter),   zrob'ic  (machen). 

10)  Wechsel  des  f  mit  ch:  sf  intuf  für  sfintuph 
(schweinhund),  c hau  st  für  und  neben  faust  (Faust). 

11)  ls  für  f  in  mulals  für  mular  (maurer),  übri- 
gens z  (ä)  für  f,  wie  fast  allgemein  von  den  Polen  aus- 
gesprochen wird,  z.  b.  zne  für  rne  (er  schneidet)  u.  8.  f. 
Ein  andres  kind  sprach  f  für  rz,  z.  b.  dfy  für  drzy  (er 
zittert)  u.  s.  f. 

12)  Es  ist  allgemein  bekannt,  dafs  die  Polen  kein  tö- 
nendes h  (wie  Böhmen  und  Kleinrussen,  z.  b.  hora,  hy- 
nouti  u.  8.  f.)  haben,  und  dafs  sie  dafür  ch  aussprechen. 
Nur  die  in  klein-  und  weifsrusgischen  gegen  den  lebenden 
machen  hier  meistenteils  eine  ausnähme.  Es  hängt  dies 
von  der  beschaffen heit  der  Sprachorgane  ab.  Indem  ich 
ein  fünfjähriges  kind  hora,  huk,  halastra  aussprechen 
liefs,  hörte  ich  vora  oder  ora,  uk  oder  chuk,  atastra 
oder  chatastra. 

13)  ü  für  1  wird  auch  von  vielen  erwachsenen  Polen 
gesprochen,  z.  b.  üep  für  lep,  guaskac  für  glaskac 
(streicheln),  mydüo  für  mydlo  (seife)  u.  ä. 

14)  Sogenannte  metathesis:  na  wdör  für  na  dwör 
(hinaus),  fkaSny  für  kfaSny  (sauer);  fSina  oder  chfsina 
für  sf  iiia  (schwein);  okuralöf  für  okularöf  (der  bril- 
len);  kawarel  (oder  kawalek)  für  kawaler  (Jungge- 
selle), perelina  für  peleryna  (pelerine).  Damit  vergl. 
das  in  manchen  gegenden  volksthümliche  tko  für  kto 
(wer). 

15)  Vermeidung  des  biatus:  poleta  für  poeta  (dich- 
ter), napolewon  für  napoleon  (Napoleon);  aber  eu- 
ropa. 

16)  Vereinzelt  habe  ich  gehört:  k  für  c:  ne  plak 
für  ne  plac  (weine  nicht);  t  für  p:  pogret  für  pogföp 
(begräbnifs);    kii  für  km':   knotek  für  km'otek  (bauer); 


218  Bandooin   de  Courtenay 

nt  ftir  mp:  lonta  für  lompa  ( eigen name);  dv'  für  dj: 
dv'abel  fiir  djabet  (teufel);  bz  für  z  und  k  für  kn: 
bzankonc  für  zamkn 3c  (schließen);  mbl  für  dn:  bem- 
blas  für  bednaf  (böttcher);  er  für  str:  sryj  für  stryj 
(onkel);  pologancka  bulka  für  poznanska  bulka 
(poseosche  semmel);  jaglowa,  p'aglowa  für  pawlowa 
(frau  von  Paul);  assimilation:  rutro  für  jutro  (morgen); 
Verkürzung:  ksander  für  aleksander  (Alexander). 

17)  Eine  merkwürdige  contraction:  pajanna  aus 
panna  joanna  (fräulein  Johanne). 

18)  Ein  russisches  mädchen,  wenn  man  es  lateinisches 
ecclesia  auszusprechen  aufforderte,  konnte  es  auf  keine 
weise  aussprechen,  sondern  sprach  immer  dafilr  kjeza, 
ganz  genau  wie  italienisches  chiesa. 

II.  Stammbildung.  1)  Wurzelgefühl.  Für  lytki 
waden)  brauchte  ein  kind  primäres  lydy;  für  zdj^c  ein 
anderes:  zdyma.c  (z-d-im-a.-c). 

2)  Odebre,  für  odb'ore.  oder  odb'ere,  (ich  werde 
abnehmen). 

3)  Für  zaloze.  (ich  werde  legen)  —  zakladne,  von 
der  gleichbedeutenden  wurzel  klad-,  wovon  das  verbum 
imperfectum  zakladac. 

4)  Suffixe:  von  p'es  (hund)  bildete  sich  ein  kind  das 
deminutivum  psunek,  von  gruby  (dick)  den  comparativ 
nicht  grupäy,  sondern  grub'ensy;  für  pos$sc.  (aus 
po-s§d-c,  verb.  perf.,  in  besitz  nehmen)  —  posqdzic; 
von  der  wurzel  kop-  (verb.  kopac,  stofsen  mit  den  füfsen) 
subst.  kops  (das  stofsen).  Ein  anderes  kind  bildete  sich 
vom  stamme  powoz-  (nom.  powös,  kutsche)  ein  subst. 
fem.  powozna  für  wozowna  (wagenremise),  und  von  der 
wurzel  tyk-  (verschlingen)  subst.  m.  tykaö  für  gardlo 
(kehle). 

5)  Wechsel  der  präpositionen:  zakrajac  für  pokra- 
jac  (schneiden),  poäyfyc*  für  rosäefyc  (verbreiten),  ve- 
skryc  für  otkryc  oder  roskryc  (aufdecken). 

6)  Verba  denominativa :  vom  subst  lak  (Siegellack), 
zalakowac  für  zap'ec$towac  (siegeln);    von  slonce 


einige  beobachtungen  an  kindern.  219 

(sonne)  unpersönliches  sloncac  s§,  z.  b.  sloricalo  &q 
für  slonce  sf'ecilo  (die  sonne  schien);  vom  subst.  maslo 
(butter)  namaslowac  för  posmarowac  maslem  (mit 
butter  beschmieren)  u.  s.  f. 

III.  Wortbildung.  1)  Fut.  zabra  (nach  analogie 
von  da,  ma,  sc$ga  u.  s.  f.)  für  zab'efe  (er  wird  weg- 
nehmen) u.  8.  f. 

2)  Futurum,  mittels  des  verbums  chc^  u.  8.  f.  (ich 
will)  gebildet,  z.  b.  chc§  zlecec  för  zlec$  (ich  werde 
herabfallen). 

IV.  Syntactisches.  1)  Anstatt  des  pronom.  possess. 
ward  der  gen.  pron.  pers.  gebraucht,  z.  b.  cy  to  ielle  jest 
olöwek  för  cy  to  tföj  olowek  (ist  dies  deine  bleife- 
der)  u.  s.  f. 

2)  Die  meisten  kinder  trennen  die  personalendungen 
von  dem  conditionalen  by  (ehemaliger  aorist)  ab,  z.  b.  ja 
by  ci  zaras  oddalem  för  ja  bym  ci  zaraz  oddal  (ich 
möchte  dir  gleich  abgeben)  u.  s.  f. 

V.  Lexicalisches.  1)  Bin  kind  nannte  sich  selbst 
tocis,  kartoffeln  taua;  ein  zweites  nannte  kartoffeln  kal- 
kalki  (gemination  för  kartofle),  den  thee  balkulka 
(för  herbata),  den  zucker  ary  (för  cuKer),  den  brun- 
nen  karyk  (för  studna),  trommeln  duchn^c  (aus  dqc 
f  trqby  för  tr^b'id),  springen  pyrgac  (för  skakax5), 
den  umwölkten  himmel  rosmane  nebo  (för  pochmurne 
nebo). 

2)  Viele  kinder  brauchen  onomatopoetische  wörtchen, 
um  die  thiere  zu  bezeichnen,  z.  b.  ol  ol  jidze  mu\  (siehe 
dal  siehe  da!  es  geht  ein  ochs  oder  eine  kuh  —  poln.  w'ol 
oder  krowa),  be!  (schaf,  poln.  ofca)  u.  ä. 

VI.  Dafs  auch  die  kinder  gleichlautende  aber  verschie- 
denes bedeutende  Wörter  durch  kleine  lautveränderungen 
schattiren,  daför  kann  ich  einen  beweis  anföhren.  Als 
nämlich  ein  kind  das  rätsei:  co  to  zw'efe  ma  ctyry 
nogi  i  p'efe?  (was  för  ein  thier  hat  gefieder  und  föfse 
vier?)  hörte,  sagte  es:  he  mow'i  &$  p'ere,  tylko  p'ife 
(p'efe),     bo    to    kob'eta   p'efe   (man    darf  nicht  p'efe 


220  Baudouin  de  Courtenay 

sagen,     sondern    p'ife    [gefieder],     denn    ein    weib   p'efe 
[wäscht]). 

Berlin,  juni  1868. 

J.  Baudouin   de  Courtenay. 


Zetacismus  in  den  denkmälern  und  mundarten 

der  polnischen  spräche. 

In  einem  denkmale  des  15.  jahrh.  lesen  wir  nicht  nur 
loc.  sg.  msc.  bodze,  wo  -je  die  endung  ist,  und  nom.  pl. 
studzy  (beide  wie  gewöhnlich),  sondern  auch  vor  den 
endungen  -y,  -e  verwandelt  sich  dort  g  in  dz  oder  dz; 
so  z.  b.  pfed  bodzem  oder  bodzem  (?  vor  gott)  für 
bogem  (bekanntlich  müssen  im  polnischen  g  und  k 
vor  e  und  y  palatal  ausgesprochen  werden,  g,  K,  unge- 
fähr wie  deutsches  k  in  kind,  g  in  giefsen,  und  dann 
geht  y  in  i  über),  drodze  kam'ene  (kleinode)  für  droge 
kam'ehe,  drodzim  kam'enim  (mit  kleinoden)  für  dro- 
gim,  tyto  ks§dzi  (diese  bücher)  für  k£$gi,  drudzi 
pfyktat  (ein  anderes  beispiel)  für  drugi,  ubodzi  (ein 
armer)  für  ubogi  u.  8.  f. 

In  demselben  denkmale  lesen  wir  ogzen  für  ogeii 
(feuer);  dies  ist  kein  schreib-  oder  druckfehler,  da  es  an 
zwei  stellen  so  vorkommt.  Damit  vergl.  ks§c  (priester, 
ehemals  fürst),  ks^ga  (buch)  für  K^c,  K^ga  (kj$c, 
kj§ga),  und  dies  für  kn^c,  kn§ga)  oder  eher:  kriiga 
=  Kinga  =  K$ga  =  ks^ga. 

In  einer  polnischen  mundart,  nämlich  bei  den  soge- 
nannten Kurpiken  im  gubernium  Lomza  (früher  Plock), 
erliegen  auch  die  labialen  consonanten  dem  zetacismus. 
So  z.  b.  bzaly  für  b'aly  (weifs),  kobzalka  für  kob'alka 
(lüschke),  kobzita  für  kob'eta  (weib),  bzaika  für 
b'atka  (ehefrau,  in  der  Schriftsprache  und  sonst  zona  ge- 
nannt), obzat  für  ob'at  (mittagessen),  psiwo  für  p'iwo 
(bier)  u.  s.  f. 
Berlin,  juni  1868.        J.  Baudouin  de  Courtenay. 


Wechsel  des  s  (s,  s)  mit  ch  m  der  poln.  spräche.  221 

Wechsel  des  s  (s,  s')  mit  ch  in  der  polnischen 

spräche. 

Es  ist  eine  längst  anerkannte  tbatsache,  physiologisch 
wie  auch  historisch  begründet,  dafs  s  (3,  s)  und  ch  in 
einander  übergehen.  Nichts  desto  weniger  meine  ich,  dafs 
directe  beweise  nicht  überflüssig  sind. 

In  den  verschiedenen  ausgaben  desselben  buches, 
X.  Marcin  Smiglecki.  O  Licbwie  y  wyderkach, 
finden  wir:  in  zwei  ausgaben  von  1596:  pokazalismy, 
1621,  1640,  1641,  1753:  pokazalichmy  (wir  zeigten). 
Hier  liegt  uns  eine  merkwürdige  Vermischung  des  ehema- 
ligen aori8ti  mit  dem  präteritum  vor,  durch  den  Übergang 
des  8  in  ch  ermöglicht.  In  der  1.  pers.  sing,  aber  wurde 
ch  in  bych  als  personalendung  angesehen  und  vom  m 
verdrängt,  wie  auch  heute  -6my  im  plur.  widzelismy 
u.  8.  f.  als  personalendung  gefühlt  und  von  m  verdrängt 
zu  werden  beginnt:  w'idzelim  u.  s.  f.  für  w'idzelismy 
(wir  sahen). 

Im  17.  jahrb.  finden  wir  in  einem  und  demselben  buiche 
neben  einander  formen  von  äyn§c  und  chyn^c  (sich  be- 
wegen, losmachen,  aufmachen),  äyn^fäy  s§  neben  ochy- 
nona,  ochyne  £$,  ochyn^t  s§,  chyn^c  s§. 

Noch  in  der  jetzigen  spräche  hören  wir  sypKi  neben 
chypKi  (rasch),  sf intus  neben  sfiiituch  (schweinhund), 
zdzis  oder  Zdzicho  ( Zdzislavchen ),  stas  oder  stach 
oder  stacho  (Stanislavchen)  u.  s.  f.  Weitere  beispiele  aus 
allen  slawischen  sprachen  kann  man  bei  Öafaf  ik,  O  pfe- 
tvofovani  hrdelnich  souhlasek,  Gas.  cesk.  Mus.  1847.  I. 
37 — 71,  nachlesen. 

Dieser  Wechsel  des  s  und  ä  mit  ch  ist  im  wesen  der 
polnischen  spräche  so  tief  begründet,  dafs  er,  gleichsam 
als  consonantische  Steigerung,  zur  differenzierung  der  be- 
deutung  benutzt  wird  (consonantische  flexion).  Mit  der 
Veränderung  des  wurzelhaften  s  (oder  ä)  in  ch  nämlich  be- 
zeichnet man  die  gröfse  oder  die  plumpbeit  des  betreffen* 
den  gegenständes,    z.  b.  nos  (nase),    noch   (eine  grofse, 


222  Ebel 

v 

plumpe  nase);  w^s  (Schnurrbart),  wach  (ein  grofser  Schnurr- 
bart); wlosy  (haare),  wlochy  (dass.  grob);  klusek  (klofs), 
kluch  (ein  grofser  klofs);  fraska  (kleinigkeit),  fracha 
(dasselbe  grob);  Kiäka  (blutwurst),  kicha  (eine  grofse 
blutwurst)  u.  8. f.;  ebenso  k alose  (kaloschen),  kalochy 
(dass.  grob). 

Berlin,  juni  1868. 

J.  Baudouin  de  Courtenay. 


Neutra  auf  -as  im  altirischen. 

In  einem  augenblicke,  wo  ich  von  der  unsäglich  mühe- 
vollen arbeit  an  der  Gramm.  Celt.  ein  wenig  „an  den  luft" 
trete,  wenn  auch  „in  den  ringen",  sehe  ich  mich  danach 
um,  was  ich  wohl  unter  den  mancherlei  interessanten  er- 
gebnissen  meiner  arbeit  unsern  lesern  als  das  interessanteste 
bieten  könnte.  Da  lohnt  es  denn  wohl  einen  blick  auf  die 
altirischen  neutra  zu  werfen,  deren  ausscheidung  und  ver- 
theilung  mir  mitunter  nicht  geringe  Schwierigkeiten  ge- 
macht hat. 

Am  leichtesten  stellen  sich  im  ganzen  die  neutralen 
a-  (vorzüglich  die  ia-)  stamme  dar,  unter  denen  etwa  fol- 
gende besonders  nennenswerth  sind:  sil  (same,  neuir.  siol), 
gen.  sil  (sil),  als  neutrum  erwiesen  durch  die  glosse:  is- 
hoisaac  dofuisemthar  asil  nairegde  (ex  I.  genera- 
bitur  semen  eius  principale)  Wb.  4,  und  leth  (dimidium), 
bekannt  aus  leth  ngotho  Sg.  5a,  von  leth  (latus)  ge- 
schieden durch  den  dat.  leuth:  noichthiche  colleuth 
duarim  (29|  tag  zu  zählen)  Cr.  3b;  doch  bleiben  unent- 
schiednen  geschlechts  cumang,  fulang,  fugall,  tör- 
mag  (für  welches  atormag  Sg.  fx|  nicht  beweisend  ist, 
da  a  auch  pron.  poss.  sein  könnte),  ilar  und  die  entspre- 
chenden zahlsubstantiva. 

Dagegen  geben  sich  als  i-  stamme  von  vornherein  nur 


neutra  auf  -as  im  altirischen.  223 

folgende  deutlich  durch  den  umlaut  im  nom.  acc.  kund: 
muir  (meer),  acc.  issammuir  Tr.  132  (St.  Goid.  14), 
guin  (wunde):  anguin  Ml.  55 r,  buäid  (sieg):  niba  oin 
gebas  ambuäid  huaibsi  (non  erit  unus  e  vobis  qui 
accipiet  palmam)  Wb.  Ha.  Drei  andre,  rind  (gestirn), 
tir  (ager),  mind  (insigne,  diadema),  sind  nach  dem  altiri- 
schen nicht  bestimmt  unterzubringen,  da  u-umlaut  oft  un- 
terbleibt, wie  in  bith  (mundus),  bei  i  regelmäfsig,  und  der 
einzige  casus,  der  bei  rind  und  mind  den  ausschlag  ge- 
ben könnte,  der  dat.  sing,  nicht  belegt  ist;  ich  habe  mich 
daher  an  das  einzige  uns  noch  zu  geböte  stehende  hülfs- 
mittel,  an  das  neuirische  um  auskunft  gewandt,  und  das 
bietet  uns  alle  drei  ohne  o:  ttr,  mind,  rinn,  wonach  es 
i-st&mme  sind  (und  der  dat.  plur.  rendaib  eine  wunder- 
liche anomalie). 

Noch  schlimmer  sind  wir  mit  den  u- stammen  daran, 
wo  sich  deutlich  als  neutrum  und  zugleich  als  u- stamm 
nur  dorus  (thür,  dat.  pl.  merkwürdiger  weise  doirsib) 
zu  erkennen  gibt  und  die  nebenform  recht  (sonst  m.) 
nebst  desimrecbt  (exemplum).  Bei  andern  sind  wir  entwe- 
der des  genus  nicht  sicher  wie  bei  ith  (getreide),  sruth 
(flufs),  loch  (see),  die  ich  wegen  der  heutigen  ioth  f.,  sroth 
f.  O'ß.  neben  sruth  m.  O'Don.,  loch  m.  f.  für  neutra  halte, 
—  fid  (bäum),  das  ich  vor  zwölf  jähren  als  neutr.  ange- 
setzt, habe  ich  längst  als  masc.  aus  in  fid,  fid  aile  Z.  606 
erkannt  —  oder  wir  müssen  den  stammauslaut  erst  aus  dem 
neuirischen  folgern,  so  bei  61  (potus),  lind  (liquor,  potus), 
lin  (numerus),  heut  öl,  Hon.  Das  ist  nun  bisjetzt  unser 
ganzer  vorrath  mit  ausnähme  eines  einzigen,  *suth,  das 
nur  im  gen.  sg.  sotho  und  nom,  plur.  na  sothe999.  1000 
vorkommt,  heut  suth  (ohne  genusangabe  bei  O'R.)  oder 
soth  f.  (frucht);  das  e  in  sothe,  welches  bei  fem.  nie  vor- 
kommt aufser  durch  assimilation  (in  delbe  und  litre), 
nebst  dem  artikel  na  beweist,  dafs  wir  ein  neutrum,  die 
heutige  form,  dafs  wir  einen  u-stamm  vor  uns  haben. 

Nun  bleiben  uns  aber  noch  eine  anzahl  Wörter  übrig, 
die  mehr  oder  minder  entschieden  sich  als  neutra  kund- 


224  Ebel 

geben,    aber  solche  abweichungen  von  den  bisherigen  zei- 
gen,  dafs   man  sie  keiner   von    den  drei  classen  zuweisen 
kann  und  sogar  theil  weise  für  feminina  gehalten  hat,   wo- 
gegen doch  mehrere  formen  aufs  deutlichste  sprechen.   Ge- 
nauere betrachtung  hat  mich  zu  dem  resultate  geführt,  dafs 
dies  die  neutralen  -as-  stamme  sind,  deren  existenz  im  kel- 
tischen wir    alle   bisher   geleugnet  haben.     1)  teg,   tech 
(haus),  neuir.  teach,  erweist  sich  als  neutrum  durch  artikel 
und  transportiertes  u*)  im  nom.:  ni  döir  ateg  noiged- 
sin  (non  ignobilis  haec  domus  hospitum),  leissom  atech 
didiu  (illius  igitur   domus)  Wb.,    istech  ndagfir  (est 
domus  boni  viri),  cultech  ndemin  (culina  secura)  carm. 
Ml.  —   gen.  intige  Cod.  Mar.  Sc,    indidultaigaß  (gl. 
fani)  Sg.  —  dat.  i sin t ig  (in  domo)  L.  Hymn.  (Goid.  71), 
itaig,  itaig,  hitaig  Wb.  —  acc.  natürlich  wie  der  nom. 
tech  Broc.  hymn.  und  Goid.  71.  Eine  schwesterform  *steg 
(vgl.  T&yog  und  äTeyog)  steckt  in  den  heute  noch  üblichen  adv. 
astigh  (drinnen,  dat.)  und  asteach  (hinein,  acc),  deren  unter- 
schied nur  von  dem  alten  neutrum  aus  zu  begreifen  ist.  — 
2)  nem  (himmel),  jetzt  nearh,   schliefst   sich  in  der  form 
ganz  an  teg  an:  gen.  nime,  dat.  loc.  nim,  acc.  nem;  pl. 
gen.  secbt  nime  (septem  caelorum)  Fei.,  dat.  nimib  Sanct. 
hymn.,  acc.  nime  SM.     Zcuss  hat  das  wort  als  fem.  auf- 
geführt,  Stokes  und  ich   haben  das  in  gutem  glauben  an- 
genommen und  einen  streit  um  das  wort  geführt,   in  dem 
jeder  recht  und  jeder  unrecht  haben  mufste,  weil  sich  die 
formen  von   dieser  Voraussetzung  aus  gar  nicht  begreifen, 
geschweige   denn  erklären  liefsen.     Gegen  das  fem.  sprach 
aber  schon   der  acc.  nem    an   drei  stellen   des  cod.  Wb., 
von  denen   ich   die  dritte,    weil  sie  neu  ist,    mittheile:    is 
assu  linn  scarad    friarcorp  massu   düng  anroga- 
dammar  ,i.  techt    innarcorp    fornem   (2.  Cor.  5,  8; 
est  facilius  nobis  separari  a  eorpore  nostro,  si  est  impos- 
sibile  id  quod  rogavimus,  i.  e.  escendere  in  corpore  nostro  in 


*)  Siehe  darüber  Geltic  Studies,  p.  91,  not.  77. 


neutra  auf  -as  im  altirischen.  225 

caelum),  nirgends  nim,  neben  dem  ebenso  unabänderlichen 
dat,  nim;  Z.  nahm  zwar  an,  dafs  sogar  der  nom.  gele- 
gentlich nim  heifsen  könnte,  indessen  das  ist  ein  gewal- 
tiger irrthum,  hervorgegangen  aus  einer  völligen  misdeu- 
tung  des  anfangs  der  Inc.  Sg.,  die  ganz  unverkennbar  den 
loc.  enthält*):  ni  artu  ni  nim  ni  domnu  ni  muir  ar~ 
nöib  briathraib  etc.  (non  altius  quidquam  in  caelo,  non 
profundius  quidquam  in  mari  quam  sacra  verba).  Den 
diplomatischen  beweis,  dafs  nem  kein  fem.  ist,  der  uns  bis 
dahin  noch  fehlte,  hat  Colman's  bymnus  (Goid.  78)  gelie- 
fert, wo  es  in  v.  31  heifst:  flaithem  nime  locharnaig 
(dominus  caeli  lucernosi),  also  das  zugesetzte  adj.  entweder 
masc.  oder  neutr.  ist,  gegen  das  masc.  sträubt  sich  aber 
der  acc.  plur.  —  3)  leth,  led  (latus),  nom.  alled  Wb., 
dat  leith,  gen.  du.  indaleithesin  Sg.  wird  durch  die 
analogie  der  beiden  vorigen  gestützt.  —  4)  mag  erscheint 
zwar  mit  neutralem  artikel  im  nom.  ammag  Wb.  nur  in 
der  bedeutung:  ort,  indessen  findet  sich  der  acc.  mag 
(campum)  auch  bei  Tir.  neben  dem  gen.  maige  Broc.  h., 
muige  Corm.  und  dem  dat.  maig  Br.  h.,  muich  Corm., 
es  ist  also  am  genus  nicht  zu  zweifeln;  dat.  du.  indib- 
maigib  im  Ortsnamen  bei  Tir.  Besonders  ist  zu  bemer- 
ken, dafs  dat.  und  acc.  sg.  bis  auf  den  heutigen  tag  in  den 
adverbien  amaigh  (draufsen)  und  amach  (hinaus)  erhalten 
sind,  die  genau  ihren  oben  angeführten  gegensätzen  astigh 
und  asteach  entsprechen.  —  5)  sliab  (berg),  als  neutr. 
erwiesen  durch  das  n  in:  sliab  nossa  (gl.  monsOssa)  Sg. 
bei  Z.  55,  gen.  intsleibe  (buch  von  Lism.  bei  O'C.  594), 
dat.  sieib  Wb.  Ml.  L.  Ardm.,  acc.  i  sliab  n-Uaid  (in 
montem  Fuad)  SM.  68;  plur.  nom.  siebe  Fei.,  dat.  slebib 
ML  Hier  habe  ich  anfänglich  an  ein  ähnliches  Verhältnis 
wie  bei  cian  (longus,  longinquus,  remotus)  gedacht,  neben 


*)  Man  beachte  das  zweimal  deutlich  unterschiedene  ni  —  nf  und  die 
völlige  unhaltbarkeit  der  annähme  von  abstracten  Substantiven  auf  -u  statt 
-tu  (sogar  foirbthetu  u,  *.  w.),  wtttretBd  artu  es  arddu,  ardu  und 
domnu  als  comparative  beide  belegt  sind. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  15 


226  Ebel,  nentra  auf  -as  im  altirischen. 

dem  ein  dat.  cein  auftritt  (gall.  Ceno-mani  nnd  Ceni- 
magni);  die  analogie  der  übrigen  Wörter  gibt  aber  eine 
einfachere  erklärnng  an  die  hand.  —  6)  log  (pretium)  mit 
transportiertem  n  noch  im  SM.  log  nenech  (pretium  ho- 
noris) 92,  gen.  indlöge  Wb.,  acc.  log  Wb.,  luach  (gl. 
fenus)  Sg.  —  7)glün  (knie)  und  8)  dün  (bürg)  allerdings 
nur  aus  dem  gen.  duine  SM.  und  den  pluralformen  nom. 
glüne  (Goid.  VII),  gen.  glunae  Ml.,  dat.  glunib,  acc. 
glüne  Sg.  zu  folgern,  aber  der  gen.  sg.  glüine  und  nom. 
plur.  glüine,  düine  existiert  heute  noch. 

Alle  diese  worter  zeichnen  sich  nun  durch  den  gegen- 
satz  zwischen  nom.  und  acc.  sing,  einer-,  den  übrigen  ca- 
sus andrerseits  in  einer  solchen  weise  aus,  dafs  wir  diesen 
gegensatz  nur  aus  einem  stamme  mit  vocal Wechsel  (i  und 
a,  oder  e  und  o)  erklären  können.  Da  ein  solcher  stamm 
nicht  wohl  auf  einen  vocal  enden  konnte,  so  müssen  wir 
annehmen,  dafs  er  auf  den  consonanten  endete,  der  nach 
festem  gesetz  beständig  ausfiel,  also  auf  s.  Dazu  kommt 
als  bestätigung,  dafs  mehrere  der  angeführten  Wörter  sich 
in  andern  sprachen  mit  offenbarem  as- stamm  wiederfin- 
den: teg  Steg  =  rkyog  Credos,  nem  =  vitpog  und  slav. 
nebo,  leth  =  lat.  latus,  mag  =  skr.  mahas.  Wir 
dürfen  also  erscbliefsen: 

Sing.: 

N.  A.  nemas  nem  nem 

6.  nemisas  nimeas        nime 

D.  L.  nemisi  nimi  nim. 

Plur. : 

N.  A.  nemisä  nimea         nime 

G.  nemisän  nimean        nime(n) 

D.  nemisibjas  nimibas  nimib. 
Besonders  wichtig  mufs  aber  der  umstand  erscheinen,  dals 
wenn  wir  statt  i  und  a  nach  anderweitigen  analogien  e  und 
o  setzen,  die  zu  folgernde  gallische  grundform  dieser  de- 
clination,  soweit  eine  vergleichung  möglich  ist,  aufs  haar 
mit  der  griechischen,  nächstdem  mit  der  lateinischen  und 
slavischen  übereinstimmt,  vor  allen  dingen  der  yocalwech- 


Stokes,  Endlichere  glossar. 


227 


sei    durch    alle    diese   sprachen  hindurchgeht.     Man   ver- 
gleiche: 

Sing.: 

*nemos  vicpog  latus  nebo 

*neme(s)os         vicpsog  lateris        nebese 

*neme(s)i  vicpe't  lateri  nebesi 


*neme(s)a 
*neme(8)on 
*neme(8)ebos 
Juli  1868: 


Plur.: 

vi(fea  latera         nebesa 

vecpioov       laterum      nebesu 
(vtcpitGöi)  lateribus    nebesemü. 

H.  Ebel. 


Endlichers  glossar. 

„De  nominibus  galücis".  Hoc  caput  integrum  descri- 
bimus:  Lugduno,  desiderato  monte;  dunum  enim  mon- 
tem.  Aremorici,  antemarini;  quia  are  ante.  Arever- 
nus;  ante  obsta.  Roth,  violentum,  Dan  et  in  gallico  et 
in  hebreo  judicem;  ideo  hrodanus;  judex  violentus. 
Brio;  ponte.  Ambe;  rivo.  Interambes;  inter  rivos. 
Lautro;  balneo.  Nanto;  valle.  Trinanto;  tres  valles. 
An  am;  paludem.  Caio;  breialo  sive  bigardio.  Onno; 
flumen.  Nate;  fili.  Cambiare;  rem  pro  re  dare.  Avallo; 
poma.  Doro;  osteo.  Henne;  arborem  grandem.  Trei- 
cle;  pede. 

Catalogus  codd.  mss.  bibl.  palat.  vindob.,  pars  I. 
Vindobonae  1836,  p.  199. 

Stephan  Endlicher  fand  das  oben  angeführte  glossar 
in  einem  manuscript  des  9.  jahrh.  in  der  hofbibliothek  zu 
Wien.  Aufser  Zeufs,  der  es  auf  p.  1 3  seiner  Gramm.  Cel- 
tica  citiert,  hat  bis  jetzt  niemand,  so  viel  ich  weifs,  von 
demselben  kenntnis  genommen. 

Der  name  Lugdun  um  („Lyon")  wird  ebenso  erklärt 
in  den  Notae  Veteres  ad  Itinerarium  Burdigalense  bei  Du- 
cange  und  auch  bei  Diefenbach  (Origg.  Europ.  325).    Die 

15* 


""1 


228  Stokes 

älteste  gallische  form  ist  Lugudunon  (AovyovSovvoV) 
vvv  de  AovySovvov  xaXovpevov,  Dio  Cassius  XLVI,  c.  50), 
das  Siegfried  für  ein  compositum  hielt  aus  lugu  „klein" 
(s=  ir.  lü,  compar.  laigiu,  £-A«#v-c;,  laghu-s)  und  dft- 
non  (latinisiert  dunum),  hier  durch  „mons"  glossiert  und 
bei  Plutarch  de  flum.  durch  xonov  k&xovra.  Es  ist  das 
irische  dün  castrum,  altw.  din  (gl.  arx),  nhd.  zäun.  Wenn 
man  sich  des  beständigen  gebrauchs  der  deminutiva  in 
hypokoristischem  sinne  erinnert,  hat  es  keine  Schwierigkeit 
zu  verstehen,  wie  ein  wort,  welches  eigentlich  „mons  par- 
vus"  bedeutete,  durch  „mons  desideratus"  erklärt  werden 
konnte. 

Aremorici  (gl.  antemarini),  are  (gl.  ante),  arever- 
nus  (gl.  ante  obsta).  Eine  der  ersten  dieser  drei  ähnliche 
glosse  wird  citiert  bei  Diefenbach  (Origg.  p.  231)  aus  dem 
Itin.  Hieros.  „aremorici  ante  mare;  are  ante,  more 
dicunt  mare;  et  ideo  Morini  Marini".  Die  präposition 
are  (der  vers  des  Ausonius  beweist  die  länge  des  e)  ist 
von  Ebel  (Beiträge  III,  36)  mit  Ttaqal  verglichen  worden. 
morici  ist  der  nom.  plur.  masc.  von  moricos  marinus, 
einem  adjectiv  von  mori  (ir.  muir,  w.  mor)  =  lat. 
mare. 

In  arevernus  (gl.  ante  obsta)  sehe  ich  eine  zweite 
pers.  sg.  imper.  medii.  Das  s  entspricht  dem  skr.  svain 
bhara-sva=  tpigov  für  *cptg-B~co.  Was  die  wurzel  von 
vernus  „obsta"  anbetrifft,  so  möchte  ich  dies  verbum  mit 
skr.  vrnömi  von  vr  „to  resist"  vergleichen,  vernus  = 
vrnuöva.  Ein  anderes  beispiel  dieser  form  auf  s  ist  viel- 
leicht das  datalages  der  inschrift  von  Poitiers.  Auch 
andere  spuren  des  mediums  sind  bereits  im  keltischen  ge- 
funden worden,  wenn  ich  recht  habe  mit  meiner  erklärung 
des  verb.  subst.  as  Beitr.  V,  313  und  des  namens  Sa- 
gramnos  ib.  363. 

Die  glosse  hrodanus  —  leg.  rhodanus  —  (gl.  ju- 
dex violentus)  findet  sich  auch  in  dem  Itin.  Hieros.  bei  Die- 
fenbach, Origg.  pp.  407.  408,  wo  die  erste  silbe  besser 
durch  „nimium"  erklärt  wird.    Die  richtige  lesung  ist  ro- 


Endlichen  glossar.  229 

-danus  oder  ro-danos.  Ro  ist  das  wohlbekannte  inten- 
sivpräfix  (Z.  829.  833)  und  danus  ^judex"  ist  eine  ablei- 
tung  von  der  wurzel  dhä,  wie  griech.  #6-jus,  z.  da- tarn, 
got.  dom-s,  engl,  doom,  altir.  er-dathe  (gl.  judicii) 
Lib.  armach.  10.  a.  2.  Der  flufsname  Rodanus  von  der 
wurzel  rad  ändere,  fodere*)  hat  nichts  damit  zu  thun. 

Brio  (gl.  ponte)  scheint  ein  v  zwischen  den  vocalen 
verloren  zu  haben,  wenn  wir  uns  der  formen  Brivo du- 
rum (später  Briodurum),  Brivo-Isarae  „Pont-Oise", 
Samaro-briva  etc.  erinnern.  Dann  ist  bri(v)o  der  abl. 
gg.  eines  gallischen  brivos  (brivon?),  brücke,  das  nach 
Pictet  verwandt  ist  mit  w.  briw  „a  cut",  briwio  »to 
break",  gerade  wie  deutsch  brücke  mit  brechen. 

Ambe  (gl.  rivo)  ist  der  abl.  sg.  und  ambes  in  in- 
ter-ambes  (gl.  inter  rivos)  der  acc.  pl.  von  am  bis,  einem 
i-thema,  von  der  wurzel  AB,  wie  der  gallische  flufsname 
A-m-bris,  w.  A-m-byr  (Lib.  Land.  165, 191,  216),  6'-«- 
-ßgog,  i-m-ber,  skr.  a-m-bu  „aqua" (Glück,  Neuejahrb. 
1864,  p.  600).  Wir  finden  die  unnasalierte  wurzel  in  A bona 
(Tacit.  Ann.  XII,  3l),  jetzt  Avon,  !Aßog  Ptol.  II,  2;  Abu- 
sina,  ir.  abh  „fluvius*  und  aibhell  .i.  uisce  „wasser". 

Die  präposition  inter  (altir.  eter,  etar,  Zeufs  G.  C. 
615)  ist  das  lat.  inter,  osk.  anter;  ich  finde  sie  nicht  in 
den  britischen  sprachen.  Der  auslautende  vocal  im  ver- 
wandten com.  yntre  (bret.  entre)  bleibt  mir  dunkel. 

Lautro  (gl.  balneo)  ist  der  abl.  sg.  eines  gallischen 
lautron  =  Xovtqov,  lat.  lübrum  in  pol-lübrum,  altir. 
lothar  (gl.  alveus)  Z.  744,  mbr.  louazr,  wz.  LU,  von 
der  auch  luo,  lustrum. 

Nanto  (gl.  valle)  ist  gleichfalls  der  abl.  sg.  eines  neu- 
tralstammes  auf  o.  Ich  würde  nantu  erwartet  haben  (vgl. 
bratu-de),  denn  die  ableitung  Nantuates  deutet  auf 
einen  u- stamm.  Der  nom.  (oder  accus.?)  pl.  dieses  Wor- 
tes erscheint  in  tri-nanto  (gl.  tres  valles),   wo  nantö, 


*)  Cf.  XdyaÖQoq.  So  ist  der  flufsname  Scultenna,  JSxovXvavva  (in 
Gallia  cispadana)  verwandt  mit  ir.  scolta im  „scindo,  diffindo",  lat.  culter 
(Ur  *sculter? 


230  Stokes 

wie  avallö  (gl.  poma)  zu  vergleichen  ist  mit  dem  acc. 
pl.  dvorico  „porticas",  den  Pictet  neuerlich  in  der  galli- 
schen inschrift  von  Gueret  gefunden  hat:  Sacer  Peroco 
ieuru  dvorico  V.  S.  L.  M.  Hier  ist  natürlich  ö  =  lat. 
-ä,  gr.  -a;  im  altirischen  fällt  es  regelmäfsig  ab  im  neutr. 
pl.  wie  nert  „virtutes"  Patricks  hymn.,  olc  „mala"  Z.  354, 
arm  „arma"  Z.  368,  membur  „membra"  Z.  1006.  Im 
neukeltischen  entspricht  diesem  nanton  w.  nant  „ravine, 
brook",  neint,  jetzt  pl.  nentydd,  corn.  nans  (gl.  vallis) 
pl.  nanssow. 

Das  zahlwort  tri  (in  tri-nanto)  findet  sich  auch  in 
trigaranus  und  TQi-fictQxioia. 

Anam  (gl.  paludem)  ist  latinisierung  des  gall.  *anan 
(ftnan?),  vgl.  logan  „sepulcrum"  in  der  inschrift  von  Todi. 
Ich  kenne  nichts  ähnliches  aufser  ir.  an  wasser,  citiert  von 
O'Reilly  s.  v.  Aidbeis,  co  hoin  abna  (?)  gl.  limpa  fon- 
tis,  Lib.  hymn.  an  .i.  uisge  O'Clery's  gl.,  aber  ich  habe 
es  nie  irgendwo  gefunden.  !Avava  ein  salzsee  im  8.  Phry- 
gien  hat  eine  gewisse  ähnlichkeit  mit  unserem  gallischen 
wort,  aber  wer  möchte  ihn  zu  vergleichen  wagen? 

Caio  (gl.  breialo  sive  bigardio)  ist  ein  abl.  sg.  Die 
lateinischen  worte  sind  dunkel.  Ducange  hat  broialum, 
brolium  etc.,  was  er  erklärt  als  ein  feld  „arboribus  con- 
situm  . .  et  muris  aut  sepibus  cinctum".  Pictet  vermuthet, 
bigardium  bedeute  „un  lieu  gardö,  enclos".  Ich  mochte 
daher  annehmen,  dafs  diesem  caio-n  im  neukeltischen 
entspreche  w.  cae  „sepimentum"  Z.  291,  jetzt  „an  inclo- 
sure,  hedge,  fielda,  altir.  cae  .i.  tech  j,domu8a  in  cerdd- 
-chae  (gl.  officina)  Z.  70,  cerd-cha  (gl.  fabrica)  Ir. 
Glosses  no.  218.  Damit  stimmt  überein  plattlat.  cayum 
Ädomu8u.     Vgl.  got.  hai-m-s,  xelfiai^  quies  etc. 

Onno  (gl.  flumen)  ist  vielleicht  ein  fem.  ä-stamm,  das 
correlat  zu  ir.  inn  f.  „fluctus,  unda"  und  skr.  and  ha 
„wassert  Die  glosse  des  Ausonius  zu  Dtvona  („fons 
addite  divis")  =  skr.  devana  das  strahlen,  glänzen  be- 
ruht auf  einer  angenommenen  identität  zwischen  unserm 
onno  und  der  endung  -öna. 


Endlichere  glossar.  231 

Nate  (gl.  fili)  sollte  gnäte  heifsen,  der  voc.  sg.  von 
gnätos  =  lat.  (g)natus  von  GAN;  vgl.  eine  bei  Die- 
fenbach  (Origg.  p.  362)  citierte  glosse:  Gnatus  filius  lin- 
gua  Gallica  et  natus. 

Cambiare  (gl  rem  pro  re  dare).  Hier  ist  die  en- 
dung  offenbar  lateinisch.  Wegen  der  wurzel  vergl.  Cäm- 
bos,  ein  epitheton  des  Mercur  (De  Wal,  p.  52),  welches 
Siegfried  verglich  mit  dem  Mercurius  Nundinator  eini- 
ger inschriften.  Siehe  Diez  etym.  wtb.  I,  102.  [M.  d'Ar- 
bois  de  Jubainville  vergleicht  neubret.  kemma]. 

Avallo  (gl.  poma)  ist  der  nom.  oder  acc.pl.  eines 
neutralstammes  auf  -o.  Vgl.  ir.  abhall  „malus",  ubhall 
„mal um",  w.  afall,  mbr.  aual. 

Doro  (gl.  osteo)  ist  der  abl.  sg.  von  doron  oder  viel- 
mehr (wenn  wir  uns  an  dvorico  erinnern)  dvoron  = 
skr.  dväraro.  W.  und  br.  dör,  ir.  dorus,  corn.  daras. 
Der  gen.  sg.  dieses  Wortes  findet  sich  in  Isarno-dori  (gl. 
ferrei  ostii)  Diefenb.  Origg.  p.  367. 

Kenne  (gl.  afborem  grandem)  scheint  der  acc.  sing, 
eines  neutralstammes  auf  -i.  Ich  kann  dies  wort  nicht 
erklären,  vielleicht  ist  es  (mit  abfall  des  anlautenden  p) 
verwandt  mit  w.  br.  prenn  =  ir.  crann,  nqivog. 

Treicle  (gl.  pede)  ist  der  abl.  sg.  eines  i -Stammes 
und  kömmt  scheinbar  von  *tregile,  *tragile  von  der 
wurzel  TRAGH  in  ver-tragus  (gl.  xvcov  7toSoixt]g)9  ir. 
traig  »pesa,  gr.  r^w,  got.  thragjan.  Der  fibergang 
von  g  in  c  ist  vielleicht  durch  die  elision  (oder  metathe- 
sis)  des  folgenden  vocals  veranlafst.  Oder  sollen  wir  hier 
die  wurzel  TR  AK,  skr.  trank,  zend.  thrak  „marschieren" 
erkennen? 

Calcutta,  december  1867.  Whitley  Stokes. 


232  Ebel 

Sanas  Chormaic.  Cormac's  Glossaiy  tran&lated  and  annotated  by  the  late 
John  O'Donovan,  LL.  D.  Edited,  witb  notes  and  indices,  by 
Whitley  Stokes,  LL.  D.  Calcutta,  printed  for  the  Irish  Archaeo- 
logical  and  Celtic  Society,   1868. 

Das  vorliegende  buch,  welches  durch  die  schlufsworte 
„in  tris  arteme  for  lige  m'  ananicharat  .i.  Rudolf  Tomas 
Siegfried,  inso  süastf  einen  neuen  beweis  von  der  bekann- 
ten pietät  des  herausgeben  gibt,  bietet  uns  nicht  nur  eine 
höchst  willkommene  ergänzung  zu  seiner  ausgäbe  der  Tbree 
Irish  g]o8sarie8,  sondern  enthält  auch  in  den  sprachlichen, 
litterarischen,  historischen  und  anderweitigen  sachlichen 
nachweisen,  die  wir  in  den  anmerkungen  theils  von  des 
Übersetzers,  theils  von  des  Herausgebers  hand  empfangen, 
eine  solche  fülle  schätzbaren  materials  aller  art,  dafs  wir 
darauf  verzichten  müssen,  innerhalb  der  grenzen  einer  an- 
zeige unsern  lesern  auch  nur  annähernd  ein  bild  von  dem 
reichen  inhalt  desselben  zu  geben. 

Aufser  der  Übersetzung  des  früher  aus  Cod.  A.  gebo- 
tenen textes,  die  der  herausgeber  zwar  sorgfaltig  durch- 
gesehen und  vielfach  verbessert  bat,  doch  stets  mit  ge- 
nauer angäbe  von  O'Donovan's  abweichenden  deutungen, 
erhalten  wir  hier  zunächst  die  wichtigsten  abweicbungen 
des  gröfsten  fragments  (Cod.  G.)  und  des  Cod.  B. ,  des 
sogenannten  „gelben  buchs  von  Lecan"  (Leabhar  Buidhe 
Lecain),  namentlich  dessen  zusatzartikel  jedesmal  am  Schlüsse 
des  betreffenden  bucbstaben  eingereiht;  sodann  aber  liefern 
die  noten,  die  jedem  artikel  beigefügt  sind,  einen  grofsen 
reichthum  an  belegen  und  parallelstellen,  unter  denen  wir 
ganz  besonders  die  mittheilungen  aus  O'Clery's  glossar 
veralteter  Wörter  (Löwen  1643)*)  hervorzuheben  haben. 
Eine  vorzüglich  dankenswerthe  beigäbe,  die  die  brauch- 
barkeit  des  werkes  in  hohem  grade  vermehrt,  bilden  die 
sorgfältigen  register:  sach-,  quellen-,  Personenregister,  geo- 
graphischer index   und   endlich  die  Wortregister  nach  den 


*)  Einen  neuen  ab  druck  desselben  stellt  H.  Gaidoz  im  prospectus  der 
Revue  Celtique  in,  hoffentlich  nicht  allzuferne,  aussieht. 


anzeigen.  233 

verschiedenen  sprachen  geordnet.  Doppelte  Verzeichnisse 
von  Addendis  und  Corrigendis  zeugen  davon,  wie  schwie- 
rig die  aufgäbe  war,  und  wie  rastlos  der  verf.  an  deren 
losung  fortgearbeitet  hat. 

Ref.  erlaubt  sich  hier  nur  einige  bemerkungen  anzu- 
knüpfen, zu  denen  er  sich  bei  flüchtiger  durchsieht  veran- 
lafst  gefunden.     Zu  lüda  (der  kleine  finger),  im  Cod.  G. 
lau  tu  geschrieben,  bemerkt  der  verf.  in  den  zweiten  Ad- 
dendis unter  beseitiguug  einer  früheren  irrigen  vergleichung 
richtig,  dafs  der  altir.  dativ  lutain  sich  bei  Z.  926  in  der 
Inc.  Sg.  findet;  ref.  ist  seit  längerer  zeit  durch  eine  stelle 
bei  O'Don.  285   auf  das  richtige  geführt  worden,    s.  Gr. 
Celt.  265,    kann   aber  jetzt  noch  mittheilen,    dafs  zufolge 
einer  note  in  Zeufs'  handexemplar  (wo   dieselbe  stelle  ci- 
tiert  wird)  die  worte  der  Inc.  atanessam  dolutain  it- 
belaib,  vor  denen  ein  Versetzungszeichen  ohne  angäbe  des 
ihnen  gebührenden  platzes  steht,  vermutblich  in  die  nächste 
zeile  hinter  indamer  gehören.    Zu  diamain  aus  Cod.  B. 
ist  aufser  dem   citat  aus  O'Dav.  auch  Z.  605  zu  verglei- 
chen: isdiamuin  leiss  cachthüare  (jede  speise  ist  für 
ihn  rein)Wb.   Zu  nel  (wölke)  ziehen  wir  auch  in-niulu 
(Gr.  C.  20).     In  der  note  (d)   zu  p.  110  ist  ebenso  wie 
Gr.  C.  158    zum  com.  caid  (==  captus)   aus   dem  Voc. 
noch  keth  aus  P.  und  den   Dr.   nachzutragen.     Zu  ep- 
scop  fina,  gewifs  richtig  in  escop  emendiert,  liefs  sich 
aufser  den  verglichenen  Wörtern  auch  wohl  unser  deutsches 
schoppen  anführen.  Ob  OD.'s  deutung  von  messtar  bü 
(s.  v.  sägamlae)  ganz  richtig  ist,  wie  in  den  letzten  Cor- 
rigendis angenommen  wird,  bezweifeln  wir;  nach  analogie 
der  beispiele  Gr.  C.  468  und  438    scheint    uns    vielmehr 
hier  eine  2.  sg.  eines  s-conj.  oder  fut.  vorzuliegen,  worauf 
auch  O'Dav.  misir  deutet,  also:  judicabis  (judica)  vaccas. 
Zum   schlufs  noch    ein  beispiel,    wie  in  der   Wissenschaft 
jede  kleinigkeit  licht  auf  irgend  einen  andern  punkt  oft  in 
ganz  entlegenem   gebiet  wirft.     Unter  naiscu  .i.  nescu 
(aal?)  führt  O'D.   die  neuere  form  eascu  oder  easgan  an, 
und  Mr.  St.  erwähnt  unter  andern  beispielen  eines  solchen 


234  Ebel 

abfalls  auch  das  bret.  Ormandi;  diese  form  findet  sich 
nebst  Ormant  und  dem  fem.  Ormantes  schon  im  Ca 
tholicon  von  1499,  und  wem  fiele  dabei  nicht  das  Ori- 
man,  Orman  aus  dem  Parzival  und  das  (unbegreiflicher 
weise  bei  Zarncke  fehlende)  Ormanie,  Ormandin  der 
Küdrün  ein? 

Doch  genug  der  einzelnheiten  und  kleinigkeiten;  dan- 
ken wir  vielmehr  dem  unermüdlichen  verf.  für  diese  nene 
treffliche  förderung  der  keltischen  philologie,  indem  wir 
uns  zugleich  den  wünsch  auszusprechen  erlauben,  dafs 
seine  verheifsene  ausgäbe  des  Fälire  nicht  allzulange  auf 
sich  warten  lasse. 

20.juni  1869.  H.  Ebel. 


Glossae    hibernicae    veteres   Codicis  Taurinensis,    edidit   Constantinus 
Nigra.     Lutetiae  Parisiorum,   1869.     gr.  8.     XXXII  und  72  8. 

Wenn  uns  hier  die  Turiner  glossen  in  einem  neuen 
abdruck  geboten  werden,  so  können  wir  es  dem  verf.,  der 
sich  in  der  vorrede  wie  in  den  beigefügten  erklärungen 
und  bemerkungen  vollkommen  auf  der  höhe  der  heutigen 
keltischen  philologie  zeigt,  nur  dank  wissen,  dafs  er  sich 
durch  die  nachträgliche  bekanntschafb  mit  Stokes'  ausgäbe 
derselben  in  den  „Goidilica"  nicht  hat  abhalten  lassen, 
seine  gediegene  arbeit  zu  vollenden  und  zu  veröffentlichen. 
Vier  äugen  sehen  eben  besser  als  zwei,  und  selbst  die  ge- 
wissenhafteste copie  einer  handschrift  pflegt  fiör  spätere 
vergleichungen  eine  nachlese  zu  lassen.  So  findet  sich 
denn  auch  hier  manches,  was  dort  zweifelhaft  gelassen 
oder  verlesen  war,  festgestellt  oder  berichtigt,  manche  lücke 
ergänzt;  namentlich  sind  auf  p.  IV  col.  1  mehrere  glos- 
sen entziffert,  die  bei  St.  fehlen ;  aufserdem  ist  durch  splen- 
dideren druck  ein  getreueres  abbild  des  codex  selbst  ge- 
geben. Sodann  gibt  der  verf.,  obgleich  er  selbst  den  gan- 
zen werth  seiner  arbeit  nur  in  der  treuen  wiedergäbe  der 
handschrift,    namentlich  der  glossen,   gesucht  wissen  will, 


anzeigen.  235 

doch  mehrfach  gar  nicht  zu  verachtende  neue  deutungen, 
und  endlich  erhalten  wir  in  den  anmerkungen  (seltener  in 
der  vorrede)  werthvolle  mittheilungen  aus  dem  lange  noch 
nicht  hinreichend  ausgebeuteten  Mailänder  codex,  einige 
auch  aus  dem  Würzburger. 

Aus  der, vorrede,  die  nach  einem  überblick  über  die 
wichtigsten  lauterscheinungen  des  altirischen  genauere  aus- 
kunft  über  den  codex  selbst  gibt,  nebst  Zusammenstellung 
der  hauptsächlichsten  eigenheiten  der  schrift,  heben  wir 
hier  nur  die  herleitung  des  reimes  von  den  Kelten,  der 
ein  eigner  excurs  gewidmet  ist,  und  die  zurückfuhrung  des 
irischen  Wegfalls  der  vocale  auf  die  einwirkung  des  acceuts 
hervor,  eine  annähme,  mit  der  sich  ref.  solche  formen 
wie  coscrad,  conrotgatar  seit  längerer  zeit  ebenfalls 
erklärt  hat.  (Der  herleitung  von  incholnigud  (inchol- 
nugud?)  aus  einer  grundform  *incholnictu  vermögen 
wir  jedoch  nicht  beizustimmen,  da  die  subst.  (infinitive) 
auf  -ud  sich  eng  an  ser.  III  (Gr.  C.  427)  anschliefsen, 
wonach  vielmehr  eine  Verkürzung  von  *ini-  (eni-)  col- 
uicitu  oder  -colniciatu  in  -colnicitu  anzunehmen 
ist,  welches  incholnigiud,  schliefslich  incholnigud, 
incholnugud  ergeben  mufste.)  Dagegen  können  wir  es 
uns  um  so  weniger  versagen,  unsern  lesern  an  einigen  bei- 
spielen  den  ertrag  der  neuen  collation  zu  zeigen,  da  wir 
durch  die  gute  des  hrn.  verf.  in  den  stand  gesetzt  sind, 
uns  mittelst  eines  vortrefflichen  facsimile's  der  ganzen  hand- 
schrift  ein  eignes  urtheil  zu  bilden.  Sogleich  die  erste 
irische  glosse,  bei  St.  aeth  (?)  da  son  dombersom 
beus,  lautet  hier:  cech  da  son  etc.,  unverkennbar  rich- 
tig; nur  kann  ref.  der  erklärung  (quaeque  duarum  vocum 
quam,  i.e.  utramque  vocem)  nicht  beitreten,  findet  viel- 
mehr hierin  ein  neues  interessantes  beispiel  für  die  Gr.  C. 
307.  361  besprochene  bezeichnung  der  distributivzahlen: 
binae  voces  quas,  i.  e.  binas  voces  affert  ille  porro  (näm- 
lich Jesus  Messias,  (Hjüttjq  Xpiövog,  salvator  unctus).  Dafs 
Gl.  5.  6  bei  St.  zu  verbipden  sind ,  wie  hier  I,  1 .  5  ge- 
schehen ist,  hatte  ref.  längst  vermuthet;    von  den  beiden 


236  Ebel 

abweichenden  lesungen  danäircechnatar  som  (vatici- 
nati  sunt,  St.  dun.)  und  triub  (St.  triab)  haben  wir  die 
erste  sogleich,  die  zweite,  obwohl  mit  einiger  Schwierig- 
keit, schliefslich  doch  auch  als  richtig  anerkennen  müssen, 
da  der  gerade  auslaufende  zweite  grundstrich  des  u  der 
einzige  sichere  unterschied  vom  gerundeten,  in  der  hand- 
schrift  des  glossators  (nicht  des  codex  selbst!)  meist  eben- 
falls oben  offnen  a  ist.  Ebenso  steht  in  gl.  18.  19  bei  St. 
(hier  weniger  gut  zu  einer  verbunden  I,  1.  16)  ganz  deut- 
lich das  erstemal  pardais,  das  zweite  mal  parduis.  In 
der  vorhergehenden  I,  1.  15  (St.  17)  ist  das  sinnlose  noch 
ris  in  hochrist  verbessert;  für  immerume  diar:ndam 
liest  br.  N.  immerumedi  ar  adam,  doch  ohne  genü- 
gende erklärung.  Für  iacaum  (?)  St.  128,  das  ref.  lei- 
der noch  Gr.  C.  49  aufgenommen,  später  aber  nach  con- 
jectur  mit  iarum  vertauscht  hat,  findet  sich  letzteres  nun 
wirklich  IV,  2.  13;  ebenda  ist  forelgatar  (?)  in  fosel- 
gatar  verbessert,  was  zu  sligim,  fosligim  (Gr.  C.  429) 
stimmt.  Eine  wichtige  textverbesserung  ist  I,  1:  unde  in 
diserto  querunt  (quaerunt)  iohannes  et  ihesus  quod  in 
diserto  amisum  est  (St.  erant).  Von  neuentzifferten  glos- 
sen  ist  die  wichtigste  IV,  1.  21:  babes  leusom  dober- 
tis  daboc  leu  dochum  tempuil  7  noleicthe  inda- 
lanäi  fon  dithrub  co  pecad  inpopuil  7  dobertis 
maldachta  foir  7  noircthe  din  (an)d  op(opul) 
tarcenn  ap(ectha)  indaile  („erat  mos  apud  eos  ut  af- 
ferrent  duos  hircos  secum  ad  templum  et  dimittebatur 
unus  in  desertum  cum  peccato  populi  et  afferebant  male- 
dictiones  super  eum  et  occidebatur  igitur  ibi  alter  a  po- 
pulo  pro  peccato  suotf). 

Unter  den  erklärungen  heben  wir  hervor  die  deutung 
des  forfenar  (II,  1.  15,  St.  45)  als  forbenar  (perficitur), 
was  bei  weitem  ansprechender  ist,  als  der  von  St.  ange- 
nommene Wechsel  des  ch  mit  f,  den  Z.  auf  höchst  unsi- 
cherer basis  statuiert  hatte. 

Doch  wir  müssen  abbrechen,  um  die  grenzen  einer 
anzeige  nicht  zu  sehr  zu  überschreiten;  möge  der  hr.  verf. 


anzeigen.  237 

die  för  die  Revue  Geltique  verheifsenen  mittheilungen  aus 
Cod.  Ml.  recht  bald  liefern. 

25.juni  1869.  H.  Ebel. 


1)  Gät'a*  Ahunavaiti.  Sarat'ustrica  carmina  Septem  latine  vertit  et  expli- 
cavit,  commentarios  criticos  adjecit,  textum  archetypi  recensnit  C.  Kos- 
sowicz.     Petropoli  1867.     VI  nnd   165  p.     8. 

2)  Gatra  Ustavaiti  latine  vertit  et  explicavit,  textum  archetypi  recensnit 
Dr.  C.Kossowicz.     Petropoli  1869.    IV.  94  nnd  41  p.     8. 

Das  Avesta  hat  mit  dem  A.  T.  so  viele  analogieen 
und  die  einheimischen  erklärer  desselben  mit  den  alten  jü- 
dischen selbst  so  viele  innere  Verwandtschaft,  dafs  es  nicht 
in  erstaunen  setzen  kann,  wenn  die  noch  so  junge  exegese 
des  Avesta  so  ziemlich  den  verlauf  zu  nehmen  anfängt, 
den  früher  die  biblische  exegese  auch  genommen  hat.  Ge- 
wissenhafte benutzung  aller  traditionellen  hülfsmittel  ist 
hier  eben  so  sehr  geboten  wie  die  anwendung  aller  regeln 
der  wissenschaftlichen  exegese  unserer  tage:  die  anwen- 
dung der  Sprachvergleichung  in  engerem  und  weiterem 
sinne,  die  eindringende  und  selbständige  erforschung  der 
texte  und  der  ihnen  zu  gründe  liegenden  anschauungen. 
Voraussichtlich  wird  auch  der  erfolg  unsrer  arbeiten  ein 
ganz  ähnlicher  sein,  wie  wir  ihn  auf  dem  gebiete  der  exe- 
gese des  A.  T.  wahrnehmen  können.  Es  läfst  sich  hoffen, 
dafs  wir  noch  über  gar  viele  stellen,  die  uns  jetzt  ganz 
oder  theilweise  dunkel  sind,  zur  vollkommenen  klarheit 
gelangen  werden.  Ohne  frage  wird  aber  auch  eine  gute 
anzahl  von  stellen  zurückbleiben,  bei  welchen  dieser  fall 
nicht  eintritt,  wo  wir  uns  begnügen  müssen  zwei  oder 
mehr  möglichkeiten  der  erklärung  aufzustellen,  von  denen 
jede  etwas  für  sich  anzuführen  hat,  keine  aber  genug  um 
als  die  einzig  mögliche  gelten  zu  können.  Ein  ganz  voll- 
kommenes verständnifs,  eine  erklärung,  welche  bis  in  alle 

einzelnheiten  hinab  jedermann  befriedigte,  werden  wir 
wahrscheinlich  nie  erlangen.  Aber  bei  wie  vielen  Urkun- 
den des  alterthums  tritt  denn  überhaupt  dieser  fall  ein? 


238  Spiegel 

Allgemein  wird  es  zugestanden,  dafs  innerhalb  des  Avesta 
die  metrisch  abgefafsten   stücke,  die  sogenannten  Gäthäs, 
die  schwierigsten   sind.     In  diesen  haben  wir  noch  fragen 
der  allgemeinsten  art  zu  lösen  wie  Ober  den  zweck,  inhalt 
und  gedankenzusammenhang  dieser  gedieh te;  hinter  diesen 
Schwierigkeiten  treten  die  gewöhnlichen  fragen    über    die 
construetion  der  einzelnen  sätze,  die  bestimmung  der  Wort- 
bedeutungen ganz  in  den  hintergrund,  obwohl  auch  hier  der 
zweifei  genug  sind.   Trotz  der  vielen  Schwierigkeiten  glau- 
ben wir  aber  an  einer  endlichen  glücklichen  lösung  dieser 
aufgäbe  nicht  verzweifeln  zu  sollen.   Es  ist  sogar  die  mög- 
lichkeit  nicht  ausgeschlossen,   dafs  es  einem  genialen  for- 
scher gelingen  könnte   mit  einem   male    durch  glückliche 
combinationen  die  mehrzahl  der  dunkelheiten  aufzuklaren, 
welche  uns  bis  jetzt  bindern  weiter  fortzuschreiten.     Diese 
lösung  der  frage  ist  jedoch  immerhin  die  unwahrschein- 
lichste, viel  wahrscheinlicher  scheint  es  uns,  dafs  eine  gute 
anzahl  von  forschem  längere  zeit  hindurch  sich  abmühen 
werde,  den  sinn  und  gedankengang  einzelner  gedichte,  ja 
einzelner  Strophen  und  verse  zu  ermitteln   und   dafs  erst 
dann,  nachdem  durch  solche  zeit  und  geduld  erfordernde 
vorarbeiten  die   einzelerklärung  fortgeschritten  ist,    es  ge- 
lingen  werde  den   Zusammenhang  im  grofsen  genauer  zu 
erkennen.     Die   exegese   der  Gäthäs    dürfte   mithin  einen 
ähnlichen  vtfrlauf  nehmen  wie  die  des  buches  Hiob.     Mit 
dem  eben  genannten  buche  scheint   auch  darin  eine  ähn- 
lichkeit  zu  bestehen,  dafs  die  kenntnifs  des  Zusammenhan- 
ges und  des  gedankenganges  der  Gäthäs  den  einheimischen 
erklärern  schon  frühzeitig  abhanden  gekommen  ist.    Diese 
erklären  meist  jeden  einzelnen  vers  für  sich  und  der  sinn, 
den  sie  in  vielen  fällen  gewinnen,  widerspricht  so  sehr  den 
gewöhnlichsten  regeln  einer  philologischen  exegese,  dafs  man 
ihn  durchaus  nicht  annehmen  kann.   Man  wolle  indefs  aus 
dieser  Sachlage  keine  voreiligen  Schlüsse  ziehen.   Gar  häufig 
geschieht  es  auf  diesem  gebiete,  dafs  man  anfangs  für  falsch 
hält,  was  sich  für  die  weiter  fortgeschrittene  forschung  als 
das  einzig  richtige  ergiebt.     Unsere  kenntnifs  der  Gäthäs 


anzeigen.  239 

ist  noch  keine  solche,  dafs  es  uns  erlaubt  wäre  ein  end- 
gültiges urtheih  über  den  werth  oder  unwerth  der  tradi- 
tion  abzugeben;  überhaupt  haben  sich  noch  zu  wenige  for- 
scher mit  der  sache  beschäftigt,  als  dafs  man  die  endgül- 
tigen resultate  von  subjectiven  ansichten  in  jedem  einzel- 
nen falle  genau  scheiden  könnte.  Darum  ist  bis  jetzt  jeder, 
der  sich  mit  diesem  theile  des  Avesta  beschäftigt,  gehalten 
die  tradition  selbst  zu  studiren.  —  Zur  erklärung  dieser 
so  schwierigen  texte  nun  hat  sich  hr.  Kossowicz  entschlos- 
sen beizutragen  und  eine  neue  erklärung  derselben  zu  ge- 
ben, von  welcher  uns  die  beiden  oben  angeführten  Schrif- 
ten die  ersten  abtheilungen  bringen.  Der  hr.  verf.  ver- 
fährt dabei  rein  philologisch:  er  schafft  sich  selbständig 
seinen  eigenen  text,  wozu  ihm  die  vorhandenen  ausgaben 
mit  den  ihnen  beigegebenen  Varianten  das  material  liefern, 
er  übersetzt  und  erklärt  denselben  —  immer  mit  rücksicht 
auf  seine  Vorgänger,  aber  ohne  sich  durch  dieselben  in 
seiner  eigenen  auffassung  behindern  zu  lassen.  Ueber  die 
grammatische  und  lexikalische  auffassung  der  einzelnen 
Wörter  und  sätze  sucht  er  sich  gewissenhaft  rechnung  zu 
geben,  besonders  aber  sucht  er  in  den  sinn  und  Zusam- 
menhang-der  einzelnen  Strophen  und  gedichte  einzudringen 
und  fügt  zu  dem  ende,  wo  es  nöthig  erscheint,  den  ein- 
zelnen versen  längere  erläuterungen  bei.  Namentlich  in 
dieser  hinsieht  scheint  uns  hr.  K.  sehr  beachtenswertes 
zu  leisten  und  ref.  bekennt  gerne  gar  manches  von  ihm 
gelernt  zu  haben.  Auf  einzelnheiten  hier  einzugehen  neh- 
men wir  bei  den  zwecken  dieser  Zeitschrift  anstand;  was 
wir  zu  bemerken  hätten,  würde  eher  in  eine  philologi- 
sche Zeitschrift  passen  als  hieher,  denn  die  Sprachverglei- 
chung tritt  in  diesem  werke  gegen  die  philologische  exe- 
gese  sehr  in  den  hintergrund.  Wir  glaubten  aber  hier 
diese  arbeit  auch  denen  empfehlen  zu  müssen,  welche  aus 
linguistischen  rücksichten  von  den  Gäthäs  und  deren  inhalte 
kenntnifs  zu  nehmen  wünschen. 

Fr.  Spiegel. 


240  Schmidt 

Ueber  wesen  und  aufgäbe  der  Sprachwissenschaft  mit  einem  Überblick  Über 
die  hauptergebnisse  derselben.  Nebst  einem  anhang  sprachwissen- 
schaftlicher literatur.  Vortrag  bei  gelegenheit  der  feierlichen  Verkün- 
digung der  preisaufgaben,  gehalten  von  prof.  dr.  Bernhard  Jülg,  d.  %. 
rector  der  univ.  Innsbruck.     Innsbruck  1868.    63  88.    8. 

Der  verf.,  bekannt  für  den  ausgedehnten  kreis  seiner 
Studien,  gibt  in  diesem  schiiftchen  einen  sehr  knapp  ge- 
haltenen umriüs  der  Sprachwissenschaft.  Natürlich  sind  in- 
nerhalb der  grenzen  eines  Vortrages  kaum  die  hauptpunkte 
alle  andeutbar.  Allein  der  verf.  hat  für  alle  diejenigen, 
welche  sich  weiter  zu  belehren  wünschen ,  durch  den  an- 
hang gesorgt,  in  welchem,  dem  gedankengange  des  Vor- 
trages folgend  und  durch  fortlaufende  nummern  mit  ihm 
verbunden,  die  wichtigste  literatur  für  alle  behandelten  fra- 
gen zusammengestellt  ist,  wofür  man  ihm  nur  danken  kann. 
Der  Vortrag  beginnt  mit  der  Scheidung  von  sprachkennt- 
nifs,  Sprachwissenschaft  und  philologie.  Letztere  beide  be- 
dingen sich  gegenseitig,  unterscheiden  sich  aber  in  der 
methode,  indem  die  Sprachwissenschaft  nicht  zu  den  histo- 
rischen disciplinen  gehört,  vielmehr  die  naturwissenschaft- 
liche methode  befolgt,  dabei  aber  nicht  aufhört  eine  auf 
der  psychologie  beruhende  geisteswissenschaft  zu  sein.  In 
der  eintheilung  der  sprachen  schliefst  sich  der  verf.  an 
Humboldt  und  Schleicher  an  und  betont  die  sprachlichen 
Verhältnisse  als  ein  wesentliches  hilfsmittel  der  ethnogra- 
phie  und  der  „ linguistischen  paläontologie".  Als  aufgäbe 
der  Sprachwissenschaft  wird  dann  ein  System  der  allgemei- 
nen Sprachenkunde  und  eine  wahrhaft  allgemeine  gramma- 
tik  gefordert.  Den  gröfsten  theil  des  Vortrages  nimmt  eine 
systematische  aufzählung  der  hauptsächlichsten  bekannten 
sprachen  aller  erdtheile  ein,  wobei  unser  sprachstamm  frei- 
lich etwas  stiefmütterlich  behandelt  ist,  denn  aufser  den 
arischen  sprachen  sind  nur  die  italischen  detaillierter  auf- 
zählung gewürdigt  worden.  Doch  wäre  ungerecht  hier  zu 
tadeln,  da  über  diese  Verhältnisse  heute  zu  tage  leicht 
überall  auskunft  zu  gewinnen  ist,  während  eine  gedrängte 
aufzählung  der  aufsereuropäischen  sprachen  nach  ihrer  ver- 


anzeigen.  241 


wandtschaft  nur  dem  fachmanne  zu  geböte  steht  und  da* 
her  auf  alle  fälle  ein  dankenswerthes  unternehmen  ist.  Zur 
allgemeinen  Orientierung  in  der  sprachenweit  ist  dies  Schrift* 
eben  zu  empfehlen. 

Johannes  Schmidt. 


Ethnoge'nie   Gauloise  III.     Preuves    intellectueUes :   le  Ge'nie  Gauloift 
etc.,  par  Roget,  Baron  de  Belloguet.    XI  and  546  s.    8.    Paris, 

Maisonneuve  1868. 

Referent  hat  die  beiden  ersten  bände  dieses  inhalt- 
reichen national werkes  in  den  Beiträgen  I,  4  und  III,  2 
(1858.  1862.)  angezeigt,  und  erbittet  deshalb  auch  für  diese 
anzeige  eintritt  innerhalb  der  engen  schranken,  die  er  mit 
rücksicht  auf  den  —  hier  nur  wenig  berührten  —  sprach- 
lichen zweck  der  Zeitschrift  sich  zu  ziehen  hat. 

Jede  seite  auch  dieses  bandes  zeigt  die  vollständige 
ausbeutung  der  mannigfaltigsten  quellen  der  gallischen 
kulturgeschichte  durch  den  Verfasser.  Den  umfang  sei- 
nes gebietes  bezeichnen  die  bauptrubriken:  „Caract&re 
national  et  facultes  intellectueUes;  Moeurs  et  coutumes 
privees;  Institutions  et  croyances  religieuses,  le  Druidisme, 
s€8  dieux  et  ses  rites,  les  Druides,  leurs  fonetions  religieu- 
ses et  civiles,  leur  hierarchie  et  leur  enseignement;  Insti- 
tutions civiles,  politiques  et  militaires;  Industrie  et  com- 
merce; Les  monuments  dits  celtiquee  appartiennent-ils  au 
genie  gaulois?" 

Der  Verfasser  nimmt  bei  seiner  kritik  der  quellen  mit 
recht  an :  dafs  vielen  urtheilen  der  Römer  über  die  Gallier 
die  gegen  alle  „  barbaren u  gewohnte  hoebmüthige  verken- 
nung und  unkenntnifs  anklebe,  zu  welcher  noch  seit  dem 
siege  des  ersten  Brennus  rachsüchtiger  hafs  kam,  obgleich 
die  Gallier  damals  römisches  unrecht  gezüchtigt  hatten. 
Wir  machen  namentlich  auf  die  besprechung  von  J.  Cae- 
sars  commentarien   p.  158  ff.    aufmerksam.     Obgleich   nun 

der  Verfasser  die  Gallier  gegen    so   viele    ungerechte  ur- 
Beiträge z.  vgl.  sprachf.  VI.  2.  \  Q 


242  Diefenbach 

theile  zu  vertheidigen  und  ihre  guten  eigenschaften  zu  be- 
leuchten sucht,  so  ist  er  doch  keineswegs  blind  für  ihre 
mängel.  Bisweilen  knüpft  er  an  diese  auch  patriotische 
mahnungen  an  ihre  Epigonen.  Allzu  grofses  gewicht  legt 
er  p.  135  ff.  auf  den  Unsterblichkeitsglauben  der  Gallier, 
von  unserem  Standpunkte  aus  betrachtet. 

Die  Beigen  erklärt  er  für  Gallier,  nur  in  dem  be- 
kannten satze:  „plerosque  Beigas  ortos  ab  Germanis"  für 
eine  blofs  geographische  bezeichnung  der  grofsentheils  aus 
eingewanderten  Germanen  bestehenden  bewohner  Belgiums. 
Die  Germani  minores  nebst  Aduatici,  Nervii  und  Treviri 
hält  er  für  in  politischer  hinsieht  gallisierte  Deutsche,  was 
wir  nicht  thun  mögen.  Den  namen  der  Kimmerier  trennt 
er  p.  156  ff.  richtig  von  denen  der  Cimbri  und  der  britan- 
nischen Kymren,  vermuthet  jedoch  in  jenem  durch  die  be- 
wegungen  der  Skythen  westwärts  gedrängten  volke  einen 
theil  der  keltischen  einwanderer  in  Europa.  Er  nimmt 
p.  142  ein  längeres  verweilen  der  Kelten  und  der  Germa- 
nen neben  den  eranischen  familiengliedern  in  Asien  an, 
wie  wir  es  sonst  eher  den  Griechen  zuzuschreiben  pflegen. 

Seine  ansichten  über  die  Liguren  entwickelt  er  hier  pp. 
45.  52.  171.  184.  535  ff.  und  II,  263  ff.  301  ff.  Er  findet 
sie,  aufser  in  Gallien  und  Italien,  auch  in  Iberien  und  in 
'  Grofsbritannien ,  und  zwar  hier  nicht  blofs  in  den  Loe- 
griern,  sondern  auch  in  dem  grundstocke  der  Gaedhail  oder 
Galen.  Zugleich  trägt  er  auf  sie  die  sonst  —  mit  unzu- 
reichenden gründen  —  behauptete  Verwandtschaft  der  Ibe- 
ren  mit  den  Berbern  über.  Seine  sätze  und  folgerungen  hal- 
ten wir  überall,  auch  wo  wir  sie  nicht  uns  aneignen  mö- 
gen, der  beachtung  werth.  Dafs  übrigens  die  Iberen  mit 
den  Finnen  nichts  zu  schaffen  haben,  und  dafs  jene,  sowie 
viele  vorgeschichtliche  Europäer,  Dolichokephalen  sind, 
haben  die  neuesten  forschungen  erwiesen  (vgl.  pp.  232.  531). 
In  Irland  werden  wir,  wenn  auch  späte,  iberisch -baskische 
einwanderungen  nicht  zurückweisen  dürfen  (vgl.  p.  233). 

Auffallend  ist  uns  die  vergleichung  (p.  121)  des  skan- 
dinavischen As  (aus  Ans!)  mit  dem  indischen  Asu,  dem 


anzeigen.  243 

keltischen  Esus  und  dem  umbrischen  Esun.  Indessen 
verwahrt  sich  der  Verfasser  p.  144  selbst,  dafs  seine  Un- 
tersuchungen über  Esus  keine  eigentliche  etymologie  be- 
gründen sollen.  Der  kymrische  Hu  durfte  nicht  (p.  151) 
zugleich  mit  den  sanskritischen  stammen  Su  und  Hu 
verglichen  werden.  Bei  dem  Coifi,  dem  oberpriester  der 
North u m brer  bei  Beda  (angeblich  gaidelisch  coibhi  und 
dergl.,  vergl.  J.  Grimm,  d.  mythologie  s.  82)  erinnert  der 
Verfasser  p.  249  an  den  samothrakischen  Kabirenpriester 
Kotig,  Koirtg  bei  Hesychios.  Ebendas.  gleicht  er  die  Na m- 
neten  mit  den  Samniten  Strabons  und  den  Amniten 
Dionysios  des  Periegeten.  Seine  vergleichungen  der  Si- 
rona  als  mondgöttin  p.  270  ff.  und  der  Saroniden  p. 
298  ff.  mit  kymr.  ser  gestirne  u.  s.  w.  halte  ich  schon  des- 
wegen für  unstatthaft,  weil  in  jener  alten  zeit  ohne  zwei- 
fei kymr.  ser  noch  st  er  lautete  (vgl.  m.  OriginesEuropaeae 
no.  137).  Gewagt  erscheint  auch  die  deutung  der  benen- 
nung  üagaairoi  als  einer  ursprünglich  keltischen  (p.  334). 
Für  raeto- gallisch  planarati  u.  dgl.  (plaum  aratri?) 
p.  459  ff.  II,  81  ff.  erlaube  ich  mir  zur  ergänzung  und  viel- 
leicht zur  berichtigung  auf  meinen  artikel  darüber  a.  a.  o. 
no.  255  zu  verweisen,  wo  noch  Diez,  etymol.  Wörterbuch 
der  rom.  sprachen  2.  ausg.  I,  28  ff.  zuzuziehen  ist. 

Unsere  wenigen  aussetzungen  mindern  natürlich  den 
hohen  werth  des  buches  nicht,  welches  überdiefs  vor  vie- 
len andern  die  klarheit,  nettigkeit  und  Übersichtlichkeit 
der  anordnung  und  der  ganzen  darstellungsweise  voraus 
hat,  die  wir  überhaupt  nicht  selten  den  Franzosen  gegen- 
über den  Deutschen  nachrühmen  müssen. 

Frankfurt  a.  M.  im  märz  1869. 

Lorenz   Diefenbach. 


Altböhmisch  vrtrati  und  altind.  vrträ-. 

Es  kommt  nicht  selten  vor,  dafs  Wörter  und  redewei- 
sen,    welche  eigentlich  dem  heidenthume  angehören,   sich 

16* 


244  Burda 

tief  in  die  christliche  zeit  hinein  erhalten  haben,  weil  der 
Zusammenhang  derselben  mit  der  mythologie  nicht  mehr 
empfunden  oder  die  bedeutung  modificiert  wurde. 

Ein  solches  wort  scheint  nun  das  altböhmische  ver- 
bum  vrtrati  zu  sein.  Vor  allem  ist  es  aber  nöthig,  eini- 
ges über  die  form  dieses  Zeitwortes  vorauszuschicken. 

Nach  Schleicher,  Comp.  §.  176,  2;  §.  179,  3  und  §.  181 
kann  man  für  die  altbulgarischen  und  mithin  auch  für  die 
böhmischen  consonanten  t,  v,  r  dieselben  laute  als  ursprüng- 
lich voraussetzen,  so  dafs  diegrundform  des  wortes  vrtrati, 
abgesehen  vom  infinitivausgang  ati,  die  nämlichen  conso- 
nanten enthalten  wird.  Wie  ferner  aus  einer  anmerkung 
auf  8.  18  desselben  Werkes  ersichtlich  ist,  kann  im  böhmi- 
schen r  (oder  1)  durch  vocalschwund  selbst  vocalisch  wer- 
den, d.  h.  mit  andern  consonanten  ohne  jeglichen  vokal 
Silben  bilden.  Z.  b.  mr-tvy  (todt)  ist  nur  im  suffixe  vom 
altind.  mr-tas  verschieden,  vrtrati  ist  ein  abgeleitetes 
verbum,  wie  z.  b.  die  altbulgar.  delati  und  glagolati. 
Als  nomen  läfst  sich  zu  vrtrati  zunächst  nur  vrtrak 
nachweisen.  Aber  neben  zebrati  (betteln)  gibt  es  zwar 
auch  nur  ein  iebrak  (bettler),  doch  liegt  ein  stamm  ze- 
bro-  in  zebro-ta  (bettelei,  vgl.  altbulg.  dobro-ta,  ra- 
bo-ta)  deutlich  vor.  So  kann  man  auch  annehmen,  dafs 
vrtrati  von  einem  nominalstamme  vrtro-  abgeleitet  ist. 
Was  nun  diesen  erschlossenen  nominalstamm  vrtro-  be- 
trifft, so  steht  lautlich  nicht  das  mindeste  im  wege,  ihn 
mit  dem  altind.  stamme  vrtra-  zusammenzustellen.  Fer- 
ner ist  noch  die  bedeutung  von  vrtrati  bemerkenswerth. 
Es  bedeutet  zumeist  „aus  Unzufriedenheit,  aus  Unwillen 
murrend;  doch  ist  aus  vrtrak  (ohrenbläser,  verläumder)  , 
und  vrtra  nie  ( Schmähung,  lästerung)  ersichtlich,  dafs  es 
neben  „murren"  auch  „schmähen,  lästern,  verleumden"  be- 
deutete, d.  h.  es  bezeichnete  böse  handlungen. 

Wenzel  Burda. 


^/^ 


raiscellen.  245 

Das  litauische  suffix  -kla-. 

Nesselmann  führt  im  glossar  zu  seinem  werke:  die 
spräche  der  alten  Preufsen,  das  umschriebene  perfectum 
„ebsentli-uns  assei"  (du  hast  bezeichnet)  an.  Wenn  man 
in  dem  worte  eb-sentli-uns  von  der  praeposition  eb  und 
dem  suffixe  des  part.  perf.  act.  -uns  absieht,  so  bleibt  der 
verbalstamm  *sentli-  übrig,  der  doch  nur  einem  abgeleite- 
ten verbum  auf  urspr.  aja  angehören  kann.  Der  nominal- 
stamm aber,  von  welchem  dieses  verbum  gebildet  worden 
war,  ist  wohl  *sentla-  =  urspr.  gantra-,  abgeleitet  von  der 
wurzel  *sen  (s  wie  tönendes  slawisches  z  zu  lesen,  vergl. 
litauisch  zin-oti)  mittels  des  Suffixes  -tla-  =»  urspr.  -tra- 
(vgl.  altindisch  vas-tram,  %v-t)*ov). 

Mit  diesem  preufsischen  stamme  *sentla-  nun  ist  der 
litauische  zenkla-  in  zenklas  (zeichen)  identisch  bis  auf  den 
umstand,  dafs  hier  k  für  das  ursprüngliche  und  zu  erwar- 
tende t  steht.  Dies  erklärt  sich  jedoch  so,  dafs  der  Li- 
tauer die  für  ihn  schwer  auszusprechende  lautgruppe  tl  in 
die  bequemere  kl  übergehen  liefs. 

Uebergang  von  t  in  k  in  einer  nicht  beliebten  con- 
sonanteuverbindung  steht  übrigens  auf  dem  gebiete  des 
slawoli tauischen  nicht  vereinzelt  da.  Denn  das  altlitauische 
ordinale  sekmas  neben  dem  preufsischen  septmas  kann  man 
nur  so  erklären,  dafs  p  ausgestofsen ,  t  aber  wegen  des 
folgenden  m  in  k  verwandelt  wurde.  Auch  ein  böhmischer 
dialect  zeigt  kl  für  tl:  z.  b  klustej,  in  der  Schriftsprache 
tlusty  (dick)  =  altslov.  tlüstyj ;  ferner  klouci,  in  der  Schrift- 
sprache tlouci  (schlagen)  =  altslov.  tlüsti,  welches  neben 
dem  regelmäfsigen  tlesti  vorkommt. 

Man  kann  somit  annehmen,  dafs  das  litauische  suffix 
-kla-  nicht  nur  in  seiner  function  mit  dem  urspr.  -tra*, 
griech.  -Tpo-,  -täo-  und  slaw.  -dlo-  übereinstimmt,  sondern 
auch  lautlich  mit  ihnen  identisch  ist. 

Wenzel   Burda. 


««« 


246  Baudouin  de  Courtenay 

1)  Nachtrag  zu  beitr.  V,  209. 

Im  polnischen  p6c  (p6dz)  (imperativ,  geh)  für  und 
neben  pojo  (pöjdz),  pöd$  (sie  werden  gehen),  pfyd§ 
(sie  werden  kommen)  für  und  neben  pöjdq,  pfyjd$,  ist 
die  eigentliche  wurzel  spurlos  «verloren  gegangen.  Die 
grün d form  ist:  1)  pojidji  =  po  (präposition)  -f-ji  (wur- 
zel) -f-  d  (wurzeldeterminativ)  — | —  j i  (imperativzeicben); 
2)  po-r-ji-r-d-r-3,  p f y -+- j i -H d -H ^.  —  In  wes  (wez) 
(imperativ,  nimm)  zeigt  sich  die  wurzel  Jim  nur  noch  in 
der  erweichung  des  auslautenden  consonanten.  Die  grund- 
form  ist  wez-jim-ji,  und  wirklich  finden  wir  im  älteren 
polnisch  wezm'i*). 

2)  Uebergang  des  i  in  u  im  polnischen. 

Die  participia  praeteriti,  jetzt  das  praeteritum  bildend: 
b'it  (schlug),  p'il  (trank),  rob'it  (machte),  kup'il  (kaufte), 
udaw7!!  s$  (erstickte),  nosil  (trug),  chodzil  (ging),  und 
selbst  gnil  (faulte)  u.  s.  w.  werden  von  manchen  b'ut, 
p'ul,  rob'ul,  kup'ul,  udaw'ul  s$,  nosul,  chodzul, 
gnul  ausgesprochen**). 

Umgekehrt  sind  die  noch  im  1  6.  jahrh.  vorkommenden 
lutosc  (mitleid),  lutosciwy  (mitleidig),  lutowac  s$ 
(mitleid  haben)  in  litosc,  litoSciwy,  litowac  s§  über- 
gegangen. Daneben  existirt  heute  ein  anderes  lutowac', 
von  dem  deutschen  löthen.  —  Das  im  16.  jahrh.  vor- 
kommende licem'ernicy  (pharisäer,  wörtl.:  antlitzmesser) 
erscheint  im  löten  noch  als  lucem'ernicy;  heute  leben 
nur  einfaches  lice,  oblice  (antlitz),  Slicny  (hübsch)  und 
pölicek  (wange)  mit  ihren  ableitungen.    Von  dem  letzten 


*)  Ein  beispiel,  in  welchem  die  wurzel  aus  tieftoniger  silbe,  ohne  von 
praepositionen  gepresst  zu  sein,  verloren  gieng,  ist  mianowad  nennen,  alt- 
bulg.  imenovati  von  ime.  =  urspr.  gnS-man.      J.  S. 

**)  Ist  wohl  nur  Wirkung  des  1,  das  hier  wie  ul  gesprochen  wird  und 
das  vorhergehende  i  verdrängte,  von  dem  nur  noch  die  erweichung  des  con- 
sonanten übrig  ist:  nosil,  *nosiul,  nosul.      Sr. 


miscellen.  247 

worte  wird  in   der  warschauer  gassensprache  wurzelgemä- 
fses  primäres  pölik  gebildet*). 

3)  Zur  geschichte  der  polnischen  zahlworter. 

In  den  polnischen  denkmälern  des   15.  und  selbst  des 
16.  jahrb.  lesen  wir  noch: 

do  p'^ci  na  sce  (aus  dzes^ce)  lat,  heute:  do  p'et- 
nastu  lat  (bi3  zu  15 jähren),  od  dwu  na  See  lat,  heute: 
od  dwuna8tu  lat  (seit  12  jähren),  jeden  na  sce  zwo- 
leniköf,  heute:  jedenastu  zwoleniköf  (11  anhänger), 
jeden  ze  dwu  na  sce  h.  jeden  ze  dwunastu  (einer 
von  12),  podlug  dwanaäc'e  gw'azd  h.  dwunastu  (nach 
12  sternen),  dwa  na  See  koronami  h.  dwunastu  (mit 
12  krönen); 

f  p'^tem  na  ce  lece  h.  f  p'etnastym  (im  lö.jahre), 
f  cfartem  na  ce  lece  h.  f  cternastym  (im  14.  jähre); 
cfartego  na  sce  dna  h.  öternastego  dna  (des  14.  ta- 
ges),  p'^tego  na  sce  dna  h.  p'etnastego  dna  (des  15. 
tages);  z  w'inq  p'etnadzesc'3  h.  p'etnastq  (mit  der' 
15.  schuld); 

we  dwanastym  kapitulum  h.  we  dwunastym 
(im   12.  capitel). 

4)  pcola. 

In  einem  polnischen  denkmale  des  15.  jahrh.  finden 
wir  noch  den  gen.  plur.  pcot  (später  pscot,  der  bienen), 
aber  schon  neben  dem  instr.  pscolam'i.  —  Im  russischen 
lebt  bis  jetzt  peeta,  und  im  böhmischen  fcela  (vcela 
geschrieben). 

5)  slza. 

In  den  polnischen  denkmälern  des  14.,  15.  und  selbst 
in  denen  des  16.  jahrh.  lesen  wir  noch  nom.  sg.  slza  (viel- 

*)  Altbulg.  lice  vultus,  licemerü  Simulator.  Das  u  in  lucem'er- 
nicy  kann  nicht  alt  sein,  sondern  wird  wohl  seinen  Ursprung  irgend  welcher 
analogic  oder  falschen  deutung  verdanken.    Sr. 


248  Stokes 

leicht  nur  so  geschrieben)  oder  ziza,  heute  'tza  (thräne), 
nom.  pl.  ztzy,  loc.  pl.  w  ztzach,  gen.  pl.  zles  u.  s.  f. 
Wenn  es  je  slza  gelautet  hätte,  dann  möfste  dies  wort 
zweisilbig  (sl-za)  sein;  denn  in  einer  silbe  geht  s  vor  z 
in  z  über.  Wenn  man  ziza  sprach,  dann  konnte  es  ent- 
weder zweisilbig  (zl-za)  oder  einsilbig  (ziza)  sein. 

Das  wort  ziza  lebt  bis  heute  als  pl.  zolzy  neben 
ha,  aber  in  anderer  bedeutung:  Iza  ist  thräne,  zolzy 
feifei,  drüsen  (pferdekrankheit). 

Berlin,  juni  1868. 

J.  Baudouin   de  Courtenay. 


Addenda. 

Beitr.  V  s.  310.  3.  pers.  plur.  pan  oa(n)t  ouz  e  ren 
dan  marv  wben  they  were  dragging  bim  to  the  death 
M.  123  a. 

8.  325.  part.  praet.  pass.  aznat  (cogneu,  notus)  Cath. 

8.  328.  inf.  gouzout.  Die  ältere  form  gouzvout 
findet  sich  im  Catholicon:  da  gouzvout  (gl.  scilicet). 

8.  335.  2.  pers.  sing,  imperat. :  crist  haz-vez  trugarez 
ouzimp  (Cr.,  ayez  mercy  de  nous)  Cath.  s.  v.  Crist. 

s.  337,  secund.  praes.  3.  pers.  sing,  douque  M.  28a. 

s.  338.  part.  praet.  pass.  diouguet  (gl.  delatus)  Ca- 
tholicon: dizoen  (=  di-doen)  gl.  deferre  ibid. 

8.  344  antn.  fuge  hinzu  altbreton.  difeith  in  barb- 
difeith  rough-beard  Cart.  Roton.  ed.  de  Courson. 

8.  357.  part.  praet.  groaet  Cath.  p.  81. 

s.  361  z.  21  statt:  dem  armen  manne  lies:  den  armen 
leuten. 

Corrigenda. 

Seit  ich  meine  abhandlung  über  die  mittelbretoni- 
schen  unregelmäfsigen  verba  (Beiträge  V,  306)  niederge- 
schrieben, bin  ich  in  den  besitz  von  Lhuyd's  Archaeo- 
logia  britannica  (Oxford  1707)  gekommen  und  fand  darin 


miscellen.  249 

eine  Übersetzung  von  Manoir's  armorischer  grammatik.  Ma- 
noir's  anordnung  der  tempora  des  verbums  ober  (facere) 
setzt  mich  in  den  stand  formen,  die  ich  (ohne  grofses  ver- 
trauen) als  secundäres  praesens  bezeichnet  hatte  (Beitr. 
V,  354),  an  ihren  richtigen  platz  zu  stellen.  Ich  sehe  jetzt, 
dafs  die  formen  guereu,  guerue,  gueure  dem  praeter- 
itum  angehören  und  8.  351  (wo  beiläufig  für  greomp  im 
paradigma  gresomp  zu  lesen  ist)  hätten  eingefugt  werden 
sollen,  während  die  formen  sing,  grahenn,  grabe,  plur. 
grahemp,  grahech,  grahent  dem  secundären  futurum 
oder,  wie  Manoir  es  nennt,  dem  optativ  angehören.  Die 
formen  guereu,  guerue,  gueure  fecit  (Manoir's  e  eure) 
sind  mir  dunkel.  Kann  das'  b  im  futurum  grahenn  u.  s.  w. 
das  ältere  s  vertreten,  von  dem  wir  im  irischen  so  viel 
beispiele  haben?  So  in  deuhymp  (wir  werden  kommen); 
ahy  (er  wird  geben),  ahimp,  eheut,  ahint;  grohimp 
(wir  werden   thun),    greheut,  grehint. 

8.310  z.  28  für:  vit",   deandid  lies  sit",  diand-id. 

s.  325,  z.  8  von  unten  für:  lat.  ad-  lies:  ate-. 
Calcntta,  Weihnachten  1868.         Whitley  Stokes. 


Geehrter  herr  professor! 

Ich  beeile  mich,  Sie  und  unsere  mitarbeiter  an  Zeit- 
schrift und  beitragen  auf  eine  der  wichtigsten  entdeckungen 
aufmerksam  zu  machen,  die  im  gebiete  der  vergleichenden 
mythologie  in   der  letzten  generation   stattgefunden. 

Am  25.  Januar  d.  j.  las  Mr.  W.  Hennessey,  bereits 
durch  seine  ausgäbe  des  Chronicon  Scotorum  jedem  celti- 
schen  philologen  rühmlich  bekannt,  vor  der  irischen  aka- 
demie  eine  denkschrift  über  die  weiblichen  kriegsgotthei- 
ten  der  alten  Iren,  im  anschlufs  an  Pictet's  aufsatz  „Sur 
une  nouvelle  d£esse  Grauloise  de  la  guerre".  Revue  Arch6o- 
logique  1868. 

Ganz  neue,  unerwartete,  reiche  ausbeute,  fernsichten 


250  Lottner,  miscellen. 

in  das  indogermanische  alterthum,  fernsichten  in  die  inter- 
nationalen Verhältnisse  der  Germanen  und  Celten  in  romi- 
scher zeit  eröffneten  sich,  und  auch  die  einsieht,  dafs  zwi- 
schen Norwegern  und  Iren  noch  ganz  andere  dinge  als 
pfeilschüsse  gewechselt  worden  sind,  nämlich  ideen,  noch 
ganz  andere  töne  erklungen  sind,  als  schwerterklirren,  näm- 
lich gesänge  hinüber  und  herüber. 

Die  abhandlung  hrn.  Hennessey's  ist  leider  für  einige 
zeit  noch  dem  drucke  entzogen.  Ich  will  in  der  kürze 
auf  die  wichtigsten  punkte  im  voraus  die  aufmerksamkeit 
richten.     Es  sind  die  folgenden: 

1 )  Es  gab  gewisse  irische  kriegsgöttinnen,  deren  namen 
verschieden  angegeben  werden. 

2)  Einer  dieser  namen  ist  Bad b  Catha,  was  allem  an- 
scheine nach  mit  dem  restaurirten  Cathubodua 
dergallischen  von  Pictet  behandelten  inschrift  iden- 
tisch ist. 

3)  Andere  geläufige  namen  sind:  Neman,  Morriga, 
Ana,  Be-Neit. 

4)  Gewöhnlich  erscheinen  diese  genien  zu  drei,  wenn 
sie  nicht  ganz  allein  auftreten. 

5)  Nicht  selten  ist  eine  derselben  einem  helden  speciell 
als  schützerin  und  braut  zur  seite  gestellt. 

G)  Sie  erscheinen  oft  in  vogelgestalt,  und  heifsen  dann 
eines  speciellen  helden  „bird  of  valour"  (Hennes- 
sey's ausdruck). 

7)  Wo  diese  gestalt  specieller  angegeben  ist,  ist  es  eine 
krähenart  (sealderow,  roystering  crow). 

8)  Wenn  das  Schicksal  den  helden  ereilt,  verlassen  sie 
ihn  mit  schmerzen. 

Jedermann  sieht  und  auch  dem  Scharfsinne  herrn  Hen- 
nessey's ist  das  natürlich  nicht  entgangen,  dafs  wir  hier 
das  genaue  gegenbild  der  germanischen  Valkyrjen  haben. 
Selbst  die  krähengestalt  wird  in  der  Völsungasaga  aus- 
drücklich erwähnt. 

Ich  werde  seiner  zeit  genaueren  bericht  über  diese 
höchst  merkwürdige  entdeckung  erstatten.     Was  ihr  aber 


Nachruf.  251 

mehr  werth  giebt  als  alles  andere,  ist,  dafs  aus  gelegent- 
lichen änfserungen  in  hm.  Hennessey's  abhandlung  sieh  klar 
ergiebt,  dafs  noch  ganz  ungeahnte  mythologische  schätze 
in  den  irischen  handschriften  stecken,  die  der  genannte 
hoffentlich  heben  wird. 

Ich  glaube  es  der  Wissenschaft  schuldig  zu  sein,  auf 
einen  so  bedeutenden  fund  aufmerksam  zu  machen,  da 
geraume  zeit  bis  zur  officiellen  Veröffentlichung  vergehen 
konnte. 

Dublin,  7.  april  1869.  C.  Lottner. 


Nachruf. 
August  Schleicher, 

geboren  den  19.  februar  1821  zu  Meiningen,  gestorben  den 

6.  december  1868  zu  Jena. 

Hie  est  üle  situs  cui  nemo  civis  neqae  hostis 
Quivit  pro  factis  reddere  opis  pretium. 

Vor  wenig  mehr  denn  Jahresfrist  ward  der  Sprachwis- 
senschaft ihr  begründer  entrissen,  und  schon  stehen  wir 
wieder  an  einem  frischen  grabe.  Bopp  war,  wie  wenigen, 
das  glück  beschieden  seine  mission  ganz  zu  erfüllen,  er 
gieng  zur  ewigen  ruhe  ein,  nachdem  er  den  grofsen  ge- 
danken  seines  lebens  verwirklicht  und  ihm  allgemeine  an- 
erkennung  errungen  hatte.  Er  hat  eine  Wissenschaft  hin- 
terlassen, deren  grundlagen  durch  ihn  für  alle  zeiten  sicher 
gestellt  sind. 

Schleicher  ist  vom  plötzlichen  tode  mitten  aus  frucht- 
barem schaffen  hinweggerafft  worden  voll  von  entwürfen 
zu  rastloser  arbeit,  ohne  vollenden  zu  können  was  er  als 
das  hauptwerk  seines  lebens  betrachtete*  Wohl  ist  ihm 
ein  beneidenswerthes  loos  gefallen  im  Vollgefühle  der  kraft 
noch  auf  dem  wege  zum  gipfel  des  ruhmes  abgerufen  zu 
werden,    die  aber,    welche  gleiches  strebens  die  von  ihm 


25*2  Nachruf. 

gebrochene  bahn  verfolgen,  empfinden  schmerzlieh  den  ver- 
tust des  führers,  dessen  vorbild  sie  anfeuerte  und  dessen 
Zuspruch  sie  stärkte. 

Schleicher  hat  sich  nicht  ausgelebt,  und  doch  was  hat 
er  geleistet!  Mit  ausnähme  der  etymologie  gibt  es  kein 
gebiet  der  Sprachwissenschaft,  welches  nicht  durch  seinen 
Scharfsinn  wesentlich  gefördert  ist. 

Wider  willen  war  er  zum  Studium  der  theologie  be- 
stimmt, doch  sein  reger  geist  war  nicht  geschaffen  sich 
einem'  starren  dogma  zu  unterwerfen,  fühlte  sich  vielmehr 
zur  philosophie  hingezogen.  Auch  die  Hegeische  lehre 
vermochte  den  nach  sicherer,  objectiver  erkenntniss  stre- 
benden nicht  dauernd  zu  befriedigen;  er  gieng  in  die  schule 
strenger  philologischer  kritik  und  wandte  sich,  in  ihr  me- 
thodisch gebildet,  dem  theile  der  philologie  zu,  welcher 
der  subjectivität  am  wenigsten  Spielraum  gestattet,  der 
grammatik.  Dies  war  das  feld,  auf  welches  ihn  neigung 
und  ungewöhnliche  begabnng  gleichmäfsig  hinwiesen;  dafs 
er  nicht  alle  theile  desselben  mit  gleicher  lust  angebaut 
hat,  lag  tief  in  seiner  natur  begründet.  Ueberall  suchte 
er  das  gesetz  der  entwickelung,  welches  die  persönlichem 
willkür  des  forschers  ausschliefst,  den  labyrinthen  der  ety- 
mologie war  er  daher  nie  hold,  sie  bot  ihm  nicht  genü- 
gende bürgschaften  ihrer  ergebnisse,  welche  selten  noth- 
wendigkeit,  meist  nur  möglichkeit  für  sich  beanspruchen 
können;  oft  genug  hat  er  sich  geringschätzig  über  sie  aus- 
gesprochen. Um  so  eifriger  widmete  er  seinen  fleifs  den- 
jenigen seiten  der  Sprachwissenschaft,  welche,  weniger  dem 
individuellen  ermessen  anheimgegeben,  in  sich  selbst  ein 
regulativ  gegen  den  irrthum  tragen:  der  lautlehre,  stamm- 
und  Wortbildung  und  der  morphologie.  Was  Bopp  in  gro- 
fsen  zügen  angelegt  hatte,  ist  nicht  zum  wenigsten  durch 
Schleicher  weiter  ausgeführt,  schärfer  gefafst  und  berich- 
tigt worden.  Aber  nicht  die  resultate  allein,  zu  welchen 
er  auf  diesen  gebieten  gelangte,  haben  sein  ansehen  be- 
gründet, sondern  vor  allen  dingen  die  art,  wie  er  sie  ge- 
wann   und   die  gewonnenen   der   Wissenschaft  einzuordnen 


Nachruf.  253 

verstand.  Schleicher  besafs  ein  glänzendes  organisatori- 
sches talent.  Wenige  Wissenschaften  bringen  ihre  jünger 
so  sehr  in  gefahr  auf  unermesslichem  meere  die  richtung 
zu  verlieren,  wie  die  Sprachwissenschaft.  Dem  vorgebeugt 
zu  haben  ist  Schleichers  nteht  geringstes  verdienst.  Er 
ist  es,  der  die  Sprachwissenschaft  in  ein  System  gebracht 
und  die  fülle  des  Stoffes  unter  feste,  aus  der  natur  der 
sache  selbst  geschöpfte  gesichtspuncte  geordnet  hat.  Mu- 
sterhafte klarheit  und  methode  haben  seinen  arbeiten  einen 
so  durchgreifenden  einflufs  verliehen. 

Mit  der  beherrschung  des  ganzen  und  der  erkenntniss 
des  allen  indogermanischen  sprachen  gemeinsamen  verband 
er  einen  scharfen  blick  für  die  eigen thümlichen  charakter- 
züge  der  einzelsprachen,  welchen  er  stets  gerecht  wurde. 
Er  bekannte  es  gern,  dafs  er  ein  sclave  der  lautgesetze 
wäre,  welche  er  bis  ins  einzelste  beobachtete,  verlor  aber 
dabei  nie  das  grofse  ganze  aus  dem  äuge.  Gleichweit  ent- 
fernt von  einer  aufgezwängten  teleologie  wie  von  einem 
rath-  und  ziellosen  untergehen  im  Stoffe,  vom  idealismus 
wie  vom  materialismus,  strebte  er  stets  das  eigenthümliche 
wesen  der  erscheinungen  zu  erfassen  und  das  in  ihnen  wir- 
kende gesetz  zu  ermitteln.  Hierbei  kam  ihm  seine  frühere 
philosophische  schule  zu  statten.  Das,  wodurch  Hegel 
einen  nachhaltigen  befruchtenden  einflufs  auf  die  neueren 
Wissenschaften  geübt  hat,  ist  dafs  er  den  begriff  der  ent- 
wickelung  in  den  Vordergrund  gerückt  hat.  Die  organi- 
sche entwickelung  in  ihrer  continuität,  ohne  Sprünge,  nach 
inneren  treibenden  Ursachen,  ist  der  leitstern,  welchem 
Schleicher  bei  allen  seinen  Untersuchungen  gefolgt  ist. 
Streng  hielt  er  darauf,  dafs  man  nicht  gesetze,  welche  in 
früheren  perioden  des  sprachlebens  wirkten,  unbesehens 
auch  auf  spätere  übertrüge  oder  umgekehrt.  Hiermit  hängt 
zusammen,  dafs  er  die  Verwandtschaft  der  indogermani- 
schen sprachen  auf  einen  rationalen  ausdruck  zu  bringen, 
d.  h.  ihren  Stammbaum  festzustellen  und  die  Ursprache  zu 
reconstruieren  suchte.  Mögen  auch  manche  der  hier  ein- 
schlagenden fragen  noch  nicht  endgiltig  gelöst  sein,  so  ge- 


254  Nachruf. 

bührt  doch  Schleicher  das  unstreitige  verdienst  sie  ange- 
regt und  künftiger  forschung  ihre  bahnen  vorgezeichnet  zu 
haben*).  Nicht  genug,  dafs  er  die  Verwandtschaft  der  in- 
dogermanischen sprachen  genau  zu  bestimmen  unternahm, 
wies  er  auch  unserem  ganzen  sprachstamme  seinen  platz 
in  der  sprachenweit  an  und  entwarf  nach  mafsgabe  des 
morphologischen  baues  die  grundzüge  eines  natürlichen  Sy- 
stems der  sprachen.  Dies  System  wollte  er  zugleich  als 
die  einzig  würdige  Classification  der  menschheit  betrachtet 
wissen,  für  welche  er  mit  recht  forderte,  dafs  man  sie 
nicht  wie  die  der  thiere  nach  leiblichen  merkmalen  auf- 
stellte sondern  nach  dem  eigentümlich  menschlichen,  d.  h. 
eben  nach  der  spräche. 

Erhob  sich  so  sein  geist  zu  den  höchsten  und  weit- 
grcifendsten  aufgaben  menschlicher  Wissenschaft,  so  ward 
er  doch  nie  müde  die  anscheinend  trockensten  Untersuchun- 
gen der  lautlebre  mit  gewissenhafter  Sorgfalt  und  nüchtern- 
heit  zu  führen.  Und  unter  seiner  behandlung  blieb  nicht 
leicht  etwas  trocken,  überall  wufste  er  das  wirkende  gesetz 
herauszufinden  und  den  Stoff  sachgemäfs  zu  ordnen.  Am 
glänzendsten  bewährte  sich  sein  beobachtungstalent  und 
seine  gestaltungskraft  auf  dem  felde  der  slawolettischen 
sprachen.  Seine  litauische  grammatik  wird  lange  zeit  die 
grundlage  für  das  Studium  dieser  spräche  bleiben.  Auch 
das  slawische  ist  hauptsächlich  durch  seine  formenlehre 
des  altkirchenslawischen  den  blicken  der  Sprachforscher 
näher  gerückt  worden.  Leider  sollte  er  die  vergleichende 
grammatik  der  slawischen  sprachen,  welche  er  als  die 
hauptaufgabe  seines  lebens  betrachtete,  nicht  vollenden. 
Einen  theil  derselben,  vielleicht  den  schwierigsten,  hat  er 
zum  drucke  fertig  hinterlassen,  die  grammatik  des  jetzt 
verschollenen  polabischen,    von  welchem   nur  dürftige  und 


*)  Die  möglichkeit,  ein  bild  der  Ursprache  zu  entwerfen,  findet  sich 
zuerst  angedeutet  in  Schleichers  formenlehre  der  kirchenslawischen  spräche 
s.  4.  Befremden  mufs  es,  dafs  an  einem  orte,  wo  die  männer  erwähnt  wer- 
den, »deren  arbeiten  auf  die  auf  hellung  des  zustandes  des  indogermanischen 
volkes  vor  seiner  trenn ung  gerichtet  sind",  Schleichers  name  fehlt. 


Nachruf.  255 

sehr  entstellte  aufzeichnungen  unkundiger  auf  uns  gekom- 
men sind.  Hier  gab  es  eine  arbeit,  wie  sie  Schleicher  zu- 
sagte und  der  wenige  aufser  ihm  gewachsen  waren :  es  galt 
den  Worten  und  Sätzen,  welche  deutsche,  der  spräche  nicht 
mächtige  aufzeichner  nach  mangelhaftem  gehöre  aus  vol- 
kesmunde  aufgeschrieben  haben,  ihre  wahre  gestalt  zurück- 
zugeben. Schleicher  hat  wiederholt  diese  polabische  gram- 
matik  sein  bestes  werk  genannt.  Die  übermäfsigen  an- 
strengungen,  welchen  er  sich  unterzog  um  es  zum  abschlusse 
zu  bringen,  haben  seine  gesundheit  so  untergraben,  dafs 
sie  dem  anfalle  einer  lungenentzündung  nicht  mehr  wider- 
stand leisten  konnte.  Wenige  tage  vor  seinem  tode  war 
er  noch  mit  der  Vollendung  des  manuscriptes  beschäftigt. 

So  schlofs  ein  rastlos  für  die  Wissenschaft  wirkendes 
leben  mitten  im  besten  schaffen.  Was  wir  an  ihm  verlo- 
ren haben,  darüber  herrscht  nur  eine  stimme.  Nicht  nur 
aus  ganz  Deutschland,  aus  fast  allen  ländern  Europas  hat 
man  den  hinterbliebenen  die  aufrichtigsten  und  zartesten 
beweise  der  werthschätzung  des  verstorbenen  und  der  trauer 
um  seinen  tod  dargebracht. 

Schleicher  war  eine  natur  von  bewundernswürdiger 
kraft  und  rücksichtsloser  aufrichtigkeit.  Was  er  als  wahr 
erkannt  hatte,  danach  handelte  er  gewissenhaft,  und  das 
verkündete  er,  unbekümmert  ob  es  ihm  bei  anderen  scha- 
dete oder  nicht.  Nicht  geschaffen  zu  concessionen  an 
herrschende  von  der  seinigen  abweichende  meinungen  zwang 
er  jeden,  der  mit  ihm  in  berührung  kam,  für  oder  wider 
ihn  partei  zu  ergreifen.  Dabei  war  er  weder  intolerant 
noch  suchte  er  anders  denkende  zu  seiner  meinung  zu  be- 
kehren: „ich  kann  ja  nicht  verlangen,  dafs  alle  menschen 
mir  gleich  organisiert  seien",  diese  äufserung  konnte  man 
off  aus  seinem  munde  vernehmen.  In  stiller  zurückgezo- 
genheit lebend  war  er  schwer  zugänglich.  Wem  es  aber 
gelungen  war  ihm  näher  zu  treten,  der  konnte  keinen  treue- 
ren und  aufopfernderen  freund  finden  als  ihn. 

Für  seine  schüler  war  ihm  keine  mühe  zu  schwer, 
keine  zeit  zu  kostbar.     Stets  war  er  für  sie  zu  sprechen, 


256  Nachruf. 

mochte  er  in  seinem  garten  arbeiten  oder,  was  er  in  den 
letzten  jähren  oft  tage  lang  hintereinander  trieb,  mit  mi- 
kroskopischen pflanzenunter8uchungen  beschäftigt  sein,  oder 
am  schreibpulte  schaffen.  Wer  das  glück  hat  sein  schüler 
gewesen  zu  sein,  kann  ihn  nie  vergessen. 

Alles  was  er  war .  und  wufste  durch  eigene  kraft  er* 
zielt  zu  haben,  mufste  dem  manne  ein  stolzes  bewufstsein 
geben.  Niemals  aber  ward  dies  berechtigte  Selbstgefühl 
zur  Selbstüberschätzung,  vielmehr  bewahrte  der  schlichte 
mann  eine  fast  beispiellose  bescheidenheit,  verbunden  mit 
dem  dränge  nach  immer  höherer  Vervollkommnung.  „Ich 
habe  mein  ganzes  leben  hindurch  nach  klarheit  gestrebt, 
und  es  soll  ja  alles  noch  viel,  viel  besser  werden ",  waren 
die  letzten  worte,  welche  er,  aus  fieberträumen  noch  ein- 
mal zu  sich  kommend,  sprach. 

So  lange  der  narae  Bopp  lebt,  wird  Schleicher  sei- 
nen platz  neben  ihm  behaupten. 

Johannes  Schmidt. 


Pott,  die  partikeln  skr.  gha,  ghä,  ha  and  hi ;  zend.  zi  etc.  257 

Die  partikeln  skr*  gha,  ghä,  ha  und  hi;  zend.  zi; 
griech.  yd,  y£\  lith.  -gi,  slav.  ze  u.  s.  w. 

Ein  etymologisch-  syntaktischer  versuch. 

Von   besonderer  Wichtigkeit  ist  unstreitig  die  partikel 
gha  und  ghä  Benfey,  gloss.   8.  63,    vedisch    für    später 
daraus  entstandenes  ha  und  ha  s.  266,  aber  hi  (denn)  207. 
Dazu  gha  pet.  wb.  II,  869.     Was  Benfey  über  deren  Ur- 
sprung vermuthet:   „wahrscheinlich  alter  adverbial  gewor- 
dener instr.   des   pron.  gha  =  lat.  ho  [d.  h.   in   hun-c, 
ho-c,  hör  um  u.  s.  w.]  vgl.  griech.  wz.  lex.  II,  187",  könr 
nen  wir,  als  zu  nichts  führend,  auf  sich  beruhen  lassen. 
Das  sanskrit  kennt  einen  derartigen  pronominalstamm  nicht, 
und  aufgehellt  wird  das  wort  damit  nicht  im  mindesten. 
Wirklichen  belang  haben  jedoch  Benfey's   weitere  bemer- 
kungen:   „dient  zur  Verstärkung;   hinter  pron.  der  1.  pers. 
vajam  gha  (rjftelg  ys).     Sa  ghä  6  ys.     Hinter  ä  [präp. 
zu,  bei;  adv.  herbei];    äd  [darauf]  mit  nächst,  id;    hinter 
Kid  [urspr.  quid,  indef.  machend:   irgend  u.  s.w.];    hin- 
ter jad  vä  [jenes  o,  was;  dieses  lat.  -ve,  oder];    hinter 
adj.  —   Desgl.  ha  und  hä,  geschwächtes  gha  =  griech. 
yi.     Verstärkend  (Seh.  eva,  khalu,    aber  nach  Nir.  I,  9 
vinigrahärhlja  vergl.  Windischm.  Sank.  73).     Hinter  pron. 
interrog.;   hinter  tvam  [vergl.  <svya\,  hinter  jad  [o]u.  — 
Im  pet.  wtb. :   „gha  enkl.  part.    der  hervorhebung:    we- 
nigstens, gewif8,ja;  meistens  nicht  zu  übersetzen,  ana- 
log dem  griech.  ye.     Im  Rigveda  häufig,    sonst  nur  sehr 
selten   vorkommend.     Erscheint   oft   in   verb.  mit  andern 
partikeln    verwandter    bedeutung,    namentlich    nach  Kid; 
uta;  vä  und  vor  id.     Man  kann  folgende  Stellungen  des 
gha  als  die  gewöhnlichsten   hervorheben:    I)  nach  pron. 
am  anfange  eines  päda:  sa  ghä  nö  yöga  (lok.)  ä  bhuvat, 
sa  räjö  sa  purandbjäm   Rv.  I,  5.  3  [was  Rosen  übersetzt: 
Iß  utique  (d.  i.  Indras)  nobis  acquirendi  causa  adsit,  is 
divitiarum  causa,  is  propter  omnigenam  sapientiam.]  Im  am 
ghä;  asja  ghä;  tava  ghä  u.  s.  w.     2)  nach  präpp.  am 

Beiträge  z-  vgl.  sprachf.  VI.  3.  17 


258  Pott 

anfange  eines  päda:  upa,  anu,  ud,  vi,  ä,  pra.  3)  nach 
der  neg.  na.  —  Nicht  selten  erscheint  die  part.  im  nach- 
satz  eines  bedingungs-  und  relativsatzes". 

Man  hat  nun  längst  erkannt,  mit  obiger  partikel  müsse 
yk  und  yd  Ahrens,  Dor.  p.  115  im  wesentlichen  gleich 
sein.  Man  nehme  nur  die  gut  zum  sanskrit  stimmende 
verb.  mit  dem  pron.  dor.  eyco-ya  und  tycov^ya  (ohne  assim. 
des  v),  tarent.  kytov-r\  (s.  ah  am  mit  ?;,  vero,  gls.  ego  vero, 
equidem?),  rvya  ib.  p.  248,  hydv-ya  251.  Desgl.  böot. 
Sotv-ya,  falls  der  asper  richtig  ist,  Ahrens  Aeol.  p.  206, 
tovya  207.  In  gewöhnlicher  rede  tywys,  kpovys,  ^uoiys, 
avye,  Tovroys,  bei  Epikern  oye  Buttm.  ausf.  gramm.  §.  72 
anm.  4  und  §.  80.  2.  Etwa  auch  ksl.  az  ze,  tu  ze,  on 
ze,  oni  ze,  ego  autem,  tu  autem,  ille  autem,  illi  autem 
bei  Dobr.  Inst.  p.  448?  Abschwächung  von  a  zu  e  kann 
keinerlei  bedenken  erregen,  zumal  sich  in  ehe,  dor.  aha 
(a  sogar  lang)  ein  analogon  zeigt.  Vergl.  zeitschr.  V,  64. 
Gesucht  hat  man  die  partikel  auch  in  dem  sonderbaren 
ausgange  des  germ.  acc.  sg.,  goth.  mi-k,  thu-k,  si-k, 
mich,  dich,  sich,  was  sowohl  nach  sinn  als  form  angienge, 
indem  das  sanskrit  auch  die  enkl.  formen  mä,  tvä  (me, 
te),  gr.  (w£,  rö,  g  (se),  hat.  S.  Westphal  in  zeitschr.  II,  177, 
Bugge  IV,  243.  Auf  blofsem  zufall  mag  es  beruhen, 
wenn  der  Serbe  einigen  casus  der  pron.  die  silbe  ka,  kar 
und  karena,  z.  b.  menika,  tebika  u.  s.  w.,  anhängt. 
Grimm  gramm.  s  57.  —  Mit  recht  aber  verwirft  Schwei- 
zer zeitschr.  II,  372  die  von  Benfey  versuchte  gleichung  von 
unserem  gha,  yd  mit  lat.  hi-c,  illi-c,  isti-c  (nebst 
ecce,  nun-c,  tun-c:  tum,  si-c)  zu  eis,  £x£7,  welche, 
abgesehen  von  der  lautschwierigkeit,  auch  dem  sinne  nach 
fern  abliegen.  Das  lat.  -ce  hat  eine  örtlich  hinweisende 
bedeutung  (der  da,  jener  dort,  wie  der  seblufs  in  6J-e 
u.  8.  w.),  was  aber  von  oys  zu  behaupten  aller  Wahrheit 
gröblich  widerspräche.  Vgl.  Härtung,  gr.  part.  I,  408  z.  b. 
aus  II.  6,  303  ftiiya  Hgyov^  6  y*  ov  Svo  avSQS  (pigoiev  so 
grofs,  dafs,  quod  quidem  u.  s.  w.  (formell  wie  im  skr. 
gha  hinter  ja  dl).    Dagegen  II.  u,  286   o  ov  Svo  y    AvSqb 


die  partikeln  skr.  gha,  gha",  ha  und  hi;  zd.  zi  etc.  259 

cpipoisv,  wo  das  tongewicht  vielmehr  auf  die  zweizahl,  ne 
duo  quidem,  gelegt  worden. —  Lottner  will  aus  der  ge- 
stalt  ye  neben  lyoi,  8.  aha  in,  dessen  h  mit  aller  gewalt, 
jedoch  durchaus  unwahrscheinlich,  aus  gh  entstanden  sein 
soll  (als  „Sprecher"  vermuthlich  zu  s.  äha,  d.  i.  ait,  17) 
u.  s.  w.,  wie  überhaupt  aus  dergleichen  lautveränderungen, 
etwas  verfröhete  folgerungen  für  Völkergeschichte  ziehen, 
während  sich  Kuhn  11,270  mit  bezug  auf  ah  am  skepti- 
scher verhält.  —  Wer  übrigens  von  dem  weiten  syntakti- 
schen gebrauchsumfange  von  ye  näheren  aufschlufs  wünscht, 
den  verweisen  wir  auf  Härtung,  griech.  partikeln  I,  s.  344 
bis  416,  wo  freilich  alles,  was  zu  vermeintlicher  etymolo- 
gischer aufbellung  von  ye  gewagt  worden,  längst  von  der 
Wissenschaft  überholt  ist.  jH,  sowie  ayav,  ja  sogar  das 
mit  Std  (eig.  acc.  pl.  von  der  zahl  zwei,  vgl.  tqio)  in  seinem 
intens,  gebrauche  (durchweg,  durchaus)  gleiche  £«-,*  mit 
s.  saha  in  Verbindung  bringen  zu  wollen,  was  H.  s.  228. 
350  versucht,  konnte  dieser  um  so  weniger  vor  sich  recht- 
fertigen, als  er  selbst  in  dem  h  von  saha  einstiges  dh  ver- 
muthet,  welches  doch  auch  nicht  mittelbar  —  durch  h  hin- 
durch —  zu  y  oder  zu  £  zu  werden  vermöchte.  Man  mufs 
diese  ansieht  vollends  fallen  lassen,  seitdem  in  den  veden 
(8.  Benfey  glossar  8.  190)  mehrere  compp.  mit  8  ad  ha, 
zd.  hadha,  bezeugt  sind.  Ob  übrigens  äyav,  in  compp. 
blofs  aya-  (äyd&eog,  rjya&sog,  etymologisch  verschieden 
£d&eog))  sei  es  nun  mit  wegfall  von  i>,  wie  IdrXayevTjg^ 
oder  weil  v  dort  aecusativendung,  mit  unserem  gha  = 
ye  sich  irgendwie  berühre:  ist  mehr  als  zweifelhaft.  Lith. 
ganä  genug,  lett.  gan  (ganna)  genug,  vollständig  (als 
part.  gan,  gana  wohl,  zwar,  Bielenstein  lett.  grammatik 
s.  408)  bietet  wohl  nur  den  äufseren  schein  einer  Ver- 
wandtschaft. Sonst  müfste  in  äyccv  der  nasal  wurzelhaft 
sein.  —  Hievon  abgesehen  findet  sich  in  Hartungs  dar- 
stellung  von  der  part.  ye,  so  viel  ich  einsehe,  nichts,  was 
dem  nur  vielleicht  um  vieles  engeren  und  minder  ausge- 
bildeten gehrauche  des  indischen  gha  und  ha  wider- 
spräche.   So  wird  z.  b.  8.  348  gesagt:  „Wie  nahe  uiv  und 

17* 


260  Pott 

yi  sich  stehen,    hat  man  allgemein  gefühlt  und  erkannt, 
ohne  noch  zu  wissen,    dafs  in  der  lat.  spräche  yi,    d.  h. 
qui-dem  [nach  meiner  meinung  nicht  vorn  mit  yi  Hart. 
8.  354,  sondern  aus  quid  mit  dem,  wie  das  neutr.  i-dem], 
wirklich  für  das  synonymum  eintrete,  und  die  beiden  äm- 
ter,   welche  im  griechischen  getheilt  sind,   zugleich  ver- 
walte.    Derjenige   unterschied,    welchen    man   gewöhnlich 
angiebt,  dafs  piv  den  satz,  yi  einzelne  Wörter  angehe,  ist 
unwesentlich  [doch  wohl  nicht  so  ganz,  zumal  ja  die  ent- 
sprechende indische  pari  zur  hervorhebung  einzelner  Wör- 
ter dient],  und,   so  gefafst,  nicht  einmal  richtig.    In  der 
bedeutung  beider  Wörter  herrscht  kein   anderer,    als  der, 
dafs  bei  piv  auf  die  Wahrheit  und  gewifsheit  [?],    bei  yi 
auf  die  stärke  und  Überlegenheit  der  sache  getrotzt 
wird".    Und  ferner:   „//«(>  bezeichnet  den  umfang  [ver- 
möge seiner  kürzung  aus  neqi,    s.  meine  präpp.  s.  489], 
yi  die  überlegene  kraft  und  stärke,  niq  nimmt  die  sache, 
so  weit  und   breit,    yi,    so  fest  und  tüchtig  sie  ist. 
Will  man  die  grundbedentung  des  yi  noch  sinnlicher,  d.  h. 
räumlich  fassen:  so  bezeichnet  es  die  Verdichtung,   so 
wie  niQ  die  ausbreitung.     Das  gedrungene  ist  nicht  mehr 
zu  beengen,  und  macht  die  feindlichen  angriffe  von  sich 
abprallen:    ferner  ist  das  intensive  nachdruckvoll  und  ge- 
wichtig, schliefst  emphasis,  auszeichnung  und  her- 
vorhebung ein".     Ueber  restriction  (vergl.  z.  b.  skr. 
khalu,  womit  ha  erklärt  wird)  s.  346.    Wenn  man  scher- 
zen wollte:  nicht  wahr,  da  könnte  man  gelegentlich  von 
gha  an  s.  ghana  (fest  zusammengeschlagen)  compact,  fest, 
hart,  und  zwar  um  so  eher  mit  einigem  scheine  erinnern, 
als  von  der  gleichen  wz.han  auch  gha  schlagend,  tödtend 
vorkommt?  —  In  Lassen's  Anthologie:  Ha  part.  vocabuk) 
antecedenti  vim  addens,  yi,  postmodum  ad  versum  explen- 
dum    inaniter    addita;    inpr.  perfecto.     Sodann:  Hi   part. 
enim,  nam.   Ab  initio  propositionis  aliena  est  et  primum 
aut  plura  vocabula  sequi tur.    Saepius  ponitur  ni^Rajena, 
ut  Indorum  grammatici  loquuntur:  ad  affirmationem  et 
confirmationem  de  re  gerta  aut  nota  (ja). 


die  partikeln  skr.  gha,  ghf>  ba  und  hi;  zend  zi  etc.  261 

Die  neg.  na,  lasen  wir  oben,  kommt  mit  gha  vor. 
Auch  giebt  das  pet.  wb.  unter  na  an:  „die  verb.  na  ha 
bewirkt,  dafs  das  verbum  finitum  seinen  ton  bewahrt,  wenn 
unter  der  form  einer  in  der  zukunft  negirten  thätigkeit  ein 
verbot  ausgesprochen  wird.  Pan.  8,  1,31  na  ha  bhök- 
äjas$,  na  hädhjöäjase  8.  v.  a.  Du  wirst  nicht  essen, 
du  wirst  nicht  lesen,  das  6age  ich  dir  in  allem  ernst*.  Aehn- 
lich  das  yi  in  ausrufen,  welcherlei  auch  die  stelle  eines 
befehles  oder  Wunsches  vertreten  können.  Härtung  s.  372 
z.  b.  II.  x,  235  pr]d&  Cvy  xaklaineiv,  dafs  du  nur  ja 
nicht.  "£a  ye  Tavra,  o  lafs  das!  Weiter  vergl.  Härtung, 
wo  er,  nachdem  von  dem  zusatze  des  yi  zu  person- 
lichen fürwörtern  und  demonstr.  um  des  contra- 
stes  willen  die  rede  gewesen r  s.  369  bemerkt:  „die  part. 
tritt  in  diesem  sinne  sowohl  hinter  confirmativen  part.  als 
auch  hinter  den  negg.  ovx  und  fiij  nicht  selten  ein".  Es 
habe  aber  Nägelsbach  Comm.  de  part.  ye  usu  homerico 
p.  18  gezeigt,  die  negation  mit  ye  hinter  sich  besage  so 
v^el  als  ne  —  quidem.    Ovdi  . . .  ye  und  pi]öi  . . .  ys  8.399. — 

Es  fragt  sich  nun,  ob  wir  nicht  auch  anderwärts  einer 
dem  s.  gha  entsprechenden  part.  begegnen,  und  wollen  wir 
zunächst  einige  gerade  mit  negation  verbundene  anhängsei 
ins  äuge  fassen.  Da  haben  wir  also  vor  allem  im  altn.  die  part. 
gi9  die  nach  t  und  s  (vermöge  der  härte  dieser  laute)  ki 
lautet,  nur  als  sufBx  vorkommt  und  verneinende  kraft 
hat.  Grimm  III,  33.  Sie  wird  an  partikeln,  nomina  und  pro« 
nomina  (nie  an  verba)  gehängt.  Sv&gi  (ita  non),  thägi 
(tum  non),  aevagi  (nunquam);  thö  (tarnen),  theigi, 
theygi  (non  tarnen,  neutiquam);  ülfgi  (lupus  non);  tbatki 
(id  non).  Besonders  eingi,  eingi,  ecki  (in  letzterem  as« 
8imilation  von  t)  nullus  u.  s.  w.  An  und  für  sich,  d.  h. 
aufser  verb.  mit  der  part.  ni,  ohne  welche  sie  selten  vor- 
kämen, verneinten  sie  freilich  der  strenge  nach  nicht,  so 
wenig  als  frz.  jamais,  rien  und  dergl.  limitative  ausdrücke 
(s.  et.  forsch.  I,  345 ff).  So  komme  hvatki  för  quidquam 
(nicht  nullum),  hvargi  für  ubique  (nicht  nusquam)u. s.w. 
vor.     Wegen    des  n  jedoch  in  ahd.  und  alte,  huer-gin 


262  Pott 

(irgend,  mit  schmarotzerischem  d)  macht  Grimm  s.  32  den 
ausgang  einer  berübrung  mit  gotb.  hun,  z.  b.  ainshun 
(ullus)  verdächtig;  und  scheint  auch  der  schlufs  in  ags. 
hvägu,  nach  Grimm  s.  30  mit  gu  aus  ju  (quondam),  im 
sinne  von  je,  irgend,  nicht  etwa  mit  lith.  gu,  z.  b.  in 
argu  vergleichbar.  Woher  Bugge  zeitschr.  IV,  243  sein 
gham  [doch  nicht  etwa  die  interj.  harn?]  haben  will  für 
gha,  weifs  ich  nicht,  und  kann  es  deshalb  nicht  zur  aufklä- 
rung  von  ahd.  huer-gin  dienen.  Vollends  nicht,  wenn 
goth.  mi*k  =  fy*«-  ye9  thu-k  cfiys  Od.  I,  386  sein  sollte. 
Deshalb  möchte  ich  auch  nicht  altn.  hvargi  mit  Mikl. 
lex.  p.  192,  mindestens  ohne  das  bekenntnifs  einigen  Un- 
glaubens, zu  ksl  ze  halten.  Uebrigens  hat  man  doch  auch 
guten  grund,  nicht  ohne  weiteres  das  schlufsglied  in  ahd. 
huer-gin  mit  -hun  gleich  zu  achten.  Letzteres  hält  man 
am  besten  für  gleich  mit  goth.  hvan  (tiotb  wann?  aber 
auch  indef.  noxk,  je  wann,  einmal),  indem  u  aus  va,  wie 
so  oft  im  sanskrit,  wurde.  In  ni  hvanhun,  niemals,  wäre 
demnach  ein  zweimaliges  hvan  zu  finden,  obschon  nicht 
von  gleicher  würde.  Hvar,  ahd.  hwär  ist  nov,  wo  = 
lith.  kur,  wie  kuris,  kur's,  io  m.,  kuri,  kurri,  ios  f. 
Pron.  rel.  und  interr.  (welcher,  welche)  sogar  bis  auf  die 
endung  zu  goth.  hvarjis  welcher  (von  mehreren)  stimmt. 
Das  u  in  lett.  tur  (dort,  da,  dahin),  sur  (her,  hieher)  ist 
vielleicht  nur  durch  die  macht  einer  falschen  analogie  aus 
kur  hineingekommen.  Vergl.  goth.  thar  daselbst,  txei. 
Wie  sollte  aber  in  ahd.  hwer-gin  (usquam)  oder  gar  in 
altn.  hvar-gi  (ubique)  —  wenn  schon  die  ähnlichkeit  mit 
lett.  kur-gi,  wo  denn?  vielleicht  auf  blofser  täuschung  be- 
ruht —  die  grofse  Verschiedenheit  ihres  ausganges  mit  ahd. 
h  wanne  und  hwenne  (quando)  in  einklang  gebracht  wer- 
den dürfen,  vollends  wo  das  altn.  filr  die  letzteren  kein 
entsprechendes  wort  kennt?  Sonst  ist  -cunque  in  qui- 
cunque,  quandocunque  (wann  immer)  eine  bildung  aus 
quisque  nach  dem  muster  von  quum  als  neutr.  accusa- 
tiv,  gleich  ipsum.  Wenn  aber  goth.  hvan  accusativisch 
steht:    so  gilt  mindestens   sein    n   nicht   dem  in  in  quum 


die  partikeln  skr.  gha,  ghä,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  263 

gleich,  weil  flexivisches  m  im  gothisehen  stets  abgefallen 
ist.  Eben  deshalb  aber  ist  das  -gin  auch  nicht  mit  skr. 
kirn  vergleichbar,  woher  kin-Kit,  was  irgend. 

Im  lithauischen  haben  wir  dagegen  eine  enkl.  -gi, 
welche  freilich  ihres  i  wegen  nicht  zu  gha  passen  will, 
dürfen  wir  es .  anders  nicht  für  noch  weitere  abschwä- 
chung  des  e  in  ksl.  ze  J£,  vero  u.  s.  w.  a.  a.  o.  ausgeben. 
Das  sanskrit  besitzt  aber,  aufser  gha,  ha,  auch  noch  eine 
zweite  part.  hi  (denn),  welche  et.  forsch.  I,  405.  WWb.  I, 
567  in  ernstlichere  erwägung  genommen  worden,  zu  wel- 
cher jedoch  lith.  -gi  (man  erwartete  Zischlaut)  und  griecb. 
yt  sich  minder  gut  schickten  von  Seiten  des  lautverhält- 
nisses.  Diesem  hi  entspricht  übrigens  genau  zd.  zi,  zi 
1)  nam,  enim,  2)  certe.  Meist  nach  dem  ersten  wort  des 
satzes  (also  mit  ähnlicher  Stellung,  wie  s.  gha)  und  en- 
klitisch. Vergl.  Dorn  Bulletin  Tme  XVI,  p.  10,  sowie 
Justi  s.  125.  Trotzdem  aber,  dafs  y-ccQ  (denn)  gleichfalls 
enklitisch  steht  und  das  ye  in  sich  enthält  —  s.  auch  Dö- 
derlein  über  yotQ  beim  Hom.  in  einer  gratulationsschrift 
an  Thiersch  — :  würde  man  gleichwohl  anstand  nehmen 
müssen,  etwa  in  seinem  y  das  s.  hi  zu  suchen,  und  zwar, 

da  vai-yi,  oi)-%i  (etwa  selbst  nctyx1  un(^  nc*/'Xvi  g&nz  und 
gar,  mit  gekürztem  ndv?)  augenscheinlich  besser  zu  dem 
hi,  z.  b.  in  na-hi  ja  (unbetont)  nicht,  denn  nicht; 
gewifs  nicht,  durchaus  nicht  PWb.  IV,  86  stimmen. 
Aber  mit  nahi  kommt  im  Schlüsse,  denke  ich,  ebenso 
wenig  überein  lith.  Nesselm.  s.  418.  nei-gi  (wie  es  scheint, 
blofs  verstärktes  ney,  nicht,  auch  nicht,  nicht  einmal) 
nicht  einmal,  auch  nicht.  Neigi  kur(kur,wo?  vgl. 
damit  das  1.  glied  in  nord.  hvar-gi).  Vgl.  Eur.  Iph.  A.  9: 
ovxovv  (pfroyyog  y  (ne  vox  quidem)  oiV  oQvidwv  Ovre 
\}a?.ccGGrjQ'  tiiycci  d*  äviuwv  Tovöb  xar  EvQmov  i^oviSiv. 
Net  und  netigi,  wenn  nicht,  womit  sich  serb.  niti  we- 
der, noch  Grimm  gramra.  s.  102  mindestens  äufserlich  be- 
rührt. Oder  darf  man,  dem  zd.  Zischlaute  in  zi  (z  =  s.  h) 
zum  trotz,  gleichwohl  das  h  in  s.  hi  als  aus  gh  ausge- 
kernt betrachten?    Das  slawische  z  in  ze  entsprang  unter 


264  Pott 

einflute  des  e  aus  g,  während  s.  h  zu  seinem  Stellvertreter 
nicht  z  (frz.  je),  sondern  z  (nach  franz.  ausspräche)  im  sla- 
wischen verlangen  würde.  Es  besitzen  die  Slawen  wirk- 
lich eine  part.  -zi,  8.  später. 

Im  lithauischen  haben  wir  als  enklitische  fragepartikel 
-gu,  wovon  sich  aber  doch  fragt,  ob  sie  nicht  eigentlich 
zum  zweck  habe,  auf  ein  wort  den  nachdruck  zu  legen, 
um  durch  dieses  mittel  etwas  als  fraglich  hinzustellen. 
So  steht  sie,  gerade  wie  -;a,  -y«,  an  pronn.  angefügt,  z. b. 
in:  Aszgu,  ich  etwa?  Tugu  ((Tvye?)  eisi,  wirst  du  ge- 
hen? Tngu  tas  wagis?  Bist  du  der  dieb?  Ansgu  ist 
es  jener?  Ferner  ar-gu  seltner  als  ar-gi  ob  denn?  z.  b. 
argi  jis  yra  ist  er  es  denn?  Argi  turrejo  hat  er  es 
denn  gehabt?  Aus  ar,  fragpart  bei  direkten  und  indirek- 
ten fragen,  Kesselmann  s.  8,  wie  auch  lett.  ar,  z.  b.  Ar 
winä  nahks?  Wird  er  kommen?  Sonst  hat  Stender  lett.-d. 
wb.  s.  90  auch  irrag?  anstatt  arrig  (g  durchstrichen) 
irr?  Ist  er?  hat  er?  (eigentlich  Estne  alicui?).  Bielenstein 
lett.  spr.  II,  8.  342,  dessen  vergleichung  mit  aga  statt  r\ 
aqa  freilich  kaum  zutrrfft.  Doch  aqä  ye  tQcoräg  ^us,  si  — 
das  heifst,  du  willst7 wissen,  ob.  Xen.  Mem,  III,  8,  3,  vgl. 
Hart.  8.  395.  Ar,  arri,  arridsan,  auch,  scheint  zwar 
der  präp.  ar,  mit,  identisch,  sonst  aber  davon  verschie- 
den. —  Hiemit  wollen  wir  nun  die  ausfährungen  von  Bie- 
lenstein (Lett.  spräche  bd.  II,  §.  625.  Lett.  gramm.  §.834) 
verbinden.  „Zur  nachdrücklichen  hervorhebung  einzel- 
ner satztheile",  bemerkt  nämlich  dieser,  „dienen  im  letti- 
schen einige  kleine  partikeln,  die  tonlos  den  betreffenden 
Wörtern  suffigirt  werden.  Es  sind  namentlich  1)  -gu,  -gi 
(g  durchstr.,  d.  h.  mouillirt),  -g';  2)  -schu  (seh  mit  der 
ausspräche  des  weichen  franz.  j),  3)  -le,  -lei,  4)  -ba. 
Die  erste  reihe  entspricht  der  lith.  veralteten  fragepart.  -gu, 
vgl.  gale-gu  kannst  du?  und  dem  lith.  hervorhebenden 
-gi,  vergl.  kas-gi  wer?  Im  lettischen  ist  -gu,  -gi  (g 
durchstr.)  als  fragpart.  jetzt  veraltet,  vgl.  wari-g,  kannst 
da?  ira-g,  ist  auch?  jau-g'  schon  (bei  Marcelius  in  fra- 
gesätzen);  ne-gi  (g  durchstr.)  nicht,  ob  nicht?  in  fragen, 


die  partikeln  skr.  gha,  ghä,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  265 

die  eine  bejahende  antwort  erwarten  lassen.  Z.  b.  Neg' 
(durchstr.  g)  es  sazziju?  sagte  ich  es  nicht?  —  Wie  das 
lat. -que  (auch  hervorhebend,  z.  b.  in  quis-que)  im  lauf 
der  zeit  copulative  bedeutung  erhalten,  so  auch  das 
lett.  gi  (g  durchstr.)  in  ne-ds  —  ne-ds  weder  —  noch, 
welches  noch  heute  gebräuchlich  ist,  und  woneben  auch 
ne-i  —  ne-i  (mit  Untergang  des  g),  oft  wie  nej  lautend, 
aber  seltener  vorkommt  (§.  598),  cf.  lat.  neque,  nee".  Ueber 
-que  handelt  ausfuhrlich  G.  F.  Schoemann  Quaestio- 
num  gramm.  Caput  I.  De  particulae  Que  origine  et  signi- 
ficatione  copulativa.  Gryphisw.  MDCCCLXV.  Cap.  IL  De 
part.  Que  significatione  in  compositis  ib.  locoque  eod.  Mich 
würde  die  zweifache  bedeutung  dieses  wörtchens  1)  die 
cop.  (und;  quo  que,  auch;  etwa:  wozu,  quo,  auch,  mit 
vokalkürzung,  vgl.  etiam,  eig.  noch  drüber,  s.  ati)  und 
2)  die  verallgemeinernd  steigernde  (quisque,  wer 
auch,  quieunque  wer  auch  immer,  eunque,  zu  welcher 
zeit  auch;  utique  in  welcher  weise  auch)  nicht  sehr  beun- 
ruhigen, da  ich  darin  nicht  etwa  sinnlosen  pron.  Ursprung 
suche,  sondern  verbalen  aus  8.  Ki  (colligere)  wegen  8.  ka 
WWb.  1,462.  Das  lettische  kann  damit  etymologisch  nichts 
zu  thun  haben,  wenn  dies  auch  Bielensteins  meinung  sein 
sollte.  Vergl.  ihn  §.  598  über  neg.  Was  aber  von  dem 
ausfall  eines  g  in  ne-i  behauptet  wird,  will  mir  nicht  recht 
ein.  Lett.  nei  (noch  auch),  z.  b.  nei  sis  nei  tas,  weder 
dieser  noch  jener,  weder  dies  noch  das,  wäre  nicht  ver- 
schieden von  lith.  ney  —  ney  weder  —  noch,  was  dann  den- 
selben ausfall  erlitten  haben  müfste.  Eher  riethe  man  ent- 
weder auf  adv.  ausgang,  z.  b.  labay  sehr,  lett.  labbi  gut, 
wohl;  lett.  krahäni  von  krahäns,  schön;  lith»  pirnay 
zuvor,  tenay  dort,  seney  (vergl  lat.  senes),  ilgai  schon 
lange  u.  8.  w.;  oder  auf  ein  dem  pron.  jis  (er),  vergl.  jey 
sofern,  wenn,  entnommenes  i.  Vergl.  i  pronominibus  ad- 
junetum  im  kirchenslawischen  Miklosich  lex.  p.  235.  Steht 
auch  etwa  lett.  woi,  wai  ja,  gekürzt  wä  (ob;  oder)  Bie- 
lenstein  lett.  spr.  II.  §.  599  für  skr.  vä,  disjunetiv  wie  lat. 
-ve?  Nesselm.  hat  8.  417  lith.  negu  in  der  frage,  nicht? 


266  Pott 

nicht   etwa?    Negi   auch   nicht;    bei  Sz.   als,    eher  als. 
Pirm  negi,  bevor,  d.  h.  so  lange  noch  nicht  8.  et.  forsch. 
1,351.     Zwar  positiv,   allein  doch  mit  yi  s.  nqiv  ye  (ttqiv 
compar.   =   prius)   bei   Passow.     Bei   den  Letten  ne  ka 
(eig.  nicht  wie,  d.  h.  quam,  als,  hinter  comparativen)  Bie- 
lenstein  lett.  spr.  s.  349,    um  den  grad- unterschied  an- 
zuzeigen.   Bei  Szyrwid  kommt  aber  auch  die  einfache  lith. 
neg.  ne  für  ney  in  der  bedeutung  als,  als  ob  vor.  Näm- 
lich  ney,   beinahe  ne,    nei  zufolge  Nesseln»,  gesprochen, 
wird   auch   angewendet,    um   gleichsam,   als  ob  auszu- 
drücken.    So  ney    ne   macziomis   als  ob  er  nicht  sähe, 
oder  ney   raudonokas   ant  weido,  röthlich,  bräunlich 
von  gesicht.     Das  ney  soll   vermuthlich   eine  in  solchem 
maafse  zusammengerückte  annäherung  bezeichnen,  dafs  das 
verglichene  nur  nicht  ganz  (tantum  non)  mit  dem  zwei- 
ten zusammenfallt.     Vgl.   den   comparativen  gebrauch   von 
skr.  n  a  pet.  wb.  IV,  4,  welcher  gleichsam  vor  der  Verwech- 
selung warnt  von  solchem,  was  völlig  gleich  scheint,  aber 
es  doch  nicht  ist.  —  Stender  hat  lett.-dentsch.  wb.  s.  177 
neg'  und  neg'g'i  (die  g  durchstr.)  ob  nicht  (nicht  interr.). 
Neg'    wehl    (letzteres:    noch,  weiter),    vielweniger,    ge- 
schweige.    Ferner  neg'g',   vielleicht,  etwa  [gleichsam  mit 
halber  neg.?].    Kad   es  ne  buhtu  glabbajis,   neg'g'  wehl 
kur  wasatohs.    Wenn  ich  es  nicht  verwahrt  hätte,  vielleicht 
würde  es  sich  noch  wo  herumschleppen.     Ohne  virgulation 
negg,  sogar  dafs,  z.  b.  negg  aussis  fsahp  dafs  die  oh- 
ren  recht  wehethun.    Wohl  mit  blos  zufälligem  anklänge. 

Das  lett.  schu  (spr.  mit  frz.  j)  kann  freilich  nicht  aus 
gu  (also  g  vor  u)  entstanden  sein,  falls  nicht  dem  g  ein 
i  beigemengt  war,  wovon  freilich  keine  spur  zu  erkennen. 
Ob  es  aber  dem  russ.  ze  gleiche,  scheint  gleichfalls  nicht 
recht  einleuchtend,  möge  man  es  nun  den  Russen  abge- 
borgt ansehen  oder  nicht.  Woher  käme  doch  das  u? 
Uebrigens  weist  Bielenstein  aufser  verbb.  wie  tad-schu, 
tak-schu  doch,  kä-schu  wie,  als  wenn,  unter  anderem 
auch  ein  frei,  wenigstens  ohne  Verknüpfung  mit  anderen 
Partikeln,  stehendes  schu  aus  Volksliedern  nach,  wie  z.  b. 


die  partikeln  skr.  gha,  ghä,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  267 

Mirt  man  bij  schu  jaunam,  kad  deewinS  mani 
n'ema,  sterben  traun!  müfste  ich  jung,  als  gottchen  mich 
nahm  (=  nehmen  wollte). 

Im  altpreufsischen  katechismus  findet  sich  ni  — 
neggi  weder  —  noch  Ness.  s.  119.  Ferner  niquei-gi 
nimmermehr,  niquei  durchaus  nicht,  welche  freilich  nicht 
recht  zu  quei,  wo,  passen  s.  105.  Ebenda  käi-gi  (auch 
kägi,  kaige  geschrieben)  wie,  gleichwie,  sowie;  interr.; 
gleichsam;  wie,  quam  vor  adj.;  als,  tanquam;  zum  beispiel, 
—  was  alles  sehr  gut  zu  kai  stimmt  mit  dem  sinn  von 
wie  interr.,  gleichwie,  sowie;  als  nach  compar.;  als 
tanquam,  aber  auch  dafs,  damit,  welche  bedeutungen  ja 
auch  im  lat.  ut  vereinigt  vorkommen.  Lith.  kaip-gi,  kai- 
pogi  wie  denn?  wie  nun?  irgend  wie.  Ateit  kaipgi  es 
trifft  sich  doch  irgendwie,  auf  eine  oder  die  andere  weise. 
Kaip  ist  gekürzt  aus  kaipo  (wie)  und  enthält  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  die  präp.  po.  —  Vielleicht  auch  beggi, 
denn.  Sl.  bo,  yccQ,  enim,  weicht  freilich  im  vokale  ab. 
Sonst  pafst  es  aber  doch  besser  als  das  von  Nesselmann 
herbeigezogene  besgi  (bei  Mielcke:  nämlich,  ob?).  Viel- 
mehr, wie  bes,  vielleicht,  etwa,  besonders  in  fragen:  Besgi 
ne  zinno?  Sollt  er's  nicht  wissen?  hat  der  Lette  bes 
und  best,  vielleicht.  Bes  wins  labbosees,  vielleicht 
wird  er  sich  bessern.  Best  wins  nahks,  vielleicht  wird 
er  kommen.  Das  t  hinten  etwa  gekürzt  aus  te  da,  hier. 
Die  3.  sg.  fut.  buhs  (erit)  würde  zwar  sinnentsprechend 
sein,  entfernt  sich  jedoch  zu  weit  dem  laute  nach.  Aber 
auch  kaum  lith.  esti,  est'  (es  ist),  etwa  mit  binblick  auf 
lett.  best.  Oder  etwa  nebst  bille,  wenn  nur,  zu  poln. 
by?  Etwa  wie  böhm.  gestli,  s.  sp.?  —  Dygi,  deigi, 
auch,  verstehe  ich  nicht,  und  würde  ich  auch  nicht  wagen 
es  mit  russ.  da  adv.  ja,  also  (oui,  ainsi),  auch  conj.  und, 
et,  in  beziehung  zu  bringen.  Vgl.  lith.  ir-gi,  auch,  von 
ir,  lett.  eben  so  (und,  auch),  preufs.  ir  prei  stan  im  kat. 
76,  dazu,  aufserdem,  sowie  irbhe  (auch  ohne;  lith.  be 
ohne  Mielcke  s.  153),  —  Anga  (so  hinten  mit  a),  ob,  er- 
innert allenfalls  an  lat.  an.  Doch  wäre  möglicherweise  das 
n  verdruckt  (vgl.  lith.  ar,  argu). 


268  Pott 

Wir  wollen  aber  jetzt  einen  Oberblick  zu  gewinnen 
suchen  über  die  ansdehnung  des  gebrauches  von  gi  im 
lithauischeiL  Mielcke  lith.-d.  wtb.  8.80.  gi  eneL  doch, 
aber,  denn.  Dukgi  so  gieb  denn.  Vgl.  Soph.  Phil.  1003. 
Da  Philoktet  durch  einen  stürz  vom  felsen  sich  selbst  zu 
tödten  droht,  ruft  Odysseus  hastig:  JSvkXaßete  y  ovtopl 
Packt  ihn ,  packt  ihn.  Hart.  8.  372.  Gleichfalls  Mielcke 
gramm.  s.  65  über  pron.  mit  einigen  enklitischen  Parti- 
keln, z.  b.  jan,  gi,  gu.  Tas-jau  eben  derselbe  (jan, 
schon;  also:  der  schon  —  genannte,  wie  lat.  idem,  vergl. 
pridem).  Tas-gi  oder  tassai-gi  ebenderselbe?  Kurs-gi, 
kursai-gi?  wer  doch.  Afsgu,  tugu,  ansgu?  Egone, 
tune,  illene.  Nesselm.  s.  91  hat  tasgi,  fem.  tagi,  gen. 
togi,  tösgi  derselbe,  ebenderselbe.  Togi  del,  togidel, 
ebendefswegen,  to  del,  lett.  tadehl  deswegen.  —  Von 
fragpron.  kas,  fem.  ka  (auch  neutr.):  kasgi,  kagi  wer 
denn?  was  denn?  was  nur  immer.  Kamgi  warum  denn? 
kamegi  wo  denn?  Ferner  s.  211  kurgi  wo  denn?  wohin 
denn?  aus  kur,  goth.  hvar,  wo,  wohin?  Kurgi  ne  zi- 
nosu  wo  (d.  h.  wie)  sollte  ich  das  nicht  wissen?  Ja  wohl 
weifs  ich  dasl  (eine  sehr  gewöhnliche  form  der  bejahung). 
Kekagi  wie  viele  denn?  Kada-gi,  kadai-gi  wann  denn? 
Kadä,  vgl.  lat.  quando.  Kadäng,  kadängi  (Sz.  ka- 
dungi)  wenn  nur;  weil;  demnach,  endlich  s.  170.  Etwa 
preufs.  kaden  wenn,  wann,  als,  zu  deinan,  tag,  lith. 
dena?  Kacz,  kaczey  und  kaczei-g,  kaczei-gi  ob- 
gleich, obschon.  Tacz  dennoch.  —  Aus  jei,  jey,  wenn, 
insofern  s.  39,  kommt  jei g  wenn  ja,  wenn  etwa;  jeigi 
wenn  ja;  obgleich,  obschon  (vgl.  kaczeig);  jeigu  wenn 
etwa,  wenn  ja.  Jeigu  reiks  allenfalls,  mit  reiks  (es  ist 
nöthig)  s.  438.  Der  anklang  an  dys,  at  ydq  Härtung  8.  395 
beruht  wohl  auf  blofsem  zufall.  Möglich  übrigens  jei  gehe 
vom  pron.  jis  (er)  aus,  da  wenigstens  das  entsprechende 
skr.  jas  (woher  ja-di,  wenn,  eig.  wohl:  welches  tages)  den 
werth  eines  relativums  bat.  Doch  ksl.  jeda  (ei)  scheint 
nicht,  wie  Mikl.  lex.  p.  1 1 50  angenommen  wird,  damit  sich 
zu  berühren,  sondern  mit  jegda  (litt  quando)  unter  aus- 


die  Partikeln  skr.  gha,  ghä,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  269 

stofs   von  g  wesentlich  gleich.     Iga  öts  verlor  umgekehrt 
d.   Vgl.  p.  326  k'gda,  k'da,  k'ga,  auch  k'gü,  quando. 
Höchstens  dafs  die  schlufssilbe  in  ja-di  und  in  skr.  ka-dä 
(quando)  mit  s.  dina  u,  s.w.,  tag,  gleichstämmig  sein  möch- 
ten. —  Jau  schon,  bereits  (vergl.  WWb.  I,  1050),  jaugi 
ja,   freilich;    schon,  denn  schon.     Jaugi   buwai    bist  du 
denn  schon  gewesen?  Auch  ksl.  ou  (jam),  ou-ze  rfS*],  jam, 
naXcct;    ouze  ne   otxsri  und  ioze  ne  Mikl.  lex.  p.  1029. 
Böhm,  giz  schon,  poln.  iuz  schon,  bereits,  iuz  iuz  bald 
bald.  —  Bau  fragepart. ;  besonders  vor  der  direkten  frage, 
mit  dem  nebenbegriff  des  zweifelns.     Bau  gana  yra  ist 
es  auch  genug?  Ebenso  baugi.     Baugi  noretum  möch- 
test du  es  wohl  haben  wollen?  Baugi  namej  yra  ist  er 
denn  auch   zu  hause?  —   B&t,    aber,  sondern;    lett.  bet 
Bielenstein,  lett.  spr.  §.  795.   Etwa  gar  serb.  vetj  sondern, 
Grimm  gramm.   s.  102?  Lith.  betaig,   betaigi   dennoch. 
lAXXa  ?'£,  doch  wenigstens.    Vergl.  Nesselm.  s.  92  tai  das, 
das  da.   Tai-gi  1)  das  nämliche,  dasselbe;  2)  daher,  des- 
halb.  Es  mag  eines  von  zweien  t  ausgefallen  sein.   Taiga 
(hinten  mit  a!)  das  ist's  eben,  allerdings.   Ferner  mit  taip, 
taipo,  so,  also:   tai»pat,  taipag  (st.  taipat-g?),  tai- 
pajeg  ebenso,  desgleichen,  falls  in  den  letzten  beiden  un- 
sere  partikel  steckt.     Taipo-gu  etwa  so?    ist's  so?    wie 
taipo-jau  ebenso;    auch:  so,  so  sehr.  —    Beskogi  aus 
besko,   darum.    —   Nes-gi,    nesang    neben   nes,    nesa 
denn,  weil.  —   Dezgi  (wohl  gekürzt  aus  dewazin-gi) 
gott  weifs,  wahrhaftig  Nesselm.  s.  140. —  Jui  und  jui-gi 
wehe!  —  Vgl.  ausrufe  wie  Bvye,  euge!  gut  so,  recht  so.! 
Ksl.  blago-ze  interj.  euge,  neosl.  blagor,  quod  subst.  non 
est.     Cf.  blago,  xo  äya&ov.  Mikl.  p,  25.  192.   Also  ohne 
zweifei  sehr   ähnlich    mit   dem,    was  der  grammatiker  in 
Bekker's  Anecd.   p.  971  sagt:   hv  tq>   xaXwg  ys   (Syiplolivu 
trjv  knltatitv  rijg  rov  xdllovg  kxnXrj^etog.    Härtung  8.  371, 
vergl.  395   hat   dergl.  ausrufe   mehr.  —  Nügi  jetzt,  nun; 
wohlan!   mit  nü  jetzt,  nun  Nesselm.  s.  424.  —  Jog  dafs, 
auf  dafs,  damit,  sowie  jeng  von  gleichem  sinn  (pirm  neng 
bevor,  eher  als,  vermuthlich  negation  und  redupl.  mit  -g?) 


270  Pott 

könnten  etwa  g  als  zusatz  enthalten.  Jo  lautet  der  genitiv 
von  jis  (er),  und  jü,  lett.  jo  bedeutet  desto.  Auch  ist 
mir  die  natur  ^on  nüg  als  „älterer  form"  für  nü,  von, 
lett.  no  (auch  nohst,  weg,  hinweg,  davon)  räthselhaft. 
Dafs  im  skr.  gha  hinter  präpp.  vorkommt,  trägt  zur  auf- 
hellung  des  g  schwerlich  etwas  bei. 

Zuletzt  haben  wir  uns  noch  dem  slawischen  ze  zuzu- 
wenden. Mikl.  lex.  p.  192  gibt  folgende  gebrauchsweisen 
an.  Ji  vero.  Mithin  adversativ,  indefs  doch  auch  ver- 
bindend. Razdajet",  ne  kr"mit"  ze  tixtsi,  ptri  TQ&qxav. 
Mit  i  (et,  etiam):  ze  i  re  —  xai  et —  et,  z.  b.  tvoriti  ze 
i  ouciti  noiüv  re  xai  äidacfxeiv.  Vielleicht  soll  durch  diese 
redeweise  erst  ein  glied  hervorgehoben  werden,  um  ihm 
sodann,  gleichsam  nachträglich,  mittelst  der  kopula  ein 
zweites  nachzusenden.  Kai . . .  ys  Hart.  396,  und  zwar,  et 
quidem,  hat  einen  ganz  anderen  sinn.  Ebenso  läfst  die  Ver- 
bindung von  yi  mit  de  s.  400  keinen  vergleich  zu.  Eher 
pafst  zu  letzterem,  schon  der  umgestellten  folge  nach:  i  ze 
dt,  vero.  I  v"sa  ze  naga  ndvta  8h  yvfxvd.  I  to  ze 
xairoiye  (auch  mit  ye)*)  quam  vis,  was  jedoch  p.  993  idque 
übersetzt  wird.  Aus  c"to(quid)  entsteht  c"toze  quidque. 
Tjem"ze  dio  propterea,  wie  p.  1016  tjem"  Sto  ideo. 
Aufserdem  ze  additur  pronomini  demonstratio  i  (litb.  ji-s, 


*)  Ebenfalls  mit  rof,  eigentlich  lok.  (da)  vom  pron.  xö:  yi  to*  wenig- 
stens doch,  doch  wenigstens,  auch  yi  to*  £»},  yi  /uivroi  und  pivToi  ye  Pas- 
sow.  Herrn.  Vig.  p.  842  Übersetzt  /iivzoiye:  tarnen  certe;  yl  ^fWot:  certe 
tarnen  Eur.  Alcest.  724,  und  6/* tax;  ys  (xtvioi:  attamen  certe.  Wenn  der- 
selbe aber  hinzufügt:  Heraclides,  ut  ex  Eustathio  discimus  p.  722,  59. 
1726,  26,  fiivTov,  quod  in  quodam  Homeri  loco  aliqua  exemplaria  exhibe- 
bant,  ab  Argivis  et  Cretensibus  pro  fieviot,  dictum  narraverat,  quemadmo- 
dum  contra  höol  a  quibusdam  Doriensibus  pro  Mov  diceretur,  so  läfst  sich 
in  dem  zweiten  paare  keine  recht  zutreffende  analogie  zu  dem  ersten  erken- 
nen. Toi  und  ivdol  (vgl.  <?d>,  falls  nicht  etwa  wie  domi,  unter  ausst.  von 
fi)  sind  unzweifelhaft  lokative.  Aber  fihxov  und  h'dov  können  im  schlufs 
unmöglich  über  ein  kommen.  Ersteres  enthält  gewifs  einen  acc.  tov,  müsse 
nun  dazu  ein  männliches  subst.  (etwa  tqotiov,  vgl.  tovtov  %qv  igönov,  auf 
diese  art,  so)  ergänzt  werden,  oder  sei  es  neutr.  gedacht  gleichwie  in  too~- 
aovTov  (oder  to  mit  vi>?).  Wer  könnte  jedoch  das  nämliche  von  tvdov 
behaupten?  Das  ip  liefse  am  natürlichsten  auf  einen  hinten  um  *  gekürzten 
lokativ  rathen,  und  wohl  möglich,  das  v  sei,  wie  in  h  x&ovt,  aus  u  (etwa 
*dofi  statt  <?o/to??)  umgestaltet 


die  partikeln  skr.  gha,  ghä,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  271 

er,  vgl.  lat.  eum,  eam),  ut  fiat  relativum,  was  um  so  we- 
niger auffallen  kann,  als  das  etymologisch  ihm  gleichende 
pron.  ja-s,  ja,  ja-t  =  Hg,  ij,  o  relativ  steht,  und  das 
zd.  ja  (s.  den  ausführlichen  artikel  bei  Justi  s.  237)  noch 
gleich  unserem  der  zwischen  beiderlei  gebrauch  (demonstr. 
und  relat.)  schwankt.  I-ze,  ja-ze,  je-ze,  auch  statt  des 
griech.  6,  ??,  to  Dobr.  Inst.  p.  608.  I  (s.  Mikl.  p.  235)  cum 
ze  junctum  omnes  casus  habet,  absque  ze  nominativo  non 
usurpatur  a)  is.  b)  ög  qui  «)  za  nije  Sion  quia.  ß)  i  ad- 
ditur  aliis  pronominibus:  onudaj,  tedaj,  kaj.  c)  ize 
6g  qui.  Koliz"do  (vgl.  kolizdi,  quoties)  pronomini  ize 
(quicunque)  et  vocabulis  inde  derivatis  valet  lat.  -cunque. 
Ideze  koliz"do  onov  hdv  ubicunque,  ideze  onov,  ov 
ubi  aus  ide  onov  (etwa  mit  dem  ausg.  von  skr.  i-ha, 
zend.  i-dha,  hier)  p.  23.7.  Jamoze  koliz"do  onov  hdv. 
Jamoze,  quo  p.  1145.  Jelik5  oöog,  quantus.  Za  jeli- 
koze  elg  oöov.  Jelikoze  kolizdo  lj et"  otiovg  örjnore 
ivuxvxovg  p.  1156.  Böhm,  gelikoz  adv.  so  fern.  Ferner 
p.  9  aste  ei  si;  ei  an,  num;  aste  li  und  aste  li  ze  ei  öe 
si  vero.  Dobr.  Inst.  p.  449.  Praecedente  pronomine  rela- 
tivo  aste  respondet  particulae  -cunque:  ize  aste  qui- 
cunque; iz deze  (onov)  aste  ubicunque.  Im"ze  oti  quod, 
knet\  tneiäi],  Sioti  quia,  insiSrjnsQ  quoniam.  E-&e  bei  inf. 
für  gr.  to  Dobr.  Inst.  p.  610.  —  Der  Grieche  übrigens  hat 
sein  yk  in  relativsätzen  meistens  in  anderer  art  verwen- 
det. ^Härtung  sagt  s.  387  unter  der  rubrik:  Einklang 
der  aufeinander  bezogenem  sätze:  „Dieser  gebrauch 
hat  der  natur  der  sache  gemäfs  seinen  vorzüglichsten  sitz 
in  relativsätzen,  die  zur  erklärung  und  ergänzung  an  die 
demonstrativstämme,  als  nebensätze  an  ihre  hauptsätze,  an- 
geschoben sind,  ferner  in  gliedern,  die  mit  der  cop.  part. 
xai  angefügt  sind  u.  s.  w.  Die  beispiele  des  gebrauches 
lassen  sich  bequem  unter  zwei  rubriken  verth eilen,  je  nach- 
dem in  ihnen  vorzugsweise  begründung  oder  berich- 
tigung  und  ergänzung  des  voranstehenden  ausgedrückt 
wird:  wir  nennen  jene  argumentative  (beweisführende), 
diese  suppletive  urtheile.     Die  partikel  (yi)  bat  überall 


272  •      Pott 

keine  andere  bedeatung  and  bestimmung,  als  dafs  sie  den 
begründenden  oder  ergänzenden  gedanken  halt  und  gewicht 
erth eilen,  ihn  auszeichnen  und  hervorbeben  soll.  [Daher 
denn  auch  wohl  -ze  im  slawischen  für  das  allumfassende 
-cunque!]  Will  man  sie  noch  mit  einem  andern  lat.  worte 
aufser  quidem  vergleichen,  so  ist  dies  praesertim  [gleichsam 
in  voranreihender  weise],  aber  auf  keinen  fall  saltem". 
Weiter  s.  390:  In  sätzen,  welche  mittelst  der  relativa  an- 
geknüpft sind,  kann  nicht  leicht  eine  andere  als  die  argu- 
mentative oder  die  suppletive  bedeutung  gelten.  So  also 
z.  b.  inet  .  .  .  .  yk  II.  I,  299  inel  p  txqhXeti&i  ye  dovreg 
idque  propterea  quod.  Desgl.  IV,  269  knei  avv  y  oqxi 
tyevav  Tgweg  weil  ja  die  Troer  den  vertrag  gebrochen 
haben.  Ferner  Herod.  I,  112  öV  S&  a>Se  TtoitjaoV)  eh  ätj 
nätict  ye  avdyxij  6<p&rjvai  hxxeifievov  wenn  es  j  a  einmal 
durchaus  nothwendig  ist.  Also  dem  sinne  nach  doch  wohl 
so  ziemlich  vergleichbar  mit  obigem  im"£e  im  slawischen. 
Ferner  p.  1157  jel"ma-ze  i.  q.  jel"ma  conj.  oaov  quan- 
tum;  kmi)k7iuSri\  und  el"mi-ze  id.  Aber  jelje  quando, 
woher  z.b.  ot'  njelize  ay  ov  ex  quo. —  Zweitens  zeigt, 
wie  Härtung  s.  395  bemerkt,  die  partikel  ye  den  supple- 
tiven sinn,  sowie  den  argumentativen,  auch  in  relativ- 
s&tzen.  a)  Sätze  mit  6g  gleichsam  qui  quidem;  und  og... 
yk  (also  etym.  eins  mit  ksl.  i-£e),  olog  dgl.  Od.  I,  229  i>«- 
ueötiyGcuTO  xev  ccvtJq,  Aiti%ea  noXX  oqowv,  oöxig  niWTogye 
[igt&&ol  b)  mit  el.  Her.  IV,  32  el  Srj  rtp  kovn  ye  "OprjQog 
tavva  ra  $nea  Inoirjae,  das  heifst,  wenn  anders  (si  qui- 
dem; es  könnte  sich  aber  anders  verhalten)  H.  wirklich 
der  verf.  dieser  gediente  ist.  c)  mit  6t e  ye,  knei  ye,  6&i 
ye  etc.   II.  1/s,  339  wg  äv  toi  nhjfivt]  ye  etc.  so  zwar  dafs. 

Im  böhmischen:  Gestli,  gestlize  conj.  wenn, 
wofern;  ob,  kann  doch  kaum  etwas  anderes  sein  als  die 
fragpart.  -li  (-ne?)  mit  gest  (es  ist),  und  ze  (conj.  dafs, 
weil),  indem  dadurch  also  die  sache  als  fraglich  dargestellt 
wird.  Takliz,  takltäe?  Ist  denn  also  (tak)?  —  Sicher 
hieher  aus  geho  (sein,  dessen):  on,  gehoz  otec  umrzel 
er,  dessen  vater  starb.  Tham,  böhm.-d.  wb.  s.  117.  Gako 


die  Partikeln  skr.  gha,  gha,  ha  and  hi;  zend.  zi  etc.  273 

wie,  gleichwie;  gakoz  wie,  gleichwie,  so  wie;  da,  indem. 
Gakozto  (mit  to  das?)  als,  als  wie.  Gakz  takz  so  so. 
Gakzkoli  (vergl.  gakzkoli  wie  immer  beschaffen)  und 
gakzkoliwek  (mit  wek  alter,  Jahrhundert?)  obwohl,  wie- 
wohl, obschon.  Ksl.  jako  <ug,  (oöneg  uti;  jakoze  &>oft£(>, 
xa&rig,  xa&d,  ov  tgonov.  Jak'ze  olog  p.  1145,  wie  auch 
ak'ze  p.  3.  Also  wie  olog  mit  yi?  Poln.  jako  als,  wie, 
jako  z  und,  in  der  that,  auch,  und  allerdings,  wie  auch 
wirklich.  Aber  jakze  wenn  doch,  wie  in  aller  weit,  wie 
anders,  das  versteht  sich  freilich.  —  Böhm,  genz,  welcher 
u.  s.  w.,  correspondirend  mit  ten  (der,  die,  das).  Ti,  genz 
n&s  potkali  die,  welche  uns  begegnet  sind.  Ten(ta),  genz 
mne  dnes  nawsstiwil  (im  fem.  -la)  der  (die),  welcher  mich 
heute  besucht  hat. 

Bandtke,  gramm.  §.  284  hat  unter  den  polnischen 
enklitika  (przyrostki  angewachsenes)  über  unsere  parti* 
kel  folgendes:  „z  hinter  vokalen,  ze  hinter  conson.,  z.  b. 
tenze,  taz,  toz  dieser  nämliche,  ebenderselbe,  die,  das 
nämliche;  gen.  tegoz,  teyze  (also  doch  auch  hinter  vo- 
kalen?), tego2,  dat.  temuz,  teyze,  temuz.  Also  wie 
öye,  fjye,  toye,  sogar  xelvog  oye  verbunden  II.  XIX,  344, 
nur  dafs  durch  dieses  pronomen,  wie  Passow  sich  aus- 
drückt, „mehr  eine  person  von  anderen  gesondert,  als 
auf  sie  hingewiesen  wird,  wodurch  es  sich  hinlänglich 
von  6Se  unterscheidet ".  Genau  hingesehen,  vollzieht  es 
gleichwohl  den  nämlichen  act  wie  tenze,  indem  ja  fest- 
stellen von  einerleiheit,  welchen  begriff  der  Pole  mit 
seinem  worte  verbindet,  auch  zugleich  aussonderung 
von  anderem  mit  einschliefst.  Jedenze,  jednaz,  jednoz 
der-,  die-,  dasselbe,  von  jeden  einer.  So  ferner  „cöz,  was 
denn;  cöze£  zrobil  was  hast  du  denn  gemacht?  Jakiz 
[vergl.  oben  ksl.  jak'ze,  qualis]  to  czlowiek?  Was  ist 
doch  das  för  ein  mensch?  Imperativisch,  wie  bei  den  trag. 
slni  ye,  sage  doch:  Dayze  gieb  doch  [vgl.  lith.  dfik-gi]; 
czytayciez  leset  doch;  idzze  gehe  doch;  idzmyz  lafst 
uns  doch  gehen.  Man  sieht,  dafe  dieses  z,  ze  die  Wörter, 
denen  es  beigefügt  wird,  verstärkt*.    Iza,  izali,  iza- 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  8.  18 


274  Pott 

li-4,  ob,  ob  etwa,  fragpart.,  wie  ksl.  jeza  Mikl.  p.  1155. 
Jezeli,  jezli,  jesli  wenn,  wofern,  ob.  Jezeli  nie  t$dy, 
tedy  ow?dy  wenn  es  hier  nicht  angeht,  so  geht  es  dort. 
—  Fast  möchte  ich  mich  aber  überzeugt  halten,  auch 
poln.  iz  und  ze  conj.  dafs,  müfsten  hier  ihre  stelle  finden. 
Mrongovius  bemerkt  im  Wörterbuch  von  dem  anhängsei 
ze,  es  bezeichne  die  frage  oder  auch  ungestümes  anhalten 
und  inständiges  bitten  (ähnlich  den  deutschen  Verstärkun- 
gen: doch,  in  aller  weit).  Z.  b.  Mial-ze  on  noz  przy 
eobie?  hatte  er  ein  messer  bei  sich?  Dayze  mi  gieb  mir 
doch.  Czym-ze  sie  to  dzieje?  Wie  geht  doch  das  zu? 
Jakiemi-z  dowody  — ?  Durch  welche  beweise  in  aller 
weit?  Als  conj.  wird  es  aber,  aufser  mit  weil,  da,  durch 
dafs  übersetzt,  z.  b.  Mowi,  ze  byl  u  niego  er  sagt,  dafs 
er  bei  ihm  gewesen  sei.  Es  bemerkt  aber  Bandtke  gramm. 
§.218:  „Durch  die  conj.  by  wird  blofs  mit  ihr  allein  oder 
mit  ihr  in  Zusammensetzungen  mit  den  conjunctionen  a  und 
ze,  dafs  (lat.  quod),  iz  dafs  (quod);  aby,  zeby,  izby, 
dafs,  damit,  auf  dafs  (das  lat.  ut)  jeder  modus  subjuncti- 
vus  gebildet,  indem  aby,  zeby,  izby  und  alle  andern 
Zusammensetzungen,  als  z.  b.  gdyby,  im  fall,  wenn,  je- 
zeliby  wofern,  azeby  auf  dafs,  poniewazby  weil  näm- 
lich, maafsen,  so  wie  by  an  und  für  sich  selbst  vor  tempp. 
mit  suff.  (also  bei  keinem  präs.)  stehen  können".  D.  h.  sie 
verbinden  sich,  gleichsam  proklitisch,  mit  partic.-tempp. 
Z.b.  By  bylem  (dafs  ich  wäre),  bylas,  bylo:  bym,  abym, 
zebym,  izbym  byl,  la,  lo:  2.  8g.  zebys,  izbys  byl,  la, 
lo  u.  8.  w.  Sollte  nicht  by  eigentlich  (etwa  fuat,  esto) 
vom  8ubst.-verb.  skr.  bhü  ausgehen?  Vgl.  WWb  I,  1182. 
Ich  vermuthe,  ze  für:  dafs  bedarf  etwa  zu  seiner  ergän- 
zung  eines  relativpronomens,  sei  nun  dies  blos  im  gedan- 
ken  oder  weil  sich  das  ksl.  neutrum  je-ze  kürzte.  In  iz 
steckt  doch  kaum  i,  und. 

Noch  sehr  wichtige  Verbindungen  sind  die  der  part.  ze 
mit  negativen  ausdrücken.  Z.b.  ksl.  nize  (neque).  Auch 
mit  dem  fragpronomen,  dem  ni  voraufgeht,  welches  aber 
öfters  durch  die  präposition  von  ersterem  getrennt  wird. 


die  partikeln  skr.  gha,  ghi,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  275 

Mikl.  lex.  p.  448  ni  ot'  kogoze,  ni  pri  öesom"ze. 
Nic"ze,  nic"to-ze  ovdiv  nihil.  Niküize,  nullus,  nikr- 
to-ze  nemo.  Auch  nikak'ze.  Niöijego-ze,  neminis. 
Nigdaze  wahrscheinlich  mit  erweichung  der  guttur.  aus 
nik'da-ze  (nunquam)  p.  451.  Vergl.  skr.  kadä,  wann? 
u.  s.  w.  WWb.  I,  1045  ff.  —  Poln.  niz,  nizli,  nizeli, 
anizeli  adv.  comparat.  als,  eher  als.  Böhm,  on  nenj 
(ist  nicht)  wetssi,  nez,  nezli  ga  er  ist  nicht  gröfser  als 
ich.  Vgl.  neze  li  rj ,  quam  Mikl.  lex.  p.  419,  worin  die 
negation  (li  p.  336  rj  vel  aut;  auch  rj  quam)  hervorheben 
soll  den  grad,  welchen  der  eine  von  den  verglichenen  ge- 
genständen eben  nicht  besitzt.  Vgl.  et.  forsch.  II,  147  (1.) 
Böhm,  drzj  w  nez  eher  als,  wie  griech.  tiqiv  ye,  jedoch  ohne 
negation.  Ulyr.  neg  ig  da  —  piuccträ  mai  —  als  je,  aus  neg, 
nego  —  ital.  ma  —  sondern,  und  ig  da  —  se  mai  —  wenn 
einmal.  Ksl.  neg9  statt  nego  übrigens,  sammt  nekli 
rccxa,  tawg  fortasse,  negli  u.  8.  w.  zeugt  doch  wohl  kaum 
für  Zusammensetzung  mit  einer  sonst  unbekannten  parti- 
kel,  welche  noch  dem  skr.  gha  näher  stünde  abseiten  des 
lautes.  Die  verb.  na  gha  wäre  sonst  verführerisch  genug. 
Es  mag  aber  in  nego,  wo  nicht  ein  pron.  mit  genitiv- 
endung  -go,  doch  etwa  des  k  in  nekli  wegen  irgend  wel- 
cher bezug  zu  dem  interr.  pronominalstamme  (vergl.  poln. 
kto  wer,  g.  kogo;  nikt,  g.  nikogo  niemand)  gesucht 
werden  müssen.  —  Von  goth.  nih  Gabelentz  s.  131  ovSiy 
fiqSi,  und  unserem  verneinenden  noch  behauptet  zwar 
Grimm  III,  69  gar  flink:  „dem  sinn  wie  dem  buchstaben 
nach  =  lat.  nee".  Nichts  kann  aber  mit  bezug  auf  die 
endpartikel  zweifelhafter  sein.  Nee,  wird  Grimm  doch  wohl 
nicht  in  abrede  stellen,  ist  blofse  kürzung  aus  ne-que  (vgl. 
ac:  atque),  dessen  -que  von  8.  -ka  zu  trennen  wohl  nie- 
mand einfallen  wird,  hätte  auch  nicht  der  Grieche  ein  ovts 
mit  T£  aar  que.  Es  wird  aber  in  Gab*  wb.  s.  139  unter 
.  .  .  uh  gezeigt,  dafs  dieses  hinter  den  vokalen  mehrerer 
partikeln  sein  u  verliere  und  dies  auch  in  nih  statt  ni-uh 
der  fall  gewesen.  Dies  müfste  denn  auch  den  muth  des- 
jenigen zu  boden  schlagen,  welcher  etwa  sonst  in  nih  ein 

18* 


i 


276  Pott 

skr.  na-hi  oder  na  gha  zu  erblicken  in  sich  lust  ver- 
spürte. Allerdings,  besäfse  die  enklitika  . . .  u  h  das  an- 
fügsame u  nicht,  würde  ich  selbst  scharf  darauf  sehen, 
ob  sie  nicht  dem  skr.  gha  entspräche.  Hiezu  eröffnet  sich 
aber  kaum  eine  aussieht,  dafern  man  nicht  in  -uh  schon 
eine  mit  enklitischem  h  versehene  partikel  suchen  darf, 
etwa  wie  lith.  jau-gi  (ja,  freilich;  schon)  oben.  Seltsam 
bliebe  dann  immer  jedoch  der  wiederspruch  des  h  mit  dem 
k  in  mi-k,  mich,  worin  man  gleichfalls  yk  sucht. 

Es  ist  noch  manches  in  dieser  sippe  von  partikeln 
dunkel  geblieben.  Selbst  dies,  ob  und,  dafern  wirklich,  in 
welchem  grade  die  reihen  gha,  ha  und  anderseits  hi 
mit  genossen  verwandtschaftlich  zu  einander  stehen  oder 
auch,  von  dem  blofsen,  keineswegs  überall  mit  Sicherheit 
erkennbaren  lautwechsel  abgesehen,  sich  gegenseitig  ety- 
mologisch decken.  Was  soll  man  beispiels  halber  zu  dem 
schon  früher  erwähnten  ksl.  zi  sagen,  unter  welchem  Mikl. 
lex.  p.  225  auf  ze  verweist?  Vom  ersten  bemerkt  er:  haec 
particula  in  codd.  recentioribus  [etwa,  wie  nachmals  vieles, 
aus  volksmundarten  in  die  alte  kirchensprache  eingedrun- 
gen?] non  raro  pronominibus  demonstrativis  et  adverbiis 
inde  derivatis  additur:  ov'zi.  Vgl.  p.  486  ov'  (hie);  ov* 
—  ov'  ie  6  f4.ev  —  6  Se;  ov'gda  rore  tum;  ov'gda — 
ov'gda  2e  tum  —  tum.  On'zi  (etwa  wie  xelvog  ys  II. 
(»,490.  Hart.  8.381).  Sikvozi  von  sikov'  (talis)  Mikl. 
p.  838.  Siko-zi  und  siko  ovrcog  sie  (welches  lateinische 
wort  zwar  im  pronominalst.  —  doch  wohl  s.  8 ja,  lith. 
szis  —  mit  dem  slawischen  übereinkommen  mag,  allein 
nicht  in  der  endung,  welche  die  nämliche  ist  wie  in  hei-c 
u.  s.  w.).  Takozi,  ita.  Tazi.  Toizi.  Tomzi.  Und  noch 
mehr  dergl.  verbb.  mit  dem  pron.  t'  (kxslvog,  ille)  p.  1016. 
Particulam  haue  habes  bulg.;  croat.  ovazi,  ondazi,  ni- 
kojzi.  —  Dagegen  p.  981  von  ta  conj.  et,  tum,  verstärkt 
ta£e  itaque,  aber  auch  stra,  inuxa  tum.  Und  p.  994 
v'tof  (to  mit  suff.  i)  ie  vrjemja  kv  reo  xaiyqi  kxuvcp. — 
An  eine  blofs  mundartliche  vertauschung  von  z  und  i  zu 
glauben  mufs  ich  vorderhand  mir  noch   versagen.    Sonst 


die  partikeln  skr.  gha,  ghff,  ha  und  hi;  zend.  zi  etc.  277 

g&be  etwa  zelv"  m.  testudo,  Umax  neben  iel'v",  griech. 
X&vq  (also  mit  %->  w*e  ^  *).  im  skr.  bi)  dafür  einigen 
anhält. 

Ueber  manches  in  diesem  thema  wird  man  erst  ins 
künftige  klarer  sehen.  Indefs  schien  es  mir  nicht  aufser 
der  zeit,  derartige  partikeln,  wie  die  hier  besprochenen, 
deren  sinn  nichts  weniger  als  auf  der  Oberfläche  liegt, 
wenngleich  er  in  der  Verstärkung  von  begriffen  seinen 
letzten  und  bedeutsamsten  hintergrund  haben  wird,  schon 
jetzt,  so  weit  ich  es  vermochte,  zu  beleuchten.  Mich  zog 
dahin  vor  allem  auch  das  interesse,  welches  ein  bis  in  das 
fernste  alterthum  unseres  Sprachstammes  zurückreichender 
gebrauch  von  wörtlein  so  luftiger  art  wie  gha,  ha,  hi, 
yd,  yi,  sl.  2e,  zi,  zend.  zi  u.  s.  w.  bei  solchen  einzuflößen 
im  stände  sein  möchte,  welchen  nicht  überhaupt  für  derlei 
aller  sinn  abgeht. 

Halle,  ostern  1869.  Pott. 


Zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  polnischen 

spräche. 

Jede  spräche  sucht  sich  fremde,  mit  der  berührung 
mit  anderen  culturen  in  sie  eintretende  demente,  einhei- 
misch zu  machen,  indem  sie  die  laute  derselben  nach  der 
beschaffenheit  der  Sprachorgane  des  volkes  verändert  und 
assimiliert;  ja,  der  prozefs  des  lautverfalls  in  den  lehnwör- 
tern  ist  rascher  und  entschiedener,  als  in  Stammwörtern, 
da  in  ihnen,  wegen  ihrer  wurzellosigkeit  von  der  seite  des 
Sprachgefühls  kein  widerstand  geleistet  werden  kann. 

Es  ist  wohl  für  die  lautlehre  einer  spräche  nicht  ohne 
Wichtigkeit  die  auf  das  rein  phonetische  prinzip  sich  stütz- 
enden lautwandlungen  der  fremdwörter  zu  erforschen,  und 
die  gesetze,  welche  ihnen  zu  gründe  liegen,  festzustellen. 
Phonetische  prozesse  der  lehnwörter  bestätigen  nicht  nur 


278  Malinowski 

die  allgemeinen,  von  der  beobachtnng  des  grammatischen 
baues  der  spräche  und  der  vergleichung  mit  den  nächst« 
verwandten  sprachen  herröhrenden  gesetze,  sondern  werfen 
auch  auf  den  ganzen  typus  des  lautsystems  ein  neues 
licht. 

Die  folgende  Zusammenstellung  einiger  lehnworte  der 
polnischen  spräche  hat  zum  ziel,  die  gesetze  der  lautent- 
stellung  in  derselben  zu  ermitteln.  Ich  habe  mich  zu« 
nächst  nur  auf  deutsche  oder  durch  Vermittlung  des  deut- 
schen ins  polnische  eingedrungene  demente  beschränkt, 
und  zwar  auf  solche,  gegen  deren  herkunft  kein  zweifei 
erhoben  werden  kann.  Der  vorliegende  theil  enthält  die 
lautwandlungen  der  consonanten.  Die  Schreibweise  der 
polnischen  worte  ist  streng  phonetisch. 

A.    Consonanten. 

Gutturale  k,  g,  eh. 

Poln.  k  tritt  an  die  stelle  des  deutschen  h  und  ch: 
im  anlaute:  keuch  =  ahd.  ehelich,  nhd.  kelch,  lat.  calix. 
kouwas*)  =  handfafs;  im  inlaute:  äukac  =  suchen,  fukel 
=  fuchtel  (eine  art  degen);  im  auslaute  geht  das  deutsche 
ch,  g  fast  immer  in  k  über:  alstuk  =  halstuch,  capätryk 
=  Zapfenstreich;  pak  =  pech,  chendryk  =  heinrich,  ulryk 
=  ulrich,  fryderyk  =  friedrich  (in  den  eigennamen  ist 
diese  erscheinung  wohl  dem  einflufs  des  lateins  zuzuschrei- 
ben), brunsWik  —  braunschweig,  auätuk  =  auszug,  lustyk 
s=s  lustig,  jartyk  (einjährliches  lamm)  =  Jährling  und  alte 
auf  unek  =  d.  ung,  wie  stosunek  (verhältnifs)  =  stoftung, 
werbunek  =  Werbung,  meldunek  =  meidung,  rachunek  = 
rechnung,  Wizerunek  =  visierung,  ebenso  kruzganek  =» 
kreutzgang  u.  8.  w. 

Poln.  k  entspricht  dem  deutschen  t  in  oreyk  =  ort- 
scheit. 


*)  In  allen  fallen,  wo  die  bedeutung  des  polnischen  wortes  nicht  ange- 
führt wird,  ist  sie  dieselbe  wie  im  deutschen. 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  279 

g- 

g  =  ch,  h:  gajic  =  h&gen,  cyga  (ziehbrunnen)  = 
ziehen,  äp'eg,  öp'egaf  =  ahd.  *speho  (holl.  spie,  engl,  spy), 
spehäri,  uger  =  ocher  lat.  ochra  fr.  ocre ,  todyga  (stengel) 
=±  ahd.  ladducha,  lat.  lactuca. 

g  =  k:  gamrat  =  kamerad,  gen.  tfarogu  zu  n.  tfarök 
quarkkäse. 

ch. 

ch  =  g:  obercuch  =  öberzug  (übrigens  im  jetzigen 
deutsch  wird  g  im  auslaut  auch  wie  ch  gesprochen); 
cbrab'a  neben  grab'a  =  graf  ist  ins  polnische  durch  das 
cechische  gekommen. 

ch  =  k,  ck  im  inlaute:  ätachety  =  stacket,  dyjachet 
=  ndd.  deuker,  klecha  =  glöckner;  im  auslaute:  gach 
(liebhaber)  =  geck. 

ch  =  seh  (ä):  rostruchar  =  rostäusoher  (rofstrüger), 
chynak  =  schienbacken. 

ch  =  h :  chartowac  =  härten,  chetman  =  hauptmann, 
chaler  =  heller,  chaw'af  =  hauer,  cbendryk  =  heinrich, 
chufnal  neben  ufnal,  ofnal  =  hufnagel,  cholander  neben 
veraltetem  olander  =  holl&nder,  chotdowac  neben  otdowac 
=  huldigen,  chuf,  chuf  ec  neben  uf,  uf  ec  (schar)  =  häufe, 
chabdank  neben  abdank  (ein  wappen)  =  habe  dank,  ohaf- 
towac  neben  aftowac  (sticken)  =  heften,  chaftka  neben 
aftka—  heftchen,  chalätuk  neben  alätuk  =  halstuch,  chant- 
fas  neben  antfas  =  handfafs,  chandrychaf  neben  antryohaf 
(berggehülfe)  =  handreicher,  poncocha  =  bundschuh. 

Palatale. 

• 
J- 

Deutsche  diphtonge  ei,  eu,  äu  werden  in  den  polni- 
schen lehnwörtern  durch  a  oder  e  mit  folgendem  j  ersetzt: 
fajerka  =  feuerkieke,  äatamaja  =  schalmeie,  majef  =  meie* 
rei,  glejt  =  geleit,  majster  =  meister,  rajtäula  =  reitschule, 
rajzbret  =  reifsbrett,  gemajn  s=  gemeine,  grajcar  =  Kreu- 
tzer, rajtuzy  =  reithosen,  lokaj  =  lakei. 


280  MalinowBki 

j  =  h  im  anlaute  vor  vocalen:  jedlca,  jelca  (griff  am 
Schwerte)  =  ahd.  helza,  mhd.  heize,  jatka  ( fleisch waaren- 
handlung)  =  hütte  ahd.  hutta,  jadw'iga  =  hedwig,  jinter- 
mach  =  hintergemach. 

j  ss  g:  gajic  =  hägen,  gen.  jedwab'u  zu  nom.  jedwap' 
s=s  ahd.  gotawebbi,  alts.  godowebbi  kostbares  gewebe, 
byssus. 

3. 

ä  ss  8  im  worte  8tru£  ss  straufs. 

Linguale. 
Spiranten  8,  i. 

§  =  nhd.  seh,  ahd.  sc  flaäa  ==  flasche,  ahd.  flasca, 
gala  =  schale,  mhd.  schal,  ahd.  scala  (patera). 

§  =  8,  ss,  sabla  =  sabel,  äar&a  ss  sarsche  (ein  wol- 
liges gewebe)  ital.  sargia,  äelka  =  seilchen,  Sukac  =  su- 
chen, kosary  =  kaserne,  struköasy  =  truchsess,  Kermas 
=  kirchmesse,  ratuö  =  rathaus,  aber  lamus  (gen.  lamusa) 
lehmhaus. 

z  =  8  im  anlaute  vor  o,  e,  u :  Kölner  (soldat)  ss  Söld- 
ner, £ur  (eine  art  suppe)  =  mhd.  ndd.  sür,  zegna<5  =  seg- 
nen ahd.  seganon,  lat.  signare,  zoltaf  öech.  £altaf  =  psal- 
ter,  ahd.  saltari  gr.-lat.  psalterium,  zold  ss  sold,  zeglowaö 
=  segeln,  zagel  =  segel,  £eglaf  =  segler  im  imlaute  zwi- 
schen vokalen;  baiant  mhd.  fasant,  dz£2a  =  bair.  döse, 
kizel  =  kiese],  sp'täa  =  speise,  £p'izarna  ==  Speisekammer, 
gen.  any£u  zu  nom.  anyS  =  anis,  pap'eza  (pap'eä)  papst 
=s  ahd.  babes,  jarmuzu  zu  nom.  jarmuä  (grflnkohl)  =  jahr- 
muss  (?)• 

i  =»  seh  (ä):  iart  scherz,  g.  potaiu  zu  nom.  potaä  = 
pottasche,  wajdaäu  zu  nom.  wajdaä  =  weidasche. 

Dieser  Übergang  des  deutschen  s,  ch  in  £,  z  ist  der 
Wirkung  eines  eingeschalteten  j  zuzuschreiben,  worüber 
unten. 

r-1-laute. 

r  vor  a,  u,  o,  e  wird  in  palatal  linguales  f  erweicht: 
Mestrank  =  kirschtrans,   rumple  neben  geryna  ss  gerüm- 


zur  lautlehre  der  lebnwörter  in  der  poln.  spräche.  281 

pel,  fotkef=retticb,  rem'eä  =  riemen  neben  rymaf  =  rie- 
mer*),  dzetrech  =  dietrich  im  auslaut,  in  der  endung  er, 
nach  der  analogie  des  poln.  suff.  -af ,  -er  =  altbulg.  -an, 
-eri:  pachlar  =  päcbter,  alker  =  erker,  chaftaf  =  hefter, 
bednaf  =  büttner,  malar  =  maier,  dyngar  =  dinger 
(bergknappe,  der  ein  gedinge  liefert),  falb' er  =  farber, 
balw'er  =  barbier,  falsef  =  falscher,  fechtaf  «=  fechter, 
forytaf  =  vorreiter,  frajef  (liebhaber)  =  freier,  pr§£ef  = 
pranger,  chawer,  chaw'ar  =  hauer,  kichlaf  =  küchler, 
sp'ichr,  £p'ichler  und  sp'iklef  =  Speicher,  kusner  =  kürsch- 
ner,  kacyf,  kacef  =  ketzer,  kolner  =  koller,  zoltaf  = 
psalter,  slusaf  =  Schlosser,  pancer  =  panzer,  rycef  = 
ritter,  rymaf  =  riemer,  ämukler  (knopfmacher);=8chmucker, 
kramaf  =  krämer,  kuglar  =  gaukler,  slif  er  =  Schleifer, 
snycef  =  Schnitter,  äynkar  =  schenker,  lichtar  =  leich- 
ter, ludw'isar  =  rothgiefser,  strychaf  =  Streicher,  wach- 
laf  =  f&cher,  wart6f  =  wärter,  werbaf  =  werber,  w'elkef 
(plebiscitum,  Stadtsatzung)  =  willkühr,  zeglar  =  segler, 
zolner  (soldat)  =  Söldner,  talef  =  teller,  grabaf  =  grä- 
ber,  gichsaf  =  gichter  (der  das  erz  in  die  gicht  schüttet), 
fry&r  =  frischer,  garbaf  =  gärber,  fraktaf  =  frachter, 
majef  =  meierei,  m'elef,  m'ilef  =  meiler,  m'elcar  =  mäl- 
zer,  lakfaf  =  latwerge,  m'istf  neben  majster  =  öech.  mistr 
(meister). 

Im  auslaute  folgender  worte  findet  die  erweichung 
nicht  statt:  oselbar  =  wasserbär,  puchar  =  becher,  bryf- 
tre£er  =  briefträger,  berajter  =  bereiter,  comb  er  =  zä- 
mer,  ziemer  z.  b.  von  einem  hirsche,  cuker  =  zucker,  fel- 
ger =  feldscheer,  feler  =  fehler,  frajb'iter  =  freibeuter, 
fironcymer  =  frauenzimmer,  grajcar  =  kreutzer,  cholender 
=  holländer,  serwaser  =  scheidewasser,  swa£er  =  Schwa- 
ger, lager  =  lager,  laber  neben  labwerk  =  laubwerk, 
laufer  =  laufer,  loncher  neben  lunar  =  lohnherr,  st£r  = 


*)  rymaf  ist  erst  in  jüngerer  zeit  entlehnt,  während  fem' eri  schon  im 
altbulgarischen  als  remeni  vorliegt,  daher  die  verschiedene  behandlnng  des 
anlantes.     J.  S. 


282  Malinowski 

Steuer,  zegar  (uhr)  =  zeiger,   giser  =  gielser,    goldar  = 
goldschläger,  £efrajter  =  gefreiter,  fryjor  ==  frühjahr  u.  a. 
f  =  seh  (ä):    charnaf  =  hämisch. 

1,1. 

Die  polnische  wie  die  russische  spräche  haben  bis  heut* 
zutage  ein  zweifaches  1  bewahrt;  ein  palatal-linguales  (1) 
und  ein  mit  unrecht  guttural  genanntes  (1).  Das  polnische 
1  unterscheidet  sich  vom  deutschen  durch  mehr  palatale 
ausspräche,  da  nicht  nur  das  ende  der  zunge,  sondern  ihre 
ganze  Oberfläche  sich  dem  gaumen  nähert.  —  Was  das 
harte  t  betrifft,  so  ist  es  keineswegs  guttural  in  dem  sinne, 
wie  es  von  deutschen  Sprachforschern  verstanden  wird. 
Es  giebt  hier  freilich  mundartliche  variierungen,  doch 
spricht  es  die  masse  des  volkes  entschieden  dental  aus: 
die  spitze  der  zunge  berührt  die  obere  zahnreihe,  wie  bei 
n,  nur  mit  dem  unterschiede,  dafs  auf  beiden  Seiten  der 
zunge  leerer  räum  für  die  aus  dem  kehlkopfe  strömende 
luft  gelassen  ist,  was  bekanntlich  den  1-laut  überhaupt  cha- 
rakterisirt.  Die  Grofspolen  kennzeichnen  sich  durch  eine 
labiale  ausspräche  des  t,  etwa  wie  w;  im  krakauischen 
spricht  man  es  aus  mit  einer  resonanten  schattirung,  be- 
sonders nach  den  nasalen  vocalen:  datem  (ich  blies),  wzalem 
(ich  nahm)  d$t,  wzcjl  klingen  in  dieser  mundart  fast  wie 
danem,  wzanem,  d$n,  wz^n  *). 

Polnisches  1  ersetzt  das  deutsche  1  vor  a,  u,  o:  taneut 
(eine  Stadt  im  krakauischen)  =  landshut,  Jäter  =  lachter, 
hochd.  klafter,  lagt  =  last,  tan  (ein  ackermafs)  =  lahn, 
mlat.  laneus,  takoc  =  leckerei,  tadunek  hb  ladung,  tado- 
wa<5  —  laden,  lata  =  latte,  watach  ™  wallach,  stota  == 
Stollen,  äatamaja  =  schalmeie,  cegta  =  ziegel,  tut  =  loth, 
atun  =  alaun,  tub'in  =  lupine  lat.  lupinum,  toktusa  == 
lakentuch,  todyga  (stengel)  =  ahd.  ladducha,  totr  =  mhd. 
loter,  lat.  latro,  cto  =  zoll ;  im  auslaute :  kubel  neben  ku- 


*)  Genaue  angaben  über  die  ausspräche  des  1  s.  bei  Brücke  gründe.  4t 
und  Merkel  Physiol.  d.  menschl.  spr.  217.       J.  S. 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  283 

fei  =±  kflbel,  Kizel  =  kiesel,  faket  =  fakel.  Wir  sehen, 
dafs  Miklosich  (laotl.  445)  unrichtig  behauptet,  „das  deut- 
sche I  wird  regelmäfsig  durch  den  weichlaut  1  ersetzt"  und 
(467)  „in  entlehnten  Wörtern  wird  regelmäfsig  1  nicht  t  ge- 
sprochen a.  Doch  in  folgenden  Wörtern  erscheint  das  weiche 
1:  lanckorona  (eine  Stadt  im  krakauischen)  =  landskrone, 
lanckoronslü  (ein  poln.  familienname),  l^d  =  land,  lokaj  = 
lakei,  filunek  ==  fühlung,  chalabarda  =  hellebarde,  folarda 
sss  fallerde,  kuglaka  =  kugellack,  bukätele  =  bogenstelle 
(bogengerüst),  chalef  =  heller,  cholender  =  holländer, 
lentfal  =»  lendenfeil,  tal6f  =  teller,  drylich  =  drillich. 

Vor  consonanten  steht  fast  immer  hartes  1:  fatdowa<5 
=  falten,  falä  =  falsch,  zottaf  =  psalter  ahd.  saltari, 
choldowac  =  huldigen,  malpa  (äffe)  »  maulaffe,  kätalt  = 
gestalt,  gwalt  =  gewalt,  gelda  =  gilde,  jalmuzna  =  al- 
mosen  ahd.  alamuosan,  soltys  =  schuldheifs,  soldra  = 
Schulter  (schweinschulter,  Schimpfwort),  gatgan  (lump)  = 
galgen;  auch  vor  palatalisirten:  zoln£r  =  söldner,  kölner 
=  koller,  aber:  meldowal  =  melden,  j urgelt  =  jahrgelt, 
tryngelt  =  trinkgeld. 

1  ==  j  in  ceregele  (la  minauderie)  =a=  *ceregeje  =  *ce- 
rereje  =  Zierereien. 

Dentale. 

t,    c  (ts),    ö  (tä),    c  (ts). 

t  =  d:  tebel  =  döbel  (pflock),  tuz  =  daus,  fory- 
towad  =  fördern,  fryt  (gen.  frytu)  =  friede,  kerat(u)  = 
kehrrad,  klejnot(u)  =  kleinod,  bunt(u)  (aufstand)  =  bund, 
gamrat(a)  =  kammerad,  gw'int  (gewinde)  u.  a. 

t  wird  vor  e  in  c  (ts)  erweicht  (dies  s  nach  t  ist  als 
aus  j  durch  assimilationen  des  t  entstanden  zu  betrachten, 
worüber  unten):  ryc6f  ^=  ryts&f  =  *rytj£f  =  ritter  cech. 
ritif,  snycär  ( Steinmetz)  =  Schnitter.  Manchmal  geht  t 
in  palat.  c  (tt)  über:  pachcar  =  pächter,  gichda?  =  gich- 
ter; so  auch  c  in  ö:  Ötuöec  =  Stutzer  (stucer). 

6  =  8,  z:  demcowy  =  sämisch,  kolel  =  ahd.  chezzil 
mhd.  kessel. 


284  Malinowski 

c  (tä)  =  sch  (ä):  cacht  =  schacht;  =  c  (z):  cacha 
=  zeche  (bergstrafse  in  Olkus),  öop  =  zapfen,  ö$br  =  zie- 
mer,  cawun  =  zäun,  cyns  =  zins. 

d,     dz,     dz. 

d  ==  t:  knod  (knodyäek)  =  knoten  (an  den  pflanzen), 
spadel  =  spaten,  chalabarda  =  hellebarde,  jinderak  = 
unterrok,  fajdad  (cacare)  =  feuchten,  gerada  =  geräth 
(das  haus-  und  kastengeräth,  das  die  frau  dem  manne  mit- 
bringt). Vor  e  wird  d  in  dz  erweicht:  dzetrech  neben 
dytrych  =  dietrich,  dz£2a  (backtrog)  =  bair.  döse,  dz$- 
kowad  neben  dank  nos$  =  danken. 

dz  =  c  (z)  volkthömlich  dzygar  neben  zegar  (uhr)  = 
zeiger. 

s. 

Poln.  s  entspricht  sehr  selten  einem  deutschen  s:  Sas 
=  Sachse,  weksel  =  Wechsel,  lakmus  =  lackmus;  =  ss: 
sl6saf  =  Schlosser,  obertas(a)  =  Obertasse,  ludw'isaf  = 
rothgiefser,  karmasyk  =  kerbmesser. 

s  =  tz,  z  (c) :  sprys  =  die  spritze,  kasyf  neben  kacyf 
=  ketzer,  besowad  neben  becowac  =  beizen. 

s  =  sch  (ä):  sulaf  =  schürer,  surowna  =  scheuer- 
ofen  (im  bergwerk),  sos  (pflanzensprofs)  =  schofs,  sottys 
neben  äoltys  (schulze)  =  mhd.  schultbeize  ahd.  scultheizo, 
kalkus  =  kalkasche. 

z. 

Das  polnische  z  ist  seiner  verengungssteile  naoh  mit 
dem  s  identisch,  es  unterscheidet  sich  von  letzteren  nur 
dadurch,  dafs  die  Stimmbänder  angestrengt,  und  durch  die 
aus  der  brüst  strömende  luft  in  Vibration  versetzt  werden* 

Poln.  z  =  deutschem  8  im  anlaute  vor  vocalen:  zegel- 
garn  =  segelgarn,  zolic  =  sohlen,  zubas  (der  bafs  in  der 
orgel)  =  franz.  sous-bas  (dieses  wort  ist  durch  das  deut- 
sche ins  polnische  gekommen,  da  aus  den  romanischen 
sprachen  unmittelbar  entlehnte  worte  ihr  anlautendes  s  be- 


zur  lautlehre  der  lehn  Wörter  in  der  poln.  spräche.  285 

wahren:  wie  suma,  sanitarny,  satata,  sylwetka,  sezon,  sotern 
u.  8.  w.) ;  im  inlaute  zwischen  vocalen :  fliza  =  fliese,  sp'i- 
luza  =■  speileisen,  I6zem  (frei,  nicht  gebändigt)  =  los, 
chyzowa<5  =  hissen;  im  auslaute:  cekchauz(u)  =  zeughaue, 
gruz(u)  ss  graus,  tuz(a)  =  daus. 

z  äs  seh  (S):  maltuza  =  maultasche. 

z  =  z  (c)  zembraty  =  zimmerbretter  (d.  i.  gezim- 
merte bretter),  zendra  =  zunder,  dies  ist  graphischem  ein- 
Aufs  zuzuschreiben. 

z  =  h:  zalzbant  =  halsband. 

z  =  ä:   nur  im  potaz(u)  neben  potaz(u)  =  pottasche. 

n. 

Die  polnische  spräche  kennt  nur  dentales  n,  welches 
auch  deutsches  gutt.  ng  ersetzt:  in  allen  Wörtern  auf  ung 
es  poln.  unek,  wie:  rachunek  =  rechnung,  stosunek  (ver- 
hältnifs)  =  stofsung,  warunek  (bedingung)  =  Währung  u.  a. 

Labiale. 

P- 
p  sss  b:  poricocha  (strumpf)  =  bundschuh,  pnchar  = 

becher,  pytel  (mühlbeutel)  =  beute],  pap'e£  (papst)  =  ahd. 

bäbes,  kolpef  =  kaulbars,  urlop  gen.  urlopu  =  Urlaub. 

p  =  pf,  f,  ff:  pal  =  pfal,  p'epf  =.  pfeffer,  putk  (re- 
giment)  *  volk  mhd.  volc  ahd.  folc,  p'en$dz  (geld)  =  pfes- 
ning,  p'el$gnowa<5  =  pflegen,  panwa  =  pfanne,  pampuch 
sss  pfannkuchen,  grypa  =  dreifufs,  äyper  =  schiffer,  ko- 
perötych  =a  kupferstich,  koperälag  =  kupferschlag,  kopeiv 
was  =  kupferwasser,  kap'inaz  (volksthümlich)  =  kaffee- 
haus,  malpa  (äffe)  =  tnaulaffe;  im  auslaute:  litkup  (merci- 
potue)  s=s  mhd.  lttkouf,  gnyp  =  kneif  (schusterkneif,  schu- 
8termes8er,  cf.  franz.  canif),  gap'  =  *gaffe,  b'iskup  =  ahd. 
piscouf,  öop  sss  zapfen  u.  aa. 

b. 

b  sä  p  sehr  selten,  und  das  fast  ausschliefslich  vor  i : 
hib'in  s=  lupine  (lat.  lupinüm),  drab'ina  =  treppe;  vor  u: 
cybula  (zwiebel)  =  ahd.  cipulla. 


286  Malinowski 

b  =  f:  baiant  =  mhd.  fasant  (lat.  phasianus),  kucaba 
und  kocuba  neben  sufla  =  kothscbaufel,  drybus,  trybus 
neben  grypa  =  dreifufs,  grab'a,  cbrab'a  -■=  graf. 

f  =  f ,  v:  fartuch  =  vortuch,  firanka  =  Vorhang, 
firzac  =  vorsatz,  forpocta  =  Vorposten,  forut  (ein  aufruf 
in  bergwerken)  =  niederd.  vorut  (voraus),  fortel  (mittel) 
=  vortheil,  furwach  =  vorwache,  furstus  =  verstofs. 

f  =  pf :  fajka  =  pfeife,  fanna  neben  panwa  ==  pfanne, 
funt  =  pfund,  faraf  =  pfarrer,  kfejfajfer  =  querpfeifer  (?), 
knafel  =  knöpf. 

f  =  w:  blofarek  neben  bulwark  (die  form  bulwar 
(strafse)  ist  aus  dem  franz.  boulevar  entlehnt)  —  bollwerk, 
fala  =  welle,  faramuska  =  warmmufs,  fartowarf  =  warten, 
fiäorek  =  wischer. 

f  =  b:  kufel  (seidel)  =  kübel. 

f  =  h:  glif  neben  glijowal  =  glühen;  =  ch:  cefa  ne- 
ben cecha  (merkmal)  =  zeichen.  In  den  Wörtern  rych- 
fowac  =  bereifen  und  rychfa  =  reif  spaltet  sich  f  in  chf ; 
diese  erscheinung  ist  auch  dem  russischen  eigen:  z.  b. 
chf  edor  (volksthömlich)  neben  f'edor  =»  theodorus,  proch- 
fost  =  profos. 

w. 

w  =  f :  wechtowac  neben  fechtowad  «  fechten,  w'ar- 
dunek  =  ferding,  vierdung  (eine  münze),  wachla  =  fackel, 
wachlaf  =  facher,  liwerunek  (abgäbe)  =  lieferung. 

w  =  v  (f):  wöjt  (schultz)  =  vogt,  Vertel  (maafs) 
s=a  viertel. 

w  ist  aus  u  zwischen  voc«  entstanden  in  chaw'ef,  oha- 
War  (arbeiter  in  bergwerken)  =  hauen 

m. 

m  =  b:  mary  neuslov.  pare  =  bahre, 
m  =s  v:  m'isorka  =  visier  am  helme. 


zur  lautlehre  der  lehn  Wörter  in  der  poln.  spräche.  287 

Consonantische  lautgesetze. 
Nicht    nur    unmittelbar    zusammentreffende,    sondern 
auch  getrennte  laute  können  auf  einander  wirken. 

I.     Assimilation. 

Benachbarte  consonanten  assimiliren  einander  1)  durch 
Veränderung  ihrer  verschlufs-  oder  Verengungsstelle  (Über- 
gang in  ein  anderes  sprachorgan,  qualitative  assimilation), 
2)  durch  Veränderung  der  gegenseitigen  Stellung  der  Or- 
gane (wechsel  zwischen  momentanen  und  dauerlauten,  zwi- 
schen nasalen  und  nichtnasalen,  zwischen  stummen  und 
tonenden  (quantitative  assimilation)), 

1)  Qualitative  assimilation.  a.  «.  Der  vorher- 
gehende consonant  ähnlicht  sich  dem  folgenden  an  durch 
Übergang  in  das  organ  desselben. 

Linguales  r  gleicht  sich  dem  folgenden  j  an :  kfejfajfer 
=  *kferfajfer  =  querpfeifer.  —  d  assimilirt  sich  dem  auslau- 
tenden r  in  serwaser  =  *sedwaser  =  scheidewasser. 

Dent.  8  wird  zu  ling.  &  vor  ling.  1:  sie  (geschirrriemen) 
=  *sle  =  seile,  älachta  neben  slacbta  (adel)  =  ahd.  slahta 
(geschlecht). 

Gut.  ch  vor  dem  dent.  t  wird  zu  n :  antalek  =  achtel. 

Labiale  gehen  vor  dent.  in  dent.  über:  f  in  s  vor  t: 
olstro  =  *olftro  =  holfter. 

ß.  Der  folgende  consonant  assimilirt  sich  dem  vorher- 
gehenden: palat.  j  wird  zu  dent.  s  nach  dent.  t  in  rycef  = 
*rytsef  =  *rytjef  =  ritter,  snyc^f  =  *enyts^f  =  *snytj6r 
=  Schnitter  u.  aa.;  j  wird  zu  z  nach  d  in  dz$kowad  == 
*dj$kowal  =  danken  u.  aa. 

b.  «.  Anäbnlichung  durch  Übergang  des  vorhergehen- 
den consonanten  in  das  dem  folgenden  nähere  sprachorgan. 

Dent.  c  (ts)  assimilirt  sich  dem  folgenden  gutt.  g,  in- 
dem es  in  ling.  z  übergeht:  d.  kreuzgang  =  *krucganek 
=  *krudzganek  =  *krudzganek  =  kruzganek. 

Dent.  8  geht  vor  gutt.  k  ( ch )  in  ling.  ä  über :  skuta 
=  *skuta  =  ndd.  schute,  holl.  schuite,  äkoda  (schade)  = 
ahd.  scado. 


288  Malinowski 

Gutt.  g,  k  vor  dent.  t,  c  geben  in  palat.  j  über:  flej- 
tuch  =  flecktuch,  grajcar  =  *garjcar  =  *garkear  es  korck- 
zieher. 

£  nähert  sich  dem  folgenden  palat.-ling.  1,  und  geht 
in  palat.  6  über:  slif  er  neben  älif  er  =  Schleifer,  sluza  = 
schleuse,  slaban*)  =  schlagbaum,  £larka  =  schleier,  £lo- 
stram  =  oberd.  scblufstrain  (schlofsbalken),  Slusaf  =  Schlos- 
ser, auch  vor  jotirtem  p' :  sp'ikowal  =  spicken,  Sp'ichf  = 
Speicher,  sp'ilart  =  speilert,  &p'izarna  =  Speisekammer, 
Sp'eg  =  späher,  sp'iluza  =  speileisen,  waj£p'en  =  weifs- 
spähne. 

2)  Quantitative  assimilation.  a.  Anäbnlichung 
des  vorhergehenden  consonanten  an  den  folgenden. 

Spirans  ch  wird  vor  t  zu  moment.  k:  frokt  neben 
frocht,  fraktaf  neben  fracbtaf  =  fracht,  dyktowny  neben 
dychtowny  =  dicht,  fektowad,  wektowad  neben  fechtowac 
=  fechten;  ft  zu  pt:  syptuch  (segeltuch)  =  schifftuch. 

Momentane  k,  p,  b  werden  unter  dem  einflufs  der  fol- 
genden dauerlaute  1,  w,  m  zu  den  entsprechenden  Spiran- 
ten: machlaf  neben  mekler  =  makler,  wachla  =  *wakla 
=  fackel,  chlob  =  kloben,  ätochmal  =  *stogmal  =  *ätob- 
mal  =  staubmehl  (man  bemerke  die  dis9imilation  der  bei- 
den labialen  bm  in  gutt.  und  lab.  chm  für  gm),  bachm'istf 
=  *bakm'istf  =  *barkm'istf  =  bergmeister  (in  Weliöka), 
äuflada  =  Schublade,  st$fle  neben  stemple  =  Stempel, 
chfast  =  *kfast  =  quaste;  c  vor  f  zu  8:  äuäfai  =  *öucfat 
=  *öorcfal  =  schurzfeil. 

Anähnlichung  der  stummen  an  folgende  tönende;  k 
vor  r,  1,  n  wird  zu  g :  zagr$plowac  =  verkrämpeln,  graca 
=  kratze,  grajcar  =  *krajcar  =  kreutzer,  ryngraf  = 
*rynkrat  a  ringkragen,  glon  =  *klon  =  *knol  =  knollen, 
gnap  =  knappe,  gnyp'  =  kneif  (schustermesser)  cf.  franz. 
canif. 


*)  Unter  der  lautform  8 lab  an  werden  zwei  ganz  verschiedene  Wörter 
begriffen,  das  eine  ist  das  d.  schlagbaura  mit  derselben  bedeutnng,  das  an- 
dere ist  aus  dem  d.  schlafbank  gebildet;  es  versteht  sich  von  selbst,  dafs 
das  eine  wort  zur  lautomformung  des  anderen  mitwirkte. 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  289 

c  wird  vor  b  zu  dz:  zydzbret  =  sitzbrett;  zg  =  äg 
=  cg  =  cg:  kruzganek  =  kreutzgang.  s  vor  g,  d,  n,  b 
=  z:  glazgal  =  glasgalle,  sp'izglas  =  spiefsglas,  lezda 
(consumtionsaccise)  =  leisten,  uznacht  =*=  hausknecht, 
rajzbret  =  reisbrett;  ä  vor  b  zu  z:  fiSb'in  =  fischbein, 
zalzbant  =  *zalSbant  =  halsband.  p  vor  1  und  w  zu  b: 
blank  =  planken,  obwach  neben  odwach  =  *opwach  = 
hauptwache. 

b.  Anähnlicbung  des  folgenden  consonanten  an  den 
vorhergehenden:  n  wird  nach  g  zu  d  in  gdyrac  = 
gnurren, 

c.  Blofs  graphisch  ist  das  zusammenfliefsen  mehrerer 
im  deutschen  getrennten  consonanten  in  einen  polnischen: 
f  =  rs,  rech:  kolpef  =  kaulbarsch;  c  =  ts:  lice  =  leit- 
seil, wacek  =  watsack,  chuncfot  =  *chuntsfot  =  hundsfott, 
lancut  =  *lantsut  =  landshut,  lanckorona  =  *lantskorona 
=  landskrone,  golclar  =  goldschläger  (aus  der  ndd.  form 
des  Wortes);  c  =  tä  (tsch):  paca=  *patäa  =  patsche;  c  = 
tS  (tsch) :  ponöocha  (strumpf)  =?=  pontäocha  =  bundscbuh, 
wanöos  (parietis  contabulatio)  =  wandschofs,  lancaft  neben 
lantäaft  und  lanäaft  =  landschaft,  felcer  =  feldscheer,  ku- 
caba  neben  koc'uba  =  kothschaufel ,  orcyk  =  ortscheit 
(an  dem  wagen),  pryca  =  pritsche,  berlac  =  bärlatsche. 

Gegenseitige  anähnlichung  der  laute  aneinander  findet 
in  bramrot  für  *bravnrot  =  braunroth  und  in  moidier== 
*morzef  =  *morzjef  =  mörser  statt. 

II.     Lauteinschiebung. 

1.  Consonanteneinschiebung.  Ein  consonant 
kann  eingeschoben  werden:  a)  im  anlaute  a)  vor  einem 
vocale,  ß)  vor  einem  consonanten;  b)  im  inlaute  a)  zwi- 
schen vocalen,  ß)  zwischen  einem  vocale  und  einem  conso- 
nanten, y)  zwischen  einem  consonanten  und  einem  vocale, 
£)  zwischen  zusammentreffenden  consonanten;  c)im  auslaute 
nach  consonanten. 

a)  Ein  consonant  wird  im  anlaute  vorgeschlagen: 

Beitrüge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  3.  19 


290  Malinowski 

a)  vor  vocalen:  ch:  chalun  neben  alun  =  alaun, 
chanälak  neben  anälak  =  anschlag,  chanyz  neben  anyz  = 
anis,  cbartful  =  erdpfal,  cherst  neben  erat  (räuberf obrer) 
=  erste;  j  in  jacbtel  neben  achtel,,  antalek  =  achtel,  jal- 
muzna  ahd.  alamuosan  (almosen),  jastrych  neben  astrych 
=  estrich,  jinderak  =  unterrok;  w  in  w^borek  =  mhd. 
eimber,  ahd.  einbar  (eimer). 

ß)  Vor  consonanten:  g  vor  1,  n,  m:  glot  (die  ladung 
des  kleinen  feuergewehrs)  =  loth,  gnarowad  (sieh  nähren, 
von  etwas  leben,  sich  den  unterhalt  verschaffen)  =  näh- 
ren, gmyrad  (mit  händen  in  etwas  herumrühren)  =  mäh- 
ren*); k  vor  f:  kfandzylber  =  feinsilber  im  ausdrucke: 
wynosi  fsystko  z  domu  na  kfandzylber  =  er  schleppt  alles 
aus  dem  hause,  um  es  in  feinsilber  zu  wechseln  (von  einem 
löderlichen  manne);  s  vor  t  in  strukcaSy  =  truchsefs. 

b)  Im  inlaute  eingeschoben: 

a)  zwischen  vocalen.     w  in  öawun  =  zäun. 

ß)  zwischen  vocalen  und  consonanten:  n  resp.  m  vor 
ät,  str,  pn:  rynstunek  =  rüstung,  p'el^gnowad  =  p'elen- 
gnowac  =  pflegen,  stembnofka  ==  *stempnofka  =  step- 
naht: r  vor  c  =  tsch:  kurcaba  neben  kucaba  und  koduba 
=  kothschaufel,  d  vor  1  in  jedlca  neben  jelca  =  ahd.  he^a 
(griff  am  Schwerte). 

y)*  Einschiebung  eines  consonanten  zwischen  consonan- 
ten und  vocalen. 

Hierher  gehört  vor  allem  die  weitgreifende,  und  allen 
slawischen  sprachen,  besonders  aber  dem  polnischen  eigen- 
thömliche  Wirkung  des  eingeschobenen  j.  Nach  einem  laut- 
gesetze  des  polnischen  können  gutt.  k,  g  vor  e,  y  nicht 
ausgesprochen  werden  und  gehen  in  k,  g  =  kj,  gj  (etwa 
wie  deutsches  k,  g  in  kind,  gilde)  über.  Diesem  lautge- 
setze  folgen  natürlich  auch  die  lehn  Wörter.  Beispiele:  ke- 
runek  =  *kjerunek  (richtung),  kerowad  =  kjerowac'  (rich- 
ten) =  kehren,  kerat  =  kehrrad,  kerca  =  kerze,  kelich 
=  ahd.  ehelich  (kelch),  Kernowe  sukno  =  kerntuch,  kelria 


*)  Dies  g  ist  wohl  das  deutsche  ge-.  —  J.  S. 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  291 

—  kelle,  Kichlaf  =  *kjychlaf  =  küchler,  w'ellfcf  (plebi- 
scitum)  =  willkühr,  fuket  =  fuchtel,  pekeflejä  =  pökel- 
fleisch,  olkel  =  hohlkehle  (archit.),  Kestfank  =  kirsch- 
trank, nikel  =  nicke],  alkef  =  erker,  cyrkel  =  zirkel, 
cuker  =  zucker,  faket  =  fackel,  zankel  =  senkel.  g  = 
gj:  vor  e  gemza  =  gemse,  gertruda  =  gertrud,  gemajn 
=>  gemein,  gerada  =  geräth  (das  haus-  und  kastenge-* 
räth,  das  die  frau  dem  manne  mitbringt),  gefyna  =  ge- 
rumpel,  war^elt  =  wehrgeld,  tryngjelt  =  trinkgeld,  bryf- 
treger  =  briefträger,  blaj^el  =  bleigelb,  fälbelt  =  pfal- 
geld,  lagjer  =  lager,  pr$gef  =  pranger,  ty£el  =  tiegel, 
swa£er  =  seh  wager,  magel  =  mangel,  cherweget  neben 
chergewet  =  heergewette,  j urgelt  =  jahrgeld,  zagei  = 
segel  u.  aa.,  chj  wird  zu  ä  in  loktuäa  =  *loktucbja  = 
lakentuch. 

f  =  rj  vor  a,  u,  y,  o,  e:  kestfank,  "kestfank  =  kirsch- 
trank, rumple  neben  gefyna  =  gerumpel,  fotkef  =  ret- 
tich,    fem' eii  =  riemen,  s.  oben  s.  281. 

t  wird  vor  e  zu  c  =  ts  =  tj  erweicht:  rycef  = 
*rytsef  =  rytjef  =  ritter,  snycef  =  Schnitter  (Steinmetz), 
vor  a  zu  6  =  ts  =  tsj  in  pachdaf  =  pächter,  gichlaf 
=  gichter.  Der  Übergang  des  dent.  s  in  ling.  S,  z  ist  auch 
der  Wirkung  des  eingeschobenen  j  zuzuschreiben :  wie  äabla 
a=  *8jabla  =  säbel,  zolnef  =  *zjolnef  =  *sjolhef  =  Söld- 
ner —  mehrere  beispiele  sind  oben  beim  ä,  z  angegeben. 
j  wird  weiter  zwischen  n  und  e,  manchmal  auch  a  einge- 
schoben: kusnef  =  *kusnjef  =  kürschner,  tanec  =  tanz, 
äanec  =  schanze,  zolnef  =  Söldner,  kolnef  =  kotier, 
kasarna  =  kaserne,  waltorna  =  waldhorn,  kuchna  =  ahd. 
kuchina,    p'en^dz  =  pfenning. 

p  =  pj  =  p'  vor  e  in  p'epf  =  *pepf  =  pfeffer,  pa- 
p'ez  (papst)  =  ahd.  bäbes,  p'eri^dz  =  pfenning,  p'el$gnowaö 
=  pflegen. 

b'  =  bj  vor  a,  i  und  e:  grab'a  =  graf,  kob'alka  = 
kobel,   b'iskup  =  ahd.  piscouf,  drab'ina  =  treppe,  färb' er 

—  färber,    b'efmowad  =  firmen,   b'ernat  =  bernhard« 

19* 


292  Malinowaki 

f  =  f j  =  f  vor  a,  e:  of  ara  (opfer)  ahd.  opfar  (lat. 
offero),  £lif  er  =  Schleifer. 

W  =  wj:  gWe&ny  =  gewifs,  w'ardunek  =  ferding, 
vierdung,  gleWja  =  mhd.  glöve,  glsevin  (frz.  glaive)  lanze, 
spieis. 

m'  =  mj  vor  s,  i,  e:  m'arkowal  (erwägen)  =  *mjar- 
kowad  =  merken,  m'iSorka  =  visier  (am  helme),  m'elcaf 
=  melzer,  m'elcuch  =  malzhaus,  m'eler  =  meiler,  m'elötyn 
=  mehlstein  (eine  bürg  im  Krakauischen),  stum'ec  = 
Steinmetz. 

Nach  Johannes  Schmidt's  ansieht  ist  die  Verbindung 
k£  in  den  worten  ks$dz,  k£$£e,  ks^zka  aus  kj  entstanden: 
ahd.  kuning  erscheint  im  altbulgarischen  in  der  form  ku- 
n$zl,  altöech.  knäz,  im  polnischen  sollte  es  lautgemäfs 
,  *kn$z,  kn^dz  heifsen;  nachdem  aber  das  n  zwischen  k 
und  e  geschwunden,  tritt  j  ein  (*kj$dz),  welches  sich 
in  6  verwandelt:  gen.  k&$dza  zu  nom.  ks^dz.  Diese  erklä- 
rung  wird  durch  den  Übergang  des  j  in  s  nach  t  in  rycef 
*rytsef  =*  rytjef,  ritter,  in  z\  nach  d  in  dz^kowad  =  dan- 
ken bestätigt.  —  Eine  andere  differenzierung  dieses  j  in  1 
nach  gutt.  ch,  k  vor  a,  e  fiudet  man  in  den  worten: 
wachlaf  =  *wachjaf  =  fächer,  warchlak  =  *warchjak  = 
barch  porcus  castratus,  sp  ichlef  =  sp'ichjer  und  sp'ikler  = 
Speicher  neben  sp'ichf,  sp'ikf,  ämuklef  =  *ämukjer  (neben 
smukaf)  =  schmucker;  nach  z:  trenzle  =  #trenzje  =  trense, 
gruzta  =  *gruzja  =  drfise.  r  wird  nach  t,  p  vor  y,  u  ein- 
geschoben :  trynkowal  neben  tynkowac  =  tünchen,  rostru- 
ohaf = rofstäuscher  (od.  rofstrüger?),  äprycha—-  radspeiche. 

f  naoh  t  in  listfa  =  leiste,  vielleicht  nach  der  analo- 
gie  des  poln.  suff.  tfa  (twa)  wie:  ryb'itfa,  Mytfa,  pletfa  etc. 

d)  Einschiebung  eines  consonanten  zwischen  zusam- 
mentreffende consonanten.  j  wird  in  die  mitte,  zwischen  n 
und  t,  n-6  eingeschoben,  und  fliefst  mit  vorhergehendem 
n  in  n  zusammen:  rantuch  =  *ranjtuch  =  randtuch,  wan- 
tuch  =  *wanjtuch  =  wandtueb,  poncocha  =  ponjöocha 
(strumpf) = bundschuh,  wanöos = *wanjöos  =  wandschofs  *). 

*)  In  letzteren    beiden  beispielen  ist  wohl  n  nur  durch  das  folgende  c 
jaUtaluiert.      J.  S. 


\ 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  293 

d  wird  zwischen  nr  und  nz  eingeschoben:  chendryk 
neben  chenryk  =  heinrich,  pendzel  neben  penzel  =?  pin- 
sel  (lat.  pennicilla).  Die  formen  ksondz  (priester),  p'enondz 
(geld),  mosondz  (messing)  sind  aus  den  grundformen  *k&onz 
(*ksenz)  =  ksengj  =  altbulg.  kün$zi,  poln.  collect,  k£$2a 
=  ks$zja,  moäenz  =  *moäengj  (cf.  moä$2ny)  =  messing, 
p'enenz  =  *p'enengj  (cf.  p'eii^iny)  pfenning  durch  die  ein- 
schiebung  eines  d  zwischen  n  und  z  entstanden. 

t  wird  zwischen  s  und  r  eingeschoben:  stragan  = 
*8ragan  =  schrägen  neben  saragi. 

b  wird  zwischen  1  und  r  und  m  und  r  eingeschoben: 
gen.  combra  zu  nom.  comber  =  ziemer,  cembra,  cembryna 
=  *cemra  (brunnenkasten)  =  zimmerung,  olbrot  =  *olrot 
=  wallratb. 

c)  Im  auslaute  wird  j  angefügt:  nach  r,  mit  welchem 
es  zu  f  =  r-}-j  wird:  alker  =  *alkerj  =  erker,  meh- 
rere beispiele  wurden  schon  angegeben;  nach  s,  mit  wel- 
chem es  bald  zu  s,  bald  zu  i  wird:  ratuä  =  ratu8-hj  = 
ratbhaus,  pap'ez(a)  (papst)  =  ahd.  bäbes,  jarmu£(u)  (grün- 
kohl)  =  jahrmufs;  nach  st,  mit  welchem  es  zu  öö  =  stj 
wird  in  proboäc  =  *probostj  =  probst  (praepositus); 
nach  n:  wajSp'en  =  weifsspänne;  nach  p  in  gnyp'  = 
*gnyp  4- j  =  kneif  frz.  canif,  gap'  —  gap  +  j  =  gaffe. 

2.  Hilfsvocal.  Zwischen  zusammentreffende  con- 
sonanten  werden  folgende  hilfsvocale  eingeschoben:  a:  äa- 
ragi  (neben  stragan)  =  *£ragi  =  schrägen,  faramuäka  ss 
*farmu£ka  ~  warmmufs,  äalamaja  =  *äalmaja  =  schallmeie, 
ataman  neben  chetman  =  hauptmann; 

u:  armuämal  =  *armämal  =  *arim£mal  =  eier  im 
schmalz,    larum  =  *larm  =  lärm. 

e:  blofarek  neben  bulwark  =  bollwerk,  korek=kork, 
ratunek  =  rettung,  gzinek  =  gesenk,  und  mehrere  andere 
auf  nek  —  ng.  —  fasalec  =  fafsbolz,  stosulec  =.  stoisholz, 
ämalec  =  schmalz,  äanec  »  schanze,  tanec  =  tanz,  p'el$- 
gnowac  =  *pl$gnowarf  =  pflegen. 

o  im  worte  lanckorona  (eine  Stadt)  =  landskrone,  un- 
ter dem  einflufs  des  lat.  Corona. 


/ 


294  Malinowski 

III.  Schwand. 
Gutturale  k,  g,  ch  (h):  k  schwindet  im  inlaute:  s  für 
ks:  sas  =  *saks  =  Sachse  ndd.  Sasse,  b' in  das  =  *b'in- 
daks  =  b'indaxt  (queraxt),  ä  för  ks:  Auspurk  =  *Aukäpurk 
=  Augsburg,  warStat  =  Werkstatt;  skn  wird  zn:  uznacht 
=  hausknecht;  okg  zu  ng  tryngelt  =  trinkgeld,  ngkr  zu 
ngr  ryngraf  =  ringkragen.  Im  auslaute:  laber  =  laub- 
werk;  g  schwindet:  im  anlaute  aus  der  Verbindung  gr: 
fumple  neben  £eryna  ==  *gf umple  =  gerümpel  cf.  cech.  f ecky 
=  gfeck^  =  graecus;  im  inlaute:  zwischen  vocalen,  wel- 
che dann  zusammengezogen  werden:  äynal  =  *Synall  = 
*öynagel  =  schiennagel,  bretnal  =  brettnagel,  ufnal  = 
hufhage),  cf  intnal  =  zwintnagel,  fornal  =  vornagel  (hacken 
am  deichsei),  rydwan  =  reitwagen,  golclar  =  goldschlä- 
ger.  Vor  consonanten  schwindet  g  in  slaban  =  *älagban 
=  scblagbaum.  Aus  der  mitte  der  Verbindung:  landraf 
=  landgraf,  jintermach  =  *jintergmach  =  hintergemach, 
burm'istr  =  *burgna'istf  =  burgmeister  (auch  deutsch  bur- 
meister,  besonders  als  nom.  pr.  erhalten),  ch  und  h  schwin- 
den im  anlaute  vor  vocalene  antaba  =  handhabe,  antry- 
char  neben  veraltetem  chandrychaf  (berggehülfe)  =  hand- 
reicher, autwerk  =  handwerk,  uznacht  =  hausknecht, 
odwach  =  hauptwache,  olKel  =  bohlkehle,  olstro  =  holf- 
ter,  ochm'istf  =  hofmeister  (hauslehrer),  ufnal,  ofnal  neben 
chufhal  =  hufnagel,  olander  neben  cholender  =  holländer, 
otdowad  neben  üblicherem  chotdowa6  =  huldigen,  uf, 
ufec  neben  chuf'ec  =  häufe,  abdank  (wappen)  =  habe 
dank,  aftowad  neben  chaftowal  =  heften',  alstuk  neben 
chalätuk  =  balstuch,  antfas  neben  konwas  =  handfafs. 
Im  inlaute  zwischen  vocalen  und  consonanten:  dyäel  (deich- 
sei) =  ahd.  dihsila,  mhd.  dihsel;  aus  der  mitte  der  con- 
sonantenverbindung:  fajdad  (cacare)  =  *fajchda<5  =  feuch- 
ten, durslak  und  druälak  =  durchschlag,  Kermaä  =  kirch- 
messe; zwischen  consonanten  und  vocalen :  cykauz  =  Zeug- 
haus, frysowad  =  frischbof  (?),  f  iäolc  =  fiscbbolz,  firanka 
=  Vorhang,  forak  =  vorhacken,  kutlof  =  kuttelhof, 
waltorna  =  waldhorn,  rajtuzy  =•  reithosen,  ratuä  =  rath- 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  295 

haus,  zamtuz  =  sammthaus  (Pschandbaus),  antaba  ==  hand- 
habe, stosulec  =  stofsholz,  lunaf  =  lohnherr,  lamus  = 
lehmhaus,  äturcnak  =  sturmhaken. 

j  schwindet  im  inlaute  zwischen  vocalen:  in  armusmal 
=  *ajerimämalc  =  eier  im  schmalz;  aus  den  Verbindun- 
gen: speflik  =  speilfleck,  trepchauz  =  treibhaus*);  unter 
dem  einflufs  des  in  der  zweiten  silbe  sich  befindenden  j: 
felajza  =  feileisen,  strechajza  =  streicheisen,  blejwas  ~ 
bleiweifs. 

Linguale:  r.  Da  die  polnische  spräche  überhaupt 
keine  doppellaute  leiden  kann,  so  geht  die  Verbindung  rr 
in  r  ober:  jinderak  —  Unterrock,  kerat  =  kehrrad,  gdyrad 
=  gnurren,  fory£,  forytaf  =  vorreiter  u.  aa.  Der  Schwund 
des  r  wird  weiter  nicht  nur  durch  den  zusammenstofs  mit 
anderen  consonanten,  sondern  auch  durch  anwesenheit  eines 
zweiten,  obwohl  getrennten  r  in  demselben  worte  bewirkt; 
inlautend:  bachm'istf  =  bergmeister  (in  Welicka),  Linde 
leitet  das  wort  unrichtig  aus  dem  d.  pachtmeister  her, 
wekf'ir  =  werkffihrer,  ku&ner  =  kürschner,  suäfal  neben 
äustfal  sss  schurzfell,  asleder  (hinterleder)  =  arschleder, 
Kestrank  =  kirschtrank,  maserowad  =  marschieren,  obla- 
dra  =  oberleder,  foder,  federunek,  federowac  (ausgaben 
für  die  bergfabrik  leisten)  =  fordern  neben  forytowad  (pro- 
tegieren), wo  das  zweite  r  schwindet,  und  foidrowad,  wo 
es  sich  in  J  dissimiliert.  Kfaterunek,  kfaterowad  =  ein- 
quartierung,  zembraty  =  zimmerbretter,  b'ernat  =  bern- 
hard,  bernadyn  =  bernhardinermönch,  burätöfka  =  bors- 
dorfer  apfel,  rem'iza  =  rohrmeise,  volksthümlich  jarmak 
neben  jarmark  =  Jahrmarkt.  1  =  11:  bukätele  =  bogen- 
stelle,  obstalowad  =  bestellen,  chalef  ==  heller,  talef  = 
teller,  kuglaka  =  kugellack  u.  aa.  1  schwindet  vor  k: 
blozbak  =  blasebalg,  vor  st:  astyn  =  halsstein,  aus  der 
Verbindung  lfl:  peKeflejä  =  pökelfleisch,  Speflik  =  speil- 
fleck  (beim  schuster). 


*)  Richtiger  ist  wohl,  dafs,  mit  ausnähme  des  ganz  unkenntlich  gewor- 
denen armusmal ,  diese  worte  wie  die  meisten  lehnworte  aus  dem  nieder- 
deutschen entnommen  sind,  den  diphthong  also  nie  gehabt  haben.      J.  S. 


296  Malinow8ki 

Dentale:  t  s»  tt:  witeruuek  =  Witterung,  gatunek 
{art)  =  gattung,  chuta  =  hütte,  ratowad  =  retten  u.  aa. 

t,  rcsp.  d,  schwindet  im  inlaute  vor  dentalen  (t,  s,  s): 
botucb  äs»  badetuch,  wantueb  =  wandtueh,  rantuch  = 
randtuch,  bosak  * )  =  bootshaken,  lansaft  =  landschaft, 
konäachty  (geheimes  verständnifs  mit  jemand)  =  kund- 
schafte wanäos  (neben  wancos)  =  wandschofs,  rajäula  = 
reitschule,  orstam  =  ortstamm,  olstyn  =  altstein  (bürg), 
raunätuk  und  mastuk,  muätuk  =  nmndstfick,  morspr$gi 
as  mordsprung;  vor  andern  consonanten:  fusberta  (helle- 
barde)  =  faustbart,  obwach  (russ.  obwacht)  neben  odwach 
=  hauptwacht,  konwas  =  bandfafs,  chanwark  (handpumpe) 
=  bandwerk,  sylwach  =  schildwache,  krochmal  ==  kraft- 
mehl,  wachmistf  =  Wachtmeister,  pocm'istf  =  postmeister, 
äylkret  =  Schildkröte;  nach  consonanten:  fukel  =  fucbtel. 
Im  auslaute:  jarmark  =  Jahrmarkt,  frymark  =  freimarkt, 
b'indas  (queraxt)  =  bindaxt.  c  schwindet  im  inlaute:  slo- 
cha<5  =  *slochca<5  =  schluchzen;  im  auslaute:  armusmal 
=  *armusmalc  =  eier  im  schmalz. 

8  s=  ss:  slösaf  =  Schlosser,  obertas  =  obertasse;  s 
schwindet  aus  der  Verbindung  ss  in  mastab  =  mafsstab. 

n  =  nn :'  öynal  =  schiennagel,  wyzonowad  (austrock- 
nen) =  aussonnen;  doch  in  folgenden  Wörtern  ist  doppel- 
tes n  bewahrt :  brytfanna  =  bratpfanne,  wanna  =  wanne, 
in  lenno  =  leben  ist  es  erst  polnisch  verdoppelt;  n  schwin- 
det im  inlaute  vor  consonanten :  brokoli  =  braunkohl,  ma- 
gel  =  mangel,  jartyk  =  Jährling,  olawa  (anlaufeisen  im 
bergwerk)  =  anlauf,  mustuk  neben  munstuk  =  round- 
stück,  braustyn  neben  bronätyn  =  braunstein,  gryspan 
neben  grynäpan  =  grftnspan. 

In  formen  wie  brastyn  neben  bronätyn,  brauätyn  ss 
braunstein,  mastuk  =  mustuk  und  munätuk  ss  mundstück, 
kaöt  neben  kunät  =  kunst  geht  n  mit  dem  vorhergehen- 


*)  Hier  wie  in  mehreren  anderen  fällen  wirkte  noch  eine  andere  Ur- 
sache auf  die  lautumformung,  nämlich  Volksetymologie:  dem  Sprachgefühle 
des  Volkes  schwebte  bei  diesem  worte  die  Vorstellung  der  wz.  bos,  lit.  bau 
(bar)  vor. 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  297 

den  vocale  in  einen  nasalvocal  zusammen.  Aus  der  mitte 
von  consonanten Verbindungen  schwindet  n :  bodloch  =  bo- 
denloch, klabrynek  =  klabenring  (bergwerk),  bukstele  = 
bogenstelle,  wajstyn  =  Weinstein,  burstyn  =  bernstein, 
rapötyn  =  rabenstein  (eine  bürg),  capätfyk  =  Zapfenstreich, 
toktusa  =  lakentuch,  lentfal  =  lendenfell. 

Nach  consonanten  schwindet  n:  in  klecha  =  glöck- 
ner,  rachunek  =  rechnung,  kosary  =  kaserne,  ordynek, 
ordunek  =  Ordnung,  hitabla  =  nietnagel,  ramodel  = 
raumnadel  (bergwerk). 

Labiale.  Deutsches  pp  wird  durch  einfaches  p  wie- 
dergegeben: op'ich  =  eppich,  dupelb  ir  =  doppelter,  gnap 
=  knappe  u.  aa.  —  p  schwindet  zwischen  consonanten: 
chetman  =  hauptmann,  od  wach  neben  ob  wach  =  haupt- 
wache; b  schwindet  im  worte  Karmasyk  =  kerbmesser  im 
auslaute.  Auch  deutsches  ff  erscheint  im  polnischen  nur 
als  f:  safowad  =  schaffen,  trafid  =  treffen,  kartofel  = 
kartoffel,  syfunt  =  schiffunt  (?);  w  schwindet  im  anlaute 
vor  o:  olbrot  =  wallrath  (spermaceti),  oselbar  =  wasser- 
bär;  nach  b:  laber  neben  labwerk  =  laubwerk  (architekt. 
Ornament), 

Deutsches  mm  erscheint  als  m:  chamowad  =  hem- 
men, ärama  =  schramme,  froncymer  =  frauenzimmer  u.  aa. ; 
vor  w  ist  es  geschwunden  in:  bawelna  =  *bamwelna  = 
baumwolle.  Manchmal  schwinden  ganze  consonantenver- 
bindungen  und  silben,  wie:  mustuk  =  mundstück,  stamca 
=  stum'ec  =  Steinmetz,  falendyä  (holländisches  tuch)  = 
feinholländisch,  lajtuch  =  leichentuch,  malbork  =  *mar- 
bork  =  marienburg,     fajerka  =  feuerkike. 


IV.     Umstellung. 

1 .  Zusammenstofsende  consonanten  werden  umgestellt : 
sk,  sk  für  ks:  wosk  schon  abulg.=  wachs  (wohl  urverwandt), 
puäka  a=  *puksa  =  ahd.  puchsa  (büchse);  tf,  rf  für  ft,  fr; 
tratfa  =  trafte,  gerfajter  neben  gefrajter  =  gefreiter;    rk 


298  Malinowski 

för  kr:  öperka  =  *äpekra  =s  speckgriefe;  stf  fttr  rst:  kur- 
f  istf  neben  kurf  irst  =  kurfürst,  nach  der  analogie  des 
Wortes  in  istf  =  meister. 

2.  Durch  einen  vocal  getrennte  consonanten  werden 
gegeneinander  verwechselt:  kuglaf  für  *guklarg  =  gaukler, 
cherweget  =  für  und  neben  chergewet  =  heergewette, 
glon  =~*gnol  =  *knol  =  knollen,  kneplowad  für  *klepno- 
wad  =  klöppeln;  opcas  für  *opsac  =  absatz. 

3.  Der  consonant  wird  mit  dem  benachbarten  vocale 
oder  mit  einer  ganzen  silbe  umgestellt,  und  dadurch  ein 
unbequemer  zusammen stofs  von  consonanten  vermieden: 
ro  für  or  in  brok  für  und  neben  borg,  borgowal  =  borgen; 
ra  für  ar:  grajcar  =a  *krajcar  sbb  *karkcar  =  korkzieher; 
ru  für  ur:  druslak  neben  durälak  =  durchschlag,  lo  für 
ol  =  blofarek  neben  bulwark  =  bollwerk,  plajtaze  für 
platajze  =  plätteisen,  jinflanty  =  *jilflanty  sbb  *liflanty  = 
Lievland. 

V.     Dissimilation. 

1.  Dissimilation  durch  Übergang  in  ein  anderes  sprach- 
organ.  Wechsel  zwischen  den  dem  organe  nach  gleichen 
consonanten. 

Von  zwei  gutturalen  geht  der  erste  oder  der  zweite 
in  einen  labial  über:  kafel  neben  kachel  =  kachel,  ryn- 
graf  =  #ryngrak(g)  =  ringkragen,  tfarög  =  *kfarog  « 
*kfark  =  quarkkäse  (hier  ist  wohl  auch  die  assimilierende 
kraft  des  labialen  f  anzuerkennen). 

Linguale:  von  r — r  geht  das  zweite  in  g  über:  ce- 
regele  =  *cererele  =  #cerereje  =  Zierereien.  Der  dop- 
pellaut  11  wird  zu  In :  kelna  =  kelle,  kölner  =  koller.  Von 
zwei  getrennten  1  geht  eins  in  n  über:  jinflanty  =  *jil- 
flanty  =  *liflanty  =  lievland,  kalisan,  kalteäan  =  kalte 
schale.  Ling.  s  vor  r  geht  in  palat.  4  über  in  sruba  = 
sruba  =  schraube,  sröt  =  *srot  =  schrot. 

Dentale.  Der  doppellaut  tt  geht  in  cht  über  in 
älichtada  =  *älittada  =  schlittenfahrt,  trucht  =  der  trott 
(ital.  trotto,  der  trab). 


zur  lautlehre  der  lehnwörter  in  der  poln.  spräche.  299 

d  vor  t  geht  in  w  Über:  wytrycb  =  dietrich. 

s  vor  t  geht  in  ling.  ä  über:  kasta  =  kästen,  maSt 
=  mast,  laät  =  last,  grust  =  gerüst,  klastor  =  kloster, 
kunät  ass  kunst,  rynätunek  =  rüstung,  alätuk  =  halstuch. 

Der  doppellaut  nn  geht  in  nw  über:  panwa  =  *panna 
=  pfanne,  rynwa  neben  rynna  =  rinne;  n— n  in  m —  n: 
m'inög  =  *ninog  ==  ahd.  niunouga  =  neunauge;  dent.  z 
vor  n  geht  in  ling.  z  über  in  jahnuzna  =  ahd.  alamuosan 
(almosen).  In  auätuk  für  *auscug  =  auszug  differenzieren 
sich  beide  laute. 

Labiale.  Das  zweite  f  wandelt  sich  in  k  in  fajka 
=  *fajfa  sb  pfeife.  Das  auslautende  m  wandelt  sich  un- 
ter dem  einflufs  des  vorhergehenden  lab.  b  (p)  in  n :  slaban 
s=  *slabam  =  schlagbaum,  bukspan  =  buchsbaum,  folbun 
=  füllbaum. 

Zwei  dem  organe  nach  nicht  gleiche  consonanten  dif- 
ferenzieren sich. 

Gutturale.  Gutt.  g  vor  ling.  1  geht  in  lab.  b  über: 
nitabla  =  hitagla  =  nietnagel. 

Palatal  es  j  nach  gutt.  k  geht  in  palatal.  &  über  in 
ksondz  (ksadz)  =  *kjondz  =  *knadz  =  ahd.  kuning  (man 
vergl.  oben). 

Dentale:  t  vor  w  (f)  geht  in  k  über:  lakfaf  =  *lat- 
waf  sss  latwerge,  vor  1  in  ch:  gpachla  =  *&patla  =  äpa- 
thel  (bei  den  malern);  d  vor  r  geht  in  g  über:  gruzla  = 
*druzla  =  drüse,  grypa  =  *drypa  =  dreifufs;  8,  z  vor 
lab.  p,  b  gehen  in  ling.  ä  resp.  i  über:  raäpla  =  *raspla 
=  raspel,  bukspan  =  buchsbaum,  zalzbant  =  halsband. 

Labiale:  f  vor  dent.  t  geht  in  ch:  konsachty  (gehei- 
mes verständnifs  mit  jemandem)  =  kundschafte,  kruchta  = 
ahd.  cruft,  mhd.  kruft,  nbd.  gruft,  lat.  crypta,  gr.  xqwityi, 
kluchta  s=  *klufta  =  kluft,  locht,  lucht  neben  luft  =  luft, 
krochmal  =  kraftmehl  *),  ochmistf  =  bofmeister,  stochmal 
s=e  staubmebl. 


*)  Der  wandel   yon  ft  in  cht  ist  nicht  erst  polnisch,   obige  worte  sind 
vielmehr  aus  dem  niederdeutschen  entlehnt.     J.  S. 


300  Malinowski 

2.  Dissimilation  durch  Veränderung  der  Stellung  der 
organe. 

a)  Wechsel  zwischen  r  und  1.  Von  zwei  in  einem 
worte  sich  befindenden  r  wird  das  erste  zu  1:  alKef  = 
*arkef  cech.  arkif  =  erker,  falb' er  =  farber,  balw'äf  = 
barbier,  mulaf  neben  muraf  =  maurer,  oselbar  =  wasser- 
bär,  malbork  =  inarienburg,  folwark  =  vorwerk,  äalwark 
neben  sarwark  =  scbaarwerk,  folar,  fulaf  =  führer  (berg- 
werk),  foldrowac,  foidrunek,  foldrunek,  foldrowac  neben 
fedrowad  (ausgaben  för  bergwerk  leisten)  =  fordern,  fol- 
wertaf  =  vorwärter  (im  bergw.),  olbora  =  urbar  (berg- 
zehnte,  dtme  des  mines),  sulaf  =  schurer  neben  veraltetem 
sorar,  Soraf  (bergw.),  ludw'isaf  =  *rudw'isaf  =  rothgiefser; 
das  zweite  r  geht  in  1  über  in  rudel  =  rüder. 

b)  Wechsel  zwischen  stummen  und  tönenden  conso- 
nanten.  Aus  zwei  tönenden  wird  einer  stumm:  klecha  = 
glöckner,  kolpef  =  kaulbars.  Aus  zwei  stummen  wird 
einer  tönend:  wachlaf  =  *fachlaf  =  facher,  wachla  = 
*fachla  =  fackel. 

St.  Petersburg,  im  februar  1869. 

Lucian  Malinowski. 


Zur  Volksetymologie. 

Wenn  das  bewufstsein  der  ursprünglichen  inneren  be- 
deutung  der  wurzel  eines  wortes  beim  volke  verloren  ge- 
gangen ist,  oder,  wie  bei  der  entlehnung,  gar  nicht  vor- 
handen gewesen,  so  geräth  das  Sprachgefühl  auf  irrwege, 
stellt  das  unverständliche  wort  mit  einem  andern  zusam- 
men und  macht  es  diesem  phonetisch  ähnlich.  Diese  kraft, 
zwei  Wörter,  die  etymologisch  unverwandt  sind  und  we- 
sentlich miteinander  nichts  zu  thun  haben,  zu  verknüpfen 
und  zu  assimiliren,  hat  man  Volksetymologie  genannt.  Es 
können  die  berührungspunkte  für  diese  anähnlichung  in 
zwei  richtungen  vorhanden  sein :  entweder  ist  das  gegebene 


zur  Volksetymologie.  301 

wort  mehr  zufällig  einem  andern  der  lautform  nach  ähn- 
lich, oder  man  will  neben  der  phonetischen  ähnlichkeit 
auch  eine  Verwandtschaft  zwischen  den  funktionen  beider 
worte  fühlen. 

Ich  führe  hier  in  alphabetischer  reihenfolge  einige  bei- 
spiele  polnischer,  meistenteils  entlehnter  Wörter  an,  die 
unter  der  Wirkung  der  Volksetymologie  eine  lautliche  Um- 
gestaltung erlitten  haben. 

a)  Fälle,  wo  nur  der  phonetische  faktor  wirkt. 

bosak  aus  dem  d.  bootsbaken  in  derselben  bedeutung 
ist  mit  einem  wurzelhaften  poln.  worte  bosak  im  aus- 
drucke „na  bosaka"  (barfufs)  von  wz.  bos-,  lit.  bas-,  mit 
dem  suff.  -ak-  identisch  geworden,  ohne  dafs  irgend  ein 
innerer  Zusammenhang  vorhanden  ist. 

chfast  ist  aus  dem  d.  quaste  (beim  degen)  mit  der- 
selben bedeutung  entlehnt,  der  lautform  nach  ist  es  mit 
dem  echt  polnischen  worte  (chwast,  unkraut)  identisch  ge- 
worden, welches  letztere  gewifs  nichts  mit  dem  degen  zu 
thun  hat. 

Der  bildung  des  wortes  grajcar  aus  korkzieher  lag 
das  ganz  verschiedene,  ebenso  entlehnte  wort  grajcar  aus 
kreuzer  zu  gründe. 

Das  wort  jener al  (general  in  der  armee)  heifst  beim 
volke  nicht  selten  jednoral,  in  welcher  gestalt  es  an  das 
zahlwort  jeden  (ein)  anklingt. 

kaltesal,  kalteäan  (kalte  schale)  ist  in  den  östli- 
chen provinzen  allgemein  unter  der  form  kaliäan  bekannt, 
ist  also  lautlich  mit  dem  kalisan,  kaliäanin  (einwohner 
der  Stadt  Kaliä)  identificirt,  ohne  damit  irgend  einen  inne- 
ren Zusammenhang  zu  haben. 

kazm'irek  (gewebe)  aus  kaschmir  hat  sich  dem  di- 
minutiven kazmirek  zu  kazim'er  (eigenname)  angeähnlicht. 

pocta  im  altpolnischen  bedeutete  hochachtung  von 
einer  slaw.  wurzel  cit-  (öesd  =  *cet-<5  ehre,  cech.  ucta, 
ru88.  po-Öit-ati  ehren),  die  jetzige  spräche  aber  braucht 
es  in  dieser  bedeutung  nicht  mehr  und  hat  seine  lautform 


302  Malinowski 

einem  lehnwort  pocta  für  und  neben  poäta,  posta 
(post  ital.  posta)  verlieben. 

Aus  „stearynowa  sf'6ca  (Stearinlicht)  macht  man 
manchmal  das  Wortspiel  „stara  i  nowa  sfeca"  (das  alte 
und  neue  licht). 

slaban  ist  aus  dem  d.  schlagbaum  mit  derselben  be- 
deutung  gebildet;  es  lag  der  lautumformung  eines  ganz 
verschiedenen  wortes  slaban  aus  dem  d.  schlaf bank  in 
derselben  bedeutung  zu  gründe. 

Tys^cnik  ist  eine  wörtliche  Übersetzung  des  deut- 
schen „tausendgüldenkraut"  (tysqc  =  tausend),  das  wie- 
der einer  falschen  Übersetzung  des  lat.  centaureum,  gr« 
xevravQSiov  sein  dasein  verdankt. 

Das  wort  wacek  aus  dem  d.  watsack  mit  derselben 
bedeutung  erinnert  an  das  diminut.  wacek  vom  vornamea 
poln.  cech.  Waclaw,  altbulg.  Ve^teslavü  (vergl.  dazu 
diminut.  jasek  eigentlich  =  Hans  zu  jan  =  Johann  in 
der  bedeutung  ohrkifschen,  und  dimin.  j  ad  w'iska  Hedwig- 
chen zu  jadw'iga  Hedwig,  in  der  bedeutung  nadelkissen). 

WelKef  (plebiscitum,  Stadtsatzung)  ist  aus  dem  d. 
willkühr  entlehnt,  phonetisch  aber  hat  es  sich  dem  poln. 
w'eläi  (grofs)  genähert;  w'elKef  nennt  man  auch  eine  art 
von  riesenhanf. 

Das  wort  jeometra  (geometer)  hat  das  volk  in  om§- 
tra,  m$tra,  m$ter,  und  am  ende  in  wn§ter  verwan- 
delt; das  wort  wn^ter  bedeutet  aber  im  polnischen  auch 
einen  hengst  (cum  uno  testiculo). 

zb'er,  zb'ir  (henkersknecht),  aus  ital.  sbirro,  ähn- 
licht  sich  dem  poln.  zb'ärad  (sammeln)  an. 

Die  zouaven  während  des  letzten  aufstandes  in  Polen 
wurden  von  dem  volke  zulawcycy  genannt,  und  dadurch 
mit  Zulawöyk,  dem  ein  wohner  des  Weichselniederlandes 
(zulawy)  in  Altpreufsen  identificirt. 

b)   Das    gefühl    der    funktionsverwandschaft    als 
faktor  der  phonetischen  anähnlichung. 

Bednar  (böttcher)    aus    dem    d.  büttner  wird  beim 


zur  Volksetymologie.  303 

volke  in  der  gegend  von  Warschau,  Btone,  Cersk  allge- 
mein in  "der  form  bembnaf,  bembnarcyk  gebraucht  mit 
einer  anähnlichung  an  das  wort  bemben  (trommel), 
bembnid  (trommeln),  da  der  böttcher  in  seiner  arbeit 
einen  trommelschläger  nachahmt. 

Bruk  neben  burk,  bork,  borgowac  (borgen)  im 
ausdrucke  „w  m'esde  na  bruku  osadl"  (er  hat  sich  in 
der  stadt  niedergesetzt,  um  vom  borgen  zu  leben)  von 
einem  bankerotten  landwirthe.  Hier  hat  man  zwei  Wörter, 
borg  (borgen)  und  bruk  (pflaster),  verwechselt,  und  im 
obigen  ausdrucke  heifst  es:  „er  hat  sich  auf  dem  pflaster 
niedergesetzt".  Vergl.  den  analogen  ausdruck:  osadl  na 
koäu  „er  hat  sich  auf  dem  korbe  niedergesetzt"  von  einem, 
der  eine  stelle  verloren  hat. 

Burstöfka  (borsdorfer  apfel),  aus  dem  dorfe  Bors- 
dorf bei  Leipzig,  ähnlicht  sich  dem  worte  burstyn  (bern- 
stein)  lautlich  an,  und  wird  als  bernsteinapfel ,  d.  h.  gelb 
wie  bernstein,  gefühlt. 

Das  wort  jinspekta  stammt  zweifelsohne  aus  dem 
d.  mistbet,  da  es  dieselbe  bedeutung  hat,  und  von  den  pol- 
nischen gärtnern  in  Schlesien,  die  den  deutschen  einflössen 
näher  stehen,  in  der  form  m'ispety  gebraucht  wird;  nun 
wurde  es  aber  in  dieser  letzten  form  unverständlich  und 
man  glaubte  es  von  dem  lat.  inspectus  herleiten  zu  dürfen, 
wozu  auch  die  analogie  der  bedeutung,  da  die  mistbete 
einer  sorgfaltigen  pflege  bedürfen,  beigetragen  haben  mag. 
Hier  sieht  man  klar,  wie  sich  zwei  fremde  einflösse  be- 
gegnen können. 

Lotka  (neben  loftka)  aus  dem  d.  lothkugel  wird  als 
von  wurzel  let  (lerfed,  fliegen),  lot  (flug)  gebildet  gefühlt. 

Lubcyk  (luböyk)  und  lubäcyk  (ein  zu  liebestränken 
gebrauchtes  kraut)  aus  dem  ahd.  lubesteca,  mbd.  lübesteche, 
lat.  ligusticum,  lubisticum,  ist  unter  dem  einflufs  der  slaw, 
wz.  lub   (lieben)  lubid,  altbulg.  l'ubiti,  gebildet. 

Mary  (todtenbahre)  aus  dem  deutsch,  bahre,  neuslov. 
pare,  ist  zu  der  slaw.  würz,  mr  (mreti  poln.  mred  ster- 
ben, &m'er<5  tod,  mar-}  gestorben)  in  beziehung  gesetzt. 


304  Malinowski 

M'arkowa<5  (erwägen,  nachdenken)  aus  dem  d.  mer- 
ken entlehnt,  wird  aber  zugleich  mit  m'arka  (kleines 
maafs)  von  m'ara,  altbulg.  mera(maafs)  zusammengestellt, 
als  ob  bei  dem  denkprozefs  ein  messen  stattfände. 

M^klej  ist  aus  dem  d.  mundleim  entlehnt,  doch  wird 
es  als  aus  m§ka  (mehl)  und  klej  (leim)  zusammengesetzt 
gefühlt. 

Dem  worte  m'encaf,  m'encarstfo  (wechsler,  wech- 
selgeschäft)  liegt  das  d.  münze  zu  gründe,  es  wird  aber 
dabei  an  m'enad  (wechseln)  gedacht;  cf.  neuslov.  menus 
kl.  rus8.  myneä  (rofstäuscher)  vom  magyarischen  men 
(equus  admissarius)  (Mikl.  fremdwörter). 

Das  wort  netopef  (fledermaus)  von  Mikl.  mit  recht 
aus  dem  griech.  vvxTonzeQog  abgeleitet,  hat  noch  folgende 
volksthümliche  nebenformen:  nedopef,  nedop'ef,  la- 
topyf  und  latomyä,  die  sich  auf  verschiedene  Volksety- 
mologien stützen.  Die  formen  nedopef  und  nedop'6? 
werden  von  dem  adj.  nedop'efony  (nicht  ganz  mit  fe- 
dern bedeckt)  (p'oro  feder,  collect,  p'efe  =  p'erije  ge- 
fieder)  abgeleitet;  den  formen  latopyf,  latomyä  liegt 
das  d.  fledermaus  (flattern)  und  russ.  letucaja  myä  zu 
gründe. 

pölch  ak,  aus  doppelhaken  hat  sich  nach  dem  Schwunde 
der  anlautenden  silbe  do  an  pol,  polowa  (halb)  angenä- 
hert und  wird  als  halbhaken  gefühlt. 

In  dem  glaubensbekenntnisse  heifst  es:  um$con  pod 
poncRim  p'ilatem  (gelitten  unter  Pontio  Pilato);  dem 
volke  aber  wurde  das  wort  ponckim  unverständlich,  und 
es  hat,  einer  gewissen  analogie  folgend,  das  wort  in  paii- 
sRim  verändert,  demnach  heifst  es:  um^öon  pod  pan- 
skim  p'ilatem  (gelitten  unter  dem  Pilatus  des  herrn). 

Das  wort  rozgfeöyd  für  rozfeSyd  ( sündenablafs 
geben),  russ.  razrSSit'  stammt  von  resiti  (entscheiden), 
wird  aber  wegen  der  phonetischen  einschiebung  eines  g 
mit  dem  w.  gfech,  russ.  gräch  (sünde)  zusammengestellt, 
und  als  denominativum  von  diesem  worte  hergeleitet. 

Skfer  (engl,  square)  eine  öffentliche  gartenanlage  in 


zur  Volksetymologie.  305 

Warschau  hat  das  volk  ironisch  skfar  (hitze)  wegen  schat- 
tenlosigkeit  des  gartens  benannt. 

Sfdziwy  (ältlich),  mit  dem  russ.  södoj,  secTivyj 
(grau)  verwandt,  wird  nicht  mehr  der  ursprünglichen  be- 
deutung  nach  gefühlt,  und  nun  mit  s$dza  (richter)  zu- 
sammengestellt und  von  diesem  worte  abgeleitet. 

Das  wort  samojed  stammt  aus  samojedischen  sä- 
mejets,  same  (Sumpfboden)  und  jets  (einwohner),  wird 
aber  von  den  slawischen  Worten  sam  (selbst)  und  jed-, 
jad-  (essen)  abgeleitet  und  von  allen  Slawen  als  anthro- 
pophagos  oder  lieber  autophagos  gefohlt. 

Sm^tar  neben  cmentaf  (kirchhof),  aus  gr.-lat.  coe- 
meterium,  wird  in  erster  form  mit  dem  worte  sm§tek 
(trübsinn),  sm$tny  (trübe)  neben  smutek,  smutny  zu- 
sammengestellt und  als  räum  der  trübseligkeit  gefohlt. 

ustarcyc  (verstärken),  aus  dem  d.  stärken  entnom- 
men, erinnert  an  das  poln.  star6y<5  (hinreichen). 

wym'oty  (das  erbrechen)  neben  wom'ity  ist  aus  dem 
lat.  vomita  entlehnt,  seiner  lautform  aber  nach  bei  der 
mitwirkung  der  analogie  der  function  mit  dem  wurzelhaf- 
ten wym'ot  (wy-  aus,  und  slav.  würze!  met  werfen,  poln. 
m'e£<5,  wy-miat-a-<5  ausfegen)  identisch  geworden. 

zwy<5$zy<5,  zwj6qica  (sieger)  altbulg.  vit$zT  ist 
aus  dem  deutschen  witing  abzuleiten  (s.  Miklosich  fremd- 
Wörter),  das  Sprachgefühl  findet  hier  aber  Verwandt- 
schaft mit  der  slawischen  wurzel  t?g,  t$g,  poln.  t§gi 
(tüchtig),  cQ&ki  (schwer)  —  etwa  z-wy-<5$£ytf  über- 
wiegen. 

S.  Petersburg,  im  märz  1869. 

Lucian  Malinowski. 


Beitrüge  *.  vgl.  spracbf.  VI.  8.  20 


306  ?ott 


Bosnisch-türkische  Sprachdenkmäler,  gewimmelt,  gesichtet  und  herausgege- 
ben von  dr.  Otto  Blau,  norddeutschem  conanl  in  Bosnien  n.  s.  w. 
Leipzig  1868.    316  ss.   8. 

Dies  im  fönften  bände  der  abhandlangen  für  die  künde 
des  morgenlandes  durch  die  deutsche  morgenländische  ge- 
sellschaft  veröffentlichte  werk  scheint  ganz  aniserhalb  der 
f&r  die  beitrage  gezogenen  grenzen  zu  liegen.  Dem  ist 
aber  in  Wirklichkeit  nicht  so.  Was  doch  aber,  wird  man 
fragen,  geht  den  Indogermanisten  das  an,  wovon  in  abtb.  I 
Uskufl's  Potur  äahydijje  nach  drei  serajevoer  hand- 
schriften;  in  II.  türk.-bosnische  gespräche,  sprfiche,  lieder 
nebst  einem  droguenverzeicbnifs  ans  türkischen  handschrif- 
ten;  endlich  in  IIL  Abdusselam,  d.  i.  türkisch-bosnische 
glossarien,  auch  wieder  nach  serajevoer  handschriften,  die 
rede  ist?  Man  halte  sich  indeis  einmal  lebhaft  vor  äugen 
das  ungeheure  völkergewirr  an  beiden  ufern  des  Ister, 
oder  die  zum  theil  aus  ureingesessenen  bestehende,  allein 
andererseits  erst  unter  wilden  kämpfen  dort  eingewanderte 
und  zusammengeströmte  colluvies  gentium;  und  man  wird 
begreifen!  welch  eine  schwere  arbeit  dem  sprachvergleicher 
obliegt,  um  allmälig  in  dem  sprachendunkel  der  länder  an 
der  untcora  Donau  licht  zu  schaffen  und  jeder  zunge  ge- 
recht zu  werden  nach  dem  ihr  gebührenden  antheil.  Da 
haben  wir  also  zuerst  die  Bomäer  oder  Neugriechen  mit 
ihren  altvordern,  den  alten  Hellenen,  welcher  edle  name 
ach  im  mittelalter  hat  gefallen  lassen  müssen,  zur  bezeich- 
nung  von  „heiden"  herabzusinken.  Ksl.  jelin  (j  in  sla- 
vischer  weise  vorgeschoben  und  i  itakistisch)  r/£kXtjv9  pa- 
ganus.  Mikl.  lex.  p.  1156.  Dann  die  Walachen,  welche 
mit  besserem  gründe,  d.  h.  nicht  blofs  wie  die  Romäer 
politisch  des  oströmischen  reiches  (im  Orient  Rum)  hal- 
ber, sondern  mit  volklicher  berech tigung  sich  Römer  (Ru- 
mänen) heifsen,  weil  sie  ja  aus  römischen  militär-colo- 
nieen  ihren  Ursprung  nahmen  und  ein  wirklich  romani- 
sches idiom  reden.  Weiter  die  Schkipetaren,  Alba- 
nesen  (bei   den  Türken  Arnauten  geheifsen)  mit  einem 


anzeigen.  307 

eigentümlichen,  jedoch  au  das  indogermanische  anstrei* 
fenden  idiom;  —  nach  allem  zu  schliefsen  nachkommen 
eines  alten  bar barenstammes ,  der  Illyrier,  welche  viel* 
leicht  schon  vor  den  Griechen  die  griechische  halbinsel 
bewohnten,  aber  durch  letztere  zurückgedrängt  sein  moch- 
ten. Ich  schweige  von  den  Deutschen  (zumal  den  Sach- 
sen Siebenbürgens);  von  den  Zigeunern,  welche  dem 
norden  Vorderindiens  entstammen;  von  den  aus  dem  Wol- 
gagebiete eingedrungenen  Magyaren  finnischen  Stam- 
mes* Auch  gehe  ich  nicht  weiter  ins  mittelalter  und  bis 
5jum  alterthum  mit  seinen  Daken  oder  Geten;  Pannoniern; 
Kelten  und  dergl.  zurück.  Es  bleiben  noch  zwei  stamme 
übrig,  auf  deren  betrachtung  es  uns  gegenwärtig  allein 
ankommt.  Die  osmanischen  Türken*),  welche  vor  400 
jähren  den  alten  byzantin.  kaiserthron  umstiefsen  und  den 
herrscherstab  der  Paläologen  in  ihre  hand  nahmen.  Und 
zweitens  von  dem  in  ungeheuerster  ausdehnung  von  Eu- 
ropa nach  Asien  hinein  sich  erstreckenden  Slawenstamme, 
die,  wohl  niemand  weifs  mit  Sicherheit  zu  sagen  seit  wann, 
in  den  einzelnen  gegenden  ansässigen  Südslawen.  Wer 
einen  begriff  bekommen  will  von  dem  bunten  durcheinan- 
der von  volkern  unter  osmanischer  hoheit  und  in  den  an- 
grenzenden gebieten:  der  mufs  eine  ethnographische  karte 
jener  gegenden  zur  hand  nehmen,  und  empfehle  ich  ihm 
biezu,  aufser  P.  J.  Safafik,  Slovansk^  Narodopis  (eth- 
nogr.)  s  mappou  3.  aufl.  1849,  die  karte  in  folio,  desglei- 
chen The  languages  of  the  Seat  of  war  in  the  East.  By 
Max  Müller.  See.  ed.  with  an  ethnograpbical  map,  drawn 
by  Augustus  Petermann  1855  (die  erste  etwas  flüchtige 
ausgäbe  1854  ist  von  mir  angezeigt  d.  morgenl.  zeitsebr. 
IX,  275  —  281).  Sodann  aber,  wen  sich  von  den  Slawen 
eingehender  zu  unterrichten  gelüstet,  sei  es  in  sprachlicher 


*)  Erwähnt  bei  dieser  gelegenheit  mag  werden,  dafc  der  dichter  Pe~ 
trarka  (also  schon  im  13.  jahrh.)  ein  im  handele  in  teresse  verfafstes  ku- 
manisches  wörterverzeichnifs  besafs,  welches,  von  J.  Klaproth  in  seinen 
Mem.  relatifs  a  l'Asie  T.  III  veröffentlicht,  klaiüch  zeigt,  dafs  die  Rumänen 
ein  türkisches  idiom  sprachen. 

20* 


308  Pott 

und  volkskundlicher  hinsieht  oder  im  faehe  der  geschiebte, 
der  alterthumskunde  und  literatur,  wie  könnte  der  des  na- 
mens Schaffarik  vergessen?  Ich  gedenke  aber  jetzt  we- 
niger seiner  schon  vor  40  jähren  erschienenen,  allein  mit 
recht  durch  seinen  söhn,  wenn  auch  leider  in  unveränder- 
tem abdruck  Prag  1869  erneuerten  „geschiente  der  slawi- 
schen spräche  und  literatur  nach  allen  mundarten",  als 
vielmehr  des  noch  von  dem  grofsen  Slawisten  selbst  aus- 
führlich bearbeiteten  und  1864 — 1865  von  Jirecek  her- 
ausgegebenen theiles,  welcher  die  südslawischen  dia- 
lekte  (leider  mit  ausnähme  des  alt-  und  neubulgarischen, 
das  weiter  nach  osten  zu  hause  ist)  umfafst. 

So  viel  zum  verständnifs  des  folgenden  vorausgeschickt, 
dürfen  wir  nunmehr  an  unser  buch  selbst  näher  herantre- 
ten. Der  hauptsächlich  in  den  orientalischen  sprachen  viel- 
bewanderte verf.  desselben  verhehlt  zwar  nicht  (s.  14),  wie 
„es  ihm  näher  liege,  über  die  leistungen  der  Bosniaken 
in  türkischem  schriftthum,  welche  zum  theil  in  den  Ur- 
sprüngen auf  mehr  als  drittehalb  Jahrhunderte  zurückge- 
hen, rechenschaft  zu  geben,  zumal  über  diesen  zweig  un- 
serer Wissenschaft  noch  so  gut  wie  nichts  geschrieben  ist". 
Allein  es  wird  von  ihm  dabei  nicht  im  geringsten  ver- 
kannt, dafs,  wie  in  fast  allen  unteren  Donauländern  das 
slawische  Sprachelement  mit  in  frage  kommt,  so  auch 
nicht  blofs  dasjenige  türkische ,  welches  in  Bosnien  von 
den  gebildeteren  gesprochen  wird,  sondern  auch  das  Os- 
manli  überhaupt  vielfach  von  Wörtern  slawischen  Ursprungs 
durchsetzt  ist  und  wiederum  umgekehrt  bei  den  Slawen 
des  Südens,  welche  in  ihren  westlichen  zweigen  mit  mehr 
oder  minder  bedeutender  abweichung  sich  an  das  eigent- 
liche serbische  anlegen,  eine  menge  den  Türken  abge- 
borgten sprachgutes  in  allgemeinerem  gebrauch  ist.  „Die 
serbischen  und  illyrischen  Wörterbücher,  namentlich  das 
Vocabolario  illirico-italiano  von  Parcid  (Zara  1858),  ept- 
halten  hunderte  von  Vokabeln,  die  theils  von  den  heraus- 
geben) schon  als  fremdwörter  mit  einem  asterisk  bezeich- 
net sind,    theils  als  rein   slawische  betrachtet  werden,   in 


anzeigen.  309 

Wahrheit  aber  türkischen  Ursprunges  sind".     Von  8.  10 
ab  findet  sich  bei  Blau  ein  reiches  verzeichnifs  von  mili- 
tärischen   ausdrücken,     ferner     von    solchen    aus    dem 
rechtsleben,  benennungen  von  handelsgegenständen 
und  ausdrücke  aus  dem  geschäftsverkehr,  namen  von 
handwerksgerätb   und  technische  bezeichnungen,  — 
welche    unter    den   Slawen  des   Südens    üblich   geworden. 
Ein  ähnliches  verzeichnifs  s.  6  enthält  slawische  Wörter, 
welche  ins  türkische   eingedrungen.     Z.  b   türk.  potyra, 
eine  art  landsturm,    aus  slaw.  potera,    potjera  Verfol- 
gung.   Beiläufig:  warum  verschmäht  hr.  Blau  anführungen 
aus  dem  ältesten  Slawenidiome,   dem  kirchenslawischen, 
z.  b.  nach  Miklosich's  Lex.  Palaeslovenico-Graeco- La- 
tinum?  Z.  b.  hat  dieser  p.  647  potjera  insecutio  u.  s.  w. 
Offenbar  wäre  damit   z.  b.   am  eindringlichsten  widerlegt, 
wenn  Bianchi  und  Zenker  derlei  allgemeiner  slawische  wor- 
ter als  im  besondern  „polnische"  bezeichnen.    Z.  b.  visnia, 
name  der  Weichselkirsche  (bei  Voltiggi  ill.  viscnja  —  ital. 
visciola   und   marasca,    weil  sauer,    ohne  zweifei,   wie 
frutto  amaro  herbe  frucht)  geht  hoch  nach  Lithauen  hin- 
auf, wo  sie  wyszna  heifst.    S.  mich  Lassen  zeitschr.  VII, 
108  und  Mikl.  slaw.  elem.  s.  17.  Auch  der  wermut  pelin, 
ill.  pelin,    poln.  piotun,    lith.  plur.  pelißos,    unstreitig 
von  der  fahlen  mausefarbe  (lith.  pele  maus). 

Slawen  machen,  wie  bekannt,  im  reiche  des  Sultans 
eine  so  grofse  ziffer  aus,  dafs  die  zahl  der  eigentlichen 
Osmanli's  daneben  verschwindet.  Was  aber  im  besonde- 
ren Bosnien  anbetrifft:  so  wird  s.  13  bemerkt;  es  „zähle 
in  den  grenzen  des  heutigen  Vilajets  auf  1,300000  einw.  bei- 
läufig 500000  Mohammedaner,  welche  fast  ohne  ausnähme 
slawischer  race  sind  und  als  muttersprache  das  bos- 
nische reden,  vom  türkischen  sich  jedoch  so  viel  ange- 
eignet haben,  um  sich  Türken  nennen  zu  dürfen.  Nur  in 
der  wenig  zahlreichen  türkischen  beamtenweit,  unter  einem 
theile  der  muhammedanischen  geistlichkeit  und  in  den  von 
ihr  abhängigen  schulen  wird  überwiegend  türkisch  gespro- 
chen.  Die  übrigen  800000  seelen  sind  zur  gröfseren  hälfte, 


810  Pott 

über  fünf  achtel,  der  orthodoxen,  hier  sogenannten  serbi- 
schen kirche  zugethan,  zur  kleineren  dem  röm.»kathol.  re~ 
ligionsbekenntnifs.  Die  ersteren  haben  in  ihrer  literatur 
und  schulen  das  cyrillische  aiphabet  angenommen,  die  Ka- 
tholiken das  kroatische,  lateinische.  Für  beide  ist  durch- 
gängig die  slawische  die  gewöhnliche  Umgangssprache, 
vom  türkischen  verstehen  sie  nur  das  zum  verkehr  mit 
beamten  u.  s.  w.  nothdürftig  ausreichende".  Bei  solcherlei 
Stellung  der  beiden  in  Bosnien  üblichen  idiome,  wo  jedes 
von  ihnen  sich  beständig  am  anderen  reiben  mufs,  ist  nun 
erklärlich,  wie  sich  allmälig  zwischen  ihnen  gesetze  von 
Veränderungen  in  laut  und  Schreibung,  selbst  gram- 
matischer art  durchgearbeitet  haben,  deren  kundnahme 
für  den  Sprachforscher  von  nicht  geringerem  interesse  .ist, 
als  für  den  culturhistoriker  die  erzeugnisse  bosnischer  na- 
tionalliterattir  es  sein  möchten,  welche  ein  bild  von  dem 
gegenseitigen  Verhältnisse  beider  sprachen  in  diesem  lande 
zurückwerfen.  Nun  erhalten  wir  von  dem  jgelehrten  verf. 
einen  überblick  über  die  wesentlichsten  eigenthümlichkei- 
ten  der  lautlehre  derjenigen  gruppe  der  literatur,  deren 
denkmäler  durch  ihn  in  seiner  Sammlung  kennen  zu  lernen 
wir  so  glücklich  sind.  Es  habe  ihn  aber,  erklärt  er,  bei 
der  Veröffentlichung  das  doppelte  interesse  geleitet,  wel- 
ches dieselben  sowohl  für  die  slawische  als  für  die  türki- 
sche philologie  haben.  Aufser  dem  wissenschaftlichen  zwecke 
aber,  der  ihm  freilich  die  hauptsacbe  gewesen,  spricht  er 
zugleich  die  hofihung  aus,  „dafs  seine  arbeit  dazu  beitra- 
gen werde,  auch  das  praktische  interesse  an  beiden  spra- 
chen gerade  in  den  ländern  mehr  zu  wecken,  denen  die 
kenntnifs  beider  zur  nächsten  nothwendigkeit  geworden  ist 
und  noch  werden  wird". 

Man  wird  sich  entsinnen,  wie  seiner  zeit  der  berühmte 
„  fragmentist "  (Fallmerayer)  den  heutigen  Griechen  alles 
rein  hellenische  blut  absprechen  und  sie  dafür  zu  abkömm- 
lingenvon  Slawen  machen  wollte.  In  dieser  allgemeinheit 
ausgesprochen  arge  Übertreibung,  allerdings.  Allein  sein 
aufzeigen  von  Ortschaften  mit  unweigerlich  slawischen  na- 


anzeigen.  31 1 

men,  z.  b.  in  der  Peloponnes,  ist  eine  stehen  gebliebene 
thatsache;  und  sogar  die  jetzige  bezeiehnung  der  Pelop*» 
insel  Morea  rührt  gewifs  mit  unendlich  gröfserer  wahr* 
scheinlichkeit  von  ihrer  läge  im  meere  (ksl.  morije  n., 
mare  Mikl.  lex.  p.  381;  bei  Voltiggi  ill.  more,  gen.  ra, 
oder  morje,  ja  n.)  her,  als  von  der  ähnlichkeit,  wie  man 
fabelt,  mit  einem  maulbeerblatte.  (Bosn.  murva  maulbeere 
Blau  s.  223  aus  dem  g riech.)  Trotzdem  dafs  nur  mor"sk' 
öakccTTtog  als  adj.  mir  bekannt  ist;  —  man  denke  doch 
nur  an  Pommern  (land  am  meere,  wie  kelt.  Armorica) 
und  !ArTiX7]y  d.  i.  uferland  aus  axnj  (durch  assimilation)l  — 
Die  slawischen  elemente  im  rumunischen  aber 
sind  in  der  so  betitelten  schrift  des  berühmten  Slawisten 
Miklosich  Wien  1861  nachgewiesen,  wie  durch  Robert 
R Osler  Wien  1865:  „die  griechischen  und  türkischen  be- 
standtheile  im  romanischen a. 

Was  enthält  nun  aber  unser  buch?  Zuerst  das  werk 
von  Uskufl,  d.  h.  dem  aus  Skoplje  oder  Skopje,  einem 
flecken  Oberbosniens  am  Verbas;  und  mufs  dies,  da  es 
dem  sultan  Murad  Chan,  söhn  Ahmed  Chans,  gewidmet 
ist,  der  von  1624—1640  regierte,  auch  in  gedachten  Zeit- 
raum fallen.  Potur  (s.  255  =  türk.  Kojlfi  bauer),  als 
abkürzung  von  po-t  urica,  bezeichnet  einen  zum  Islam 
übergetretenen  Christen  und  will  demnach  der  titel  witzig 
genug  sagen:  der  gleichsam  vertürkte  (zum  türkenthum 
bekehrte)  nach  Schahidi's  methode.  Die  aufgäbe, 
welche  sich  unser  dichter  (denn  er  schreibt  metrisch*)) 
gestellt  hat,  besteht  darin,  den  gemeingebrftuchlichen  Wort- 
schatz der  bosnischen  spräche,  vorwiegend  nomina,  mit 
den  entsprechenden  türkischen  vulgärwörtern  wiederzuge» 


*)  Das  mag  uns  heute  sonderbar  vorkommen.  Aber  eine  von  den  gem- 
men  am  hofe  des  Vikramäditja ,  der  berühmte  Amara  Siha,  verfafote 
ebenfalls  sein  indisches  Wörterbuch  in  versen.  UndThurot,  Extraits  de  di- 
vers Manuscrits  Latins  p.  492  erwähnt  ein  um  1491  veröffentlichtes  werk: 
Spica  quatuor  voluminum  von  Mancinelli,  un  potime  sur  les  dlclinaisons, 
les  genres,  les  pre'terits  et  les  supins,  das  an  die  stelle  des  allm&lig  als  bar- 
barisch verschrieenen  Doctrinale  des  Alexander  Gallus  zu  treten  bestimmt 
war,  welches  gleichfalls  die  schaler  in  versen  unterrichtete. 


319 .  Pott 

ben»  Von  alphabetischer  anordnung  des  materials  kann 
bei  solcher  behandlung  nicht  die  rede  sein.  Es  wird  aber 
in  den  einseinen  abschnitten,  13  der  zahl  nach,  eine  ge- 
wisse gruppirung  nach  den  Sachen  beobachtet:  von  gott 
(a  Jove  prineipium)  nnd  mensch  ab  zum  landschaftlichen 
kalender,  zu  den  dementen  der  natur  und  so  fort  bis  zu 
zahlen  und  allerlei  hinunter.  Da  jedoch  das  türkische  ge- 
gen die  oft  große  bäufung  von  consonanten  in  sla- 
wischen Wörtern,  zumal  im  anlaut,  einen  Widerwillen  hat: 
so  wird  letzterem,  vollends  wenn  das  metrum  Schwierigkei- 
ten macht,  zum  öfteren  namentlich  durch  einschiebung  oder 
vorsohiebung  von  vokalen  nachgeholfen,  um  es  geschmei- 
diger zu  machen.  Freilich  ein  von  Türken  selbst  ange- 
wendetes mittel  von  hülfsvokalen,  wodurch  man  die  slawi- 
schen Wörter  für  den  türkischen  mund  zurichtet  und  ihm 
anpafst. 

Nachdem  nun  Uskuf I  im  1 7.  jahrh.  mit  seinem  Potur 
vorangegangen  war,  empfanden  auch  andere  das  bedürf- 
nifs,  sowohl  fär  den  praktischen  gebrauch  der  Muhamme- 
daner  in  Bosnien,  welche  die  landessprache  nicht  kannten, 
als  auch  für  diejenigen  eingebornen,  welche  das  türkische 
erlernen  wollten,  Vokabularien  anzulegen  mit  abstreifung 
des  poetischen  gewandes  im  Potur.  Solche  original  -glos- 
sarien  türkischer  verff.  sind  es,  welche  in  geordneter  weise 
verschmolzen  in  abth.  III  uns  vorliegen.  Schon  blofs  ein- 
mal in  arabisch -türkischem  kleide  slawische  Wörter  zu  er- 
blicken, gewährt  dem  forscher  ein  ungewöhnliches  inter- 
esse.  Es  hat  denn  aber  der  verf„,  wo  nöthig,  mehrere 
beibehalten,  in  der  regel  aber  transcribirt  und  viele  dunkle 
mit  hülfe  südslawischer  Wörterbücher  oder  auch  durch  er- 
fragung, wie  desgleichen  die  türkischen  aus  eigner  kennt- 
nifs  oder  auch  aus  Wörterbüchern  erläutert.  Dafs  nicht 
alles  auf  den  ersten  wurf  hin  richtig  sein  werde:  liegt  in 
der  natur  der  sache  und  kann  daraus  dem  verf.  kein  Vor- 
wurf gemacht  werden,  um  so  mehr  als  er  sehr  viel  schwie- 
riges ins  reine  gebracht  hat. 

Wenn  ich  nun. im  folgenden  das  eine  oder  das  andere 


anzeigen.  313 

glaube  in  zweifei  ziehen  zu  müssen  oder  auch  wohl  be- 
richtigen und  aufhellen  zu  können:  so  wird  das  meiner- 
seits keiner  entschuldigung  bedürfen.  Z.  b.  will  es  mich 
ein  irrthum  bedünken,  wenn  s.  39  von  einem  „echt  slawi- 
schen grib  (fischnetz)u  gesprochen  wird,  das  als  ygryb, 
also  mit  milderndem  prosth.  vokale,  ins  türkische  gewan- 
dert sei.  Möglich,  dafs  grib  von  einigen  Slawen  gebraucht 
wird.  Ich  kenne  nur  mreza,  netz  s.  224  und  vlak  fisch- 
netz  (vergl.  illyr.  vlacsiti,  ziehen)  s.  195  bei  dem  verf. 
selbst.  Es  ist  aber  unzweifelhaft  griech.  ygicpog,  yqlnog 
(a,uch  noch  im  jetzigen  griechisch  Gott.  gel.  anz.  1869  8.199 
nach  JlQcozodixov  Idiwrixa  rijg  vmtkqag  iXkrjvixijg  yXoia- 
örjg),  woraus  man  in  neuerer  zeit:  logogriph  gemacht  bat. 
Auch  der  mastbaum  ill.  katarka  bei  Voltiggi  entstammt 
dem  griech.  xaxaqxia^  xoctccqtiov  (s.  Passow  und  DC).  Ksl. 
katr'ga  xareq/ov,  navis,  scheint  trotz  Mikl.  lex.  p.  284 
nicht  dasselbe.  Kaligü  neSika  erklärt  sich  doch  sicher 
aus  lat.  caliga,  soldatenstiefel ,  welches  wort  sich  durch 
die  römischen  heere  verbreiten  konnte.  Desgl.  hat  gewifs 
der  Türke  sein  eksi  herbe,  sauer  s.  227  von  den  Griechen 
(o£vg).  Türk.  salanbur  lake,  sauerbrühe,  ital.  salamura 
ist  rückbildung  mit  sal  vofn  aus  ccXfivoog.  Alb.  pcAAi^ea, 
geg.  oeX?uv€.  —  Bosnisch  prekalamit  ist  das  comp,  von 
kalamitti  (ital.  nestare,  annestare,  innestare)  beizen,  nach 
Voltiggi,  d.  h.  bäume  pfropfen.  Siehe  Blau  s.  185.  234, 
aber  nav&rnut  200.  Ich  glaube  darin  xalctfiog  oder  xa- 
Xdflir]  suchen  zu  dürfen.  Alb.  xaXji{i-i,  röhr,  schreibrohr, 
schreibfeder,  rebzweig,  pfropfreis.  —  Der  türkische  name 
Kybty  für  bosnisch  Cigan  Zigeuner  s.  269.  280,  albane- 
sisch  bei  v.'Hahn  wb.  s.  240  jeßjit-i  (hinten  mit  art.),  fem. 
jecp/s-a,  macht  keine  Schwierigkeit.  Es  ist  Aegyptii,  so 
gut  wie  engl.  Gipsies,  span.,  mit  neuem  suffix,  Gita- 
nos,  weil  man  ehemals,  obschon  mit  unrecht,  dies  wan- 
dervolk,  statt  von  Indien  her,  aus  Aegypten  kommen  liefs. 
Wiederum  aber  hat  man  nichts  anderes  in  dem  namen  der 
Kopten  zu  suchen,  welcher  seit  der  herrschaft  der  Ara- 
ber über  Aegypten  datirt.     Vgl.  Faba  Aegyptiaca  Lassen 


314  Pott 

zeit  sehr.  VII,  157.  Qebt',  qibt'  (auch  in  Kybty  ist  har- 
tes Qaf  gemeint),  wofür  die  Aethiopen  Gebtz  sagen,  sind 
Umbildungen  des  alten  namens  im  munde  der  Araber,  und 
auch  das  nur  willkürlich  davon  geschiedene  Qeft*  (mit  f, 
weil  p  im  arabischen  fehlt)  für  die  Stadt  Koptos  scheint 
gleichen  Ursprungs.  S.  Schwartze,  kopt.  gramm.  s.  3.  Sonst 
steht  auch  bei  Blau  s.  214  türk.  Cingan  für  Zigeuner.  — 
Statt  K'afyr  (daher  Raffern  in  Afrika,  und  die  Siahpusch 
in  Kaferistan)  durch  kürzung  bosnisch  Kau r,  gesprochen 
Djaur  Blau  s.  29.  248  för  ungläubiger,  alb.  x<xovqq-i,  ist 
bei  Voltiggi  synonym  mit  kersesenik  ein  Christ  (von 
kerst  taufe),  alb.  3csgt£qs-i.  —  Besonderes  interesse  erregt 
der  name  der  milchstrafse  (poln.  biatomleczna  droga  na  niebie 
eigentlich  milch weifse  strafse  am  himmel)  s.  288  türk.  sa- 
man-ogrusy,  bosn.  slamica,  von  saman,  slamastroh. 
.„Nach  einer  legende,  in  welcher  St.  Petrus  seinen  stroh- 
sack ausgeschüttet  hat,  heifst  die  milchstrafse  in  einigen 
gegenden  Dalmatiens:  St.  Peters  stroh,  Petrova  slama. 
Aehnlich  ist  bei  Fröhlich,  handwtb.  der  ill.  spr.  124:  Ku- 
movska  slama  (eig.  gevatters-stroh)".  Dazu  pafst  denn 
vortrefflich  die  bei  den  Gegen  übliche  bezeichnung  der 
milchstrafse:  xccgts  e  xovfATisQiT  (compatris),  wörtlich  eben- 
falls des  gevatters  stroh.  WB.  v.  Hahn's  s.  43.  Ein  neuer 
willkommener  beleg  zu  Grimm  myth.  I,  331  (ältere  aus- 
gäbe 214).  Sant  iacobes  Strosse  Galaxia  Dief.  Novum 
Gloss.  —  K'önbardak,  lederner  schlauch  s.  255,  stimmt 
gut  zu  bosn.  matara,  bei  Voltiggi  eine  lederne  feldflasche 
(borraccia;  tiasco  di  cuojo).  —  Postal  pantofiel;  vergl. 
postolar  Schuhmacher  bei  Voltiggi.  —  Türk.  Purtlak 
und  bosn.  Vänpir  (daher  unser  Vampyr)  alp,  gespenst 
s.  285.  Leider  auch  für  mich  unbekannten  Ursprungs.  — 
Sagyrcak,  tetrßb.  Der  türkische  name , des  auerhahns 
besagt:  taub,  weil  er  während  des  balzeus  weder  sieht 
noch  hört.  Daher  auch  lith.  kurtinys  ein  tauber,  auch 
ein  auerhahn.  Desgl.  russ.  glychar"  von  glychif  taub. — 
S.  196  Agystos,  der  monat  Augustus  mit  voller  latei- 
nischer  endung  trotz  ital.  Agosto,  aber  mit  a  statt  au, 


anzeigen.  815 

wie  in  diesem  worte  durch  eine  fluth  von  Zeugnissen  bei 
Schuchardt  vok.  II ,  308  belegt  ist.  Der  slawische  name 
kolovoz  bezeichnet  sinnvoll  „wagenfahren"  der  ärnte 
wegen.  Kolovazac,  f  uhrmann.  Volt. 

Eine  ganz  vorzügliche  aufmerksamkeit  hat  hr.  Blau 
der  aufsuchung  von  bosnischen  benennungen  för  pflan- 
zen, verglichen  mit  deren  türkischen  synonymen  (von 
letzteren  findet  sich  ein  verzeicbnifs  in  Davids,  Gramm. 
Türke  p.  139  —  144),  zugewendet  und  mit  deren  botani- 
scher feststellung  sich  beschäftigt.  Auch  will  er  ferner, 
wie  er  mir  schreibt,  in  dieser  richtung  weiter  forschen. 
Nun  trifft  es  sich,  dafs  vor  jähren  auf  erklärung  insbeson- 
dere persischer  und  arabischer  pflanzennamen  sowie 
desgleichen  solcher  aus  dem  lithauisch-slawischen 
sprachkreise  auch  bemühungen  von  mir  gerichtet  waren. 
S.  Über  die  ersteren  in  Lassen's  zeitschr.  f.  d.  künde  des 
morgenl.  V,  57—83  und  VII,  91—167  und  über  die  zwei- 
ten in  meiner:  De  Borusso-Lithuanicae  tarn  in  Slavicis 
quam  Letticis  principatu  Comm.  II.  Hai.  1841  p.  18 — 37. 
Man  wird  um  dieser  berührung  in  den  Studien  wegen  es 
nicht  nur  begreiflich,  sondern,  hoffe  ich,  auch  entschuld- 
bar finden,  wenn  die  folgenden  bemerkungen  sich  gerade 
in  diesem  kreise  bewegen.  Zum  theil  lag  eine  besondere 
aufforderung  darin,  die  beiderseitigen  forscUungen  durch 
einander  zu  ergänzen,  zumal  herrn  Blau  die  meinigen  un- 
bekannt geblieben.  Uebrigens  sage  man  nicht,  der  gegen- 
ständ sei  zu  unbedeutend  und  kleinlich.  Oder  müfste  ich 
an  die  worte  unseres  J.  Grimm  erinnern,  womit  er  das 
„kräuter  und  steine*  überschriebene  37.  kapitel  seiner  my- 
thologie  einleitet?  „Plinius  hat  über  seine  naturgeschichte 
dadurch  eignen  reiz  gebreitet,  dafs  er  auch  die  abergläu- 
bischen meinungen  des  volks  von  thieren  und  pflanzen  um- 
ständlich anzufahren  nicht  verschmäht. a  Und  ferner: 
„viele  kräuter  und  blumen  sind  nach  göttern  benannt a, 
deren  ein  gut  theil  aber  nachmals  bei  der  christianisirung 
sich  mufsten  in  heilige  oder  in  den  teufel  (s.  WWb. 
I,  988)  verwandeln.   So  ward  man  dann  auf  weg  und  steg 


316  Pott 

i 

an  göttliches  erinnert.  S.  aufser  Kubn's  zeitschr.  IV,  172 
z.  b.  Preller  im  index  zu  der  griech.  mythol.  unter:  Sym- 
bol. Vergl.  Lobeck  in  Friedländer's  mitth.  aus  Lobecks 
Briefwechsel  nebst  liter.  anhang  s.  177.  Man  nehme  unter 
den  mit  alua  gebildeten  pflanzenbenennungen  nur  allein 
die  mit  dem  namen  eines  gottes  im  gen.  dazu  beim  DG. 
Nämlich  cclfia  Hdqzwg  (Asarum.  Lilium.  Portulaca);  —  'Hqa- 
xteovg  (Crocus;  item  Centaurium  magnum  et  parvum;  von 
den  Centauren  und  nicht  tausendgüldenkraut  aus  centum 
aureü);  —  !Atfj]väg  (Ajuga,  xafActmiTvg);  —  'Eofiov  (Ver- 
benaca  recta);  —  Kqovov  (Artemisia,  von  der  Artemis), 
und  nach  ägyptischen  göttern:  cclua  Odfuuwvog  (Nepeta 
montana);  —  "£Iqov  (Apium).  Sonst  cupia  av&qamov  (Ar- 
temisia; vgl.  schon  alt  ävdqog-ai^ov^  art  Johanniskraut  mit 
blutröthiichem  saft,  auf  das  blut  Christi  gedeutet  Wöste 
inKuhn' s  zeitschr. IV, 2  23),  ocpO-aK^ov  (Anagallis),  und  räth- 
selhaft  genug  nach  thierarten,  deren  blut  charakteristisch  zu 
unterscheiden  man  doch  kaum  die  mittel  besafs.  Nämlich 
alfjta  ravgoV)  ycclijg,  ciIXqvqov,  ovov^  Ixrivog,  xqoxoSuIov, 
tßecog.  Ferner  atficc  aTtoxa&rjfjtivrjg  (der  abgesondert  und 
müßsig  dasitzenden)  für  Lychnis,  warum?  Und  titccvov  (des 
kalks)  f.  Lactuca  silvestris;  sideritis;  rubus;  nvQetov  (des 
fiebers)  Ricinus;  auch  nodovrog  oder  nodorog  (Scordium) 
zu  änodiöcofit  —  das  eine  so  rätbselhaft  wie  das  andere. 

Dafs  trivialnamen  und  deren  etymologische  aufklärung 
auch  für  die  wissenschaftliche  pflanzenkunde  nicht  ohne 
interesse  seien:  haben  selbst  botaniker  von  fach  anerkannt. 
Siehe  in  Hornschuch's  archiv  skandinavischer  beitrage 
zur  naturgesch.  1845,  th.  I:  über  die  namen  der 
pflanzen.  Von  dr.  Elias  Fries"  (vergl.  A.  L.  Z.  1845 
no.  51  s  405).  Der  verf.  beginnt  mit  einer  etymologie  der 
pflanzennamen ,  welche  jedoch  seiner  meioung  nach  nur 
dann  von  wahrem  nutzen  sein  kann,  wenn  man  sich  an 
die  geschichte  der  namen  hält,  und  hat  denn  auch  zu  einer 
solchen  den  entwurf  gegeben.  Die  ältesten  botaniker  hät- 
ten noch  keine  selbstgeschaffene  namen  den  pflanzen  bei- 
gelegt.    Erst   bei  Dioskorides   sei   eine  anzahl  namen  von 


anzeigen.  317 

diesem  selbst  gebildet  worden.  Die  namen  der  alten  wa- 
ren überhaupt  nur  [?]  adjj.,  zu  denen  man  eich  das  aus- 
gelassene sub8t.  hinzudenken  müfste,  z.  b.  secale,  triticum, 
hordeum  u.  s.  w.,  wo  gramen  oder  frumentum  das  ausge- 
lassene substantivum  gewesen,  und  nänvQog,  xvneigog  u.8.w.) 
wozu  xdlcc/ÄOQ  als  subst.  gehört  [?]."  Namen,  welche  aus 
zwei  Substantiven  gebildet  sind,  kommen  in  den  älte- 
sten griechischen  Schriften  selten  vor,  werden  aber  bei 
Dioskorides  gewöhnlich.  Ein  grofser  theil  der  namen 
war  jedoch  auch  fremden  Ursprungs,  welche  durch  den 
handel  eingeführt  wurden,  aber  man  nationalisirte  sie  nach 
der  eigenen  ausspräche.  Der  gebrauch,  pflanzen  nach  per- 
sonen  zu  nennen,  war  den  alten  unbekannt  [das  nicht 
ganz,  vgl.  Gentiana  nach  dem  illyrischen  könige  Gen- 
tius;  die  afrikanische  Euphorbia  nach  dem  griechischen 
arzte  Euphorbus];  die  mythologischen  namen,  welche 
manche  pflanzen  tragen,  rühren  zum  theil  erst  aus  der 
neueren  zeit  her;  andere  ältere  jedoch,  wie  z.  b.  Narcis- 
8us,  Hyacinthus,  Adonis  [ist  doch  unzweifelhaft  das 
phönikisch-hebr.  wort  für  herr],  sind  als  pflanzennamen  äl- 
ter als  die  mythen.  Erst  im  mittelalter  fing  man  an,  ge- 
wächse  nach  personen  zu  benennen,  aber  nach  heiligen. 
Dies  ungefähr  ist  der  gedankengang  von  hrn.  Fries,  wel- 
chen er  verfolgt,  um  danach  die  Verdienste  hervorzuheben, 
welche  sein  landsmann  Linne  durch  seine  reform  der  bo- 
tanischen nomenclatur  sich  erworben  habe.  —  Um  die 
kenntnifs  der  trivialnamen  verschiedener  länder  zu  würdi- 
gen, bedarf  es  nur  eines  winkes.  Schon  Nemnich  hat 
das  in  seinem,  auch  für  den  Sprachforscher  viel  nützliches 
enthaltenden  Catholicon  begriffen  und  für  seine  zeit  treff- 
liches geleistet.  Allein  andrerseits  gedenken  wir  doch  der 
Wichtigkeit  der  pflanzen  und  ihrer  auffindung  im  offi- 
cio eilen  interesse.  Wie  viele  unter  ihnen,  wenn  auch  zu 
einem  grofsen  theile  aus  den  Pharmakopoen  verschwunden, 
haben  doch  dereinst  in  der  materia  medica  in  achtung  ge- 
standen und  verdanken  oft  der  wirklichen  oder  blofs  ihnen 
zugeschriebenen   heil  kraft  ihre  bezeichnung.     So   finden 


318  Pott 

sich  beim  Du  Cange  eine  grofse  zahl  von  angaben  nach 
arabisch-griechischer  vh]  larQixtj,  welche  von  mir  an  oben 
zuerst  angeführter  stelle  ihre  erklärung  gefunden  haben. 
S.  auch  Langkavel,  botanik  der  späteren  Griechen  vom 
3.  bis  13.  Jahrhundert  1866.  Kuhn's  zeitschr.  XVI,  450.— 
Vgl.  ferner  in  Mem.  -de  la  Soc.  de  linguist.  de  Paris.  T.  I. 
2.  fasc.  p.  15:  La  Soc.  de  linguistique  a  le  projet  de  ras- 
sembler  les  noms  vulgaires  donnes  aux  plantes  dans  les 
diverses  rägions  de  la  France,  afin  d'en  composer  un  glos- 
saire  special,  avec  la  collaboration  de  quelques  botanistes. 
Ein  neuer  beweis  dafür,  wie  man  jetzt  dergleichen  Unter- 
suchungen allgemeiner  zu  würdigen  anfängt. 

Noch  sei  ein  anderer  nicht  unwichtiger  punkt  erwähnt. 
Viele  namen  von  pflanzen  enthalten  in  irgend  einer  weise 
auch  das  ursprungs-attest  letzterer  mit.  Hievon  ein 
paar  beispiele.  Dafs  der  buchweizen  vom  Orient  her  zu 
uns  gekommen :  bezeugt,  aufser  anderen  gründen,  sein  litb. 
name  pl.  grikkai,  d.  h.  griechisch.  Vergl,  welsche 
nufs,  walnufs  WWb.  I,  898.  In  ähnlicher  weise  verräth 
sich  die  gurke  durch  ihren  namen  als  bei  uns  auslän- 
disch und  durch  vermittelung  der  Slawen  zu  uns  gekom- 
men. Schicken  wir  vorauf,  dafs  zufolge  Stender  lett-deut* 
sches  wb.  s.  11?  der  Russe  Kr eews  heifst,  und  Rufeland, 
vorn  mit  gen.  plur,,  Kreewu  semme.  Danach  sagt  der 
Lette  für  gurke  (gurk'is  aus  dem  deutschen)  Kreewu 
ahbols  (der  apfel  der  Russen),  für  kürbis  leels  (grofser) 
Kreewu  ahbols,  wie  lith.  agurkas  (cucumis)  didisis 
(magnus).  Auch  heifst  bei  den  Letten  die  hirsegrütze 
Kreewu  putraimi.  Das  wort  gurke  nun  bat  vorn  einen 
vokal  eingebüfst  (siehe  darüber  Lassen  zeitschr.  VII,  150. 
Comm.  Lith.  II,  26).  So  z.  b.  dänisch  agurk,  wangero- 
gisch  bei  Ehrentraut,  fris.  archiv  I,  359  augürk  f.  Vol- 
tiggi  im  Ricsoslovnik  Illirisckoga  bat  ugorak,  rka  m. 
(cocomero)  mit  deminutivendung,  was  an  ugor  m.,  aal, 
—  etwa  der  schlangenartigen  gestalt  wegen  —  erinnern 
könnte,  falls  man  nicht  an  der  erklärung  aus  ayyovQwv 
(cucumis)  DC.  festhalten  «mufs,   indem  der  nasal  in  den 


anzeigen.  319 

slawischen  formen  sich  verwischen  konnte.  Ital.  anguria 
Wassermelone,  angurie.  Etwa  zig,  bobork-a,  gurke,  mit 
b  für  g?  In  Stulli  Lex.  Lat.-Italico-Illyricum  1801:  Cu- 
cumis: dinja,  ljubenicca,  krastavicca,  ugörka, 
pipun  (izinwv,  pfebe).  Skarlatos  im  neugriech.  wtb.  hat 
ayyovQi  (mit  der,  schon  des  nasals  wegen  zweifelhaften  er- 
klärung  ix  tov  'Hwqov  ko&ieo&cu)  2ixvg,  concombre  (als 
ob  mit  con-  comp.);  ayyovgia.  JStxva,  la  plante  qui  pro- 
duit  les  concombres.  Ksl.  dünja  nenoav  Mikl.  lex.  p.  184, 
melone,  Voltiggi.  Ljubenicca  etwa  von  ljubiti  lieben 
(vgl.  iu  auch  in  goth.  Hubs  lieb),  schätzen,  wie  wal.  lub 
(Cucurbita  citrullus)  Mikl.  slaw.  elem.  im  rum.  s.  28;  allein 
ljubitza  (melissa)  s.  29?  Ebenda  8.26  auch  wal.  kra- 
stavjete,  ill.  bei  Volt,  krastavac  —  melone,  gurke,  aber 
krastavicca  —  borrana,  borragine  —  borrätsch,  salat  in 
Italien;  krastavicca  ceder.  Krastav,  grindig,  krätzig, 
von  krasta  ausschlag,  bei  Blau  s.  296;  bei  Voltiggi 
—  ital.  crosta,  franz.  croüte  —  grind  (etwa,  wenn  s  vor 
t  aus  dentalmuta,  damit  verwandt);  im  fall  etwa  eine 
art  mit  rauher,  höckeriger  Oberfläche.  So  Miklosich  lex. 
p.  309.  Alban.  xqaaraßktq  und  durch  Umstellung  des  q 
xaGTQaßarg.  Aufserdem  TQavyovX  gurke,  was  doch  kaum 
ayyovgia  enthält.  Türk.  hyjar  (Lassen  VII,  153),  bosn. 
krastavac  gurke,  Blau  8.  236.  Derselbe  hat  s.  263  türk. 
karbuz,  karpuz,  bosn.  lubenica  (Mikl,  slaw.  elem.  s.  28. 
ßösler  bestandth.  s.  39)  Wassermelone.  Alb.  xagnova-fy, 
Wassermelone,  auch  v.  Hahn  s.  119  öelxjLv-vi.  Rösler  a, 
a.  o.  8.48  sucht  darin  lat.  Cucurbita  nach  dem  um  die 
redupl.  gebrachte  ahd.  churbiz.  Mir  doch  sehr  fraglich, 
obschon  auch  Vullers  lex.  Pers.  I,  668  so  will.  Ital.  mel- 
lone,  melone,  scheint  ampliativ  von  mela,  also  grofser 
apfel.  Vielleicht  aber,  dafs  man,  um  den  honig  (mele; 
mellifero  oder  melifero  honigreich)  mit  hineinzube- 
kommen, das  1  verdoppelte.  Alb.  xoxofdage-ja,  melone,  aus 
ital.  cocomero  (letzteres  aus  den  obl.  casus  von  cucumis). 
Ferner  türk.,  Blau  s.  265,  kavun,  kaun,  bosn.  dinja, 
diu  melone.  Beide  z.  b.  im  poln.  arbuz,  kawon  Lassen, 
zeitschr.  VII,  151.     Davids  gr.  p.  142,   wo   auch   äghadj 


320  Pott 

qävounl  (baummelone),  citrone.  111.  tikva  (cucuzza,  col- 
loquintida)  kürbifs,  Volt.  Türk.  kabak,  bosn.  tikva  Blau 
8.  260,  ksl.  tfikü  (Cucurbita)  Mikl.  p.  1020.  Slav.  elem. 
p.  50.  Lassen  8.  152.  Bryonia,  die  zaunrübe,  heifst  in 
Stulli  Lex.  tikva  divja,  wilder  kürbifs;  bei  Blau  türk. 
ravend-tavyl,  bosnisch  debela  (dick)  tikva  8.  286. 
Griseb.  Flor.  I,  162.  Aber  8.  285  ravend  Gentiana,  und 
zeravend-tavyl  =  Aristolochia  longa  s.  157,  vgl.  vu- 
cja  jabuka  (wörtlich  wolfapfel)  s.  158.  248,  was  jedoch 
koloquinte  s.  225.  234.  Bei  mir  in  Lassen's  zeitschr. 
IV,  69  gaßavtv  T&vt?  und  vorn  mit  zusatz  (kaum  doch 
zer  gold)  fogaßdvTi  r^ivt]'  to  gkov  ßdgßagov ,  der  aus 
China  kommende  rhabarber.  Prosp.  Alpini  med.  Aeg. 
Acc.  ejusd.  üb.  de  balsamo  et  rhapontico.  Vgl.  Vullers, 
lex.  Pers.  II,  125  zarävand  nom.  plantae  cujusdam,  cujus 
duae  sunt  species.  Optima  est  flava,  crocea.  Aristolochia. 
Davids  gr.  p.  143  hat  zerävendi  t'avll  aristoloche  (lon- 
gue),  aber  zerävendi  mudevver  aristoloche  (ronde). 
Türk.  öop-cin,  jabucica  Chinawurzel  (?)  Blau  8.  214. — 
Hantal  koloquinte  (s.  oben)  no.  115  und  8.234,  vergl. 
auch  Lassen  VII,  153.  —  Türk.  hytme  ciöeKi  =  bosn. 
trandopio  s.  151  no.  5,  vergl.  8.  236,  wo  durch  trudja 
trava  eibisch  (hibiscus)  erklärt.  Vergl.  xat(A1l  ^r  «Ä#fe 
Lassen  VII,  133.  So  schickte  sich  denn  auch  wohl  dazu 
bosn.  trandofilj,  trandovilje  (Alcea  rosea).  Eigent- 
lich ist  es  die  centifolie,  hier  dem  wortverstande  nach  die 
mit  30  blättern.  Lassen  VII,  119,  womit  man  aber  wahr- 
scheinlich einen  vergleich  anstellte,  wie  in  unserem  Stock- 
rose. Wal.  trandafiru,  alban.  nach  Blanchus  dran- 
dofilleia  (rosa)  und  ndrandofiless  (rosaceus),  DC. 
TQiavvdqjvkXoVy  xgavvacpvXkov^  tgiaxovtdcpvXXov.  Auch  bei 
Forskäl  Flora  p.  XXVII  äygia  rgiavScupiXia  (R.  canina). 
Rösler  s.  19.  Unsere  rose  statt  podia,  rosenstrauch,  mit 
Zischlaut  durch  einflufs  des  vokales  auf  3  (vgl.  Sab.  Clau- 
sus statt  Claudius)  aus  goSov  stammt  vermöge  der  altern 
form  ßgoSov  aus  armenisch  vard  u.  8.  w.,  und  mit  dichten 
aus  &gto>&<*>.    K'ul    (aus   dem  pers.  gül),    bosn.  ruiioa 


anzeigen.  321 

(gleichsam  röschen)  s.  256.  —  Als  ein  beispiel  seltsamer 
entstellungen  diene  das  basilikum  (s.  32.  231;  sajmuran 
8.  287;  s.  auch  Lassen  VII,  145).  Alb.  ascpsqyjsp  mit  Um- 
stellung von  (f>  und  <j.  Türk.  fesliRen,  bosn.  bosiok 
(das  zweite  o  vokalisirt  aus  1),  aber  auch  mit  m:  mes- 
lidjen.  Feien  dz misk,  für  melisse  gebalten,  ist  bei  mir 
anders  gedeutet  Lassen  VII,  145  in  (faXavT&fitT  (r  statt 
x?),  oniQfia  ßctc>i?axov.  Es  finden  Vermischungen  beider  krau- 
ter  statt  Lassen  VII,  118,  unstreitig  starken  geruches  bei 
dem  einen  wie  bei  dem  andern  wegen.  BadrendZ- 
bujeh,  vergl.  pehlwi  vädrengboi  melisse  Justi  s.  254. 
Badrenz  melisse  Blau  s.  201.  Nach  bienen  benannt  anm. 
278.  Ahd.  binicrüt  ist  thymus.  Bei  Voltiggi  Mleci,  cih 
(auch  1  statt  n),  ital.  Venetia,  Venedig.  —  Mavez  = 
ital.  bambagia  bäum  wolle;  bei  Blau  s.  282  pambuk, 
bosn.  pamuk.  Rösler,  griech.  und  türk.  bestand th.  s.  32. 
DC.  pambicium  und  s.  Lassen  s.  75.  Wahrscheinlich 
occidentalen  Ursprungs  aus  bombyx  (seiden wurm)  durch 
Übertragung.  —  Mavsipcc'  rd  ta,  falls  nicht  p  aus  verse- 
hen für  fjtn  (ngr.  =  b)  Lassen  123,  Blau  s.  204  benefäe, 
bosn.  ljubica  (oben  melissa)  veilchen.  Etwa  wal.  mik- 
sunea  veilchen  Rösler  s.  41  mit  ks  statt  ^  und  nasal  um- 
gestellt. Baqdunis  Lassen  149.  MaxeSoviöiov ,  Apium 
Macedonicum.  Vergl.  auch  für  Mubammed  ksl.  Bo^mit 
Mikl.  p.  41.  Im  albanesischen  heifst  die  melisse  bäQ  (herba) 
blßts  (apum)  aus  ftehrta. 

Jetzt  noch  einige  andere  pflanzen.  Ganz  besonders 
freut  es  mich  für  den  griechischen  namen  des  waizens 
(8.  Pictet  Origg.  §.61)  eine  weitere  Verbreitung  nachwei- 
sen zu  können.  Also  nvQoq,  auch  im  plur.  bei  Hom.,  was 
man  der  feuergelben  färbe  wegen  glaubt  zu  nvg  bringen  zu 
können.  Allein,  warum  dann  nicht  nvppog,  dessen  zweites  q 
entweder  durch  assimilation,  vielleicht  von  t,  oder  durch 
suffix  -qo  entstanden?  Lett.  puhr  i  winterwaizen.  S.  meine 
Comm.  Lith.11,33.  Bei  Blau  s.  187.  262  türk.  kapludza, 
kaplydza,  bosn.  krupnik  (doch  wohl  zu  ill.  krupan 
dick,  wanstig,    wo  nicht  zu  krupa  graupenhagel;    aber 

Beitrüge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  3.  21 


322  Pott 

pultes,  polenta  Dobr.  Inst.  p.  238)  und  pir,  speit.  Also 
Triticum  spelta.  Ksl.  pfiro  n.  oXvga  (etwa  zu  alür,  mah- 
len WWb.  II,  537?)  far,  allein  auch,  wenn  dies  nicht  auf 
irrthura  beruht,  xey%gog  milium  (Blau  s.  218.  299  törk. 
dary,  taru,  tary,  bosn.  proso  hirse,  mit  entferntem 
anklang  des  slawischen  wortes  an  püro).  .Bosnisch  da- 
gegen pirika  (Triticum  repens,  queckengras)  Blau  note 
233.  237,  wie  botanisch  mit  dem  waizen  verwandt,  so  auch 
von  dessen  namen  hergeleitet.  Im  preufs.  vok.  pure  trespe. 
Wal.  im  lex.  Bud.  piru  (triticum  repens,  gramen  cani- 
num),  ungr.  per  je  queckengras.  Mikl.  slaw.  elem.  s.  41. 
Böhm,  peyrz,  pcyr,  peyrawka  queckengras,  aber  wai- 
zen pssenice,  ksl.  p"äenitza  clrog,  triticum.  Mikl.  lex. 
p.  160,  d.  h.  inehlfrucht,  von  p"seno  äkcfirov,  farina,  das 
ich  von  skr.  pis,  lat.  pinser e  leite.  Vergl.  nnödvt]  ent- 
hülsete  gerste.  Pictet  erklärt  es  falsch  aus  skr.  psäna, 
essen,  da  psä  erst  aus  bhas.  Vom  mahlen  auch  unser 
körn  WWb.  bd*  II,  256  und  kaum,  wie  skr.  gäritra, 
reis,  vom  verschlingen  8.  Pictet  Origg.  p.  260,  sowie  tri- 
ticum vom  ausdreschen  s.  287,  während  franz.  froment 
(specialisirt  aus  fr  um  en  tum,  als  —  zur  nahrung  dienend), 
wie  auch  sl.  zito,  getraide,  als  lebensmittel,  auf  ziti  vi- 
vere,  pasci  zurückgeht.  Mit  dem  räthselhaften  alrog  be- 
steht kein  Zusammenhang.  Ueber  lat.  far,  engl,  barley 
s.  492.  Der  schon  im  gothischen  vorhandene  name  des 
waizens  hvaiteis  m.  Diefenbach  goth.  wb.  II,  599  scheint 
herleitung  aus  skr.  £v£-ta,  weife,  unter  Voraussetzung  einer 
wz.  $vid;  und  würde  also  davon  den  namen  fahren,  dafs 
diese  getraideart  nicht,  wie  andere,  schwarz-,  sondern 
weifsbrot  liefert.  Vgl.  goth.  hveits  weifs.  Lith.  kw€- 
tys  m.  waizenkorn,  plur.  coli,  kwecziei,  lett.  kweeäi 
(cz,  6  durch  einflufs  des  i)  mufs  man  als  den  einst  an  der 
Weichsel  ansässigen  Gothen  abgeborgt  betrachten.  Der 
Lithauer  und  Lette  sind  wegen  mangels  an  aspiraten  in 
ihren  sprachen ,  wie  in  meiner  Comm.  Lith.  I,  1 5  durch 
viele  belege  dargethan  worden,  genöthigt,  slawisches  % 
durch  k  zu  ersetzen.   Und  so  sind  sie  denn  auch  hier  mit 


anzeigen.  323 

dem  b  des  gothischen  wortes  verfahren.  Ueberdem  ver- 
räth  das  t  (im  gothischen  auf  älteres  d  zurückweisend), 
kwetys  müsse  erborgtes  gut  sein.  Wäre  es  einheimisch, 
da  müfste  man  in  gemäfsheit  mit  skr.  cveta,  weifs,  regel- 
recht eines  Zischlautes  gewärtig  sein.  Der  Preufse  dage- 
gen hat  nach  ausweis  des  Nesselmannischen  Vokabulars 
s.  25  gaydis,  d.  weyse  (d.  h.  waizen)  und  für  sommer- 
waizen  dagagaydis.  Dagis  heifst  sommer,  lith.  dagas, 
dagä  erntezeit,  mit  i,  wie  oft,  statt  des  ursprünglicheren 
a,  welches  im  comp,  sich  erhielt,  wie  auch  (freilich  um 
der  epallelie  willen  als  o,  falls  nicht  oa  zusammenge- 
hört) dago-angis  sommerlatte.  Geytye,  brot,  läge 
immer  noch  näher  als  lith.  kwetys,  oder  wohl  gar  pers. 
gandüm  waizen.  Ueber  letzteren  Lassen  zeitschr.  VII,  155. 
In  Memel  lith.  pürai  m.  pl.  (also  griech.  hvqoi)  winter- 
waizen;  aber  kwetei  sommerwaizen,  wofür  um  Ragnit 
wasarinni  kweczei.  Preufs.  seamis,  Winterkorn,  ist, 
woran  Nesselmann  vok.  s.  42  keinen  augenblick  zweifeln 
durfte,  ein  aus  semo  (mit  weichem  s,  ksl.  zima  =  hiems), 
winter,  hergeleitetes  adj.  Mit  preufs.  seinen  (s  hart,  wie 
in  ksl.  sjemja  n.  semen)  und  lith.  semenis  saat,  im  pl. 
semenys  saatfrucht,  besonders  leinsaat,  hat  es  augen- 
scheinlich nichts  zu  schaffen,  wie  auch  schon  die  abwe- 
senheit  von  n  beweist.  Türk.  bogdaj,  aber  auch  hynta, 
bosn.  päenica,  äenica  8.206.  236.  —  Kukuruz  mais, 
bosn.  klas,  was  bei  Volt.  ähre.  Der  sogenannte  türkische 
waizen  entstammt  übrigens  Amerika.  Der  zusatz  ist  dem- 
nach eben,  so  falsch,  als  wenn  mysyr-tauk,  tuka, 
truthuhn,  8.  274  eigentlich  so  viel  als  ägyptisches  huhn 
bezeichnet,  obschon  dieser  vogel  doch  nicht  in  Ost-,  son- 
dern in  Westindien  und  Amerika  zu  hause  ist.  Türk. 
biba  namentlich  von  jungen  truthübnern  ist  vielleicht  a 
pipiendo  gesagt.  —  Mit  uns  Deutschen  gemein  hat  der 
Preufse  den  namen  für  roggen,  rugis,  lith.  ruggei  pl. 
(ruggys  ein  roggenkorn),  lett.  rudsi.  Bei  Blau  s.  212 
Bosn.  ra£,  türk.  öavdar. 

Aus  dem  verzeichnifs  s.  151  no.  3  türk.  rumid  =  bosn, 

21* 


324  Pott 

oraäak,  welches  letztere  muskatnufs,  aber  auch  eine  pflanze 
sein  soll.  Dagegen  s.  188.  303  türk.  toplak  =  orisak 
erdnufs  mit  fragezeichen  des  autors.  Also  gewifs  ablei- 
tungen  von  orjech  xccqvov,  nux,  orjeSije  (nucetum)  mit 
zischlaut  Comm.  Lith.  II,  29.  Türk.  koz,  bosn.  orah  wall- 
nu&  8.267,  während  217  türk.  dzeviz,  orah,  nufs.  Die 
beiden  türkischen  Wörter  sind  wesentlich  einerlei  Lassen 
VII,  111,  nur  in  verschiedener  gestalt  von  fremdher  auf- 
genommen. Funduk,  ljeänik,  haselnufs,  wahrscheinlich 
ans  nux  Pontica  Plin.  s.  Lassen  VII,  112;  Das  f ,  weil 
durch  das  arabische  hindurchgegangen,  wo  fehlendes  p  häufig 
durch  f  ersetzt  wird.  —  Hajjulfarikun  durch  falsche 
punctation  (s.  s.  226  ejjühä-1  -  äryfun)  mit  k  statt  f, 
aus  Evcpoqßiov  Lassen  VII,  98.  —  Zu  no.  8  (pavT&xov&f 
tu  nsvrdcfvlkov  Lassen  VII,  135.  </>  =  f  statt  p,  weil 
dies  persische  wort  durch  das  arabische  hindurchgegangen. 
Der  Türke  hat  pentäfiliyoün  (quintefeuille,  mit  t  statt 
qu  in  quinquefolium)  Davids  p.  144.  Keltisch  pempedula. 
Ueber  Pastinaca  Secacul  149.  —  No.  9  Mentha,  in  Stulli 
lex.  m&tva,  m&tvicca,  mjätva,  bei  Voltiggi  metica, 
ksl.  mjata  und  mjatva  mit  rhinistischem  ja.  Lassen 
VII,  143,  wo  kurd.  punk  mit  ausstofs  von  d  als  Menta 
silvatica  gegen  nänä  als  erba  domestica.  VergL  Pehlwi 
Justi  Bundeh.  8.245  nänu$prm  brotkraut,  mentha  panem 
condiendo.  VergL  über  das  zweite  wort  Lassen  VII,  145 
unter  äähsprem.  Blau  hat  s.  271  lefne-ot  (buchst,  lor- 
beerkraut) für  Mentha.  Interessant  ist  Xd<pv?y  ddcpvri* 
IIeqycuoi  Hes.  Ahrens,  Dor.  p.  85.  Also  das  türkische 
überkam  den  namen  des  lorbeerbaumes  als  lafne  vielleicht 
in  dieser  gestalt  schon  aus  einer  griechischen  mundart. 
Sollte  auch  lauruß  aus  "katfvri  verdreht  sein?  Andere  na- 
men des  lorbeers  Lassen  V,  77. —  No.  10  Kyzyl-söKüt 
(buchst,  roth-weide  im  gegensatz  gegen  no.  4  ak  söküt, 
verba,  weilse  weide)  wird  j  oho  vi  na  erklärt.  Blau  sagt, 
das  sei  erle.  Ungenau,  indem  es  der  analogie  gemäfs,  als 
elliptisches  adj.,  erlen-holz  bezeichnen  mufs.  Sonst  ku- 
pina  (rubus),  maslina  (olea)  u.  s.w.    Dobr.  Inst.  p.  291. 


anzeigen.  325 

Stulli  lex.  p.  73  übersetzt  es  auch:  lignum  ex  alno.  Joha 
mit  einscbwinden  von  1,  auch  olha  (alnus),  aber  johiscte, 
johisctvo,  olhovnik  und  (s  statt  h)  olesnik  Locus 
alnis  consitus.  Lith.  elksnis  Comm.  Lith.  I,  18.  II,  27. 
Ksl.  jel'^a  (alnus),  jel'äin  adj.  (äyvov^  viticis)  Miklosich 
p.  1157.  Das  latein  könnte  einen  consonanten  ausgestofsen 
haben,  welcher  aber  eher  zischlaut  sein  möchte  als  das 
häufig  im  slawischen  dafür  eintretende  x  (lith.  ks  durch 
zusatz  von  k?).  Wie  aber  steht  es  mit  ahd.  erila  erle 
und  elira  eller?  Letzteres  ist  wahrscheinlich  die  ältere 
form  und  r  aus  8  zu  deuten.  Vgl.  Blau  no.  58  borovina, 
aus  pinus  stammend,  wie  jelovina  (no.  59)  lignum  abie- 
gnum.  S.  auch  s.  211.  Senevber  vergl.  sich  mit  xanr\ 
advanctQ)  ra  argoßila  Lassen  VII,  72.  Blau  no.  61  hav- 
dovina  von  #ebd  Sambucus  ebulus  Dobr.  Inst.  p.  211. — 
S.  257  türk.  Külken  bukva  buche  (ulme),  aber  Külken- 
agadzy,  bukovina  (daher  landesname  Bukowina)  bu- 
chenholz.  Mikl.  lex.  p.  48  betrachtet  boukü  (fagus,  durch 
lautverschiebuög  buche)  uns  Deutschen  abgeborgt.  Bu- 
kovski  jezik  d.  i.  buchsprache  (lingua  latina).  S.  WWb. 
1,805.  Preufs.  bucus  buche.  K'ulken-agac,  javoro- 
vi  na,  ahorn.  S.  160  wird  diesem  deutschen  baumnamen 
lat.  Acorus  beigeschrieben:  das  kann  jedoch  nur  schreib* 
fehler  sein  für  Acer.  Wenn  Vullers  II,  1415  citirt  wird: 
so  trägt  der  nicht  die  schuld.  Virag  und  varaj,  aco- 
runi  turcicum,  was  zum  überflufs  der  hinweis  auf  vag 
1411,  acorum,  bezeugt,  ist  der  ächte  kalmus  (Acorus  cala- 
mus),  im  skr.  vakä,  wie  aus  Lassen  VII,  130  zu  ersehen 
ist.  Mit  dem  lateinischen  worte  würde  ich  ahd.  ahorn, 
obwohl  bei  Graff  I,  135  platanus  wiedergegeben,  gleich- 
stellen, als  h  für  c,  und  n  ableitend.  Für  Acer  hat  das 
Stullische  Wörterbuch  makljen,  aber  Acer  majus,  ital. 
acero  maggiore,  kl  ei,  etwa  lith.  kl  6  was  leinbaum,  ahorn- 
baum  (Acer  platanoides),  woher  das  dorf  Kiew  innen  d.i. 
ahornwald,  wie  Stadt  Jauer  und  ein  ahd.  Ahornwanc, 
vergl.  wangus  im  preufs.  katechismus,  erklärt  durch  da- 
meraw  (vergl.  den  orts-  und  personennamen  Damerow), 


326  P«tt 

ksL  d«|brava  (arbores,  nemus).  Leinbaum  (prent*,  stuckis) 
ist  ksl.  klen  (acer)  MiU.  p.  288.  Linboum  wird  bei 
Graff  and  Benecke  ornns  glossirt,  aber  fladerboum  Graff 
III,  868  den  äs,  während  Ben.  I, 129.  III,  334  hebenus, 
ebenus,  weshalb  clenns  möglicher  weise  Mols  verschrieben 
wäre.  Doch  8.  anch  clenns  Die£  Not.  Gloss.  Vergl. 
meine  Comm»  Lith.  11,34.  Javor  (platanns),  javorina, 
javorovina  Lignnm  ex  platano,  im  Stull.  wb.  Lith.  aor- 
nas  ist  Mols  den  Deutschen  abgeborgt.  Das  gleiche  aber 
von  javor  zu  glauben  verbietet  der  durchgreifende  man- 
gel  des  nasales.  Die  orientalische  platane  cynar,  javor 
s.  216.  Lassen  V,  71.  —  S.  283  törk.  pelit,  bosn.  hrast, 
eiche,  Mikl.  slaw.  elem.  8.51;  pelid,  hrastovina;  und 
pelit-agadzy,  hrastovina  eichenholz.  Lignum  quer- 
num  hrastovina,  hrastina,  dubövina  vonbräst,  ra- 
stövina,  dttb,  cser  Quercus  Stull.  —  S.  232  Funduk- 
agadiy,  bosn.  leäkovina  haselnufsholz,  wie  kos-aga- 
d£y,  orahovina,  nufsholz.  Bei  Davids,  Gramm.  Türke 
p.  142  ist  foundouq  Noisette,  djeviz  Noix.DC.  vr^dovg9 
worin  die  consonantengrnppe  =  engl,  j,  ital.  gi.  Ueber  mus- 
katnufs  Lassen  V,  83.  Lassen  alterth.  1, 3M). —  Filamur- 
aga£,  likovina  [k  verdruckt  statt  p]  lindenholz,  wie 
s.  237  iflamur  agadZy.  Das  türkische  wort  nehme  ich 
in  verdacht  blofse  Verschmelzung  zu  sein  aus  tfirk.  öghla- 
mür  äghädji  (tilleul)  Davids,  Gramm,  p.  140  und  qp£- 
Xvga. —  S.  222  diä-agac,  jasenovina  eschenholz  Comm. 
Lith.  II,  27.  Lassen  VII,  137.  —  S.  229  erik-agadzy, 
ölivovina  zwetschenholz,  von  erik,  Suva  pflaume.  Ksl. 
sliva  (prunus).  Vielleicht  zu  schiebe,  engl,  sloe  Comm. 
Lith.  11,37,  wo  poln.  tarnosliwka,  dessen  erster  be- 
standtbeil  =  dorn,  wie  im  System  Prunus  spinosa.  Vgl. 
s.  262  kara-diken  (schwarzer  dorn  8.  221  vgl.  note  208), 
ternovina,  Schlehdorn.  —  S.  262  kara-agadzy  (auch 
schwarzer  bäum,  wohl  von  der  dunkleren  färbung),  bre- 
stovina  ulme,  und  deshalb  schwer  mit  kara-agadzy 
(franz.  ormeau),  grabovina,  weifsbuche,  zu  vereinigen. 
„Schwarze  rüster"  s.  Comm.  Lith.  II,  33.  Grab  (carpinus, 


4 
f 


anzeigen.  327 

womit  vielleicht  verwandt)  Dobr.  Inst.  p.  200  ist  bei  Da- 
vids Gramm,  p.  140  gülgen  äghädji  Charme.  —  S.  251 
Kermesik,  hudikovina  Schneeball  (strauch).  —  S.  293 
söKüt-agadäy,  verbovina  weidenholz.  Vgl.  note  232, 
wo  rakitta  Salix  Stull.,  serb.  Salix  caprea  Mikl.  slaw.  elem. 
s.  42,  wal.  rächitä  Salix  viminalis,  ungr.  reketye  und 
Salix  purpurea.  —  S.  29.")  süpüröe-agac  (d.i.  besenholz, 
wie  auch  besen  mit  dem  keltischen  worte,  im  lat.  betula, 
vermittelt  sein  könnte,  doch  s.  Dief.  Origg.Eur.  p.258.  Cam- 
bouliu,  Rech,  sur  les  origg.  etym.  de  Tidiome  Catalan  p.  9), 
brezovina  birkenholz.  Aus  skr.  bhürga  birkenart,  vgl. 
engl,  birch,  was  aber  eine  sichere  herkunft  nicht  hat.  Al- 
lenfalls zu  bhräg  (fulgere),  wenn  die  indische  birke  auch 
wie  unsere  Betula  alba  eine  weifse  rinde  hat.  Uebrigens 
hat  auch  das  deutsche  wort  kaum  mit  borke  oder  gar 
bergen  etwas  zu  thun.  —  S.  229  erzedz-agadzy,  ti- 
sovina  eibenholz.  Mikl.  slaw.  elem.  s.  49.  —  S.  271  ky- 
zyldzyk-agac,  drenovina  kornelkirschenholz.  Ky- 
zyldzyk  kornelkirschenbaum,  bei  Davids  cornouiller.  Dren 
(cornaro)  Voltiggi.  —  No.  11  KeKlik-oty  =  Majorana. 
Anders  Lassen  VII,  144. —  No.  15  endzüre==kopriva 
(urtica)  Mikl.  lex.  p.  302.  Vgl.  s.  237  indzir,  koprono- 
visime  (brennesselsamen  s.  316),  ein  kraut.  Vgl.  ävr£t]()d' 
i\  xvi]dtg  Lassen  VII,  136.  Dagegen  feige  £i>r£j%>,  skr. 
aiiglra  110.  —  Zu  iskardiun  no.  17,  Allium  silvestre, 
war  sein  griechischer  Ursprung  aus  oxoqoöov,  gekürzt  Gxoq- 
SoVj  knoblauch,  auch  öxoodiov  eine  pflanze  mit  knoblauchs- 
geruch,  zu  bemerken.  Etwa  hinten  mit  od  (lat.  odor), 
vgl.  dvaodfioq^  und  vorn  gekürztes  axcoQ  (vgl.  das  kurze  e 
in  X6Q- topos).  Kaum  doch  zu  skr.  prdh.  Auch  schwer- 
lich xqofjt^vov^  der  angäbe  nach  schlechtere  form  als  xqo- 
juvov,  mit  assimilation  von  d\  Gegründet  scheint  des  verf. 
besserung  8.  232  gendeneh  statt  1.,  bosn.  pasji  luk 
hundsknoblauch  (Allium  ursinum).  Vgl.  pehlwi  gandenäk 
(porrum,  lauch)  aus  skr.  gandha,  geruch  Justi  Bundeh. 
s.  221.  Lassen  II,  150,  dafern  nicht  zu  skr.  kanda.  — 
Hindi ba  (Intybus  Cichorium;  frz.  chicoree,  wal.  cicöre, 


328  Pott 

DC.  T&xovQea ,  alb.  rcoreia  Bl.)  =  zenoterga  no.  20, 
ung.  katäng.  In  Lassend  zeitschr.  VII,  141  habe  icb 
kurd.  hendeba  für  ital.  endivia.  Etwa  ahd.  hintlopht, 
Cichorium,  Graff  III,  870?  Loft  heifst  bast.  Das  h  wahr- 
scheinlich aus  verkehrter  gelehrsamkeit,  indem  man  an 
hinduisch  dachte,  während  die  pflanze  vielmehr  davon  ih- 
ren namen  haben  soll,  dafs  der  monat  Tybi  in  Aegypten 
die  htvßiot,  gebe.  Jedoch  hat  Parthey  im  Voc.  Copt.  in- 
tubus  kolakinon,  ouoti  und  Cichorium  hrintou,  aber 
cichorii  genus  saris,  vgl,  cegig.  Stulli  lex.  Intubus  xut- 
jenica,  csihora.  Alb.  bQtte-a  cichorie.  —  No.  21  vgl.  234 
harbak,  und  s.  262  karadza-ot,  kukurek,  schwarze 
niefswurz.  Voltiggi  kukuvjek  niefswurz  mit  v.  Stulli 
lex.  Helleborus  kukurjek,  aufserdem  csemerikka,  ja- 
s£nak,  sprex,  talovo.  Helleborus  albus  csemerikka 
bjela,  zlätna  kittica,  goldenes  blumensträufschen.  Bei 
Voltiggi  ist  csemer  gift,  ö e m e r i k a  weifse  niefswurz  (Ve- 
ratrum album)  Blau  no.  118  und  s.  258.  Nach  Grimm 
aus  poln.  czmer  kribbel  im  köpfe.  Bei  Nesselm.  lith.  wb. 
s.  162  czemerei  enzian  (Gentiana  rubra),  sehr  bitter;  nach 
anderen  jedoch  auch  Helleborus  albus.  S.  no$h  Mikl.  lex. 
p.  1113  cemer",  venenum.  Er  hat  auch  den  pflanzen- 
namen  koukourjetz".  Bei  Richards  welsch  pelydr(pel- 
litory)  Yspaen  (of  Spain),  aber  pelydr  Yspain  du 
(black)  Black  hellebore.  Ahd.  sutirwurz,  sittiwurz 
helleborum,  Graff  III,  871.  In  Ray,  Collection  p.  60:  To 
setter;  to  cut  the  dew-lap  of  an  ox  or  cow,  into  which 
they  put  Helleboraster,  which  we  call  setterwort, 
by  which  an  issue  is  made,  whereout  ill  humours  vent  tbem- 
selves.  Bei  mir  in  Lassens  zeitschr.  V,  79  xagßax  (helle- 
borus), kharbaq  siyäh,  kh.  sefld  ellebore  noir,  bjanc, 
Davids  Gr.  p.  143.  Aus  dem  pers.  mit  i  izafet  %a§uncr£ 
i-anrJT  und  %apfA7tdg  (vielmehr  hinten  %)  rj-Gid  (das  y  itak.), 
weifser  und  schwarzer.  —  Zu  no,  24  ill.  bei  Volt*  popo- 
nac  —  serpillo,  sermollino  —  Quendel,  ahd.  quenala, 
konala  mit  einschub  von  d;  vgl.  xovikrj.  —  No.  26  ra- 
ziane  =  morac  fenchel ;  vgl.  no.  85. 9 K   Lassen  VII,  1 45. 


I 


üPlfc— IBJBWtP— » ^»»w^jiiTWTrMT.Wir   ■■iiliiw»!    Hu      i  —w^i  .iii       ■.Uiii'lKyiq«»  '«■u-:t-   »        ..-)   <>.  w.  ■—  «>■  -  -  «•~r<- 


anzeigen.  329 

Im  Stullischen  wb.  moraö,  ohne  zweifei  aus  fidoa&ov^ 
einer  der  epallelie  wegen  um  das  eine  q  gebrachten  neben- 
form  zu  paoa&()ov.  &  im  neugriechischen  gelispelt.  Au- 
fserdem  komoräcs  (etwa  verdreht  aus  irnionaqa&Qov  mit 
x  statt  7i]  wegen  ksl.  komar  mücke?),  koromäcs  und 
slädki  (dulce)  köpar  (anethum).  Altpr.  kamato  fenchel. 
Bosn.  kopric  dill  no.  25,  vgl.  Mikl.  lex.  p.  302.  —  No.  27 
bosn.  Vilina  kosa,  d.i.  feenhaar,  wie  Adiantum  capillus 
Veneris,  also  von  religiösem  charakter.  Auch  ist  in 
„frauenhaar"  die  Jungfrau  Maria  gemeint.  Beräiav- 
äan  8.  Lassen  VII,  138.  —  No.  28  kara-agyz,  lisan- 
-et-thevr  =  gavez.  Lisan-i-thevri  Bourrache,  Da- 
vids Gr.  p.  143,  aber  yabän  (wild)  lisänl  thevri  Buglose. 
Gavez,  heifst  es  aber  note  80,  ist  fesstehender  name  für 
Wallwurz  (Symphytum  officinale).  Gaves,  sa  m.  (freilich 
mit  hartem  s),  ital.  polmonaria  lungenkraut,  Vbltiggi  s.  61. 
Doch  s.  no.  128.  —  No.  29.  177  lisan  usfur  =  jase- 
nova-resa  und  jasenovo  seme.  Ersteres  arab.  lingua 
passerina,  i.  e.  semen  fraxini  8.  Lassen  VII,  137,  wo  noch 
andere  pflanzennamen,  welche  mit  zungen  verglichen  wer- 
den. —  No.  30  li lab  =  berstan.  Hedera,  bärsctan, 
bljust  —  Blau  no.  56.  —  Stulli  lex.  Wal.  im  Ofener  wb. 
ederä,  ung.  borostyän  epheu  8.271.  Mikl.  slaw.  elem. 
s.  15  scheinen  Blau's  Verbesserungen  liblab  und  purstan 
(eher  vorn  mit  b)  zu  bestätigen.  Vielleicht  hat  er  auch 
recht,  in  balosyt,  bosn«.  kukavicl  vez  den  epheu  zu 
finden.  Der  slawische  name,  wörtlifch  „kuckuks-stickerei* 
pafste  dazu  vielleicht  gerade  so  gut  oder  besser  als  zu 
der  granatblüthe,  balaustium.  Lebläb  bei  mir  Lassen 
VII,  139  ist  Hedera.  Convolvulus.  —  No.  31  Artemisia 
vgl.  Lassen  V,  69.  Arabisch  Qaisüin  Southernwood  (A. 
abrotanum).  Gael.  burmaid  f.  aus  engl,  wormwood 
(Verdrehung  aus  wermuth,  obschon  A.  abrotanum  wirklich 
auch  als  Wurmmittel  dient):  absinthium.  Holl.  alsem,  al- 
sene,  alst,  woher  alsembier  bitterbier,  alsemwyn 
wermuthwein.  In  Schottelius,  haubtspr.  s.  1279  altz  m. 
(1310  eltz)  absinthium  Ponticum,  breiter  und  feister  wer- 


330  Pott 

muth,  daraus  der  wermuthwein  gemacht  wird.  Sollte  es 
aus  dem  arabischen  namea  desselben,  £lkh,  mit  vorgesetz- 
tem artikel  entstanden  sein?  Eher  ist  es  aus  der  glosse  zu 
abd.  wormiota,  nämlich  alosantus,  aber  nnermota 
absinthia  Graff  I,  978  durch  kürzung  (tz  statt  st)  verun- 
staltet. Alosantus  hinten  mit  sanctus  und  vielleicht 
als  vox  hybrida  mit  oAo-;  der  allerheiligste?  Vergl.  ital. 
semesanto  (seinen  sanctum?)  in  Jagemann's  wb. :  der  hei- 
lige beifufs;  der  tatarische  beifufs.  Ueber  ahd.  pipöz  Ar- 
temisia  Grimm  myth.  8.  1161.  Türk.  misk  eütl  Davids 
p.  143  =  armoise  aus  Artemisia.  Ueber  gallisch  bri- 
cumns  (artemisia)  Dief.  Origg.  Eur.  p.  272.  —  No.  32 
turäek  (s.  s.  314)  ve  Dzentiane  -rumi  (römische  Gen* 
tiana  vgl.  no.  180)  ve  laboda  =  stavje.  Stavel  (ru- 
mex) StulL  Vgl.  Mikl.  slaw.  elem.  s.  53.  Ich  habe  Las- 
sen VII,  148  rovQtfd'  (d.  i.  im  pers.  acida)  Xdna&ov.  Aus 
diesem  griechischen  worte,  eine  ampferart,  lapathum, 
deren  genufs  den  leib  öflhet  und  erweicht  (daher  wohl  zu 
Xand&iv),  rührt  nun  unzweifelhaft  laboda*  her.  Auch 
stimmt  dazu  vortrefflich  Mikl.  lex.  p.  332  lapota  f.  lappa 
(das  wäre  freilich  die  klette)  Azbukovnik,  ubi  [und  wahr- 
scheinlich nicht  ohne  grund]  dicitur  esse  scavel"  kon- 
skoi,  buchstäblich  pferde-sauerampfer.  Vgl.  lett.  sak'k'a 
(leporum)  fskahbenes  hasenklee.  Poln.  szczawik  (Oxa- 
li8  acetosella)  Comm.  Lith.  II,  37.  Poln.  szczaw'  Rumex, 
ampfer;  szczaw'  kwasny  Sauerampfer,  R.  acetosa.  Ksl. 
ätav',  ätavije  n.  (rumex)  Mikl.  p.  1135.  Ich  glaube  aber, 
man  hätte  unrecht,  mit  obigem  laboda,  welches  die  Tür- 
ken aus  dem  griech.  Xdna&ov  haben,  den  freilich  sehr  nahe 
anklingenden  ausdruck  zu  verwechseln,  dessen  sich  die 
Slawen  für  die  melde  (ksl.  loboda  f.  vere  atriplex  Mikl, 
p.  341;  slaw.  elem.  8.  28)  bedienen.  At-kulagy  (buchst, 
pferdeobr),  loboda  (Atriplex  hortensis)  8.  200.  Das  latei- 
nische wort  durch  falschdeutung  aus  argdtfa^ig  und,  mit 
einschmuggelung  von  avSgeg  (als  ob:  von  menschen  ge- 
gessen, vergl.  (fayüv\  auch  dvöqd(pa§ig  Lassen  VII,  147. 
Wal.  loboda  Mikl.  slaw.  elem.  s.  28.  —  Ahd.  stur,  stir 


anzeigen.  331 

Blitum,  intybus  Graff  III,  872  vergleicht  sich  mit  wal. 
ätiru  Amaranthus  blitum,  der  -  meyeramaranth ,  wilde 
melde,  ung.  ester-pärej  2.  A.  sanguineus,  ung.  veres- 
parej.  Lex.  Bud.  p.  673.  Dobr.  lost.  p.  173.  Mikl.  slaw. 
elem.  s.  53.  —  No.  35  hummaz  ve  kasni  =  kiselica, 
und  8.  236  hu  mm  äs,  kiselaca  Sauerklee,  Sauerampfer. 
Lassen  VII,  142  pag*  (gewifs  vorn  verstümmelt)  ro  Xana- 
ß-ov.  Ksl.  küsel  oftcpaxi^oov,  acerbus,  und  daher  küseli- 
cije  (malus  punica). 

No.  36  bahur-Merjem  =  skriz.  Ein  ßovxovq- 
fA&giofi)  Lassen  VII,  134,  nach  Cast.  lex.  Suffitus  Ma- 
riae  (als  zur  Vertreibung  der  motten  dienend)  s.  Cycla- 
men,  vulgo  Arthenita,  worüber  bei  mir  s.  133.  Des- 
halb mag  die  erklärung  richtiger  sein,  als  storax  (doch 
bohhür  äghädji  hat  Davids  Gramm,  p.  141  unter  den 
baumnamen  für  storax),  welches  Lassen  s.  95  mit  ganz 
anderen  namen  vorkommt,  übrigens  auch  ein .  erzeugnifs 
zum  räuchern  liefert.  Skriz  möglicherweise  aus  verseben 
nicht  ausgeschrieben.  In  Stullis  wb.  Cyclaminum  Plin.  (da 
pan  porcino  hinzugefügt  wird,  meint  er  Cyclamen,  saubrod) 
skrixalina,  auch  krixalina.  —  No.  39  keäver  (?)  = 
m&rkva.  Das  letztere,  nebst  ahd.  moraha  (pastinaca,  s. 
Diefenbach  Nov.  Gloss.),  mhd.  morche,  morhe,  more, 
möhre  (Daucus  carotta)  Ben.  11,217,  vgl.  meine  Comm. 
Lith.  II,  30,  rechtfertigte  zur  noth  gleich  Stellung  des  türki- 
schen wortes  mit  kurd.  giezer  (pastinaca)  Lassen  VII,  1 49. 
Inzwischen  verweist  Blau  s.  314  auf  ein  chiva'sches  keäir 
gelbe  rübe,  carotte.  Die  ähnlichkeit  mit  r^aßovarjQ  u. s.w. 
(Pastinaca  Opopanax,  woher  ein  danach  benanntes  gummi 
stammt)  Lassen  100  beruht  wohl  auf  blofsem  zufall.  — 
S.  199  Arnaud-biberi  (arnautischer  pfeffer),  spejica 
pfefferkraut,  Satureja  hortensis.  Dagegen  FrenR-biberi 
d.  i.  fränkischer  (bei  uns:  spanischer)  pfeffer,  paprika 
(aus  ill.  papar  pfeffer)  s.  232.  —  No.  43  vgl.  120  saatr 
(ex  conj.)  =  cubar.  Unter  45  at-kulagy  (s.  schon 
oben)  =  cubra.  Letzteres  schliefst  sich  noch  enger  an 
griech.  &vfißQa  an,  woraus  (s.  früher  morac  wegen  gelis- 


332  Pott 

pelter  ausspräche  von  &)  in  meiner  Comm.  Lith.  II,  28. 
Dobr.  Inst.  p.  181.  Mikl.  slaw.  elem.  s.  53  z.  b.  lith.  czo- 
bras  pfefferkraut.  Wal.  im  lex.  Bud.  p.  119  cimbru  m., 
ung.  tsombor  1)  Satureja  hortensis,  2)  hyssopus,  3) Thymus 
serpillum.  Poln.  bei  Mrongovius  cza.br,  cz 3b er  (mit  rhi- 
nismus),  auch  ca.br  (aufser  =  zieme r,  mit  einschub  von  b, 
rückenbraten,  aus  dem  deutschen)  =  Satureja  hortensis, 
saturei  und  zatrei,  gemeines  pfefferkraut,  bohnen-  oder  wurst- 
kraut; kalbsysop,  zwiebelysop,  wie  ja  Zenker  ein  gleich- 
lautendes türkisches  wort  mit  hyssopus  wiedergiebt.  Zovya 
aus  Hyssopus  vgl.  no.  91.  Bei  Davids  p.  143  zoüfä  eüti 
(letzteres  franz.  herbe)  hysope  sauvage,  aber  ipär  hysope. 
Czubrika  majoran  (?)  Blau  s.  289.  Etwa  aaraq  to  oqi- 
yavov  Lassen  VII,  135  dem  lateinischen  satureja  entnom- 
men, welches  als  aphrodisiafcon  von  den  Satyrn  seinen 
namen  hat?  —  No.  41  Aneb-et-tha  leb,  pasvica  (So- 
lanum nigrum).  yAvaniCakan  (eig.  nvae  vulpium)  6  ötqv- 
%voq  Lassen  VII,  129.  Pasuica  Stulli  lex.  p.  580.  Sola* 
num.  —  No.  48  keleni  (?),  bobovnik  Sedum  Telephium; 
doch  s.  no.  93.  In  Stulli  lex.  Sempervivum,  aufser  vazda- 
-xiv  (sempervivens)  auch  bobövnjak,  böb  gromovi 
u.  s.w.  Da  grom,  gromovina  der  donner  heifst:  suche 
ich  darin  einen  ähnlichen  aberglauben,  wie  beim  donner* 
bart  (hüslouch  barba  Jovis  Ben.  I,  1044.  Dief.  Nov. 
6I08S.  p.  48),  die  hauswurz,  sempervivum  tectorum,  welche 
aufs  dach  gepflanzt  vor  dem  einschlagen  des  blitzes  sichert. 
Grimm  myth.  s.  167.  Jedoch  hat  Blau  s.  228  enbuh, 
cuvakuda  für  Sempervivum  tectorum,  angeblich  von  csu- 
vati  bewahren,  bewachen,  csuvar  hüter  (Volt.)  —  vor 
dem  einschlagen  oder  ganz  allgemein?  Unstreitig  lag  in 
seiner  ausdauer  selbst  im  winter  (daher  bei  DC.  xLfiSQlvVj 
erklärt  durch  dei£u>ov,  also:  immer  lebend)  auch  für  seinen 
Standort  gleichsam  die  bürgschafb  von  dessen  stetem,  un- 
geschädigtem  fortbestehen.  —  No.  50Man-helalie  =  ro- 
sopast.  Chelidonium  Stulli  lex.  rosopas  (ohne  t)  mit 
vielen  anderen  namen.  Pehlwi  zardah,  d.  h.  gelb,  we- 
gen seines  gelben  saftes  Justi  Bnndeh.  s.  166.  —  No«  52 


-3tz — -  :  --^ 


anzeigen.  333 

horu  ve  kenevir(ex  conj.)  =  konoplje,  hanf,  canna- 
bis  Comm.  Lith.  II,  35.  Das  türkische  wort  enthält,  ver- 
miithe  ich,  noch  arab.  berri  (agrestis)  Lassen  VII,  158. — 
No.  53  közbere  ve  kisnidz  =  deäpik.  Nardum  —  ital. 
nardo,  spigo  —  descpik,  kvenda  [quendel?]  Stulli 
lex.,  also  Lavendula  spica,  spieke.  Ueber  cov[ißovX  (spica 
nardi)  dagegen  s.  Lassen  s.  122;  die  beiden  türkischen 
Wörter  jedoch  bezeichnen  beide  den  koriander  s.  141.  — 
Zu  no.  60  GovXßa  pro  öovgßa  vielleicht  speierlinge  Lassen 
s.  106.  Vgl.  Blau  s.  308.  Wal.  oskoruä  Mikl.  slaw.  elem. 
s.34.  Türk.  uves  Sorbe,  corme,  aber  muchmulah  Nefle, 
ill.  muscmula  mispel,  alb.  povapovle-cc  aus  f,tov(SnovXov^ 
mespilum,  v.  Hahn,  s.  78  und  ßadege-a,  geg.  ßoSe  s.  4. 
Doch  nicht  etwa  durch  Verwechselung  mit  bädäm  man- 
deln  Lassen  VII,  111? — No.  62  kahu  ve  marol  ve  kasni 
=  locika  (ksl.  loätika  d-oidanivri  Mikl.  lex.  p.  344,  umge- 
bildet aus  lat.  lactuca,  eigentlich  milchpflanze)  ve  salata 
salatarten.  Lassen  VII,  148,  wo  fiaqovXiov  (Blau  s.  273), 
r6%{ie  (semen)  xa%ov  (Blau  s.  183)  und  kurd.  khas  (lat- 
tuca).  Bei  Davids  märöl  Laitue;  adjl  märöl  Laitue 
amere.  —  No.  64  vergl.  note  371  jebruh  (emendirt)  -es- 
sanam  =  okolocep.  Die  berühmte  Mandragora,  welche 
im  arabischen  von  ihrer  angeblichen  menschenähnlichkeit 
den  namen  führt,  s.  Lassen  VII,  128,  auch  Alraune  (d.h. 
wohl:  alle  geheimnisse  wissend  und,  nach  umständen,  ver- 
kündend) Grimm  myth.  s.  1153.  Okolocep  ist  dem  Ser- 
ben ein  kraut,  das  zu  liebestränken  dient  Grimm  s.  1166. 
Kann  ill.  okolo  um,  beinahe,  und  csep  Stoppel  darin  lie- 
gen? Zuwendend,  wie  ivy!;?  Nach  Blau  wäre  es  Centaurea 
calcitrapa.  —  No.66.  77  und  s.  204  Beben  rubra  et  alba 
Lassen  s.  132. 

No.  68  ager  (aus  äxogov  herübergenommen),  vireg 
ist,  wie  oben  gezeigt,  nicht  der  ahorn,  sondern  kalmus,  und 
da  letzterer  den  indischen  namen  vacä  trägt,  wäre  leicht 
möglich,  no.  69  veud-hindi  [lignum  aloes  Indicum  Las- 
sen V,  81]  gehöre  als  indisches  gewächs  noch  dazu. 
Was  aber  zengebil-el-  adzem  (ersteres  ingwer,  aus  skr. 
prngavera)  Lassen  VII,  127    mit   der   bjela   sablica 


334  Pott 

solle,   begreift  sich  schwer,   ciafern  man  nicht  die  hornge- 
stalt  des  ingwers  mit  einem  krummen  säbel  zum  Vergleichs- 
dritten  gemacht  hat.   Das  bosnische  wort  nämlich  bezeich- 
net dem  subjectiven  sinne  nach  weifses  säbelchen  (sabljica 
kleiner  degen,  Voltiggi),  und  pafste  demnach  der  färbe  we- 
gen  zu   der  Schwertlilie  (gladiolus)  seinerseits  auch  nicht. 
Swertelbluomen   acira  Ben.  I,  217   ist  im  lateinischen 
worte  offenbar  plur.  von  a  cor  um.  Geil^vertila  acorus, 
Graff  111,872.  —  No.  70.  186  sedef  raute  Lassen  VII, 
142.     Mikl.  slaw.  elem.  s.  43.    Bei  Davids  sadaf  Rue.  — 
No.  71  rätlned2,   harz,  ist  ohne  zweifei  aus  QYplvri  ent- 
standen,   woher  die  Lateiner  ihr  resina  mit  assibilation 
des  r  haben.     Das  wort  ist  in  die  orientalischen  sprachen 
wohl   kaum   erst  durch   die  heutigen  Griechen  gekommen, 
indem  alsdann  die  erste  silbe  itakistisch  ein  i  haben  müfste. 
—  Zu  72  Agaricum,  ill.  agarik,  peczurak  Stull.,    aus 
äyaqixov.  Champignon  note  259,  wie  desgl.  türk.  menter 
Davids  p.  142.  —  No.  79   vergl.  129.  181  papunedz  ve 
papadia  =  obrenic  (?),  kamille.   Lassen  VII,  140.   Bu- 
char.  bäbünag.  Päpädiyah  camomille.  Davids,  Gramm, 
p.  143.—  Zu  no.  80  Melilotus  Lassen  VII,  120.  —  No.87 
kehruba,  zamg  rumi  =  orahova-smola  (buchst,  nufs- 
harz)  Lassen  VII,  95,  wo  ijlexrQov^  im  pers.  Stroh -anzie- 
hend.    Dafs   der  bernstein  gemeint  sei,    bezeugt  das  bei- 
wort  rumi  (römisch,  abendländisch).     Vgl.  samghqana- 
vasheq  Galbanum  Lassen  97.  —  No.  89  vergl.  169.  170 
und  8.  205  besfaXdz  =  sladka  paprad   süfsfarn.     Das 
slawische  wort  Comm.  Lith.  II,  33.    Paprät,  paprätca, 
poporotnik,    praprutac,   preprut  Filix  (ital.  felce, 
felice   Diez   wörterb.  8.  141)  Stulli  lex.  Pire-oty  (d.i. 
flöhkraut,   von  verschiedenen  zur  Vertreibung  von  insecten 
gebrauchten   kräutern;    von  Davids  p.  144  engeror  über- 
setzt) erklärt  durch  paprad  farnkraut  Blau  8. 284.  Grimm 
myth.  8.  1161,   wo   Ober  den   mit  ihm  verbundenen  aber- 
glauben.     Das  deutsche  wort  liegt  dem  anscheinend  redu- 
plicirten  slawischen,  wie  mich  bedünken  will,  fern.   Griech. 
7iT£Qig  wegen   seiner  gefiederten  blätter,  mit  den  orientali- 


anzeigen.  335 

sehen  Umänderungen  Blau  no.  113.  —  Zu  no.  95.  137.  198 
ma'dinös  Persil.  Maxzdoviciov  8.  Lassen  VII,  149.  — 
No.  96  selk  =  blitva.  Beta  vulgaris  a.  a.  o.  148.  Blitva, 
it.  bieta,  mangold.  Bkirov  erklärt  man  für  melde.  — 
No.  98  abhal  =  smrekove-bobe  (Wacholderbeeren). 
Jedoch  ist  Lassen  V,  71  iny^ovX  (DC.  App.  p.  63  %ßovX) 
Sabina  et  baccae  ejus.  Erzedz-aghadzy  (eibenholz) 
Blau  s.  229  erinnert  umgekehrt  flöchtig  an  äras  (Sabina, 
juniperus)  bei  mir  a.  a.  o.  —  Ardyc,  smreka  wachhol- 
der no.  165  und  8.  199,  bei  Voltiggi  smrekka  (ginepro), 
ksl.  srarjec"  f.  (juniperus),  als  m.  und  smrjeca  f.  xidgog. 
Wal.  cetinä  (Juniperus  communis)  Mikl.  slaw.  elem. 
p.  52.  —  Zu  no.  99  pers.  gauarz  (milium)  Lassen  VII,  160, 
aber  auch  ragov'  6  %tyxQ0S*  Bei  Davids  p.  143  däroü 
(millet),  aber  arnäoüd  däroüsi  (arnautische  hirse)  panic. 
Blau  hat  s.  218  dary,  jedoch  s.  299  mit  t  sowohl  tary 
als  taru  =  proso  hirse,  altpr.  prassan  im  acc.  Dhurrah 
bei  ihm  8.  294.  —  No.  102  kurunb  (crambe?)  =  lahana. 
Kurd.  kärnabit(Cavoli  fiori)  Lassen  VII,  147.  Lahhanah 
Chou.  Davids  p.  142,  unstreitig  aus  Xa%avov  (olus  und 
überhaupt  grüne  waare).  Lachan'm.  Xdxavov,  olus  Mikl. 
p.  334.  Bei  Blau  s.  271  lahhan,  lahhanah  =  kupus 
(das  erste  u  statt  a  wegen  p?)  kraut,  kohl.  Vgl.  ksl.  ca- 
pousta,  was  freilich  =  ital.  composta,  wogegen  ital. 
capuccio,  frz.  cabus,  deutsch  kabisz,  kabis,  als  wei- 
fser  kopfkohl  von  caput  Grimm  wb.  V,  9.  Meine  Comm. 
i  Lith.  II,  34.     Voltiggi  giebt  kapus,  sa  m.  —  cavolo,  ca- 

pucci  —  kraut  (also  in  mehr  besonderter  anwendung).  Böhm, 
hlawatice  kopfkohl  von  hlawa  köpf.  Ben.  I,  891  bat 
kabezkrüt  kopfkohl,  aber  kompeskrüt  Sauerkraut,  aus 
kompost.  —  No.  4  harnub  (warum  n?)  Siliqua  cerato- 
nia  s.  xaQ°vßa  Lassen  VII,  105.  111.  rogacs  —  ital.  ca- 
roba  —  bockshörnlein,  Volt,  aus  rog,  hörn,  der  gestalt 
des  Johannisbrotes  wegen.  —  No.  107  3ah -bei ut  (gleich- 
sam königseichel.  Lassen  VII,  111)  =  kesten vahsi  würde, 
im  fall  der  schlufs  dazu  gehörig,  wilde  kastanie  sein. 
Türk.  kestaneh  Chätaigne.     Ksl.  käst  an'  m.   Mikl.  lex. 


336  Pott 

p.  284  und  kostan"  m.  (castanea)  305,  nach  einer  Stadt 
am  Pontus,  meint  man.  —  Zu  no.  109  kümmel,  türk.  ki- 
nön  Davids  p.  144.  Lassen  VII,  140.  Ksl.  kjomin  y.v- 
uivov  Mikl.  lex.  p.  328.  Bei  Graft'  ahd.  kumin,  kumil, 
kumi. —  No.  122  anzerut  (6arcocolla)  Lassen  s.  98.  Vul- 
lers  lex.  I,  117.  —  Zu  No.  135.  Auch  Voltiggi  giebt  gla- 
disc  (etwa  daher  der  familienn.  Gl  ad i seh)  —  it.  anno- 
nide  —  heuheckel  (-hechel?);  aber  in  Stulli  lex.  nicht  nur 
Anonis,  sondern  auch  Nardus  salonides.  —  No.  139.  197 
torak-oty,  wie  119  dorak  oty,  auch  s.  223,  bosn.  ko- 
par  dill  (anethum).  Duragh  eütl  Anet.  Davids  p.  143* 
Ksl.  kopr  ävrj&ov  Mikl.  lex.  p.  302.  Dagegen  anis,  als 
dem  griechischen  entstammend  Lassen  VII,  140  (&  mit  ge- 
lispelter  ausspräche,  wie  engl,  th,  und  i  itakistisch ),  türk. 
anlsön  (anis  sucrö).  —  No.  147  devetabany  =  vratica. 
Das  erste  soll  tournesol,  nämlich  heliotropium  sein. 
Vgl.  Lassen  VII,  123.  Deshalb  leitet  sich  das  slawische 
wort  ohne  zweifei  (vgl.  auch  ahd.  sunnunwendil,  ital. 
girasole)  ab  von  ill.  vartitti  —  girare,  volgere  —  dre- 
hen, und  mit  r  vorauf:  vratati  sich  umwälzen.  Nach  der 
sonne  benannt  hat  das  lex.  Stull.  Solsequium,  heliotropium 
sunesenik,  sunesenjak,  suncsac.  Vgl.  Blau  note  39* 
Für  Foenum  graecum  hat  lex.  Stull.  u.  a.  prosenicsak, 
prosenica,  was  doch  von  sjeno  (foenum)  kommen  und 
auch  in  sunjica  (?)  bei  Blau  für  bocksdorn  zu  suchen 
sein  möchte.  —  No.  148  Cuscuta  Lassen  VII,  136.  — 
No.  152  Portulaca  Lassen  140.  —  No.  155.  196  Jasmin 
Lassen  121.  Rösler,  bestandth.  s.  35.  —  No.  159  vgl.  78 
und  s.  273  kaloper,  balsamita  vulgaris,  frauenkraut,  ma- 
rien wurzel.  In  Stulli  lex.  wird  koloper  (vorn  mit  o)  für 
Mentha  romana  ausgegeben,  während  unter  sisymbrium 
nicht  nur  sisimbrio  und  pjenez  Rimski  (ital.  moneta 
Romana),  sondern  auch  kalop ersteht.  Siebe  über  dies 
dunkle  wort  Mikl.  die  slaw.  elem.  s.  24.  —  Zu  168  vergl. 
8.  292  akee-oty  =  hren.  Nach  ill.  hren  —  nasturzio, 
radica  forte,  dente  di  cavallo  —  kren,  Voltiggi  zu  schlie- 
fsen,   müiste  man  an  den  meerrettig  (Comm.  Lith.  II,  29) 


anzeigen.  337 

denken.     Ksl.  hrjen'   m.   cochlearia  armoracia  Mikl.  lex. 
p,  1099.    Ahd.  chrene  (raphanus).  GraffHI,  869,  aber  IV 
(kreen,  ineerrettich),  rabigudium,  wie  meriratib  111,866 
raphanus,    radegudium    ausgelegt  wird.      Dief.  im  Novum 
glossarium  p.  313  hat  unter  raphanus:   merredich,  aber 
auch  ratich  [doch  kaum  anderswoher  als  aus  radix],  was 
denn  vielleicht  als  primitiv  anzusehen  von  radegudium.  — 
No.  171   vgl.  mich  Lassen  VII,  163,    wo   auch  kurd.  me- 
kuk   (liquerizia),    was    zu    türk.  miara-kökü    pafste.  — 
No.  176  safran  Lassen  123.  —    No.  179  akarkarha  Py- 
rethrum,  im  zweiten  gliede  gleich  mit  oud  elqarah  Las- 
sen 134.     Jedoch   Davids   bringt  yäpichkän  (pyrethre). 
Im   deutschen  zu   bertram   umgedeutet.     Grimm   mythol. 
8.  1163.  —  No.184  seliha,  burcak-kabugy  Cassia  fistu- 
laris   Lassen  s.  154.  —   No.  187    trefil  (aus  rgicpvXXov) 
kann   nicht   ruta  sein,    was   sich  gewifs  nur  durch  blofses 
verdrehen  aus  dem  vorigen  artikel  eingeschlichen  hat.  Vgl. 
8.  245.  301.     Skr.  tripatra   (auch    dreiblätterig)   Lassen 
s.  139.  —  S.  196  ajva,  bosn.  tunja  quitte.   Lassen  s.  106. 
Im  Stullischen  wb.  dünja  Cydonium  malum,    ital.  coto- 
gna.     Ahd.  kutina  (Cydonia),    chutenbaum,  cydonia, 
cotanas.  Das  slaw.  wort  hat  demgemäfs  vorn  kürzung  erfah- 
ren,   wie  das  unsrige  am  ende.     Bei  Voltiggi  findet  man 
kutina  und  tunja.  In  Mikl.  lex.  p.  286  kidonije.   Auch 
ticca,  vogel,  hat  durch  einbufse  von  p  (ksl.  p'tist")  seine 
beziehung  zu  skr.  pat,  fliegen,  verdunkelt. —  Anar,  nar, 
ynar  s.275.310,  äipak,  sipak  granatapfel  Lassen  8. 106. 
Das  slawische   wort  bedeutet  eigentlich  rose,    ksl.  äip'k 
podovj  allein  auch  qoicc  malum  granatum  Mikl.  lex.  p.  1134. 
Mhd.  margramboum    und   margrat   sind  Umbildungen 
aus  mala  granata,  ital.  melogranato,  melograno. — 
S.  198  alyd£,  divakinja,  azerole,  mispel.    Bei  mir  Las- 
sen 8.  105  stehen  dafür  andere  namen,   und  ist  akovT^  als 
deminutivform  8.  108  eine  pflaumenart.   Etwa  die  wildwach- 
sende sogenannte  krieke?  —  Prunum  silvestre  —  ital.  pru- 
gftola,  susina  salvatica  —  sllva  divja,  Stull.    Dazu  auch 
seft-alü  (pSche)  109.  Blau  s.  297.    Erik  (prune),  äliwa, 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  8.  22 


338  Pott 

pflaume  Blau  8.  229.  —  S.  198  vgl  no.  69  alant  (Inula 
Helenium)  Comra.  Lith.  II,  36.  Bei  Stulli  Inula  oman, 
aber  Helenium  oman,  ovnak,  ovnika.  Auch  devja- 
sil,devjatisil,  d.  h.  neunerlei  kräfte  besitzend,  wie  desgl. 
lith.  debessylai  alant.  Das  erklärt  sich  aus  v.  Strah- 
lenberg, das  Nord-  und  Ostl.  Th.  von  Europa  und  Asia 
1730  s.  78,  wo  berichtet  wird:  „Bei  den  bauern  in  Lief- 
land gilt  9  [3  mal  3]  als  heilige  zahl,  z.  b.  neunerlei  kräu- 
ter  zu  ihren  arzneitränken"  u.  s.  w.  Nesselmann  lith.  wb. 
s.  132  hat  debesylas,  im  pl.  debesylai  alant,  Schwarz- 
wurz, Symphytum  officinale.  —  S.  202  baldoran  (türk. 
bäldirän  Cigue)  Davids  p.  144,  mit  der  zwiefachen  er- 
klärung  drozgina,  kerkotina.  In  letzterem  vermuthe 
ich  xixqvtoi,  cicuta,  xoviov  ,  aber  auch  xixgvrog  ((jv  falsch 
für  ov?)  to  GnhQfjLa  rov  xcovsiov  DC.  Sonst  heifst  russ. 
omjeg  Conium  maculatum.  Mikl.  sl.  elem.  s.  34.  —  Bakla, 
bob  bohne.  Lassen  VII,  157.  Baqlah  (feve).  —  S.  204 
vergl.  297  behadörhyzyr,  tatula  Stechapfel.  Lassen 
V,  79.  Er  ist  bei  uns  erst  eingeführt  (Prichard,  naturgesch. 
des  menschengeschlechts  1,36).  S.  petersb.  wb.  dhattüra, 
dhustüra  (Datura  alba).  Auch  khala  Stechapfel,  allein 
desgl.  böser  boshafter  mensch,  bei  Wilson  wicked.  Kala- 
bha  Datura  fastuosa.  Kärtasvara  (als  synonym  von 
gold)  Stechapfel,  wie  kähkana  (goldig)  Datura  fastuosa 
ebenso.  —  S.  207  vgl.  214  bödzek,  jagoda.  Letzteres 
erdbeere  und  daher  vermuthlich  das  erstere  aus  versehen 
statt  türk.  qödjah  yemich  Fraise,  Davids  p.  141,  wie 
qödjah  yemich  äghadji  erdbeerbaum,  arbousier.  — 
S.  209  burdzy,  bosn.  imel  mistel  (Viscum  album)  Comm. 
Lith.  II,  p-.  26.  —  Butruk,  bosn.  cicak  Arctium  lappa, 
klette,  kurd.  bei  mir  Lassen  VII,  138.  Blau  hat  s.  242 
japysgan-ot  d.i.  kleberich,  klette,  bosn.  torica.  Lappa 
in  Stulli  lex.  lopuh,  csicsak,  torica.  Böhm,  lupen, 
lupaun  klette,  mit  anklang  an  daslat. ;  indefs  ersteres  auch 
überhaupt  blatt.  —  S.  214  cirez-aghac,  bosn.  treänja 
kirschbaum.  Aber  Kiras  mit  weichem  k,  tresnja  kirsche. 
Ed.  örjeö"nja  (cerasus)  Mikl.  p.  1126.  Slaw.  elem.  s.  53 


anzeigen.  339 

aus  dem  griech.-lat.  worte  mit  assibilation  von  k  oder  da- 
für t.  —  Zu  s.  248  jylan-jasdugy,  bosn.  kruzladza 
Schlangenkraut.  Wenn  estragon,  wäre  es  dragon,  ital. 
tragon,  wallach.  tarconu  aus  draco  (vergl.  Artemisia 
dracunculus)  Diez  Wb.  s.  342,  das  aber  auch  in  der 
gestalt  von  rpa^öV,  raqxdv  Lassen  VII,  142  durch  das  ara- 
bische hindurchgegangen.  Ung.  tärkony  der  bertram.  — 
S.  251  Kerfiz,  bosn.  miloduh,  aber  Kirfiz,  bosn.  ra- 
vanj  sellerie  (Apium  graveolens).  Lassen  VII,  149.  Ke- 
refes  (celeri)  Davids  p.  142.  In  Stulli  lex.  Apium  pe- 
trusin, petruscka  (aus  TiETQockhvov  mit  eliminirung  von 
X)  und  mirodia,  doch  unstreitig  fivQoSia  (odor)  DC.  Dann 
aber  apium  Macedonicum  miloda,  miloduh  (anschei- 
nend: geliebter  geist,  duh,  wo  nicht  du  ha  geruch;  vgl. 
bosn.  miruh  duft  s.  266;  vielleicht  aber  blofse  Umgestal- 
tung des  griechischen  Wortes).  Freilich  wird  bei  Blau 
8.  290  miloduh  für  liebstöckel  genommen,  und  da  ligu- 
sticucn  Stulli  mit  milloduh,  milloda  übersetzt:  ist 
der  name  mit  mil  (mitleidig,  lieblich)  wohl  in  folge  der 
deutschen  wortverdrehung  geschaffen.  No.  95  phatra- 
saliun  (ex  conj.),  jaban-  Madonos.  Ahd.  federscelli 
(als  ob  aus:  feder),  petroselinum  GraffHI,  868. —  Zu  s.  261 
Arum  Colocassia  Lassen  VII,  131. —  Kukolj  s.  263  (Agro- 
stemma  githago)  Comm.  Lith.  II,  35.  —  Anm.  255  kyzyl- 
-boja,  metorica  (?)  förberröthe.  S.  Lassen  VII,  125 
(povev  ein  färberkraut,  krapp.  Der  slawische  name  nicht 
in  Stulli  lex.  unter  Rubia.  Dieser  hat  aber,  aufser  cser- 
vlenac,  noch  bröche,  brok,  brojüch;  Mikl.  lex.  p.  45 
broät'  m.  (poivixovv,  purpura.  Vgl.  Dens,  die  slaw.  elem. 
8.  15.  —  S.  265  kaz-öiceki  (buchst,  gänseblume;  vergl. 
Potentilla  anserina  und  alba;  über  das  zweite  wort  Las- 
sen 118),  podbeo  huflattich,  mit  o  für  1  aus  podbjel 
Tussilago  farfaraMikl.  slaw. elem.  s.  37.  Poln.  podbialTus- 
silago  bedeutet  dem  wortsinne  naöh  wahrscheinlich  nicht: 
weifslich  (podbielec  weifslich  werden),  sondern  unten 
(pod),  d.  h.  auf  der  unteren  blattseite,  biaty  weifs.  Vgl. 
bielica  der  beifufs  (Artemisia),    bialawiec  das  weifs- 

22* 


340  Pott 

silberkraut.  Vermengung  mit  Veratrum  album  note  136 
könnte  eben  in  der  weifse  ihren  grund  haben.  Maroldzik 
als  dem.  von  marol  lattich,  gerade  wie  in  unserem  huf- 
lattich.  Russ.  bjelokoptitnik  eigentlich  weifshufig  für 
T.  farfarus.  —  S.  273  mazy,  siska  gallapfel  Lassen  161. 
Mikl.  lex.  p.  1134. —  S.  276  nohut  nach  sicherer  Verbes- 
serung, st.  grah  (xvctfADg,  faba  Mikl.  p.  142)  Lassen  156. — 
S.  284  pirinc,  oruz,  reis,  worüber  ausführlich  Lassen 
159. —  S.289  saramsak,  bosn.  beli-luk  knoblauch.  Ro- 
manisch sarmisac  Lassen  149.  Ksl.  louk  ist  unser  lauch 
Mikl.  lex.  p.  344,  und  das  comp,  wird  also:  weifser  lauch 
bezeichnen.  Sogan,  luk  zwiebel.  Lassen  150.  Voltiggi 
dafür  kapula  —  ital.  cipolla  —  aus  lat.  caepulla  (eig. 
zwiebelfeld)  mit  ausspräche  des  c  noch  als  k.  Bei  Davids 
p.  142  s'ärimsaq  Ail;  s'öghän  Ognon.  —  S.  291  vergl. 
no.  14  Bokviza  wegerich,  aber  in  Stulli  lex.  p.  317  bosk- 
vltza,  päskitza,  also  mit  s:  Plantago.  Auöh  Davids 
giebt  den  türk.  namen  sinirlü  eüt  Plantain  =  ital.  pian- 
taggine.  „Sinnreich",  wie  bei  Schieiden,  die  pflanze  II,  344 
zu  lesen,  „benennt  der  nordamerikanische  wilde  unsern 
wegebreit  die  fufsstapfe  der  weifsen".  Sodann 
Ausland  1862.  no.  41  s.  981:  „Was  den  wegerich  betrifft, 
so  geben  ihm  die  Indianer  einen  namen,  welcher  „fufs 
von  Engländern"  bedeutet,  als  ob  sie  ihn  wirklich  un- 
ter den  füfsen  derselben  wachsen  sehen".  Plantago,  mhd. 
wegerich  Ben.  111,639,  hat  unstreitig  schon  im  latein 
seinen  namen  von  planta  im  sinne  von  fufssohle.  Den 
wegebreit  aber  mit  seinen  breiten  blättern  dem  abdrucke 
des  fufses  im  erdboden  zu  vergleichen,  liegt  um  so  näher 
als  er  sich  gern  auf  und  an  wegen  hin  breitet  (mhd. 
wggebreite,  septinervia,  arnoglossa).  Bei  Graff  III,  864, 
wo  viele  pflanzennamen,  ahd.  wegaspreita,  wegabreita 
plantago,  centinodia,  aber  wegatreta  centinodia,  proser- 
pinaca,  umbitreta  serpinaca,  welches  demnach  vermuthlich 
die  vordersilbe  verloren  hat.  Böhm,  gitrocel  wegerich, 
doch  s.  Mikl.  slaw.  elem.  8.  54  walach.  oträtzelu  Borrago 
officinalis.  —  S.  294  Voltiggi  hat  ill.  hajda,  hajdina 


anzeigen.  341 

heidekorn,  ital.  saraceno,  d.  i.  buchweizen.  Böhm,  pohanka 
heidekorn,  eig.  heidin,  von  pohan  (paganus),  vergl.  Mikl. 
lex.  p.  588.  Lith.  grikkai  (eigentlich  das  griech.)  Comm. 
Lith.  II,  34.  Unter  heidekorn  (cicer,  medica)  Ben. 1, 862 
wird  man  wohl  kaum  den  buchweizen  (fagopyrum)  zu  ver- 
stehen haben.  Möglich  auch,  dafs  es  sich  auf  kräuter  be- 
zieht, die  in  der  heide  wachsen.  Heidekorn  aber  für 
buchweizen  bezeichnet  sicherlich:  heidnisches  oder  mor- 
genländisches körn,  indem  heiden  mit  paganus,  gentilis, 
sarracenus  glossirt  wird.  Wal.  im  lex.  Bud.  tätarcä(Po- 
lygonum  fagopyrum),  ung.  tatärka  der  buchweizen,  das 
heidekraut.  Mikl.  slaw.  elem.  s.  48  übersetzt  polygonum 
tataricum,  und  verweist  auf  sich  s.  20,  wo  russ.  greca 
(vgl.  familiennamen  Gretsch),  grecycha,  d.  h.  eigentlich 
griech.  frucht.  Wal.  hriskä,  hiriäcä,  ung.  haritska 
und,  wenn  kein  komma  ausgefallen,  tautologisch  hajdina 
pohanka  lex.  Bud.  p.  262.  —  S.  294  susam,  lilie,  Lassen 
VII,  122;  allein  zanbak  kenne  ich  zwar  auch  als  lilien- 
art,  indefs  nicht  minder  als  jasmin  121.  Vgl.  noch  Blau 
note  354.  —  S.  295  vgl.  66  no.  114  sünböle,  mackova 
trava  (buchst,  katzenkraut)  katzenbaldrian.  SümbQl, 
bei  mir  Lassen  VII,  122  hyacinthe  und  narde.  Ebenso 
Röaler  bestandth.  s.  34.  Vgl.  auch  Blau  no.  49  Asarun 
(bei  Davids  asärön  Cabaret  d.  i.  Asarum  Europaeum,  wil- 
der nardus,  haselwurz),  ve  Sünbül-rumi  (also  römisch, 
europäisch!),  Kedy-oty,  bosn.  macjatrava.  Alb.  bccQ 
judroe  katzenkraut  bei  v.  Hahn,  ohne  botanische  Bestim- 
mung. Kedi  eüti  Pouliot.  Davids  p.  144.  —  Für  rfibe, 
bosn.  repa,  türk.  salgam  8.296,  bei  Davids  p.  142  choul- 
gham  (navet).  Lassen  VII,  148.  —  S.  302  tetre-agbaö, 
rujevina  (ex  conj.)  Sumach  Lassen  V,  78.  —  S.  304 
trup,  tujrub  rotkva,  rodakva  rettich  (aus  radix).  Las- 
sen VII,  148.  Davids  p.  142  dagegen  hat  turbe  Rave, 
aber  pändjär  Baifort.  —  S.  305  turundz,  naranca 
ap  fei  sine.  Genauer  orange,  ital.  arancio,  narancio,  wel- 
ches daraus  entstanden,  allein  mit  aurum  nichts  zu  thun 
hat.    Lassen  VII,  114. —  Tut,  murva  maulbeere  Lassen 


342  Burda 

107.  Comm.  Lith.  II,  29.  —  S.  308  bosn.  troskot  vogel- 
knöterich.  Mikl.  slaw.  elem.  8.49.  Im  lex.  Bud.  troscotu, 
troscotzelu  1)  Polygonum  aviculare.  2)  Portulaca  ole- 
racea.  Bei  Mikl.  p.  1004  troskot'  ayqwarig;  also  wie 
bei  Blau  no.  116:  agrostis  spica  venti. 

Gern  wäre  ich  noch  auf  die  dakischen  benennungen 
von  pflanzen  beim  Dioskorides  hier  eingegangen,  um  so 
mehr  als  Jakob  Grimm  in  seiner  geschichte  für  gleich- 
setzung der  Gothen  und  Geten  daraus,  freilich  nicht  sehr 
glückliche,  argumente  hergenommen  hat.  Indefs  würde  das 
einen  räum  erfordern,  welcher  mit  dem  gegenwärtigen 
zwecke  in  keinem  ebenmafs  stände. 

Halle.  Pott. 


August  Schleicher  und  die  slavischen  consonantengruppen.  Ein  bei- 
trug zur  neuesten  geschichte  der  indogermanischen  Sprachforschung 
überhaupt  und  der  slavischen  insbesondere,  von  Martin  Hattala. 
Prag  1869.     H.  Karl  J.  Satow. 

Die  veranlassung  zur  ausarbeitung  dieser  parallele,  be- 
ziehungsweise replik,  so  berichtet  der  Verfasser  selbst  auf 
s.  2,  bot  ihm  der  von  A.  Leskien  gefertigte  in  den  beitra- 
gen zur  vergleichenden  Sprachforschung  (1868,  V,403 — 444) 
erschienene  aufsatz:  „Zur  neuesten  geschichte  der  slavi- 
schen Sprachforschung".  Er  war  jedoch  erst  mit  den  vor- 
arbeiten dazu  beschäftigt  (s.  1),  als  er  die  nachricht  von 
dem  abieben  seines  „gegners",  des  prof.  Schleicher,  erhielt, 
so  dafs  es  also  noch  nicht  zu  spät  war  „manches  anders" 
zu  sagen.  Dieser  umstand  darf  nun  bei  der  beurtheilung 
der  vorliegenden,  94  Seiten  umfassenden  replik  nicht  über- 
sehen werden.  Wenn  schon  in  jeder  Wissenschaft  differen- 
zen  und  somit  reger  Wetteifer  unter  den  gelehrten  nur  zum 
gedeihen  derselben  beitragen  können,  so  wäre  es  unter  die- 
ser Voraussetzung  auch  für  die  Sprachwissenschaft  erspriefs- 
lich,  dafs  zwischen  Hattala  uud  Schleicher  differenzen  be- 


anzeigen.  343 

stehen  oder  bestanden,    sollten  sie  selbst  tiefer  liegen  und 
nicht  blos  älter,   sondern  auch   wichtiger   sein   als  bei  an- 
deren (replik  s.  35).     In   folge  derselben  bekämpfte  natür- 
lich H.  *)   den   seligen   schon  früher  sehr  anhaltend,    aber 
stets  rein  objectiv,   weil   sie  sich  seit  jeher  principiell  ent- 
gegenstanden (R.  s.  35).    Bleibt  ein  solcher  kämpf  bei  der 
sache,    ohne   persönlich   zu   werden   oder   die  gränzen  des 
literarischen  anstandes  zu  überschreiten,   so  brauchte  man 
darüber  wahrlich   nicht   viel  worte    zu    verlieren.     Leider 
kann  man  dies  aber  der  in  rede  stehenden  R.  nicht  nach- 
rühmen,  weil,   was  H.  anbelangt  und   gleich  im  eingange 
bemerkt   worden   ist,    nicht  einmal   der  anderswo  versöh- 
nende  tod  im   stände   war  die   schärfe  der  gegensätze   zu 
mildern.     Er  gesteht  unumwunden,   dafs  er  nicht  nur  von 
einer   „bedeutenden   geringschätzung  a  (R.  s.  32,  92)  son- 
dern  auch  von  „erbitterungu  gegen  den  seligen  erfüllt  sei 
(R.  s.  81);  dafs  jedoch  die  replik  mitunter  auch  weit  über 
das  hinausschiefst,,  was   H.  selbst  (R.  s.  31)  gränzen  des 
literarischen  anstandes   nennt,    beweist  s.  90  derselben  am 
schlagendsten.     Denn   nachdem   H.  daselbst   die   s.  6$  der 
formenlehre  der  kirchenslavischen  grammatik  von  Seh.  er- 
wähnt hat,    findet  er  es  für  gut  zu   diesem  „ärgsten  Ju- 
gendstreich der  glottik",    wie  er  sich  ausdrückt,  folgende 
erklärung  zu  geben:  „Darnach  war  die  erst  im  werden  be- 
griffene glottik  schon  so  artig,   dafs  sie  keinen  augenblick 
zögerte  sogar  den   begründer    der   vergleichenden  Sprach- 
forschung und   gewissermafsen  ihren   geistigen  vater,    Fr. 
Bopp,  als  einen  betrüger  oder  charlatan  zu  schmähen.  Die 
glottik  meinte  also  dazumal  ernstlich,  in  der  literatur,  wie 
in   den  wäldern   der  nordamerikanischen  wilden,  seien  die 
väter  von   den  söhnen  todtzuschlagen,    sobald  sie  alt  und 
schwach  geworden;    oder    aber  war  sie  entschlossen    das 
beispiel  der  beiden  Schlegel  nachzuahmen,  die,  wenn  Heine 


*)  H.  bedeutet:  Hattala,  Seh.:  Schleicher,  Cp.:  dessen  compendium  in 
2.*aufl. ,  Dm.:  die  abhandlnng  Hattala' s  De  mutatione,  Sr. :  dessen  Srovnä- 
vaef  mluvnice,    R. :  seine  replik. 


344  Burda 

recht  hat,  berühmtheit  überhaupt  nur  durch  die  damals 
unerhörte,  durch  sie  zur  mode  gewordene  keckheit  erlang- 
ten, womit  sie  die  vorhandenen  literarischen  autoritäten 
angriffen.  Sie  rissen  nach  demselben  als  junge  hei math lose, 
die  nichts  zu  verlieren  hatten,  lorberkränze  von  den  alten 
perücken  und  erregten  bei  dieser  gelegenheit  viel  puder- 
staub. Ihr  rühm  war  eine  natürliche  tochter  des  —  scan- 
dal8  und  der  emporkömmlingssucht ".  Weil  solche  worte 
und  dieser  ton  keines  weiteren  commentars  bedürfen,  so 
kann  ich  nur  noch  bemerken,  dafs  die  erbitterung  H.'s 
bisweilen  selbst  von  einem  gewissen  hochmuthe  nicht  frei 
ist.  Derselbe  spricht  am  deutlichsten  aus  dem,  was  auf 
s.  37  der  R.  steht:  „Der  selige  scheint  ungeachtet  der  ge- 
ringschätzung,  die  er  mir  gegenüber  zur  schau  trug,  sogar 
gefürchtet  zu  haben,  dafs  meine  vorletzte  abhandlung  seinen 
in  klingende  russische  rubeln  umzusetzenden  Ursprachen 
doch  verderblich  werden  könnte,  da  er  keinen  anstand  nahm, 
gegen  dieselbe  ein  solches  heidengeschrei  erheben  zu  lassen, 
wie  es  nach  meiner  unmafsgeblichen  ansieht  die  Leskien'- 
sche  apologie  ist".  Dafs  Seh.,  um  mit  den  Worten  H.'s 
zu  reden,  gegen  des  letzteren  abhandlung  ein  „heidenge- 
schrei" erheben  liefs,  darüber  darf  sich  H.  am  allerwenig- 
sten wundern,  da  er  doch  in  der  replik  s.  94  gesteht,  dafs 
er  Seh.  in  jener  abhandlung  nicht  allein  bekämpft,  sondern 
ihm  „kaustisch"  auch  dinge  vorgehalten  habe,  die  man  sich 
aufserhalb  der  Wissenschaft  noch  weniger  gefallen  läfst. 
Was  den  sonstigen  inhalt  der  R.  anbelangt,  so  wufste  der 
biograph  Sch.'s  im  Naucn^  slovnik,  th.  VII,  h.  7,  s.  326 
sich  recht  gut  zu  erklären,  warum  derselbe  die  glottik  zu 
den  naturwissenschaften  gerechnet  habe,  da  er  sagt:  „Da- 
neben beschäftigte  sich  Seh.  auch  mit  botanik.  die  er  bis 
jetzt  nicht  zu  betreiben  aufhörte,  wodurch  sich  die  in  sei- 
nen Schriften  hervortretende  naturhistorisohe  richtung  er- 
klärt". Doch  nicht  nur  die  naturhistorische,  sondern  auch 
die  materialistische  richtung  Sch.'s  oder  „dafs  der  selige 
die  rein  materialistische  auffassung  der  spräche  auf  die 
spitze  getrieben  habe",  wie  sich  H.  in  der  R.  s.  41  äufsert, 


anzeigen.  345 

ist  nach  jener  meinung  leicht  zu  begreifen.  Die  aufstellung 
von  grundformen  dagegen  bekämpft  H.  von  s.  85 — 89  der 
ß.  unter  andern  auch  mit  folgenden  Worten:  „Dieselbe 
quintessenz  der  glottik  ist  nur  eine  geist-  und  rücksichts- 
lose nachahmung  desjenigen  Verfahrens,  welches  die  an- 
wendung  eines  der  Cuvier'schen  grundsätze  auf  dem  gebiete 
der  paläontologie  übertreibt".  Darnach  sollte  man  fast 
glauben,  dafs  Seh.  nach  der  leetüre  eines  paläontologischen 
werkes  nichts  eiligeres  zu  thun  fand  als  diesen  grundsatz 
schnell  in  die  glottik  einzuführen.  Er  hatte  jedoch  folgende 
gründe  dafür  geltend  gemacht.  1)  Nach  s.  8,  anm.  des 
Cp.s  „wird  dem  lernenden  sofort  das  letzte  ergebnis  in 
concreter  anschaulichkeit  vor  äugen  gestellt".  Wenn  Seh. 
z.  b.  für  skr.  vrkas,  altbaktr.  vehrkas,  lit.  vilkas  und  altslov. 
vlükü  die  grundform  varkas  aufstellt,  so  will  er  damit  wohl 
nur  sagen,  diese  verwandten  Wörter  hätten  nicht  immer  so 
gelautet,  wie  sie  uns  in  den  sprachen  vorliegen,  sondern 
jedes  hätte  sich  aus  einer  älteren  form  entwickelt,  die  Seh. 
eben  grundform  nennt  und  im  vorliegenden  falle  als  varkas 
ansetzt.  Darin  stimmt  er  bisweilen  mit  Bopp  überein,  wo 
dieser  z.  b.  für  skr.  vrkas  die  „urform"  varkas  voraussetzt 
(vergl.  gramm.,  4.  ausg.,  I,  283,  anm.).  Dafs  eine  solche 
grundform  immer  auch  wirklich  vorhanden  gewesen  ist, 
wird  durch  die  aufstellung  derselben  von  Seh.  nicht  be- 
hauptet (indog.  chrestom.,  nachtrag  zum  Cp.  s.  9).  Selbst 
Leo  Meyer,  der  die  vergleichende  Sprachwissenschaft  für 
eine  „vor  allem  historische  Wissenschaft"  hält  (vgl.  gramm. 
d.  griech.  und  lat.  spr.  I,  4),  stellt  mitunter  eine  „gemein- 
same grundform"  z.  b.  agram  für  agrum,  äygov  und  ä£ram 
auf,  welche  einer  Sch.'schen  so  ähnlich  sieht,  wie  ein  ei 
dem  andern.  2)  Seh.  will  nach  Cp.  8.  8,  anm.  dem  vor- 
würfe „Sanskritist"  begegnen  und  sagt  anderswo  (vgl.  Dm. 
s.  9):  „Man  vergleicht  nicht  die  einzelnen  sprachen  mit 
dem  sanskrit  oder  zend,  sondern  man  sucht  mit  hilfe  aller 
indogermanischen  sprachen  das  ursprüngliche  zu  ermitteln 
und  dessen  Veränderung  und  Weiterbildung  in  den  einzelnen 
gebieten  des  indogermanischen  zu  verfolgen".  Man  konnte 


346  Burda 

dies  anwendung  des  grundsatzes  der  entwickelung  auf  die 
sprachen  oder  genetische  erklärung  ihrer  erscheinungen 
nennen.  In  einem  briefe  an  meine  Wenigkeit  aufseile  6ich 
Seh.,  er  halte  „mehr  auf  die  erforschuog  der  laut-  und 
bildnng8gesetze  der  sprachen B  als  auf  die  etymologie. 
Demnach  lehrt  er  z.  b.,  dafs  wxirg  nicht  aus  dem  skr.  äcüs 
entstanden  ist,  sondern  jedes  wort  nach  den  eigentümlichen 
lautgesetzen  seiner  spräche  sich  selbständig  entwickelt  hat. 
Durch  die  grundform  äkus  will  er  dem  lernenden  eben  nur 
anschaulich  machen,  dafs  <oxvg  nicht  das  kind  von  äcüs, 
sondern  dafs  beide  Wörter  brüder  und  kinder  eines  seligen 
dritten  Wortes  sind.  „Wir  nennen  sprachen  verwandt,  sagt 
Leo  Meyer  (a.  a.  o.  I,  4),  die,  wenn  auch  noch  so  weit 
auseinander  gegangen  und  noch  so  verschieden  entwickelt, 
doch  in  einer  früheren  zeit  einmal  noch  nicht  getrennt 
waren,  sondern  eine  ursprüngliche  einheit  bildeten".  Nun 
sind  die  Wörter  äcus  und  wxvg  verwandt,  wie  will  man 
denn  also  die  ursprüngliche  einheit  beider  anders  und  ein- 
facher als  durch  eine  grandform  äkus  herstellen?  3)  Ein 
dritter  grund  findet  sich  in  der  indog.  chrestom.,  nachtrag 
zu  Cp.  s.  9,  wo  es  heifst:  „Erst  dann,  wenn  formen  ver- 
schiedener lautstufen  auf  eine  und  dieselbe  lautstufe  gebracht 
sind,  lassen  sie  sich  mit  einander  vergleichen tf.  Diese  worte 
Sch.'s  erinnern  einigermafsen  an  brüche  von  ungleichem 
nenner,  die  vor  der  vergleicbung  hinsichtlich  der  gröfse 
erst  gleichnamig  gemacht  werden  müssen.  So  ist  denn 
z.  b.  die  form  pätis  der  gemeinschaftliche  nenner  für  noaig, 
got.  -faths  u.  s.  w.  4)  Daraus  ergibt  sich  ein  vierter  prak- 
tischer grund,  welcher  im  vorigen  schon  enthalten  ist.  Oft 
sind  verwandte  Wörter  aus  verschiedenen  sprachen  durch 
den  einflufs  der  lautgesetze  wie  mit  einem  schleier  verhüllt, 
so  dafs  ihre  identität  dadurch  verborgen  bleibt.  Wer  nun 
entfernt  verwandte  sprachen  mit  einander  vergleichen  will, 
der  wird  immerhin  gut  thun,  sich  die  grundformen  wenig- 
stens in  gedanken  zu  construiren,  im  falle  er  empfind- 
lichen eeelen  kein  ärgernis  geben  will.  Ich  setze  ein  bei- 
spiel   her.     In   dem  von  Nesselmann  veröffentlichten  alt- 


anzeigen.  347 

preußischen  vocabular  kommt  s.  14,  n.  367  das  wort  ansis 
(haken)  vor,  welches  der  herausgeber  mit  dem  altlit.  ansa 
(handhabe,  henkel)  zusammenstellt.  Weil  jedoch  geschlecht 
und  bedeutung  beider  worter  nicht  gut  übereinstimmen,  so 
bildete  ich  mir  die  beiden  bei  ansis  möglichen  monstra 
horrenda  von  grundformen,  nämlich  *ansas  und  *ankas. 
Sofort  kam  die  ähnlichkeit  von  *ankas  mit  dem  gr.  dyx- 
-ikog  und  öyxog  nebst  dem  lat.  uncus  zum  Vorschein. 
Lautliche  form,  geschlecht  und  bedeutung  der  Wörter  ansis 
(haken),  oyxog  (krümmung,  haken)  und  uncus  (dass.)  liefsen 
nun  nichts  zu  wünschen  übrig.  Weil  man  ferner  nach  den 
lautgesetzen  im  litauischen  sz  zu  erwarten  hat,  so  gehört 
das  wort  väszas  (haken,  Nesselmann,  lit.  wb.  8.  55)  hieher, 
und  dies  um  so  mehr,  als  Nesselmann  a.  a.  o.  aus  einer 
verläfslichen  quelle  auch  die  formen  wanszas  und  waszas 
anführt.  Dieses  litauische  wort  ist  dann  in  einer  andern 
beziehung  merkwürdig,  als  es  nämlich  beweist,  dafs  in 
dieser  spräche  einem  anlautenden  a  der  consonant  v  vor- 
geschlagen werden  kann.  Dadurch  wird  aber  auch  der 
Zusammenhang  des  lit.  venas  mit  dem  altpr.  ains  (selbst 
erains  =  alvens,  lit.  wb.  s.  5)  viel  wahrscheinlicher,  wie- 
wohl anlautendes  e  sonst  ein  j  erhält  (jeszköti  u.  s.  w.). 
Wer  also  die  bis  jetzt  angeführten  gründe,  welche  im  Cp. 
und  in  den  nachtragen  bei  der  indog.  chrestom.  entweder 
ausgesprochen  sind  oder  sich  von  selbst  daraus  ergeben, 
genau  erwägt,  der  wird  hoffentlich  beistimmen,  dafs  der 
Vorwurf  einer  „geist-  und  rücksichtslosen  nachahmung" 
doch  zu  stark  ist.  Wenn  die  grundformen  Sch.'s  meist 
auch  nur  pure  abstractionen  sind,  so  haben  sie  doch  immer 
noch  das  gute  sprechbar  zu  sein.  So  oft  aber  H.  z.  b. 
sagt,  der  stamm  von  beru  =  altsl.  bera.  sei  ber,  stellt  er 
ebenfalls  eine  rein  abstrahirte  form  auf,  indem  ja  ber  als 
wort  nirgends  vorkommt,  es  sei  denn,  dafs  die  endung  ab- 
fallen wäre.  Auf  was  für  monstra  horrenda  indessen  nicht 
nur  Seh.,  wie  man  nach  H.  doch  annehmen  sollte,  sondern 
auch  dieser  selbst  mit  seinen  abstractionen  kommen  kann, 
beweist  z.  b.  die  Sr.,  s.  273  und  297,  wo  er  unter  anderen 


348  Burda 

folgende  lautgebilde  allen  ernstes  als  stamme  aufzählt:  cn, 
tn,  zn,  jm,  mo,  dm,  zdm,  rv,  rv,  zv,  zv,  ätv,  lh,  88,  cp. 
Diese  quintessenz  der  Sr.  ist  eine  nnüberlegte  nachahmung 
eines  Miklosich'sehen  oder  Curtius'schen  Verfahrens,  wel- 
ches wohl  im  altslovenischen  und  griechischen,  nicht  aber 
im  böhmischen  angewendet  werden  kann.  Denn  jeder,  der 
solche  stamme,  wie  jm,  dm  u.  dgl.  vorlesen  sollte,  wird 
ihnen  sicherlich  das  lob  ertheilen,  dafs  sie  nicht  nur  ab- 
strahirt,  sondern  auch  „unaussprechlich"  sind,  wenn  er  sie 
am  ende  nicht  gar  für  eine  art  semitischer  wurzeln  halten 
wird.  Endlich  glaube  ich,  dafs  Seh.  selbst  nahe  daran 
war,  wenigstens  einen  theil  seiner  grundformen  zu  opfern« 
Denn  so  würde  sich  am  natürlichsten  auslegen  lassen,  was 
er  in  der  vorrede  zu  den  nachtragen  bei  der  indog.  chre- 
stom.  erwähnt:  „Beim  drucke  einer  etwa  nöthig  werdenden 
3.  aufläge  soll  durch  zweckmäfsige  abkürzungen  dafür  ge- 
sorgt werden,  dafs  trotz  der  nöthigen  zusätze  umfang  und 
preis  des  buches  nicht  wachse".  Diese  vermuthung  bleibt 
allerdings  nur  vermuthung,  sie  hat  aber  das  gute,  dafs  sie 
nach  einem  bekannten  Spruche  von  dem  todten  immer  das 
bessere  voraussetzt.  Bei  H.  hingegen  mufs  man  bisweilen 
annehmen,  er  halte  es  beinahe  für  unmöglich,  dafs  zwei 
menschen  einen  und  denselben  gedanken  haben.  Denn  nur 
so  wird  man  die  stelle  auf  s.  73  der  ß.  vollständig  begrei- 
fen: „Nach  meiner  unmafsgeblichen  ansieht  verhält  es  sich 
mit  dieser  entschuldigung  der  glottik  um  vieles  ärger  als 
mit  der  Curtius'schen.  Denn  es  ist  ja  z.  b.  beinahe  hand- 
greiflich, dafs  ihr  kern  sogar  als  plagiat  gebranndmarkt 
werden  mufs,  da  er  der  Curtius'schen  unter  den  dazu  not- 
wendigen und  vorhandenen  bedingungen  entnommen  ist". 
Joh.  Schmidt  hätte  also  ein  plagiat  begangen  und  Curtius 
am  ende  nicht?  Wenn  nämlich  jemand  schon  auf  die  jagd 
nach  plagiaten  auszieht,  der  kann  sich  ja  mit  leichter  mühe 
das  vergnügen  verschaffen,  auch  die  entschuldigung  von  Cur- 
tius (R.  s.  72,  anm.  1)  als  „plagiat  zu  brandmarken".  Im 
j.  1860  gab  Kvet,  von  dem  H.  in  Dm.  s.  19  selbst  sagt: 
„qui  ex  auditore  amicissimus  mihi  e vaserat  optimeque  me 


anzeigen.  349 

de  se  sperare  jusserat  hoc  praesertim  opusculo:  Staroceskä 
mluvnice",  die  eben  genannte  altböhmische  grammatik  her- 
aus,  welche  nur  die  laut-  und  flexionslehre,   mithin  noch 
weniger  als  das  Cp.,  enthält.   Wie  entschuldigt  sich  jedoch 
Kvet,  dafs  er  gar  keine  syntax  bietet?  »Vor  allem",  sagt  er, 
„mufs  ich  mich  entschuldigen,  dafs  ich,  obwohl  es  der  titel 
des  werkchens  erheischt,  die  altböhmische  syntax  mit  still- 
schweigen übergangen  habe.   Der  grund,  warum  ich  diesen 
fehler  begangen,  ist  hauptsächlich  der,  dafs  es  in  unserer 
zeit,  wo  die  böhmische  syntax  überhaupt  wissenschaftlichen 
werth  sich  erst  zu  erringen  beginnt,  einerseits  weder  gera- 
then  noch  zeitgemäfs  wäre  schon  jetzt  mit  jenem  erfolge 
auf  die  altböhmische  syntax  einzugehen,  den  jeder  leitfaden 
der  schule  sichern  soll,  andererseits  dafs  es  der  studirenden 
jugend  hauptsächlich  und  vor  allem  darum  zu  thun  ist,  die 
altböhmischen  formen    gehörig    kennen    zu  lernen    und   zu 
würdigen".     Wer  nun  den  passus  von  Curtius:  „Für  eine 
durchgreifende  neugestaltung  der  griechischen  syntax  fehlen 
noch    die  wissenschaftlichen   vorarbeiten"    mit  jenem  von 
Kvet:  „Die  böhmische  syntax  überhaupt  beginnt  erst  wis- 
senschaftlichen werth  sich  zu  erringen"  vergleicht,  der  mufs 
doch  einsehen,  dafs  beide  sätze  an  ihrer  stelle  das  nämliche 
sagen.   Daraus  folgt  jedoch,  dafs  der  kern  der  Curtius'schen 
entschuldigung  eigentlich  schon  ein  plagiat  aus  Kvet  wäre. 
Ist  die  schlufsfolgerung  etwa  nicht  richtig?  Denn  ob  Cur- 
tius denselben  nun  wirklich  von  Kvet  hat,  darnach  braucht 
H.  doch  nicht  zu  fragen.     Kvet's  altböhmische  grammatik 
erschien  ja  in  erster  aufläge  zu  Prag  im  j.  1860,  die  er- 
läuterungen  von  Curtius  hingegen  erst  1863,  allein  schon 
Cicero  wufste:   „quidquid  antecedat  quamque  rem,   id  co- 
haerere  cum  re  necessario  (Dm.  8.  43)!"  Hält  man  ferner 
die  worte  von  Joh.  Schmidt:   „Es  wäre  verfrüht  jetzt,  wo 
an   der   rein    formellen    seite    der  spräche  noch  so   vieles 
dunkel  ist,  schon  auf  die  syntax  einzugehen"  zu  dem  letz- 
ten theile  der  stelle,  welche  ich  oben  aus  der  vorrede  von 
Kv£t  übersetzt  habe,   so  sollte  man  nach  H.'s  vorgange 
darin  ebenfalls  ein  plagiat  erblicken.    Woher  hat  endlich 


350  Burda 

Sch»  selbst  die  anm.  2  im  Cp.  s.  2,  welche  er  als  ent- 
schuldigung  vorbringt?  „Die  function  und  den  satzbau  des 
indogermanischen  sind  wir  zur  zeit  noch  aufser  stände  in 
der  art  wissenschaftlich  zu  behandeln,  wie  wir  es  bei  den 
mehr  äufserlichen  und  leichter  erfafsbaren  seiten  der 
spräche,  den  lauten  und  formen,  vermögen".  Das  will  doch 
sagen,  die  syntax  des  indogermanischen  fange  erst  an  wis- 
senschaftlich behandelt  zu  werden;  ist  es  also  auch  ein 
plagiat  aus  Kvet?  Auf  diese  weise  gäbe  es,  wie  man  sieht, 
der  plagiate  nach  dem  begriffe  H.'s  gar  kein  ende.  Dazu 
geht  seine  Opposition  gegen  Sch.  an  anderen  stellen  bis  in's 
kleinliche.  Man  lese  z.  b.  die  s.  84,  anm.  221  in  Dm.: 
„Litvani  autem  teste  Miklosichio  (dicunt)  vaskas,  pro  quo 
apud  Sch.  constanter  reperies  vaszkas  —  num  jure  an  se- 
cu8,  alii  et  in  his  ii,  qui  de  vocabuli  ejus  dem  origine  dis- 
ceptaturi  sunt,  viderint*.  Um  aus  diesem  zweifei  wegen  s 
oder  sz  herauszukommen,  möge  H.  das  litauische  wörter- 
blich von  Nesselmann,  dessen  objectivität  er  in  der  R.  s.  4 
selbst  lobt,  nachschlagen,  wo  er  auf  s.  55  vorläufig  nur 
wäszkas  finden  wird.  Wenn  er  jedoch  voskü  durch  meta- 
thesis  aus  *voksü  neben  dem  deutschen  wachs  erklärt,  so 
nimmt  er  doch  wohl  an,  das  slavisch- litauische  wort  sei 
aus  dem  deutschen  entlehnt.  Es  Hefse  sich  aber  auch 
väsz-kas  und  vos-kü  abtheilen  und  lit.  sz  neben  altslov.  s 
einem  deutschen  chs  (vgl.  achse,  lit.  aszis,  sl.  osi)  gleich- 
setzen, so  dafs  kas,  kü  das  suffix  wäre.  Was  aber  die 
note  257  in  Dm.  s.  96  betrifft,  die  da  mit  den  worten  en- 
det: „Me  insuper  consolatur  spes,  quod  valde  suspicor 
fore,  ut  quidam  eorum  assentiantur  mihi  exclamanti:  vae 
rarissimo  illi  vocabulo,  si  in  eruditas  Sch.  manus  incide- 
rit!"  die  ist  nicht,  wie  A.  Leskien  sagt,  höchst  unanstän- 
dig, sondern  sie  ist  ganz  einfach  lächerlich.  Glaubt  denn 
H.  in  der  that,  dafs  Sch.  nicht  schon  von  weitem  gerochen 
hätte,  welcher  slovakismus  in  der  form  matera  stecke?  Er 
hätte  es  ja  aus  der  von  ihm  recensirten  Sr.  s.  182  und  190 
erfahren  können,  wo  H.  die  slovakischen  Wörter  l'udia  = 
altsl.  ljudije  (leute)  und  znamenia  =  altsl.  znamenije  (neutr. 


anzeigen.  351 

nom.  8g.  zeichen)  anführt.   Und  wie  erklärt  H.  den  vocal  a 
im  slovakischen  gen.  und  acc.  8g.  teba  und  seba  (Sr.  s.  232), 
der  doch  formell  dem  altslov.  tebe,  sebe  so  genau  entspricht, 
wie  matera   dem  altsl.  matere?    Wenn  Seh.  weiter  im  Cp. 
s.  344   eine  wurzel  i   oder  u   aufstellt,   so   ist  eine  solche 
ansieht  nach  R  s.  36  nur  „köhlerglaube" !  Jene  stelle  kann 
jedoch  im  Cp.   keinen   anderen   als   folgenden  sinn  haben: 
Mit  den  mittein,  welche  uns  die  heutige  Sprachwissenschaft 
an  die  hand  gibt,  lassen  sich  aus  gewissen  Wörtern  nur  die 
vocale  i  und   u   als  wurzeln  herauslösen.     Wie  man  z.  b. 
für  vedmi  eine  wurzel  vid  annimmt,  so  kommt  man  in  emi 
nur  auf  eine  wurzel  i.     Dafs  H.  für  das  altsl.  i.ti  die  wur- 
zel in   der  form  ji  ansetzt  (R.  8.  75),   reicht  eben  nur  für 
das  altsloveniscbe  aus;  denn  was  soll  man  bei  lit.  eimi,  gr. 
eifu   und  skr.  emi   annehmen,   und   wie  verhält  sich  iti  zu 
lit.  eiti?  Doch  alle  diese  bemerkungen  werden  hier  nur  ge- 
macht, um  vorerst  zu  zeigen,  dafs  H.'s  Opposition,  wie  ich 
früher    bemerkt    habe,    zuweilen    bis    in's   kleinliche   geht. 
Damit  wird  man  sich  auch  erklären  können,   dafs  er,   der 
nach  seinen  eigenen  worten  für  die  syntax  erglüht  (R.  s.  60), 
in   bezug  auf  diese   natürlich   keine   entschul digung  gelten 
lassen  will,  auch  wenn  sie  noch  so  begründet  wäre.     Seh. 
hatte  ja  im  Cp.   die  vergleichende  syntax  aller  oder  doch 
der    meisten    darin    behandelten    sprachen    zu  bieten    und 
wufste  nur  zu  gut,  dafs  selbst  die  beste  casustheorie  noch 
keine  syntax  ist  (R.  s.  56 — 61   und  72,  anm.  2),  so  dafs 
die   Schwierigkeiten,    denen   er   gegenüberstand,    unendlich 
gröfser  waren  als  bei  Kvet.    Denn  dieser,  der  in  der  oben 
berührten  vorrede  bekennt,   dafs  H.  ihm  bei  der  ausarbei- 
tung  der  altböhmischen  grammatik  „mit  freundschaftlichem 
rathea   beigestanden    habe,    konnte  sich   an  jener  syntax, 
welche   den  ersten  theil  der  Sr.  bildet  (R.  8.  30,  anm.  1), 

V 

ein  muster  nehmen,  hatte  ferner  Safafik's  demente  der  alt- 
böhmischen  grammatik  (§.  89  — 100)  vor  sich  und  konnte 
auch  seinen  lehrer  H.  um  rath  fragen.  Wenn  er  aber  die 
altböhmische  syntax  dennoch  mit  stillschweigen  überging 
und  wenn  EL  in  Dm.  s.  19  dennoch  über  Kvöt  sagt:  „qui 


352  Burda 

optime  tue  de  se  sperare  jusserat  hoc   praesertim 

opusculo:   Staroceska  mluvnice",  so  mufs  man  sich  doch 
fragen:    1)  heifst   das  nicht  sich  selbst  loben,   wenn  man 
das  buch  seines  schülers  lobt,  dem  man  bei  der  ausarbei- 
tung  geholfen  hat,   und  2)  heifst  das  nicht  bei  Kvet  ein 
äuge  zudrücken,  wenn  man  ihn  hoffnungsvoll  nennt,  blofs 
weil  er  die  consonanten  so  behandelt  wie  H.,  oblgleich  seih 
buch   weder  eine  wortbildungslehre  noch  eine  syntax  ent- 
hält, für  welche  sein  lehrer  doch  erglüht?  Dafür  wird  aber 
A.  Leskien  ein  „ausbund  jedweder  Parteilichkeit"  genannt 
(R.  8.  39),  Joh.  Schmidt  gleichviel,  ob  mit  recht  oder  un- 
recht,  eine.s  plagiates  beschuldigt,   Sch.'s  namen  wird  da- 
gegen  öfter   mit  dem  worte  syntax   in  eine  solche  Verbin- 
dung gebracht,   als  wäre  derselbe  in  syntaktischen  dingen 
ein  wahrer  idiot  gewesen  (vergl.  Dm.  s.  9,  anm.  23;    dann 
R.  8.  69,  54,  18)!  Endlich  liest  man  auf  s.  70  der  R.  sogar 
das   urtheil,   welches  H.   über   die  griechische  syntax  von 
Curtius  und  die  litauische  von  Seh.  fällt:  „Wer  den  trüben 
eindruck   nicht   scheut,   den   die  Wahrnehmung  verursacht, 
dafs  an  zwei  männern  wie  6.  Curtius  und  A.  Seh.  die  ent- 
wickelung  der  Sprachwissenschaft  von  1816  bis  heute  ihrem 
wesen   nach   spurlos  vorüber  gehen  konnte,   der  werfe  in 
ihre    syntaxen    einen   blick".     Nun,    meine   Wenigkeit  hat 
einen   trüben   eindruck  nicht  gescheut    und   die  syntax  in 
der  griechischen  schulgrammatik  von  Curtius   mit  jener  in 
der  Sr.  verglichen.     Das  ergebnis  dieser  vergleichung  war 
aber,  dafs  sich  Curtius  vor  H.  nicht  zu  schämen  braucht. 
Zu  den   „kleinigkeiten",   welche  man  in  der  Sr.  vermifst, 
gehört  z.  b.   der  gebrauch   des   numerus   (siehe  unten   bei 
xrigsa),  der  gebrauch  der  präpositionen,  die  sehr  stiefmüt- 
terlich  abgefertigt  werden,    obwol  sie   bei   den  idiotismen 
(R.  8.  10)  eine  grofse  rolle  spielen,  der  gebrauch  der  tem- 
pora  und  modi,   vor  allem  jedoch  der  gebrauch  der  verba 
perfectiva,    durativa    und  iterativa,   welcher  theil  für  die 
böhmische  syntax   so  wichtig  ist,    dafs  man   einem  jeden 
böhmischen  syntaktiker:  hie  Rhodus!  zurufen  kann.   Denn 
die  bedeutung  der  beiden   momente  des  böhmischen  zeit- 


anzeigen.  353 

Wortes,  welche  Curtius  mit  den  worten  „zeitstufe  und 
zeitart"  nur  andeutet,  ist  bis  jetzt  immer  noch  zu  wenig 
beachtet  oder  besser  gesagt  fast  ganz  vernachlässigt  wor- 
den, obwol  sie  nicht  nur  für  das  böhmische,  sondern  für 
das  slavische  überhaupt  höchst  charakteristisch  ist.  Denn 
„id  quemque  maxime  decet,  quod  est  cujusque  maxime 
suum"  (Dm.  s.  13,  anm.  28),  und  ist  die  ausbildung  der 
„zeitart"  nach  dem  aussterben  der  einfachen  form  für  das 
futurum  (wie  lit.  büeiu)  und  in  einigen  slavischen  sprachen 
auch  nach  dem  Verluste  des  aoristes  für  die  syntax  wichtig. 
Der  glottiker  Curtius  siebt  ferner  z.  b.  nicht  allein  auf  die 
form,  sondern  auch  auf  die  bedeutung  der  Zusammensetzung, 
was  der  syntaktiker  H.  nicht  thut,  obwol  er  sich  mehr  um 
die  geistige  seite  der  spräche  kümmert.  Sogar  in  der 
wortbildungslehre,  so  skizzenhaft  dieser  theil  in  Curtius9 
schulgrammatik  bearbeitet  werden  mufste,  steht  H.  gegen 
Curtius  darin  zurück,  dafs  er  auf  die  bedeutung,  welche 
die  durch  Vereinigung  des  Suffixes  mit  der  wurzel  oder  mit 
einem  stamme  entstandenen  Wörter  haben,  weniger  gewicht 
legt  als  der  glottiker  Curtius.  Oder  soll  der  schüler  etwa 
nicht  erfahren,  welche  bedeutung  z.  b.  das  dem  altslov. 
bogatistvije  entsprechende  böhmische  wort  bobatstvi  hat? 
Von  der  syntax  in  der  Sr.  kann  man  dagegen  überhaupt 
sagen,  dafs  sie  mehr  eine  allgemeine  als  eine  böhmische 
syntax  ist.  Kvet,  der  die  biographie  H.'s  (s.  Nauänjf  slo- 
vnik,  th.  III,  s.  667)  geschrieben  hatte,  nahm  sie  später 
noch  in  schütz,  indem  er  sagte:  „Dafs  die  syntax  als  die 
erste  arbeit  dieser  art  nicht  ohne  mängel  ist,  versteht  sich 
von  selbst.  Mit  so  vielen  und  solchen  ist  sie  aber  kaum 
behaftet,  als  Franta  Öumavsk^  daran  zu  rügen  fand". 
Demnach  war  es  noch  nicht  genug,  dafs  schon  H.  dieselbe 
früher  mit  einer  „kaustischen"  feder  (R.  s.  30)  vertheidigt 
hatte,  wiewol  er  selbst  gesteht  (vorrede  zur  Sr.  XVII),  dafs 
er  die  böhmische  syntax  zum  theil  auf  einen  leisten  schlug, 
den  andere  für  die  lateinische  oder  deutsche  gemacht  ha* 
ben.  Soll  aber  die  syntax  einer  spräche  nicht  einen  eige- 
nen leisten   haben,   damit  gerade  dasjenige,    was  ihr  am 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  8.  23 


354  Bords 

meisten  eigentümlich  ist,  dadurch  auch  am  besten  hervor- 
treten könne?  Jene  „kaustische  feder"  wurde  von  Öembera 
(zeitschr.  d.  böhm.  museums,  1858,  s.  618)  so  bezeichnet: 
„In  H.'s  Schriften  beleidigt  es  jeden  nicht  wenig,  dafs  er 
sich  fortwährend  über  andere  erhebt,  als  hätte  er  allein  die 
ganze  slavische  Sprachwissenschaft  gepachtet ",  obgleich 
derselbe  die  Verdienste  H.'s  sehr  gut  zu  schätzen  weife. 
Auch  meine  Wenigkeit  stimmt  z.  b.  H.  bei,  wenn  er  die 
genitive  vlüka  und  iga  den  skr.  ablativen  vfkät  und  jug&t 
gleichsetzt,  doch  nicht  aus  syntaktischen,  sondern  nur  aus 
lautlichen  gründen.  Was  nämlich  den  gebrauch  anbelangt, 
so  stimmt  z.  b.  der  griechische  genitiv  mit  dem  slavischen 
merkwürdig  überein,  und  ist  dennoch  genitiv  vom  reinsten 
wasser.  Geht  ferner  jemand  von  dem  falle  aus,  dafs  die 
casus  Vejis  und  Athenis  auch  locativ  gebraucht  werden, 
so  könnte  er  sich  bewogen  fühlen  jene  formen  lieber  gleich 
für  plurale  locative  zu  erklären.  Ob  Leo  Meyer,  der  z.  b. 
die  form  equis  der  griechischen  tnnoig  gleichsetzt  (vgl.  gr. 
I,  1 74),  dies  nun  aus  syntaktischen  gründen  thut,  kann  ich 
nicht  bestimmen,  sondern  nur  angeben,  auf  welchem  wege 
meine  Wenigkeit  zu  dieser  ansieht  gekommen  ist.  Als  ich 
im  gymnasium  hörte,  dafs  die  form  Romae,  Corinthi  auch 
ein  loc.  sing,  sei,  so  dachte  ich,  dafs  es  vielleicht  auch  einen 
locativ  pluralis  geben  könnte,  und  fand  später  die  verglei- 
chung  von  equis  mit  i'nnoig  und  &$vgäu  in  lautlicher  hin- 
sieht leichter  als  die  mit  äpvebhjas.  Es  genügt,  wie  zu 
sehen,  mitunter  die  geringfügigste  Wahrnehmung,  auf  dafs 
jemand,  einmal  aufmerksam  gemacht,  weiter  gehen  und 
noch  mehr  entdecken  könne.  Dieser  umstand  hat  noch 
eine  besondere  Wichtigkeit,  weil  er  zum  Verständnisse  der 
worte  H.'s  auf  s.  93 — 94  der  R.  nicht  wenig  beizutragen 
vermag.  Dort  gesteht  derselbe  nämlich  ganz  aufrichtig: 
„Ich  hatte  (Dm.  8.  43)  den  muth  seinem  meister  (d.  i.  Seh.) 
das  siebente  gebot  gottes  hinsichtlich  meiner  eigenen  lehre 
über  den  hiat  freilich  sehr  kaustisch  in's  gedächtnis  zu 
rufen",  f&r  welche  phrase  das  gewöhnliche  leben  einen  ein- 
facheren namen  hat.     Wo  jedoch  das  siebente  gebot  in's 


anzeigen.  355 

spiel  kommt,  dort  ist  es  wol  auch  angezeigt  sich  etwas 
genauer  umzusehen.  An  der  genannten  stelle  (Dm.  8.43) 
f&hrt  H.  zuerst  aus  Seh. 's  aufsatz:  „Das  auslautgesetz  des 
altkirchenslavischen  "  folgende  worte  an:  „Mit  der  aus* 
schliefslichen  Vorliebe  des  altbulgarischen  für  vocalischen 
auslaut  hängt,  wie  bereits  von  slavischen  gelehrten  ver- 
muthet,  seine  Vorliebe  f&r  consonantischen  anlaut  zusammen ; 
denn  auch  im  inlaute  zeigt  diese  spräche  eine  entschiedene 
scheu  vor  dem  hiatus  u.  s.  w.".  Daraus  kann  der  gesunde 
verstand  doch  nur  zweierlei  entnehmen,  1)  dafs  Seh.  nicht 
der  einzige  zu  sein  vorgibt,  welcher  zu  dieser  ansieht  sich 
bekennt,  und  2)  dafs  slavische  gelehrte  bereits  dasselbe 
vermuthet  haben.  Ob  so  etwas  schon  den  namen  plagiat 
verdient  oder  nicht,  kann  man  vielleicht  benrtheilen,  wenn 
man  jene  ansieht  z.  b.  mit  einem  bilde  vergleicht.  Wenn 
nämlich  Seh.  sein  bild  vorzeigt  und  die  bemerkung  macht, 
dafs  bereits  slavische  maier  auch  ein  solches  gemalt  haben, 
ist  nun  einer  von  diesen  malern  berechtigt  gleich  mit  dem 
zaunpfahle  des  siebenten  gebotes  über  Seh.  herzufallen, 
weil  er  jene  meister  nicht  namentlich  anführt  (vergl.  Dm. 
s.  43  mit  B.  s.  94)?  Diese  worte  scheinen  im  ersten  äugen- 
blicke  vielleicht  derb  zu  sein,  doch  erwäge  man,  was  gleich 
folgt.  Jener  von  H.  berührte  aufsatz  Sch.'s  erschien  auf 
keinen  fall  vor  dem  jähre  1858,  allein  schon  2  jähre  zuvor, 
d.  i.  1856,  gab  Seh.  seine  litauische  grammatik  heraus, 
woselbst  s.  66  zu  lesen  ist:  „In  manchen  gegenden  liebt 
man  beim  zusammentreffen  eng  zusammengehöriger  worte, 
von  denen  das  erste  auf  einen  vocal  auslautet  und  das. 
zweite  mit  einem  vocal  anlautet,  letzterem  ein  j  vorzuschla- 
gen, z.  b.  sükasi  m%  jänt  (für  änt)  szirdes;  päs  t&v£li  j&u- 
gau  (für  &ugau).  Ja  man  setzt  vor  jeden  anlautenden  vo- 
cal j,  z.  b.  jö  ke[  dar^sit  jisz  m&no  szakü  (für  ö,  ißz).  In 
niederlitauischen  drucken  findet  sich  j  innerhalb  des  Wortes, 
z.  b.  jyms,  d.  i.  Jims  fbr  ims;  nujyms,  d.  i.  nujims  für 
nulms) ;  diese  ausspräche  hört  man  auch  im  hochlitauischen 
häufig".  Damit  verbinde  man  noch,  was  aufs.  55  und  341. 
steht:   „Anlautendem,  aus  i  gesteigertem  fc  wird  j  vorge- 

23* 


356  Burda 

setzt  (pra-jörkä,  j£szk6ti,  jeszmas);  dagegen  lautet  das  aus 
a  entstandene  6  ohne  j  an:  ö'ris,  vgl.  äg-vog,  e'dmi,  wurzel 
ad.  —  Nach  Kurschat  (beitrage  II,  p.  16)  soll  dies  vorge- 
setzte j  nur  nach  vorausgehendem  vocale  hörbar  sein,  eine 
ausspräche,  die  gewifs  nur  dialectisch  ist;  ich  habe  dieses 
j  stets  bei  diesen  Worten  vernommen.  Vor  hartem  e  kommt 
ein  vorgesetztes  j  vor  in  ap-jekti  (erblinden),  vgl.  ak-las 
(blind);  im  zem.  scheint  dies  häufiger  vorzukommen,  z.  b. 
jesti  für  bochlit.  6'sti,  wurzel  ad,  vgl.  §.  22*.  Durch  diesen 
zusatz:  vgl.  §.  22,  weist  aber  Seh.  wiederum  gerade  auf 
das,  was  ich  schon  von  der  s.  66  citirt  habe.  Erwägt  man 
daher  alles  genau,  so  wird  man  mit  fug  und  recht  folgende 
Schlüsse  ziehen  können.  1)  Die  Wahrnehmung,  dafs  „beim 
zusammentreffen  eng  zusammengehöriger  worte,  von  denen 
das  erste  auf  einen  vocal  auslautet  und  das  zweite  mit 
einem  vocale  anlautet,  letzterem  ein  j  vorgeschlagen"  werde, 
hatte  Seh.  dort  gemacht,  wo  ihn  H.  keines  plagiates  be- 
schuldigen darf.  2)  Seh.  hatte  sie  aber  auch  früher  ge- 
macht, ehe  er  den  betreffenden  aufsatz  über  das  auslaut- 
gesetz  des  altslovenischen  geschrieben  haben  konnte. 
3)  Wenn  Seh.,  dessen  obren  überdies  glaubwürdige  zeugen 
waren,  also  wufste,  dafs  und  wo  im  litauischen  ein  j  vor- 
geschlagen werde,  so  blieb  er  sich  nur  consequent,  als  er 
den  Vorschlag  eines  j  im  altslovenischen  ebenso  erklärte.  Wer 
aber  mit  Columbus  ein  ei  auf  die  spitze  stellt,  der  kann 
doch  auch  zwei  und  mehrere  so  aufrichten,  d.  h.  sich  auch 
den  Vorschlag  von  v  so  auslegen.  Nehmen  wir  somit  an, 
Seh.  hätte  sich  etwa  so  ausgedrückt:  Mit  der  ausschliefst 
liehen  Vorliebe  des  altbulgarischen  für  vocalischen  auslaut 
hängt  seine  Vorliebe  für  consonantischen  anlaut  zusammen, 
zu  welcher  ansieht  ich  durch  gewisse  erscheinungen  in  den 
dialecten  des  nah  verwandten  litauischen  (s.  lit.  gramm. 
s.  66,  z.  1  — 13  v.  o.)  gekommen  bin;  wäre  H.  im  stände 
auch  nur  das  geringste  dagegen  einzuwenden?  Also  gerade 
durch  die  ausdrückliche  bemerkung:  „wie  bereits  von  sla- 
vischen  gelehrten  vermuthet",  leistet  Seh.  mindestens  so 
viel,  wenn  nicht  mehr  als  z.  b.  Miklosich,  der  im  lex.  pa- 


anzeigen.  3.57 

laeosl.  unter  vütoryj  sich  auf  die  worte  beschränkt:  „Nos 
olim  cum  Dobrovio  de  dva  cogitabamus ,  coraparantes  gr. 
öevvsQog".  Diese  besagen  jedoch  nach  meiner  ansieht  nicht 
mehr,   als  a)  dafs  Miklosich   und  Dobrovsk^  vütoryj  mit 
Öevveoog  verglichen  haben,  und  b)  dafs  jener  nicht  der  erste 
war,    welcher    es    mit  äntaras    zusammenstellte.     Wo  ist, 
dürfte  man  fragen,  eine  wenn  auch  noch  so  leise  andeutung 
der  quelle,   die   das  fragliche  wort  zuerst  mit  äntaras  ver- 
glichen hatte?  Und  wie  reimt  sich  demnach  diese  lichtseite 
H.'s  gegen  Miklosich   mit  seiner  Schattenseite  gegen  Seh. 
im  bezug  auf  die  lehre  vom  hiatus?  Der  beweis,  dafs  Seh. 
die  vergleichung  von  vütoryj  mit  äntaras  nur  aus  der  Zeit- 
schrift des  böhmischen   museums,    1852,  II,  176    kennen 
gelernt  hatte,   den  H.  in  Dm.  s.  54  zu  liefern  versuchte, 
ist  noch  nicht  unumstöfslich  (R.  s.  94),  obwol  er  sich  durch 
seine   fassung   ebenfalls   wie   ein  wink   mit  dem  zaunpfahle 
des  siebenten  gebotes    ausnimmt.     Damit  jedoch   der  ge- 
nannte beweis  wirklich  unumstöfslich  wäre,  dazu  sind  nach 
meiner  unmafsgeblichen   meinung   noch   zwei  stücke  erfor- 
derlich:   1)  der  beweis,   dafs  Seh.   die  abschwächung  von 
an,  am  zu  ü  an  keinem  anderen  worte  wahrnehmen  konnte 
als  an   vütorü  und  vü,  namentlich   dafs  er  das  böhmische 
outery  (dienstag,  eig.  der  zweite)  nicht  kannte,  weil  dieses 
sich  nicht  aus  dem  altslovenischen  vütoryj  erklärt,  sondern 
ein  *J|toryj  oder  schon  *utoryj  voraussetzt,  und  2)  dafs  er 
zu  gleicher  zeit  nicht  wufste,   einem  anlautenden  ü  werde 
v    vorgeschlagen    oder    u    könne    auch    in    vü    übergehen. 
Einen  dritten  interessanten  umstand  bietet  H.  selbst  in  der 
Sr.,   wo  in   der  anmerkung   auf  s.  249   auch  keine  quelle 
genannt  worden  ist.   So  viel  kann  man  jedoch  gleich  sagen, 
dafs  die  consequente  Verfolgung  dieses  von  H.  gegen  Seh. 
eingeschlagenen   weges  nur  zu  einer  förmlichen  jagd  nach 
plagiaten  führen  mufs,  wie  es  denn  z.  b.  auch  schon  mode 
geworden   zu   sein  scheint  seinem  gegner  das  compliment 
zu  machen,   er  sei  um  ein  halbes  Jahrhundert  zurück,  weil 
nicht  blofs  Seh.  (s.  d.  beitr.  IV,  120)  und  Curtius  (s.  vor- 
rede z.  8.  aufl.  d.  griech.  scbulgramm.  V),  sondern  auch  H. 


358  Bord» 

selbst  es  macht.  Wenn  er  auch  diese  mode  nicht  aufge- 
bracht hat,  so  kann  man  doch  sagen:  quod  qnidem  in- 
ventum  amicus  ejusmodi  rebus  H.  avide  arripuit  (beweis 
R.  s.  18,  19,  32,  56),  Des  beispieles  halber  will  ich  noch 
drei  etymologien  hersetzen,  um  dann  zu  zeigen,  was  sich 
daran  knöpfen  liefse.  a)  Die  lesart  saninsle  (gürtel)  des 
altpreufsischen  vocabulars  n.  485  möchte  ich  in  san-iusle 
umändern;  denn  san  gehört  zum  lit.  san,  s^,  su  z.  b.  in 
san-dora,  sq-dora  neben  su*der6ti,  iusle  stellt  sich  dagegen 
zum  lit.  jü's-ti  (gürten)  sammt  su-justi  (umgürten,  zugürten). 
Daselbst  wird  z.  b.  noch  pense  (kiefer,  n.  597)  in  peuse 
umzuändern  sein,  damit  sich  die  Verbindung  mit  lit.  puszis, 
gr.  Ttavxi]  und  ahd.  fiohta  anbahnen  liefse.  b)  Das  lit.  szfcr- 
-mens  (pl.  tantum,  das  leichenbegängnis,  bes.  aber  der  lei- 
chenschmaus)  kann  mit  dem  homerischen  xvegsa  (pl.  feier- 
liche leichenbestattung)  verglichen  werden,  indem  lit.  sz  = 
gr.  xr  wie  in  taszjHi  neben  rixtiav,  so  dafs  beide  Wörter 
nur  im  suffixe  abweichen.  Die  bedeutung  beider  im  Sin- 
gular mag,  nach  dem  skr.  käarä  (caducus,  fragilis,  mortalis) 
zu  urtheilen,  wol  nur:  auflösung,  tod  gewesen  sein,  welche 
durch  den  plural  die  obige  raodification  erhalten  hat. 
Aehnliches  kommt  ja  öfter  vor,  z.  b.  lit.  galvä  (köpf),  pl. 
gälvos  (köpfende  des  bettes);  bötun.  seno  (heu),  pl.  sena 
(zeit  des  heumachens);  zito  (roggen),  pl.  zita  (roggenfelder) 
u.  s.  w.  Ich  erwähne  diesen  fall  nur  deshalb,  um  auch  zu 
beweisen,  dafs  ich  nicht  ganz  im  unrechte  war,  als  ich 
oben  sagte,  die  syntax  von  H.  hätte  es  in  der  Sr.  zu  kei- 
ner rechten  lehre  von  der  bedeutung  und  dem  gebrauche 
des  numerus  im  böhmischen  gebracht  (wäre  in  dieser  be- 
ziehung  also  keine  böhmische  syntax),  wozu  doch  selbst 
die  „mechanischen"  (R.  s.  56)  von  Curtius  und  Seh.  anlauf 
nehmen.  Allerdings  gehören  einzelnheiten  in  das  Wörter- 
buch, allein  gewisse  modificationen  in  der  bedeutung  der 
Wörter,  welche  sie  im  plural  erleiden,  hangen  eben  mit  dem 
wesen  oder  der  bedeutung  des  plurals  so  innig  zusammen, 
dafs  jede  grammatik  die  pflicht  hat  sie  wenigstens  in  all- 
gemeinen  zügen  zu  lehren.     Was  aber  meine  obigen  ety- 


anzeigen.  359 

mologien  betrifft,  so  weifs  ich  fttr  jetzt  nicht,  ob  die  Däm- 
lichen gedanken  nicht  auch  schon  in  eines  anderen  men- 
schen köpfe  aufgestiegen  sind;  wer  mich  jedoch  eines 
plagiates  beschuldigen  wollte,  der  wäre  genau  so  gerecht 
wie  meine  Wenigkeit,  wenn  sie  H.  ein  solches  in  nachfol- 
gendem stücke  vorwerfen  würde.  Man  lese  z.  b.  in  der. 
vergl.  grammj  von  Leo  Meyer  zwei  stellen,  von  denen  die 
erste  (I,  200)  lautet:  „Dadurch  aber,  dafs  hier  der  leichtere 
laut  (r,  1,  n,  m,  v)  nachfolgt,  im  ersten  fall  aber  der  Zisch- 
laut vor  den  festeren  laut  (k,  p,  t)  treten  konnte,  entstehen 
nun  auch  Verbindungen  dreier  consonanten,  deren  festester 
in  der  mitte  steht.  Auf  diese  weise  erscheinen  im  anlaute 
die  consonantischen  gruppen  skr  u.  s.  w.".  Wie  zu  sehen, 
verfährt  Leo  Meyer  hier  construetiv,  was  sich  etwa  so 
▼eranschaulichen  läfst:  k  -H  r  =  kr,  sk  +  r  =  skr.  Die 
zweite  stelle  (I,  201)  sagt:  „Oefters  ist  neben  der  dreifachen 
consonanten  Verbindung  skr,  die  das  lateinische  mehrfach 
aufweist,  das  griechische  aber  gar  nicht  mehr  hat,  im  letz- 
teren eine  verstümmelte  form  beliebt  geworden.  So  steht 
das  des  Zischlautes  beraubte  ygdupeiv  neben  dem  gleichbe- 
deutenden 6crlbere  u.  8.  w.tf.  Hier  geht  der  Verfasser  also 
wiederum  destruetiv  vor,  was  mau  etwa  durch  skr  —  8  = 
kr  ausdrücken  könnte.  Denn  dafs  im  griechischen  hernach 
YQ  oder  %q  erscheint  (vgl.  auch  yoiunTSG&cu,  screare  mit 
lit.  skreplei),  ist  jetzt  nebensache,  da  es  sich  nur  um  das 
prineip  handelt.  Nimmt  man  darauf  H.'s  abhandlung  Dm. 
zur  band,  so  findet  man  dort  auf  s.  28,  II  die  worte:  „Nul- 
lus  horum  acervorum  (d.  i.  der  dreigliedrigen)  aliis  conso- 
nantibus  ac  liquidis  r,  1  et  spirante  v  terminatur.  Nee  ul- 
lus  eorum  ita  coroparatus  est,  ut  abjeeta  vel  prima  vel  ul- 
tima consonante  a  primi  generis  acervis  discrepet.  Ut  uno 
alterove  exemplo  utar,  skr  demto  s  prorsus  congruit  cum 
acervo  kr".  Daraus  kann  man  wol  so  viel  entnehmen,  dafs 
H.  im  j.  1865  dort  stand,  wo  Leo  Meyer  schon  1861  sich 
befand.  Wer  dann  hinzusetzte,  dafs  H.  das  werk  Leo 
Meyer's  gelesen  hatte  (R.  s.  80)  und  dafs  „quidquid  ante- 
cedat  qu^mque  rem,  id  cum  re  cohaerere  necessario",  der 


360 

könnte  leicht  in  die  Versuchung  kommen  H.'s  gesetz  tob 
den  drei-  und  viergliedrigen  consonantengruppen  „als  pla- 
giat  zu  brandmarken".  Hiemit  ist  man  bei  den  consonan- 
tengrnppen  angelangt,  die  H.  so  sehr  am  herzen  liegen. 
Denn  anknüpfend  an  einen  satz  der  vorrede  zur  ersten 
aufläge  des  Cp.'s,  dafc  dasselbe  nämlich  nur  die  sicheren 
ergebnisse  der  Sprachforschung  enthalten  solle,  änfisert  sich 
EL  auf  s.  80 — 81  der  R.  folgendermaßen:  „Solcher  art  sind 
meinem  ermessen  nach  z.  b.  die  znsammenstellnngen  dar 
sanskritischen  consonantengrnppen  von  Benfey,  Böhtlingk 
und  Pott,  der  altbulgarischen  (anlautenden)  von  Böhtlingk, 
der  lettischen  von  Bielenstein,  der  lateinischen  und  grie- 
chischen von  Leo  Meyer.  Darin  und  in  der  dem  seligen 
sonst  eigenen  rficksichtslosigkeit  liegt  nun  der  eigentlichste 
grund  meiner  erbitterung  gegen  denselben a.  Wie  rück- 
sichtsvoll überhaupt  EL  sein  kann,  beweisen  seine  oben  ci- 
tirten  worte  hinlänglich,  in  denen  so  schön  von  den  nord- 
amerikanischen wäldern  gesprochen  und  Heine  bei  den 
haaren  herbeigezogen  wird.  Allein  das  ist  noch  nicht  ge- 
nug, Seh.  war  auch  ein  „enfant  terrible"  (R.  s.  30),  wel- 
cher titel  ihm  erst  nach  dem  tode  ertheilt  wurde,  während 
Miklosich  noch  bei  lebzeiten  einen  hieb  mit  dem  ritter- 
schwerte zu  erhalten  die  ehre  hatte  (R.  s.  92).  Denkt  man 
zugleich  an  die  kaustische  erinnerung  an  das  siebente  ge- 
bot, so  mufs  man  die  ausdrücke:  „geist-  und  rücksichtslose 
naebahmung",  „unvergleichlicher  bildner  von  Ursprachen 
(R.  s.  25)  oder  „quintessenz  der  phosphorescirenden  glottik 
(R.  s.  46)  noch  für  complimente  halten.  Wer  aber  böh- 
misch versteht,  der  lese  die  schon  erwähnte  biographie  H.'s 
von  dessen  schüler  Kv&t;  er  wird  daraus  nebenbei  erfahren, 
daf8  H.  oder  „die  syntax"  bei  der  „glottik"  in  die  schule 
gegangen  war,  dafs  sie  daher  die  aufgezählten  ehrennamen 
der  glottik  nur  aus  pietät  noch  in's  grab  nachruft.  Neh- 
men wir  weiter  an,  ein  zweiter  gegner  wäre  gegen  Seh* 
erbittert,  weil  er  im  Cp.  8.  28,  anm.  2  die  beton uog  nur 
berührt,  ein  dritter  aber,  dafs  er  auf  s.  348  die  Zusammen- 
setzung blofs  erwähnt  u.  8.  w.,  so  darf  es  gar  als  glück 


anzeigen.  361 

anzusehen  sein,  dafs  Seh.  gestorben  ist;  denn  seine  erbit- 
terten gegner  hätten  ihn  nicht  allein  um  seine  „literarische 
reputation"  gebracht,  sondern  ihm  vielleicht  noch  etwas 
ärgeres  angethan.  Doch  um  wieder  auf  die  consonanten- 
gruppen,  den  eigentlichsten  grund  der  erbitterung,  zurück- 
zukommen, so  weifs  doch  jedermann,  dafs  Seh.  im  Cp., 
wenn  auch  nicht  alle,  so  doch  diejenigen  Veränderungen 
der  consonantengruppen  berücksichtigte,  welche  für  die 
vergleichung  der  sprachen  nach  ihren  lautlichen  elementen 
Wichtigkeit  haben.  Daher  war  ihm  bei  der  vergleichung 
von  skr.  $ru,  gr.  xkv  und  sl.  slu  vornehmlich  daran  gelegen 
zu  beweisen,  dafs  skr.  9  und  sl.  s  hierin  auf  ein  ursprüng- 
liches k  zurückgeht  und  dafs  an  der  stelle  eines  skr.  r  in 
anderen  sprachen  auch  1  erscheinen  kann.  Wenn  aber  9 
+  r,  s  -f- 1,  x  -+-  X  die  consonantengruppen  pr,  sl,  xX  bilden, 
so  ergibt  sich  dieser  und  die  meisten  anderen  fälle  schon 
aus  den  gesetzen  der  lautvertretung  einfacher  consonanten 
von  selbst.  Oft  ging  ja  die  Veränderung  der  consonanten 
gerade  von  den  einfachen  aus  wie  im  deutschen,  wo  die 
1  consonantengruppen  st,  sp,  sk  die  lautverschiebung  gehemmt 
haben.  Freilich  entspricht  dagegen  z.  b.  gr.  !;vg6-v  dem 
skr.  käurä,  die  wurzel  xtbv  aber  der  skr.  k£an,  allein  wo- 
her dies  kommt,  erfährt  man  noch  immer  nicht,  wenn  man 
auch  noch  so  oft  in  Zusammenstellungen  findet,  dafs  unter 
den  anlautenden  consonantengruppen  des  altindischen  kä, 
des  griechischen  aber  £  und  xr  vorkommen.  Hier  hilft 
wohl  nur  das,  was  EL  selbst  aus  einer  vorrede  Sch.'s  citirt 
(Dm.  s.  9),  d.  h.  man  mufs  versuchen  „mit  hilfe  aller  in- 
dogermanischen sprachen  das  ursprüngliche  zu  ermitteln 
und  dessen  Veränderung  und  Weiterbildung  in  den  einzelnen 
gebieten  des  indogermanischen  zu  verfolgen u.  Geht  man 
nun  von  dieser  ansieht  aus,  so  mufs  man  alle  consonanten- 
gruppen zunächst  in  zwei  abtheilungen  unterbringen.  Sie 
sind  nämlich  1)  schon  gegeben,  sofern  sie  in  den  wurzeln 
(pr  in  pru)  und  in  den  Suffixen  (z.  b.  nt  in  bharant)  vor- 
kommen, oder  2)  erst  geworden,  wenn  sie  der  Wortbildung 
oder  anderen  lautgesetzen  ihre  entstehung  verdanken.    So 


362  Burda 

lautet  st  in  atrjvat,  kati  lind  niavtg  für  das  ohr  ganz  gleich, 
hat  aber  iu  jedem  der  drei  fälle  einen  anderen  Ursprung 
und  eine  andere  geltung.  Obwol  ferner  die  böhmischen 
Wörter  stfibro  (silber)  und  strela  (pfeil,  geschofs)  denselben 
anlaut  zeigen,  so  führt  dennoch  das  erste  auf  altsl.  srebro, 
das  zweite  dagegen  auf  strela  =  ahd.  sträla  (pfeil,  wäre 
got.  *strela)  zurück.  Es  ist  daher  unumgänglich  nothwen- 
dig  gleich  bei  der  aufzählung  oder  Zusammenstellung  von 
consonantengruppen,  z.  b.  der  anlautenden,  den  lautgesetzen 
die  eingehendste  berücksichtigung  zu  theil  werden  zu  las- 
sen. Denn  wer  ohne  etymologie,  ohne  herbeiziehung  ver- 
wandter sprachen  oder  genetische  erklärung  nur  die  con- 
sonantengruppen nach  dem  wörterbuche  anführt  wie  Bielen- 
stein  (die  lett.  spr.  §.  43)  oder  H.  selbst  (Dm.  s.  27 —  28), 
der  entwirft  ein  blofses  Inhaltsverzeichnis,  zu  dem  das  buch 
erst  gesucht  werden  niufs,  oder  er  verfährt  wie  gewisse 
geographen  und  Zoologen,  welche  die  fauna  eines  landes 
hinlänglich  charakterisirt  zu  haben  glauben,  wenn  sie  zu- 
sammenstellen, dafs  darin  z.  b.  5  gattungen  von  raubthieren 
in  9  arten  u.  s.  w.  angetroffen  werden.  Darunter  sind  aber 
oft  auch  rein  locale  Varietäten  oder  so  seltene  species  begrif- 
fen, dafs  sie  blofs  mitzählen,  ohne  die  geringste  Wichtigkeit 
zu  besitzen.  Zu  den  localen  Varietäten  unter  den  conso- 
nantengruppen gehören  nun  die  altslovcnischen  zr,  ör,  £1, 
öl  u.  a.  m.  (Dm.  s.  27,  1 ,  2),  und  doch  werden  sie  ohne  alle 
umstände  den  uralten  wurzelhaften  kr,  pr  u.  8.  w.  gleich- 
gesetzt! Welchen  werth  überhaupt  gruppen  haben  können, 
die  einem  in  seiner  etymologie  und  Orthographie  so  unsi- 
cheren worte  entnommen  sind,  als  es  cvanü,  cfvanü,  ce- 
vanü,  cbanü,  öibanü  und  zbanict  ist,  kann  jeder  leicht  ent- 
scheiden. Auch  hängt  das  charakteristische  einer  spräche 
nicht  von  sämmtlichen  consonantengruppen,  sondern  von 
dem  häufigen  vorkommen  einiger  ab.  So  erweist  sich  denn 
unter  den  in  Dm.  s.  27,  5  angeführten  6  gruppen  nur  eine 
einzige,  nämlich  sm,  als  ganz  sicher,  indem  sie  auch  an- 
deren sprachen  zukommt;  die  übrigen  erscheinen  entweder 
als  etymologisch  unklar  (zm  in  zmij,  dessen  z  auch  aus  8 


anzeigen.  363 

entstanden  sein  kann,  vergl.  smokti),  oder  als  bloise  unica 
(am,  2m),  oder  endlich  sie  sind  nur  durch  Verflüchtigung 
und   Vernachlässigung   der  vocale  i,  ü  zusammengerathen, 
z.  b.  km  in  kmeti  =  lit.  kümetys ;  cbmeli,  da  schon  andere 
das  wort   mit  humulus  verglichen  haben.     Dagegen  haben 
wieder  bd   und   gd  in   bdula,   gdunije  mit  dem  slavischen 
nichts  zu  schaffen,  weil  sie  eben  fremd  sind.    Oder  gehört 
es  etwa  noth wendiger  weise  zur  Charakteristik  der  fauna 
Europa's,  dafs  z.  b.   der  kanarienvogel  bei  uns  ein  gelbes 
kleid  trägt?  Das  lautgesetz  der  metathesis  wird  weder  bei 
der  aufzählung  der  zweigliedrigen  noch  der  dreigliedrigen 
gruppen  berücksichtigt,  sondern  gelegenheitlich  erst  s.  85 
erwähnt,  obwol  viele  derselben  gerade  darauf  beruhen,  z.  b. 
tl  in  tlaka  =  lit.  talkä,  vi  in  vladq  =  got.  valda  u.  8.  w. 
Warum  sprachen  die  Altslovenen  wol  tlüstü,  dlügü,   aber 
plelü  (aus  *plet-lü),  Silo  (aus  *sidlo)  und  jasli  (aus  *jad-li)? 
Es  ist  doch  kein  wunder,  dafs  z.  b.  smr  —  r  zu  sm  werden 
mufs,   weil  smr  ja  erst  durch  zusammenrücken  der  früher 
getrennten  theile  sm  und  r  entstanden  ist,  z.  b.  smrudeti 
=  lit.  smirde'ti  u.  s.  w.     Wie  hingegen  z.  b.  aus  splj  ein 
plj  (aus  pj)  entstehen  kann,  zeigt  wieder  lit.  spiäuju  =  lett 
spl'auju  =  altsl.  pljujq.    Ob  nun  aus  solchen  blofs  statisti- 
schen   oder    rein    mechanischen    Zusammenstellungen    von 
consonantengruppen ,  wie  den  von  H.  und  Bielenstein,  das 
„ingenium"   (Dm.  8.  23)    einer    spräche    erkannt    werden 
kann,  möge  dahingestellt  bleiben;    wenn   Scb.   sie  jedoch 
für  die   zweite   aufläge   des  Cp.'s  nicht  benutzt  hatte,   so 
beweist  dies  nur,  dafs  sie  für  „eine  vergleichende  gram* 
matik"  nicht  brauchbar  sind.   Böhtlingk  selbst  hat  auf  die 
seinige  (Dm.  8.  15)  gewifs  kein  solches  gewicht  gelegt,  da 
er  im  j.  1862  auch  nicht  den  geringsten  anstand  nahm  zu 
erklären  (R.  8.  15  und  20),  dafs  Seh.  „est  ä  )a  hauteur  de 
la  linguistique  moderne  et  qu'il  possede  une  connaissance 
solide  des  langues  indo-europeennes",  worin  der  zweite  satz 
eine  handgreifliche  hinweisung   auf  das  Cp.  enthält.     Wie 
stimmt  dagegen  H.'s  anmafsendes  urtheil,   Seh.  sei  in  be- 
zug  auf  die  consonanten  beinahe  um  ein  halbes  Jahrhundert 


364  Buida 

zurück  (R.  8.  19),  zu  dem  obigen  von  Böhtlingk,  und  wel- 
ches von  beiden  ist  wahr  and  hat  mehr  gewicht? 

Was  aber  die  inlautenden  consonantengruppen  anbe- 
langt, so  ist  die  berflbrung  zwischen  würzet-  oder  stamm- 
auslaut  einerseits   und  suffixanlaut  andererseits  die  quelle 
neuer   consonanten Verbindungen,    d.  i.   solcher,    die   nicht 
schon  ganz  eigenthum  der  würzet  oder   des  Suffixes  sind 
(z.  b.  tv  in  nagna-tvam  oder  tr  in  g£-tram).     Die  behand- 
lung  derselben  mufs  von  gesichtspunkten  ausgehen,  welche 
in  H.'s  abbandlung  gar  nicht  zur  spräche  kommen.   Wenn 
nämlich  die  erste  silbe  eines  Wortes  mit  zwei  oder  mehre- 
ren consonanten  anbebt,  so  läfst  sich  gar  nicht  daran  zwei- 
feln, dafs  eine  solche  consonantengruppe  z.  b.  £#*  in  %&eg 
nicht    allein    graphisch,     sondern    auch    phonetisch    eine 
gruppe  bildet,  d.  h.  dafs  die  zwei  consonanten  %  -f-  &  nicht 
blofs  neben  einander  geschrieben  stehen,  sondern  auch  beim 
aussprechen  einer  und  derselben  silbe  angehören.    Was  die 
zahl  der  inlautenden  gruppen  im  altslovenischen  betrifft,  so 
bemerkt  zwar  H.  ausdrücklich  (Dm.  s.  29),  dafs  sie  jene 
der  anlautenden  fiberwiegt;  er  hätte  aber  noch  hinzusetzen 
sollen,  was  z.  b.  Leo  Meyer  (vgl.  gramm.  I,  240)  zu  sagen 
sich  bewogen   fand:   „Jede  innere  consonantenverbindung 
zerfällt  gleichsam  in  zwei  theile,   deren  erster  an  den  vor- 
ausgehenden vocal  sich   anlehnt,  während  der  zweite  sich 
zu  dem  folgenden  neigt".   Betrachtet  man  z.  b.  die  Wörter 
£c?£g  und  navTiq,  so  findet  man  in  beiden  zwei  consonanten, 
%&  und  vt,  neben  einander,  ohne  dafs  es  richtig  wäre  diese 
zweitheiligen  Verbindungen   nun  auch  der  ausspräche  nach 
als  solche   anzusehen.     Denn   während    in  £t%g  die   zwei- 
gliedrige consonantengruppe  ganz  in  den  bereich  einer  ein» 
zigen  silbe  fällt,  lehnt  sich  bei  vr  in  jucii'Ttg  der  consonant 
v  an   den   vocal   «,   wogegen   r   sich   zu  i    hinneigt.     Bin 
ganzer  apfel  und  zwei  halbe  äpfel   sind  zwar  gleich  grofs, 
allein  ein  halbirter  apfel  bildet  nie  mehr  eine  solche  einheit, 
wie  sie  der  noch  unversehrte  dargestellt  hatte,  ja  gerade 
die  Schnittflächen  sind  der  ort,  wo  die  faulnis  beginnt.   So 
vergleiche   man  z.  b.  die  lateinischen  stamme  mortuci-  und 


anzeigen.  365 

menti-  mit  den  altslo  venischen  mrutvü  und  mqii  und  pa- 
-m§ti.  Die  darin  vorkommenden  consonanten  Verbindungen 
rt  und  nt  lassen  sich  auf  keinen  fall  im  anlaute  eine6  Wor- 
tes oder  einer  silbe  aussprechen;  welches  mittel  ergriff  also 
die  spräche  in  diesem  falle?  Als  durch  die  anfügung  der 
suffixe  tuo  und  ti  an  die  wurzeln  mor  und  men  die  con- 
sonanten r,  u  von  der  einen  und  t  von  der  anderen  seite 
zusammenfliefsen,  erleichterte  sich  die  spräche  die  mühe, 
welche  das  aussprechen  von  r  -+- 1  und  n  +  t  verursacht, 
zunächst  dadurch,  dafs  sie  die  graphische  consonanten- 
gruppe  rt,  nt  phonetisch  in  zwei  theile  spaltete,  d.  h.  jene 
Wörter  beim  sprechen  in  die  Silben  mor-tu-o-  und  men-ti- 
zerlegte.  Dadurch  geriethen  nun  die  consonanten  r  und  n 
in  eine  Stellung,  wo  sie  mit  der  zeit  oft  lästig  und  daher 
gefährdet  waren.  Sie  wurden  a)  zwar  erhalten,  aber  an 
einen  andern  ort  versetzt,  wo  sie  der  spräche  bequemer 
waren  (z.  b.  mru-tvü,  xgaSia  neben  xagdia,  spräätum  neben 
spärätum),  oder  b)  an  derselben  stelle  belassen,  jedoch  ge- 
schwächt (pa-m§-ti  für  *pa-min-ti,  skr.  mä-si  von  der  Wur- 
zel man),  oder  endlich  c)  unterdrückt,  was  der  höchste 
grad  von  abschwächung  ist  (sar-tus  für  *sarc-tus).  Die 
folge  des  letzten  umstandes  war,  dafs  dann  im  anlaute  der 
folgenden  silbe  nur  solche  consonanten  blieben,  welche  auch 
im  anlaute  des  Wortes  stehen  konnten.  Zu  einer  verglei- 
chenden behandlung  der  consonantengruppen  des  inlautes 
ist  auch  die  entscheidung  einer  anderen  frage  erforderlich, 
ob  nämlich  ein  und  dasselbe  wort  in  verschiedenen  spra- 
chen verschieden  abgetheilt  werden  soll  oder  nicht,  z.  b. 
ökr.  v&ti  und  altsl.  vgsti.  Beide  Wörter  sind  entstanden, 
indem  die  personalendung  ti  an  die  gesteigerte  wurzel  vid 
gefügt  wurde,  wobei  der  wurzelauslaut  d  sich  dem  suffix- 
anlaute t  so  weit  assimilirte,  als  er  selbst  in  die  tenuis 
seines  organes  überging.  Während  aber  das  altindische 
dabei  bleibt  und  daher  nur  v^t-ti  abtheilen  kann,  geht  das 
altriovenische  einen  schritt  weiter  und  verwandelt  in  *vetti, 
wie  dieses  wort  wenigstens  seiner  ausspräche  nach  sicher 
einmal  gelautet  haben  mufste,  das  erste  t  in  die  spirans 


366  BunU 

desselben  organes,  so  dafc  nun  vesti  erscheint.  Der  Ober- 
gang  von  t  in  s  ist  jedenfalls  eine  abschwäcbung,  allein  sie 
kann  sieb  doch  nur  im  grade  von  jener  art  unterscheiden, 
wie  das  altslovenische  z.  b.  ein  doppeltes  n  vermieden  hatte, 
da  es  *po-min-n3  in  po-m<*-n§  übergehen  liefe.  Soll  man 
daher  vesti  in  ves-tl  abtheilen,  um  mit  dem  skr.  ve't-ti  und 
im  principe  mit  po-m$-n$  übereinzustimmen,  oder  soll  man 
es  in  die  Silben  ve-sti  zerlegen,  weil  st  im  anlaute  altslo- 
venischer  Wörter  vorkommt  und  somit  auch  im  anlaute 
einer  silbe  stehen  kann? 

Wenn  man  nach  dem,  was  bis  jetzt  gesagt  wurde, 
H.'s  aufzählung  der  inlautenden  consonantenverbindungen 
(Dm.  8.  29 — 32)  durchliest,  so  kann  man  ihr  getrost  das 
lob  der  Vollständigkeit  ertheilen.  Hiemit  dürfte  aber  auch 
alles  gesagt  sein,  was  sich  gutes  von  ihr  angeben  läfst. 
Denn  sämmtliche  vorwürfe,  welche  die  Zusammenstellung 
der  anlautenden  consonantengruppen  treffen,  lassen  sich  hier 
wiederholen,  weil  altes  und  neues,  fremdes  und  einheimi- 
sches, seltenes  und  häufiges  in  bunter  Ordnung  neben  ein- 
ander auftritt.  Dafs  auch  solche  consonantenverbindungen 
darunter  genannt  werden,  welche  oft  nur  an  der  naht  von 
Zusammensetzungen  vorkommen  (R.  s.  67),  trägt  zu  größe- 
rer durchsichtigkeit  gewifs  nicht  bei.  Sonderbar  genug 
nimmt  sich  auch  das  suffix  stvo  (Dm.  s.  31)  aus,  das  eigent- 
lich istvo  lautet  und  worin  i  ein  hilfsvocal  sein  soll,  wäh- 
rend der  consonant  s  weder  dem  stamme  noch  dem  Suffixe 
tvo  angehört,  sondern  seine  existenz  nur  einer  gewissen 
Vorliebe  der  Altslovenen  für  stv  verdankt,  wie  H.  meint. 
Allein  wenn  sich  von  den  Suffixen  istvo,  iskü  eigentlich  nur 
die  letzten  theile  tvo  (got.  thiva-dv,  skr.  nagna-tv&m)  und 
kü  (skr.  sindhu-ka  von  sindhü)  genau  mit  denen  verwandter 
sprachen  vergleichen  lassen,  so  sollte  man  wol  glauben,  man 
müsse  z.  b.  die  Wörter  Ijudistvo  und  ljudiskü  vielmehr  in 
ljud-is-tvo  und  ljud-is-ku  abtheilen  und  -Ts-  für  ein  eigenes 
suffix  erklären.  Es  gibt  neben  ljub-is-tvo  auch  ljub-iz-nu 
(wegen  z  vgl.  glavisna  und  glavizna),  dann  ljubiza,  angel- 
sächsisch lyfesne,  so  dafs  man  wol  hoffen  kann,  mit  der 


anzeigen.  367 

zeit  werde  sich  dieses  vermittelnde  suffix  is  oder  iz  noch 
aus  anderen  bildungen  herauslösen  lassen.  Auch  Leo  Meyer 
(got.  spr.  s.  174)  zerlegt  das  gotische  iska  in  is-ka.  Wäh- 
rend is  im  gotischen  noch  auf  is-ka  beschränkt  bleibt,  ist 
im  slavischen  Ts  auch  schon  vor  tvo  eingedrungen,  wo  die 
beiden  suffixe  is  und  tvo  nunmehr  als  ein  einfaches  istvo 
gefühlt  werden,  üeber  ndr  im  zusammengesetzten  worte 
po-ndrSti  bemerkt  H.  (Dm.  s.  32),  dafs  man  nur  n  weg- 
nehmen könne,  um  die  gebräuchliche  gruppe  dr  zu  erhalten; 
allein  jedes  syllabirende  kind  dürfte  die  nämliche  entdeckung 
machen.  Denn  wie  z.  b.  ävSpog  neben  dem  homerischen 
av&Qoq  steht  und  beim  sprechen  in  die  Silben  av-ÖQoq  zer- 
fällt, so  kann  auch  pondreti  phonetisch  nur  in  pon-dre-ti 
abgetheilt  werden,  woraus  sich  von  selbst  ergibt,  dafs  im 
anlaute  der  zweiten  silbe  die  gebräuchliche  gruppe  dr  steht. 
Obwol  ein  volles  n  am  Schlüsse  der  ersten  silbe  vor  d 
eigentlich  gegen  ein  lautgesetz  verstöfst,  so  beweist  dies 
nichts  gegen  die  richtigkeit  der  silbentheilung,  sondern 
zeigt  nur,  dafs  pondreti  schon  eine^spätere  bildung  ist  und 
bei  dergleichen  principiellen  fragen  gar  nicht  in  betracht 
kommen  soll.  Darf  man  sich  endlich  Ober  das  gesetz 
wundern,  das  H.  aufstellt?  „Darnach  nehmen  sich  nämlich 
die  drei-  und  viergliedrigen  gruppen  als  höchst  regelmäfsige 
erweiterungen  der  zweigliedrigen  aus  (R.  s.  66)".  Es  ist 
in  der  that  so  wahr  wie  folgende  arithmetische  sätze: 
2-M  =  3,  l-h2  =  3,  1-1-3  =  4,  24-2  =  4;  wenn  aber 
H.  gesteht  jenes  gesetz  im  jähre  1854  noch  nicht  gekannt 
zu  haben,  so  gibt  er  damit  zu,  dafs  er  damals  die  lautge- 
setze  zu  wenig  berücksichtigte  oder  nicht  genetisch  vorging. 
Diese  entdeckung  mufs  jeder  machen,  wenn  er  auch  nur 
z.  b.  öetvrütü,  welches  die  dreigliedrige  gruppe  tvr  enthält, 
mit  dem  lit.  ketvlrtas  vergleicht.  Denn  dafs  dort,  wo  zu* 
erst  zwei  consonanten  waren,  endlich  drei  beisammen  stehen 
werden ,  sobald  bei  einem  platzwechsel  noch  einer  hinzu- 
kommt, ist  so  klar  wie  2-4-1  =  3  oder  1  4- 1  =  2.  Denn 
auch  die  zweigliedrigen  gruppen  nehmen  sich,  um  mit  den 
Worten  H.'s  zu  reden,  sehr  oft  als  höchst  regelmäfsige  er- 


368  Burda 

Weiterungen  einfacher  consonanten  aus,  z.  b.  dlato  =  alt- 
preufs.  dalptan,  so  dafs  man  das  Verhältnis  aufstellen  kann 
tv  :  tvr  =  d  :  dl  u.  dergl.  m.     Noch  deutlicher  tritt  ein 
ähnliches    Verhältnis   in  den  lebenden  slavischen  sprachen 
hervor,  da  z.  b.  im  böhm.  sto  neben  dem  altsl.  süto  die 
froher  getrennten  consonanten  8  und  t  erst  nach  Verflüch- 
tigung von  ü  zusammengefallen  sind.   Allein  darf  man  das 
st  von  sto  dem  st  in  der  wurzel  sta  (stehen)  in  jeder  be* 
ziehung  gleichsetzen?  Darf  man  auch  tvP  (streng  genommen 
tvlj!),  welches  nach  abzug  des  consonanten  s  von  ätvl'  in 
umruötvl'3  bleibt,  schnell  mit  tvr  in  tvrudü  oder  cetvrutü 
vergleichen  (Dm.  s.  32  und  R.  s.  65),  obwol  stvl'  nur  auf 
tv-+-j,  tvr  hingegen  auf  tv-f-r  zurckgeht,  und  der  con- 
sonant  1  noch  dazu  ein  späterer  euphonischer  einschub  ist? 
Durch  seine  aufzählung  der  an-  und  inlautenden  consonan- 
tenverbindungen  will  H.  freilich  nur  darthun,  die  letzteren 
seien  den  ersteren  „staunenswerth  ähnlich u  (R.  s.  43);  al- 
lein   wenn    er    dabei   meist   rein  mechanisch  verfahrt,    so 
dürfte  man  sich  füglich  wundern,  dafs  er  dennoch  solche 
Schlüsse  daraus  ziehen  kann,  wie  der  satz  auf  8.  23  und  44 
in  Dm.  oder  8.  47  der  R.  ist.     Zu  empfehlen  bleibt  vor- 
läufig a)  das  Studium  der  volksthümlichen  und  archaisti- 
schen lateinischen  spräche,  die  im  auslaute  staunenswerth 
ähnliche  erscheinungen  darbietet,  ohne  im  inlaute  mit  dem 
altslovenischen  übereinzustimmen;  b)  das  Studium  mancher 
lautgesetze,  nach  denen  lateinische  worter  zu  französischen 
geworden  sind,  als  chäteau  aus  castellum  (vergl.  altsl.  jato 
neben  jasto),  maitre  für  maistre  (vgl.  utro  im  lex.  palaeosl.), 
und    c)  eine   ausgedehnte    herbeiziehung   der   verwandten 
sprachen  (trotz  Dm.  s.  7).     Hätte  es  H.  gethan,  so  wäre 
nicht  nur  sein  satz  etwas  anders  ausgefallen,  sondern  er 
hätte  auch  in  andern  dingen  sein  nrtheil  über  Seh.  gemil- 
dert.   Dafs  H.  nämlich  glaubt,  Seh.  hätte  die  Steigerung 
eines  y  zu  va  ebenso  verlernt  wie  die  des  i  zu  i  (R.  s.  34 
und  76),   ist  nicht  im  ganzen  zutreffend.     Was  nun  die 
Steigerung  von  y  zu  va  betrifft,  so  möge  man  vorerst  z.  b. 
s.  125  der  Sr.  aufschlagen,  wo  H.  über  y  sagt,  es  werde 


anzeigen.  369 

ihm  zum  behofe  der  Steigerung  a  oder  o  vorgesehlagen, 
wodurch  die  diphthonge  ay,  07  entstehen.  Wie  dann  die 
Sprache  in  consonantisch  geschlossenen  wurzeln  angeblich 
damit  verfuhr,  wird  an  den  beispielen  kys-nouti  (altsl.  kys- 
-n§ti)  und  slovakisch  ätyri  (böhm.  ätyfi,  altsl.  cetyri)  gezeigt, 
und  zwar  in  der  weise:  a)  Vorschlag  von  a  und  o,  daher 
kays-iti,  ätoyro;  ß)  Verwandlung  von  ay,  oy  in  av,  ov,  also 
kavs-iti,  stovro;  endlich  y)  metathesis  zu  va,  vo,  somit 
kvas-iti,  ätvoro  (böhm.  ötvero,  altsl.  öetvero  und  cetvoro). 
In  Dm.  8.  36  äufsert  sich  dagegen  H.,  dafs  es  nicht  darauf 
ankomme,  ob  in  der  angesetzten  form  kaysü,  woraus  nach 
seiner  ansieht  kvasü,  das  Stammwort  von  kvasiti,  jedenfalls 
entstanden,  der  vocal  y  schon  vor  oder  erst  nach  der  me- 
tathesis in  v  verwandelt  worden  ist.  Hier  mufs  nun  vor 
allem  bemerkt  werden,  dafs  y  in  öetyri  gewöhnlich  durch 
Verkürzung  eines  ursprünglichen  va  erklärt  wird,  und  ist 
diese  Verkürzung  von  va  zu  u  =  altsl.  y  analog  der  von 
ra  zu  r,  von  ja  zu  i  (Bopp  vgl.  gramm.  I,  5).  So  gibt  es 
bekanntlich  im  altindischen  eine  wurzel  vjadh  mit  dem 
präsens  vidhjämi  neben  den  ableitungen  vjädha  und  vgdha. 
Durch  die  vergleichung  der  perfeetformen  vivjädha,  vivi- 
dhüs  mit  den  entsprechenden  £ag&ma,  gagmtis  und  suäväpa, 
susupüs  ergibt  sich  vjadh,  svap  als  volle,  vidh,  sup  dagegen 
als  verkürzte  wurzel.  Aehnlich  gibt  es  neben  tvar  in  tvarä 
(eile)  auch  tür  in  türnam  und  tur  in  tütörmi.  Ehe  man 
also,  um  wieder  zum  altslovenischen  zurückzukehren,  kys, 
ohyt,  kyp  als  wurzeln  ansetzt  und  kvasü,  chvatiti  und 
böhmisch  kvap  (=  altsl.  *kvapü)  so  davon  ableitet,  wie  es 
H.  thut,  sollte  man  sich  durch  vergleichung  mit  den  ver- 
wandten sprachen  vorher  wenigstens  die  volle  gewifsheit 
verschaffen,  dafs  z.  b.  kys  jene  wurzelform  ist,  von  der  man 
unbedingt  ausgehen  mufs.  Denn  wie  cetyri  schon  verkürzt 
ist  (altlit.  noch  kätveri,  Nesselmann,  lit.  wb.,  8.  198),  so 
könnte  ja  auch  kys  vereinfacht  sein,  und  eine  wenn  auch 
vielleicht  nur  seeundäre  wurzel  kvas  ist  der  form  nach 
möglich  (vgl.  skr.  $vas,  abgesehen  von  der  bedeutung,  auf 
die  es  hier  nicht  ankommt).     Ferner  dürfte  das  numerale 

Beiträge  z.  vgl.  sprach  f.  VI.  3.  24 


370  Burda 

vier  am   geeignetsten  sein  zu  lehren,   welche  formen  eine 
derartige  wnrzel  aufweisen  kann.     Während  nämlich  reo- 
aageg9  nenjon.  ricotQtq^  quatuor,  altlit.  ketveri  noch  den 
grundvocal  in  verschiedenen  abstufungen  haben,  zeigen  skr. 
Katar-,  äol.  nicvot^  altsl.  cetyri,  lit.  keturi,  got.  fidur-  schon 
eine  verkürzte,  skr.  Katväras  und  got.  fidvor  hingegen  eine 
gesteigerte  form.     Das    Verhältnis    zwischen    kysn^ti   und 
kvasu   ist  jenem   zwischen  fidnr-  und  fidvor,   Katar-  and 
Katviras  staanenswerth  ähnlich.   Ueberdies  bleibt  die  mög- 
lichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dafs  der  consonant  8  in  kys 
auch  ein  späteres  element  sein  kann  (vgl.  skr.  würze!  bhl 
neben  wurzel  bhjas  und  den  bildnngen  bhtimä,  bblsajämi). 
An    der   naht   zwischen   der  primären  wnrzel   und  einem 
secnndärem  Zuwachs  s,  t,  p  ist  mancherlei  möglich,  was 
sonst   vielleicht   nicht    vorkommt.     Der   secondäre  zusatz 
eines  p  ist  noch  recht  deutlich  z.  b.  im  lit.  tempiü  neben 
tanömi,  reivo);  im  lit.  zerpiu  neben  zereti  (glühen);  im  lit. 
verpiü  (spinnen)  neben  vöras  (spinne);  im  böhm.  rypati  ne- 
ben rfti  -(wühlen,  graben,  graviren)  u.  s.  w.   Die  erklärung 
von  kyp-  und  *kvapü  aus  einer  wurzel  kvap  ist  nicht  nur, 
wenigstens  was  das  letztere  betrifft,  leichter,  sondern  diese 
ansieht  erscheint  überhaupt  für  die  vergleichung  der  spra- 
chen und   die  lautgeschichte  fruchtbarer.     Man  sieht  z.  b. 
gleich  am  lit.  säpnas,  wie  leicht  v  schwinden  kann.   Wenn 
dann  Leo  Meyer  (vgl.  gramm.  I,  363)  die  griechische  wur- 
zel xctTi  in  xanvog  (rauch,  dampf)  und  xanvuv  (aushauchen) 
aus  kvap  herleitet,  so  hat  er  damit  die  vergleichung  der 
griechischen  Wörter  mit  lett.  küpet  (rauchen,  dampfen;  altsl. 
kyp£ti?),  lit.  kväpas  (hauch,  athem;  luftzug;  geruch)  u.  a.  m. 
angebahnt.     Ein  anderes  beispiel  von  dem  ausfalle  des  v 
gibt  altpreufs.  golis,  gallan  (tod),  gallintwei  (tödten),  lit. 
gil-tinö'  (todesgöttin)  neben  dem  alts.  quelan  (mori),  quellian 
(necare)  und  skr.  gvara  (aegritudo).     Durch  den  Schwund 
von  v  einerseits  und  durch  Verkürzung  von  va  zu  u  ande- 
rerseits kann  es  schliefslich  auch  geschehen,  dafs  eine  und 
dieselbe  wurzel  hier  in  die  a-reibe,  dort  wieder  in  die  u-reihe 
geräth.   Doch  wie  dem  auch  immer  sein  mag,  vor  der  hand 


anzeigen.  371 

dürfte  es  mindestens  doch  erlaubt  sein  zu  zweifeln,  ob 
kvasü  von  kys-n^ti  herstammt,  wie  H.  lehrt,  bis  durch 
vergleichung  mit  den  verwandten  sprachen  die  ursprüng- 
liche wurzelform  der  hieher  gehörigen  Wörter  festgesetzt 
sein  wird.  Wie  wenig  überzeugend  H.'s  gründe  für  Seh. 
waren,  beweist  auch  der  umstand,  dafs  in  den  berichtigun* 
gen  und  nachtragen  zum  Cp.  in  der  indogermanischen 
Chrestomathie,  also  wenigstens  3  jähre  nach  dem  erscheinen 
von  H.'s  abhandlung  Dm.  diese  art  der  Steigerung  gar  nicht 
erwähnt  wird.  Ebenso  wenig  hatte  Seh.  seine  ansieht  über 
den  aorist  basu  von  bod$  geändert  (Cp.  s.  129  und  300), 
die  nun  von  H.  (R.  8.  77)  so  bekämpft  wird:  „Sollte  ich 
dieselbe  lehrart  genau  kennzeichnen,  so  müfste  ich  unum- 
wunden sagen,  dafs  sie  dem  althergebrachten  begriffe  der 
quantität  auf  die  keckste  weise  ins  gesicht  schlägt.  Denn 
nur  so  kann  man  z.  b.  behaupten,  in  basü  sei  o  zu  a  ge- 
dehnt, da  man  dabei  sonst  stets  dieselbe  qualität  der  vo- 
cale  voraussetzt tf.  Das  bewufstsein,  womit  Seh. 's  lehrart 
auf  diese  weise  abgefertigt  wird,  ist  grofs  genug,  wie  man 
sieht,  aber  doch  nicht  so  abschreckend,  dafs  man  nicht 
einige  bemerkungen  dazu  machen  könnte.  Der  weg  von 
*nes-sü  zu  nSsü  läfst  sich  z.  b.  mit  jenem  vergleichen,  auf 
welchem  im  sanskrit  aus  *as-dhi  endlich  edhi  geworden  ist, 
obwol  ein  s  auch  ohne  Veränderung  des  vocales  ausfallen 
kann,  wie  in  asi  =  altsl.  jesi  (du  bist).  Uebrigens  hat  noch 
niemand  bewiesen,  dafs  die  Steigerung  von  e  zu  e  und  von 
o  zu  a  im  gründe  nicht  auf  eine  dehnung  hinausläuft,  wenn 
auch  die  qualität  der  vocale  jetzt  nicht  mehr  dieselbe  ist. 
Daraus  folgt  ja  noch  nicht,  dafs  diese  Ungleichheit  von 
allem  anfange  an  da  gewesen  sein  müsse;  es  läfst  sich 
vielmehr  auch  denken,  dafs  die  früher  qualitativ  gleichen 
vocale  erst  später  eine  Veränderung  erlitten  haben,  und 
unter  dieser  Voraussetzung  ist  es  wol  möglich,  dafs  ein 
vocal  hinsichtlich  der  qualität  von  seiner  älteren  dehnung 
abweicht.  Wenn  z.  b.  das  volk  in  Böhmen  das  deminutiv 
des  Wortes  plamen  (flamme)  ganz  wie  plaminek  ausspricht, 
so  beweist  es,  da  der  gedanke  an  eine  Steigerung  von  e 

24* 


372  Burda 

za  i  hiebei  ausgeschlossen  bleibt,  dadurch  am  besten,  was 
so  eben  bemerkt  wurde.  Das  wort,  welches  mit  skr.  häsa, 
ahd.  kans,  altsl.  g^si,  lit.  z^sis  übereinstimmt,  lautet  be- 
kanntlich dor.  %&v  in  dessen  ä  man  eine  ersatzdehnung 
erblickt;  ist  dagegen  in  %rjv  un^  Vu&G  (neben  dor.  a (iiq 
und  äol.  äfiiteg)  keine  ersatzdehnung  anzunehmen,  blofs 
weil  die  qualität  des  vocales  abweicht?  Es  gibt  weiter  im 
litauischen  einen  dialekt,  der  ein  a  nur  unter  dem  einflusse 
des  accentes,  also  nicht  in  folge  einer  Steigerung,  in  o 
übergehen  läfst,  z.  b.  ato-jemu  neben  dem  inf.  ata-jemti 
statt  des  gewöhnlichen  ät-imu,  at-linti.  Für  die  verwand* 
lung  eines  ö  in  e  ohne  Steigerung  können  mehrere  beispiele 
angeführt  werden.  Hieher  gehört  das  particip  von  esmi, 
das  da  #838  lautet;  das  wort  ve'daras  (magen,  lett.  vede'rs 
bauch)  neben  skr.  udaras  (bauch) ;  dann  das  deminutivsuffix 
e'lis  in  vainike'lis  neben  elis  in  sun£lis.  Alle  diese  und 
noch  andere  falle  beweisen  also,  dafs  ein  vocal  und  seine 
dehnung  nicht  immer  und  überall  von  gleicher  qualität  sein 
müssen.  Somit  bliebe  noch  der  einwand  übrig,  welchen 
H.  (Dm.  8.  90,  anm.  235)  dagegen  erhebt:  „Seh.  enim,  etsi 
a  Bulgarorum  majoribus  fere  omne  longarum  breviumque 
vocalium  discrimen  sublatum  esse  omnino  concedere  debet, 
novissime  tarnen  hac  in  causa  de  pbulg.  vocalium  produc- 
tione  disserit  u.  s.  w.tf.  Was  nun  diese  frage  betrifft,  so 
brauchen  folgende  zwei  Sätze  wol  nicht  erst  bewiesen  zu 
werden :  a)  dem  altslovenischen  war  die  quantit&t  von  haus  aus 
eigen,  so  dafs  z.  b.  der  vocal  a  in  bratru  ehemals  so  gut 
lang  war,  wie  in  den  verwandten  sprachen;  b)  der  unter- 
schied zwischen  langen  und  kurzen  vocalen  hörte  endlich 
fast  ganz  auf.  Nun  aber  pflegt  der  gewöhnliche  menschen- 
verstand  es  für  möglich  zu  halten,  dafs  etwas,  was  einmal 
da  war  und  später  „beinahe"  ganz  getilgt  wurde,  doch 
wenigstens  spuren  seiner  früheren  anwesenheit  zurückge- 
lassen haben  könnte.  Anders  ausgedrückt  dürfte  dieser 
satg  etwa  so  lauten:  Es  ist  nicht  gar  so  absonderlich  an- 
zunehmen, dafs  die  ehemalige  quantität  altslovenischer  vo- 
cale  bei  ihrem  schwinden  auf  die  qualität  derselben  einge- 


anzeigen.  37,3 

wirkt  hat.  Zu  dein  ende  vergleiche  man  z.  b.  das  lettische 
wort  nakts  (nacht)  mit  mäte  (mutier),  deren  a- laute  zwar 
von  gleicher  qualität  sind,  in  der  quantität  aber  von  ein- 
ander abweichen.  Nun  stelle  man  die  entsprechenden  sla- 
vischen  Wörter  nosti  und  mati  dazu  und  man  wird  daraus 
schlief8en  müssen,  dafs  mati  sein  a  nur  deshalb  ungetrübt 
bewahrt  hatte,  weil  sich  dasselbe  auf  ein  unmittelbar  vor- 
angehendes, noch  langes  ä  stützt.  Denn  wenn  die  länge 
des  a-lautes  in  mati  durch  lit.  möte,  lett.  mäte,  ahd.  muoter 
erwiesen  ist,  so  befindet  sich  das  altslovenische  a  von  mati, 
selbst  wenn  es  schon  als  kurz  angesehen  werden  darf,  er6t 
in  dem  Stadium  der  Verkürzung  und  nur  die  noch  nach- 
wirkende quantität  kann  dasjenige  sein,  was  a  vor  der 
trübung  zu  o  wie  in  nosti  geschützt  hat.  Mit  hilfe  des 
so  gewonnenen  resultates  wird  es  leichter  sein  die  Steige- 
rung von  o  in  a  zu  begreifen.  So  erscheint  z.  b.  o  von 
tociti  in  dem  verbum  is-tacati  zu  a  gesteigert,  welches  im 
böhmischen  vytäceti  lang  ist.  Wir  wissen  wol  nicht,  ob 
a  im  altslov.  is-tacati  auch  lang  war,  allein  wir  wissen  be- 
stimmt, dafs  der  vocal  o  in  tociti  mit  seiner  Steigerung  a 
in  is-tacati  einmal  gleiche  qualität  gehabt  haben  mufs, 
weil  das  Stammwort  des  ersteren,  nämlich  tokü,  dem  lit. 
täkas  und  dem  lett.  taks  entspricht,  welche  noch  deutlich 
die  alte  qualität  zeigen.  Bei  gleicher  qualität  kann  aber 
der  gewichtigere  vocal  sich  nur  durch  seine  quantität  von 
dem  leichteren  unterscheiden,  woraus  folgt,  dafs  a  in  is- 
-tacati  früher  lang  war  und  eben  deshalb  seine  qualität 
bewahrte,  während  das  kurze  a  sich  zu  o  trübte.  Für 
diese  auffassung  spricht  ferner  die  analogie  einer  anderen 
erscheinung  im  gotischen.  Vergleicht  man  nämlich  die 
Steigerung  von  e  zu  o,  lit.  e  zu  a  (z.  b.  ved$  —  voditi, 
vedü  —  vädas)  mit  der  des  gotischen  i  zu  a  (vrikan,  pf. 
vrak,  subst.  vraks),  so  mufs  man  folgerichtig  z.  b.  prositi 
und  vü-prasati  mit  *fragan  und  pf.  *frog  zusammenstellen. 
Mithin  kommt  man  wieder  auf  die  länge  des  a  in  vü-pra- 
äati,  uud  da  prositi  im  lit.  praszyti  noch  a  zur  seite  hat, 
auf  die  gleiche  qualität,  welche  einst  zwischen  o  und  sei- 


374  Butda 

ner  Steigerung  bestand.  Dadurch  erscheint  aber  die  letz* 
tere  eben  nur  als  eine  ältere  dehnung,  auch  wenn  der  vo- 
cal  a  im  altslovenischen  später  nicht  mehr  lang  gewesen 
sein  sollte.  Was  dagegen  den  vocal  e  anbelangt,  so  ist 
dessen  quantität  so  zu  sagen  noch  greifbar,  wenn  man  z.  b. 
deti  mit  lit.  de'ti,  lett.  det,  got.  deds  in  vaila-deds  und  ahd. 
tat,  dann  8&mQ  mit  lat.  semen,  lit  se  ti,  lett.  set,  got.  seths 
in  maua-seths  und  ahd.  sät  vergleicht.  Im  altslovenischen 
erscheint  ferner  e  in  jüngeren  bildungen,  wo  es  sich  nur 
mit  e  in  Verbindung  bringen  läfst,  z.  b*  tekati  mit  testi, 
legati  mit  lesti,  letati  mit  leteti  u.  s.  w.  Sein  Zusammen- 
hang mit  dem  a-laute  erhellt  dagegen  aus  sedeti  ±=  lit. 
sede'ti  und  dessen  Steigerung  in  sadü  =  lit.  södas  und  sa* 
diti,  lit.  sodinti,  welches  Verhältnis  durch  ein  ähnliches  im 
got.  leta  =  ahd.  lägu  und  dem  pf.  lailot  am  besten  aufge- 
klärt wird.  Wie  endlich  gotisches  e  zuweilen  zu  i  wird, 
so  gibt  es  auch  im  altslovenischen  Wörter,  welche  i  und  e 
neben  einander  zeigen,  z.  b.  pogrebati  und  pogribati  neben 
pogreb$  und  pogrebu.  Das  bisher  gesagte  läfst  sich  nun 
zur  übersieht  etwa  so  zusammenfassen:  1)  Das  altsl.  e  als 
Steigerung  von  e  ist  eigentlich  eine  dehnung,  weil  die 
quantität  des  ersteren  durch  das  lit.  6,  lett.  e  oder  e,  got.  e 
und  ahd.  ä  dargethan  wird;  2)  das  altsl.  a  als  Steigerung 
von  o  ist  auch  nur  eine  dehnung,  da  die  länge  des  ersteren 
durch  das  entsprechende  lit.  o,  lett.  ä  oder  ä*  got.  o  und 
ahd.  uo,  die  einst  mit  ihm  gleiche  qualität  des  letzteren 
hingegen  durch  lit.  a,  lett.  a  und  got.  a  bewiesen  wird. 
Darf  man  ferner  aus  gewissen  entlehnten  Wörtern  schliefsen, 
so  war  der  spräche  eine  dehnung  von  o  zu  ö  sogar  fremd, 
weil  z.  b.  das  got.  boka  im  altslovenischen  buky  lautet,  wie 
umgekehrt  das  litauische  und  gotische  wol  ein  ö,  aber  kein 
ö  kennen.  Der  hauptunterschied  also,  der  zwischen  H. 
und  Seh.  besteht,  beruht  darauf,  ob  der  Übergang  von  e, 
o  in  e,  a  in  den  aoristen  wie  nesü,  basü  als  dehnung  oder 
als  Steigerung  aufgefafst  werden  soll.  Nach  dem  oben  ge- 
sagten dürfte  der  unterschied  indessen  so  unbedeutend  sein, 
dafs  H.  besser  gethan  hätte  sich  darüber  etwas  glimpflicher 


anzeigen.  375 

auszudrücken.  Auch  hat  Seh.  (Cp.  8.  119)  ausdrücklich 
nur  zugegeben,  dafs  die  quantität  des  altbulgarischen  bis 
jetzt  noch  nicht  ermittelt  ist,  wodurch  dieselbe  also  nicht 
geläugnet  wird,  im  gegen theil,  es  kann  gerade  durch  die 
herbeiziehung  verwandter  sprachen  für  die  ermittelung  der 
altslovenischen  quantität  noch  manches  geleistet  werden. 
Wenn  aber  jemand  wissen  will,  wie  einem  althergebrachten 
begriffe  in's  gesicht  geschlagen  wird,  so  nehme  er  die  Sr. 
zur  band  und  schlage  die  s.  129,  §.  119  auf,  wo  zu  lesen 
ist:  „Die  reichlichste  quelle  langer  vocale  aufser  der  Stei- 
gerung ist  bei  uns  die  contraction.  Sie  bezieht  sich  auf  j, 
welches  dort,  wo  es  zwischen  zwei  vocalen  steht,  oft  durch 
schnelle  ausspräche  entweder  sammt  dem  vorangehenden 
vocale  oder  aber  dieser  .allein  ausgestofsen  wird.  Im  ersten 
falle  wird  der  hinter  j  stehende  vocal  lang  nach  der  be- 
kannten regel:  zusammenziehung  bewirkt  langen  vocal". 
Wenn  also  z.  b.  aus  dem  altslovenischen  adjeetiv  dobraja 
(?7  äya&ij)  das  böhmische  dobra  werden  soll,  so  wird  nach 
jener  regel  j  sammt  dem  vorangehenden  vocale  a  ausge- 
stofsen, wodurch  man  nur  eine  form  dobra  erhält.  Allein 
wie  kann  man  1)  dabei  noch  von  contraction  reden,  wo  es 
factisch  nichts  mehr  als  ein  a  zu  contrahiren  gibt,  sobald 
aj  aus  dobraja  geschwunden  ist?  Und  2)  wenn  der  ausgang 
des  böhmischen  dobra  dennoch  lang  ist,  so  kann  die  länge 
des  k  doch  nicht  von  der  contraction  mit  einem  ausgestofsenen 
kurzen  a,  sondern  nur  von  einer  ersatzdehnung  des  ersteren 
herrühren.  Das  drolligste  an  dieser  contractionsregel  ist 
noch  der  umstand,  dafs  sich  einige  formen  als  m^ch,  do- 
brymi  nach  ihr  gar  nicht  erklären  lassen.  Denn  stöfst  man 
in  *dobryjimi  (s.  Cp.  8.  637),  *mojich  den  consonant  j 
sammt  den  vorangehenden  vocalen  y,  o  aus  und  dehnt  das 
gebliebene  i,  so  erhält  man  zunächst  *dobrimi  und  *mich, 
woraus  nach  den  lautgesetzen  des  böhmischen  die  formen 
*dobfiini  und  *mich  entstehen  müssen.  Allein  die  richtigen 
formen  lauten  dobrymi  und  m^ch;  woher  kommen  jene 
mon8tra  horrenda  wie  *dobrimi,  da  doch  genau  nach  der 
regel  contrahirt  worden  ist?    Zu  empfehlen  ist  daher  vor 


376  Burda 

allem  Leo  Meyer,  vgl.  grainm.  I,  291  ff.,  woraus  man  doch 
nicht  nur  die  consonantengruppen  des  griechischen  und  la- 
teinischen (R.  s.  80),  sondern  auch  die  contraction  erlernen 
kann.     Nicht   blofs    dieses  für  die   böhmische  grammatik 
äofserst  wichtige  gesetz  weifs  man  nicht  genügend  darzu- 
stellen, man  ist  z.  b.  auch  in  der  comparation  nicht  sehr 
fest,   wie  die  erklärung  der  böhmischen  oomparative  lehci, 
tenöi  (Sr.  8.  223)  beweist.    In  der  so  gelobten  altböhmi- 
schen grammatik  von  KvSt  (vergl.  Dm.  8.  19  mit  R.  s.  85) 
bildet  die  comparation  der  adjectiva  leider  die  schwächste 
partie  des  ganzen  buches  (§.  148  der  2.  aufl.),  obwol  H. 
nach    der   vorrede    „zur   Vervollkommnung  des  werkchens 
mit  freundschaftlichem  ratbe  gütig  und  sorgsam  beizutragen 
nicht  beschwerlich  fand".     Unter  sothanen  umständen  er- 
scheint es  vorläufig  nur  als  anmafsung,  was  R.  s.  56  steht: 
„Uebrigens  werde  ich  nicht  ermangeln   die  Verdienste  der 
glottik  um  die  wortbildungslebre  im  allgemeinen  eingehend 
au  würdigen".     Da  ferner  in  Dm.  8.  82  —  104  Wörter  aus 
allen  slavischen   sprachen   als   beispiele   angeführt  werden, 
so  dürfte  man  doch  so  unbescheiden  sein  auch  sehr  inter- 
essante und  ziemlich  bekannte  Wörter  aus  der  Volkssprache 
jenes  landes  zu  suchen,  in  dem  H.  schon  viele  jähre  lebt. 
So  könnten,   um  nur  zwei  wichtige  fölle  zu  berühren,  in 
Dm.  s.  103 — 104  die  in  einem  grofsen  theilen  von  Böhmen 
allbekannten   Wörter  ftak  (vogel)  und  schof  (iltis)  stehen. 
Das  letztere  ist  aus  tchof  =  altsl.  tüchori  entstanden,  das 
erste  stimmt  in  der  form  der  Schriftsprache  ptak  hinsicht- 
lich seiner  würzet   zum  altsl.  püt-ica  (vogel)  und  erinnert 
durch  sein  ft  für  pt  an  ein  lautgesetz  der  deutschen  spräche. 
Man  darf  aus  diesen  beispielen,  denen  sich  noch  eine  hüb- 
sche anzahl  anderer  anreihen  ließe,  doch  wenigstens  so  viel 
schliefsen,  dal's  EL,  der  in  dem  für  ihn  so  nahe  liegenden 
böhmischen   nicht   immer   bescheid    gibt,   sicherlich   nicht 
der  competenteste  richter  über   das  Verhältnis  Sch.'s  zum 
litauischen  sein  kann  (R.  s.  4).    Dafs  der  lexikograph  Nes- 
selmann etwas  anders  verfahren  mufste  als  der  grammatiker 
Seh.,  versteht  sich  von  selbst;    aber  die  vergleichung  mit 


—      'W     V 


anzeigen.  377 

Bielenstein  ist  nicht  ganz  zutreffend  (R.  s.  4).     Denn  zur 
„darlegung  des  genius  (!)  der  lettischen  spräche u  gehört 
nach  meiner  unmafsgebliohen  ansieht  etwas  mehr  als  in  dem 
werke  „die  lettische  spräche"  enthalten  ist,  und  zeigt  das- 
selbe an  zahreichen  stellen  nur  zu  deutlich,  wie  viel  es  der 
litauischen  grammatik  von  Seh.  verdankt.     Was  dagegen 
z.  b.  die  consonantengruppen  in  §.  43  desselben  buches  be- 
trifft, so  könnte  dieser  theil  ohne  schaden  wegbleiben  und 
einer  gröfseren  Sammlung  von  beispielen  aus  den  lettischen 
dialekten  platz  machen.   Das  „ingenium"  (Dm.  s.  23)  oder 
der  „  genius "  einer  spräche  in  bezug  auf  die  consonanten- 
gruppen springt  ja  am  meisten  in  die  äugen,  wenn  man 
die  consonanten  mit  denen  anderer  sprachen  vergleicht  und 
zu  erforschen  trachtet,  wie  sich  aus  dem  ursprönglichen 
zustande  der  gegenwärtige   entwickelt  hat.     Das  ist  lehr- 
reicher als   die  vollständigste  aufzäbluug  ohne  berücksich- 
tung    der   lautgesetze!    Dafs  Seh.  besonders   die  ihm   am 
besten    bekannte    Schriftsprache    der   preufsischen   Litauer 
berücksichtigte  (B.  s.  6 — 7),  findet  ein  seitenstück  bei  H. 
selbst,  weil  man  nach  seinen  werken  sonst  glauben  mufs, 
dais  zwischen  Nordungarn,  dem  gebiete  der  Slovaken,  und 
zwischen   Böhmen,    der   heimath    der  böhmischen  Schrift- 
sprache,   ein   vaeuum    sich    befindet.     Wie  6ehr  übrigens 
Seh.  im  jähre  1852 — 1856  bemüht  war  „dem  forscher  zu- 
verlässiges material "  zu  gewähren  (lit.  gramm.  vorrede  Xu), 
erhellt  z.  b.  auch  daraus,  dafs  die  grammatik  viele  Wörter 
(übereinstimmend   mit  Nesselmann)  anders  accentuirt,  als 
dies  in  der  von  Seh.  9  jähre  später  besorgten  ausgäbe  des 
Christian  Donaleitis    geschieht.     So   findet   sich    die   von 
Nesselmann  (Christ.  Donali tius  litauische  dichtungen,  s.  XVI) 
verlangte  betonung  düriau  8.  244,  6jaü  240,  grebiu  grebiau 
242,   padükstü  padükaü  248,   parszingä  128,  söklä  126, 
türgus  s.  191  der  litauischen  grammatik.   Dafür  hat  wieder 
Nesselmann  im  altpreufsischen  vocabular  Wörter  nicht  an- 
gegeben, obgleich  sie  in  seinem  litauischen  wörterbuche  auf 
den  genannten  Seiten  angeführt  sind,  z,  b.  1)  dumpbis,  lit« 
dübai  1 47,  2)  granstis,  lit.  grasztas  269,  3)  grobis,  lit.  gro- 


378  Burda 

bas  271,  4)  kracto,  lit.  krakis  223,  5)  kulnis,  lit.  kulkszis 
208,  6)  palasallis,  lit.  pälszas  277,  7)  plauxdine,  lit.  pläuz- 
din6  306,  8)  sawayte,  lit.  vaite  58,  9)  sulis,  lit.  szülas  523, 
10)  wedigo,  lit.  vedega  59.  Was  aber  speciell  die  betonung 
betrifft,  so  haben  die  preufsisch- litauischen  dialekte,  von 
denen  man  als  den  bestbekannten  jedenfalls  ausgehen  mufs, 
für  die  Slaven  noch  eine  besondere  Wichtigkeit.  Sie  be- 
sitzen nämlich  den  sogenannten  freien  oder  beweglichen 
accent,  während  er  im  Norden  von  der  endung  auf  die 
Stammsilbe  zurückrückt.  Sicherlich  ist  die  erste  betonung 
die  ursprünglichere,  wenn  sie  sich  auch  im  laufe  der  zeiten 
mannigfach  geändert  haben  mufste.  Wie  nun  der  freie 
accent  zu  einem  gebundenen  werden  kann,  lehren  also  die 
südlichen  dialekte,  weil  man  doch  erst  das  ältere,  freiere 
und  lebendige  kennen  mufs,  ehe  man  das  erstarrte  oder 
gebundene  erklären  kann.  Allein  auch  unter  den  slavischen 
sprachen  besitzen  einige  einen  freien  (z.  b.  das  russische), 
andere  wieder  einen  gebundenen  accent  (z.  b.  das  böhmi- 
sche). Statt  daher  Seh.  zu  kritisiren  oder  von  der  vetter- 
schaft der  Deutschen,  Litauer  und  Slaven  zu  reden  (R.  s.  45), 
sollte  man  lieber  auf  die  beantwortung  folgender  zwei  fra- 
gen dringen,  a)  Läfst  sich  zwischen  dem  freien  accente 
im  slavischen  und  litauischen  keine  ähnlichkeit  oder  ana- 
logie  auffinden,  wodurch  sich  derselbe  vielleicht  mit  dem 
altindischen  und  griechischen  vereinigen  liefse?  Und  b)  kann 
der  gebundene  accent  des  niederlitauischen  sich  aus  dem 
freien  hochlitauischen  nicht  etwa  so  entwickelt  haben,  wie 
z.  b.  der  böhmische  aus  einem  älteren  freien?  Durch  seine 
litauische  grammatik  hat  Seh.,  dessen  ohren  zeugen  waren, 
welche  vollen  glauben  verdienen  (Nesselmann,  Christ.  Do- 
nalitius,  8.  XII),  für  die  lautlebre  der  preufsisch-litauischen 
Schriftsprache  eine  feste  grundlage  geschaffen.  Von  dieser 
kann  die  erforschung  der  einzelnen  dialekte  ausgehen,  da- 
mit diese  sammt  den  schriftlichen  denkmälern  das  material 
zu  einer  das  litauische  aller  zeiten  und  aller  dialekte  oder 
alle  erscheinungen  des  litauischen  nach  zeit  und  räum  um- 
fassenden  grammatik    abgeben  möchten.     Wie  viel  jähre, 


'V« 


anzeigen.  379 

welche  hilfsmittel  und  welche  kräfte  zur  erreichung  dieses 
Zieles  erforderlich  sind,  braucht  hier  nicht  weiter  verfolgt 
zu  werden,  sondern  man  kann  die  oben  citirten  worte 
Kvet's  mit  der  nothwendigen  Veränderung  anfuhren:  Dafs 
Seh. 's  litauische  grammatik  als  die  erste  vollständige  gram- 
matik  (vorrede  8.  XI)  vom  sprachwissenschaftlichen  Stand- 
punkte nicht  ohne  mängel  sein  kann,  versteht  sich  von 
selbst;  allein  gerade  die  competentesten  riebter,  wie  Kur- 
schart, Nesselmann  u.  a.  m.  hätten  anstand  genommen  die 
Ursache  gewisser  dinge  im  liberalismus  zu  suchen  (R.  s.  11). 
„Zu  einem  solchen  liberalismus  gehört  es  aber  bekanntlich, 
sagt  H.  daselbst,  insbesondere  Rufsland  je  tüchtiger,  desto 
besser  zu  beschimpfen  oder  wenigstens  wie  immer  zu  ver- 
dächtigen. Das  letztere  that  nun  auch  Seh.  öffentlich  si- 
cher, wenn  auch  sehr  ungeschickt  und  zaghaft,  mit".  Da- 
gegen ist  es  in  einem  anderen  lande  sitte  die  deutsche 
Wissenschaft,  bei  der  man  doch  in  die  schule  gegangen  ist, 
später  nicht  nach  seinem  geschmacke  zu  finden  (R.  s.  26 
und  39),  und  wenn  jemand  die  Unparteilichkeit  derselben 
berührt,  ihn  so  abzufertigen,  wie  R.  s.  39  zu  lesen  ist: 
„Schade  nur,  dafs,  wenn  dem  ganz  so  wäre,  Deutschland 
aufserhalb  der  weit  oder  auch  factiscb  so  null  und*  nichtig 
sein  möfste,  wie  diplomatisch  keines  gibt,  sondern  bekannt- 
lich nur  den  norddeutschen  bund  und  die  ruinen  des  alten: 
Bayern,  Liechtenstein  u.  8.  w.".  Dann  begreift  H.  auch 
nicht,  dafs  zwischen  1852  und  1862  ein  Zeitraum  von 
10  Jahren  liegt,  in  welchem  sowol  der  liberalismus  als  auch 
die  liberalität  (R.  s.  13)  manche  Veränderung  erleiden  kann, 
besonders  wenn  die  Veröffentlichung  einer  litauischen  gram- 
matik und  eines  Cp.'s  in  denselben  fallt.  Auch  vergifst 
man  dabei,  dafs  es  selbst  männern,  welche  über  20 jähre 
sozusagen  im  litauischen  Sprachgebiete  selbst  wohnen,  bis 
jetzt  noch  nicht  gelungen  ist  auch  die  russisch -litauischen 
dialekte  zu  durchforschen.  Es  ist  dagegen  viel  leichter  aus 
Wörterbüchern,  welche  man  sich  in's  haus  bringen  lassen 
kann,  die  consonantengruppen  des  au-,  in-  und  auslautes 
zusammenzustellen  (Dm.  s.  26—32  und  64 — 74)  als  in  Li- 


380  Burda 

tauen  herumzureisen  und  den  landleuten  dort  durch  fragen 
grammatische  und  dialektische  formen  abzulocken  (lit.  gr. 
V  und  VIII).  Man  verschafft  sich  so  das  vergnügen  sagen 
zu  können,  Miklosich  und  Seh.  seien  in  der  lehre  von  den 
consonanten  um  ein  halbes  Jahrhundert  zurück  (R.  s.  19), 
und  man  wird  es  durch  die  Sorgfalt  um  die  Litauer  so 
weit  bringen,  dafs  diese  ihre  dialekte  viel  früher  kennen 
lernen  und  eine  solche  grammatik  ihrer  spräche  wie  die 
oben  angedeutete  erbalten  werden ,  als  z.  b.  die  Böhmen, 
bei  denen  die  erforsebung  der  Volkssprache  oder  der  dia- 
lekte gerade  von  den  grammatischen  auetoritäten  nicht  sehr 
gefördert  wird. 

Die  aufgäbe,  welche  man  der  Sprachwissenschaft  stellt, 
ist  so  grofs,  dafs  ein  mensch  unmöglich  alle  theile  gleich- 
mäfsig  beherrschen  kann,  dafs  also  eine  theilung  der  arbeit 
erfolgen  mufs  (R.  8.  51 — 52).  Sobald  jedoch  Seh.,  „das  zwar 
einseitige  aber  doch  grofse  formgenie",  diesen  grundsatz  der 
arbeitstheilung  practisch  befolgt  und  sich  jenes  feld  der 
Sprachwissenschaft  erwählt,  auf  dem  sein  talent  unbestritten 
ist,  dann  wirft  man  ihm  „ geistlosigkeit u  (R.  s.  51),  »hyä- 
nenartiges herumwühlen  in  den  sprachen"  (R.  s.  54),  „schau- 
derhaftes behagen  am  verwesungsprocefs "  (R.  s.  53 — 54) 
u.  a.  vor.  Man  kann  oder  will  nicht  begreifen,  dafs  Seh. 
nur  die  für  alle  Wissenschaften  so  fruchtbaren  grundsätze 
„vergleichung  und  entwickelung  oder  genetische  erklärung" 
auch  auf  die  Sprachwissenschaft  anwendet,  sondern  man 
beurtheilt  z.  b.  das  Cp.  so,  als  seien  „darin  die  resultate 
der  bisherigen  forschung  so  sauber  gleichmäfsig  in  das  nach 
Hegers  grundsätzen  zusammengeschweifste  und  mit  mis- 
verstandenen  oder  absichtlich  verdrehten  phrasen  der  ma- 
terialistischen Weltanschauung  verbrämte  System  der  glottik 
gebracht"  (R.  s.  84  —  85).  Man  hat  also  noch  nicht  ein- 
gesehen, dafs  Seh.  im  Cp.  hauptsächlich  die  regel  statt  der 
ausnähme  berücksichtigt,  da  auch  die  „libera  vox"  (Dm. 
s.  11  anm.)  »wie  auch  alles  geistige  sein  gesetz  haben  mufs" 
(Leo  Meyer  got.  spr.  s.  392);  dafs  er  besonders  jene  er- 
scheinungen  in  den  sprachen   hervorhebt,    welche  für  die 


anzeigen.  381 

vergleichuog   derselben  wichtig  sind;   dafs  er  also  den  an- 
fangen! vor  allem  einen  überblick  verschaffen  will,  damit 
sie    sich    nachher    in    das   detailstudium  einlassen   können, 
ohne  darin   zu  versinken:   alle  diese  und  noch  andere  um- 
stände beachtet  man  gar  nicht,  sondern  man  hämmert  „zur 
wahrung  seiner  ehre"  (R.  s.  2)  auf  dem  fast  noch  frischen 
sarge  Seh. 's  herum,   als  wäre   es  noch  nicht  genug,   dafs 
schon  der  tod  „im  best  verstandenen  interesse  die  Sprach- 
wissenschaft von  einem  solchen  enfant  terrible,  als  zu  wel- 
chem es  der  selige  vermöge  seines  sehr  weit  gehenden  und 
rücksichtslosen  liberalismus  und  kraft  der  übrigen  eigen- 
schaften  gebracht"  (R.  s.  30),  befreit  hätte.     Dagegen  fin- 
det  man  es  ganz  in   der  Ordnung  die  böhmischen  schüler 
mit  dem  hiatus  (Sr.  s.  131  — 134),  mit  dem  vocal Wechsel 
(Sr.  8.  135  — 138),    mit    falschen    contractionsregeln   (Sr. 
s.  129 — 130)  u.  dgl.  m.   zu  martern  oder  zu  lehren,   die 
grundvocale   des  böhmischen   wären  i,  a,  u,   die  vocale  e, 
o,  y   entständen   dagegen   durch  brechung  aus  ai,  au,  ui 
(Sr.  8.  112).     Als  man  dieses  meiner  Wenigkeit  und  den 
mitschülern  im  gymnasium   so  vortrug,  glaubten  wir  steif 
und  fest,   die   böhmischen  vocale  a,  u   seien  -primäre  oder 
grundvocale,  ohne  natürlich   zu  ahnen,   dafs  die  von  der 
Sprachwissenschaft  erschlossenen'  grundvocale  a,  u,    denea 
man  böhmisch   a,  u  ohne   viele   geschiebten  gleichgesetzt 
hatte,  eine  ganz  andere  geltung  haben.    Die  ableitung  von 
e,  o,  y  mittels  brechung  aus  ai,  au,  ui  kam  uns  spafsig 
vor,  weil  wir  uns  wunderten,  dafs  der  professor  des  grie- 
chischen nie   auf  den  einfall  kam   die  analogen   vocale  e, 
o,  v  auch  so  entstehen  zu  lassen.    In  derselben  grammatik 
(Sr.  s.  274)  lasen  wir  dann  auch,   dafs  es  „nachahmungs- 
würdiger" wäre  im  böhmischen  ob-jati,  po-jati  statt  ob-jiti, 
po-jiti  oder  obe-jmouti,  po-jmouti  (==  altsl.  obü-j$ti,  po-j^ti) 
zu  schreiben,    „weil   auf  diese  weise   dem  ursprünglichen 
Organismus   des  slaviscben   überhaupt  mehr  rechnung  ge- 
tragen wird,  vor  allem  jedoch  deswegen,  weil  das  böhmi- 
sche selbst  so  den  abgang  gewichtigerer  vocale,  welcher 
sich   in   folge    des  consequent  und  streng  durchgeführten 


382  Burda 

progressiven  utnlautes  eingestellt  hatte,  fast  ausschliefslicb 
zu  ersetzen  trachtet".  Wenn  Seh.  noch  lebte,  so  könnte 
er  in  der  that  ausrufen: 

^HXixog  ccp  r\v  viüv  &OQvßog<)  el  tyco  tovto  knoiovv"\ 
Wir  schtiler  konnten  freilich  die  tragweite  jenes  grundes 
damals  nicht  würdigen,  nur  erschien  es  uns  sonderbar, 
warum  man  zu  diesem  zwecke  gerade  slovakische  formen 
in  die  böhmische  Schriftsprache  einschmuggeln  sollte.  Auch 
wufsten  wir  damals  noch  nicht,  dafs  es  schon  viel  früher 
böhmische  patrioten  gab,  welche  allen  ernstes  vorschlugen, 
z.  b.  dusa  statt  duäe  zu  schreiben,  um  auf  diese  art  den 
verwandten  Polen  näher  zu  rücken.  Wie  die  böhmische 
Schriftsprache  noch  sonst  von  patrioten  und  nichtpatrioten 
maltraitirt  wurde,  gehört  nicht  hieher,  wo  nur  zu  berichten 
bleibt,  wie  H.  (R.  8.  27  —  30)  von  Seh.  erzählt,  dafs  er 
„uicht  nur  die  Orthographie,  sondern  auch  das  wesen  der 
böhmischen  Schriftsprache  zertrümmern  und  mit  einem  der 
drolligsten  kauderwälsche  ersetzen  wollte".  Man  darf  nur 
nicht  glauben,  dafs  es  lauter  böhmische  patrioten  gab,  die 
berechtigt  gewesen  wären  über  Sch.'s  „  offenes  schreiben 
eines  fremden  linguisten  an  einen  Böhmen"  (Bonn  1849) 
mehr  als  blofs  unwillig  zu  sein  (R.  s.  29)  oder  dafs  alle 
„dieses  machwerk"  (R.  s.  27)  »der  bereits  angedeuteten 
Verachtung  preisgegeben  haben"  (R.  s.  30).  Im  gegentheil, 
es  gab  auch  böhmische  patrioten,  welche  dieses  Sendschrei- 
ben so  beurtheilen,  wie  es  unter  den  damaligen  Verhältnis- 
sen einzig  und  allein  beurtheilt  werden  konnte.  Dies  be- 
weist z.  b.  eine  anzeige  in  der  Zeitschrift  des  böhmischen 
museums  (1852,  beft  3,  8.  100),  wo  es  heifst:  „Als  ein  sel- 
tenes beispiel,  wie  selbst  ein  ausländer  in  den  geist  der 
slavischen  spräche  dringen  kann,  ist  dieses  schriftchen  be- 
achtungswerth ;  was  aber  den  Vorschlag  desselben  anbelangt 
einige  eigentbümlichkeiten  der  provinciellen  spräche  in  die 
Schriftsprache  aufzunehmen,  darüber  ist,  glaube  ich,  unter 
uns  schon  entschieden".  Das  entscheidende  moment  beruht 
darauf,  dafs  die  böhmische  Schriftsprache  in  ihrer  überlie- 
ferten form  jetzt  nirgends  mehr  so  gesprochen  wird,   wie 


anzeigen.  383 

sie  in  den  bücfaern  vorkommt.  Denn  die  lebendige  spräche 
des  volkes  bat  sich,  wie  alles  in  der  weit,  seit  der  zeit, 
wo  jene  sich  herausgebildet  hatte,  in  vielen  punkten  ver- 
ändert. Diesem  umstände  gegenüber  gibt  es  zwei  mögliche 
fälle:  Man  mufs  die  Schriftsprache  auf  der  stufe  zu  erhaltep 
trachten,  auf  welcher  sie  uns  überliefert  wurde,  oder  man 
mufs  der  veränderten  lebendigen  spräche  des  volkes  rech- 
nung  tragen  und  ihr  näher  rücken.  Gibt  man  einmal  zu, 
dafs  das  erstere  sich  nicht  durchführen  läfst,  so  folgt  dar- 
aus mit  noth wendigkeit,  dafs  man  kein  anderes  als  das 
zweite  mittel  zu  ergreifen  habe.  Dies  hat  Seh.  also  ver- 
sucht; allein  gerade  H.  ist  nicht  derjenige,  welcher  darüber 
so  unwillig  sein  und  Sch.'s  Sendschreiben  so  verachten 
sollte,  wie  die  schon  oben  aus  der  Sr.  s.  274  citirte  stelle 
beweist.  Denn  sobald  der  eigentliche  Zusammenhang  von 
ob-jiti  (umarmen,  umfassen)  mit  obe-jmu  aus  dem  sprach- 
lichen bewufstsein  des  volkes  geschwunden,  ist  kein  gram- 
matiker,  also  weder  Seh.  noch  auch  H.,  im  stände  diesen 
zusammenbang  wieder  herzustellen.  Die  formen  der  Wörter, 
welche  dieselben  unter  dem  einflusse  eines  früher  lebendi- 
gen lautgesetzes  erbalten  haben,  werden  entweder  unver- 
ändert so  fortgepflanzt,  wie  EL  auf  s.  55  der  R.  nach 
Waitz  erzählt,  oder  das  volk  verfährt  mit  ihnen,  wie  es 
selbst  will  oder,  besser  gesagt,  wie  das.  agens  aller  Verän- 
derungen in  den  sprachen  es  hiebei  leitet.  Dafs  also  die 
böhmische  Schriftsprache  jetzt  z.  b.  trasti  (schütteln)  der 
umgelauteten  form  tfisti  vorziehe,  um  etwa  „dem  ursprüng- 
lichen Organismus  des  slavischen"  näher  zu  kommen  oder 
gar  „um  den  abgang  gewichtigerer  vocale  zu  ersetzen tf, 
wie  H.  glaubt  (Sr.  s.  274),  beruht  auf  einer  ziemlichen  Un- 
kenntnis des  einflusses,  welchen  die  stets  lebendige,  stets 
sich  ändernde  spräche  des  volkes  auf  die  Schriftsprache 
ausübt.  Woher  weifs  H.,  dafs  die  form  trasti  nicht  etwa 
neben  der  klassischen  tfisti  im  munde  des  volkes  fortgelebt 
und  sie  später  sogar  aus  der  Schriftsprache  verdrängt  hat? 
Auch  gilt  von  der  klassischen  böhmischen  Schriftsprache 
mitunter  das  wort  eines  Römers,  der  da  meinte,  man  brauche 


384  Burda 

nur  pertisum  statt  pertaesum  zu  sagen,  um  fein  zu  sprechen. 
Es  wäre  nach  allem,  was  hier  nur  flüchtig  berührt  werden 
konnte,  in  der  tbat  für  die  Böhmen,  für  die  Slaven  und 
die  Sprachwissenschaft  überhaupt  viel  erspriefslicber,  wenn 
EL,  statt  in  einer  replik  von  „mach werk  oder  „Verachtung4* 
zu  reden,  seinen  einflufs  lieber  dazu  benutzen  würde,  dafs 
die  Böhmen  nicht  blofs  die  schriftlichen  denkmäler,  sondern 
auch  den  lebendig  sprudelnden  quell  ihrer  spräche,  d.  i. 
alle  dialekte,  kennen  lernen  möchten.  Denn  diese  bergen 
schätze  in  sich,  welche  für  die  lautlehre  und  die  syntax 
sehr  wichtig  sind.  Die  Verachtung  aber,  welcher  man 
20  jähre  später  das  „offene  schreiben a  des  linguisten  Seh« 
preisgibt,  mufs  natürlich  um  so  gröfser  sein,  weil  es  durch 
zufall  (wovon  Seh.  wahrscheinlich  nichts  wufste)  das  licht  der 
weit  in  einer  zeit  erblickte,  wo  H.'s  landsleute,  „die  Slo- 
vaken,  gegen  die  seit  jeher  bestandene  literische  einigkeit 
mit  den  Böhmen  so  energisch  thätig  waren,  dafs  er  selbst 
nicht  umhin  konnte  ihnen  mit  vorbehält  beizutreten"  (R. 
s.  29)-  Um  jedoch  zu  erfahren,  was  sich  einer  der  eifrig- 
sten Verfechter  der  literarischen  einigkeit  zwischen  Böhmen, 
Mährern,  Slovaken  über  diesen  beitritt  mit  vorbehält  ge- 
dacht hat,   lese  man   die   Zeitschrift  des   böhmischen   mu- 

V 

seums  (1858,  8.  615,  anm.),  wo  Sembera  von  H.  sagt:  „Er 
spielte  die  rolle  des  Schöpfers  einer  Schriftsprache  für  die 
Slovaken".  Noch  weniger  darf  es  jemandep  wunder  neh- 
men, wenn  EL  „den  seligen  seit  jeher  gering  geschätzt  hat" 
(B.  s.  92),  weil  dieser  auch  so  frei  war  an  der  echtheit  der 
königinhofer  bandschrift  zu  zweifeln.  Hiebei  will  man  nur 
nicht  einsehen,  dafs  Scb.  dieselbe  nicht  unbedingt  verdammt 
hat,  wie  seine  worte  (d.  beitr.  II,  480—482)  mehr  als  zur 
genüge  durchblicken  lassen,  sondern  man  bringt  diese  sache 
in  der  replik  wieder  aufs  tapet  (s.  91—93),  damit  die  zahl 
der  vorwürfe  gegen  Seh.  eben  vollzählig  werde.  Um  nichts 
zu  verschweigen,  mufs  meine  Wenigkeit  hier  gestehen,  dafs 
sie  noch  bei  lebzeiten  Seh. 's  diesen  gegenständ  in  einem 
briefe  an  denselben  ebenfalls  berührt  und  dafs  er  sich  da- 
bei nicht  gar  so  „empfindlich"  benommen  hat,   als  man 


anzeigen.  385 

nach  der  replik  etwa  glauben  sollte.  Nun  aber,  da  Seh. 
todt  ist,  erscheint  es  ganz  und  gar  überflüssig  diesem  streit 
zu  erneuern,  es  wäre  hingegen  bei  weitem  besser  seinem 
„gegner"  ein:  eir?  aoi  xara  yfjg  y,ovrpii  xovigl  in's  grab 
nachzurufen.  Statt  dessen  aber  rühmt  man  ihm  in  äufserst 
herzloser  weise  das  nach,  was  auf  s.  35  der  R.  zu  lesen 
jst:  „In  seinem  kämpfe  um  das  dasein  zeichnete  sich  der- 
selbe insbesondere  dadurch  aus,  dafs  er  weder  um  die 
waffen  selbst  noch  um  die  wähl  und  führung  derselben 
namentlich  gegen  uns  Slaven  je  verlegen  war".  Leider 
betrachten  sich  auch  manche  Slaven  als  solche  Unglücks- 
kinder,  von  denen  H.  mit  Buckle  auf  s.  24  der  R.  spricht, 
und  viele  von  ihnen  werden  vielleicht  glauben,  dafs  Seh; 
gerade  darauf  ausging  sie  zu  bekämpfen  Gegen  eine  solche 
vermeintliche  bekämpfung  gibt  es  ein  ganz  einfaches  mittel, 
welches  freilich  etwas  mehr  zeit  in  anspruch  nimmt  als  die 
ausarbeitung  einer  replik,  und  dieses  läfst  sich  mit  zwei 
worten  bezeichnen:  gediegenes  wissen  und  würdiges  betra- 
gen. Wer  diese  zwei  „  kleinigkeiten "  besitzt,  dem  wird 
überall  mehr  achtung  von  selbst  zu  theil  werden,  als  wenn 
er  noch  so  sehr  mit  „industrierittern"  (R.  s.  94),  „gering- 
Schätzung  ",  „  Verachtung  ",  „  ausbund  aller  Parteilichkeit  " 
und  andern  zärtlichen  namen  dieser  art  herumwirft,  von 
denen  man  aus  der  replik  eine  ziemliche  blumeniese  zu- 
sammenbringen könnte.  Viele  Slaven  sind  gewifs  nicht 
minder  stolz  darauf  Slaven  zu  sein  als  EL,  allein  die 
schamröthe  mufs  ihnen  doch  in's  gesiebt  steigen,  wenn  sie 
eine  solche  replik  zu  lesen  bekommen,  worin  man  seine 
„deutschen"  gegner  mit  namen  -wie  die  obigen  tractirt. 
Wer  besser  zu  sein  glaubt,  als  seine  »gegner",  der  darf 
solche  waffen  wie  die  vorliegende  replik  nicht  führen,  weil 
er  seiner  Sache  dadurch  nicht  nutzen,  sondern  nur  schaden 
kann«  In  den  „wäldern  der  nordamerikanischen  wilden" 
(R.  8.  90)  gibt  es  keine  Sprachforschung,  dort  schreibt  man 
also  auch  nicht  auf  dem  titelblatte  einer  replik:  „Ein  bei- 
trag  zur  neuesten  geschiente  der  indoeuropäischen  Sprach- 
forschung überhaupt  und  der  slavischen  insbesondere",  um 

Beiträge  z.  vgl.  sprach  f.  VI.  3.  25 


386  Burda,  anzeigen. 

dieses  buch  dazu  zu  benutzen,  dafs  man  Seh. 's  leben  und 
wirken  als  einen  kämpf  gegen  die  Slaven  hinstellt  oder 
anspielungen  auf  die  politische  Stellung  Deutschlands  in  der 
weit  macht.  (R.  s.  39),  zumal  es  in  der  eigenen  heimath 
für  eine  alle  erscheinungen  des  böhmischen,  d.  h.  alle  dia- 
lekte  und  alle  denkmäler  berücksichtigende  grammatik 
vollauf  zu  thun  gibt.  „Bleiben  Sie  bei  der  böhmischen 
grammatik,  da  ist  noch  viel  zu  thuntf,  so  schrieb  einmal 
Seh.  an  meine  Wenigkeit  und  hatte  dabei  vor  allem  die 
erforschung  der  Volkssprache  im  sinne. 

Man  kann  daher  zum  Schlüsse  der  replik  die  worte 
nachsagen,  dafs  H.  seine  ehre  vielleicht  besser  gewahrt, 
der  Wissenschaft  eher  gedient  und  den  Slaven,  beziehungs- 
weise Böhmen,  gewifs  mehr  achtung  in  den  äugen  apderer 
verschafft  hätte,  wenn  er  ohne  geringschätzung  und  erbit- 
ter ung  „manches  anders"  gesagt  und  überhaupt  getrachtet 
hätte,  dafs  man  seine  eigenen  worte  nicht  auf  ihn  selbst 
anwenden  dürfte;  In  seinem  kämpfe  und  in  seiner  erbitte- 
rung  gegen  Seh.  zeichnete  sich  derselbe  dadurch  aus,  dafs 
er  ohne  rüoksicht  auf  zeit,  räum  und  sonstige  Verhältnisse 
alle  möglichen  vorwürfe  zusammensuchte,  um  „zur  Wahrung 
seiner  ehre"  den  gegner,  welchen  er  schon  bei  lebzeiten 
„gering  geschätzt"  hatte,  erst  nach  dem  tode  als  einen  aus- 
bund  von  „sehr  weit  gebendem  und  rücksichtslosem  libe- 
ralismus"  und  anderen  ei ge rischaften  hinzustellen. 

Anmerkung.  Ich  gebrauche  die  ausdrücke:  hoch- 
litauisch und  niederlitauisch  (zemaitiszkas),  obwol  das  letz- 
tere wort  noch  einen  besondern  sinn  haben  mufs.  Als  ich 
nämlich  im  april  des  jabres  1868  in  Wien  mit  einem  Li- 
tauer aus  Rufsland  sprach,  nannte  dieser  kurzweg  alles 
Zemaitiszkai,  was  nicht  in  seinen  dialekt  zu  passen  schien, 
ob  es  gleich  nach  Seh.  echt  hochlitauisch  war.  Das  wort 
zemaitiszkas  mufs  daher  noch  eine  andere,  vielleicht  nur 
locale  bedeutung  haben. 

Eisenberg,  11.  Oktober  1869. 

Wenzel  Burda. 


Kuhn,  anzeigen.  387 

Indogermanische  Chrestomathie.  Schriftproben  und  lesestücke  mit 
erklärenden  glossaren  zu  August  Schleichers  compendium  der  verglei- 
chenden grammatik  der  indogermanischen  sprachen.  Bearbeitet  von 
H.  Ebel,  A.  Leskien,  Johannes  Schmidt  und  August  Schlei- 
cher. Nebst  Zusätzen  und  berichtigungen  zur  zweiten  aufläge  des 
compendiums  heraufs  gegeben  von  August  Schleicher.  Weimar  1 8 69 . 
V  und  378  ss.     8. 

Die  aufgäbe,  welche  sich  unser  verstorbener  freund 
bei  der  herausgäbe  dieses  bucbes  gestellt  hatte,  war,  schrift- 
und  sprachproben  der  im  compendium  grammatisch  behan- 
delten sprachen  zu  geben,  damit,  wenn  auch  nur  an  kleinen 
abschnitten,  die  eigenthümlichkeit  der  im  compendium  be- 
arbeiteten sprachen  im  gegensatz  zu  dem,  was  allen  oder 
mehreren  gemeinsam  ist,  unter  der  anleitnng  eines  bequemen 
handbuches  bei  Vorlesungen  erläutert  werden  könne.  Mit 
den  zu  mitarbeitern  gewonnenen  freunden  und  schulern  hat 
Schleicher  deshalb  schrift-  und  sprachproben  des  vedischen 
und  späteren  sanskrit,  des  altbaktrischen,  altpersischen,  alt- 
griechischen, altlateinischen,  oskischen,  umbrischen,  altiri- 
schen, altbulgarischen,  litauischen  und  gotischen  gegeben 
und  denselben  genaue  glossare  beigefügt,  in  welchen  bei 
den  einzelnen  Wörtern  auf  die  §§.  des  compendiums,  in 
denen  die  betreffenden  grammatischen  formen  behandelt 
werden,  verwiesen  ist.  Das  buch  wird  daher  bei  Vorlesun- 
gen sowohl  als  beim  Selbststudium  eine  sehr  zweckmäfsige 
einführung  in  das  Studium  aller  im  compendium  behandel- 
ten sprachen  bilden  und  zeigt,  dafs  Schleicher  bis  zum 
letzten  lebenshauch  dem  grundsatz,  dafs  die  vergleichende 
Sprachforschung  sich  nicht  auf  das  Studium  von  lexicon  und' 
grammatik  beschränken  dürfe,  sondern  die  verglichenen 
sprachen  auch  in  ihrem  ganzen  leben  zu  erfassen  habe, 
anerkennung  und  förderung  zu  verschaffen  bemüht  war.  — 
Die  zahlreichen  nachtrage  und  berichtigungen  zur  2.  aufläge 
des  compendiums  (s.  342 — 78)  sind  eine  werthvolle  zugäbe 
und  allen  besitzern  jenes  buches  unentbehrlich.   ' 

A.  Kuhn. 


25* 


388  Spiegel 

Vritra  —  verethra,  vritraghna  —  verethraghna. 

Der  letzte  band  der  neuen  aufläge  von  Potts  ety- 
mologischen forschungen  (II,  3,  p.  554  fg.)  erinnert  mich 
daran,  dafs  ich  meine  ansieht  ober  die  in  der  Überschrift 
genannten  Wörter  noch  nirgends  vollständig  und  im  zu- 
sammenhange dargelegt  habe.  Die  Wichtigkeit  der 
8 chlüfs folger ungen,  die  man  gerade  aus  denselben  för  die 
indogermanische  urzeit  zu  ziehen  pflegt,  wird  es  entschul- 
digen, wenn  ich  hier  nochmals  ausführlich  auf  diese  schon 
so  viel  besprochenen  Wörter  zurückkomme;  ich  stütze  mich 
bei  dieser  darlegung  meiner  ansieht  auf  meine  eigenen  for- 
schungen  auch  in  den  Vedas  und  die  folgenden  citate  aus 
dem  Rigveda  dürften  wenigstens  so  lange  nicht  unnöthig 
sein,  als  da9  petersburger  Wörterbuch  noch  nicht  zu  dem 
buchstaben  v  vorgerückt  ist.  Zwar,  dafs  Vritra  im  Veda 
einen  dämon  bedeute,  der  von  Indra  oder  einem  anderen 
götte  getödtet  wird,  ist  bekannt  genug  und  wird  weiterer 
belege  nicht  bedürfen.  Weniger  bekannt  dürfte  es  schon 
sein,  daft  vritra  n.  pl.  auch  die  feinde  überhaupt  bedeutet 
(cf.  Rigv.  457,  34.  460,  13.  467,  8.  48  >,  14  u.  s.  w.;  vritra 
bhürlni  313,  19  oder  vritra  bhüri  699,  4.  Durch  päpäni 
wird  das  wort  337,  2  erklärt),  endlich,  dafs  es  auch  adjec* 
tivisch  gebraucht  worden  sein  mufs,  wie  man  aus  dem 
comparativ  vritratara  (32,  5)  erkennen  kann.  Ebenso  ist 
allgemein  bekannt,  dafs  Vritrahan  ein  beiwort  namentlich 
des  Indra  sei  und  Vritatödter  heifse,  auch  hierfür  wird  map 
mir  nähere  angaben  erlassen.  Allein,  dafs  Vritrahan  überall, 
wo  das  wort  vorkommt,  den  Vritratödter  bezeichnen  müsse 
und  nicht  auch  .den  schläger  der  feinde  bezeichnen  könne, 
wäre  erst  noch  zu  erweisen.  Die  ansieht  des  scholiasten 
ist  es  gewifs  nicht,  dafs  Vritrahan  nur  Vritratödter  be- 
zeichne, denn  er  übersetzt  z.  b.  486,  5  das  wort  mit  $a- 
trünä  hantä  und  dafs  dies  auch  die  ansieht  der  hymnen- 
dichter selbst  war,  läfst  sich  leicht  erweisen,  da  Indra  nicht 
blos  vritrahan,  sondern  auch  gbano  vritränä  genannt  wird 
(283,  1.   705,  18),    er    heifst   ferner    auch    vritrahantama 


mi  sc  eilen.  389 

(394,  1),  was  docb  nicht  am  meisten  den  Vritra  tödtend 
heifsen  kann.  Zum  öberflufs  erhält  Indra  auch  noch  den 
heinamen  amitraban  (486,  14),  über  dessen  bedeotung  doch 
täglich  ein  zweifei  nicht  bestehen  kann.  Es  ist  endlich 
bekannt,  dafs  vritrahan  nicht  ein  beiname  des  Indra  allein 
ist,  so  heifst  unter  anderen  auch  Soma  (91,  5.  458,  11  *)) 
und  Agni  (74,  3.  457,  48).  Gewöhnlich  nimmt  man  an,, 
dafs  die  liederdichter  bald  den  einen,  bald  den  andern  gott 
für  den  besieger  des  Vritra  gehalten  hätten.  Allein  Indra 
und  Agni  heifsen  .auch  zusammen  vritrahanä  (246,  4. 
609,  1)  und  auch  in  diesem  zusammenbange  wird  vritrahan 
besser  als  feindestödter  zu  übertragen  sein.  Schwer  ist  es 
auch  zu  glauben,  dafs  worte  wie  vritraghna  (440,  3),  vri- 
traghnl  (beiname  der  Sarasvatl  502,  7),  vritrahatha  (250,  1 ), 
vritrahathja  (320,  2  =  vritränä,  patrünä  hananä),  värtra- 
hatja  (271,  1),  die  alle  siegreich,  sieg  bedeuten,  in  der 
weise  entstanden  sein,  dafs  man  ursprünglich  blos  an  die 
erlegung  des  Vritra  dachte  und  dann  diese  Wörter  erst 
in  zweiter  linie  die  besiegung  der  feinde  überhaupt  be- 
deuten. Viel  natürlicher  scheint  es  mir  für  vritra  als 
grundbedeutung  die  eines  feindes  überhaupt  anzunehmen, 
woraus  sich  dann  erst  Vritra  als  name  eines  besonderen 
feindes  entwickelte. 

Zu  ganz  ähnlichen  ergebnissen  wie  bei  den  Vedas 
werden  wir  auch  kommen,  wenn  wir  die  betreffenden  Wör- 
ter im  Avesta  betrachten.  Hierüber  habe  ich  in  meiner 
Übersetzung  des  Avesta  (III,  p.  XXXII)  schon  einiges  mit- 
getheilt,  näheres  findet  man  bei  Justi.  Das  wort  verethra 
ist  häufig  genug  und  bedeutet  nach  der  tradition  steghaf- 
tigkeit,  verethraghna  bedeutet  sieg  oder  auch  persönlich 
gefafst,  den  genius  des  sieges,  den  neueren  Behräm.  Ve- 
rethra£an  soll  als  adjectiv  siegreich  bedeuten,  es  ist  ein 
bei  wort,  welches  Ahura,  Qaoäjanp,  Haoma  und  besonders 
QraoSa  erhält,  der  Superlativ  veretbragan^tema  findet  sich 

*)  An  letzterer  stelle  erklärt  Sffjaoa  vritrahanä  mit  9atrfinS  hantärä  und 
fügt  bei:  atra  viitrahancabdena  somo  'bhidhijate,  pite  hi  sati  some  vritrSni 
hantum  indra:  samartho  bhavatiti  jfivat. 


390  Spiegel 

auch  von  Zarathustra  gebraucht.  Im  engen  zusammenhange 
mit  dem  eben  angeführten  worte  steht  värethraghni,  sieg- 
reich. Wenn  die  zuletzt  erwähnten  Wörter  mit  skr.  vritra- 
ban,  vritrahantama  sehr  gut  zusammenstimmen,  so  sind 
doch  gründe  vorhanden,  weiche  uns  hindern,  die  eränische 
bedeutung  „  siegreich tt  aus  der  vedischen  „feindetödtend* 
abzuleiten.  Die  bedeutung  feindschaft  will  nämlich  für 
verethrem  nirgends  passen,  ebenso  wenig  wie  feind,  und  von 
den  bedeutungen  feind,  feindschaft  zu  der  des  sieges  zu 
gelangen  dürfte  auch  nicht  leicht  sein.  Dazu  kommt  noch 
das  adjectivura  verethravan  siegbegabt,  sieghaft,  das  ebenso 
wenig  von  der  grundbedeutung:  mit  feindschaft  begabt  aus- 
gehen kann.  Ueberhaupt  ist  auch  vom  Standpunkte  der 
iranischen  sprachen  aus  nicht  die  geringste  nöthigung  vor- 
handen, einen  solchen  bedeutungsübergang  anzunehmen. 
Das  wort  kommt  von  der  wurzel  vere  abwehren,  von  wel- 
cher auch  häm-vereta  tapfer,  bewehrt  und  häm-veretis 
tapferkeit  abgeleitet  werden  mufs;  nach  meiner  schon  frü- 
her ausgesprochenen  ansieht  hängt  damit  das  neupersische 
öß  gnrd,  held  und  ^ß  grt|,dl5  tapferkeit  zusammen. 
Demnach  wird  man  vom  eränischen  Standpunkte  aus  vere- 
tbraghna,  verethravan  nicht  als  feindetödtend,  mit  feinden 
begabt  und  daher  siegreich  auffassen  dürfen,  sondern  viel- 
mehr: mit  sieghaftigkeit  tödtend,  so  dafs  verethra  im  in- 
strumental stehend  zu  denken  wäre.  Diese  fassung  wird 
Jp  10,  24  von  der  tradition  für  verethra-taurväo  vorge- 
schrieben, was  dem  vedischen  vritratur  entspricht. 

Nachdem  wir  nun  die  Sachlage  in  den  beiden  arischen 
sprachen  dargestellt  haben,  kommen  wir  nun  zu  der  frage, 
wie  wir  uns  die  Verwandtschaft  zwischen  vritra  und  vere- 
thra,  vritraghna  und  verethraghna  zu  denken  haben.  Diese 
Wörter  entsprechen  sich  buchstabe  für  buchstabe  und  es 
ist  mir  daher  nicht  wahrscheinlich,  dafs  ihre  gleichheit 
nur  eine  zufällige  sei,  ich  nehme  vielmehr  an,  dafs  sie  sich 
schon  in  der  arischen  periode  gebildet  haben.  Unsere  auf- 
gäbe wird  nun  sein,  eine  grundbedeutung  für  ihre  Wörter 
zu  finden,   aus  welcher  sich  einerseits  die  bedeutung  des 


miscellen.  391 

feindes  im  indischen,  andererseits  die  des  sieges  im  eräui- 
schen  entwickeln  konnte.  Diese  glaube  ich  nun  in  der 
adjecti vischen  bedeutung  des  Wortes  vritra  gefunden  zu 
haben,  welche  in  den  Vedas  noch  deutlich-  hervortritt. 
Dafs  mit  der  endung  tra  früher  adjectiva  gebildet  wurden, 
ist  bekannt,  ein  ähnliches  beispiel  dürfte  mitra  sein,  neben 
ämatra;  in  den  classischen  sprachen  hat  L.  Meyer  ( vergl. 
gramm.  II,  3b2  fg.)  auf  vereinzelte  beispiele  dieser  art  wie 
adulter,  Xahiftgog  hingewiesen.  Aus  der  grund bedeutung 
^abwehrend*  konnten  sich  nun  die  bedeutungen  „feindlich" 
wie  „siegend"  entwickeln,  je  nachdem  man  sich  als  das 
subject  oder  das  object  der  handlung  ansah.  Bei  dieser 
erklärung  versteht  es  sich  von  selbst,  dafs  dem  worte  ur- 
sprünglich eine  mythologische  bedeutung  nicht  zukam  und 
ich  glaube,  dafs  man  mit  der  erklärung  des  Wortes  schon 
lange  ins  reine  gekommen  wäre,  wenn  man  auf  den  my- 
thologischen hintergedanken  verzichtet  hätte.  Aber  vere- 
thra  sollte  nicht  blos  das  indische  wort  vritra,  es  sollte 
auch  der  dämon  Vritra  sein.  Und  doch  braucht  man  nur 
den  Rigveda  zu  lesen,  um  zu  erkennen,  dafs  wir  zu  dieser 
forderung  gar  kein  recht  haben,  dafs  auch  dort  der  name 
Vritra  für  den  erschlagenen  dämon  noch  nicht  feststeht, 
sondern  derselbe  mit  verschiedenen  anderen  namen  benannt 
wird,  ich  verweise  hierüber  auf  Breals  Untersuchungen. 
Wenn  man  es  wahrscheinlich  machen  kann,  dafs  der  my- 
thus,  den  die  indischen  religionsbücher  von  Vritra  erzählen, 
sich  in  dem  weiteren  kreise  der  indogermanischen  my Uro- 
logien in  ziemlich  sicheren  spuren  erhalten  habe,  so  mufs 
man  dagegen  gestehen,  dafs  die  bemühungen  auch  den  dä- 
mon Vritra  wiederzufinden,  nicht  sehr  glücklich  gewesen 
sind.  An  das  griechische  'Ogiigog  habe  ich  selbst  früher  mit 
M.  Müller  den  namen  anschliefsen  wollen,  bin  aber  seitdem 
durch  Potts  gegen bemerkungen  (et.  forsch.  II2,  1,  p.  747  fg.) 
davon  zurückgekommen. 

Erlangen.  Fr.  Spiegel. 


392  Burda,  miscellen. 

Frä,  fran,  TtifinQtjfii. 

Als  grundbedeutung  der  worte  frä,  fran?  welche  den 
worten  wie  <l^ccQprjg^  <I>a()Vüv%og  etc.  zu  gründe  liegen,  haben 
wir  beitn  V,  390  fg.  den  begriff  des  glänzens  oder  brennens 
gefunden,  ohne  jedoch  eine  entsprechende  wurzel  in  den 
indogermanischen  sprachen  nachweisen  zu  können.  Es 
waren  mir  eben  damals  die  griechischen  Wörter  wie  ni^ 
fiQt]/Aij  7tQ7Jd-(o  entgangen,  welche  auf  dieselbe  wurzel  zu- 
rückgehen dürften  und  über  die  man  jetzt  Pott  et.  forsch. 
II,  2,  p.  249  vergleichen  kann. 

Erlangen.  Fr.  Spiegel. 


Ein  beispiel  der  praesensstaminbildung  mittels 

ta  im  slavischen. 

So  häufig  die  praesensbildung  mittels  ta  im  litauischen 
ist  (s.  Schleicher,  lit.  gramm.,  s.  246),  so  selten  ist  sie  im 
slavischen,  wo  sich  nur  kümmerliche  spuren  derselben  er- 
halten. Hier  tritt  überdies  noch  der  umstand  ein,  dafs  das 
dement,  welches  nur  zur  praesensbildung  dient,  mit  der 
wurzel  selbst  bleibend  verwächst. 

Ein  verbum  dieser  art  ist  nun  rasti,  rast$  (wachsen). 
Was  seine  bedeutung  betrifft,  so  ist  es  ein  intransitivum 
und  stimmt  darin  also  vollkommen  mit  dem  litauischen 
überein.  Die  wurzel  ferner,  von  der  es  herkommt,  ist  ardh 
(wachsen).  Und  diese  wurzel  ardh  mit  dem  das  praesens 
bildenden  Suffixe  ta  und  der  personalendung  der  III.  sg.  ti 
gibt  die  grundforin  ardh-ta-ti,  woraus  nach  einem  bekannten 
lautgesetze  zunächst  ars-ta-ti  und  im  slavischen  vorläufig 
*ars-te-tl  entstanden  ist. 

Dabei  mufs  man  sich  erinnern,  dafs  der  vocal  von  rasti 
so  zu  sagen  erstarrt,  nicht  mehr  lebendig,  d.  h.  einer  be- 
wegung  innerhalb  seiner  vocalreihe  nicht  mehr  fähig  ist, 
weil  er  immer  nur  als  a  erscheint,  vergl.  subst.  rastü  und 
causat.  rastiti.  Erklärt  wird  diese  erscheinung  dadurch, 
dafs  im  slavischen  zwischen  a  und  r  in  *ars-te-ti  notwen- 
diger weise  eine  metathesis  eintrat  und  dafs  gerade  durch 
diesen  umstand  der  vocal  a  als  a  erhalten  wurde,  vgl.  ka- 
-ray  mit  ak-mu',  vratiti  mit  vart^ti,  aber  prositi  mit  pra- 
szyti.  Dafs  endlich  t  mit  der  ursprünglichen  wurzel  ardh 
bleibend  verwuchs  und  mit  ihr  so  die  secundäre  wurzel 
rast  (aus  arst)  bildete,  findet  sein  seitenstück  im  ahd.  fleh- 
tan.  Wenzel  Burda. 


Burda,  zum  deutsch-preufs.  vocabular.  393 

Zum  deutsch  -  preufsischen  vocabular,  von 

Nesselmaun, 

Wie  der  deutsche  theil  dieses  Wörterbuches  ftir  die 
deutsche  Sprachforschung  wichtig  ist,  so  bietet  wiederum 
der  preufsische  dem  forscher  des  litauischen  und  slavischen 
manche  interessante  ausbeute.  Ucbrigehs  läfst  sich  die 
richtige  leseart  nach  des  herausgebers  eigenen  worten  in 
der  vorrede  oft  eben  nur  durch  die  vergleichung  mit  den 
nächstverwandten  sprachen  festsetzen,  was  in  manchen  fäl- 
len wohl  noch  leichter  geworden  wäre ,  wenn  man  durch 
ein  dem  buche  angehängtes  facsimile  sich  einen  klareren 
begriff  von  der  schrift  machen  könnte,  als  dies  nach  dem 
in  der  vorrede  erwähnten  möglich  ist.  So  ist  leicht  ein- 
zusehen, dafs  der  preufsische  theil  nur  gewinnen  kann,  wenn 
er  von  der  vergleichenden  Sprachforschung  recht  benutzt 
wird. 

Die  folgenden  zeilen  bringen  nun  als  beitrag  zum  theile 
vergleiche  mit  dem  litauischen  und  slavischen,  welche  im 
buche  noch  fehlen,  zum  theil  haben  sie  auch  den  zweck, 
zu  einer  genaueren  Untersuchung  der  handschrift  anzuregen 
(s.  unten  bei  keuto,  musgeno  und  stranibo),  indem  sich 
nur  auf  diesem  doppelwege  noch  mancher  gewinn  aus  dem 
vocabular  ziehen  läfst.  Nesselmann's  litauisches  Wörter- 
buch sei  der  kürze  halber  hier  mit  Wbch,  Miklosich's  Le- 
xicon  palaeoslovenicum  wieder  mit  Lex.  bezeichnet;  die 
Ordnung  aber,  in  welcher  die  Wörter  besprochen  werden, 
ist  die  alphabetische. 

Wenn  man  zwischen  den  lesearten  ab-stocle  und  ab- 
statten die  wähl  hat,  so  wird  man  sich  aus  etymologischen 
gründen  für  cl  statt  tt  entscheiden.  Denn  ab-stocle  ist 
wahrscheinlich  durch  das  suffix  cle  (vergl.  gur-cle  =  lit. 
ger-kle)  von  jener  wurzel  gebildet,  von  der  auch  das  wort 
stogis  (dach)  kommt,  nur  ist  statt  *ab-stog-cle  der  aus- 
spräche nach  blos  abstocle  geschrieben.  Auch  ist  nur  alne 
die  einzig  richtige  leseart,  weil  bei  N.  647  unter  tyer 
nicht  das  thier  (animal)  überhaupt,  sondern  wohl  das  „thier" 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4.  26 


394  Burda 

der  Jägersprache  gemeint  ist;    mithin   entspricht  alne  dem 
lit.  eln&  (hindin,  Wbch.,  s.  19)  so  genau  als  möglich.    Bei 
ane  (altmutter)  wäre  eher  das  lat.  anus  anzufahren,    da 
dessen  bedeutung  befser  pafst.     Wenn  arglobis  den  Schei- 
tel  bezeichnet,    so  braucht  man  noch  nicht  an  glawo  zu 
denken;    es  läfst  sich  ja  arg-lobis  abtheilen,  worauf  lobis 
dem  altslov.  lubü  (calvaria,  Lex.)   gleich   ist.     Das  wort 
arwarbs  (langbaum)  stimmt  bis  auf  das  b  zum  lit.  al-varas 
(Langbauro,  Wbch.  s.  5),  dessen  zweiter  theil  nicht  nur  in 
dem  gleichbedeutenden  p£r-varas  (Wbch.  s.  51),   sondern 
auch  in  dem  böhmischen  roz-vora  (dass.)  enthalten  ist.  Im 
bezug  auf  assegis  (barsch)  liegt  es  näher,    das  wort  mit 
dem  lit.  ezegys  (kaulbarscb,  Wbch.  s.  20)  neben  ezgys  zu 
vergleichen ,   indem  preufsiscb  ss  darin  dem  lit.  z  so  ent- 
spricht wie  in  assaran  neben  lit.  ezeras.    Zugleich  sei  hier 
noch  erwähnt,  dafis  derselbe  fisch  (Acerina  cernua)  in  eini- 
gen gegenden  Böhmens  jezdik  genannt  wird,  was  nach  den 
lautgesetzen   für  *jezgik  steht  und  dem  lit.  ezgys  ziemlich 
nahe  kommt.     Ferner  ist  attolaü,  lit.  atölas  wohl  mit  dem 
slavischen    otava    (grummet)    zusammenzustellen.     Klexto 
(kehrwiscb)  und  das  mit  der  praep.  au  =  slav.  u  zusam- 
mengesetzte au-klexto8  (oberkehricht)  hangen  sicherlich  mit 
dem  lit.  klastyti   (spreu  und   staub  vom  getreide  auf  der 
tenne  abfegen,  Wbch.  8.  217)  zusammen,   von  dem  auch 
klastyklö  (abfegebesen)  und  n&klastos  (das  abgefegte)  ab- 
stammen.   Während  dann  brisgelan  (zäum)  dem  slav.  brüzda 
(frenum,  Lex.)  ähnlich  ist,  hat  broakay  mit  russisch  brjucho 
(bauch)  nichts  zu  thun,   sondern  ist  zum  altslov.  braöina 
(sericae  vestes,  Lex.)  zu  ziehen.   Sobald  man  weiter  dago- 
-angis  in   dago-augis  verbessert,   erhält  man  ein  analogon 
zum  lit.  vasar*augis  (reis,  sprols,  Wbch.  s.  55),    mit  dem 
es  im  zweiten  theile  wurzelhaft  identisch  ist  (vergl.  aug-ti 
wachsen)  und  der  bedeutung   nach  zum   ahd.  sumar-lota 
nebst  dem  slav.  l&to-raslf.     Dafs  im   altslov.  dla-to  (scal- 
prum,  Lex.)  vor  t  ein  b  ausgefallen,  wird  durch  das  preu- 
fsische  dalp-tan  bestätigt,    besonders  wenn  man  noch  das 
böhmische  iterativ  dlab-ati  (ausmeifseln)  dazu  hält.  Dongo 


zum  deutflch-prenfsischen  vocabular.  395 

(„refetf)  wird  man  wohl  mit  recht  zu  d^ga  (arcus,  iris 
Lex.)  stellen  können,  weil  dieses  in  den  jüngeren  slawi- 
schen sprachen  auch  die  fafsdaube  bezeichnet  und  im  be- 
zug  auf  die  lautliche  form  mit  dem  preufsischen  worte 
ganz  zusammenfällt.  Mit  drimbis  (schleier)  vergleiche  man 
das  lit.  drimba  in  stal-drimba  (tischtuch,  Wbch.  s.  497) 
und  mit  geytye  (brot,  d.  i.  „lebensmittel")  vielleicht  das 
slav.  zito  (frumentum,  Lex.).  Dafs  gertoanax  (habicht)  in 
gerto-anax  abzutheilen  ist,  wird  niemand  bestreiten,  aber 
wohl  auch  die  vermuthung  nicht  übel  finden,  dafs  zur 
erklär ung  von  anax  kein  neues  wort  zu  suchen  ist,  weil 
man  mit  der  annähme  ausreicht,  dafs  ein  w  ausgefallen 
und  *gerto-wanax  zu  lesen  ist,  was  „hühnerhabicht"  be- 
deutet. So  steht  das  wort  in  einem  nicht  zu  übersehen- 
den gegensatze  zu  spergla-wanag  (s.  unten).  Die  wurzel 
von  golis  (tod)  scheint  zu  der  des  lit.  gil-tin&'  (todesgöttin, 
Wbch.  s.  255)  zu  stimmen.  Das  slavische  grübü,  womit 
grabis  und  garbs  (berg)  identisch  ist,  kann  auch  die  be«- 
deutung  berg  haben,  wie  unter  anderem  aus  dem  böhm. 
pa-hrb-ek  (kleiner  berg,  hügel)  sich  ersehen  läfst;  in  wosi- 
-grabis  ( spillenbaum )  konnte  dagegen  das  russische  grabu 
(hainbuche)  stecken.  Zu  granstis  (bohrer)  pafst  wohl  das 
lit.  gramdyti  (schrapen,  kratzen,  Wbch.  8.266),  wovon 
grämdykle  (trogschrape,  kurzes  krummes  eisen,  womit  man 
teig  vom  backtroge  abkratzt)  kommt;  mit  mehr  Wahr- 
scheinlichkeit wird  jedoch  zu  kalpus  (rungenstock)  das  lit* 
kalpa  (querstück,  in  welches  die  rungenstücke  gefügt  wer- 
den, Wbch.  8.  174)  zu  ziehen  sein.  Bei  kanowe  (tonne) 
l&fst  sich  an  das  böhmische  konev  (kanne),  bei  woytis  in 
caria-woytis  (heerschau)  an  das  altslov.  väste  (für  *v£tje, 
senatus,  consilium,  Lex.)  denken.  Stimmt  ferner  kexti 
(zopfhaar)  schön  zum  böhmischen  kstice  (caesaries,  wäre 
altslov.  *ku£tica),  so  findet  wiederum  kekulis  (badelaken) 
seine  verwandten  im  lit.  kiklikas  (leibchen  ohne  schöfse, 
Wbch.  8.  199),  dem  altslov.  cechlü  (velamen,  Lex.)  und 
dem  böhm.  öechlik,  welches  auch  badetuch  bedeuten  kann. 
Obwohl  Nesselmann   bei   kentaris   sagt,    dafs  man  dieses 

26* 


396  Burda 

wort  in  der  handschrift  eher  keutaris  lesen  würde,  dafs  eu 
aber  sonst  nicht  vorkomme,  so  mufs  dennoch  statt  kento 
entschieden  keuto  (haut)  gelesen  werden,  weil  diesem  worte 
im  litauischen  kiautas  (weiche  haut  an  verschiedenen  fruch- 
ten, Wbch.  s.  189)  entspricht.  Ist  nun  eu  dadurch  eini- 
germafsen  sichergestellt,  so  wird  auch  keutaris,  das  die 
handschrift  bietet,    wahrscheinlich  die  richtige  lesart  sein.  } 

Aus  keuto,    welches   man  nach  dem  lit.  kiautas  neben  lat.  j 

cutis  etwa   wie   kiüto  auszusprechen    sich    versucht    fühlt,  < 

könnte  man  vielleicht  schliefsen,   dafs  erweichte  consonan- 
ten  dem  dialecte  des  vocabulars  wenigstens  theilweise  nicht 
fremd  waren  (vgl.  auch  geauris,  teausis  oder  teansis,  schu- 
wikis  =  lit.  siuvikas),    doch  fällt   wieder  caune  neben  lit. 
kiaune  auf.   Ob  die  Zusammenstellung  von  kerko  (taucher) 
mit  dem  böhm.  kfechar  (dass.)  angeht  oder  nicht,   sei  da- 
hingestellt; kiosi  (becher)  ist  aber  gewifs  das  altslov.  caäa 
(poculum,  Lex.),    mag  man   sich   das  preufsische  wort  in 
litauischem  gewande  als  *kiase  oder  *kiöse  denken.    Kisses 
(pelz),    der  form  nach  wahrscheinlich  ein  nom.  plur.  fem., 
könnte  zum  altslov.  koza  (pellis)  und  kozuchü  (vestis  pel- 
licea,  Lex.)  gehören.    Denn  ss  für  z  kommt  öfter  vor,  und 
wenn  man   zu   slav.  o  im  preufsi sehen  vielleicht  ein  a  er- 
warten würde,    so  vergleiche  man   wieder  wirds  aus  dem 
katechi8mus  mit  lit.  värdas.  Ein  plurale  tantum  von  einem 
worte,    das  im  sing,  feil  bedeutet,    wäre  zur  bezeichnung 
des  pelzes  nicht  gar  so  unpassend.    Wegen  des  consonan- 
ten  *8  ist  wohl  die  vergleichung  von  kirsnan  (schwarz)  mit 
dem  altslov.  erünü  (niger,  Lex.)   etwas  bedenklich,  unbe- 
streitbar scheint  hingegen   der  Zusammenhang   des  wortes 
knaistis  (angebranntes  scheit)  mit  dem  altslov.  gnetiti  (ac- 
cendere  Lex.).     In   coestue  (bürste)   und   coysnis  (kämm) 
erscheinen   ableitungen   von  einer  wurzel  kas,   von  der  im 
litauischen    kas-tuvas    ( Striegel,   Wbch.    8.  184)    herrührt. 
Neben  dem  suffixe  tuva-s  besitzt   das  litauische  auch  tuvö 
(s.  Schleicher,  lit.  gramm.  s.  117),    so  dafs  coes-tue  einem 
lit.  *kas~tuve  entsprechen  würde.   Im  slavischcn  lautet  aber 
dieselbe  wurzel  ces  für  *kes,  und  stammen  von  ihr  böhm. 


zum  deutsch-preufsischen  vocabular.  $97 

ces-adlo  (kämm;  Striegel),  altsl.  ces-lu  (pecten,  Lex.)  und 
slovakisch  cesen,  gen.  cesne  (kämm),  womit  das  preufsische 
coysnis  grofse  ähnlichkeit  hat.  Krixtieno  (erdschwalbe) 
gehört  zum  lit.  kr^gzde  (schwalbe;  auch  Uferschwalbe  Wbch. 
s.  225);  kristionisto  (Christenheit;  so  und  nicht  kristiomsto 
ist  zu  lesen)  dagegen  entspricht  dem  lit.  krikszczonyste 
(dass.,  Wbch.  s.  228)  bis  auf  den  umstand,  dafs  dort  das 
suffix  isto  =  altlit.  ysta  (s.  Schleicher,  lit.  grarain.  s.  118 
anm.),  hier  yste  vorliegt.  Läfst  die  Übereinstimmung  zwi- 
schen kumetis  (bauer),  lit.  kümetys  und  slav.  kmett,  wel- 
ches letztere  in  den  slavischen  sprachen  noch  jetzt  bauer 
bedeutet  (s.  Lex.  unter  kmeti)  oder  ehemals  bedeutete, 
nichts  zu  wünschen  übrig,  so  könnte  die  vergleichung  von 
lagno  (leber)  mit  skr.  jakan  zweifelhaft  erscheinen.  Doch 
erwäge  man  wegen  1  preufsisch  luriay  neben  lit.  jür&s,  dann 
lit.  jeknos  (leber,  Wbch.  8.  38)  neben  skr.  jakan,  und  we- 
gen g  statt  k  z.  b.  preufs.  sagnis  (wurzel)  neben  lit.  szaknis 
(dass.).  Dafs  ferner  laitian  (wurst)  etwas  an  das  böhmi- 
sche jelito  (blut wurst)  erinnert,  ist  nicht  so  interessant  als 
das  wort  larga-seraytan  (steigbügelriemen).  So  wie  es  ge- 
schrieben steht,  scheint  es  nicht  sehr  klar  zu  sein;  sobald 
man  indessen  eine  Versetzung  des  g  zuläßt  und  *lara-ser- 
gaytan  liest,  gewinnt  man  gleich  einen  einblick  in  die  ety- 
mologie.  Während  nämlich  der  erste  theil  *lara  einen  an- 
klang an  das  lat.  lörum  verräth*),  ist  *sergaytan  unstrei- 
tig dem  lit.  zerg-ti  (auf  das  pferd  steigen,  Wbch.  s.  544) 
zur  seite  zu  stellen.  Daraus  .ergibt  sich  nun  als  bedeu- 
tung  von  *lara-sergaytan  etwa  „riemensteige4*,  was  dem 
deutschen  sticledder  ganz  gut  entspricht,  nur  dafs  die  Stel- 
lung der  einander  in  der  bedeutung  entsprechenden  be- 
standtheile  eine  andere  ist.  Das  preufs.  lonix  (stier)  läfst 
sich  mit  dem  slav.  lono  (pudenda  Lex.)  recht  gut  vereini- 
gen, wogegen  luckis  (scheit)  zum  böhm.  louc  (ou  ist  deh- 
nung  von  u)  in  der  bedeutung  von  fackel,  span  passen 


*)  Zu  berücksichtigen  bleibt  jedoch,    dafs   lortihi  für  Morum   steht  (s. 
Corssen  ausspr.  I9,  812).       J.  S. 


398  Burda 

würde.  Dann  kann  auch  mandiwelis  (quirnestab)  wobl 
nicht  vom  polnischen  m^tew,  böhm.  moutev  (quirl)  getrennt 
werden.  Merkwürdig  ist  weiter  die  Übereinstimmung  zwischen 
panno  (feuer)  einerseits  und  dem  got.  fon,  funan-  (feuer) 
andererseits.  Hält  man  zu  staclan  in  pann-staclan  (feuer- 
eisen) auch  das  ahd.  stahal  (stahl,  h  =  urspr.  k),  so  ge- 
winnt dieses  altpreuisische  compositum  nur  um  so  mehr 
interesse  für  das  deutsche  Gibt  man  hernach  zu,  dafs  in 
pa-ssortis  (schürstange)  das  ss  wie  in  assaran  und  ezeras 
einem  lit.  &  entsprechen  kann,  so  ist  die  Zusammenstellung 
dieses  wortes  mit  dem  lit.  z£r-ti,  zar-styti  (schüren,  Wbch. 
s.  544)  zulässig  und  würde  es  im  litauischen  etwa  *pa- 
-zartis  lauten.  Ob  auch  pa-ssupres  („ase")  unter  gleicher 
Voraussetzung  sich  mit  dem  lit.  zuber-klas  (lange  Stange 
mit  eisernen  spitzen  zum  aalstechen,  Wbch.  s.  550)  verein- 
baren läfst,  ist  nicht  leicht  auszumachen.  Was  dann  pasto 
und  pasto wis  (webe  und  laken)  betrifft,  so  leuchtet  aus 
dem  slav.  postav  (linteum,  pannus,  s.  Lex.  unter  postavü) 
wohl  ein,  dafs  an  eine  leseart  pascowis  nicht  zu  denken 
ist.  Zweifelhaft  ist  es  vielleicht,  bei  pele  (weihe)  an  das 
altslov.  piljukü  (milvus,  Lex.)  zu  denken,  wogegen  die  ver- 
gleichung  von  perwios  (estrich  der  tenne)  mit  lit.  pürvas 
(koth,  Wbch.  8.  299)  deshalb  sicherer  zu  sein  scheint,  weil 
der  feste  tennenboden  aus  lehm  besteht.  Der  zweite  theil 
von  piwa-maltan  (malz)  zeigt  einige  ähnlichkeit  in  der  laut- 
lichen form  mit  dem  böhm.  mlato  (treber,  durch  metathe- 
sis  aus  *malto),  wofern  er  nicht  aus  dem  deutschen  ent- 
lehnt ist.  Roaban  (gestreift)  ist  wohl  nichts  anderes  als 
das  lit.  raibas  (buntsprenkelig,  Wbch  s.  431),  weil  preufs. 
oa  =  lit.  ai  sein  kann,  wie  moasis  (blasebalg)  neben  lit. 
mäiszas  (sack)  zeigt  Dafs  saltan  (speck)  zum  russischen 
salo  (fett)  gehört,  sieht  man  noch  befser  ein,  wenn  man 
sich  die  polnische  form  dieses  wortes  sadlo  vergegenwär- 
tigt. Salus  (regenbach)  dürfte  einer  würzet  sal  (sich  be- 
wegen) entsprofsen  sein,  von  der  auch  skr«  salil&m  (wasser) 
herstammt,  so  dafs  die  eigentliche  bedeutung  von  salus 
nur  wafser,   speciell  regenwafser  wäre.     Zu  sardis  (zäun) 


zum  detitsch -preuf Bischen  vocabular.  399 

stelle  man  das  lit.  zardas  (gerüste  von  holz,  Wbcb.  s.  539), 
8ari  (glut)  stimmt  nicht  allein  zum  lit.  zarlja  (glühende 
kohle),  sondern  auch  zum  slav.  zarja  und  zoija  (splendor, 
Lex.),  während  schokis  (gras)  doch  wohl  mit  dem  lit.  see'- 
kas  (frisch  gemähtes  gras  zum  füttern,  Wbch.  s.  514)  iden- 
tisch ist.  Preufsisch  o  und  lit.  e  finden  sich  auch  in  pa- 
-towelis  (Stiefvater)  und  lit.  pa-te'vis,  auffallender  ist  seh 
neben  lit  sz.  Durch  die  etymologie  wird  ferner  die  leseart 
schumeno  (draht)  festgestellt,  indem  dieses  wort  bei  no.  507 
den  draht  des  Schuhmachers  bezeichnet  und  als  solches 
ohne  zweifei  von  der  würzet  schu  =  lit.  siu  durch  das 
suffix  meno  =  urspr.  manä  (vgl.  auch  lit.  mene)  abgeleitet 
ist.  Seamis  (winterkorn)  gehört  auf  jeden  fall  nur  zu  semo 
(winter),  wie  aus  dem  böhm.  o-zime  zito  (winterkorn,  wäre 
altsl.  *o-zimoje  zito),  o-zimä  psenice  (winterweizen,  wäre 
altsl.  *o-zimaja  piäenica)  und  o-zim  fem.  (wintergetreide, 
wäre  altsl.  *o-zimi)  zur  genüge  hervorgeht.  Mit  seese 
(amsel)  vergleiche  man  das  lit.  szesze  oder  szezö  (dass. 
Wbch.  8.  516  und  517),  mit  seydis  (wand)  das  altslov.  zidü 
(murus,  Lex.)  und  mit  sidis  (hartriegel)  endlich  das  böhm. 
svid,  womit  der  rothe  hartriegel,  Cornus  sanguinea,  be- 
zeichnet wird.  Das  suffix  von  seweynis  (saustall)  entspricht 
dem  lit.  fnas  wie  in  angynas  (natternnest),  sew  hingegen 
ist  wohl  durch  Spaltung  von  u  eines  Stammes  *su  (vergl. 
su-8,  av-g)  entstanden,  wie  es  auch  in  dem  lettischen  suv- 
-6n8  oder  siv-ens  (ferkel)  geschehen  ist.  Interessant  ist 
auch  das  Verhältnis  von  scabre  (fisch  zärthe),  wenn  so 
richtig  gelesen  ist,  zu  dem  lit.  zabrys  (Wbch.  8.  536)  oder 
zobrys  und  zobras  (Wbch.  s.  550),  welches  den  nämlichen 
fisch  bezeichnet.  Skerptus  (rüsterbaum)  erkennt  man  in 
dem  lit.  skirpstüs  (rothbuche,  Wbch.  s.  478)  wieder,  scri- 
tayle  (radfeige)  zeigt  aber  eine  Weiterbildung  des  lit.  skrl- 
tas  oder  skrftas  (die  feigen,  Wbch.  8.  482)  und  slaune 
(arme  der  Vorderachse  des  wagens)  mit  slaunis  nebst  dem 
lit.  szlaünis  (hüfte,  Oberschenkel)  stimmen  sehr  schön  zu 
skr.  erönis  und  altbaktr.  craonis  (hüfte)«  Denn  die  sans- 
kritwurzel  $ru  erscheint  hier  regelrecht  als  slu  im  letti- 


400  Burda 

sehen  und  preufsischen,  als  szlu  dagegen  im  litauischen 
wie  auch  die  bekanntere  gleichlautende  pru  (hören).  Wenn 
man  ferner  slidenikis  (leithund)  neben  das  slav.  sledü  (spur) 
und  das  davon  stammende  verbum  slediti  (spüren,  Lex.) 
stellt,  so  möchte  man  an  entlehnung  aus  dem  sl aviseben 
denken,  weil  jenes  wort  genaueinem  slav.  *sledinikü  gleich 
ist.     Das  böhmische  slidnik  bezeichnet  einen  spürhund. 

Weiter  unten  entspricht  smoy  (mann)  doch  wohl  nur 
dem  altlitauischen  zmu  (mensch,  Wbch.  s.  553)  und  mit 
ihm  dann  dem  got.  guma  und  lat.  homo.  Wenn  es  auch 
wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben  sollte,  dafs  smorde 
(faulbaum)  mit  dem  lit.  smlrdas  (gestank)  und  smardvö 
(unfläthigkeit,  Wbch.  s.  469)  zusammenhängt,  so  ist  hin- 

*  gegen  an  der  richtigkeit  der  leseart  spaustan  statt  span- 
stan  (mühlwinde)  nicht  zu  zweifeln,  weil  sich  im  litaui- 
schen spauda  und  spaus-tüv6  (kelter,  presse,  Wbch.  s.492) 
findet.  Erinnert  man  sich  an  das  vorgeschlagene  *gerto- 
wanax  statt  des  vorkommenden  gerto.-anax,  so  wird  man 
in  spergla-wanag  (sperber),  was  den  ersten  theil  an- 
betrifft, mit  leichtigkeit  den  sperling,  spurglis,  erkennen, 
so  dafs  dieses  zusammengesetzte  wort  nur  „sperlingsha- 
bichtu  bedeutet,  was  wiederum  auch  ein  beweis  ist,  dafs 
oben  wirklich  nur  *gerto-wanax  gelesen  werden  mufs.  Mit- 
hin heifsen  diese  zwei  raubvögel  „  hühnerhabicht u  und 
„Sperlingshabicht",  und  das  letztere  findet  sein  seitenstöck 
in  der  deutschen  benennung  desselben  vogels  ahd.  sparwäri 
aus  sparo,  got.  sparva  (sperling).  Wegen  e  und  u  in 
spergla-  und  spurglis  vergleiche  man  gurcle  mit  lit.  gerkle'; 
dafs  aber  g  im  preufsischen  worte  kein  blofser  einschub 
ist,  beweist  z.  b.  die  deutsche  dialectische  form  „sperktf. 
Statt  stabs  (schöps)  wäre  vielleicht  *scabs  zu  lesen,  weil 
es  so  zum  slavischen  *skopü  passen  würde,   von  dem  das 

*  deminutiv  altslov.  skopici  (der  verschnittene),  böhm.  skopec 
(schöps)  kommt,  vgl.  auch  skopiti  (evirare,  Lex.).  Wenn 
man  nach  der  vorrede  oft  nicht  weifs,  ob  man  m  oder  ni 
zu  lesen  hat,  so  könnte  auch  strambo  (stoppeln)  vielleicht 
in   *stran-ibo   verändert  werden.     Das  suffix   *ibo  gehörte 


zum  deutsch-preufsischen  vocabular.  401 

dann  nebst  be  in  pagonbe  (heidenschaft)  zum  lit.  yba,  ybfc 
(s.  Schleicher,  lit.  gramm.  8.  128,  129),  *8tran  aber  würde 
sich  durch  das  slav.  strüni  (stipula,  Lex. ;  böhm.  strn-iste 
( Stoppel  und  Stoppelfeld)  recht  gut  erklären.  Es  scheint 
aber,  dafs  *stran  aus  einem  älteren  *starn  umgestellt  ist, 
für  welchen  Vorgang  sich  im  vocabular  noch  andere  bei- 
spiele  auffinden  lassen.  Und  selbst  wenn  nur  strambo  ge- 
lesen werden  sollte,  so  stünde  dies  der  vergleichung  mit 
strüni  nicht  im  wege,  weil  n  vor  b  sehr  leicht  zu  m  wird, 
so  dafs  also  strambo  sich  aus  *stran-bo  erklären  würde. 
Mit  strigeno  (gehirn)  kann  slav.  strüzem  (medulla,  Lex.) 
verglichen  werden,  und  wenn  man  *scurdis  statt  des  an- 
gegebenen sturdis  liest,  was  ja  nach  der  handschrift  auch 
möglich  wäre,  so  tritt  die  Verwandtschaft  mit  dem  altslov. 
o-skrüdü  (instrmnentum  lapicidae,  Lex.),  böhm.  o-skrd 
(mühleisen,  bille,  spitzhammer)  hervor.  Während  ferner 
suppis  (dämm)  sich  leicht  mit  dem  slav.  süpü  im  altslov.  . 
na-süpü  (Lex.),  serb.  na-sap,  böhm.  na-sep  (beide:  agger) 
vergleicht,  scheint  sutristio  (molken)  ein  überflüssiges  t  zu 
enthalten,  wie  vielleicht  das  slav.  syriste  (coagulum,  Lex.) 
und  auch  das  böhm.  syr-ovätka  (molken)  zeigt.  Deutlich 
ist  der  Zusammenhang  von  sweriapis  mit  dem  poln.  swier- 
zepa  (stute,  Lex.  unter  sverepü)  und  dem  altböhm.  sverep- 
-ice  (stute),  wenn  das  preufsische  wort  nicht  gar  selbst 
slavischen  Ursprunges  ist.  Bei  tallokinikis  (freier),  wozu 
lit.  talkä  (8.  Wbch.  s.  88)  das  Stammwort  bietet,  wird  auch 
das  slav.  tlaka  anzuführen  sein,  obwohl  es  mit  freiwilliger 
arbeit  nichts  zu  thun  hat,  sondern  frohndienst  bedeutet. 
Trotzdem  verhält  sich  talkä  zu  tlaka  wie  etwa  valdyti  zu 
vlad-ati.  So  wie  sich  talus  (boden)  zum  slav.  tilo  (pavi- 
mentum,  Lex.)  und  skr.  tala  (solum)  stellt,  so  ist  tarkne 
(bindriemen)  zum  slav.  trakü  (fascia,  Lex.)  und  trupis  (klotz) 
zu  trüpu  (truncus,  Lex.)  zu  ziehen.  In  tunclis  (rade),  wo- 
fern nicht  *cunclis  zu  lesen  ist,  läfst  sich  das  slav.  kakoli 
(nigella,  Lex.),  böhm.  koukol  (kornrade)  und  lit.  kükalas 
(dass.  Wbch.  8.  207)  nicht  verkennen.  Wäre  dann  die 
leseart  *cussis  statt  tussis  (mücke)  erlaubt,  so  könnte  das 


402  Burda 

Kt.  kiuzu,  kiu£ti  (wimmeln,  kribbeln,  Wbch.  8.  214)  herbei- 
gezogen werden.  Berechtigter  ist  jedoch  die  Zusammen- 
stellung von  welgen  (schnupfen)  mit  slav.  vlügü-kü  (bumi- 
dus,  Lex.)  und  lit.  vilgyti  (anfeuchten,  Wbch.  8.  79),  ebenso 
die  von  winsus  (hals)  mit  dem  böhm.  vaz  (genick).  Denn 
hält  man  das  russ.  vjaziga  (rückensehne  des  Störs)  und  das 
altsloven.  v$ziga  (nervus  piscium,  Lex.)  dazu,  so  erscbüefst 
man  aus  dem  böhm.  vaz  ein  altsl.  *v$zü,  da  einem  altslov. 
q  im  russischen  regelmäfsig  ja,  im  böhmischen  oft  ein  a 
entspricht,  wie  z,  b.  auch  in  svaty  =  altsl.  sv^tyj.  Statt 
des  angegebenen  vimino  (ulme)  im  vocabular  etwa  *wincsno 
oder  *winxno  zu  lesen,  geht  wohl  nicht  an,  obgleich  es 
auf  diese  weise  zum  lit.  vinkszna  (ulme,  Wbch.  s.  81)  pas- 
sen würde.  Auch  russisch  vjazü  (eine  ulmenart),  böhm. 
vaz  (ulme)  lassen  ein  ähnlich  lautendes  altslov.  *vqzü  er- 
schließen. Woapis  (färbe)  ist  das  altslov.  vapü  (color, 
Lex«),  wolti  (ähre)  aber  genau  das  lit.  valtis  (haferrispe, 
Wbch.  s.  49),  serbisch  vlat  (arista,  Lex.  unter  vlatü)  und 
nach  verlust  des  anlautenden  v  das  neuslov.  lat  und  böhm, 
lat  oder  latka  (rispe),  während  wuysis  („wacker")  wohl 
mit  dem  böhm.  vyz-el  (spürbund;  hühnerhund)  zusammen- 
zustellen ist,  da  preufs.  uy  einem  elav.  y  entsprechen  kann, 
wie  z.  b.  luysis  (luchs)  und  slav.  rysi  (dass.)  zeigt. 

Nachträglich  müssen  zwei  oben  übergegangene  Wör- 
ter erst  hier  erwähnt  werden.  Weil  ro  in  grobis  (darin) 
auch  wohl  aus  or  umgestellt  sein  kann,  so  läist  sich  die 
lautliche  ähnlicbkeit  von  grobis  mit  skr.  garbhas  (uterus) 
nicht  übersehen.  Zur  Vermittlung  der  bedeutung  beider 
Wörter  kann  aber  altslav.  crevo  dienen.  Dieses  bedeutet 
nämlich  wie  garbhas  im  sanskrit  „uterus",  allein  das  ge- 
nau entsprechende  böhmische  wort  stfevo  hat  schon  die 
bedeutung  „dann,  gedärme"  angenommen.  Wie  sich  da- 
her die  functionen  von  ör£vo  (uterus)  und  stfevo  (darm) 
zu  einander  verhalten,  so  hat  man  auch  zwischen  garbhas 
und  grobis  denselben  Wechsel  der  bedeutungen.  In  dem 
worte  scebelis  (haar)  ist  allem  anscheine  nach  sceb  die 
wurzel,  elis  dagegen  suffix,  so  dafs  bei  der  vergleichung 


zum  deutsch  -preufsischen  vocabular.  403 

nur  jene  in  betracht  kommt.  Für  sc  darf  man  nun  in 
einem  verwandten  gotischen  worte  ebenfalls  sk,  für  b  wie* 
derum  b  oder  auch  p  erwarten,  die  aber  nach  dem  be- 
kannten lautgesetze  vor  einem  folgenden  t  ohne  unterschied 
in  f  übergehen.  Unter  dieser  Voraussetzung  darf  man  da- 
her sceh-elis  wohl  mit  dem  got.  skuft  (haupthaar)  zusam- 
menstellen. 

Zum  Schlüsse  mögen  noch  folgende  drei  bemerkungen 
hier  stehen. 

a)  Aus  den  im  buche  gegebenen  lesearten  lalasso 
(lachs),  wolistian  (zicklein)  und  czilix  (zeisig)  liefse  sich 
vielleicht  vermnthen,  dafs  die  handschrift  hier  ein  dem  1 
ähnliches  f,  d.  i.  s  aufweist  und  jene  Wörter  daher  als  la- 
fasso,  wofistian  und  czifix  zu  lesen  sind.  Dadurch  würde 
das  letzte  wort  so  ziemlich  mit  altsl.  cizikü  (acanthis,  Lex.), 
böhm.  cizek  (zeisig)  übereinstimmen.  Aufserdem  scheint 
noch  ein  wort  für  diese  vermuthung  zu  sprechen,  nämlich 
mulgeno  (mark)  wie  Nesselmann  liest.  Nimmt  man  aber 
eine  leseart  mulgeno  an,  so  läfst  sich  das  altslov.  mozgü 
(medulla,  Lex.)  vergleichen.  Will  man  gar  lit.  smagena 
(mark,  Wbch.  s.  486)  herbeiziehen,  so  müfste  man  dazu 
noch  eine  Versetzung  dieses  f  möglich  finden.  •  Doch  wie  dem 
auch  immer  sein  mag,  auf  jeden  fall  wäre  es  der  mühe 
werth,  die  handschrift  in  dieser  hinsieht  zu  untersuchen. 

b)  Wenn  Nesselmann  in  der  vorrede  auf  s.  7  die  mei«- 
nung  ausspricht,  dafs  die  auf  n  ausgehenden  Wörter  des 
vocabulars  als  ursprüngliche  accus ativ formen  aufzufassen 
sind,  so  kann  man  ihm  darin  nicht  ganz  beipflichten.  Se* 
men  (samen)  z.  b.  dürfte  als  nom.  und  acc.  sing,  wohl 
schwerlich  anders  lauten ,  besonders  wenn  man  lat.  seinen 
und  altslov.  söm^  dazu  hält.  Selbst  in  pirsten  (finger)  liegt 
wahrscheinlich  ein  stamm  auf  en  vor;  man  vergleiche  den 
ohne  zweifei  von  einem  consonantischen  stamme  herrüh- 
renden altsl.  gen.  sg.  prüst-en-e,  trotzdem  dafs  dieser  stamm 
schon  fingerring  bedeutet.  Was  welgen  betrifft,  so  kann 
dieses  wort  mittels  des  Suffixes  en  von  einem  adjeetiv  ab- 
geleitet sein  (vergl.  altsl. /vlügu  in  vlügukü),   wie  das  lit. 


404  Burda 

maz-en  von  mäzas  (klein)  in  der  redensart  isz  maz&ns  (von 
kindheit  an,  Wbch.  8.  386).  Docb  könnte  jemand  einwen- 
den, dafs  die  Wörter  auf  en  im  voeabular  nur  die  minder- 
zahl  bilden,  während  solche  auf  an  ziemlich  häufig  vor- 
kommen. Aber  auch  da  ist  kein  zwingender  grund  vor- 
handen, an  in  allen  fällen  för  den  ausgang  des  acc.  sing, 
zu  nehmen.  Wie  leicht  zu  vermuthen,  haben  wir  es  mit 
a-stämmen  zu  thun,  und  diese  bilden  den  acc.  sing.,  wie 
bekannt,  ursprünglich  mittels  m.  Das  casussuffix  m  ist 
nun  im  altpreufsischen  noch  als  n  erhalten;  wie  aber  sollte 
nach  dieser  analogie  der  nora.  sing,  eines  neutralen  a-stam- 
mes  im  altpreufsischen  gelautet  haben,  wenn  schon  in  spra- 
chen, die  masc.  und  neutr.  an  den  a- stammen  beim  Sub- 
stantiv und  adjektiv  noch  gut  unterscheiden,  der  acc.  sing, 
masc.  und  der  nom.  sing,  neutr.  vollständig  zusammenfallen 
(vgl.  Xvxuv  und  Swqov,  lupum  und  donum)?  Mit  recht  kann 
man  allerdings  voraussetzen,  dafs  uns  das  voeabular  die 
einzelnen  Wörter  im  nom.  vorführt;  gehört  jedoch  der  aus- 
gang is  in  den  weitaus  meisten  fällen  dem  nom.  8g.  eines 
männlichen  a-stammes  an,  so  folgt  doch  aus  diesem  um- 
stände allein  noch  nicht  mit  noth wendigkeit,  dafs  der  aus- 
gang an  immer  und  überall  der  des  acc.  sing,  eben  solcher 
stamme  sein  mufs.  Wir  können  vielmehr  wenigstens  in 
einigen  der  Wörter  auf  an  auch  beispiele  eines  nom.  sing, 
neutraler  a-stämme  erblicken,  worauf  wohl  auch  schon  die 
vergleichüng  einiger  von  ihnen  mit  denen  des  slavischen 
führen  dürfte.  Denn  nur  das  slavische  kann  unter  den 
am  meisten  verwandten  sprachen  hier  zunächst  in  betracht 
gezogen  werden,  weil  das  litauische  und  lettische  trotz 
ihre*  näheren  Verwandtschaft  mit  dem  altpreufsischen  kei- 
nen ausschlag  geben,  indem  sie  jetzt  am  substantivum  kein 
neutrum  mehr  unterscheiden.  Man  vergleiche  also  assaran 
mit  slav.jezero,  creslan  mit  poln.  krzeslo,  kelan  mit  kolo, 
prassan  mit  proso,  mestaa  mit  mesto,  lunkan  mit  lyko, 
saltan  mit  poln.  sadto,  staytan  vielleicht  mit  lat.  scutum. 
Wie  dalp-tan  neben  dla-to  steht,  so  scheinen  auch  andere 
Wörter  mit  demselben  suffixe  gebildet  zu  sein,   als  piwa- 


zum  deutsch  -preufsischen  vocabular.  405 

-maltan  neben  böbm.  inläto,  ebenso  meltan  und  spaustan. 
Zum  suffixe  tuan  in  schu-tuan  (zwirn)  pafst  altslov.  tvo  = 
urspr.  tvam  in  tvori-tvo  (qualitas,  Lex.),  indem  es  vom 
infinitivstamme  tvori  so  abgeleitet  ist  wie  schutuan  von 
schu  =  lit.  siu.  Dafs  die  Wörter  auf  ian,  welche  das  junge 
bezeichnen,  neutra  sein  können,  ist  leicht  zu  begreifen, 
auch  läist  sich  vielleicht  maldian  (füllen)  im  bezug  auf  den 
ausgang  ian  mit  dem  griech.  iov  in  ncudiov  vereinigen. 
Ob  ferner  bei  den  namen  auf  istian  als  eristian,  wosistian 
(nebst  den  daraus  verstümmelten)  eben  dieses  istian  zum 
lit.  yksztis  wie  in  varnyksztis  (junger  rabe,  Wbch.  s.  54) 
oder  dem  griech.  taxo  in  vsaviaxog,  besser  vielleicht  einem 
erweiterten  anzunehmenden  *veaviüxiov ,  gehört,  läfst  sich 
für  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen;  dafs  sie 
aber  neutra  sind,  ist  wahrscheinlich.  Wird  ferner  in  allen 
indogermanischen  sprachen  das  neutrum  eines  adjectivs  oft 
substantivisch  gebraucht,  so  könnte  in  no.  460 — 468  bei 
den  farbennamen  ein  ähnlicher  fall  vorliegen.  Den  balti-< 
sehen  sprachen,  mithin  auch  dem  altpreufsischen,  war,  wie 
jedermann  zugeben  wird,  das  neutrum  beim  substantivum 
ursprünglich  so  gut  eigen  wie  jetzt  noch  dem  slavischen« 
Hätte  uns  daher  das  vocabular  aus  dem  anfange  des  15.  Jahr- 
hunderts einige,  vielleicht  nur  diabetische  spuren  davon 
bewahrt)  so  wäre  ein  solcher  fall  nicht  gar  so  unglaub- 
lich. Müfste  man  z.  b.  swetan  (weit)  für  ein  neutrum  hal- 
ten, so  kann  dies  nicht  auffallen;  denn  ist  svetü  im  slavi- 
schen ein  ma8culinum,  so  ist  im  katechismus  switai  wie- 
derum ein  femininum. 

c)  Ueber  das  dunkle  wort  rikisnan  (rücken)  möge  hier 
noch  eine  vermuthung  platz  finden.  Da  schwerlich  jemand 
glauben  wird,  es  sei  aus  dem  deutschen  entlehnt,  so  wird 
man  wohl  eine  andere  erklärung  versuchen  müssen.  Be- 
kanntlich bedeutet  das  altslov.  zadü,  welches  mit  der  prä- 
position  za  (hinter)  zusammenhängt,  nicht  blos  pars  po- 
stica  sondern  auch  dorsum,  welches  letztere  sicherlich  nicht 
die  ursprüngliche  bedeutung  ist.  Nach  diesem  beispiele 
wäre  es  daher  nicht   unpassend,    in  rikisnan  eine  wurzel 


406  Burda,  zum  dentsch-preufslschen  vocabular. 

von  der  bedeutung  „hinten,  rückwärts"  zu  vermuthen. 
Eine  solche  scheint  denn  auch  das  lat.  re,  re-d  (vgl.  pro, 
pro-d),  re-tro  zu  sein,  und  dafs  von  einer  partikel  mittels 
des  Suffixes  ka  ein  nomen  abgeleitet  werden  kann,  beweist 
z.  b.  skr.  adhi-ka  von  ädhi.  Ein  stamm  *ri-ka  im  altpreu- 
fsischen  ist  daher  wenigstens  denkbar;  es  geht  aber  ans 
skr.  garas  neben  garä  noch  weiter  hervor,  wie  einem  vo- 
kalischen stamme  auch  ein  solcher  auf  as  zur  seite  stehen 
kann,  so  dafs  ein  *ri-ka  und  *ri-k-is  (über  preufs.  i  vergl. 
krixtieno  mit  lit.  kregzd6)  doch  nicht  so  ohne  alle  analo- 
gie  sind.  Dann  vergl.  man  das  altslov.  loz-es-ino  (uterus) 
neben  loze  (uterus,  Lex.),  woran  man  sieht,  wie  ein  stamm 
*loz-e8  durch  ein  suffix  ino  =  urspr.  ina  weitergebildet 
worden  ist.  Ein  i  aber  kann  im  altpreufsischen  bisweilen 
auch  unterdrückt  werden,  wie  meine  (blauer  Striemen)  ne- 
ben lit.  mö'linö  zeigt.  Daher  enthält  rikisnan  in  isnan  eine 
ähnliche  Weiterbildung  wie  das  altslov.  lozesino  in  esmo, 
die  bedeutung  hingegen  wäre  ursprünglich  „das  hintere*, 
und  dann  speciell  „der  rücken". 

Einen  analogen  fall  der  erweiterung  zeigt  auch  das 
altböhmische  wort  ritesne  (nates;  es  ist  nom.  dualis),  wozu 
der  nom.  sing,  entweder  *ritesno  oder  *ritesna  sein  könnte. 
Ein  böhmisches  *ritesno  müfste  nun  im  altslovenischen  etwa 
*ritesino  lauten  und  würde  sich  zu  dem  wirklich  vorkom- 
menden ritt  (podex,  Lex.)  beinahe  so  verhalten  wie  loze- 
sino zu  loze.  Man  übersehe  auch  nicht  die  lautliche  ähn- 
lichkeit  zwischen  *ritesino  und  rikisnan.  Während  endlich 
zadü  beide  bedeutungen:  hintertheil  und  rücken,  in  sich 
vereinigt,  hätte  man  im  altböhm.  ritesne  (nates)  die  erste, 
im  altpreufs.  rikisnan  (rücken)  aber  die  zweite  bedeutung. 

Erst  nach  Vollendung  dieser  zeilen  fiel  mir  die  Über- 
einstimmung zwischen  dem  lit.  kosö'rö  (luftröhre)  und  dem 
preufs.  tosy  (kehle)  in  laut  und  bedeutung  auf.  Zu  kos&'rg 
(Wbch.  s.  205;  bemerkt  Nesselmann,  dafs  statt  dessen  ge- 
wöhnlich stemplö  gebraucht  werde,  und  führt  beim  letzte« 
ren  worte  (Wbch.  s.  500)  „kehle,  luftröhre"  als  erste  be- 
deutung an.     Die  ähnlichkeit  ist  wohl  noch  größer,  wenn 


Christ,  Visucius  Mercurius.  "         407 

man  bedenkt,  dafs  kosfc're  auch  mittels  eines  secundären 
re  =  urspr.  rjä  aus  einem  einfachen  älteren  *kose'  weiter- 
gebildet sein  kann.  Etwas  ähnliches  zeigt  z.  b.  mus6l&' 
( fliege y  Schleicher  lit.  gramm.  s.  114)  neben  muse',  ferner 
lit.  utele  (laus)  neben  lett.  ute  und  uts  (dass.,  letzteres  ein 
i-stamqi  uti).  So  .ist  im  litauischen  ein  altes  *kose'  auch 
möglich  und  stimmt  mit  dem  preufs.  tosy  ziemlich  über- 
ein. Ueber  t  im  preufsischen  vergleiche  man  z.  b.  tuylis 
mit  lit.  kuitys,  turpelis  und  lit.  kurpalius.  Ja  man  weifs 
solchen  fallen  gegenüber  oft  gar  nicht,  ob  das  preufs.  t 
auf  einer  falschen  leseart  beruht  oder  ob  es  seinen  Ur- 
sprung einem  eigenthümlichen  lautgesetze  verdankt,  und 
dies  ist  auch  oben  überall  festzuhalten,  wo  ein  c  für  t  vor- 
geschlagen wurde. 

Wenzel  Burda. 


Visucius  Mercurius, 

ein  beitrag  zur  geschichte  der  lateinischen  assibilation  auf 

gallischem  boden. 

* 

In  der  sequanischen  Stadt  Visontio,  später  auch  Be* 
santium  u.  8.  w.  genannt,  fand  sich  früher  ein  stein  dem 
Mercurius  Vesuccius,  dem  Apoll  und  der  Minerva  geweiht; 
eine  götterdreiheit  der  musik  und  erfindung,  die  auch  sonst 
in  keltischen  ländern  vorkommt  *),  nur  dafs  die  allgemeine 
lateinische  bezeichnung  „Mercurius"  nicht  durch  hinzufü- 
gung eines  specielleren  gallischen  namens  individualisiert 
erscheint,  wie  in  unserem  falle.  Die  genannte  inschrift 
steht  bei  de  Wal  „mythol."  p.  201  f.  und  208 f.,  wo  er  zu- 
gleich den  Vesontius  einer  andern  nach  Orelli  2064  mit 
recht  fQr  gefälscht  hält. 


*)  So  zu  Stettfeld  im  Badischen  auf  einem  zu  Karlsruhe  aufgestellten, 
bei  Brambach  „  Baden  unter  römischer  herrschaft "  abgebildeten  relief ;  — 
andere  erwähnt  Lersch  in  den  Bonner  Jahrbüchern  IX  s.  66. 


408  Christ 

Der  lokalgott  Vesontio's  wurde  jedoch  nicht  allein  in 
seiner  heimath,  sondern  auch  weit  davon  am  Neckar  ver- 
ehrt, und  zwar  nicht  von  ihre  garnison  oft  wechselnden 
Soldaten,  sondern  meist  von  einheimischen  beamten  der  ci~ 
vitates  des  grenzlandes.  Dies  ist  der  fall  zu  Köngen  am 
obern  Neckar,  wo  das  götterpaar  Merourius  Visucius  und 
sancta  *)  Visucia  sich  zeigt  (Brambach  1581).  Desglei- 
chen auf  dem  heiligen  berge  bei  Heidelberg,  wo  aber  der 
römisch-keltische  doppelname  des  gottes  unter  aufgäbe  sei« 
ner  römischen  identiiicierung  zu  blofsem  Visucius  verein- 
facht ist  (Brambach  1704),  bei  Hockenheim,  gegenüber 
Speier,  dagegen  wieder  in  der  widmung  VISVCIO  MER- 
CVRIO  (Brambach  1696)  erscheint.  —  Trotzdem  nun, 
dafs  die  abstammung  des  besprochenen  beinamens  klar 
vorliegt,  so  wurden  doch  schon  andere  gänzlich  unhaltbare 
deutungen  versucht;  so  vergliche  man  z.  b.  die  personen- 
namen  Esuggius,  Isugius  (bei  de  Wal  p.  200 f.),  die  ganz 
anderen  Stammes  sind!  Dagegen  könnte  man  wohl  auf  den 
namen  des  Busses  Vezouse  bei  Lüneville  hinweisen,  der 
um  800  Vizuzia  hiefs;  desgleichen  auf  die  in  Vesunna 
(Perigueux)  selbst,  wie  auch  in  Italien  auftretende  gott- 
heit  Vesuna. 

Dafs  und*  auf  welche  weise  aber  der  Vesucius  oder 
Visucius  aus  dem  namen  der  Stadt  entstanden,  ist  bereits 
1819  von  Schmidt  „gesch.  d.  grofsherz.  Hessen"  II  s.  399 
angedeutet  und  auf  die  analogie  der  Brittones  Triputienses 
verwiesen,  deren  namen  auf  ein  Tripontium  oder  vielmehr 
auf  eine  nebenform  Tripuntium   zurückgeht**).     Zur  wei- 


*)  Dafür  ist  sacta  geschrieben,  sodafs  also  hier  der  gutturale  nasal,  das 
sogenannte  n  adulterinum ,  gar  nicht  schriftlich  ausgedrückt  ist,  wie  öfters 
(s.  Corssen  s.  261;  Schuchardt  vokalismus  des  Vulgärlateins  III  s.  58).  Vgl. 
die  Schreibungen  conjux,  conjunx  und  conjuncx. 

**)  Ein  italienischer  ort  dieses  namens  führt  wirklich  inschriftlich  beide 
namensformen  (s.  Henzen  p.  20  indicis).  (In  Italien  liegt  auch  ein  Visen- 
tinm!)  —  Welcher  ort  aber  als  heimath  jeuer  Brittonen  anzusehen  sei,  ist 
schwer  zu  bestimmen.  Lersch  vermuthet  in  den  Bonner  Jahrbüchern  IX 
s.  69  f.,  derselbe  sei  in  der  Bretagne  zu  suchen  und  die  bisherige  annähme, 
in  England  wäre  ein  Tripontium  gelegen,  sei  unrichtig,  daselbst  wäre  nur 
ein  Trimontium  oder  Trimuntium  gewesen. 


Visueius  Mercorius.  409 

tern  erklärung  des  sprachlichen  Vorgangs  wollen  wir  jedoch 
hier  auf  Corssens  jüngst  erschienene  zweite  aufläge  seiner 
lateinischen  ausspräche  u.  s.  w.  verweisen.  Derselbe  ver- 
breitet sich  s.  50 — 67  mit  nachtragen  aufs.  794  f.  ausführ- 
lich ober  die  assibilation  des  -ti  und  -cd  mit  folgendem 
vokal  zu  schliefslichem  -si,  einen  Vorgang,  den  er  gegen 
Schuchardt,  namentlich  auf  gallischem  boden,  doch  etwas 
zu  jung  taxiert,  wenn  er  sein  eintreten  hier  ins  sechste  bis 
siebente  Jahrhundert  rückt,  während  er  sich  in  Afrika  schon 
im  3.  jahrh.  n.  Chr.  entwickelt  haben  soll*).  —  Die  ge- 
nannten Visucius-inschriften  Südwest-Deutschlands  fallen 
aber  auch  nicht  später  als  in  das  3.  jabrh.  —  In  ihnen  ist 
aber  bereits  die  assibilierung  ersichtlich,  die  sich  im  heu- 
tigen „Besanpon"  zeigt,  worin  sie,  wie  im  französischen 
überhaupt,  bis  zum  blofsen  scharfen  Zischlaute  s  (9)  fortge- 
schritten ist.  In  „Besantiontf  nämlich  wurde  die  endung 
erst  zu  -tsjon,  dann  weiter  zu  -tson,  endlich  -6on  assibi- 
liert.  Die  n  wurden  auf  die  dadurch  nasalierten  vokale 
übertragen  und  nur  für  die  schrift  erhalten,  während  im 
Mercurius  Visucius  der  nasalierte  vokal  vollständig  unbe» 
zeichnet  erscheint,  weil  die  lateinische  spräche  kein  mittel 
zu  seiner  bezeichnung  hatte.  (Ueber  den  auefall  des  n  vor 
s,  t  und  d  vergl.  Corssen  s.  251 — 259.)  Dafs  der  nasal 
aber  schon  damals  wie  jetzt  noch  gehört  wurde,  beweist 
die  Unbestimmtheit  des  im  namen  jener  Stadt  dem  n  des 
Stammes  vorausgehenden  vokals,  der  zwischen  a,  o  und  u 
schwankt:  „Besantio,  Vesontio,  Visuntium",  weil  er  eben 
durch  nasalierung  unter  aufgäbe  des  folgenden  n- lautes 
verdumpft  wurde.  —  Dasselbe  sehen  wir  in  Tripontium, 
Tripuntium  —  Triputienses.  Ebenso  nun  wie  ti  vor  fol- 
genden vokalen  assibiliert  wird,  fand  dies  unter  keltischem 
einflu8se  schon  frühe  auf  gallischem  boden  auch  mit  ab- 
leitungssilben  wie  -cius,  -cies,  -cio  u.  s.  w,  statt,  die  gleich- 
falls t8jus,  tsjes,  tsjo  (später  mit  aufgäbe  des  t  und  ver- 

*)  Weniger  gelangen  ist  die  darstellung  dieses  lautlichen  Vorganges, 
welche  Mowat  anläfslich  des  namens  Bonifatins  in  der  Revue  archlol.  1869 
p.  240  f.  in  der  anmerkung  gibt. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4.  27 


410  Christ,  Visucius  Mercurius. 

schlingung  des  j  *))  gesprochen,  leicht  mit  den  wirklichen 
endungen  -tius  u.  8.  w.  verwechselt  werden  konnten,  wie 
dies  in  Visucius  statt  Visutius,  resp.  Visuntius  der  fall  war. 

Ueberblicken  wir  nun  noch  einmal  in  kürze  den  laut- 
lichen hergang  bei  der  assibilierung  in  den  romanischen 
sprachen  in  endsilben,  wie  z.  b.  tio,  so  können  wir  die  fol- 
genden Schemata  aufstellen,  worin  wir  nach  Lepsius'scher 
weise  das  weiche,  tönende  s  durch  z  ausdrücken,  wie  im 
französischen.  Ebenso  ist  z  =  franz.  j.  Mit  j  bezeichnen 
wir  aber  nach  deutscher  art  das  consonantische  i.  Unser 
seh  wird  durch  s  gegeben.  Hierbei  sind  jedoch  zwei  ge- 
biete zu  unterscheiden,  nämlich 

1)  italienischer  sprachboden  als  erste  stufe.  Hier  wird 
tio  —  tjo  zu  täjo,  dies  wieder  vereinfacht  zu  tsjo,  endlich 
unter  sebwund  des  halbvokals  j  zu  ts  z.  b.  Firenze  aus 
Florentia,  palazzo  aus  Palatium.  —  Es  ist  dies  das  deut- 
sche wie  italienische  harte  z  =  ts  —  nicht  das  franzö- 
sische. 

2)  Altkeltischer  sprachboden  in  Gallien  und  Hispanien: 
Sowohl  die  nord-  wie  südromanischen  sprachen  entwickel- 
ten hier  je  nach  dem  vorwalten  der  tonlosen  &  —  s  oder 
der  tönenden  z — z  eine  doppelte  reibe: 

x.     (  töo  —  tso  —  so 
tio  —  tio      .„ 

J     (  tzo  —  tzo  —  zo. 

Hierbei  können  natürlich  nur  die  volkstümlichen  Wörter 
berücksichtigt'  werden,  worin  regelmäfsig  Schwund  des  i 
stattfindet,  z.  b.  maison,  le$on  aus  mansio,  lectio.  In  an- 
dern dagegen,  wo  i  bleibt,  wirkt  der  einflufs  der  etymolo- 
gie  auf  die  schrift  störend,  z.  b.  nation,  das  wie  napion 
gesprochen  wird,  ebenso  action  u.  s.  w. 


*)  So  dafs,  wie  z.  b.  im  französischen  face  aus  facies,  nur  noch  der 
laut  s  übrig  blieb.  —  Im  italienischen  gieng  diese  assibilation  in  der  weise 
vor  sich,  dafs  ci  vor  folgendem  vokal  zu  tsch  wurde,  so  z.  b.  wird  braccio, 
faccia,  cielo  =  bratscho,  fatscha,  tschelo  gesprochen.  Es  ist  dies  eine  folge 
des  zu  j  consonantierten  vokales  i. 

Heidelberg.  K.  Christ. 


Pauli,  preufsische  Studien.  411 

Preufsische  Studien. 

I.     Lautlehre. 

Nesselmann  hat  im  vorigen  jähre  unter  dem  titel:  „Ein 
deutsch -preufsisches  vocabularium  aus  dem  anfange  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts"  nach  einer  von  Peter  Holczwe- 
scher  geschriebenen,  jetzt  der  Elbinger  Stadtbibliothek  ge- 
hörigen handschrift  eine  höchst  werthvolle  Wörtersammlung 
des  altpreufsischen,  und  zwar  pomesanischer  mundart,  ver- 
öffentlicht, werthvoll  einmal  an  sich  als  mehrung  des  vor- 
handenen Stoffes  und  sodann  durch  die  trefflichen  register 
des  herausgebers,  welche  den  preufsischen  formen  die  ver- 
gleichbaren Wörter  der  andern  preufsischen  quellen,  des 
litauischen,  lettischen  und  der  slawischen  sprachen  hinzu- 
fügen. Der  Schreiber  des  vocabulars  war,  wie  sein  name 
zeigt,  ein  deutscher.  Es  fragt  sich,  woher  er  sein  voca- 
bular  entnahm,  ob  aus  schriftlichen  quellen,  ob  aus  münd- 
licher Überlieferung  oder  ob  er  selber  des  preufsischen  kun- 
dig war.  Letzteres  ist  an  sich  unwahrscheinlich;  denn 
welchem  zwecke  sollte  dann  überhaupt  das  vocabular  ge- 
dient habeü?  Doch  liegen  auch  positive  anzeichen  vor,  die 
erweisen,  dafs  der  Schreiber  der  handschrift  des  preufsi- 
schen selbst  nicht  kundig  war,  sondern  es  lediglich  nach 
dem  gehör,  vielleicht  nach  dem  dictat  eines  Preufsen,  und 
zwar  mit  deutscher  Orthographie,  niederschrieb.  Das  letz- 
tere lehrt  ein  einziger  blick  zur  genüge,  das  erstere  folgt 
aus  dem  umstände,  der  nachher  im  einzelnen  zur  Unter- 
suchung gelangen  wird,  dafs  er  nämlich  manche  laute  ent- 
weder ganz  überhört  oder  falsch  aufgefafst  hat,  was  eben 
doch  nur  beim  dictat  möglich  ist. 

Was  nun  seine  Orthographie  anlangt,  so  befolgt  er 
auch  innerhalb  des  deutschen  selbst  keine  festen  regeln,  so 
dafs  er  z.  b.  hintereinander  vlys  flufs  und  reynflis  regen- 
flufs,  hoer  haar  und  czophor  zopfhaar,  naze  nase  und  na- 
seloch nasloch,  vues  fufs  und  vilssole  fufssohle,  czee  zeh 
und  czeballe  zehballen,    becker  bäcker   und  bachüs  back- 

27* 


41Ä  Pauli 

haus  schreibt  und  dergleichen  vieles.  Ebenso  inconsequent 
ist  seine  Orthographie  der  pomesanischen  Wörter.  Aber 
noch  ein  drittes  kommt  hinzu,  welches  die  Zuverlässigkeit 
des  vocabulars  beeinträchtigt,  Holtzwäscher  hörte  nicht 
nur  unter  umständen  ungenau  und  schrieb  inconsequent, 
sondern  er  hat  sich  auch  mehrmals  geradezu  verschrieben. 
So  in  woljstian,  malunastab  (d.i.  -stmbb),  die  Nesselmann, 
ganz  unzweifelhaft  richtig,  in  wosistian,  malunastabis  cor- 
rigirt  hat.  Ebenso  unzweifelhaft  ist  silkasdrunber  in  sil- 
kasdrimbis  zu  ändern.  Aber  es  sind  mir  aufser  diesen 
noch  manche  andre  verdächtig. 

Es  wird  nun  im  folgenden  versucht  werden,  aus  den, 
wenn  ich  so  sagen  soll,  empirischen  formen  des  vocabu- 
lars die  rationellen  herauszufinden  und  diese  nach  einheit» 
liehe?  Orthographie  umzuschreiben,  wozu  ich,  der  gleich- 
mäfsigkeit  wegen,  das  litauische  System  Schleichers  ver- 
wende. Dabei  kommt  es  vor  allem  darauf  an,  sorgfältig 
zu  scheiden,  was  blofs  anf  rechnung  des  Schreibers  kommt, 
und  was  wirkliche  lautabweichung  des  dialekts  ist. 

Zu  dem  zwecke  ist  nöthig,  zunächst  das  lautsystem 
deB  pomesanischen  vergleichend  festzustellen,  wonach  sich 
die  bezeichnung  der  einzelnen  laute  durch  buchstaben  nach 
Schleichers  System  von  selbst  ergiebt. 

a.     Die  vocale. 

1 .  Das  pomesanische  zeigt  in  der  form,  wie  es  Holtz- 
wäscher überliefert,  folgende  vokale  und  vokalverbindnn- 
gen:  a,  e,  o,  i,  y,  u;  ee,  ea,  oa;  ai,  ay,  ei,  ey,  eey,  iey, 
oi,  oy,  oe,  oay;  au,  eau;  uy,  iu;  ia,  ie,  io,  ue.  Sehen  wir 
selbst  von  den  letzten  vier  grnppen  ab,  die  nicht  eigent- 
lich diphthonge  sind,  so  ist  es  doch  schon  an  und  für  sich 
wahrscheinlich,  dafs  diese  bunte  reihe,  dem  verhältnifs- 
mäfsig  einfachen  Vokalsysteme  des  litauischen  gegenüber, 
nicht  das  wirkliche  lautsystem  des  pomesanischen  enthalten 
wird,  sondern,  namentlich  in  den  complicirteren  gruppen, 
das  vorkommen  dieser  oder  jener  Verbindung  lediglich  der 
Holtzwäscherschen    auffassung    eines,  gehörten   lautes    und 


preufsißche  Studien.  413 

seinem  bestreben,  diesen  vermeintlich  gehörten  laut  genau 
zu  bezeichnen,  zuzuschreiben  ist.  Diese  ansieht  wird  noch 
dadurch  bestätigt,  dafs  einzelne  obiger  vocalgruppen  sehr 
selten  vorkommen,  so  z,  b.  eey,  iey,  oe,  oay  je  einmal,  ee 
viermal,  ea  fünfmal,  eau  dreimal,  iu  zweimal,  uy  dreimal, 
während  z.  b.  die  dem  litauischen  entsprechenden  diph- 
thonge  überaus  häufig  sind.  So  findet  sich  ai  48 mal,  ei 
21  mal,  au  43  mal.  Trotzdem  entspricht  jedoch  das  laut- 
system  des  pomesanischen  dem  des  litauischen  im  einzelnen 
keineswegs,  sondern  es  finden  sich  genug  erscheinungen, 
die  wirklich  als  lautliche,  nicht  blofs  graphische  abweichun- 
gen  beider  sprachen  zu  bezeichnen  sind.  Ein  genaues 
durchgehen  der  einzelnen  vocale  und  vocalgruppen  des  vo» 
cabulars  wird  das  zeigen. 

2.  Pomesanisohes  a  entspricht  im  grofsen  und  ganzen 
dem  a  des  litauischen  und  somit  dem  der  indogermani- 
schen grundsprache.  Die  beispiele  dafftr  bietet  das  voca- 
bular  in  so  gro&er  fülle  (ich  zähle  allein  in  der  Wurzel- 
silbe deren  69),  daJfe  ich,  um  räum  zu  sparen,  keine  belege 
weiter  gebe. 

3.  Da,  wo  vergleichbare  litauische  formen  fehlen,  kann 
das  slawische  mit  seinem  o  =«=  lit.  a  beweisend  eintreten, 
wie  in  folgenden  formen: 

assanis  herbst,  russ,  Ösen'; 
babo  bohne,  sl.  bobü; 
dragios  helfen,  ruas.  droizi; 
nage  fufs,  russ.  noga; 
naricie  iltis,  russ.  norök"  wiesei; 
pracartis  trog,  russ.  koryto; 
prassan  hirse,  russ.  proso; 
rawys  graben,  russ.  rov"; 
salowis  nachtigall,  russ.  solov&j. 

4.  Es  giebt  nun  ferner  eine  anzahl  von  fallen,  in  de- 
nen das  pomesanisebe  ein  a,  das  litauische  ein  e  zeigt. 
Es  findet  sich  dies  in: 

arelie  adler,  lit.  erelis; 
asy  rain,  lit.  ez&' ; 


414  Pauli 

assegis  barsch,  lit.  eszerys; 

weware  eichhorn,  lit.  vovere'; 

addle  tanne,  Ht.  egle; 

assaraD  landsee,  lit.  ezeras; 

galdo  mulde,  lit.  gelda; 

ladis  eis,  lit.  lädas; 

raples  zange,  lit.  reples; 

ratinsis  kette,  lit.  retezis; 

same  erde,  lit.  zeme; 

tackelis  Schleifstein,  lit.  tekSlas; 

tatarwis  birkbuhn,  lit.  teterva. 
In  letzterem  worte  macht  die  reduplicationssilbe  den  Wech- 
sel mit.  Dies  a  findet  sich  auch  im  zemaitischen,  z.  b.  in 
arelis  (Nesselmann  lit.  wtb.  s.  v.),  ladas  (Szyrwid).  Be- 
kanntlich ist  lit.  e  und  seine  accentdehnung  e  nichts  an- 
ders, als  das  griecb.  6,  d.  h.  Vertreter  eines  alten  a.  Dies 
herabsinken  eines  älteren  a  zu  e  oder  6  wird  innerhalb 
des  litauischen,  sowohl  hochlitauischen,  als  zemaitischen, 
noch  jetzt  gefunden  (Schleicher  lit.  spr.  I,  31).  Es  ist  also 
mit  völliger  Sicherheit  anzunehmen,  dafs  in  obigen  formen 
das  pomesanische  den  älteren  vokal  noch  gewahrt  hat. 

5.  Dieser  ältere  lautstand  des  pomesaniscben  findet 
sich  auch  noch  weiteren  Schwächungen  des  litauischen  ge- 
genüber, namentlich  gegenüber  i  und  u.  Ersteres  ist  der 
fall  in: 

artwes  kriegsfahrt  zur»see,  lit.  irti  rudern; 
garian  bäum,  lit.  gire  wald. 
Beide  litauische  formen  halten  das  i  in  allen  ableitungen 
ausschliefslich  fest,  während  das  sl.  gora  berg  hier  den 
dem  pomesanischen  a  genauer  entsprechenden  o-laut  zeigt. 
Aehnlich  ist  der  fall  in:  piwa-maltan  malz,  lit.  milteris 
mälzer.  Da  das  litauische  die  Schwächung  des  a  zu  i  vor 
r  und  1  auch  sonst  liebt  (cf.  das  verzeichnifs  bei  Schleicher 
lit.  spr.  I,  35  sqq.),  so  dürfen  wir  das  r  und  1  auch  hier 
als  grund  derselben  ansehn. 

7.  Ganz  analog  ist  der  fall,  wo  pomesanisches  a  einem 
lit.  u  gegenübersteht,  wie  in : 


preufsische  Studien.  415 

angurgis  aal,  lit.  ungurys; 
.  wanso  flaum,  lit.  usai  schnurbart ; 

ape  fluis,  lit.  üpe; 

sabatico  Sonnabend,  lit.  subatä*). 
Auch  hier  sind  die  litauischen  Schwächungen  folge  einmal 
der  nasalen  (cf.  die  beispiele  bei  Schleicher  1.  c.  47),  an- 
drerseits der  labialen,   deren  nahe  Verwandtschaft  zu  u  ja 
auch  in  andern  sprachen  oft  genug  hervortritt. 

8.  In  allen  diesen  fällen,  19  an  zahl,  gehört  das  rei- 
nere pomesanische  a  der  Wurzelsilbe  an,  worauf  ich  schon 
hier  besonders  aufmerksam  mache. 

9.  Pomesanisches  i  einem  litauischen  i  oder  dessen 
dehnung  y  entsprechend  zähle  ich  in  43  fällen,  wobei  ich 
aber  den  unterschied  zwischen  echtem  i  und  dem  aus  a 
abgeschwächten  unberücksichtigt  gelassen  und  außerdem 
auch  das  pomesanische  y,  als  blofs  graphisch  von  i  ver- 
schieden, als  i  mitgezählt  habe.  Denn  Holtzwäscher  braucht 
beide  zeichen  ohne  jeglichen  unterschied,  sowohl  in  seiner 
Schreibung  deutscher,  als  auch  der  preufsischen  Wörter. 
Ffir  gewöhnlich  schreibt  er  in  Stammsilben  i,  doch  steht 
y  in; 

sylecke  hering,  lit  sllk6; 

sylo  heide,  lit.  szilas; 

ylo  ahle,  lit.  yla; 

lyso  ackerbeet,  lit.  tysg; 

sywan  grau,  lit.  szyvas  schimmelig  (vom  pferde). 
Diese  beispiele  zeigen,   dafs  pomesanisches  i  und  y  sich 
nicht,  wie  die  litauischen  buchstaben,  dem  laute  nach  als 
kürze  und  länge  unterscheiden. 

10.  In  einigen  andern  formen,  wo  das  litauische  nichts 
vergleichbares  bietet,  erweisen  lettische  oder  slawische  for- 
men die  richtigkeit  des  pomesanischen  i;  so  in: 

singuris  Stieglitz,  lett.  sigli^; 

sineco  meise,  poln.  siniak  hohltaube; 

swintian  scbwein,  russ.  svin'ja. 

* )  subata  ist  dem  russ.  subota  entlehnt,    dessen  u  ans  altbulg.  %  regel- 
recht entstanden  ist,  ab.  sabota.   wanso  =  ab.  vasü.       J.  S. 


416  Panli 

11.  Wie  oben  beim  a,  so  finden  sich  auch  beim  i  meh- 
rere fälle,  in  denen  der  pomesaniecbe  vocal  dem  litauischen 
nicht  entspricht.  So  zeigt  sich  zunächst  pomesamisches  i 
neben  lit.  a  in: 

sirmes  lauge,  lit.  szarmas; 
neben  slawischem  in: 

irmo  oberarm,  sl.  ramo  schulter. 
Da  hier  in  beiden  fällen  dem  vokale  ein  r  folgt,  so  halte 
ich  hier  das  i  für  wirkliche  Schwächung  des  a,  wie  oben 
in  litauischen  formen,  nicht  für  ungenau  gehört 

12.  Ob  in: 

werwirsis  lerche,  lit.  vfcversys; 

krixtieno  erdschwalbe,  lit.  kregzdß'  schwalbe; 

pyculs  hölle,  lit.  peklä, 
blofs  Holtzwä8cber  i  z\x  hören  geglaubt  hat,  oder  ob  eine 
wirkliche  Schwächung  zu  i  vorliegt,  ist  schwer  zu  entschei- 
den. Doch  scheinen  die  formen,  die  der  katechismus  ffir 
letzteres  wort  gleichfalls  mit  i  bietet,  auf  wirkliche  Schwä- 
chung zu  deuten,  um  so  mehr,  da  ja  auch  litauisch  die 
Schwächungsreihe  a,  e,  i  sich  findet.  In  werwirsis  wird 
das  i  einmal  durch  das  s,  sodann  auch  durch  dissimilation 
hervorgerufen  sein. 

13.  Einem  litauischen  &  zur  seile  steht  pomesanisches 
i  in: 

shtto  sand,  lit.  zö'ggdras  kies. 
Derselben  lautentsprechung  werden  wir  in  den  endsilben 
noch  Öfter  begegnen,  namentlich  bei  femininen  der  ja-de- 
clination  neben  e.  Darnach  ist  es  sicher,  dafs  hier  ledig- 
lich Holtzwäscbers  obr  ungenau  aufgefafst  hat,  welches  ein 
1  zu  hören  glaubte  statt  lit.  £,  vqu  welchem  Schleicher  (lit. 
spräche  1,9)  sagt:  „e  ist  das  weiche,  nach  i  hin  klin- 
gende e".     Es  ist  ateo  auch  pomesanisch  &  zu  schreiben. 

14.  Ob  dasselbe  verhältnils  auoh  in  stibinis  schlitten- 
bein  obwaltet,  ist  nicht  sicher  zu  entscheiden,  da  es  so- 
wohl zu  stä'bas  pfeiler,  als  zu  stipinas  Speiche  gehören 
kann,  welche  beide  NeßseJm&nn  aufführt,     Doch  neige  ich 


preufsische  Stadien.  417 

dazu,  es  zu  stipinas  zu  beziehen,  da  auch  sonst  Holtzwä- 
scher  fortis  und  lenis  nicht  reinlich  auseinander  hält. 

15.  In: 

siduko  durchschlag,  lit.  setas; 

lipe  linde,  lit.  läpa; 

kylo  bachstelze,  lit.  kele 
steht  i  neben  lit.  ö.  Da  letzteres  die  ausspräche  6*  hat 
(Schleicher  lit.  spräche  9),  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich, 
daf8  hier  Holtzwäscher  das  nachklingende  ä  überhört  und 
6  wie  oben  als  i  aufgefafst  hat.  Ich  schreibe  deshalb  un- 
bedenklich in  obigen  Wörtern  auch  pomesanisch  e. 

16.  Ganz  vereinzelt  findet  sich  die  Schreibung  ie  in 
der  Wurzelsilbe,  nur  in 

liede  hecht,  lit.  lydeka. 
Sie  scheint  langes  i  zu  bezeichnen,  wie  in  den  deutschen 
Wörtern  bier  bier,   rytslitte  reitschlitten ,  w^es  weifs,  ob- 
gleich sonst  im  vocabular  die  vocallänge  nicht  bezeichnet 
ist  und  z.  b.  neben  bier  sich  schenkbir  findet. 

17.  Auf  a  und  i  lasse  ich  zunächst  e  folgen,  welches 
seinem  Ursprünge  nach  im  litauischen  als  e  (4)  und  e  be- 
kanntlich auf  a,  als  ö  auf  i  zurückgeht.  Holtzwäscher 
schreibt  gleichmäfsig  e,  es  läfst  sich  aber  mit  Sicherheit 
erweisen,  dafs  das  pomesanisohe  trotzdem,  wie  das  litaui- 
sche, die  drei  e  geschieden  habe.  Das  e  (e)  zunächst  fan- 
den wir  schon  oben  pomesanisch  oft  noch  als  älteres  a. 
Dieser  umstand  deutet  auf  die  noch  sehr  offne  ausspräche 
des  e,  wo  es  aus  a  hervorgeht.  Umgekehrt  fanden  wir 
eben  in  sixdo  ian  stelle  eines  lit.  &.  Auch  fftr  £  fand  sich 
i,  daneben  aber  zeigt  sich  in: 

seamis  Winterkorn  neben  semo  winter,  lit.  zömä 
der   kurze  nachklang  ä   sogar  bezeichnet.     Wir  gewinnen 
somit   auch    für  das  pomesanische   die  laute  e  (£)  =  ä, 
e  =  e,  e  =  e*.   Es  scheint  hier  geboten,  die  Wörter,  die 
jedem  zukommen,  zusammenzustellen. 

18.  Es  findet  sich  e  (6)  in: 

esketres  stör,  lit.  erszke'tras; 
geguse  kukuk,  lit.  geguzö' ; 


418  Pauli 

medies  Jäger,  lit.  medö'jis; 

medione  jagd,  lit.  med£ön6; 

melato  grflnspecht,  lit.  meletä; 

merga  Jungfrau,  lit«  mergä; 

pelki  brach  im  felde,  lit.  pelkö; 

percunis  donner,  lit  perkünas; 

pettis  Schulterblatt,  lit.  petls  schulter; 

pleske  sielengeschirr,  lit.  pleszke'; 

spenis  zitze,  lit.  spenys; 

swe8tro  Schwester,  lit.  sesü'; 

genix  specht,  lit.  gen^s; 

meddo  honig,"  lit.  medüs; 

pelanne  asche,  lit.  pelenai  (plur.); 

pelwo  spreu,  lit.  pelai  (plur.); 

bebrus  bieber,  lit.  bebrus; 

gerwe  kranich,  lit.  gervg; 

pentis  ferse,  lit;  p£ntis; 

thetis  ältervater,  lit.  tötis  Väterchen; 

weders  bauch,  lit.  vedaras  (Schi,  ve'daras) ; 

berse  birke,  lit.  beräas; 

emelno  mistel,  lit.  emalas; 

median  wald,  lit.  m£dis  bäum; 

mettan  jähr,  lit.  mätas; 

pelanno  herd,  lit.  pelenas. 

19.  Da  slawisches  e  =  lit.  e,  so  gehört  hieher  auch 
noch: 

genno  weib,  sl.  zena. 

20.  Von  gröberer  Seltenheit  ist  e,  welches  auch  im 
litauischen  gegen  e  (6)  weit  zurücktritt.   Es  findet  sich  in: 

meine  blauer  Striemen,  lit.  me'line; 

na-dele  sonntag,  lit.  ne-d&l& ; 

wetro  -wind,  lit,  ve'tra  stürm; 

eristian  lamm,  lit.  e'ras ; 

creslan  lehnstuhl,  lit.  kr6  'slas  ehrenstuhl; 

peccore  bäcker,  lit.  pe'czus  backofen(Schl.  päczus); 

semen  saat,  lit.  s6mü'; 

semeno  brachvogel,  lit.  semene'  hänfling; 

menius  monat,  lit.  menu. 


preufsische  Studien.  419 

21«  Nur  vereinzelt  findet  sich  pomesanisch  e  =  lit.  e; 
so  nur  in  dem  schon  genannten: 

sema  winter,  lit.  4&mä; 

ferner  in: 

mestan  Stadt,  lit.  mestas; 

swetan  weit,  lit.  svetas. 
Der  grund   für  dies  seltne  vorkommen  wird  sich  beim  ai 
ergeben. 

22.  Neben  dieser  grofsen  zahl  von  übereinstimmenden 
pomesanischen  und  litauischen  formen  finden  sich  nun  aber 
auch  wieder  einige  abweichende.  So  steht  zunächst  po- 
mesanisches  e  neben  lit.  a  in: 

treste  drossel,  lit.  sträzdas; 
wessis  Spazierschlitten,  lit.  väiis; 
vielleicht  auch  in 

kexti  haarzopf,  lit.  kaeä; 

klexto  kehrwisch,  lit.  klastyklö  besen; 

au-klextes  oberkehricht,  lit.  nü-klastos. 
Schon  oben  sahen  wir,  dafs  das  a  beider  sprachen  sich 
nicht  deckte;  dasselbe  ist  offenbar  auch  hier  der  fall,  nur 
in  umgekehrter  weise,  insofern  hier  das  litauische  das  äl- 
tere a  bewahrt,  doch  überwiegt  pomesanisches  a  numerisch 
noch  immer  über  das  litauische  bedeutend. 

23.  Ferner  steht  e  neben  lit.  i  in: 

meltan  mehl,  lit.  mlltai. 
Da  das  litauische  den  grundvokal  a  im  verbum  mälti  mah- 
len, das  pomesanische  in  piwa-maltan  malz  ihn  bewahrt 
hat,  so  halte  ich  natürlich  beide  formen  für  geschwächt, 
jedoch  in  verschiedener  weise.  Denn  meltan  neben  -mal- 
tan  hat  unzweifelhaft  e,  wie  z.  b.  lit.  ekö'czos,  stärkas  ne- 
ben ak&tes,  starkas  und  ist  als  blofse  nebenform  dazu  an- 
zusehn,  während  in  lit.  mlltai  die  Schwächung  bis  zum  i 
vorgedrungen  ist,  wie  z.  b.  in  pilnas,  vilkas  u.  a. 

24.  Bisweilen  begegnet  die  Schreibung  ee.  In  der 
Wurzelsilbe  zeigen  sie  folgende  formen: 

peempe  kiebitz,  lit.  pempg ; 

seese  amsel,  lit.  sze£6  (3?); 

steege  scheuer,  lit.  stegti  ein  dach  mit  stroh  decken. 


420  Pauli 

Da  ausserdem  sich  ee  einmal  in  der  fearininendupg  der  ja- 
declination  findet,  nämlich  in  wosee,  lit.  *o£e'  (fem«  zu  oays), 
so  erscheint  es  also  neben  drei  arten  des  litauischen  e,  als 
6,  ö,  6.  Unmöglich  kann  es  demnach  in  den  poraesaai* 
sehen  Wörtern  qualitativ  gleichwertig  sein.  Das  zeigt 
auch  die  anwendung  des  ee  in  Holtzwäschers  Schreibung 
der  deutschen  Wörter;  er  bietet  es  auslautend  in  see  see, 
czee  zeh,  klee  klee,  ree  reh,  wo  es  unzweifelhaft  den 
werth  des  lit.  6  hat.  Inlautend  bat  es  in  weer  wehr,  heer 
beer  die  dehnung  des  mhd.  e,  also  gleichfalls  lit.  6,  zu 
bezeichnen.  Ebenso  entspricht  es  litauischem  e  in  dem 
dem  litauischen  kle'tis  vorrathshaus  entlehnten  kleet,  so 
wie  in  beer  eber  mit  ursprünglich  langem  e.  In  meel  mehl 
dagegen  bezeichnet  es  gedehntes  mhd.  e,  d.h.  lit.  e,  in 
reen  rain  und  leethunt  leithund  steht  es  sogar  neben  ei, 
in  czeen  zinn  neben  älterem  i.  So  viel  wird  auch  daraus 
klar,  dais  es  qualitativ  verschiedene  laute  bezeichnet.  Da 
aber  alle  genannten  beispiele,  mit  alleiniger  ausnähme  von 
czeen  zinn,  lange  vokale  aufweisen,  so  ist  es  nicht  un- 
wahrscheinlich, dafs  es  auch  in  den  preufsischen  Wörtern 
gleichen  zwecken  dient,  obgleich  Holtzwäsoher  sonst  die 
länge  des  vokals  weder  im  deutsehen,  noch  im  pomesani- 
seben  bezeichnet  und  z.  b.  neben  czee  sich  czeballe  findet. 
Jedenfalls  ist  Air  die  darstellung  durch  das  litauische  ai- 
phabet die  Schreibweise  ee  zu  verwerfen  und  blos  e  zu 
schreiben,  wobei  es  in  dem  einzelnen  falle  fraglich  bleiben 
mag,  welches? 

25.  Schon  oben  begegnete  uns  in  seamis  winkerkorn 
ein  ea,  dessen  werth  auf  £  zurückgeführt  wurde.  Aufser- 
detn  findet  sich  ea  in  folgenden  Wörtern  geschrieben: 

geasnis  schnepfe, 

mealde  blitz, 

peadey  socken, 
deren  letzteres  doch  wohl  gleich  lit.  padai  sohlen  ist,  wäh- 
rend die  beiden  ersten  nichts  vergleichbares  bieten.  In  peadey 
haben  wir  alsdann  nicht  die  bezeichnung  eines  aus  e  -f-  a 
bestehenden  lautes,   wie  in  seamis,   sondern  ea  giebt  den 


preufsische  Studien.  421 

zwischenlaut  zwischen  e  und  a,  eine  bezeichnungs  weise, 
die  auch  sonst  oft  genug  sich  findet  und  auch  von  Holtz- 
wäscher  noch  öfter  angewandt  wird  (cf.  oa  in  46).  Es 
liegt  demnach  hier  der  laut  e  (d.  i.  ä)  vor  und  so  möchte 
ich  auch  schreiben,  falls  man  nicht  geradezu  a  vorzieht. 
Ob  in  geasnis  und  mealde  e,  wie  in  seamis,  oder  e  (a), 
wie  in  peadey  vorliegt,  läfst  sich  bis  jetzt  nicht  entschei- 
den.  Vielleicht  bringt  später  Kurschats  Wörterbuch  licht. 

26.  Wir  wenden  uns  zum  pomesanischen  ei  (ey)  und 
ai  (ay).  Beide  Schreibweisen  wendet  Holtzwäscher  fürs 
deutsche  an,  meist  jedoch  ei,  ai  nur  da,  wo  contraction 
aus  agi  stattgefunden  hat,  wie  in  hayl  hagel,  wayn  wa- 
gen, nayl  nagel,  haynbuche  hagebuche,  hayn  gehege,  jayt 
jagd.  Da  sonst  das  deutsche  diese  beiden  arten  ei  dem 
laute  nach  nicht  scheidet  (mhd.  gleichmäfsig  ei  für  beide 
falle),  so  haben  wir  hier  wohl  etymologische,  keine  phone- 
tische Scheidung  vor  uns.  Ebenso  ist  es  im  pomesanischen 
theile.  Hier  steht  broakay  hosen,  luriay  meer  mit  ai  ne- 
ben peadey  socken  (lit.  pädai  sohlen)  mit  ei,  und  alle  drei 
sind  doch  plurale  der  a-declination.  Das  suffix  in  estu- 
reyto  eidecbse  wird  gleichfalls  nicht  verschieden  sein  von 
dem  in  krichaytos  pflaumen,  sliwaytos  pflaumen,  wisnaytos 
kirschen.  Daraus  folgt  also,  dafs  Holtzwäscher  auch  im 
pomesanischen  ei  und  ai  nicht  klar  scheidet.  Indessen 
bleibt  noch  immer  die  frage  offen,  ob  nicht  die  spräche 
selber  doch  vielleicht,  wie  das  litauische,  die  laute  ei  und 
ai  geschieden  habe.  Zur  entscheidung  dieser  frage  wird 
es  nöthig,  den  pomesanischen  formen  die  litauischen  ge- 
genüber zu  stellen,  und  da  findet  sich  das  ei  und  ai  Holtz- 
wäschers  geschrieben  neben  lit.  ei,  e  und  ai. 

27.  So  entsprechen  sich: 

kalo-peilis  hackmesser,  lit.  peius  messer; 
weydulis  augapfel,  lit.  veidas  antlitz; 
preitalis  ambofs,  lit.  preikalas. 
Hier  also  3  mal  ei  =  lit.  ei. 

28.  Neben  lit.  e*  finden  sich: 

aysmis  spiefs,  lit.  e&Emas; 


422  Pauli 

braydis  elen,  lit.  bredis; 
deynayno  morgenstern,  lit.  d£nä  tag; 
deywis  gott,  lit.  devas; 

caymis  dorf,  lit.  kemas  (wohl  nicht  gleich  kaimas) ; 
playnis  stahl,  lit.  plenas; 
reisis  nufs,  lit.  reszutas; 
slayx  regen  wurm,  lit.  slekas; 
snaigis  schnee,  lit.  snegas; 
also  6  mal  ai,  3mal  ei  =  lit.  8. 

29.  Litauischem  ai  entspricht  im  vocabular: 

maysotan  bunt,  lit.  maisz^ti  mischen; 
wayklis  söhn,  lit.  vaikö'lis  knabe ; 
also  2  mal  ai  =  lit.  ai. 

30.  Hier  zeigt  sich  also  neben  lit.  ei  nur  ei,  neben  lit. 
ai  nur  ai  und  blofs  für  lit.  e  schwankt  die  Schreibung.  Er- 
wägt man  aber,  dafs  lit.  ei  und  e  etymologisch  gleichwerthig 
sind,  dafs  letzteres  aus  ersterem  wohl  nur  durch  Verschmel- 
zung entstanden  ist,  wie  z.  b.  lit.  preikälas  und  prek&las 
neben  einander  stehn  (Kurschat  lit.  wb.  I,  s.  v.  ambofs), 
zieht  man  dazu  die  vereinzelte  Schreibung 

plieynis  flockasche,  lit.  pleo/s 
in  betracht,  deren  iey  doch  schwerlich  als  ai,  sondern  nur 
als  ei  (d.  h.  öi)  gedeutet  werden  kann,  erinnert  man  sich 
ferner,  dafs  oben  auch  schon  hin  und  wieder  im  pomesa- 
nischen  die  Verschmelzungen  e  (ea),  selbst  i  litauischen  £ 
entsprachen,  so  wird  man  doch  dem  Schlüsse  kaum  aus- 
weichen können,  der  pomesanische  laut,  der  dem  lit.  §  ent- 
spreche, sei  ei,  nicht  aber  ai,  welches  litauischem  ai  gleich 
bleibe.  So  also  wird  theoretisch  und  auch  praktisch  für 
die  schrifb  zu  scheiden  sein. 

31.  Ob  in  seweynis  schweinstall  neben  swintian  seh  wein 
ei  oder  ai  vorliegt,  ist  zweifelhaft.  Das  verhältnifs  von 
autre  schmiede  neben  wutris  schmied  spräche  fttr  ai. 

32.  Das  pomesanische  ei,  welches  in  gröfserer  zahl 
neben  lit.  e  steht,  dem  nur  wenige  pom.  §  entsprachen 
(siehe  oben  no.  21),  ist  entschieden  eine  gröfsere  alterthflm- 
lichkeit  des  pomesanischen,  die  sich  etwa  der  bewahrung 


preufsische  Studien.  423 

das  a  neben  lit.  e  vergleichen  läfst,  der  wir  oben  begeg- 
neten. 

33.  Wie  wir  oben  einige  male  ein  ee  für  e  antrafen, 
so  begegnet  auch  einmal,  nämlich  in: 

geeyse,  reiher,  lit.  gerszö 
ein  eey.   Ich  halte  dies  eey  f&r  blofse  Umschreibung  des  e 
zur   bezeichnung   eines  zwischenlautes  zwischen  e  nnd  i, 
wie  wir  dergleichen  bei  Holtzwäscher  öfter  treffen  (cf.  25). 
Ueber  das  fehlen  des  r  später  (112). 

34.  Das  pomesanische  u  entspricht  im  allgemeinen  dem 
litauischen,  sowohl,  wo  es  aus  a  geschwächt,  als,  wo  es 
ursprünglich  ist.  Ich  zähle  36  formen,  in  deren  Stammsilbe 
beide  sprachen  gemeinsam  ein  u  aufweisen. 

35.  Daran  schliefst  sich  mit  iu: 

piuclan  sichel,  lit.  piüklas  säge, 
wo  iu,  wie  auch  sonst,  wurzelhaft  ist. 

36.  Daneben  schreibt  Holtzwäscher  jedoch  auch  in 
einzelnen  fällen  u,  wo  das  litauische  andere  vocale  hat. 
So  steht  u  neben  a  in: 

curwis  ochse,  lit.  k&rv6  kuh. 
Dafs  hier  wirklich  verdumpfung  des  a  zu  u  vorliegt,  zeigt 
der  katechismus,  der  gleichfalls  den  acc.  kurwan  darbietet. 
Dafs  der  grund  dieser  affection  des  a  vielleicht  in   dem 
folgenden  w  liege,  scheint  sich  zu  ergeben  aus: 

wundan  wasser,  lit.  vandä'; 
denn  hier  ist  offenbar  das  u  durch  das  w  hervorgerufen. 
Der  nasal  kann  nicht  schuld  sein,  denn  oben  sehen  wir, 
dafs  das  pomesanische  die  neigung  des  litauischen,  beson- 
ders des  iemaitischen,  zur  verdumpfung  des  a  vor  nasalen 
(Schleicher  lit.  spr.  I,  31)  nicht  theilt.     Auch  in 

wumbaris  eimer,  poln.  w$borek 
ist  das  u  unzweifelhaft  durch  das  w  hervorgerufen. 

37.  Sonst  findet  sich  u  neben  lit.  e  noch  in: 

gurcle  gurgel,  lit.  gerklö'. 
Ob  hier  Holtzwäscher  richtig  gehört  hat,  kann  zweifelhaft 
erscheinen,  denn  er  schreibt  z.  b.  innerhalb  des  pomesani- 
schen  selbst  in  spurglis  Sperling  ein  u,  dagegen  in  spergla- 


424  Pauli 

-wanag  Sperlingshabicht,  sperber  (cf.  Grimm  gesch.  I1,  52), 
dessen  deutung  Nesselmann  entgangen  ist,  ein  e.  Da  in 
gurcle  und  spurglis  die  lautlage  genau  dieselbe  ist,  so, 
glaube  ich,  ist  auch  in  ersterem  worte  ein  e  zu  schreiben, 
dessen  dumpfen  tiefen  laut  vor  dem  r  Holtzwäscher  irr- 
thümlich  als  u  auffafste  und  fixirte,  jedoch  zeigt  auch  das 
litauische  bereits  ein  u  in  gurklys  kröpf,  adamsapfel,  so 
dafs  auch  pom.  u  möglich  scheint. 

40*  Das  pomesanische  o  erscheint  zunächst  in  15  fäl- 
len in  Stammsilben  gleich  dem  litauischen  o,  also  als  Stei- 
gerung des  a. 

41.  Wo  litauische  formen  fehlen,  können  slawische  mit 
a  den  nachweis  der  länge  des  o  führen,  da  bekanntlich  sl. 
a  =  lit.  o.     Dies  verhältnifs  findet  statt  in : 

moke  mohn,  sl.  makü; 

pore  brodem,  russ.  par" ; 

posty  weide,  russ.  pästi  weiden; 

somukis  scblofs  zum  schliefsen,  russ.  zamok". 

42.  Daneben  aber  gebraucht  Holtzwäscher  das  o  auch 
zur  bezeichnung  entschieden  kurzer  laute.  Hauptsächlich 
freilich  geschieht  das  in  der  femininendung  o  =  lit.  a,  de- 
ren kürze  nachher  erwiesen  werden  wird,  allein  vereinzelt 
zeigt  sich  kurzes  o  auch  in  Stammsilben.  So  steht  es  ne- 
ben litauischem  a  oder  ä  noch  in: 

torbis  korb,  lit.  karbas  (und  kürbas); 

bordus  bart,  lit.  barzdä; 

snoxtis  rotz,  lit.  snargtys; 

gorme  hitze,  )  ..       .         ,        « 

x     .  /*»^       lit.  garas  dampf; 
goro  vuerstant  (r),  )         °  r 

golis  tod,  lit.  galas  ende; 

wolti  ähre,  lit.  valtis  rispe  im  hafer. 
Wieder  sind  es  hier  die  liquidae  r  und  1,  vor  denen  das  o 
auftritt,  wie  oben  in  gurcle  und  spurglis  das  u  statt  e, 
denn  auch  snoxtis  enthält  ein  r,  wie  weiter  unten  zur 
spräche  kommen  wird.  Glaubten  wir  oben  schon  das  u 
als  ein  nur  dumpf  gesprochenes  und  darum  von  Holtzwä- 
scher falsch  aufgefafstes  e  feststellen  zu  müssen,  so  liegt 


preufsische  Studien.  425 

hier  dasselbe  för  a  vor.  Diese  auffassung  eines  a  alsx» 
durch  Holtzwäscher  ist  um  so  weniger  auffällig,  als  er 
auch  in  deutschen  Wörtern  mehrfach  o  für  a  setzt,  z.  b.  in 
sonnobent  Sonnabend,  hoer  haar,  -oder  ader,  bloze  blase 
u.  a.  Ich  schreibe  demnach  auch  hier  a;  soll  jedoch  die 
dumpfe  ausspräche  noch  besonders  bezeichnet  werden,  so 
schlage  ich  nach  Schleichers  Vorgänge  (lit.  spr.  II,  28)  die 
zeichen  e  und  a  vor,  schreibe  also  gerklö  und  bardus. 
Doch  halte  ich  diese  bezeichnung  kaum  für  nöthig,  da  der 
dumpfe  laut  nur  in  bestimmter  läge,  vor  den  liquiden,  sich 
einstellt. 

43.  Ebenso  schreibe  ich  a  für  o  in: 

golimban  blau,  russ.  goluboX, 
wo  wegen  des  russ.  o  ein  lit.  a  zu  erwarten  stände,  obgleich 
lit.  gelumbö  blautuchner  frauenoberrock,  welches  doch  wohl 
verwandt  ist,  e  zeigt,  so  dafs  vielleicht  auch  e  zu  schreiben 
wäre. 

44.  Dasselbe  a  scheint  noch  vorzuliegen  in: 

wormyan  roth, 
wofür  Grünau  warmun  bietet.     Da  indes  der  katechismus 
urminan  giebt,  so  läge  auch  die  möglichkeit  vor,  assimila- 
tion  durch  das  w  anzunehmen  und,  wie  oben  wundan,  wum- 
baris,  hier  wurmyan  zu  schreiben. 

45.  Denn  auch  für  u  schreibt  Holtzwäscher  mehrfach 
o;  so  in: 

grosis  reif,  lit.  kruszä; 

possi  hälfte,  lit.  püs£; 

konagis  könig,  lit.  kün^gs  pfarrer; 

odro  fischotter,  lit.  üdra; 

komaters  gevatter,  lit.  kümas; 

pa-ssons  Stiefsohn,  lit.  po-sunis; 
Dafs  hier  u  zu  schreiben  sei,  kann  nicht  zweifelhaft  er- 
scheinen, da  das  vocabular  selber  neben  pa-ssons  die  form 
sunaibis  bruderkind  bietet;  überdies  scheidet  auch  Holtz- 
wäscher in  den  deutschen  formen  das  u  und  o  nicht  immer 
scharf;    so  schreibt  er  donner  donner  neben  dunreyn  fer- 

Beitrage  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4.  28 


426  Pauli 

ner  donner,  suller  für  söller,  stöbe  für  Stube,   vorch  für 
furche  u.  ä. 

46.  Mehrfach  begegnet  uns  auch  die  Schreibweise  oa 
trad  zwar  neben  verschiedenen  litauischen  lauten.  Zuerst 
erscheint  es  neben  lit.  a  in : 

doalgis  sense,  ht.  dälgis; 
dann  neben  lit.  u  in: 

moargis  morgen,  lit.  mürgae. 
Beide  fälle  sind  identisch,  denn  lit.  u  steht  hier,  wie  oben 
in  kürbas  neben  karbas,  als  Schwächung  von  a.  Wenn  ir- 
gend etwas,  so  beweist  in  diesen  beiden  Wörtern  das  oa 
die  richtigkeit  meiner  aiuffassung  des  o  in  torbis  etc.  als 
a,  denn  dafs  hier  in  doalgis,  moargis  das  oa  den  nach  o 
hin  neigenden  a-laut  bezeichne,  ist  evident;  das  oa  hier  und 
das  o  dort  stehn  aber  in  gleicher  lautlage,  es  ist  also  auch 
jenes  o  ■=  a.     So  fasse  ich  nun  weiter  auch  das  o  in: 

po-corto  schwelle,  lit.  kürti  bauen;  - 
ich  schreibe  demnach  auch  hier  -karto. 

47.  Weiter  giebt  es  aber  ein  oa,  welches  einen  langen 
laut  bezeichnet.     Dasselbe  findet  sich  in: 

woaltis  eile,  lit.  olektis; 

soalis  kräutricht,  lit.  zölös  kräuter; 

noatis  nessel,  lit.  noter 6; 

ploaste  betüaken,  lit.  plöszte; 

moazo  muhme,  lit.  mösza  Schwägerin. 
Für  die  erklärung  dieses  oa  sind  zwei  beobachtungen  von 
grofser  Wichtigkeit.  Einmai  nämlich  steht  im  vocabular 
selbst  neben  woaltis  eile  ein  woltis  unterarm,  deren  identi- 
tät  auch  Nesselmann  anerkennt;  sodann  wechseln  in  einer 
anzahl  von  formen  bei  Holtzwäscher  a  und  o,  wo  das  hoch- 
litauische nur  o  bietet.     Letzteres  findet  statt  in: 

mothe  mutter,  i  ...  .    ,    „ 

^  i*     ^       \  ht,  mot6   eherrau; 
po-matre  Stiefmutter,  ) 

nozy  nase,  \  ...      .  . 

■     ,.  (  lit.  nosis  nase; 

po~naase  oberhppe,  )  ' 

aufserdem  in  der  praeposition  po-  neben  pa-  in  der  nomi- 

nalcomposition,  wie  in  pomatre  Stiefmutter  neben  passons 


preufsische  Studien.  427 

Stiefsohn,  wo  das  litauische  pösunis  gleichfalls  o  bietet. 
Wir  haben  hier  also  die  drei  bezeichnungen  o,  oa,  a  ftr 
ein  und  denselben  laut,  der  aber  sonst  (in  19  Allen)  blofs 
mit  o  geschrieben  ist.  Da  in  obigen  beispielen  sich  eiüe 
affection  des  vocals  durch  bestimmte  consonanten  nicht  zu 
ergeben  scheint,  so  werden  wir  auch  hier  wohl  blofses  o 
zu  schreiben  haben,  für  die  ausspräche  jedoch  wäre  zu 
merken,  dafs  der  laut  des  o  sich  der  zemaitischen  aus* 
spräche  desselben  als  ä  nähere,  wie  sie  um  Memel  herrscht 
(Sohleicher  lit.  spr.  I,  30).  Nur  bei  der  präposition  po-  ist 
vielleicht  eine  nebenform  pa-  anzunehmen,  die  auch  das 
litauische  z.  b.  in  patö'wis  Stiefvater,  kennt  (cf,  Schleieher 
1.  c.  133). 

48.  Als  blofses  o  ist  dann  auch  wohl  das  oa  zu  fas- 
sen in: 

boadis  stich,  lit»  badjHi  stechen; 
es  wäre  gebildet  wie  lit.  zödis  wort  neben  zadg'ti  verspre- 
chen u.  ä. 

49.  Auch  für  lit  u  treten  o  und  oa  neben  einander 
auf;  so  steht  o  in: 

glossis  korb  weide,  lit.  glu'snis  weide; 

podaliß  mör8er,  lit.  pu  das  topf; 
dagegen  oa  in: 

woasis  esche,  lit.  ü'sis. 
Lit.  fi  ist  s  o»,  wie  e  =  e».  Fanden  wir  nun  oben  für 
e  meist  blofs  e  geschrieben  mit  Vernachlässigung  des"  nach- 
geschlagenen ä,  so  steht  hier  das  einfache  o  dem  völlig 
parallel.  Dafs  aber  der  nachklang-  wirklich  da  war,  bewies 
oben  vereinzelte  seamis  Winterkorn,  hier  woasis  esche. 
Wir  sind  also  auch  hier  berechtigt,  überall  u  zu  schreiben, 
wie  wir  oben  e  schrieben.  Mit  u  wird  auch  vielleicht  das 
dem  deutschen  entlehnte  broakay  bruch,  hose,  mhd.  bruoch, 
geschrieben,  falls  man  nicht  etwa  nach  dem  niederdeutschen 
brök  blofses  ö  zu  schreiben  hat. 

50.  Ob    o    auch    als    contraction  fttr  au  vorkommen 
könne,  ist  ungewifs,  denn  die  einzige  parallele: 

brokis  schlag,  hieb,  lit.  braukis, 

28* 


» 428  Pauli 

« 

ist  deshalb  nicht  streng  beweisend,  weil  das  lit.  wort  sich 
"nur  bei  Szyrvid  findet. 

51.  Ebenso  wenig  sicher  ist  io  für  lit.  iau  in; 

kiosi  becher,  lit.  kiaüszg  hirnschale, 
die  der  bedeutung  nach  sehr  wohl  verwandt  sein  könnten, 
da  z.  b.  skr.  kapalae  schale  und  schädel  bedeutet  und  ana- 
loges auch  sonst  nicht  fehlt,  allein  kiosas  könnte  möglicher- 
weise auch  zu  lit.  käuszas  Schöpflöffel,  hölzernes  trinkge- 
föfs  oder  zu  kösziu  seihen,  bier  zapfen  gehören,  so  dafs 
sich  nichts  sicheres  herausstellt.  Sollten  die  obigen  paral- 
lelen richtig  sein,  so  wäre  doch  wohl  statt  o  besser  u  zu 
schreiben,  welches  sich  zu  au  verhielte,  wie  e  zu  ai  in  ke- 
mas  neben  kaimas. 

52.  Aeufserst  merkwürdig  sind  die  fälle,  in  denen 
Holtzwäscher  o  oder  ao  schreibt  in  formen,  die  im  litaui- 
schen 8  zeigen.   So  stehen  neben  einander,  mit  oa  und  e: 

moasis  gerate,  lit.  mezei 
und,  nach  dem  slawischen  zu  urtheilen,  auch 

moasis  blasebalg,  sl.  mSchü  lederschlauch, 

ferner  mit  o  und  §: 

lopis  flamme,  lit.  lepsnä. 

Beachtet  man,  dafs  in  allen  drei  beispielen  labiale  in  der 
nähe  sind,  dafs  ferner  Holtzwäscher  auch  im  deutschen 
theile  o  für  e  in  gleicher  lautlage  in  volge  d.  i.  velge 
schreibt,  was  ich  nicht  mit  Nesselmann  für  einen  Schreib- 
fehler halte,  so  wird  man  nicht  umhin  können,  hier  wieder 
eine  art  assimilation  oder  verdumpfung  anzunehmen,  die 
sich  darin  zeigt,  dafs  6  oder  e*  als  o  oder  o*  auftritt.  Es 
wird  demnach  auch  hier  wieder  der  etymologisch  richtige 
laut  ö  zu  schreiben  sein,  jedoch  der  genauigkeit  wegen, 
wie  oben  a  und  e,  mit  dem  verdumpfungszeichen,  also  6. 

53.  Etwas  anders  liegt  der  fall  in: 

towis  vater,  lit.  tä'vas; 

pa-towelis  Stiefvater,  lit.  pa-t&v&lis. 

Hier  scheint  die  pomesanische  form  wieder  auf  das  £emai- 
tische  tavas  (Schleicher  lit.  spr.  I,  32)  sich  zu  beziehen  und 


preufsische  Studien.  429 

es   liegt  also  hier  ein  verdampftes  a  vor,    hervorgerufen 
durch  das  w,  wie  oben  (44)  in  wormyan. 

54.  Als  vereinzelte  Schreibungen  in  Stammsilben  be- 
gegnen uns  noch:  oay  in  spoayno,  durch  welches  deutsches 
gest  übersetzt  wird.  Nesselmann  erklärt  letzteres  nach 
dem  mhd.  jöst,  g&st  für  gischt,  schäum;  in  meiner  heimat 
Neuvorpommern  wird  gest  die  oberhefe  genannt,  auch  mhd. 
j£rwe,  ggrwe  heifst  hefe  und  im  vocabular  steht  gest  un- 
mittelbar hinter  heuen  hefen;  es  könnte  also  auch  spoayno 
möglicherweise  die  oberhefe  bezeichnen.  Das  von  Nessel- 
mann verglichene  russ.  pjena  ist  doch  wohl  unverwandt  und 
entspricht  vielmehr  lit.  penas  milch.  Andre  verwandte  feh- 
len, es  läfst  sich  also  lediglich  vermuthen,  dafs  oay  =  ai 
oder  ei,  das  vorgeschlagene  o  aber  eine  affection  durch  den 
vorhergehenden  labialen  sei,  wie  wir  sie  eben  ähnlich  er- 
kannten. 

55.  Ferner  steht  oi  (oy)  in  caria-woytis  heerschau, 
stroysles  döbel  (ein  fisch)  und  coysnis  kämm.  Für  ersteres 
wort  führt  Nesselmann  nach  Toppen  die  form  karige-wayte 
an,  wodurch  das  ohnehin  in  dem  oi  zu  vermutbende  ai 
oder  ei  erwiesen  wird.  Möglicherweise  steckt  in  dem  letz- 
ten theile  des  Wortes  das  lit.  veta.  ort,  stelle,  der  Übergang 
von  heerstelle  in  heerschau  wäre  wohl  nicht  zu  kühn.  Als- 
dann wäre  ei  zu  schreiben  und  oy  könne  wohl  nur  auf 
rechnung  des  vorhergehenden  w.  In  diesem  und  dem  vor- 
hergehenden worte  könnte  man  auch  die  verdumpften  vo- 
kale wieder  mit  ai  oder  ei  bezeichnen. 

56.  Für  stroysles  weifs  ich  keinen  rath ;  dagegen  wird 
coysnis  durch  das  oe  in  coestne  bürste  insofern  klar,  dafs 
man  wohl  nicht  irrt,  wenn  man  in  der  silbe  coys-  oder 
coes-  ein  kw&s-  oder  kw&s-  vermuthet,  so  dafs  o  hier  den 
halbvocal  bezeichnet,  der  in  queke  stecken  durch  u  gege- 
ben ist. 

57.  Das  pomesanische  au  stimmt  iu  der  Wurzelsilbe 
mit  dem  litauischen  in  17  fällen. 

58.  Dazu  kommen  einige,  in  denen  es  durch  slaw.  u 
als  richtig  erwiesen  wird;  so  in: 


430  Pauli 

austo  mund,  sl.  usta  (plur.)  mund; 

tauris  büffel,  sl.  turü  stier; 
in  einem  falle  erweist  sogar  das  zend  die  riohtigkeit  der 
pomesanisohen  form,  in: 

lauksnos  gestirne,  baktr.  raokhäna-  glänzend. 

59.  Abweichend  hat  das  pomesanische  in  mehreren 
fällen  an,  wo  das  litanische  blofses  n  zeigt;  so  in: 

danris  grofees  thor,  lit.  dürys  hansthQr; 

pausto-  wild,  lit.  ptistas. 
Es  seheint  mir,  dafs  hier  ein  ähnliches  Verhältnis  obwalte, 
wie  oben  bei  lit.  ö  eben  pom.  ei,  d.  h.  au  ist  der  echte, 
ältere  laut,  n  contraction*). 

60.  Anders  liegt  die  saohe  da,  wo,  wie  in  autre 
schmiede  neben  wutris  schmied,  beide  vocale  innerhalb  des 
pomesanisohen  selbst  neben  einander  vorkommen.  Hier  ist 
au  ganz  offenbare  Steigerung  aus  dem  u  des  grundworts, 
wird  aber  eben  dadurch  als  richtiger  laut  erwiesen. 

61.  Ob  straunay  lenden  wirklich  mit  dem  von  Nessel- 
mann verglichenen  lit.  stre'nos  kreuz  des  rückens  verwandt 
sei,  möchte  ich  bezweifeln,  da  ich  eine  vermittelnng  zwi- 
schen pom.  au  und  lit.  ö  nicht  zu  finden  weift. 

62.  Da  Holtzwäscher  in  den  deutschen  Wörtern  öfter 
aw,  ew  ftkr  au,  eu  schreibt,  wie  in  hawe  haue,  herschaw 
heerschau,  schewer  scheuer,  schewne  schenne  u.  a.,  so  dür- 
fen wir  diese  Schreibung  auch  im  pomesanisohen  erwarten, 
und  so  findet  sich: 

cawx  teufel,  lit.  kaukai  kobolde. 
Es  ist  natürlich  auch  hier  au  zu  schreiben. 

63.  Bisweilen  findet  sich  auch  die  Schreibweise  eau, 
sicher  in: 

geauris  wasserrabe, 
greauste  strick  von  reisern, 
vielleicht  auch  in: 

teausis  deicbsel, 


*)  Für   p austo-   wird  diese  annähme  durch  altbalg,  pustn  bestätigt. 
J.  S. 


preufsische  Studien.  431 

wenn  letzteres  nicht  vielleicht,  wie  Nesselmann  schwankt, 
teansis  zu  lesen  ist.  In  ermangelung  irgend  welcher  ver- 
wandten läist  sich  nicht  erweisen,  welcher  laut  dies  6£Ui 
bezeichnen  solle,  doch  liegt  die  vermuthung  auf  blofses  au 
nahe  (cf.  jedoch  86). 

64.  Pomesanisches  ui  (uy)  findet  sich  geschrieben  in: 

luysis  luchs,  lit.  lüszis; 

wuysis  hofhund,  lit.  fehlt; 

tuylis  zahme  eber,  lit.  kuilys. 
Irgend   etwas   sicheres  scheint  sich  aus  diesen  beiapielen 
nicht. zu  ergeben,  doch  ist  zu  beachten,  dafs  der  memelsobe 
dialekt  z.  b.  builis  bulle  für  hochlit.  bulius  bietet. 

65.  Ueberblicken  wir  jetzt  den  vocalismus  des  pome- 
sanischen,  soweit  er  bis  jetzt  in  betracht  kam,  noch  einmal 
im  zusammenhange,  so  ergiebt  sich  folgendes: 

1)  das  pomesanische  zeigt  sich  alterthfimlicher  als  das 
litauische  in  der  bewahrung  vieler  ei  und  einiger  au, 
wo  dieses  e  und  u  hat; 

2)  in  der  bewahrung  des  alten  a  statt  e  steht  das  po- 
mesanische auf  dem  Standpunkte  des,  namentlich  äl- 
teren, äemaitischen  (Schleicher  lit.  spr.  I,  32); 

3)  in  der  ausspräche  des  e  und  u  scheint  große  hinnei- 
gung  des  poraesanischeu  zum  memeler  dialekt  zu 
herrschen,  der  resp.  e  und  p  spricht  (Schleicher  lit. 
spr.  I,  30,  32),  doch  beweisen  die  vereinzelten  Schreib- 
weisen ea  und  oa,  dafs  jene  ausspräche  noch  nicht 
durchgedrungen  ist  und  Holtzwäscher  nur  ungenau 
achreibt; 

4)  die  gleiche  hinneigung  zum  memeler  dialekt  zeigt  sich 
in  der  ausspräche  des  ö  als  a  und  des  e  als  y,  wie 
sie  durch  die  mehrfache  Schreibung  oa,  ja  selbst  Mo- 
fses  a  und  i  (y),  erwiesen  wird  (1-  °*  30); 

5)  beide  dialekte  kennen  die  affection  von  a  und  zwar 
zu  i  vor  folgendem  r  und  1,  zu  u  vor  oder  nach  la- 
bialen, 1  und  v;  jedooh  stimmen  sie  in  den  einzelnen 
fallen  nicht  tiberein,  zumal  das  pomesanische  in  die- 
ser verdumpfung  weiter  gebt,  ato  das  litauische. 


432  Pauli 

66.  leb  lasse  nun  eine  tabellarische  Zusammenstellung 
des  pomesanischen,  hochlitauischen  und  memelschen  laut- 
systems  folgen  unter  angäbe  der  Schreibweise  Holtzwä- 
schers : 


lit.: 

mem. : 

pom.: 

Holtzwäscher: 

a 

a 

a,  a  (vor  r,  1) 

a,  o  und  oa  (beides  vor 
r  und  1) 

ia 

iÄ 

1* 

e 

le 

(  e,  e  (vor  r) 

(  e,  zuw.  ee  und  u  (vor  r) 

6 

6  (fast  y) 

6  (fast  y) 

e,  vereinzelt  ee,  bisw.  i 

ö 

ä 

• 

ö  (fast  ä) 

o,  bis  w.  oa  und  (selten)  a 

S 

x 

{  meist  ei 

i  ei,ai,  vereinz.ee,  eei,iei 
\  ea,  meist  e,  bisweilen  i 

e 

\  bisweilen  8  (fast  e) 

ei 

ei 

ei 

ei 

ai 

ai 

ai 

ai 

u 

u 

u 

u,  bisweilen  o 

d 

ö 

u  (fast  ö) 

oa,  meist  o 

au 

au 

au 

au,  bisweilen  eau  (?) 

ui 

ui 

ui 

ui. 

Durch  diese  tabellarische  Überschrift  wird  die  specielle 
Verwandtschaft  des  pomesanischen  mit  dem  memelschen 
recht  augenfällig. 

67.  Die  betrachtung  des  vocalismus  hat  sich  bis  jetzt 
auf  die  Stammsilben  beschränkt,  absichtlieh,  denn  nur  hier 
zeigt  das  pomesanische  die  reinheit  der  vocale  und  die 
Übereinstimmung  mit  dem  litauischen.  In  der  silbe  nach 
der  Wurzelsilbe,  bisweilen  auch  vor  derselben,  zeigt  sich 
ein  gewaltiges  schwanken  der  vocale,  in  den  endsilben 
starke  Schwächung. 

68.  Betrachten  wir  zuerst  die  silbe  nach  dem  stamm, 
die  ich  kurzweg  als  mittelsilbe  bezeichnen  will,  so  haben 
wir  hier  folgende  reihen,  die  ich  der  Übersichtlichkeit  we- 
gen gleich  nach  den  litauischen  vokalen  ordne: 

lit.  a: 

emelno  mistel,  lit.  £malas; 
giwato  leben,  lit.  gyvatä; 
kadegis  wachholder,  lit.  kadagys; 


preufsische  Studien.  433 

kalabian  schwort,  lit.  kalävijas; 

kamerto  kammer,  lit.  kamarä; 

-wanag  habicht,  lit.  vänagas; 

turpelis  leisten,  lit.  kurpalius; 

weders  bauch,  lit.  vädaras. 
Hier    wechselt  das   pomesanische    ohne   ersichtliche  regel 
zwischen  a  und  e ;  letzteres  scheint  allerdings  vor  r  und  1 
zu  stehn,    aber  kadegis  hat  auch  e,    wanag  in  gleicher 
lautlage  a. 

69.  Lit.  e:  • 

arelie  adler,  lit.  erelis; 

assaran  see,  lit.  &eras; 

assegis  barsch,  lit.  6szerys; 

brisgelan  zäum,  lit.  brizgelas; 

gelso  eisen,  lit.  gelezis  und  gelzis; 

glosano  blindschleiche,  lit.  glodenä; 

grundelis  gründling,  lit.  gründelis; 

kumetis  bauer,  lit.  kumetys  instmann; 

lopto  spaten,  lit.  lopetä  holzschaufel ; 

melato  grünspecht,  lit.  meletä; 

pelanne  asche,  lit.  pelenai; 

pelanno  herd,  lit.  päenas; 

podalis  mörser,  lit.  pudelis  topf; 

semeno  brach vogel,  lit.  s6men6'  hänfling; 

wayklis  söhn,  lit,  vaikelis  knabe ; 

wobalne  apfelbaum,  lit.  obells. 
Auch  hier  schwankt  ohne  sichtbaren  grund  das  pomesa- 
nische zwischen  a  und  e,  und  grade  zeigt  sich  a  wieder 
meist  vor  1,  wo  eben  e  erschien,  so  dafs  sich  irgend  eine 
regel  nicht  ergiebt.  Zwischen  leicht  zusammen  zu  spre- 
chenden consonanten,  wie  ls,  pt,  kl  schwindet  der  vokal 
ganz.- 

70.  Lit.  6: 

esketres  stör,  lit.  erszkötres: 
medies  Jäger,  lit.  medö'jis. 
Einmal  e,  einmal  i. 

71.  Lit.  o: 


434  Pauli 

artoys  ackersmann,  lit.  artöjis; 
attolis  gruminet,  lit*  atölas; 
kukore  köchin,  lit.  kükorius  koch; 
medione  Jagd,  lit.  medzone; 
wogonis  Stulpschüssel,  lit.  vogone  butterbüchse. 
Beide  sprachen  in  Übereinstimmung. 

72.  Lit.  i: 

asilis  esel,  lit.  asilas; 

awins  Schafbock,  lit.  ävinas; 

kamenis  esse,  lit.  käminas; 

catils  kessel,  lit.  katilas; 

meine  Striemen,  lit.  meline; 

stibinis  schlittenbein,  lit.  stipinis  Speiche; 

wobilis  klee,  lit.  dobilas. 
Meist  i,    doch  in  kamenis  ein  e,  wo  in  awins  in  gleichet 
lautlage  i  steht;  zwischen  In  völliger  ausfall.   Letzterer  ist 
auch,  wie  Nesselmann  richtig  angiebt,  in 

prastian  ferkel  für  *prasistian; 

werstian  kalb  für  *wersistian 
anzunehmen. 

73.  Lit.  e: 

tackelis  Schleifstein,  lit.  tekelag. 
Die  qualität  des  pomesanischen  e  unbestimmt. 

74.  Lit.  u: 

abse  espe,  lit.  apuszö; 

alkunis  eilenbogen,  lit.  alktinä; 

angurgis  aal,  lit,  ungurys; 

geguse  kukuk,  lit.  geguze'; 

malunis  müble,  lit.  mal&nas; 

nagutis  fingernagel,  lit.  nagütis; 

percunis  donner,  lit,  perkünas; 

wosux  Ziegenbock,  lit.  oziükas. 
Mit  ausnähme  des  ausfalls  zwischen  p  und  s  in  abse  ist 
das  u  gewahrt. 

75.  Lit.  ü: 

woble  apfel,  lit.  obulys. 
Ausfall  des  vocals. 


preufsische  Studien.  435 

76.  Es  zeigt  sich  also  unter  den  vocalen  der  mittel- 
silbe  völlige  Übereinstimmung  beider  sprachen  nur  bei  dem 
schweren  ö,  meist  auch  bei  i  und  u,  den  prägnantesten  der 
vocale,  bei  den  zwischenlauten  e,  e  zeigt  sich  ein  bedeuten- 
des schwanken  mit  a  und  umgekehrt.  Ja,  das  e,  i,  u  und 
selbst  das  schwere  u  schwinden  zwischen  einzelnen  conso- 
nanten  ganz.  Und  doch  sind  die  vocale  dieser  mittelsil- 
ben  nicht  blofs  überhaupt  nötbig,  sondern  sogar  in  einer 
bestimmten  form  nöthig,  weil  sie  die  anlaute  bestimmter 
ableitungssuffixe  sind.  Woher  also  dies  schwanken?  Holtz- 
wäscher  schrieb,  wie  er  zu  hören  glaubte.  Er  überhörte 
aber  laute,  die  der  Wortbildung  nach  nothwendig  sind,  und 
das  erklärt  sich  nur  aus  einer  sehr  corripirten,  gleichsam 
schewaähnlichen  ausspräche  der  betreffenden  vocale  durch 
seinen  gewährsmann.  So  aber  konnte  dieser  die  laute  nur 
sprechen  in  tieftonigen  silben,  deren  lautgewicht  ein  sehr 
geringes  ist. 

77.  Umgekehrt,  wie  oben  Holz  Wäscher  vocale  zwi- 
schen consonantengruppen  überhörte,  hörte  er  auch  laute, 
die  dem  litauischen  an  der  stelle  fehlen,  so  in 

gelatynan  gelb,  lit.  geltönas; 

sirsilis  hornifs,  lit.  szirsztys  wespe; 

sylecke  häring,  lit.  silke; 
ebenso  vor  der  Stammsilbe  in 

seweynis  schweinstall  neben  swintian  schwein, 
während  in  gleicher  stelle  wieder 

knapios  hanf,  lit.  kanäpös 
des  vocak  ermangelt  Auch  diese  erscheinungen  weisen 
darauf  hin,  dafs  einmal  Holtzwäscher  lediglich  seinem  ge- 
hör folgte,  und  dafs  ferner  diese  irrationalen  vocale  unbe- 
dingt tieftonig  waren.  Welche  laute  in  diesen  mittelsilben 
für  dem  einzelnen  fall  pomesanisch  zu  schreiben  seien,  das 
zu  ermitteln,  ist  sache  der  wortbildungslehre  und  mufs  da- 
her bis  zu  deren  betrachtung  verspart  bleiben. 

78.  Dafs  diese  mittelsilben  tieftonig  gewesen  seien, 
scheint  mir  festzustehen.  Es  fragt  sich  nun  aber  weiter, 
wo  stand  der  hochton,    auf  der  Wurzelsilbe  oder  auf  der 


436  Pauli 

declinationsendung.   Ersteres  ist  schon  an  sich  wahrschein- 
lich, findet  aber  in  den  lautverhältnissen  der  declinations- 
endungen  seinen  positiven  beweis.   Zunächst  erscheint  hier 
das  -as  der  a-declination  in  folgenden  gestalten: 
als  as  nur  in 

silkas  seide,  lit.  szUkai; 
als  es  in 

esketres  stör,  lit.  erszk&'tras; 
sirmes  lauge,  lit.  szärmas; 
als  is  in: 

aysmis  spiefs,  lit.  eszmas; 
alwis  blei,  lit.  älvas  zinn; 
asilis  esel,  lit.  äsilas  esel, 
und  vielen  andern;  endlich  als  blofses  8  in: 
awins  Schafbock,  lit.  ävinas; 
catils  kessel,  lit.  kätilas ; 
cawx  teufel,  lit.  kaukai  kobolde; 
kuliks  beutel,  lit.  kullkas; 
niynix  gerber,  lit.  minlkas; 
slayx  regen  wurm,  lit.  slekas; 
weders  bauch,  lit.  vädaras; 
wosux  Ziegenbock,  lit.  oziükas  böcklein. 
Dieses  variiren  des  a  bis  zum  völligen  schwinden,  und  zwar 
in  denselben  Suffixen,  z.  b.  in: 

asilis  esel  neben  catils  kessel; 
schuwikis  Schuhmacher  neben  mynix  gerber; 
stibinis  schlittenbein  neben  awins  Schafbock; 
ja  in  demselben  wort,  wie:    miskilis  (246)  neben  miskils 
(299)  schiene,  beweist,  dafs  auch  hier  der  vokal  völlig  ir- 
rational geworden  war.  Eine  gleichmälsige  Schreibung  aber 
wird  nöthig  sein  und,    da  die  meisten  Wörter  von  Holtz- 
wäscher  mit  i  geschrieben  sind,  so  schlage  ich  i   für  alle 
vor  nach  analogie  der  bezeichnung  des  dumpfen  i  in  der 
mundart  Ejdymtts  bei  Schleicher  ( Donalei  tis  327). 

Das  pomesanische  schliefst  sich  hier  zumeist  der  hoch- 
litauischen mundart  von  Anykszczei  an,  welche  nach  den 
mittheilungen  Baranowskis   bei  Schleicher  Donaleitis  335 


preufsische  Studien.  437 

die  endung  as  als  üs  (ü  =  sl.  i)  erscheinen  läfst,  wäh- 
rend das  preufsisch- litauische  das  a  entweder  ganz  aus* 
wirft  oder  als  reines  a  bewahrt. 

79.  Eine  ähnliche  Schwächung  erleidet  das  feminine 
a  der  a-declination,  hervorgegangen  aus  altem  ä.  Diese 
letztere  ältere  lautstufe  findet  noch  ihre  reflexe  in  dem 
sl.  a  und  dem  lit.  o,  wie  es  vor  affixen,  namentlich  in  der 
bestimmten^  declination  der  adjectiva,  z.  b.  in  geröji  neben 
gerä,  erscheint.  Mit  diesem  ö  aber  hat,  wie  sich  leicht 
erweisen  läfst,  das  o,  welches  am  ende  der  pomesanischen 
feminina  auftritt,  nichts  gemein.  Es  erscheint,  abgesehen 
von  dem  ganz  unklaren  rapa  engel,  ganz  constant;  so 
z.  b.  in: 

galdo  mulde,  lit.  gada; 
gislo  ader,  lit.  gysla; 
giwato  leber,  lit.  gyvatä; 
lopto  spaten,  lit.  lopetä  holzscbaufel 
und  vielen  anderen. 

80.  Für  die  richtige  auffassung  dieses  o  sind  die  end- 
vocale  im  ersten  theile  der  composita  entscheidend,  welche 
hier  bewahrt  bleiben,  wie  in  der  hochlitauischen  mundart 
von  Anykszczei  (Schleicher,  Donaleitis  334 j,  während  das 
preufsisch-litauiscbe  sie  tilgt.  Die  gewöhnliche  form  der- 
selben im  pomesanischen  ist  a,  und  zwar  gleichmäfsig  bei 
den  männlichen  a-  und  den  weiblichen  ä-stämmen,  wie  dies 
z.  b. 

maluna-stabis  mühlstein  von  malunis  müble; 

piwa-maltan  malz  von  piwis  bier; 

daga-gaydis  eomm.erweizen  von  dagis  sommer 
für  das  maseulinum, 

crauya-wirps  aderlasser  von  crauyo  blut 
für  das  femininum  erweisen.     Daneben  aber  erscheint  in 

pausto-caican  wildes  pferd  von  *paustis  wild; 

dago-angis  sommerlatte  von  dagis  sommer; 

gerto-anax  habicht  von  gerto  henne 
und  mehreren  anderen  in  ihrer  bildüng  nicht  ganz  klaren 
der  betreffende  vocal  als  o.     Hier  kann  o  unmöglich  lang 


438  Pauli 

sein,  es  ist  vielmehr  die  erste  binneigung  zur  verdumpfung, 
die  sich  dann  im  hochlitauischen  als  gänzlicher  Schwund 
des  vocals  zeigt. 

81.  Parallel  damit  erscheint  die  mehrmalige  verdum- 
pfung der  femininendung  der  ia-declination,  ö,  zu  i  (y), 
sowohl  im  compositum,  nämlich  in: 

api-sorx  eisvogel  von  ape  flufk; 
possi-ssawaite  mittwoch  von  Ht.  püse  mitte; 
wosi-grabis  spillenbaum  von  wosee  ziege, 
als  auch  im  einfachen  worte.    So  steht  i  (y)  für  6  in: 

asy  rain,  lit.  ez&'; 
mary  haf,  lit.  mares  (plur.); 
pelki  brucb,  sumpf,  lit.  pelkg. 
Dieser  letzteren  verdumpfung  begegnen  wir  wieder  im  ze- 
maitischen  (Schleicher  lit.  spr.  I,  32),   wo  sie  die  folge  der 
Zurückziehung  des  tones  auf  die  Stammsilbe  ist.     Es  liegt 
also  bei  den  auch   sonst  schon  beobachteten  zemaitischen 
neigungen  des  pomesanischen  nahe,  diese  trübung  des  &  zu 
i  auf  die  gleiche  quelle  zurückzufahren. 

82.  Was  aber  der  ia-declination  recht  ist,  ist  der  a- 
declination  billig,  es  kann  somit  das  o  des  ersten  compo- 
sitionsgliedes  und  am  wortende  nicht  die  alte  länge  sein, 
sondern  kürzung  oder  trübung  wie  beim  maso.  derselben 
decl.  as  zu  is  sich  trübt. 

83.  Damit  dürfte  wohl  der  beweis  erbracht  sein,  dafs 
die  declinationsendung  im  pomesanischen  den  hochton 
nicht  trägt.  Es  bleibt  für  denselben  also  nur  die  Wurzel- 
silbe übrig. 

84.  Für  die  praktische  Schreibung  scheint  es  mir  ge- 
boten, da  die  Schwächung  von  e  zu  i  nur  ausnahmsweise 
erscheint,  ö  beizubehalten;  ebenso  verhält  es  sich  mit  o  in 
der  composition,  wo  ich  also  gleichfalls  a  schreibe;  das  o 
dagegen  am  wortende  erscheint,  wie  das  is  des  masc,  als 
constante  Schreibung,  und  beide  sind  daher  als  völlig  durch- 
gedrungene laute  festzuhalten.  Ueber  die  weiteren  deoli- 
nationsendungen,  namentlich  das  häufig  erscheinende  an, 
wird  bei  der  betracbtung  der  declination  gehandelt  werden. 


preufsische  Studien.  439 

85.  Ueberblicken  wir  nun  den  pomesanischen  vocalis* 
mu8  seinen  hauptzögen  nach,  so  zeigte  sich  in  den  Wurzel- 
silben gegenüber  dem  litauischen  gröfsere  alterthümlichkeit 
in  der  bewahrung  vieler  a  und  ei  für  lit.  e  und  e  und  in 
dem  meistenteils  bewahrten  compositionsvocal  (das  nähere 
später),  dagegen  schwankten  in  den  Silben  vor  und  nach 
der  Wurzelsilbe  die  pomesanischen  vocale  nach  verschiede- 
denen  riohtungen  hin  bis  zum  völligen  schwand,  während 
in  den  endsilben  as  zu  is,  a  zu  o  geschwächt  wurde.  Ich 
glaube  nicht  geirrt  zu  haben,  wenn  ich  die  gesammtheit 
dieser  erscheinungen  aus  einer  quelle  ableitete,  nämlich 
aus  der  ausschliefslichen  betonung  der  Wurzelsilbe,  wie  die- 
selbe auch  im  zemaitischen  herrscht  (Schleicher  lit.  spr.  5). 
Einzelne  anklänge  an  das  letztere  zeigten  sich  bereits  eben 
in  der  hinneigung  des  ö  zu  a  und  des  u  zu  ö,  und  ähnlichen 
äemaitischen  neigungen  werden  wir  auch  im  folgenden  noch 
begegnen. 

86.  Die  weitere  Untersuchung  Ober  die  accentuation, 
obgleich  im  engen  zusammenhange  mit  dem  vocalismus 
stehend,  mufs  ich  bis  zur  Vollendung  des  litauischen  Wör- 
terbuches von  Kurschat  verschieben,  da  bekanntlich  Schlei- 
cher die  Unterscheidung  zwischen  gestofsenem  und  geschlif- 
fenem tone  nicht  anerkannt  und  demnach  auch  durch  die 
schrift  nicht  ausdrückt.  Ich  bin  der  meinung,  dafs  in 
diesem  punkte  Schleicher,  gegenüber  Rosenberger,  Bielen- 
stein  und  Kurschat,  im  irrthum  sich  befindet,  und  ich 
glaube,  was  ich  bereits  hier  andeuten  will,  vermuthen  zu 
dürfen,  dafs  im  pomesanischen  der  geschliffene  ton  überall 
da  zu  statuiren  sei,  wo  Holtzwäscher  seine  seltsamen  grup- 
pen  ee,  eey,  iey,  eau  u.dgl.  vorbringt,  durch  die  er  sich 
bemühte,  ein  gewisses  etwas,  das  den  vokal  begleitete,  aus- 
zudrücken, eben  den  geschliffenen  ton. 


b.     Die  consonanten. 

87.  Der  erste  punkt,  der  hier  die  Orthographie  Holtz- 
wäschers  von  der  Schleichers  scheidet,    ist  die  gemina- 


440  Pauli 

tion.  Sie  findet  sich  in  folgenden  formen  des  vocabulars: 
kk  in :  accodis  rauchloch,  stuckis  ahornbaum, 

ackons  granne,  suckis  fisch, 

buccareisia  buchnufs,        tackelis  Schleifstein, 
doacke  vogel  staar,  tuckoris  weber, 

keckers  erbse,  wackis  kriegsgeschrei, 

luckis  scheit,  wickis  wicken, 

paccaris  riemen,  sylecke  häring, 

peccore  bäcker. 
Alle  diese  formen  zeigen  die  gemination  in  der  Stammsilbe, 
ausgenommen  sylecke;  da  aber  die  lit.  form  sllkö  ist,  so 
bat  hier,  wie  es  scheint,  das  e  vor  dem  ck  gar  keine  be- 
rechtignng,  und  sodann  tritt  auch  hier  ck  in  die  Stamm- 
silbe. Neben  buccareisis  schreibt  Holtzwäscher  bucawarne 
holzkrähe,  neben  keckers  ebenso  lituckekers  mit  einfachem 
k,  ist  also  keineswegs  consequent. 

tt  in:  abstotten  decke],  mettan  jähr, 

attolis  grummet,  nawetto  getriebe, 

batto  stirne,  paustocatto  wildkatze, 

bitte  biene,  pette  Schulter, 

buttan  haus,  pettegislp  rückenader* 

yttroy  wade,  pettis  Schulterblatt, 

lattaco  hufeisen. 
Auch  hier  ist  es  lediglich  die  Stammsilbe,   wo  die  gemi- 
nation sich  findet,  den  atestotten  (wohl  verschrieben  N.), 
na-wetto,  pausto-cattö  sind  composita. 

pp  in:  suppis  dämm  im  mühlenwerk. 
Gleichfalls  in  der  Stammsilbe, 
gg  kommt  nicht  vor. 
dd  in:  addle  tanne,  meddo  honig, 

gudde  gebüsch,        paddis  kummetgeschirr. 
Alle  vier  in  der  Stammsilbe. 

bb  in:  lubbo  brett. 
Wieder   in  der  Stammsilbe,    doch    ist  hier  Holtzwäscher 
wieder  inconsequent,    denn  neben  lubbo  schreibt  er  trotz 
vollständig  gleicher  bildung  stubo  stube,  tubo  filz,  lit.  lubä, 
stubä,  tubä. 


preufsische  Studien.  441 

nn  in:  genno  weib,  panno  feuer, 

ennoys  fieberfrost,  pelanne  asche, 

pannean  moosbruch,         polanno  herd. 
Mit  ausnähme  der  beiden  letzten  Wörter  wieder  Stammsil- 
ben, doch  inconsequent,  denn  neben  panno  findet  sieb  panu- 
-staclan  feuerstahl. 

11   in:    pellekis  giebel,  palasallis  ein  fisch. 

Wenn  letzteres  ein  comp,  pala-sallis  ist,  so  steht  auch  11 
nur  in  Stammsilben,  Ueber  die  geminirten  Zischlaute  spä- 
ter. Es  steht  also  die  geminata  40  mal  in  der  Stammsilbe, 
2  mal  im  suffix. 

Da  wir  die  Holtzwäschersche  Orthographie  überall  durch 
die  Schleichersche  ersetzen  wollen,  so  fallt  praktisch  fftr 
uns  die  gemination  fort,  wir  schreiben  einfachen  laut. 

88.  Es  fragt  sich  aber,  ob  sich  aus  der  gemination 
Holtzwäschers  nicht  theoretisch  etwas  entnehmen  lasse  för 
die  spräche  selbst.  Gemination  wird  in  den  sprachen  bald 
angewandt,  um  die  länge,  bald,  um  die  kürze  eines  vocals 
zu  bezeichnen.  Ersteres,  dem  lateinischen  und  einzelnen 
romanischen  sprachen  eigen,  ist  für  das  pomesanische  sehr 
wenig  wahrscheinlich,  letzteres  hingegen,  als  deutsche  weise, 
mehr  als  wahrscheinlich.  Im  deutschen  theile  des  voca- 
bulars  gebraucht  Holtzwäscher  geminaten  häufig,  ich  zähle, 
wieder  abgesehen  von  den  ziqghlauten,  17  ck,  14tt,  10  pp, 
1  bb,  5  ff,  9  nn,  3  mm,  9  11,  4  rr.  Zwar  ist  er  auch  hier 
wieder  nicht  consequent,  indem  er  z.  b.  einmal  volle,  ein 
andermal  vole  fohlen  schreibt;  wo  aber  geminata  sich  fin- 
det, da  ist  es,  wie  oben  im  pomesanischen  auch,  stets  in 
der  Wurzelsilbe ,  und  zwar  nach  kurzen  vocalen.  Da  die 
Wurzelsilbe  im  deutschen  gleichbedeutend  ist  mit  der  hoch- 
tonigen  silbe,  so  ergiebt  sich:  Holtzwäscher  schreibt  im 
deutschen  geminaten  nach  betonten  silben  mit  kurzem  vo- 
cal.  Es  liegt  nahe,  diese  regel  auch  auf  seine  Schreibung 
des  pomesanischen  zu  übertragen,  doch  sind  dabei  erst  die 
litauischen  formen  auf  länge  oder  kürze  der  Wurzelsilbe 
bin  zu  untersuchen.  In  den  vergleichbaren  litauischen  Wör- 
tern steht  kurzer  vocal,  und  zwar  betont,  in :  vikei  wicken, 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4.  29 


442  Pauli 

silkg  häring,  bütas  haus,  unbetont  in:  akä'tas  granne, 
atolas  grummet,  bit&'  biene,  kate  katze,  petls  schulter, 
medü8  honig,  lubä  brett,  langer  betonter  vokal  in  büka 
buche,  tekSlas  Schleifstein,  metas  jähr,  egle  tanne.  Sehen 
wir  von  büka  ab,  welches  offenbar  germanismus  aus  dem 
niederdeutschen  ist,  so  liegt  in  den  zuletzt  genannten  for- 
men überall  die  accentdehnung  e  vor,  also  an  sich  kurze 
vocale  (cf.  Schleicher  lit.  spräche  I,  15).  Da  nun  das  ze- 
maitische  in  solchem  falle  oft  die  kürze  unter  dem  accent 
bewahrt  (1.  c.  34),  das  pomesanische  aber  auch  Vmst  sich 
zum  zemaitischen  neigte,  so  dürfen  wir  auch  in  den  ent- 
sprechenden pomesanischen  Wörtern  kurzen  vokal  anneh- 
men. Wir  haben  also  dann  die  gemination  pomesaniscb 
nur  nach  kurzen  vokalen.  Den  nachweis,  dafs  das  pome- 
sanische die  Wurzelsilbe  betont  habe,  glaube  ich  oben  aus 
dem  vocalismus  erbracht  zu  haben,  ich  finde  aber  in  der 
geminata  eine  neue  nicht  unwesentliche  stütze  dieses  satzes, 
den  das  einmalige  nn  (in  pelanno  und  pelanne)  in  einer 
suffixsilbe  wohl  nicht  alterirt.  Somit  schreibt  also  auch 
in  den  pomesanischen  Wörtern  Holtzwäscher  die  geminata 
nach  hochtoniger  silbe  mit  kurzem  vocal. 

89.  Von  ungeminirten  consonanten  betrachte  ich  zu- 
erst die  muten.  Sie  entsprechen  in  ihrer  anwendung  bei 
Holtzwäscher  im  grofsen  imd  ganzen  fast  durchweg  den 
litauischen,  doch  zeigen  sich  im  einzelnen  einige  abwei- 
chungen.  Zunächst  sondert  Holtzwäscher  die  fortes  und 
lenes  nicht  genau,  so  schreibt  er  z.  b.  lenis  für  fortis  in: 

agins  äuge,  lit.  akis; 

sagnis  wurzel,  lit.  szaknls; 

lagno  leber,  lett.  aknis; 

grosis  reif,  lit.  kruszä  hagel; 

siduko  siebtopf,  lit.  setas  sieb; 

stibinis  schlittenbein,  lit.  stlpinas  Speiche; 
fortis  für  lenis  in: 

siraplis  silber,  russ.  serebro» 
Holtzwäscher  hat  überhaupt,  wie  wir  nachher  eingehender 
bei  betrachtung  der  zischlaute  sehen  werden ,   kein  feines 


preufsische  Studien.  443 

gehör  für  den  unterschied  der  lenes  und  fortes.  Dazu 
kommt,  dafs  gerade  die  fortis  in  der  Stellung,  die  sie  oben 
einnimmt,  d.h.  zwischen  vocalen,  vorn  oder  anlautend 
vor  liquida,  wirklich  gern  in  die  lenis  übergeht,  wie  z.  b. 
im  lateinischen  digitus,  dignus,  gracilis.  Erwägt  man  dies, 
so  konnte  Holtzwäscher  leicht  die  zur  lenis  hinneigende 
fortis  als  volle  lenis  auffassen  und  so  schreiben.  Doch 
aber,  denke  ich,  müssen  wir  fortis  schreiben,  da  auch  der 
samlundische  katechismus  ackis  äuge  bietet.  Derselbe  be- 
weist auch  durch  sein  sirablan  silber,  dafs  hier  p  blofser 
gehörfehler  ist;  ich  schreibe  daher  b. 

90.  Anders  aber  liegt  der  fall  in: 

kruwis  fall,  lit.  griüti  fallen. 
Hier  bietet  der  katechismus  krüt  fallen  und  es  scheint  mir 
demnach,  als  hätte  das  preufsische  in  der  fortis  den  ech- 
ten laut,  und  die  lit.  lenis  wäre  erweichung. 

91.  Einige  male  schreibt  Holtzwäscher  die  lenis,  wo 
das  litauische  die  entsprechende  weiche  spirans  bietet.  Das 
geschieht  zunächst  mit  g  für  j.  Letzteren  buchstaben  ver- 
wendet Holtzwäscher  im  vocabular  überhaupt  nicht,  we- 
nigstens nicht  im  pomesanischen  theile,  sondern  er  schreibt 
dafür  bald  i,  bald  y.  Das  kommt  einmal  daher,  dafs  wur- 
zelhaftes j  sich  nur  in: 

iuse  fleischbrühe,  lit.  juszö  sauerteigsuppe 
findet.  In  suffixsilben  zeigt  es  sich  öfter,  hier  hat  es  aber 
den  von  Kurschat  (lit.  wb.  I,  XI)  bezeichneten  mittellaut 
zwischen  i  und  j.  Man  kann  sich  daher  nicht  wundern, 
wenn  Holtzwäscher  den  laut  bald  so,  bald  so  auffafste. 
Weich,  d.  h.  als  i,  ihn  hörend,  schrieb  er  i  oder  y,  här- 
ter g  oder  ig.  Dafs  diese  auffassung  richtig  ist,  beweist 
im  vocabular  kragis  heer  neben  caria-woytis  heerschäu, 
karyago  heereszug.  Hier  hat,  von  der  später  zu  behan- 
delnden metathese  abgesehen,  ein  und  dasselbe  wort  alle 
drei  Schreibungen.  Ich  schreibe  nach  consonanten  i,  nach 
vocalen  j.  In  eugis  hammer  schwankt  der  laut  auch  im 
litauischen,  wo  sich  küjis  und  kügis  finden.   Dagegen  liegt 

29* 


444  Pauli 

in  Baligan  grOn  neben  lit.  äalias  ganz  offenbar  nur  die  en- 
dung  -ian  vor. 

92.  Ebenso  erscheint  einige  male  b,  wo  man  v  er- 
warten sollte.  Dem  kragis  ganz  parallel  steht  ar-globis 
scheitel,  welches,  wie  auch  Nesselmann  andeutet,  doch  ge- 
wifs  zu  glawo  köpf  gehört.  Hier  aber  wird  das  w  als 
echt  durch  das  sl.  glava  erwiesen.  Weniger  klar  liegt  die 
sache  in  wirbe  seil.  Hier  bietet  das  litauische  freilich 
«ein  vlrv&  (Schi.  virv&')  seil,  allein  daneben  hat  es  doch 
auch  virbas  birkenreis,  virbinis  schlinge.  Zu  kalabian 
schwert  bietet  der  katechitmus  kalblan,  das  litauische  ka- 
lavijas.  Letzteres  ist  wohl  die  etymologisch  richtige  form, 
denn  sollte  ich  irren,  wenn  ich  das  wort  als  verwandten 
des  lat.  cl&va  keule  hinstellte,  beide  durch  das  suffix  -va 
von  wimsei  kal  schlagen,  lit.  kalti  schmieden,  bftmmern, 

.abgeleitet,  im  litauischen  -ija  weitergebildet? 

93.  Zeigte  sich  hier  eine  gewisse  geftkhllosigkeit  des 
Holtzwäscherschen  obres  fiir  die  unterschiede  zwischen 
homorganen,  aber  heterogenen  lauten,  wie  sie  sonst  nur 
Obersachsen  und  Thüringern  (war  er  etwa  von  da  gebür- 
tig?) eigen  ist,  und  wie  wir  sie  nachher  bei  den  Zischlau- 
ten noch  einmal  treffen  werden,  so  scheidet  er  zwischen 
den  verschiedenen  Organen  ziemlich  genau.  Nur  einige 
male  bringt  er  dentale  statt  der  gutturalen,  nämlich  t  für 
k  in: 

prei-talis  ambofs,  lit.  prei-kalas; 

torbis  korb,  lit.  karbas; 

tuylis  Zuchteber,  lit.  kuitys; 

turpelis  schusterleisten,  lit.  kurp&lius. 
Dafs  hier  wieder  ein  äemaitisirender  zug  des  pomesani- 
sohen  vorliegt,  scheinen  formen,  wie  das  memelsche  trau- 
ssis  birne  für  hochlit.  kräuszö  anzudeuten,  doch  bringt  das 
vocabular  neben  turpelis  leisten  ein  kurpe  schuh,  so  dafs 
wir  den  laut  des  t  wohl  noch  nicht  als  volles  t  ansetzen 
dürfen.  Vielleicht  ist  er  am  besten  als  palatales  (ich  meine 
das  wort  natürlich  im  physiologischen,  nicht  im  modern- 
sanskritischen sinne)  K  zu  bezeichnen. 


preufsiscbe  Studien.  445 

94.  Einmal  begegnet  auch  d  für  g,  nämlich  in: 

addle  tanne,  lit.  eglg. 
Da  auch   das  poln.  jodta   diesen  öbergang  zeigt,    so  ver- 
muthe  ich  fast  in  addle  assimilation  des  gutturalen  an  das 
dentale  1.     Alsdann  dürfte  das  d  beizubehalten  sein. 

95.  Weitere  Verwechslungen  der  verschiedenen  organe 
kommen  nicht  vor.  Zwar  vergleicht  Nesselmann  pom.  plo- 
nis  tenne  mit  lit.  klunas,  doch  mit  unrecht.  Lett.  plahns 
flach,  subst.  tenne,  welches  er  gleichfalls  beibringt,  zeigt, 
dafs  beide  Wörter  nicht  verwandt  sind,  klunas  verlangt 
die  grundform  klaunas,  plonis  dagegen  und  plahns  gehn 
auf  plänas  zurück. 

9(5.  In  bezug  auf  die  nasalen  zeigt  sich  das  pome- 
sanische  alterthümlicher  als  das  litauische,  insofern  es  vor 
s  und  t  das  n  bewahrt,  wo  wenigstens  das  hochlitauische 
es  auswirft.  Das  £emaitische,  so  wie  ältere  drucke,  schrei- 
ben hier  freilich  meist  das  n,  ob  es  aber  wirklich  noch 
gesprochen  sei,  ist  wenigstens  vom  jähre  1653  ab  zweifel- 
haft (Schleicher  lit.  spräche  I,  73  sq.).  Im  pomesanischeu 
dagegen  sind  sie  unzweifelhaft  gesprochen,  da  ja  Holtz- 
wäscher  nach  dem  gehöre  schreibt,  und  es  liegt  somit  hier 
wirklich  ein  punkt  vor,  wo  das  pomesanische  einen  älteren 
lautstand  einnimmt,  als  das  litauische.  Dies  n  begegnet 
nun  in  folgenden  formen: 

ansis  haken,  lit.  §sä  (alt  ansa)  henkel; 

sansy  gans,  lit.  äqsis  (alt  äansis) ; 

menso  fleisch,  lit.  mösä; 

ratinsis  kette,  lit.  ret&zis; 

wanso  flaumbart,  lit.  üsas  schnurbart;« 

pentinx  freitag,  lit.  petnycza  *). 

Hierbei  ist  zu  beachten,  dafs  im  litauischen  ersatzdehnung 
eintritt,  denn  q  ist  stets  lang,  en  und  in  erscheinen  als  ö, 
wan  als  ü.  Das  c  als  ersatzdehnung  vergleicht  sich  dem 
sl.  6  in  formen,  wie  v&sü  ich  führte  für  vedsü  u.  a.  (Schlei- 


*)  Altbulg.  mggo,  retgzi,  v§sü,  pgtinica.     J.  S. 


446  Pauli 

eher  comp.1  122)  und  ähnlichen  erscheinungen  im  sanskrit, 
griechischen,  lateinischen  und  gotischen. 

97.  Aehnlich,  obwohl  etwas  verschieden,  liegt  der 
fall  in: 

penpalo  wachtet,  lit.  pütpela. 
Als  grundform  scheint  mir  för  beide  ein  *penpala  voraus- 
zusetzen, woraus  das  litauische  zunächst  *pentpela  bildete 
mit  einem  t  als  vermittler  der  disharmonirenden  laute  n 
und  p;  dann  wandelte  sich  en  zu  u,  wie  auch  sonst  im 
litauischen,  und  so  entstand  dann  pütpela. 

98.  Von  den  Spiranten  13t  in  bezug  auf  das  j  schon 
oben  (91.)  erwähnt  worden,  dafs  Holtz Wäscher  das  zeichen 
j  überhaupt  nicht  gebrauche,  sondern  bald  i,  bald  y,  bald 
g  (ig)  schreibe.   So  erklärt  sich  dann,  auch  oy  alsojiin: 

artoys  ackersmann,  lit.  artojis; 
ie  als  eji  (i  =  £  nach  13)  in: 

medies  Jägersmann,  lit.  mede'jis. 

99.  Mehr  zu  sagen  ist  vom  v.  Hier  zeigt  sich  das 
pomesanische  altertümlicher  als  das  litauische,  indem  es 
v  bewahrt  hat  in: 

swestro  Schwester,  lit.  sesü'  ; 
swibe  finke,  lit.  szube ; 
wanso  flaum,  lit.  usä  schnurbart, 
wie  für  letzteres  wort  das  polnische  w$8  beweist. 

100.  Vor  o,  6  und  u  im  anlaut  fiudet  sich  ganz  re- 
gulär ein  w  vorgeschlagen,  ähnlich  wie  in  der  mundart 
Ejdymtts  (Schleicher  Donaleitis  338)  und  im  altslawischen 
(id.  comp.2  132).     Das  geschieht  im  vocabular  in: 

•  wobalne  apfelbaum,  lit.  obelis; 
woble  apfel,  lit.  obülys; 
wobzdus  dache,  lit.  obszrüs; 
wosee  ziege,  \ 

wosistian  zicklein,  )  lit  ozys,  oziükas  bock; 
wosux  Ziegenbock,  ) 
woasis  esche,  lit.  usis; 
wutris  Schmied,  lit.  fehlt, 
allen  pom.  autre  schmiede  beweist  auch  hier  den  Vorschlag. 


preufsische  Studien.  447 

Dieser  Vorschlag  ist  natürlich  in  der  schritt  beizubehalten, 
doch  schreibe  ich  hier,  wie  überall,  dem  Schleicherechen 
Systeme  zu  liebe,  v  statt  w.  Ein  vorgeschlagenes  j  bietet 
das  vocabular  nicht. 

101.  Wie  oben  in  artoys,  medies  das  j  zwischen  vo- 
calen  unbezeichnet  blieb,  so  auch  einmal  das  v,  nämlich 
in  gertoanax  habicht,  denn  ich  glaube  nicht  zu  irren,  wenn 
ich  hieraus  ein  gerto(w)anax  herauslese  und  es  dem  sper- 
glawanag(s)  Sperber  parallel  stelle;  lit.  vänagas  heifst  raub- 
vogel,  speciell  habicht,  gertoanax  ist  demnach  der  hühner- 
habicht,  sperglawanag  der  Sperlingshabicht. 

102.  Räthselhaft  ist  das  verhältnifs  von: 

wobilis  klee,  lit.  döbilas. 
Gehen    beide  auf  eine  grundform    dvobilas  oder   dvabilas, 
oder   hat  Holtzwäscher    sich    geradezu   verhört  oder   ver- 
schrieben? 

103.  Eine  eingehendere  betrachtung  erfordern  unter 
den  Spiranten  die  Zischlaute.  Das  litauische  bat  deren 
bekanntlich  vier,  s  und  z,  sz  und  z,  das  pomesanische  bie- 
tet anscheinend  nur  einen,  das  s,  woneben  blofs  vereinzelt 
seh  und  z  erscheint.  Gehen  wir  auch  hier  wieder  von 
der  deutschen  Orthographie  Holtzwäschers  aus,  so  ist  zu- 
nächst sicher,  dai's  er  seh  und  s  ganz  klar  auseinander- 
hält, denn  er  schreibt  sne  schnee,  swarte  köpf  haut,  slag 
schlag,  smyt  schmied,  arsbel  hinterbacke,  weil  er  noch  so 
sprach,  aber  schueb  schuh,  schere  scheere,  vysch  fisch, 
esche  esche.  Nach  r  erscheint  in  hircz  birsch  (d.  i.  hirz) 
auch  einmal  cz  für  s.  Nach  kurzen  vocalen  verdoppelt 
er  s  zu  ss,  seh  zu  ssch  oder  schz  in  derselben  weise,  wie 
er  überhaupt  die  gemination  anwandte  (cf.  87.),  so  in  nes- 
sel  nessel,  kessel  kessel,  schussel  Schüssel;  assche  asche, 
halpvischz  halbfisch,  schölle.  Dagegen  ist  ihm,  wie  er 
sich  schon  oben  in  bezug  auf  fortis  und  lenis  als  unzuver- 
lässig erwies,  der  unterschied  zwischen  hartem  und  wei- 
chem s  noch  gar  nicht  aufgegangen.  Für  beide  durchein- 
ander gebraucht  er  sein  s,  gelegentlich  auch  einmal  z.  So 
ist  s  geschrieben  für  den  scharfen  laut  in  vues  fufs,  hals 


448  Pauli 

hals,  weyse  waizen,  für  den  weichen  in  naselocb  nasloch, 
reise  heereszag,  ebenso  z  für  den  scharfen  in  ächze  acbse, 
ochze  ochse,  vochz  fuchs,  welz  weis,  för  den  weichen  in 
naze  nase,  bloze  blase,  meyze  meise,  senze  sense.  Ver- 
einzelt begegnet  sz  ftlr  scharfes  s  in  snszemilch  süfse  milch. 

104.  Daraus  folgt  nun  also,  dafe  wir  Holtzwäscher 
in  den  pomesanischen  Wörtern  wohl  in  bezog  auf  den  un- 
terschied von  seh  und  s  trauen  dürfen,  dafs  aber,  da  der 
unterschied  zwischen  hartem  und  weichem  Zischlaut  ihm 
noch  überhaupt  gar  nicht  aufgegangen  ist,  in  bezug  hier- 
auf seine  Schreibweise  für  uns  absolut  unmafsgebend  ist, 
dafs  vielmehr  der  richtige  laut  lediglich  aus  den  verwand- 
ten sprachen  zu  erweisen  ist.  Demnach  steht  scharfes 
s  in: 

sabatico  Sonnabend,  lit.  snbatä; 

sagis  schnalle,  lit.  sagtis ; 

sackis  harz,  lit.  sakai; 

saule  sonne,  lit.  saule; 

Semen  saat,  lit.  semü'; 

semeno  brach vogel,  lit.  semene  hänfling; 

siduko  durchschlag,  lit.  setas  sieb; 

sylecke  bäring,  lit.  silke; 

siraplis  silber,  lit.  sidabras; 

sosto  bank,  lit.  sostas  stuhl; 

suris  käse,  lit.  süris; 

slayx  regen  wurm,  lit.  slekas; 

slauke  grofse  Schnepfe,  lit.  slaukä; 

süwaytos  pflaumen,  lit  slyva; 

soaigis  schnee,  lit.  snegas; 

snoxtis  rotz,  lit.  snarglys; 

swestro  seh  wester,  lit.  sesu  ; 

swetau  weit,  lit.  svätas; 

sparis  sparren,  lit.  sparas; 

spenis  zitze,  lit.  spenys; 

stacle  stütze,  lit.  stakle  lilsstock; 

staldis  stall,  lit.  staldas; 

stalis  tisch,  lit.  stalas; 


preufßische  Studien.  449 

starkis  zander,  lit.  starkas; 

steege  scheune,  lit.  stegti  dach  decken; 

stibinis  schlittenbein ,  lit.  ste'bas  pfeiler  oder  stipi- 

nas  Speiche; 

sticio  trinkglas,  lit.  stiklas; 

stogis  dach,  lit.  stögas; 

stubo  stube,  lit.  stubä; 

asiÜ8  esel,  lit.  äsilas; 

ausins  ohr,  lit.  ausls; 

glossis  korb  weide,  lit.  glusnis  weide; 

lyso  ackerbeet,  lit.  Iys6  gartenbeet; 

muso  fliege,  lit.  muse  ; 

nozy  nase  t  ... 

'        ,  !•         «t.  nosi8  nase; 

nose-proly  nasenloch,  ) 

podsi  hälfte,  lit.  püse; 

woasis  esche,  lit.  ü'sis; 

ansis  haken,  lit.  38a  henkel; 

menso  fleisch,  lit.  mesä; 

wanso  flaumbart,  lit.  usai  schurbart; 

werwersis  lerche,  lit.  we  versus; 

gislo  ader,  lit.  gysla; 

creslan  lehn$tuhl,  lit.  kre'slas  ehrenstuhl; 

glosto  wetsstein,  lit.  glöstyti  streicheln; 

lasto  bett,  lit.  lastä  mastnest  der  gänse; 

mestan  Stadt,  lit.  mestas; 

pausto-  wild,  lit.  püstas. 
Liier  also  ist  überall  die  Schreibweise  s  beizubehalten,  resp. 
einzuführen,  ebenso  natürlich,   wo  der  zischlaut  auslautet, 
denn  in  dieser  lautlage  findet  sich  bloi's  scharfes  8. 

105.  In  folgenden  formen  dagegen  ist  die  Schreibweise 
z  gemäfs  dem  litauischen  einzuführen: 

brisgelan  zäum,  lit.  brizgelas; 

brusgis  peitsche,  lit.  brüzgas  baumstumpf; 

treste  drossel,  lit.  strazdas, 
also  lediglich  vor  einer  media,  denn  das  t  in  dem  letzten 
worte  ist  des  s  wegen  fälschlich  so  dargestellt. 

106.  Wenden  wir  uns  jetzt  zu  dem  lit.  sz,  so  finden 


450  Pauli 

wir  den  entsprechenden  laut  seh  in  unserm  vocabular  nur 
in  folgenden  formen: 

schumeno  draht,  \         .  .  .  . 

.  .  /  Jit.  siuti  nahen,  siuvikas  schnei- 

schutuan  zwirn,  )      ,         ,       .   '       ,    .  x 

.       ...        .    ,         .        (     der,  aber  lett.  schuht, 
schuwikis  Schuhmacher,  ) 

und  in 

schokis  gras. 
Wenn  letzteres  dem  lit.  szüka  heuhaufen,  dem  es  sich  ver- 
gleichen liefse,  wirklich  verwandt  ist,  so  wäre  dies  das 
einzige  beispiel,  dafs  lit.  sz  und  pomesanisches  seh  sich 
entsprächen,  denn  in  schumeno  (wie  Nesselmann  jedenfalls 
richtig  liest),  schutuan,  schuwikis  ist  seh  doch,  wie  im  let- 
tischen, jedenfalls  aus  sj  entstanden,  welches  die  wurzel 
siv,  sju  verlangt. 

107.  U$berall  sonst  antwortet  dem  lit.  sz  pomesani- 
sches 8,  und  da,  wie  wir  gesehn  haben,  Holtzwäscher  sonst 
8  und  seh  scharf  scheidet,  so  ist  anzunehmen,  dafs  hier 
wirklich  ein  lautunterschied  beider  sprachen  vorliegt,  inso- 
fern das  pomesanische  gleich  dem  lettischen  für  lit.  s  und 
sz  denselben  laut  des  einfachen  scharfen  8  hat.  Beispiele 
dafür  sind: 

sagnis  wurzel,  lit.  szaknis; 

salmis  heim,  lit.  szalmas; 

sarke  elster,  lit.  szarka; 

sarwis  waffen,  lit.  szarvai  (plur.); 

saxsto  baum8tamm,  lit.  szeksztas; 

seese  amsel,  lit.  szgze  (e?); 

silkas  seide,  lit.  szilkai  (plur.); 

sylo  heide,  lit.  szilas; 

sirines  lauge,  lit.  szarmas; 

sirsilis  hornifs,  lit.  szirszlys; 

sywan  grau,  lit.  szyvas  weifs; 

sunis  hund,  lit.  szü'; 

slayo  schütten,  lit.  szlajos; 

slaunis  Oberschenkel,  lit.  szlaunis; 

swibe  fink,  lit.  szube; 

abse  espe,  lit.  apusz6; 


r 


preufsische  Studien.  451 

aysmis  spiefs,  lit.  eszmas; 

assegis  barsch,  lit.  eszerys; 

a8sis  achse,  lit.  aszis; 

grosis  reif,  lit.  kruszä  hagel; 

juse  fleischbrühe,  lit.  jusze  sauerteigsuppe; 

crausy  birnbaum,  lit.  krauszis; 

crausios  birne,  lit.  kräusze; 

kiosi  becher,  lit.  kiaüszö  birascbale  (?); 

lasasso  lachs,  lit.  läsziszas; 

luysis  luchs,  lit.  lüszis; 

moazo  muhme,  lit.  mösza  Schwägerin; 

reisis  nufs,  lit.  reszutas ; 

brunse  plötze,  lit.  brünszis; 

pusne  Stiefel,  lit.  püsznis; 

wisnaytos  kirschen,  lit.  v^szna; 

aswinan  pferdemilcb,  lit.  äszva  stute; 

pleske  sieleDgeschirr,  lit.  pleszke  ; 

ploaste  bettlaken,  lit.  ploszte; 

esketres  stör,  lit.  erszke  tras; 
mit  contraction: 

prastian  ferkel  für  prasistian,  lit.  parszas; 
werstian  kalb  für  wersistian,  lit.  verszis. 
.108.  Das  schriftzeichen  s  tritt  nun  bei  Holtzwäscber 
consequent  auch  für  lit.  z  auf.  Da  wir  sahen,  dafs  er 
hartes  und  weiches  s  nicht  scheidet,  so  dürfen  wir  hier 
sicher  annehmen,  dafs  dies  dem  lit.  z  entsprechende  s  das 
weiche  und  demnach  mit  z  zu  schreiben  sei.  Die  ein- 
schläglichen formen  sind  folgende: 

saligan  grün,  lit.  zalias; 

same  erde,  lit.  zeme; 

sansy  gans,  lit.  z$sis; 

sari  glut,  lit.  zarija  glühende  kohle; 

semo  winter,  lit.  zgmä; 

sixdo  sand,   lit.  zö'gzdras  kies; 

sirgis  wallach,  lit.  zirgas  rofs; 

smoy  mann,  lit.  zmu; 

soalis  kräuticbt,  lit.  zol6'  kraut; 


452  Pauli 

asy  rain,   Ht.  e£e  ; 

assaran  landsee,  Ht.  ezeras; 

ausonis  eiche,  Ht.  äuzülas; 

geguse  kukuk,  Ht.  geguie'; 

moasis  gerate,  lit.  mezei; 

seese  amsel,  lit.  szeze  (doch  auch  szesze); 

wessis  spazierschlitten,  lit.  väzis; 

wosee  ziege,  lit.  ozys  bock; 

wosux  Ziegenbock,  Ht.  oziükas; 

gelso  eisen,  lit.  gelezis,  gelzis; 

berse  birke,  Ht.  ber£as; 

ratinsis  kette,  lit.  retezis; 

blusne  milz,  Ht.  bluzne. 
101).  Das  ergebnifs  ist  demnach  dieses:  das  pomesa- 
uische  hat,  abgesehen  von  vereinzeltem  seh,  nur  zwei  Zisch- 
laute, 8  und  z,  ersteren  gleich  lit.  8  und  sz,  letzteren  gleich 
lit.  z  und  z.  Hierdurch  scheidet  es  sich  bedeutend  vom 
litauischen  und  stellt  sich  entschieden  auf  seite  des  letti- 
schen, so  wie  auch  des  slawischen,  dessen  s  gleichfalls  = 
lit.  s  und  sz,  so  wie  z  =  Ht.  z  und  z  (cf.  die  lauttabelle 
Schleicher  comp.3  340).  Beide  laute,  s  und  z,  werden  im 
folgenden  auch  durch  diese  buchstaben  bezeichnet  werden. 

1 10,  Dem  entsprechend  dürfen  wir  nun  fiir  die  grup- 
pen,  guttural  +  zischlaut,  deren  das  litauische  vier  bietet, 
pom$sanisch  nur  zwei  erwarten,  nämlich  ks  für  lit.  ks  und 
ksz,  sowie  gz  für  lit.  gz  und  gz.  Holtzwäscher  scheidet 
in  seiner  Orthographie  natürlich  ks  so  wenig  von  gz,  wie 
8  von  z,  sondern  schreibt  durchweg  x,  bisweilen  ks.  Die 
verwandten  sprachen  bieten  aber  auch  hier  das  mittel  der 
Scheidung.     Es  ist  demnach  ks  zu  schreiben  in: 

inxcze  niere,  lit.  inkstas; 

saxsto  bäum  stumpf,  lit.  szeksztas; 
dagegen  gz  in: 

krixtieno  erdschwalbe,  lit.  kregzde  schwalbe; 

sixto  sand,  lit.  ze  gzdras. 
In  diesen   letzten  beiden  formen  hat  die  unempfindlichkeit 
Holtzwäschers  gegen  fortis  und  lenis  sich  auf  das  folgende 


preufsische  Studien.  453 

d  übertragen,  welches  er  hier  als  t  schreibt  (cf.  oben  auch 
siduko  89  und  treste  105). 

111.  Im  litauischen  wechseln  die  x-  laute  häufig  mit 
den  blofsen  Zischlauten  und  die  gutturalen  schwinden.  So 
steht  neben  plöksztas  eine  hand  voll  die  form  plösztas, 
neben  zegzdras  sand  ze  zdras,  neben  zvaigzde  stern  zvaizd&. 
So  hat  nun  das  pomesanische  mehrfach  x-  laute  neben  lit. 
s-lauten.     Der  fall  zeigt  sich  in: 

klexto  kehrwisch,  lit.  klastyklä  besen; 

au-klextes  oberkehricht,  lit.  nu-klastos; 

kexti  zopf  haar,  lit.  kasä  zopf ; 

plinxne  platze  (gebäck),  lit.  plyskas  fladen; 
wo  ks,  und  in: 

laxde  haselstrauch,  lit.  lazdfc, 
wo  gz  zu  schreiben  ist,  wie  auch  die  lettische  form  lagsda 
neben  lasda  sich  findet. 

112.  Der  Wechsel  zwischen  x  und  s  ist  aber  auch 
dem  pomesanischen  nicht  fremd.  Es  steht  im  vocabular 
lanxto  fenster  neben  perst-lanstan  fensterlade.  Jedenfalls 
beweist  das,  dafs  auch  im  pomesanischen  der  guttural  von 
dem  zischlaut  übertönt  wird  und  demnach  auch  wohl  schwin- 
den kann.  Es  darf  daher  auch  nicht  befremden,  wenn 
sich  pom.  8  neben  lit.  x  findet,  wie  in : 

ausis  gold,  lit.  qnksas;    - 
instixs  daumen,  lit.  nyksztis; 
riste  ruthe,  lit.  rykszte, 
wo  überall  scharfes  s  vorliegt. 

113.  Bisweilen  auch  haben  das  pomesanische  und  li- 
tauische den  gutturalen  beide  getilgt,  und  nur  das  letti- 
sche weist  ihn  nach;   so  in: 

pirsten  finger,  lit.  plrsztas,  lett.  pirksts; 

plasmeno  fufsrist,    lit.  plasztaka   handfläche,    lett. 

pleksne  rist, 
wo  das  s  gleichfalls  als  scharf,   und  in: 

listis  lager,  lit.  lizdas  nest,  lett.  ligsda, 
wo  es  als  weich  erwiesen  wird. 

114.  Bei  letzterem  worte  sei  es  mir  verstattet,  einen 


454  Pauli 

etymologischen  gewinn  zu  constatiren.  Durch  die  lettische 
form  wird  die  gewöhnliche  etymologie  von  lit.  llzdas,  die 
es,  mit  angeblichem  Wechsel  von  1  und  n,  zu  deutschem 
nöst  und  seinen  verwandten  stellt,  als  unhaltbar  darge- 
than;  das  wort  gehört  vielmehr  zu  griech.  Ae£0£9  lat.  lectica, 
got.  ligan. 

1 1 5.     In : 

lanxto  fenster,  lit.  langas; 

snoxtis  rotz,  lit.  snarglys; 

soanxti  funke,  lit.  zväke  kerze 
kann  erst  durch  Untersuchung  der  suffixe  festgestellt  wer- 
den, ob  ks  oder  gz  vorliege,  dagegen  ist  in: 

plauxdine  federbett,  lit.  plauzdine  bett 
wohl  ks  zu  schreiben,  denn  lit.  plünksna  feder  hat  diesen 
laut,  und  da  das  litauische  auch  sonst  (cf.  Kurschat  lit. 
wb.  I,  XVIII  über  mfcsdinu)  harte  Zischlaute  vor  d  duldet, 
so  darf  man  das  auch  wohl  für  das  pomesanische  voraus- 
setzen, obwohl  das  lit.  plauzdine  erweichende  assimilation 
zeigt.  In  lauksnos  gestirne  ist  das  harte  ks  nicht  zwei- 
felhaft. 

115.  In  wenigen  formen  findet  sich  bei  Holtzwäscher 
ein  cz.  Im  deutschen  theile  bezeichnet  er  damit  unser 
jetziges  z,  geminirt  czcz  =  tz,  einmal  auch  unser  sz  nach 
liquida  in  hircz  hirsch.  Ebenso  gebraucht  er  es  in  pome- 
sanischen  Wörtern.  Wenn  wir  absehen  von  czilix  zeisig, 
welches  mir  neben  lit.  z^le  meise  dunkel  bleibt,  so  be- 
zeichnet cz  einfach  scharfes  s  nach  der  liquida  in: 

eulezi  hüfte,  lit.  külszis; 
unser  z  dagegen  ist  es  in:  karezemo  krug  und  stukamec- 
czeris  Stechmesser,  beide  entlehnt,  ersteres  dem  poln.  kar- 
czma,  letzteres  dem  deutschen.  Auf  den  ersten  blick  kann 
es  befremden,  dafs  ich  neben  poln.  karezma,  lit.  karezamä, 
wo  cz  beidemal  =  tsch,  für  pom.  karezemo  es  gleich  ts 
setze.  Allein  das  verhältnifs  ist  kein  anderes,  als  wenn 
pom.  sirsilis  neben  lit.  szirsztys  steht,  denn  pom.  ts  :  lit. 
tsch  =  pom.  s  :  lit.  seh.  Aufserdera  schreibt  Holtzwäscher 
auch  im  deutschen  kretzem,  wo  über  den  laut  gar  kein 
zweifei  sein  kann. 


preufsische  Studien.  455 

116.  Der  gewichtigste  grund  aber  für  pom.  cz  =  ts 
liegt  darin,  dafs  die  lautgruppen  ts  und  dz  (lit.  cz,  dz) 
sich  überhaupt  im  pomesanischen  nicht  finden.  Sie  ent- 
stehen im  litauischen  ja  meist  aus  ti,  resp.  di.  Hier  aber 
tritt  wieder  das  pomesanische  völlig  auf  seite  des  zemai- 
tischen,  welches  bekanntlich  das  ti,  di  rein  bewahrt.  Glück- 
licherweise bietet  uns  das  vocabular  je  ein  beispiel  für 
jeden  fall;  denn 

plauti  lunge,  lit.  plaüczei; 

medione  jagd,  lit.  medzöne 
beweisen  unumstöfslich  den  zemai  tischen  character  des  po- 
mesanischen in  dieser  beziehung. 

117.  Nicht  so  rein  bewahrt  es  sich  in  bezug  auf  jene, 
wenn  ich  so  sagen  soll,  spontane  Wandlung  des  d  in  zd 
und  weiter  in  z  (Schleicher  comp.3  322).  Zwar  hat  es 
reines  d  in: 

bordus  bart,  lit.  barzdä; 
daneben   aber  findet  sich  auch  gerade  umgekehrt  s,    d.  i. 
hier  z,  neben  lit.  d  in: 

gloeano  blindschleiche,  lit.  glodenä. 

118.  Wenden  wir  uns  nun  zu  den  halbvocalen 
(liquiden),  so  zeigt  sich  uns  hier  zuerst  ein  gewisses 
schwanken  in  der  Stellung  derselben  oder  es  finden  sich, 
nach  gewöhnlicher  ausdrucksweise,  mehrfache  metathesen. 
So  bietet  das  vocabular  die  schon  von  Neeselmann  p.  7 
hervorgehobenen  formen: 

®  ,    .  .  ,    i  lit.  galvä  köpf; 

pec-galwis  genick, ; 

kragis  heer,  )  ...    ,  ,  .      ,   . 

.     B        ,    '      .  .    >  lit.  karias  kneg; 
karyago  heerfahrt, )  ° 

prastian  ferkel,  lit.  pärszas  seh  wein ; 

grabis  berg,  sonst  -garbs  (in  Ortsnamen); 

nage-pri8ti8  zeh,  j  Ht  g 

pirsten  finger,       ) 
Da  auch  dem   litauischen  solche  metathesen   nicht  fremd 
sind ,  wie  z.  b.  in  tramyna  termin,  so  müssen  wir  hier  im 
vocabular  wohl  wirklich  gleichberechtigte  nebenformen  an- 


456  Pauli 

erkennen,  die  mit  dem  halbvocal  vor  dem  vocal  hervor- 
gegangen aus  einer  slawisirenden  neigung,  wie  sie  sich 
auch  in  der  Vermischung  des  s  mit  sz  und  des  z  mit  z 
zeigte. 

119.  Während  in: 

werwirsis  lerche,  lit.  vevers^s 
die  rednplicationssilbe   im   pomesanischen   das  r    bewahrt 
hat,    vermifst   man   es   einige  male,    wo  es  im  litauischen 
steht.     So  schreibt  Holtzwäscher: 

snoxtis  rotz,  lit.  snarglys; 

esketres  stör,  lit.  erszkä'tras; 

geey6e  reiher,  lit.  gerszä; 

sixto  sand,  lit.  zö'gzdras; 

wobsdus  dachs,  lit.  obszrüs. 
Ich  glaube,  dafs  hier  Holtzwäscher  das  r  überhört  hat, 
welches  vor  und  nach  den  Zischlauten  vielleicht  unvollkom- 
men gebildet  wurde.  Demnach  scheint  es  doch  besser  ge- 
schrieben zu  werden.  Man  könnte  geeyse  auch  mit  lit. 
gensze  vergleichen  wollen.  Da  aber  sonst  im  vocabular 
gerade  n  vor  s  stets  bewahrt  ist  (96.)?  so  erscheint  es  bes- 
ser, die  form  gerszg  zu  gründe  zu  legen.  Für  wobsdus 
neben  obszrüs  ist  wohl  als  grundform  des  Suffixes  -drus 
anzusetzen,  so  dafs  das  litauische  das  d  verloren  hätte. 

120.  Zwischen  vocalen  scheint  das  pomesanische  r  den 
laut  des  r  gutturale  oder  uvulare  (Brücke  physiologie  der 
sprachlaute  49)  gehabt  zu  haben.  Ich  schliefse  dies  aus 
der  Schreibweise  Holtz Wäschers,  der  in  folgenden  Wörtern 
rg  oder  g  schreibt,  wo  die  verwandten  formen  r  haben: 

angurgis  aal,  lit.  ungurys; 

wargien  kupfer,  lit.  värias; 

assegis  barsch,  lit.  eszerjfa. 
Neben  wargien  steht  im  vocabular  selbst  warene  messing- 
kessel.  Doch  könnte  man  auch  das  g  zum  folgenden  i 
ziehn  und  gi  als  bezeichnung  des  mittellautes  zwischen  i 
und  j  ansehn,  der  oben  (91.)  schon  durch  g  (ig)  sich  be- 
zeichnet fand.     Zu  schreiben  ist  jedenfalls  blofses  r. 

121.  Auffällig  ist  auch  das  lg  neben  lit.  1  in: 


preuf8isch6  Stadien.  457 

balgnan  sattel,  lit.  bälnas; 

balgninix  Sattler,  lit.  balninlnkas. 
Ist  hier  im  litauischen  g  ausgefallen,  oder  bezeichnet  lg 
das  früher  auch  im  litauischen  vorkommende  1  (Kurschat 
lit.  wb.  I,  XV)?  Sollte  letzteres  der  fall  sein,  dann  möchte 
ich  in  dem  li  von: 

arelie  adler,  lit.  erälis 
das  palatale  1  ==  1  — | —  j  (Schleicher  comp.2  305)  suchen, 
obwohl  man  arelie  auch  als  arelia  deuten  könnte  nach  der 
uncontrahirten  ia-declination,  wovon  später. 

122.  In: 

luriay  meer,  lit.  jiires; 

lagno  leber,  lett.  aknis 
könnte  prothetisches  1  vorliegen,    wie  in  lit.  lezüvis  neben 
pom.  insuwis,  sl.  j^zykü,   doch  möchte  ich  auch  die  mög- 
lichkeit  eines  Schreibfehlers  für  iuriay,  iagno  (cf.  iuse)  nicht 
ganz  von  der  hand  weisen. 

123.  Auch  im  gebiete  des  consonantismus  fanden  wir 
also  mehrere  punkte,  die  nicht  blofs  falscher  auffassung  von 
Seiten  Holtzwäschers  zuzuschreiben  waren,  was  allerdings 
auch  oft  genug  vorkam,  sondern  die  wirklich  abweichende 
lautgestaltungen  des  pomesanischen  erwiesen.  Es  waren 
vornehmlich  folgende: 

1)  das  pomesanische  zeigt  sich  altertümlicher  als  das 
litauische  in  der  bewahrung  des  n  vor  s  und  t; 

2)  neigung  zum  zemaitischen  läfst  sich  auch  bei  den 
consonanten  beachten:  ti  und  di  bleibt  bewahrt  und 
wird  nicht  in  cz,  dz  gewandelt; 

3)  der  Vorschlag  von  v  vor  dumpfen  vocalen  ist  slawi- 
sirend,  zeigte  sich  aber  auch  in  einzelnen  litauischen 
mundarten; 

4)  auch  die  metathesen  des  r  und  1  sind  slawischer  na- 
tur,  obgleich  dem  litauischen  nicht  völlig  fremd; 

5)  der  wichtigste  und  wesentlichste  unterschied  des  po- 
mesanischen vom*  litauischen  beider  mundarten  ist  die 
behandlung  der  Zischlaute,  indem  es  hier  s  für  s  und 

Beitrage  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4.  30 


458  Pauli,  preufeische  Studien. 

sz,   z  für  z  und  z  gemeinschaftlich  hat,    wodurch  es 
völlig  auf  seite  des  lettischen  und  slawischen  tritt. 

124.  Das  oben  aus  der  betrachtung  der  vocale  gefun- 
dene accentgesetz,  wonach  das  pomesanische,  gleich  dem 
zemaitischen,  die  Wurzelsilbe  betont,  fand  durch  die  be- 
trachtung der  consonanten,  vornehmlich  der  von  Holtz- 
wäscher  geminirt  geschriebenen,  seine  volle  bestätigung; 
es  fand  aber  gleichzeitig  noch  eine  erweiterung  dahin,  dafs 
diese  betonung  die  vocale  der  Stammsilbe  in  bestimmt 
nachweisbaren  fällen  nicht  gedehnt  hat,  wodurch  wieder 
das  pomesanische  auf  seite  des  zemaitischen  tritt. 

125.  Als  schlufsresultat,  die  Stellung  des  pomesani- 
schen  zu  den  verwandten  sprachen  betreffend,  ergiebt  sich 
somit:  das  pomesanische  ist  dem  zemaitischen  in  manchen 
punkten  des  vocal-,  so  wie  des  consonantensystems,  na- 
mentlich auch  in  der  betonung,  näher  verwandt  als  dem 
hochlitauischen ;  es  überragt  aber  beide  mundarten  in  man- 
chen punkten  an  alterthümlichkeit  und  nimmt  in  bezug  auf 
die  Zischlaute  eine  so  singulare,  dem  lettischen  und  slawi- 
schen zuneigende  Stellung  ein,  dafs  es  keinesfalls  als  blofse 
litauische  mundart  angesehen  werden  kann  (cf.  nämlich 
Schleicher  lit.  spr.  I,  2). 


Die  folgende  abhandlung  wird  sich  mit  der  wortbil- 
dungs-  und  flexionslehre  des  pomesanischen  beschäftigen 
und,  wie  die  vorliegende,  die  unkritischen  Schreibungen 
Holtzwäschers  durch  gewinnen  allgemeiner  gesichtspunkte 
zu  normiren  und  zu  regeln  suchen.  Auch  sie  wird  sich, 
gleich  dieser,  zunächst  auf  das  von  Nesselmann  gebotene 
material,  d.  h.  die  nächstverwandten  sprachen,  beschränken. 
Was  dann  noch  als  rückstand  in  der  retorte  geblieben  ist, 
wird  in  einer  dritten  einer  schärferen  etymologischen  be- 
handlung  unterworfen  werden,  woran  sich  zum  schlufs  die 
Zusammenstellung  der  erschlossenen  formen  in  Schleicher- 
scher   Orthographie  schliefsen   soll.     Die  weitere  betrach- 


Stokes,  das  altirische  verbum.  459 

tung  der  accentlehre,   namentlich  in  bezug  auf  die  Unter- 
scheidung   zwischen    gestoßenem   und  geschliffenem  tone, 
mufs  vor  der  hand  bis    zur  Vollendung   des  Wörterbuchs 
von  Kurschat  verspart  bleiben. 
Münden,  9.  october  1869.  Dr.  Carl  Pauli. 


Das  altirische  verbum. 

Seit  ich  meinen  aufsatz  in  den  beitr.  z.  vergl.  spracht 
III,  47  geschrieben,  habe  ich  alle  verbalen  formen  in  dem 
Feiire  von  Oengus  und  in  den  zwei  bruchstücken  des 
Amra  Choluimchille,  die  in  dem  Lebar  na  huidre 
enthalten  sind,  gesammelt.  Desgleichen  habe  ich  die  seltne- 
ren formen  in  den  Goidilica,  in  dem  Tripartite  Life  of 
Patrick  (Egerton  93,  Mus.  Brit.  u.  Rawl.  505,  Mus.  BodL),  in 
dem  Seirglige  Conculainn  (herausg.  von  O'Curry  in 
der  Atlantis,  auä  dem  Lebar  na  huidre),  dem  Fis  Adamn&in, 
dem  Sc£la  na  eserge  und  anderen  stücken  in  demselben  ms. 
pp.  15 — 42,  Cormac's  Glossar,  Codex  B.,  O'Clery's  Glossar 
(Louvain  1643),  O'Davoren's  Glossar,  dem  Sen'fehas  Mar, 
Dublin  1865  u.s.w.  gesammelt.  Neuerdings  habe  ich  noch 
den  vortheil  gehabt,  die  55  Seiten  über  das  irische  verbum  in 
dem  ersten  theile  von  EbePs  trefflicher  ausgäbe  der  Gram* 
matica  celtica  lesen  zu  können;  und  nun  soll  meine  aufgäbe 
eine  doppelte  sein,  erstlich,  so  weit  es  mir  möglich,  die  for- 
men nachzutragen,  welche  weder  Zeufs  noch  Ebel  gefunden, 
und  zweitens  mit  geziemender  bescheidenheit  gewisse 
punkte  festzustellen,  über  welche  ich  mit  dem  letztgenann- 
ten gelehrten  nicht  einer  meinung  sein  kann.  Unser  streit 
wird,  so  hoffe  ich,  durch  Schleicher 1 )  in  der  dritten  aus- 


1)  Dieser  abschnitt  war  geschrieben,  bevor  ich  von  dem  schweren  Ver- 
lust gehört  hatte,  den  die  vergl.  Sprachforschung  durch  Schleichers  tod  er- 
litten hat.  Studirende  des  celtischen  sind  dem  gelehrten  zu  grofsem  danke 
verpflichtet,  der  das  altirische  zuerst  als  eine  der  acht  hauptsächlichsten 
indogermanischen  sprachen  behandelte. 

30* 


460  Stokes 

gäbe  seines  Compendiuma  entschieden  werden,  oder  durch 
Lettner,  dem  ich  diesen  aufsatz  freundschaftlichst  zueigne, 
oder  durch  Nigra,  für  dessen  vortreffliche  ausgäbe  der 
Turiner  glossen  ich  zeugnifs  ablegen  will,  oder  durch 
Ascoli,  von  dem  wir  einen  vollständigen  abdruck  der  alt- 
irischen glossen  zu  Mailand  erwarten  dürfen. 

§.  1.     Das  praesens  indicativ  activ. 

Zuerst  mufs  ich  meine  genugthuung  darüber  ausspre- 
chen, dafs,  wie  ioh  finde,  Ebel  in  Übereinstimmung  mit 
mir  (beitrage  III,  47)  im  indicativ  drei  classen  anerkennt, 
die  ä-,  die  ä-  und  die  ia-stämme,  welche  beziehentlich  mit 
der  dritten,  ersten  und  vierten  conjugation  des  lateinischen 
zu  vergleichen  sind.  Wir  stimmen  ferner  darin  überein, 
dafs  wir  eine  besondere  classe  in  gnfu  „facio*,  -ciu  „vi- 
deoa  und  ihren  zehn  oder  zwölf  compositen  nicht  aner- 
kennen. Aber  was  gnin  betrifft,  so  ist  es  nicht  wahr- 
scheinlich ,  dafs  viele  Sprachforscher  Ebels  theorie  * )  an- 
nehmen werden,  es  sei  nur  eine  abart  der  ersten  oder 
ä-reihe,  die  mit  der  ia-reihe  in  der  vocalischen  declination 
zu  vergleichen  sei.  Dies  erklärt  die  länge  des  i  nicht. 
Mir  scheint,  daft,  wie  in  dem  ähnlich  flectirten  verbum 
-ciu  (aus  *ceiu,  *cesiö),  ein  wurzelhaftes  s  zwischen  vo- 
ealen  verloren  gegangen  ist3),  so  in  gniu  (aus  *gneiu,  *ge- 
nes*6)  wir  ein    denomin&tivmn  haben   vom   s-  stamm  gn£ 


3)  Ebel  selbst  scheint  dieser  theorie  nicht  ganz  gewifs  zu  sein,  denn 
Z.  *  p.  428  —  433  behandelt  er  gnfu  als  zur  ersten  oder  a -reihe  gehörig: 
ab«r  pw  462  behandelt  er  das  praeteutnm.  dorigai  als  an  der  dritten  oder 
ia-reihe  gehörig;  und  in  den  berichtigungen  zu  Schleichers  Comp.  2.  aufl. 
p.  356  fuhrt  er  gniu  als  ein  beispiel  von  Lottaers  3 -classe  (beitr.  II,  324) 
an,  deren  Vorhandensein  im  cekischen  nicht  festgestellt  ist. 

3)  Dies  s  ist  erhalten  in  imCASti  (con&Uerandus)  iroCAISsiu  (gl. 
speeimen),  remCAISsiu  (Providentia),  fresCSiu  (spes),  nephfresCAStn  (gl. 
hwperata,  motte)  Ml.  56  d.  foirCSiu  „rooktog-on",  1  SM.  288,  dteiCSru  (visio), 
a  comCISnib  („firom  inspections"),  O'Davoren  40,  adCHESs  (visus  est): 
ranic  fath  nad  adaig  acCEStar  . i.  aicither  (»er  kam  zu  einem  land,  worin 
nacht  nicht  gesehen  wird"),  Amra  Chol,  (vielleicht  ein  8 -futurum),  cais  .ij. 
suü  „oculus",  O'Cl.  61.  Wenn  wir  den  gewöhnlichen  wandel  von  p  zu  c 
und  Verlust  von  anlautendem  s  annehmen,  so  würde  das  ir.  -cfu  ss  lat. 
spero  aus  +speso  sein,   wie  gnfu  =  genero  aus  *geneso  ist. 


das  altirische  verbum. 


461 


=  *gene8  (skr.  ganas)  wie  latein.  genero  (aus  *geneso), 
aly(ea)ea)  etc.  Das  -iu  würde  so  ein  älteres  -eiu  aus 
-e(s)iö  darstellen,  und  die  verba  gniu  und  -ciu  müßten 
zur  dritten  oder  ia-reihe  gerechnet  werden.  Die  paradig- 
men  der  drei  classen  im  praesens  indic.  act.  würden  dann 
folgendermafsen  beschaffen  sein: 

Alte  (oder  „subjoined")  form, 

1)  &- stamm:  2)  ä- stamm: 

Sg.   1.  biru,  biur  [„feroa] 


2.  -bir 

3.  -beir,  -ber 
PL   1.  -beram 

2.  -berith  (-id) 

3.  -berat 

3)  ia- stamm-. 

Sg.  i.  •ailiu  [„oro") 

2.  -aili 

3.  -aili 
PL    1.  -ailem 

2.  -ailith  (-id) 

3.  -ailet 


caru  [„amo"] 
-cari  (-ai) 
-cara 
-caram 
-carith  (-id) 
-carat 

gniu  [„facio"] 

-gni 

-gni 

-gniam 

-gniith  (-id) 

-gniat 


Spätere  (oder  „absolute")  form: 

1)  a-8tamm:  2)  ä- stamm: 

Sg.  1.  berimm 

2.  beri 

3.  berith  (-id) 
rel.  beres 

PL    1.  bermme,  bermmit 

2.  berthi 

3.  berit 
rel.  berte 

3)  ia- stamm: 

Sg.  1.  ailimm  gniimm 

2.  aili  gni 

.         3.  ailith  (-id)  gniith  (-id) 

rel.  ailes  gnis 


carimm  (-aimm) 
cari  (-ai) 

carith  (-id,  -aid) 

caras 

carmme,  carmmait 

carthi 

carit  (-ait) 

carate 


462  Stokea 

PI.   1.  ailmme,  äilmmit  gnimme,  gnimmit 

2.  äilti  gnithi 

3.  äilit  gniit 
rel.  äilte  gnite. 

Die  alte  oder  kürzere  form,  welche  Zeufs  „brevior, 
constructa  vel  negativa"  nannte,  nennt  Ebel  „forma  sub- 
junctau  und  sagt  „brevior  forma...  semper  est  subjuncta 
vel  praepositionibus  vel  particulis  quibusdam  ut  verbalibus 
no,  ro,  negativis  ni,  nä(näd,  nach),  interrogativae  iYi. 
Wahr  ist  es,  dafs  in  den  ältesten  Schriften  nach  praepo- 
sitionen  oder  den  genannten  partikeln  im  plural  und  in 
der  2.  und  3.  person  des  Singulars  die  kürzere  form  immer 
gefunden  wird.  (Der  grund  ist  vermuthlich,  im  falle  der 
Zusammensetzung  der  verba  mit  praepositionen ,  dafs  die 
pronominalen  anfügungen,  die  sich  in  der  späteren  form 
finden,  worte  von  einer  unbequemen  länge  ergeben  hätten, 
und  im  andern  falle,  wo  den  verbis  die  bezeichneten  par- 
tikeln vorangehen,  dafs  man  der  emphatischen  bezeichnung 
der  person  meist  wenig  bedürftig  war).  Aber  es  ist  ebenso 
wahr,  dafs  sich  die  kürzere  form  in  der  1.  pers.  sing,  fin- 
det, ohne  dafs  sie  mit  irgend  einer  praeposition  zusammen- 
gesetzt, ohne  dafs  ihr  irgend  eine  partikel  vorgesetzt  wäre. 
So:  —  aco  .i.  nego,  unde  ac,  H.  3.  18.  p.  80,  col.  1. 
tiagu,  tiagu-ssa  (=  otsixcü):  frisgart  olldom  in  bre- 
them  birusa  for  firu  .  .  („answered  O.  the  brehon.  „„I 
adjudge  on  men  etc.*")  Rawl.  505,  p.  252  col.  2.  beru 
(ms.  bera)4)  ord  n-aire  .i.  brethemnaighimsi  ordughudh 
na  hesgaine  („I  adjudge  the  ordering  of  the  curse") 
O'Dav.  49:  arco  fuin  dorn  dia  (»ich  erflehe  tod  von  mei- 
nem gott")  Cormac:  arco  fuin  dorn  rig  (»ich  erflehe  tod 
von  meinem  könig")  Lebar  na  huidre,  77:  ised  inso  rogab 
patricc  forsin  cailech  gaibiu  anfis  ibiu  anfis  frisia  üathib 

4)  O'Davoren  hat  so  fälschlich  ni  aera  (leg.  aeru)  aen  cach  („ich  ver- 
spotte niemand")  47,  tisca  (leg.  tiscu)  bri  ban  finn  („ich  beginne  die  worte 
von  chönen  frauen")  57.  So  vielleicht  O'Curry,  Longes  mac  nüisnig  445 
n.  tong  atong  (leg.  tongu  tong?)  „ich  schwöre  einen  eid«:  cf.  tongu-sa  Inga 
„ich  schwöre  einen  eid"  (woher  intf  dodfongad  „is  qui  id  jurabat a 
Ml.  36b)  O'Don.  supp.  s.  v,  tongaim. 


das  altiriflche  verbum.  465 

ibiu  lithn  in  christo  ibu.  amen.  .i.  ciabeith  afis  ocund 
cencofil  ibthar  inanmum  fsu  crist  („dies  ist,  was  P.  wie- 
derholte über  dem  (vergifteten)  kelche:  „Ich  nehme  in 
Unwissenheit,  ich  werde  trinken  in  Unwissenheit,  was  davon 
kommen  (?)  wird"  6).  Ich  werde  trinken  weine6)  in  Christo 
etc.  i.  e.  „ob  die  kenntnifs  davon  uns  beiwohne  (oder)  ob 
nicht,  es  soll  getrunken  werden  in  Jesu  Christi  namen")Trip. 
Life  of  Patrick,  B.  163. b.  guidiu  itge  doib  („Ich  bete 
ein  gebet  an  sie"),  Feiire  Oenguso,  prol.  17.  guidiu  itche 
naile  („Ich  bete  ein  anderes  gebet"),  ibid.  epil.  413: 
ailiu  duil(e)am  duilib  dligthechuib  (»Ich  flehe  den 
herrn  an  mit  schuldigen  erklärungen" )  O'Dav.  75:  ailiu 
dia  dirged  mo  set  (»ich  flehe  gott  an:  lafs  ihn  meinen 
pfad  lenken"),  1  Senchas  Mär  10:  aile  (Mac  F.  ailiu) 
laith  ,i.  guidhimsi  in  laith  (»ich  frage  nach  dem  bier" 
O'Dav.  104,  meild:  biuu-sa  oc  irb&ig  darfarcennsi 
(gl-  glorior  de  vobis)  Z.  419.  Es  scheint  also  nach  dem 
irischen  selbst,  dafs  in  den  ä-verben  und  in  den  abge- 
leiteten verben  auf  ä  und  ia  (aus  aia)  diese  form  auf 
-u  die  älteste  ist;  und  dieser  schlufs  wird  durch  die  ana- 
logie  des  griechischen  und  des  althochdeutschen  (Schlei- 
cher Comp.  665.  666)  unterstützt. 

Die  durch  die  1.  sing,  verursachte  infection  (asmbiur  firit 
„quod  dico  tibi"  Z.a  182,   ni  ta  chumme-se  friusom  „non 

* )  üathib:  cf.  uadaib  („ab  eo")  1  Senchas  Mar  94:  corotoirci  aen  dib 
uaidib  („so  dafs  eine  von  ihnen  schwanger  wurde  durch  ihn"),  Book  of 
Ballimote  citirt  von  O'Curry,  Children  of  Tuireann  p.  336.  Siehe  ferner 
Beitr.  V,  832  und  vergleiche  das  dem  verbum  bad  suffigirte.ib  in  dem  fol- 
genden auszug  aus  dem  Amra  Choluimchille:  coich  boi  coich  bfa  beo 
badib  amradair  ariathaib  irdocht  irthuaith  („wer  ist  gewesen,  wer  wird  sein 
am  leben,  der  wäre  mehr  als  er,  bad-ib,  bewunderungswerth  in  den  län- 
dern,  welche  er  lehrte  im  nordwejten?").  Der  commentator  erklärt  hier 
badib  amradair  durch  bad  chomuasal  fris  („wer  wäre  gleich  edel 
wie  er"),  aber  amradair  ist  offenbar  ein  comparativ  auf  -tara,  -t^o? 
(pos.  amre  „  bewunderungswürdig "  Z.  864).  Diese  comparative  regierten 
den  accusativ:  cf.  it  luathidir  gaith  n-erraig  („sie  sind  schneller  als  ein 
frtthlingswind" )  Seirg.  Conc.  binnithir  ilcherflu  indomain  („süTser  als  die  vie- 
len melodien  der  weit41)  Fis  Adamnam.  So  zuweilen  die  u- comparative: 
trommu  cach  n-osnaid  (,  schwerer  als  jeglicher  Seufzer")  Lebar  na  huidre 
p.  29.  b. 

')  Eine  reine  vermuthung.  Zn  vergl.  vielleicht  goth.  leithus  „wein, 
eider**,  lit.  lytus  „regen". 


464  StokM 

sum  aequalis  eis*  Z.  610.  nida  chomsech  mu  soire  „ich  habe 
keine  gewalt,  non  sum  potens,  über  meine  f reiheit " ,  Trip, 
Life  Eg.  17.  b.  2),  die  2.  pL  (dioiprid  cbach  „fraudatis  quem- 
vis"  Z.  856)  und  die  3.  pl.  (conosciget  chenel  „commutant 
genus"  Z.  856.  fodälet  chenel  „distinguunt  genus",  ni  fodlat 
chenel  „non  d.  g.tt  Z.*  182:  nad  toirndet  fholad  „non  de- 
finiunt  sensum".  togltiaset  chombairt  „movent  foetum"  Bern. 
31b.  ataat  chetnaidi  „sunt  priores"  Z.2  182:  it  chethir 
chet  „sunt  400")  zeigen,  daüs  die  eben  mit  beispielen  be- 
legten personen  jede  auf  einen  vokal  geendet  haben  müs- 
sen 7 ). 

Auf  der  andern  seite  weist  das  fehlen  der  infection 
in  der  2.  ps.  sg.  (annon  geiss  cäch  „cum  obsecras  quemvis) 
und  in  der  1.  pers.  pl.  (ni  taibrem  seirc  „non  damus  amo- 
remtt,  focertam  fial  „ponimus  velum",  dogniam  cechtarde 
„faeimus  utrumque")  deutlich  auf  eine  alte  consonantische 
endung  hin,  welche,  wie  im  lateinischen,  s  gewesen  sein 
mufs,  da  sich  in  höre  doninfedam  etargne  (quia  inspiramus 
cognitionem)  ein  transportirtes  n  nicht  findet.  So  zeigt 
das  fehlen  von  infection6)  in  der  3.  sing,  (ni  ib  finn  „non 
bibit  vinum",  fodera  failti  „efficit  gaudium",  brata  set  „he 
takes  a  treasure",  O'Dav.  59,  dogni  colnidi  „facit  carna- 
lestf,  immefolngi  sonartai  „quod  efficit  firmitatem",  is  follus 
„est  darum",  is  cenn  „est  caput",  nita  cumacc  „non  est 
potentia"),  dafs  diese  person  auch  auf  einen  consonanten 
endete,  welcher  natürlich  t  war  und  in  dem  deponentialen 
und  passivischen  -thar,  -thir  9 )  erhalten  ist. 

Demnach  dürfen  wir  mit  einiger  Zuversicht  das  alt- 
celtische  praesens  ind.  act.  so  herstellen: 

7)  Aach  im  lateinischen  haben  wir  tremonti. 

*)  Ausgenommen  offenbar  bei  dem  defectiven  verbum  fil:  nifil  chum- 
tubairt  (non  est  dubium),  ni  fail  chnmscagud  (non  est  commutatio).  Aber 
hier  haben  wir  wahrscheinlich  eine  praeterito-praesentische  form ,  wie  fitir 
(fid-f-  dir),  griech.  otda  etc.,  wo  die  3.  sing,  aar  einen  vokal  ausging. 

•)  Eine  spur  dieses  schliefsenden  t  findet  sich  auch  in  formen  wie  fri- 
stinfet  (exsufflat,  fris-tin-feth-t:  cf.  tinfedam  „ inspiramus41),  fordin- 
det  (denunciat,  for-do-in-ded-t,  cf.  aisn-dedat  gl.  conserunt  verba 
i.  e.  narrant,  Z.  998).  Eine  andere  spur  von  diesem  t  findet  sich  in  den  re- 
lativen formen  caras  =  carätja,  s.  weiter  unten,  und  in  den  verbalen  for- 
men mit  ßuffigirten  pronomen. 


das  altirische  verbum.  465 

1)  a- stamme:  8g.  berö,  beris,  berit    Plur.  beramas,  be- 
riti,  beranti. 

2)  ä- stamme:  sg.  caro  (aus  caräo),  caräis,  carät.     Plur. 
carämas,  caräti,  caränti. 

3)  ia- stamme:  sg.  älio,  äliis,  alit  (aliit).  PL  äliamas,  äliti 
(aliiti),  alianti. 

Die  längere  spätere  oder  „absolute"  form  bietet  viel  grö- 
fsere  Schwierigkeiten.  Denn  da  diese  (wenigstens  im  plural 
und  der  2.  und  3.  sg.)  das  product  von  rein  neucel tischen 
anfugungen  von  pronomina  oder  trümmern  von  solchen,  sind 
wir  hier  fast  gänzlich  des  gewöhnlich  aus  der  vergleichung 
der  verwandten  sprachen  fliefsenden  lichtes  beraubt.  Diese 
pronominalen  demente  scheinen  folgende  zu  sein: 

Sg.  -rami       1.  PI.  -mis,  -mes 
-i  2.       -is  (-jus?) 

-is  3.      -1  (-ii) 

rel.  -e  =  ja  -e  =  ja. 

Aehnliche  formen  finden  sich  im  plural  und  der  3«  sg. 
des  b-futurums.  Doch  vor  der  betrachtung  dieser  agglu- 
tinationen  ist  zu  bemerken,  dafs  die  drei  klassen  in  der 
späteren  form  sich  so  unterscheiden  lassen:  erstens,  der 
wurzelvokal  in  stammen  auf  ia  ist  umgelautet;  nicht  so  in 
stammen  auf  ä  und  ä:  zweitens,  die  3.  sing.  rel.  in  den 
ä- stammen  endet  immer  auf  -as,  in  den  ia*  stammen 
auf  es. 

Was  die  erste  person  auf  imm  betrifft,  so  habe  ich 
zu  dem ,  was  in  den  beitr.  III,  49.  50  zu  lesen  ist,  nichts 
hinzuzufügen  aufser  dafs  Schleicher  §.  269  meint,  dafs  hier 
die  abgeleiteten  verben  (wie  die  lesbisch -äolischen  formen 
yiXa-pi,  <pikr]-fUi  doxi/Ltw-fui)  der  analogie  des  verbum  sub- 
stantivum  amm,  griech.  «fyi/,  aus  AS-mi,  gefolgt  sind.  Aber 
warum  haben  wir  dann  berimm,  carimm  und  nicht 
beramm,  caramm?  Ich  halte  immer  noch  an  meiner 
meinung  fest,  dafs  wir  hier  eine  vergleichsweise  späte  neu- 
celtische  agglutination  haben,  ähnlich  dem  pronominalen 
mm  in  limm,  lemm  „apud  me"  etc.,  die  nach  falscher  ana- 
logie die  organische  infection  des  m  der  1.  pers.  plur.  hin- 


466  Stoket 

derte.  So  haben  wir  in  welsch,  bum  „ftu"  und  dem  redu- 
plicirten  praeteritum  kiglef,  kiglif  (audivi)  Z.  559  si- 
cherlich junge  agglutinationen. 

Die  3.  sing,  auf  -th,  -d  verursacht  keine  infection 
(e.  g.  sluindith  folad  „significat  sensum",  techtid  cosmailius 
„habet  similitudinem").  Ich  fasse  die  erhaltung  des  dentals 
hier  und  in  dem  a-coniunctiv  so  auf,  dafs  sie  durch  das  i 
des  agglutinirten  pronominalstammes  I  im  nom.  sing.  masc. 
hervorgerufen  ist.  Berith,  carith,  äilith  würde  so 
sein  =  berit-f-is,  carätH-is,  älft-f-is  und  das  casus- 
zeichen s  verhindert  die  infection.  Eine  ähnliche  aggluti- 
nation  mag  stattgefunden  haben  in  den  altwelschen  formen 
crihot  (leg.  cridot  und  cf.  crit  „tremor*?)  gl.  vibrat  Z. 
1096,  istlinnit  .i.  loquitur  Juv.  4  =  ir.  sluindith,  und  bit 
(assit)  ib.  32. 

Die  relativen  formen  in  der  3.  person  (sing,  -s,  plur. 
-e,  -a)  sind  von  Siegfried  (beitr.  III,  63)  als  durch  pro- 
nominale agglutination  hervorgebracht  erklärt  worden.  Was 
ist  nun  dieses  für  ein  pronomen?  Wir  müssen  bedenken, 
erstens,  dafs  beide  formen  aspiriren  und  deshalb  jede  frü- 
her auf  einen  vokal  geendigt  haben  mufs,  zweitens  dafs 
das  fragliche  pronomen  im  singular  nicht  nur  das  gewöhn- 
liche -8,  sondern  auch  das  -e  von  vier  formen  (boie, 
leg.  böi-e  „was  war",  fil-e  „was  ist",  tit-e  „was  geht  % 
giul-se  gl.  herenti)  erklären  mufs,  drittens,  dafs  im  plural 
wir  das  e  wo  möglich  als  den  plural  des  pronomens  erklä- 
ren müssen,  welches  8  im  singular  hervorbrachte,  und  vier- 
tens, dafs  das  so  angefügte  pronomen  im  nominativ  und 
aecusativ  dasselbe  sein  mufs  l0)* 

1  • )  Beispiele  von  relativen  formen)  die  sich  auf  ein  objeet  beziehen,  sind 
sg.  tuicci  an-gaibe-s  in  salm  (intellegit  quod  continet  psalmns).  ished  <5n 
saige-s  8om  (hoc  est  quod  dicit).  issed  saige-s  sfs  (est  hoc  quod  dicit 
infra).  nf  o  oin  innan  ilchial  techta-s  arroet  ainmnigud  (non  ab  nna  mul- 
tarum  significationum,  quas  habet,  denominationem  aeeepit)*  iscetna  n-etar- 
gn»  sluinde-s  ipse  intan  as  foilsigthech  (est  prima  cognitio  quam  signi- 
ficat  ipse,  cum  est  demonstrativum).  PL  doberr  ainm  ndoib  din  gnim 
gnit-e  (datur  nomen  iis  ex  actu  quem  agunt).  candadas  innan  degnimae 
son  gnit-e  in  chadehoimnidi  (candor  benefactorum  horum  quae  faciunt 
catechumeni).  is  hinunn  int&liucht  sluindite  diblinaib  (est  eadem  fignifi- 
catio  quam  continet  utrumque). 


das  altirische  verbum.  467 

Das  pronomen  ja  im  neutrum  genügt  diesen  vier  an- 
forderungen.  Caras  zum  beispiel,  welches  bedeutet  1)  „qui 
(quae  vel  quod)  amat",  oder  2)  „quem  (quam  vel  quod) 
amat"  steht,  wie  Nigra  XIX  vermuthet,  für  carät+ja, 
gerade  wie  tris  „ dritter *  flör  tritja  steht.  Hier  verliert 
ja  =  skr.  nom.  acc.  ja-t,  zend.  jat,  das  altceltische  wie 
das  griechische  —  cf.  6  =  jat  —  durchweg  das  finale  t. 
In  derselben  weise  entsteht  böi-e  „was  war"  aus  babäva 
4- ja  (cf.  skr.  babhüva).  Im  plural  steht  carate  ftkr 
caränti+j&  (cf.  zend.  ja,  skr.  nom.  acc.  jäni).  Zu  dem 
gebrauche  eines  neutralen  pronomens,  um  relativität  für 
alle  geschlechter  auszudrücken,  vergleiche  das  englische 
that. 

Der  vocal  in  dem  -mmi,  -mme  der  1.  ps.  pl.  ist  mir 
dunkel.  Vielleicht  haben  wir  hier  den  nom.  pl.  eines  i-stammes 
MI,  wie  im  gotischen  veis  „wir"  nom.  plur.  eines  i-stam- 
mes VI  ist.  In  dem  verbum  substantivum  ammi  (sumus) 
bewirkt  er  keine  infection  (ammi  corp,  Wb.  5d.,  ammi  failti 
Z.  678,  ammi  techtiri  Z.  825)  und  folgt  ihm  einmal  ein 
transportirtes  n  (ammi  n-eulig  „sumus  gnari"),  doch  mag 
dies  einer  der  fälle  sein,  in  welchen  dieses  n  seine  grenzen 
überschritten  hat11).  Das  suffix  -mit,  -mait  (jetzt  -mid, 
-maoid)  ist  gleichfalls  dunkel.  Zu  den  von  Ebel  gegebe- 
nen beispielen  dieser  endungen  kann  ich  die  folgenden  zu- 
flögen: ä-8tämme:  guidme  (petimus)  Feiire  Epil.  243,  can- 
mae  (canimus)  ibid.  242,  tiagmait  (venimus)  Comm.  zu 
Amra.  ä- stamme:  carmaitne  (amamus),  Cogad  Gaedel  94, 
logmait  (dimittimus)  Lebar  Brecc  paternoster.  ia-stämme: 
ailmini  (oramus)  Feiire,  B.  Jan.  10,  tuirme  (adnumeramus), 
F&ire,  Sep.  17. 

Die  zweite  ps.  plur.  wird  von  Ebel  vennuthungsweise 
als  auf  -the.  endigend  gegeben.  Aber  dies  ist  eine  con- 
junctivische  endung.  Die  endung  im  indicativ  ist  -thi, 
im   mittel-  und  modernen  irischen  diphthongirt  oder  ver- 


1 ! )  Es  kommt  nicht  vor  in  ammi  oin-chorp  hi  er.  (sumus  unttm  corpus 
in  Christo)  Z.  590.   ammi  irlaim  Z.  476,   ammi  dee  huili  ib. 


468  Stokes 

läogert.  So  haben  wir  von  dem  ä-verbum  riocu  "); 
ricthai  a  les  a  firu  eirenn  suidiugbadb  oous  ordughadb 
cacb  rechta  lend  („ihr  bedürft,  o  männer  von  Irland, 
einer  festsetzung  und  anordnung  von  jeglichem  gesetz 
durch  uns")  1  Senchas  M&r  14.  Und  von  dem  ä-ver- 
bum iarraim  (quaero)  haben  wir  dob£rthar  duib  inni 
iarrthai  („das,  was  ihr  verlangt,  wird  euch  gewährt 
werden")  note  zu  F£lire,  Sept.  9.  So  im  modernen  iri- 
schen moltaoi  (laudatis).  Das  iaverbum  blaisim  (gu- 
sto)  hat  blasti  in  seiner  2.  ps.  pl.:  dixit  patricius  eis  noco- 
ohumcaissi  imchaisin  crist  acht  m ablast!  bas  arthüs  7 
acht  m&  airfemaid  corp  christ  7  afuil  („ihr  könnt  Christus 
nicht  sehen,  wenn  ihr  nicht  den  tod  erst  kostet,  und  wenn 
ihr  nicht  empfanget  Christi  leib  und  sein  blut")  Trip.  Life, 
B.  173  b. 1S).  ind£oin  atchithi-si  dan  isna  crannaib  („die 
vögel,  die  ihr  seht  auf  den  bäumen")  Leb.  na  huidre  (fortan 
durch  LU.  bezeichnet)  p.  25  b.  So  in  modernem  irisch 
foillsigthi,  chithi. 

Der  umlaut  in  der  3.  plur.  ist  offenbar  einem  prono- 
men  (i?)  zuzuschreiben,  welches  angefügt  worden  und  dann 
verloren  gegangen  ist,  nachdem  es  den  voraufgehenden 
vocal  afficirt  hatte.  Eine  ähnliche  erscbeinung  findet  man 
in  den  3.  plur.  passivi  wie  desmirechtaigtir  (exemplifican- 
tur),  dlegtair  (debentur),  gaibtir  (canuntur)  etc.,  welche 
aus  desmirechtaigter-f,  dlegtar-f  etc.  hervorgegangen  sind. 
Der  umlaut  in  der  absoluten  form  der  3.  sg.  pass.  (e.  g. 
berrthir  baitsidir  scribthir  abgitir  do  („er  hat  die  tonsur 
erhalten,  er  ist  getauft,  ein  aiphabet  ist  geschrieben  Ar 
ihn")  Trip.  Life,  Eg.  12.  b.  2.  daingnigthir  gl.  munitur, 
Ml.  49  r.)  wurde  vermuthlich  durch  eine  ähnliche  agglutina- 
tion  desselben  pronomens  im  sing,  verursacht,  welches  dann 
abfiel  wie  in  foir  (super  eum)  =  for  +  i« 

Das  -ann,  -enn  derjenigen  form  der  3.  sing«,  welche 


19)  Die  ähnlichkeit  mit  lith.  refkia  „nöthig  sein«  ist  zufällig:   riccn 
ss  ro-iccu  :  cf.  rohf  aleas  (egebit)  Z.  *  466. 

18  )  So  im  Lib.  Armach.  12,  a.  2:   dixit  eis  sanctna  niai  mortem  gusta- 
ueritiß  non  potegtis  uidere  faciem  christi  et  niai  sacrificium  accipietif. 


das  altirische  verbum.  469 

jetzt  unpersönlich  gebraucht  wird  als  das  sogenannte  ge- 
wohnheitspraesens,  ist  von  beträchtlicher  alterthümlichkeit. 
So  im  Seirgl.  Conc.  ni  charand  mo  menma  müad  („mein 
geist  liebt  den  frobsinn  nicht")14),  ni  ohesend  nech  dib 
som  fbr  a  fochraic  fein  („keiner  von  ihnen  beklagt  sich 
über  seinen  eignen  lohn")  LU.  36  a.  So  im  Fis  Ada- 
mnain:  er chötigend  (nocet),  lenand  (adhaeret),  fastand 
(detinet),  töcband  (sublevat),  curend  (ponit),  foichlend 
(curat),  ni  fuillend  cond  onaima  („nothing  saves  an  active 
adult")  1  SM.  102.  ni  fuilgend  nech  ein  araile  („no  one 
sustains  another's  liability")  ib.  262.  retbann  grian  (currit 
so!)  ib.  30.  cusin  fät  fris  fuinenn  grian  („zu  dem  ....  wo 
die  sonne  untergeht")  Rumann,  Laud  610.  fo.  10a.  insinn 
ait  hi  funend  grian  („an  dem  orte,  an  dem  die  sonne 
untergeht")  Seirgl.  Conc.  in  lenand  do  sithlongaib  ib. 
cid  aran-erailend  isu  foirn  („wozu  ermahnt  uns  Jesus?") 
Leb.  brecc,  121b.  in  trath  nach  dearbhann  int  agartböir 
a  agra  fuaslaicter  inti  forambi  agra  („wenn  der  kläger 
seine  klage  nicht  beweist,  so  ist  der,  gegen  welchen  die 
klage  gerichtet  ist,  frei")  H.  3.  17  citirt  O'Don.  Supp.  s.  v. 
agarthöir:  vergl.  das  unten  citirte  beispiel  dosluinend 
aus  dem  Amra  Choluimchille,  einem  der  ältesten  un- 
ter den  vorhandenen  irischen  Schriftstücken.  Einen  parti- 
cipialen  Ursprung  für  diese  formen  anzunehmen  werde  ich 
weiter  unten  in  Vorschlag  bringen. 

2.     Praesens  indicativi   (deponentia). 

Alte  formen: 

a  -  stumme :  ä  -  stamme : 

Sg.'l.  sechur  molur  (-or) 

2.  sechther  molter 

3.  sechethar  (-edar)  molathar  (-adar) 
PI.  1.  sechemmar.  molammar 

2.  sechid  molid 

3.  sechetar  molatar 


14 )  O'Curry,  ohne  jedwede  gewähr  (so. viel  ich  sehen  kann),  überträgt 
müad  durch  „jealousy":  doch  vergl.  den  Zusammenhang  und  die  skr.  wz, 
m u d ,  send,  maodhana,  germ.  mu-n-ter. 


470  Stokes 

ia- stamme: 

Sg.  1.  midiur  cairigur 

2.  mitter  cairigther 

3.  midethar  (-edar)  cairigethar  (-edar) 
PL  1  •  midemmar  (-mer)  cairigmar  (-mer) 

2.  midid  cairigid 

3.  midetar  cairigetar. 

Absolute  formen: 

a  -  stamme :  ä  -  stamme : 

Sg«  3.  sechithir  (-idir)         molithir  (-idir) 
PL  3.  sechitir  molitir 

ia- stamme: 

Sg.  3.  miditbir  (-idir)  cairigithir  (-idir) 

PL  3.  miditir  cairigitir. 

Das  paradigma  der  ä- stamme  ist  zum  gröfsten  theil 
nur  erschlossen.  In  der  ersten  sing,  enden  die  ia-stämme 
entweder  auf  -iur  oder  zeigen  umlaut  des  wurzelvocals. 

Zu  den  von  Zeufs  und  Ebel  gegebenen  beispielen  mö- 
gen folgende  zugefügt  werden: 

Sg.  1.  ä- stamme:  agur  agur  iar  c£in  cbein  bith  ipein 
phein  („ich  fürchte,  ich  fürchte,  nach  einer  langen,  langen 
zeit  in  pein,  pein  zu  sein")  LU.  6b.  adägur  tusa  („ich 
fürchte  dich")  Battle  ofMoira  210.  fritotsamlor  (te  comparo) 
gedieht  citirt  von  O'Curry  Lect.  476.  ia-classe:  tochuiriur 
(„ascisco")  Patr.  h.  B.  dochuiriur  Z.  844.  tomliur  (edo) 
Trip.  Life,  fordomdiur  (fortomidiur  B.)  „adjudico*  Cormac, 
fir.  fosisiur  (declaro)  1  Senchas  mar  10,  woher  trisinniris 
fosissetar  imbathis  (per  fidem  quam  confitentur  in  baptismo) 
Tur.  2.  a.  coro-acilliur  ocu  („that  I  may  address  Cham- 
pions") Book  of  Leinster,  citirt  O'Gtrfry  Lect.  637. 

Sg.  2.  ia-stämme:  a  ri  rimther  flaithe  (o  könig,  der 
du  fürsten  zählest« )  F6L  prol.  286.  cid  ara  todlai(g)tber 
(gl.  quare  postolas)  Ml.  32a.  Diese  endung  -ther  ist  noch 
zu  erklären. 

Sg.  3.  ä-stämme?  genither  (nascitur)  Corm.  buanand, 
geinithir,  Corm.  B.  trogein:  und  vielleicht  arsisedar  (per- 


das  altirische  verbum.  471 

sistit)  Corm.  B.  aurso,  cuisnit:  ä- stamme:  dond  fiur 
adrodar  idlu  (viro  qui  adorat  idola)  Z.  1066:  ia-stämme: 
muinither16)  .i.  timchella  („circuit")  Cormac  B.  ebron: 
doepethar  (mordet,  taipe  „concisio"  Z.  1067)  Corm.  B. 
gelestar:  docuirethar  (apponit)  Corm.  B.  ferb:  docuire- 
dar,  galuigedar  (fervet)  Corm.  B.  coire  brecain.  mo- 
thaigedar  (gl.  stupentis)  Ml.  26b.  am.  nerladaigedar  (gl. 
tanquam  obsequitur)  Ml.  64 d,  aber  erladaigidir  (gl.  obse- 
quitur)  ib. 

PI.  1.  ä- stamme:  nosmolamar  (»wir  preisen  sie")  F£l. 
Jan.  17.  atagamar  tra  for  loeg  in  fer  dimbert  a  ferci 
fornd  (we  beseech,  says  L.,  the  man  to  ply  bis  rage  on 
us)  Seirgl.  Conc.  ia-stämme:  admuinemmair  (adimus?) 
Ninine,  cf.  muinither  oben.  Ranic  tir  domoise  mune- 
mar  .i.  ranic  intir  itoimnemni  moisi  dobith  („er  kam 
zu  dem  lande,  in  welchem  wir  glauben  dafs  Moses  ist") 
Amra  Chol.  LU.  9 b.  miad  mar  munemar  mann,  ibid.  fo-b- 
sisimarni  (»wir  erklären  euch")  Leb.  buide  Lecain,  col.  647. 

PI.  3.  ä- stamme:  ranic  maige  mos  nadgenetar  ciuil 
(»er  kam  zu  gefilden,  in  denen  melodieen  nicht  geboren 
werden",  „sed  sunt  semper  in  se"  fügt  der  scholiast  hinzu) 
Amra  Chol.  LU.  9b.  moderne  form:  is  da  lelap  geinitir 
and  (»es  sind  zwei  kinder,  die  da  geboren  sind")  Corm.  B. 
emain.  ia-stämme:  lobraigetar  (gl.  egrescentium)  Ml.  61  r. 

3.     Der   a-coniunctiv.  * 

Alte  (oder  „subjoined")  form:         Spätere  (oder  „absolute")  form: 

Sg.  1.  -ber,x  -bar  bera,  beram 

2.  -berae,  -bera  berae 

3*  -bera  beraid,  rel.  beras 


19 )  Mit  diesem  verbum  mochte  ich  verbinden  das  bret.  monet  „ire", 
com.  monea,  w.  myned,  lat.  minore  in  e-minere,  pro-minere.  Das  ir. 
muinter  „familia"  mag  auch  dazu  gehören:  cf.  griech.  afiyCnoloq  und 
skr.  parikara,  jedes  von  einer  wurzel  mit  der  bedeutung  „gehen11.  Auch 
die  wurzel  von  lat.  anculus,  ancilla  mag  ANK,  skr.  an  K  „gehen"  sein 
und  die  wurzel  des  gall.  amb-ac-tos  (w.  amaeth)  mag  AK  sein.  Das  ir. 
timthrecht,  timthirecht  ( ministratio ),  timthirthid  (servus),  drim- 
thirid  (rainistravit),  dorimthirthetar  (ministraverunt)  mag  in  gleicher 
weise  von  der  wurzel  TAR  kommen. 


472  Stokes 

PI.  1.  -beram  bermme  (-mmi) 

2.  -beraid  berthe 

3.  -berat,  -barat  berait,  rel.  berte. 

Hier  haben  wir  wieder  zwei  formen,  von  denen  die 
eine  anf  endungen  des  italo-celtischen  alterthums  hinweist, 
die  andere  mittels  neoceltischer  agglntinationen  gebildet  ist 
Die  alte  form  findet  sich  nach  praepositionen  und  Parti- 
keln, die  spätere,  wo  das  verbum  alleinsteht.  Zu  serbar 
(„utar"),  fadam  („ea  patiar*  i.  e.  fo-a-dam,  wie  es  Ebel  vor- 
trefflich erklart)  und  den  andern  beispielen  der  ersten  sing. 
von  der  alten  form,  die  von  ihm  Z.*  p«  440  angeführt 
werden,  füge  hinzu  duemsa  (protegam)  Ml.  37c.  conru- 
rflsa  (ut  manifestem)  Ml.  41  d.  nasroin  (gl.  nnllo  mein» 
bro  aegrotem)  Gildas.  Und  vergl.  altlateinische  formen  wie 
attinge,  dice,  ostende,  recipie  (Corssen  ausspräche 
2.  aufl.  267).  Zu  Ebel' 8  beispielen  von  der  späteren  form 
flöge  hinzu  cofothea-sa  (gl.  ut  mordeam16),  cf.  ovrac*, 
engl,  wou-n-d)  Z.  934.  1064,  und  con-da  (ut  sim,  ta) 
Z.  589.  Von  der  späteren  form  der  1.  sing,  auf  m  habe 
ich  schon  (Beitr.  III,  53)  drei  beispiele  citirt,  nämlich  as- 
beram17)  (gl.  indicam  his  verbis)  Z.  1065,  cur-bam  (gl. 
ut  sim)  Gildas,  biam  soer. (nicht  söir)  „salvus  sim"  Ultan's 
h.  8.  Zu  diesen  mögen  folgende  zugefügt  werden:  in- 
natlugum  buide  (gl.  exsoluam  gratiam,  leg.-gam?)M1.45a* 
ni  athregsa  he  hicein  bam  beo  (»ich  will  es  nicht  ändern, 
so  lange  als  ich  am  leben  bin")  note  zu  Fälire  Feb.  11. 
ropadh  maith  lern  cor  bam  cisaige  don  flaith  („es  wäre 
gut  för  mich,  dafs  ich  dem  forsten  ein  tributpflichtiger 
wäre")  gedieht  citirt  O'Curry  Lect.  616.  nipam  slansa 
(„ich  werde  nicht  wohl  sein")  Longes  mac  nUsnig.  ni- 
-bam  anmeharasa  ars6  dolucht  dergmartra  („ich  möchte 
nicht  seelenfreund  sein,  sagt  er,  von  leuten  von  rothem 
märtyrthum")  note  zu  Fälire,  April  17,   und  andere  bei- 


lfi)  Ebel  unterdrückt  „ut  mordeam**  und  überträgt  Z.1  466  „ut  eucce- 
dam  ego." 

17)  Ebel  unterdrückt  die  lateinischen  worte  „indicam"  etc.  und  Über- 
setzt p.  443  diese  glosse  durch  „dieimus." 


das  altirische  verbum.  4?ä 

spiele  von  triam  „sim",  e.  g.  biam  torbachu  (aptior  sim) 
Cormac  prull,  =  bem  torbachsa  ib.  B.  biam  raithsa  dia 
raithsum  nodgeba  cech  dia  („ich  wollte  mich  für  die  gnade 
dessen  verbürgen,  der  es  täglich  singen  wird")  Feiire  Ep. 
166,  B.  Das  m  (mm?)  ist  hier  agglutinirt  an  subjuncte 
(as-bera-m)  sowohl  als  auch  an  isolirte  formen,  gerade  so 
wie  wir  im  indicativ  sowohl  do-fui-bni-mm,  cuim-tgi-mm  I8) 
haben  als  auch  gui-di-mm,  cari-mm. 

Sg.  2.  (alte  form):  ni  malartaesiu,  ni  derlegsesiu  '(ne 
disperdas)  Ml.  citirt  von  Nigra  pp.  48,  61.  tarilbae  (ad- 
dicas)  Z.  858,  1052.  dia  ndamae  noe  for  thir  („wenn  du 
eine  person  auf  dem  lande  leidest")  Corm.  B.  noe.  Eine 
reduplicirte  2.  sg.  als  ein  imperativ  gebraucht  (geoghna  .i. 
guin  „vulnera")  findet  sich  in  O'Clery's  glossar.  Vielleicht 
ist  diese  form  eine  redupl.  2.  sg.  fut. 

Der  dental  in  der  späteren  3.  sg.,  der  durch  aggluti- 
nation  von  -is  an  das  alte  -ät  erhalten  ist,  findet  eine 
parallele  im  altwelschen  dafraud  (gl.  subtrahet)  Juvencus,  2. 
Hier  ist  eine  coniunctivische  form  als  futurum  gebraucht, 
wie  in  der  ersten  sing,  der  classischen  lateinischen  futura 
der  3.  und  4.  coniugation.  So  finden  wir  in  einem  verein- 
zelten, in  dem  älteren  theil  des  Red  Book  of  Hergest  er- 
haltenen gedieht,  gedruckt  in  vol.  2  von  Skene's  Four 
ancient  books  of  Wales  (Edinburgh  1868),  gwledychawt 
(regnabit)  p.  221,  dyrchauawt  (surget)  p.  223,  treiglawt,  ef 
grynnawt  (transibit,  tremet  ille)  p.  224,  und  gwasgarawt 
(diffundet)  p.  229.  232. 

Ein  beispiel  für  ein  zusammengesetztes,    die  spätere 


18)  Verdruckt  eunutgim  in  der  zweiten  aufläge  von  Zeuss  p.  492,  aber 
vergl.  cumtach,  ad  chumtach.  Andere  irrthümer  in  dieser  aufläge  sind  auf- 
uirig  480,  1.  35,  leg.  aurfuirig  :  anias  431,  1.  18,  466,  1.  37,  leg.  anf  as  („id 
quod  est")  :  arribaigedar  439,  1.  6,  leg.  adribaigedar  :  armgister,  431,  1,  28, 
leg.  armagistir :  ciinsamlar  442,  1.  29,  leg.  cenusamlar  (Z.  1033.  i.  e.  c6 
nu-8-samlar) :  forelgatar  450.  1.  31,  leg.  foselgatar:  nämmin  duine  445,  1.  31, 
leg.  namm  in  duine,  (cf.  O'Don.  Gr.  165  und  Ir.  Glosses  p.  149) :  fori me  (?) 
455.  1.  34,  leg.  forrae  :  donacht  455,  1.  46  leg.  doenacht:  rosfu  467,  1.  14, 
leg.  resfu  :  inhadehoimnidi  472.  1.  9,  leg.  inchadehoimnidi  (so  in  Goidilica 
p.  7  für  cach  chomnidi  lies  cathehomnidi  =  catechumeni)  :  bratbnighthe 
479.  1.  26,  leg.  bruthnigthe.   Für  vier  von  diesen  bin  ich  verantwortlich. 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4.  3 1 


474  Stokes,  das  altirische  verbum. 

form  in  der  1.  pl.  annehmendes  verbum  ist  raa  confodma 
(8i  compatimur)  Z.  40,  welches  (durch  abkürzung  und  pro- 
gressive assimilation)  für  *con-fo-dam-me  steht.  Ein  an- 
deres beispiel,  wo  das  verbum  der  praeposition  do  ange- 
schlossen ist,  bietet  co-do-s-gnemi  (ut  faciamus  ea)  Z.2333. 

Vom  conjunctiv  der  deponentia  füge  ich  folgende  zu 
den  von  Ebel  gegebenen  beispielen  hinzu:  Sg.  1.  nufail- 
tiger  (gl.  letari)  ML  46b.  cura  dichuirer  (gl.  delearo): 
cura  etellaiger  (gl.  evolare  valeam)  Gild.  conacor  ojse 
cia  creitfes  dam  7  natcreitfi  („so  dafs  ich  sehen  kann, 
sagt  er,  wer  an  mich  glauben  wird  und  wer  nicht  glau- 
ben wird")  Trip.  Life  B.  163a.  Sg.  2.  batoisc  dam  ol- 
sechnall  molad  dorignius  dialailiu  dtine  nde  (sie!)  co- 
-cloithersu  („ich  wünsche,  sagt  S.,  dafs  du  eine  lob- 
prei8iing  hören  möchtest,  welche  ich  für  einen  gewissen 
gottesmann  gemacht  habe")  Trip.  Eg.  17a.  1.  ma  me- 
braigther  feli  („wenn  du  der  festtage. gedenkst")  Fei.  März  2. 
PI.  1.  tabred.  dagberta  forarnimthechta  forarnimrimmend 
arnach-nelammar  („lafs  ihn  gute  gesetze  für  unsre  gange, 
für  unsre  ritte  geben,  dafs  wir  nicht  irren",  elud)  ge- 
dieht von  Columbcille,  LU.  p.  15  a.  con  dermanammar 
(ut  obliviscamur)  Z.  834.  mani  decamar  (gl.  nisi  attenda- 
mus)  Z.  1024.  PI.  3.  dian  inbothigetar  (si  nubunt)  Z.  1050. 
intomnatar  (gl.  putent)  Ml.  18  a.  fristuichetar  (gl.  exstete- 
rint)  Ml.  21  c. 


Whitley  Stokes. 


(Fortsetzung  folgt.) 


Schmidt,  anzeige.  475 

Christian  Donalitius  iittauische   dichtungen   nach  den   Königsberger  hand- 
-    Schriften  mit  metrischer  Übersetzung,  kritischen  anmerkungen  und  ge- 
nauem glossar,   herausgegeben  von  6.  H.  F.  Nessel  mann.     Königs- 
berg 1869. 

Als  Schleicher  den  Donaleitis*)  herausgab,  mufste 
Rhesas  text  als  die  einzige  ans  erhaltene  Überlieferung  gel- 
ten, da  sowol  das  origininalmanuscript  als  die  Hohlfeld- 
sche  abschrift  verschollen  waren.  Wie  unerhört  gewissen- 
los Rhesa  mit  seinen  vorlagen  verfahren  war,  das  konnte 
dazumal  niemand  wissen,  es  gab  eben  keine  andere  quelle, 
und  kein  herausgeber  konnte  mehr  thun  als  den  Rh.'schen 
text  säubern  und  grammatisch  richtig  herstellen.  Dies  that 
Schleicher.  Nachdem  er  seine  arbeit  vollendet  und  schon 
zum  drucke  nach  Petersburg  gesandt  hatte,  tauchten  die 
Originalhandschrift  der  paväsario  linksm^bes  und  der  va- 
sarös ,  darbai  sowie  die  Hohlfeldsche  copie  sämmtlicher  be- 
kannter dichtungen  des  D.  auf.  Schleicher  hatte  nun  sei- 
nen schon  festgestellten  text  an  unzähligen .  stellen  zu  än- 
dern, da  sich  herausstellte,  dafs  Rhesa  nicht  nur  mehr  als 
fünftehalbhundert  verse  ausgelassen,  sondern  auch  mit  den 
von  ihm  gegebenen  beispiellos  willkürlich  geschaltet  hatte 
(Schleicher  vorrede  s.  4).  Dafs  bei  dieser  Umarbeitung, 
welche  des  unmittelbar  bevorstehenden  druckes  wegen  in 
höchster  eile  geschehen  mufste,  manches  übersehen  worden 
ist,  hat  Schleicher  selbst  anerkannt  und  es  in  seinen  „nach- 
träglichen bemerkungen"  **)  zu  bessern  gesucht  (s.  Beitr. 
V,  380).  Diese  entstehungsgeschichte  der  Schleicherschen 
ausgäbe,  welche  jeder  kennt,  der  Schleichers  vorrede  auch 
nur  flüchtig  angesehen  hat,  mufste  hier  kurz  wiederholt 
werden,  da  Nesselmann  den  thatbestand  in  seiner  vorrede 
völlig  entstellt.  Er  ergeht  sich  über  Schleichers  wissen- 
schaftlichen charakter  (s.  VII)  und  fährt  dann  fort:  „Dazu 


*)  Ueber  diese  nur  aus  dem  latinisierten  Donalitius  reconstruierte 
namensform  vergl.  Schleicher  s.  1  anm.  Nesselmann  vorr.  1  hält  für  wahr- 
scheinlich, dafs  Donalitius  die  latinisierung  von  Donalies,  Donalvs 
sei. 

**)  Für  Kesselmann  existieren  diese  nicht,  er  ignoriert  in  den  anmer- 
kungen der  vorliegenden  ausgab«  alles  durch  sie  nachgeholte. 

31* 


4?6  Schmidt 

kam  noch  von  seiner  seite  ein  mifsgriff,  der  den  übelsten 
einfiufs  auf  seine  arbeit  geübt  hat,  und  der  darin  bestand, 
dafs  er  neben  den  beiden  Eönigsberger  handschriften  die 
Rhesasche  ausgäbe  als  eine  dritte  mit  jenen  nicht  nur  gleich 
berechtigte,  sondern  von  ihm  sogar  vorwiegend  hochge- 
stellte quelle  betrachtete.  Anstatt  den  aller  kritik  und  ge- 
wissenhaftigkeit  baaren  Rhesa  bei  seite  liegen  zu  lassen 
und  stricte  von  den  handschriften  auszugehen,  ist  er  um- 
gekehrt von  Rhesa  ausgegangen  *  u.  s.  f.  Was  anderes 
hätte  herr  N.,  der  über  den  aufenthaltsort  der  fraglichen 
handschriften  vor  dem  jähre  1864  auch  nichts  anzugeben 
weifs  (Nesselmann  vorr.  s.  III),  seiner  ausgäbe  zu  gründe 
legen  können,  wenn  er  sie,  wie  Schleicher  die  seinige, 
schon  1863  unternommen  hätte?  Am  Schlüsse  der  vorrede 
erklärt  N.,  er  würde  in  den  anmerkungen  und  im  glossare 
manches  anders  gesagt  haben,  wenn  es  erst  nach  Schlei- 
chers tode  gedruckt  worden  wäre.  Die  anmerkungen  und 
das  glossar  sind  aber,  was  gehässigkeit  angeht,  nichts  ge- 
gen eben  diese  nach  Schleichers  tode  geschriebene  vorrede. 
In  welcher  weise  dabei  N.  mit  der  Wahrheit  verfährt,  ist 
von  anderer  seite  schon  genügend  ans  licht  gestellt  wor- 
den (litter.  centralblatt  5.  märz  1870),  und  braucht  daher 
hier  nicht  wiederholt  zu  werden.  Die  folgenden  zeilen  ge- 
hen nicht  darauf  aus  die  Schleichersche  ausgäbe  zu  ver- 
theidigen,  da  diese  nach  wie  vor  ihren  werth  behält,  son- 
dern sind  einzig  bestrebt  die  Nesselmannsche  leistung  zu 
charakterisieren. 

N.  gibt  die  gedichte  nach  der  reihenfolge  der  Hohl- 
feldschen  copie,  zuerst^  die  fabeln,  dann  die  erzählung  des 
Priczkus,  herbst,  winter,  frühling,  sommer,  und  erst  hinter 
diesem  die  „fortsetzung".  Dies  soll  die  „natürliche  reihen- 
folge" der  gedichte  sein  (s.  IX  ff.).  Den  herausgeber  stört 
dabei  nicht,  dafs  eine  hauptperson  nach  dieser  anordnung 
im  winter  stirbt,  aber  im  frühling  und  sommer  „wieder" 
lebt,  das  mag  er  mit  sich  ausmachen.  Dafs  die  erzählung 
des  Priczkus  eine  Vorstudie  zu  den  Jahreszeiten  ist,  hat 
schon  Schleicher  gesehen  (Schi.  s.  14 f.),    als  eine  solche 


anzeige.  477 

ist  aber  auch  die  von  N.  hinter  denselben  aufgeführte  „forfc 
Setzung"  anzusehen,  denn  sie  ist  vor  Vollendung  des  som- 
mers geschrieben  (Schi.  s.  18)  und  ihre  fünf  ersten  verse 
sind  etwas  verändert  in  den  „herbst"  aufgenommen  (VIII, 
851 — 855  Ness.).  In  der  natürlichen  reihenfolge  hätte  also 
die  „fortsetzung"  vor  diese  beiden  gehört. 

Bei  der  wiedergäbe  der  handschriften  hat  es  N?  „zur 
darstellung  der  intentionen  des  dichters  für  sehr  wichtige 
ja  fiör  unumgänglich  nothwendig  'erachtet,  auch  die  von 
ihm  über  den  text  gesetzten  scansionszeichen  als  einen  we- 
sentlichen bestandtheil  in  den  text  aufzunehmen tf.  Ja  er 
hat  sie  für  wichtiger  gehalten  als  die  accente,  welche  er 
nicht  überall  im  texte  zu  setzen  für  nötbig  hielt  (s.  XII). 
Diese  scansionszeichen  bestehen  in  zwei  häkchen  " " ,  welche 
mit  rother  dinte  über  je  zwei  unbetonte  silben  gesetzt  sind. 
Durch  diese  bezeichnung  kann  leicht  der  schein  entstehen 
als  wären  die  betreffenden  silben  kurz,  sie  sind  aber  nur 
unbetont,  denn  das  zeichen  "^  steht  nicht  nur  über  pyr- 
rhichien,  sondern  auch  über  iamben,  trochäen  und  sogar 
spondeen  mit  natura  oder  positione  langen  vocalen,  z.  b. 
vaikpäläikiu,  übägais,  übägö,  küdikei,  kq  veiki, 

pämöklno,  tärö  oft  (dagegen  täre  V,  12),  mänö,  tävö, 
sävö  neben  mano,  tavo,  sävo,  lssiziöj^s,  niitv^re 
2mögi8zkä  u.  s.  f. 

Umgekehrt  besteht  die'  thesis  oft  nur  aus  einer  kürze, 
z.  b.  in  dem  verse  II,  33  N.  =5  s.  138,  33  Schi.- 

Ir  visür  vertai  kafp  glüpt?  nkr%  nüplekä 
fällen  die  beiden  durch  den  druck  hervorgehobenen  kur- 
zen vocale  je  eine  ganze  Senkung,  während  das  3  von 
n&r^,  dem  von  glüp^  ganz  gleich,  mit  dem  folgenden 
nu  zusammen  erst  eine  ganze  thesis  bildet.  Auch  ist  die 
arsis  nicht  an  metrische  länge  gebunden.  Aus  allem  dem 
geht  zur  genüge  hervor,  dafs  Donalitius  seine  bexameter 
nicht  nach  der  quantität,  sondern  nur  nach  dem  wortac- 
cente  gebaut  bat.  Mochte  er  selbst  oder  sein  abscbreiber 
auch,  um  sich  das  lesen  der  verse  zu  erleichtern,  die  zwei- 
silbige thesis,  welche  bei  weitem  seltener  als  die  einsilbige 


47$  Schmidt 

ist,  durch  besondere  zeichen  angeben:  ein  heutiger  her« 
ausgeber,  welcher  diese  vw  wiedergibt,  ohne  den  leser  über 
ihren  werth  zu  unterrichten,  sie  sogar  vor  den  accenten 
bevorzugt,  läuft  gefahr  das  princip  des  Donalitiusschen 
Versbaues  zu  verdunkeln. 

In  der  Orthographie  ist  N.  „wesentlich  dem  von  Kur- 
schat1 eingeführten  und  von  Schleicher  weiter  fortgebilde- 
ten System  gefolgt,  soweit  nämlich  letzterer  sich  in  den 
schranken  der  phonetik  hält;  denn  Kurschats  und  Schlei- 
chers ohren  sind  vier  zeugen,  welche  vollen  glauben  ver- 
dienen; wo  aber  Schleicher  sich  in  das  gebiet  der  etymo- 
logischen speculation  begiebt,  da  habe  ich  meistens  von 
ihm  abgeben  zu  müssen  geglaubt;  so  habe  ich  mich  nicht 
und  werde  ich  mich  nie  entschliefsen  können,  mit  Schlei- 
cher ozka,  mezlas,  uzsi-,  iszsi-  und  ähnliches  zu 
schreiben,  weil  jeder  Littauer  bei  solcher  völlig  unphone- 
tischen Schreibweise  anstofsen  müfste".  Ein  ganz  berech- 
tigter Standpunkt,  wenn  er  consequent  durchgeführt  wäre. 
Wer  aber  m£szlas,  griszt&s  XI,  637,  milsztuwe  518, 
iszdröszti  331  u.  a.  schreibt  und  sich  trotzdem  zu  mezk 
XI,  275,  nuwoit  295,  iszvärzt  337.  407  entschliefst, 
macht  sich  dadurch  nicht  nur  der  gerügten  unphonetischen 
Schreibung  und  der  etymologischen  speculation,  sondern 
auch  noch  der  inconsequenz  schuldig.  Für  das  „ganz  un- 
littauische "  v  hat  N.  wieder  w  eingeführt,  weil  die  Lit- 
tauer von  den  Polen  die  schrift  angenommen  haben  und 
das  polnische  kein  v,  nur  w  kennt.  Auch  die  alte  Schrei- 
bung ay,  ey,  uy  der  adverbialendungen  hat  er  wieder 
aufgenommen,  obwohl  er  zugibt,  dafs  sie  nicht  anders  als 
ai,  ei,  ui  gesprochen  werden,  N.  glaubt  sie  berechtigt 
als  „grammatisches  zeichen,  welches  dem  äuge  das  ver- 
ständniss  erleichtert".  Aebnlichen  erwägungsgründen  hatte 
unsere  deutsche  Orthographie  die  Unterscheidung  von  seyn 
und  8 ein  zu  verdanken.  ( 

Hie  und  da  vermifst  man  consequente  durchführung 
einer  schreibqpg,  so  erscheint  neben  herrschendem  wez- 
libas,  wezlibay  ein  wezlybai  VII,  192,  und  zwar  mit 


anzeige.  479 

absieht,  denn  diese  form  ist  ausdrücklich  im  glossar  verzeich- 
net, gerechtfertigt  wird  sie  nirgends;  Schi,  vezlibai  auch 
hier,  ohne  Variantenangabe. 

Nicht  abzusehen  ist  ferner,  weshalb  die  adverbia  auf 
ay,  ey  mit  dem  acut  auf  dem  y  accentuiert  werden,  wäh- 
rend die  übrigen  gleichbetonten  diphthonge  den  gravis  er- 
halten, didey,  asztrey,  dosney,  dosnay,  dowanay, 
dywina^  u.  8.  w.  gegen  dywai,  draugais,  darzai, 
eiti,  relk',  greitay  u.  s.  f.  Die  absonderliche  betonung 
dieser  adverbia  ist  ebenso  wenig  begründet  wie  ihre  Schrei- 
bung mit  y.  Von  den  beiden  Schreibarten  skrusdelyns 
und  skruzdelyns  bei  D.  (s.  die  anm.  z.  XI,  418)  wäre 
nur  eine  an  den  drei  stellen,  wo  sich  das  wort  findet, 
durchzufahren  gewesen,  und  zwar  nach  Schi,  die  mit  z, 
da  auch  H.  skruzdele'  schreibt,  und  N.  den  zischlaut 
vor  d  gewöhnlich  als  z  gibt:  blauzdä,  barzdä,  zaizdä. 
Beide  formen  aber  als  getrennte  artikel  im  glossar  aufzu- 
führen, ist  übertriebene  Unterwürfigkeit  gegen  die  hand- 
schrift.  Dasselbe  schwanken  zwischen  plesdenti  und 
plezdenti,  während  Schi,  consequent  z  schreibt. 

Für  die  feststellung  des  textes  war  N.  in  einer  un- 
vergleichlich günstigeren  läge  als  Schi.  Er  konnte  direct 
die  handschriften  in  der  von  Schi,  besorgten  consequenten 
Schreibung  abdrucken  und  brauchte  sich  um  Rhesa  gar 
nicht  zu  kümmern.  Daher  ist  es  natürlich,  dafs  N.  den 
text  dieser  handschriften  im  einzelnen  genauer  gibt  als 
Schi.,  und  dafür  sind  wir  ihm  dank  schuldig.  Der  druck 
ist  aiemlich  correct,  die  meisten  der  untergelaufenen  druck- 
fehler  sind  in  den  anmerkungen  berichtigt  (nicht  berichtigt 
sind:  tew9  XI,  65,  Äl  XI,  36,  negalesim  XI,  609, 
lapes  Überschrift  I  für  te'w^,  AI,  negalesim  lapes). 
Keineswegs  aber  ist  die  Schleichersche  ausgäbe  durch  die 
vorliegende  überflüssig  geworden,  denn  N.  hat  sich  zwar 
im  ganzen  von  Schleichers  grammatischer  einsieht  leiten 
lassen,  an  einigen  stellen  aber  selbständig  grammatische 
fehler  gröbster  art  in  den  text  bineincorrigirt,  welche  sich 
bei  Schi,  nicht  finden;  ich  werde  weiter  unten  darauf  zu- 


480  Schmidt 

rückkommen.     Die  hauptverschiedenheit   beider   ausgaben 
beruht  in  der   accentuation.     Schi,  hat  im  texte  die  heu- 
tige betouung  durchgeführt  und  wo  D.  constant  von  der- 
selben abweicht,  dies  meist  im  glossar  bemerkt;  vgl.  auch 
Schi.  vorr.  6.     N.  dagegen  accentuiert  jede   in  der  arsis 
stehende  silbe.     Darin  geht  er  entschieden  zu  weit,   denn 
wenn  man  auch   aus  der  überall  bei  D.  herrschenden  be- 
tonung  szypsaus,  dyvai,  väsara,  näktyj,  te'vai  u.a. 
schliefsen  mufs,  dafs  in  diesen  worten  damals  eine  andere 
betonung  herrschte  als   heute,    so  gibt  es  dagegen    auch 
worte,  welche  bei  D.  bald  auf  der  einen,  bald  auf  der  an- 
deren silbe   den  accent  tragen,   z.  b.  rüstauti   und   ru- 
stauti  (Schi.  s.  6);    orai,   oru,  mazu  und  die  meisten 
casus  von  toks  und  koks  sind  abwechselnd  auf  der  ersten 
oder   letzten   silbe    betont.     Dafs   in    diesen   und  anderen 
worten  zu  D.'s  zeit  zweierlei  betonungen  wirklich  gestattet 
waren,   wird  erst  dann   feststehen,    wenn  es  aus  anderen 
gleichzeitigen  Sprachdenkmalen  erwiesen  ist,  so  lange  dies 
aber  nicht  geschehen  ist,  bleibt  die  annähme  höchst  wahr- 
scheinlich, dafs  D.,  welcher  in  versnoth  sogar  Sprachfehler 
begieng  (s.  Schi.  gl.  s.v.  keliäuju,  s&vo),  vor  einer  dif- 
ferenz  zwischen  wort-  und   verston  gelegentlich  noch  we- 
niger zurückgeschrocken  sein  wird.     Hohlfeld  wenigstens 
zeigt  durch  seine  accentwidrige  scansion  II,  14.  24  (s.  N.'s 
anm.),  dafs  er  an  dergleichen  keinen  anstofs  nahm.  Beson- 
ders ist  natürlich  «vorsieht  geboten  bei  den  anal;  Xsyopsva  mit 
abweichender  betonung  z.b.  bürnasXI,656(burnäs  Schi.) 
es 3  welches  D.  XI,  500  auf  der  endsilbe  accentuiert,  wäh- 
rend jetzt  nur  es 3  gilt  (Eurschat  laut-  und  tonlehre  s.  186, 
Schleicher  lit.  gramm.  s.  211.  94).     Wenn   D.    seinen  ab- 
weichenden accent  wirklich  schreibt,    wie  in  tüla  XI,  55<* 
peliu  XI,  259,  so  wird  man  ihm  glauben  müssen,  in  al- 
len anderen  fallen  aber  sich  nach  weiteren  anhaltspunkten 
umsehen,  ehe  man  die  abweichende  betonung  als  im  sprach- 
gebrauche jener  zeit  wirklich  lebend  anerkennen  darf,  wie 
man   auf  grund  von  N.'s-  metrischer  Übersetzung  IX,  647 
654   unserer   spräche  kein   nachbarlich,    aufbort    auf. 
bürden  wird. 


anzeige.  481 

* 

Wenn  der  ton  auf  einem  der  vocale  3,  $,  i,  ij,  e,  §,  ü 
ruht,  so  hat  N.  aus  äufseren  gründen  im  texte  demselben 
keinen  graphischen  ausdruck  geliehen,  im  glossar  aber 
findet  sich  in  der  regel  der  accent  gesetzt.  Auch  im 
glossar  überall  vermifst  habe  ich  die  accentuierung  von 
sz\\  tä,  k$',  V9  welche  oft  in  der  arsis  stehen,  und  für 
welche  doch  anzugeben  war,  ob  sie  '  oder  x  erhalten. 

Das  glossar  gibt  bei  den  meisten  worten  sämmtliche 
stellen  und  formen,  in  welchen  sie  vorkommen,  und  dies 
ist  ein  Vorzug  vor  dem  Schleicherschen  glossare;  „nur  bei 
einigen  gar  zu  oft  vorkommenden  partikeln,  pronomen  und 
Substantiven  (dewas,  pönas,  büras  u.a.)  ist  die  zahl 
der  citate  beschränkt".  Ganz  ohne  belege  ausgegangen  ist 
l';  be-  fehlt  überhaupt;  von  den  fünf  für  die  instrumentale 
Verwendung   von   sü  aufgeführten  stellen   sind   drei  falsch 

X,  22,  XI,  15,  VIII,  53,  zu  den  zwei  richtigen  hätte  noch 

XI,  470  gefügt  werden  sollen. 

Grammatische  und  etymologische  auskönfte  finden  sich 
im  glossar  gar  nicht,  einige  geben  die  anmerkungen,  doch 
stehen  beide  zusammen  in  dieser  hinsieht  bedeutend  hinter 
Schleichers  glossar  zurück. 

Die  anmerkungen  hinter  dem  texte  enthalten  das  kri- 
tische material:  die  Varianten  der  handschriften  und  der 
Schleicherschen  ausgäbe.  Nach  welchen  grundsätzen  die 
letzteren  aufnähme  gefunden  haben,  ist  nicht  klar,  die  ge- 
ringfügigsten druckfehler  sind  meist  angegeben,  dagegen 
habe  ich  von  XI,  285 — 656  neun  nicht  angegebene  abwei- 
chende betonungen  (285,  358,  383,  396,  427,  451,  577, 
656)  und  326  ir  Schi.,  bei  N.  ebenfalls  ausgelassen  ge- 
funden. 

Ferner  enthalten  diese  anmerkungen  grammatische  und 
exegetische  bemerkungen,  von  denen  ein  theil  fortschritte 
gegen  die  Schleichersche  auffassung  enthält,  z.  b.  XI,  201 
der  nachweis,  dafs  veszpats  von  D.  auch  auf  menschen 
angewandt  wird.  XI,  256,  wenn  gälvos  wirklich  köpf- 
gegend  bedeutet,  was  in  N.'s  Wörterbuch  nicht  angegeben 
ist,  also  zu  belegen  gewesen  wäre,  so  bat  N.  recht,  D.'s 
pogalwu   zu  bewahren.     Das  adverbium  zu  dosnüs  ist 


48$  Schmidt 

nur  einmal  mit  -ey  geschrieben  XI,  663,  sonst  mit  -ay, 
was  N.  festhält,  ob  mit  recht,  mag  noch  zweifelhaft  sein, 
da  dosnas,  auf  welches  das  adv.  dosnai  zurückgehen 
würde,  bei  D.  nicht  vorkommt,  ai  für  ei  aber  auch  sonst 
geschrieben  ist,  z.  b.  IV,  34.  VIII,  12.  X,  32  (s.  die  Va- 
rianten in  N.'s  anmerkungen).  Die  unter  VIII,  248  ste- 
hende bemerkung  gehört  zu  X,  248.  Nicht  zu  billigen  ist 
VIII,  308,  wo  N.  das  H.'sche  iszolojau  festhält,  welches 
offenbar  aus  dem  von  Rh,. und  Schi,  hergestellten  iszkö- 
liojau  verschrieben  ist.  Weshalb,  wie  N.  meint,  ein  aus- 
schelten in  der  stelle  nicht  passen  soll,  ist  gar  nicht  ab- 
zusehen, da  die  scheltworte  gleich  nachfolgen.  N.  erklärt 
iszolojau  für  „unverständlich",  übersetzt  es  aber  ohne 
alle  berechtigung  durch  „ich  brüllte u.  Ungerechtfertigt 
ist  auch  die  anm.  zu  IX,  10.  Die  form  eg£r&  in  text 
und  glossar  für  e'gerG  ist  nicht  begründet  durch  die  anm. 
zu  XI,  101.  Falsch  ist  XI,  631  die  bevorzugung  des 
D. 'sehen  jos  vor  dem  jus  H.  Schi.;  klsza  wird  dadurch 
in  ungehöriger  weise  objectlos. 

Mit  nicht  geringer  Verwunderung  gewahrt  man  einige 
anmerkungen,  welche  eine  grofse  unkenntniss  der  litaui- 
schen spräche  verrathen.  Zu  XI,  169,  welchen  vers  ich 
in  N.'s  Schreibung  und  Übersetzung  anführe: 

Ak  isztes  ir  werts,  kad  jö  kasden  päminetu 
Ja,  er  verdient  es  fürwahr,  dafs  täglich  man  seiner  ge- 
denke, 
zu  diesem  verse  macht  N.  folgende  anmerkung:  „Ich  wäre 
geneigt,  für  ir,  das  D.  und  H.  haben,  yr'  zu  substituiren, 
und  habe   demgemäfs  übersetzt ".     Mufs  man  den  heraus- 
geber  eines  litauischen  Schriftstellers  daran  erinnern,  dafs 
ein  adjeetivum,  um  als  prädicat  zu  fungiren,  keiner  copula 
bedarf  (Schleicher  gramm.  s.  261),  dafs  dies  selbige  werts 
sieben  verse   später  noch  einmal  ohne  copula  als  prädicat 
begegnet,  dafs  ir  w&rts  also  heifst  „er  ist  es  auch  werth* ? 
Zu  VIII,  829  Paikius  .  .  .  iT  jo  püsbrolis  bemerkt 
N.:    „Für  jo  püsbrolis  müfste  es  grammatisch  richtig 
heifsen  sawo  püsbrolis".     Was   soll  hier    das  reflexi- 


anzeige.  483 

vum?  Würde  N.  etwa  auch  sagen  M.  Tullius  et  frater 
8UU3  Quintus?  Es  scheint,  dafs  obige  angefochtene  fast  auf 
jeder  seite  litauischer  texte  zu  findende  construction  für 
N.  noch  besonders  belegt  werden  raufs.  Ich  gebe  was  mir 
gerade  zur  hand  ist:  VII,  79  Krizas  koliojo  o  jo  kü- 
karka  pabügo.  XI,  196  äle  jö  tärnas  Dlksas,  zu 
welchen  N.  gar  keine  anmerkung  macht;  um  auch  aus  an- 
derer quelle  ein  paar  belege  zu  geben;  schlagen  wir  das 
inhaltsverzeichniss  des  Schleicherschen  lesebuches  auf:  Ape 
karäliii  ir  jö  tris  sünus  lautet  eine  Überschrift.  Matth. 
5,  1:  ir  se'dosi,  ir  ate'jo  pas  j\  jo  mokytinei.  Ja 
N.  selbst  hat  in  der  anm.  zu  X,  58  schon  vergessen,  dafs 
er  diese  construction  für  grammatisch  falsch  erklärt  hat, 
denn  er  will  abweichend  von  Schi,  in:  ö  gaspadine  jo 
pustynes  mändagei  löpe  das  jo  zu  gaspadine  zie- 
hen: und  seine  hausfrau  (nämlich  des  vorhergenannten 
vyrs).  Dies  verstöfst  aber  gegen  die  Wortstellung,  denn 
jo  steht,  wie  die  gegebenen  beispiele  darthun,  vor  dem 
zugehörigen  substantivum,  ist  also  mit  pustynes  zu  ver- 
binden und  nach  Schi,  zu  erklären.  Wie  wenig  N.  mit 
dem  gebrauche  des  reflexivums  vertraut  ist,  zeigt  er  auch 
noch  zu  IX,  157,  wo  er  den  entscheidenden  grund,  welcher 
seine  von  der  Schl.'schen  abweichende  auffassung  zur  ein- 
zig richtigen  macht,  ganz  übersieht:  vens  .  .  ju'kiasi 
sz&lmis  ö  kitsaf,  käd  jäm  (tiktu,  nekina  Dev$. 
Schi,  im  glossar  übersetzt  käd  jäm  jtiktu,  wenn  es  ihm 
so  passen  sollte,  wenn  es  sich  so  fügen  sollte,  N.  erklärt 
dies  einfach  für  falsch  und  übersetzt:  damit  er  ihm  ge- 
falle. Einen  grund  dafür  gibt  er  nicht  an,  er  liegt  in  dem 
jäm,  die  Schleichersche  Übersetzung  wäre  nur  dann  zu- 
lässig, wenn  statt  dessen  säv  stünde. 

Die  bisher  entfaltete  grammatische  unkenntniss  hat  we- 
nigstens am  texte  nichts  verdorben,  das  ist  aber  an  ande- 
ren stellen  wirklich  geschehen.  VIII, 201  hat  Schi.:  brang- 
vfno  ne  paziure't  nenorä'jo  und  erklärt  dies  ne'  =e 
nei  (lit.  gramm.  s.  325):  sie  (die  weiber)  wollten  den  brannt* 
wein   nicht  einmal   sehen.     Dagegen   N.:    „Ich   bezweifle 


484  Schmidt       „ 

die  richtigkeit  des  ne  bei  Schi,  im  sinne  von  nei;  H.  hat 
einfach  ne,  möglicherweise  Schreibfehler  für  nei*.  H.'s 
ne  beweist  nun  gar  nichts  gegen  Schi.,  denn  H.  unter- 
scheidet e  und  e  überhaupt  nicht  (s.  Schi.  vorr.  s.  3).  Sein 
nei  in  den  text  zu  setzen  bat  N.  nicht  gewagt,  sondern 
schreibt  nur  ne,  ohne  zu  bemerken,  dafs  er  dadurch  D. 
gerade  das  gegen theil  von  dem  sagen  läfst,  was  dorthin 
gehört  und  was  N.  übersetzt,  denn  ne  paziure't  neno- 
rejo  kann  nicht  heifsen,  wie  N.  übersetzt  „wollten  durch- 
aus gar  nicht  beachten",  sondern,  falls  es  überhaupt  üb- 
lich wäre  „wollten  durchaus  sehen";  das  object  von  neno- 
re'ti  wird  nie  selbst  noch  mit  der  negation  versehen,  vgl. 
VIII,  786.  837.  IX,  282.  366.  368.  X,  263.  272.  358.  624 
512.  XI,  117.562. 

Endlich  hat  N.-  auch  die  litauische  formenlehre  berei- 
chert. Er  flectiert  nämlich  im  dat.  plur.  wargdenems 
VI,  23,  nepretelgms  VII,  170;  VIII,  335  sweczems 
VIII,  153,  iszd^kelSms  VIII,  473,  bedewgms  886, 
rüpesczgms  902,  gaspadörems  IX,  528.  Alle  diese 
formen  sind  nicht  etwa  druckfehler,  denn  sie  werden  im 
glossar  ausdrücklich  wieder  aufgeführt,  noch  mehr,  die  bei 
Schi,  richtig  hergestellten  formen  werden  in  den  an- 
merkungen  als  Varianten  verzeichnet  1  z.  b.  VI,  23  „Schi, 
wargdeniäms".  H.,  welcher  für  ia  meist  ie  oder  e 
schreibt,  bat  wargdieniems,  was  N.,  wenn  er  die  f&r- 
bung  des  a  durch  vorhergehendes  i  beibehalten  wollte,  na- 
türlich nur  in  wjargd§niems  umschreiben  durfte.  Wie 
inconsequent  N.  selbst  in  seinen  sünden  ist,  zeigt  X,  346, 
wo  H.  paukszcziems  giebt,  dies  ändert  N.  mit  Schi, 
richtig  in  paükszczams.  Ferner  X,  366  nabagelems 
H.,  nabageliams  N.;  X,  55  gaspadoriems  H.,  gas- 
padöriams  N.  'Dabei  ist  er  von  der  richtigkeit  dieser 
neuen  dative  so  fest  überzeugt,  dafs  er  im  glossar,  ohne 
irre  zu  werden,  gaspadörems  und  gaspadöriams  fried- 
lich nebeneinander  verzeichnet.  Danach  scheint  N.  den 
substantivischen  ja -stammen  im  dat.  plur.  nach  belieben 
substantivische  und  adjectivische  flexion  zu  gestatten. 


anzeige. 


485 


Wer  sich  aber  derartige  blöfsen  in  den  elementarsten 
grammatischen  dingen  gibt,  dem  hätte  wohl  eine  weniger 
herausfordernde  spräche  gegen  Schleicher  angestanden  als 
sie  diese  ausgäbe  führt.  Wie  viel  N.  Schleicher  verdankt, 
trotzdem  er  seinen  namen  fast  nur  polemisierend  nennt, 
und  sich  nicht  scheut  ihn  zu  verdächtigen,  lehrt  eine  ge- 
naue vergleichung  beider  ausgaben. 

Soll  ich  das  urtheil  über  das  vorliegende  buch  kurz 
zusammenfassen,  so  lautet  es  dahin,  dafs  N.  trotz  aller  ge- 
rügten fehler  sich  um  das  Studium  des  litauischen  verdient 
gemacht  hat,  dadurch  dafs  er  einen  an  manchen  stellen 
correcteren  text  als  Schi,  veröffentlicht  und  im  glossare 
jedem  worte  seine  belegsteilen  beigefügt  hat.  Benutzen 
kann  man  diese  ausgäbe  aber  nur  unter  beständiger  rück- 
sichtnahme  auf  die  Schleichersche. 

Johannes  Schmidt. 


I.    Sachregister. 


Adverbia.  Litauische  adverbia  auf 
ai,  ay,  ey  265 ;  deren  betonung  479. 
—  lettische  adverbia  auf  i  265. 

Assibilation.  Assibilation  der  'sla- 
wischen gutturale  vor  v,  r,  1  und 
dere%  bedeutung  für  die  ausspräche 
der  letzteren  142  ff.  —  Zur  ge- 
schiente der  lateinischen  assibilation 
auf  gallischem  boden  408  ff.  —  Vgl. 
noch  Consonanten. 

Betonung.  Betonung  des  passivs 
im  Veda  104.  —  betonung  der  for- 
men von  wz.  ci  und  äs  104.  —  Weg- 
fall der  vocale  durch  einwirkung 
des  accents  im  irischen  285.  — 
betonung  des  litauischen  bei  Dona- 
litius  480. 

Böhmisch.  Verhältnis  der  böhmi- 
schen Schriftsprache  zu  den  dialek- 
ten  882  ff. 

Comparation   des  keltischen  9  ff. 


Comparativ.  Altirische  compara- 
tive  auf  -dair,  -dir  (=  -tara,  -t*£o), 
zuweilen  auch  die  auf  -u,  mit  dem 
aecusativ  construiert  468. 

Conjugation.  Irische  perfectbil- 
dung  mit  t  und  s  16.  —  praeterita 
des  altir.  auf-ai,  -u,  -iu;  gallische 
auf  -avi  16  f.  —  8.  sg.  des  altiri- 
schen praet.  pass.  ist  kein  partieip 
17.  —  futura  des  altirischen  mit 
s  17.  —  3.  sg.  aor.  comp,  auf  ti, 
tu  im  altbulg.  durch  anfügung  der 
primären  personalendungen  an  die 
organische  form  entstanden  184  ff., 
wie  die  altruss.  3.  sg.  und  pl.  des 
imperfecta  187.  —  ein  beispiel  der 
praesensbildung  mit  ta  im  slawi- 
schen 892.  —  praeterito-praesentia 
im  irischen  464.  —  conjunetivi- 
sche  formen  (wie  im  lat.)  als  futura 
gebraucht  im  altwelschen  473.  — 


486 


Sachregister. 


Conjugation  des  altirischen  im 
Zusammenhang  behandelt:  1.  praes. 
indic.  activ. :  in  demselben  drei 
classen  anzuerkennen:  a~,  S-  und 
ia- stamme  460  f.  —  altere  oder 
„  8ubjoined  u  form  462  ff. ;  ihre 
vorauszusetzende  altceltische  gestalt 
465.  —  jüngere  oder  „absolute" 
form  465  ff.  —  die  relativen  for- 
men der  dritten  person  466  f.  — 
3.9g-  (gewohnheitspraesens)  auf  -ann 
-enn,  älter  -and  -end  469.  2.  prae- 
sens ind.  des  deponens  469  ff.  3.  a- 
conjunctiv  471  ff.;  conjunctiv  des 
deponens  474. 
0  o  n  s  o  n  a  n  t  e  n.  Consonanten- 
g  r  u  p  p  e  n.  Verstärkung  des  anlaute 
durch  s  im  romanischen  und  kelti- 
schen 5.  —  behandlung  der  conso- 
nantengruppe  -xt-  im  keltischen  6 
(vgl.  11.  16),  desgl.  von  xnll. — 
p  fällt  ab  im  irischen  anlaut  in 
folge  des  accents  7,  fällt  ab  im  iri- 
schen inlaut  7.  13.  —  behandlung 
von  anl.  sv  im  irischen  7.  8.  — 
inl.  ir.  sc  aus  de  8.  —  Ursprung 
von  welsch  ff  im  anlaut  8,  im  in- 
laut 8.  —  Übergang  von  aspiriertem 
b  (gesprochen  v)  in  f  durch  einflufs 
von  s  oder  th  =  h  im  alt-  und 
neuirischen  8.  —  Verschiebung  von 
g  zu  c  im  welschen  und  cornischen 
durch  elision  des  folgenden  vocals 
herbeigeführt  10  (über  den  gleichen 
Vorgang  im  gall.  vgl.  231). —  aspira- 
tion  der  guttur.  tenuis  zu  ch  im  wel- 
schen durch  vorhergehendes  oder  fol- 
gendes s  11.  —  dv  altkeltisch  zu  d 
geworden  12.  —  hartes  c  altir.  aus 
nk  entstanden  13.  —  ausfall  von  s 
zwischen  r  —  t,  n  —  t,  k  —  t,  r  —  k 
im  keltischen  16.  —  verschiedene 
entstehungsweisen  von  altbulg.  st: 
es  liegen  t,  st,  sk  zu  gründe;  im 
ersteren  fall  entspricht  böhra.  c,  in 
den  beiden  andern  böhm.  st  (böhm. 
stfr  =  altbulg.  ste)  89.  —  abfall 
von  s  vor  t  im  slaw.  inlaut  129, 
von  s  vor  g  ebenda  130.  —  aus- 
fall von  n  hinter  consonanten  im 
polnischen  145.  —  lit.  tenuis  = 
altbulg.  media,  namentlich  in  lehn- 
warten 148.  —  Übergang  tonloser 
consonanten  in   die  entsprechenden 


tönenden  im  polnischen  197  ff.,  Über- 
gang tonender  in  tonlose  ebenda 
203  f.  —  poln.  ri  aus  j  211.  — 
Übergang  von  s  (s,  s)  in  ch  im 
polnischen  221  f.  —  Übergang  von 
g  in  c  im  gallischen  vielleicht  her- 
beigeführt durch  elision  oder  meta- 
thesis  des  folgenden  vocals  231.  — 
Wechsel  von  ch  mit  f  im  altirischen 
höchst  unsicher  236.  —  Übergang 
von  t  in  k  in  unbequemen  lautver- 

bin düngen    im    slawo-lit.    245.    

vei tauschung  von  z  und  z  im  alt- 
bulg. 276.  277.  —  die  zwei  arten 
des  poln.  1  und  ihre  ausspräche  282. 

—  Vorschlag  von  j  und  v  vor  anl. 
vocalen  im  slaw.  und  lit.  347.  355  ff. 

—  lit.  sz  =  xi  358.  —  consonan- 
tengruppen  überhaupt,  besonders  des 
slaw.  359—  868.  —  ausfall  von  v 
in  griech.,  altpr.  und  lit.  consonan- 
tengruppen  370.  —  abfall  von  anl. 
v  vor  1  im  böhm.  und  neuslov.402. 

Unursprüngl.  j  im  slawischen,  na- 
mentlich altbulg.:  a)  vor  anlauten- 
dem vocal  129  ff.  (umgekehrt  einige 
male  abfall  von  echtem  j  im  anlaut 
130).  b)  inlautend  nach  conso- 
nanten: vor  u  altbulg.  131  ff.,  im 
speciellen  Wörter,  welche  j  selbst 
nicht  mehr  enthalten,  sein  einstiges 
Vorhandensein  aber  in  der  assibila- 
tion  vorhergehender  consonanten 
verrathen  133  ff.  —  vor  u  russ.  135. 
136;  vor  nicht  afneiertem  u  ser- 
bisch 136.  —  aus  diesem  ju  wird 
i :  falle,  in  denen  es  schon  altbulg. 
zu  i  geworden,  welches  sogar  zu  e 
gesteigert  wird  136  f.  (dahe*  auch 
ju  neben  i  im  altbulg.  zur  bezeich- 
nung  des  griech.  v  verwendet  137); 
fälle,'  in  denen  es  in  den  neueren 
slaw.  spiachen  zu  i  geworden  137 
(umgekehrt  ju  für  altes  i  im  neu- 
bulg.,  russ.,  poln.  137.  138);  dies 
berechtigt,  auch  sonst,  wo  wir  slaw. 
i  neben  älterem  u  finden,  die  mit- 
telstufe  ju  vorauszusetzen  188  f. — 
unursprüngliches  j  vor  andern  vo- 
calen als  u  139  ff.  —  entstehung 
von  poln.  ksi  (i.  e.  ks),  für  die  be- 
urtheilung  von  skr.  ks  wichtig  144  ff. 
(vgl.  220.  292).  —  unursprüngliches 
j  nach  consonanten  in   poln.  lehn- 


Sachregister. 


487 


Wörtern  aus  dem  deutschen  290  ff. 

—  —  Un ursprüngliches  j  im  lit. 
147 ff. ;  im  lettischen  152. 

Declination.  Gen.  sg.  der  femini- 
nen fi-stämme  im  gallischen  und  iri- 
schen 8.  9.  —  gen.  sg.  der  altir. 
u-stämme  9.  —  gen.  sg.  der  pro- 
nominaldeclination  im  irischen  9.  — 
welscher  plural  auf  -au  gehört  ei- 
gentlich zu  u- stammen  9.  —  gen. 
und  dat.  sg.  im  co mischen  9.  — 
loc.  der  i-  und  u-stämme  im  skr.  13. 

—  loc.    der   pronominaldeclination 

auf  -in  13. Sis   im   instr.  plur. 

der  masc.  auf  -a  geht  schwerlich 
auf  -Sbhis  zurück,  da  im  Veda 
-ebhis  daneben  steht  99.  —  decli- 
nation des  poln.  und  Wirkung  der 
analogie  in  derselben  19  —  88.  — 
nom.  acc.  plur.  der  neutra  im  gall. 

-  und  irischen  230.  —  Ursprung  des 
altbulg.  gen.  sg.  354.  —  dat.  plur. 
der  substantivischen  ja- stamme  im 
litauischen  497.  —  Vergl.  noch 
Dual. 

Dehnung.  Dehnung  von  altir.  o 
zum  ersatz  für  ausgefallenen  nasal 
13.  —  vocaldehnung  im  altbulga- 
rischen und  litauischen  371  ff. 

Dual.  Ursprungliche  bildung  dessel- 
ben 13. 

Erweichung.  Erweichung  der  la- 
bialen vor  e  im  russischen  156. — 
erweichung  von  c,  z  im  russischen 
an  der  ausspräche  des  vorhergehen- 
den vocals  zu  merken  161.  —  er- 
weichte consonanten  dem  dialekt 
des  altpreufsischen  vocabulars  viel- 
leicht nicht  fremd  396  (vgl.  jedoch 
Über  die  in  frage  kommenden  vo- 
calverbindungen  439). 

Gallisch.  Gallische  inschrift  des 
amulets  von  Poitiers  5. 

Hiatus.  Vermeidung  des  hiatus  in 
litauischen  dialekten  355. 

Infection.  Altirische  ausnähme  von 
der  regel  der  infection  15. 

Infinitiv.  Infinitiv  des  keltischen: 
gall.  -tu,  altir.  -(a)d,  -(u)d  17.  235. 

—  Verdoppelung  des  iniin. -suff.  im 
polnischen  und  russischen  211  f. 

Iren.    Kriegsgöttinnen  der  Iren  250. 
Kinder.     Sprachliche  beobachtungen 
an  kindern  215     219. 


Lehnwörter.  Deutsche  lehnwörter 
des  polnischen:  ihr  consonantismus 
an  sich  278  —  286,  conson antische 
lautgesetze  287 — 300,  vocaleinschub 
293. —  Vgl.  noch  Consonanten 
(letzter  absatz).  Volksetymo- 
logie. 

Medium.  Reste  desselben  im  galli- 
schen 228. 

Metathesis  im  altbulgarischen  und 
ihr  verhältnifs  zum  vocal  der  be- 
treffenden silbe  392. 

Milchstrafse.  Namen  derselben  bei 
Illyriern,  Bosniern,  Albanesen  314. 

Nasale  trübung  reiner  vocale  im  pol- 
nischen 145. 

Negativpraefixe  des  irischen  18. 

Neutra  des  altirischen  222 — 227:  a- 
(und  ia-)  stamme  222,  i- stamme 
223,  u- stamme  228,  as -stamme 
224  ff. 

Notae  augentes  des  irischen   13. 

Plural.  Bedeutungsmodificationen  im 
plural  358. 

Pflanzennamen  315 — 342. 

Preufsisch.  Pomesanischer  dialekt 
des  altpreufsisch-deutschen  vocabu- 
lars.    A.  Lautsystem. 

Vocalismus  in  Stammsilben :  altpr. 
a  =  lit.  a  (resp.  slaw.  o)  413,  = 
lit.  e  (zemaitisch  z.  th.  noch  a) 
413  f.,  =  lit.  i  414,  =  lit.  u  415. 

—  i,  y  (nur  graphisch  verschieden) 
=  lit.  i,  y  (resp.  lettisch  slaw.  i) 
415,  =  lit.  a  416  (cf.  896),  = 
lit.  e  416,  =  lit.  e  416,  =  lit.  e* 
417.  altpr.  ie  (=  lit.  y)  scheint 
langes  i  zu  bezeichnen  417.  — 
altpr.  e  gleichmäfsig  für  lit.  e  (e), 
e,  6  mufe  dennoch  nach  mafsgabe 
des  lit.  verschieden  ausgesprochen 
worden  sein  41 7  ff.  altpr.  e  =  lit. 
a  419,  =3=  lit.  i  (als  Schwächung 
von  a)  419.  ee  bezeichnet  vielleicht 
die  länge  von  e  420.  ea  420.  421. 
ei  (ey),  ai  (ay)  421  f.  iey  =  lit. 
Ö  422.  eey  423.  eu  396.  —  u  = 
lit.  u  423  [iu  =  lit.  iu  428],  u 
=  lit.  a  423,  =  lit.  e  423.  424. 

—  o  =  lit.  o  (resp.  slaw.  a)  424, 
=  lit.  a  oder  a*  vor  den  liquiden  1 
und  r  424 f.,  =  lit.  u425.  oa  = 
lit.  a  oder  daraus  geschwächtem  u 
426,  =  lit.  o  426;     für   letzteren 


488 


Sachregister. 


laut  steht  aufserdem  einige  male  a, 
so  dafs  also  die  drei  Schreibungen 
o,  oa,  a  für  lit.  o  auf  die  ausspräche 
ä  hinweisen  426  f.  o,  oa  =  lit.  u 
427;  o  vielleicht  =  lit.  au  427. 
428.  o,  oa  =  lit.  e*  428  (oa  = 
lit.  ai  898),  o  =  lit.  e  428  (cf. 
399).  oay  429.  oy  429.  —  au  = 
lit.  au  428  (resp.  slaw.  u,  zend.  ao 
480),  =  lit.  u  (welches  in  diesem 
fall  contraction  aus  au)  480,  kaum 
=  lit.  e  430.  aw  wohl  mit  au 
identisch  430.  eau  430  (cf.  439).— 
ui,  uy  sss  lit  u,  ui  431  (=  slaw. 
y  402). 

Uebersicht  Über  den  ganzen  vo- 
calismus  der  Stammsilben,  erweist 
nächste  beziehung  zum  meinelschen 
dialekt  des  lit.  431  f. 

Vocalismus  der  silbe  nach  dem 
stamm,  nacb  den  lit.  vocalen  ge- 
ordnet: lit.  a  432  f.,  lit.  e  433,  lit. 
e  433,  lit.  o  434,  lit.  i  434  (cf. 
406),  lit.  e*  434,  lit.  u  434,  lit.  u 
434;  zwischenvocale  bei  consonan- 
tengruppen,  welche  im  litauischen 
fehlen  435.  —  Vocalismus  der  end- 
silben:  masc.  endung  lit.  -as  = 
preufsisch  -as,  -es,  -is,  -s436;  fem. 
endung  lit.  -a  =  altpr.  -o  437;  be- 
hau dlung  des  stammhaften  a  der 
masc.  und  fem.  im  ersten  gliede 
von  compositis  437.  femininendung 
der  ia-declination,  lit.  e,  wird  mehr- 
fach zu  i,  y  im  ersten  gliede  der 
composita  wie  im  einfachen  worte 
438. 

Durchgehende  Schwächung  der  ne- 
bensilben  beweist,  dafs  der  accent 
wie  im  zemaitischen  auf  der  Wur- 
zelsilbe ruht  438.  —  spuren  des 
geschliffenen  tons  liegen  vielleicht 
vor  in  den  Schreibungen  ee,  eey, 
iey,  eau  u.  s.  w.  439. 

Gon8onantismus.  Gemination 
440  ff.,  steht  nach  hochtoniger  silbe 
mit  kurzem  vocal  442.  lenis  für 
fortis  (ein  paarmal  fortis  für  lenis) 
442 f.  (cf.  114. 397),—  j  wird  g,  ig; 
i,  y  geschrieben  448  f.  (bleibt  unbe- 
zeichnet  zwischen  vocalen  446).  — 
b  aus  v  444.  —  t  =  lit.  k  444  (cf. 
116f.  407),  dd  =  lit.  g  446.  —  n 
bleibt  vor  t  und  s  bewahrt,  während 


lit.  ersatzdehnung  eintritt  (altpr.  an= 
lit.  J;  en,  in  =  e;  wan  =  ü)  445. 

—  altes  w  bewahrt  im  vortheil  ge- 
gen das  lit.  446 ;  w  als  Vorschlag 
vor  vocalen  446  (cf.  119);  w  bleibt 
unbezeichnet  zwischen  vocalen  447. 

—  Zischlaute  448  ff.:  s  =  lit.  s 
448.  449,  =  lit.  z  449.  seh  ent- 
stoht  aus  sj  und  entspricht  vielleicht 
nur  einmal  lit.  sz  450  (cf.  399).  s 
=  lit.  sz  450  f.  =  lit.  z  461  f  (cf. 
394.  396.  398).  ergebnis  der  be- 
trachtung  über  die  Zischlaute  452, 

—  z  und  sein  Wechsel  mit  s  452  ff. 

—  bedeutung  von  cz  454  f.  —  ti, 
di  werden  rein  bewahrt  455.  —  d. 
==  lit.  zd,  s  aas  lit.  d  455.  —  li- 
quiden: metathesis  derselben  455  f. 
(cf.  115.  401.  402).  —  r  gegen- 
über lit.  r  fehlend  456.  rg,  g  für 
lit.  r  456.  —  lg  *=  lit.  1  456.  — 
prothet.  1  möglicherweise  Schreib- 
fehler 457.  Unterdrückung  von  k 
zwischen  liquiden  und  t  118. 

Uebersicht  der  eigenthümlichkei- 
ten  des  pomesanisch-altpreufs.  con- 
sonantismus  457  f. 

Schlufsresultat:  Stellung  des  po- 
mesanisch-altpreufs. zu  seinen  ver- 
wandten 458. 

8.  Nomina.  Ihre  ausgänge  im 
nom.  8g.:  feminina  gehen  vocalisch 
aus  119  — 122.  vocalisch  ausge- 
hende masc.  122 f.  formen  auf  -an 
wahrscheinlich  nominative  des  neu- 
trums  404.  —  pluralia  auf  -es  und 
-os  124 f.  (cf.  396).  pluralia  auf 
-aytos  scheinen  deminutiva  zu  sein 
126. 

C.  Suffixa.   -eno,  -ano,  -no  114. 

to  115. istian  118.405.— 

-toys  sss  lit.  -töjis,  lett.  -täis  (fem. 
-taja),  ru8S.-lit.  -tojas,  -tajas,  im 
wesentlichen  a=  -t^s,   -xa?  122  f. 

—  altpr.  -nikis,  -nix,  russ.-lit. 
-nikas,  preufs. -lit.  -nlnkas,  lett. 
-neeks  123.  —  -tue,  -tuan  zu  lit. 
-tuvas,  -tuve  126.396.  —  -üni!97. 

—  -cle   393. isto,    lit.  -^sta, 

-yste  897.  —  -meno  zu  lit.  -mene 
399.  —  -eynis,  lit.  -^nas  399.  — 
-be  zu  lit.  -yba,  -ybe  401.  —  -elis 
402. eyto;  -aytos  421. 

Quantität.     Hexameter  des  Donali- 


Sachregister* 


4«9 


tiii8  nach  dem  wortaccent,  nicht 
nach  der  quantität  gebaut  477. 

Reflexivum  des  litauischen  482  f. 

Russisch.  Olonecischer  dialekt 
des  russischen.  Lautsystem:  für  e 
tritt  i  ein  153  f.  —  erhaltung  des 
vollen  i  der  infinitivendung  154. — 
Übergang  von  e,   je  in  o,  jo   154  f. 

—  altbulg.  je,  russ.  6  geschrieben, 
wird  jo,  welches  anlautend  zuweilen 
j  verliert  155  (davon  finden  sich 
auch  gemeinrussisch  beispiele  ebd.). 

—  erweichendes  e  wird  ja,  nach 
palatalen  a  155  f.  (ähnlich  im  weifs- 
russ.  156).  —  aus  altem  i  entstan- 
denes e  hat  zuweilen  keinen  erwei- 
chenden einflufs  156.  —  ausl.  i 
bleibt  erhalten  nach  c  und  in  der 
dritten  pl.  praes.  166.  —  Vertretung 
von  altbulg.  ü  durch  o:  im  auslaut 
der  praep.  auch  vor  einfacher  con- 
sonanz  156,  sogar  vor  vocal  157; 
im  nom.  sg.  männlicher  a-  stamme 
vor  suffigiertem  artikel  tu 
157  (ähnliches  im  altruss.  ebd.).  - 
ü  als  solches  mit  eigentümlicher 
ausspräche  bewahrt  158.  —  behand- 
lung  von  altbulg.  ra,  la  158.  — 
Vorschlag  von  j  vor  vocalen  158; 
Vorschlag  von  v  158.  —  fehlen  des 
n  vor  obliquen  casus  des  pronomen 
i  nach  praepositionen  158.  —  zu- 
sammenziehung von  vocalen  nach 
ausfall  des  trennenden  j  159.  — 
ausfall  anderer  consonanten  159. — 
erleichterung  anlautender  consonun- 
tengruppen  durch  prosthetisches  o 
159.  —  ab  fall  anlautender  silben  169. 

—  behandlung  von  c,  z,  c  159  f. — 
assimilation  von  k,  g,  ch  an  fol- 
gendes n  167;  von  v  an  vorherge- 
hendes b  167.  —  Übergang  von  j 
in  g  167.  —  z  steht  für  *dj  = 
altbulg.  zd  167;  c  für  *tj  =  alt- 
bulg. st  z.  th.  consequenter  als  im 
gemeinruss.  168,  in  den  part.  praes. 
daueben  sc  mit  besonderer  (sogar 
causativer  )  bedeutungsmodification 
168.  —  ab  fall  des  Suffixes  der  8.sg. 
praes.  168,  der  3«  pl.  nur  bei  der 
i-classe  168.  —  Übergang  von  v  in 
m,  von  m  in  b,  von  d  in  g  169. 

Declination.      Zusammenziehung 
im  nom.  sg.  der  fem.  auf  -ynja  wie 

Beiträge  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4. 


im  altbulg.  169.  —  nom.  sg.  doel 
und  mati  169.  —  nominativform 
des  sg.  als  acc.  bei  den  femininen 
a-stämmen  169.  170.  —  dat.-loc. 
sg.  fehlt  gänzlich  bei  den  femini- 
nen a-stämmen  und  wird  durch  den 
genitiv  ersetzt  —  Ursache  dieser  er- 
scheinung  170. •  Hl.  —  instr.  si- 
lomü  (von  sila)  171.  —  declination 
von  cerkovi  171.  —  genitive  und 
locative  auf  -u  171  f.  —  alter  vo- 
cativ    auf  -u  von  ja- stammen  173. 

—  declination  der  deminutiva  auf 
-uska,  -usko  173.  —  beispiele  des 
duals  174.  —  pluralformen  175  ff. 

—  übertritt  der  a- stamme  in  die 
analogie  der  ja -stamme  177.  — 
Nicht  zusammengesetzte  declination 
der  adj.  178.  —  Pronominaldedi- 
nation:  declination  von  tu  (und 
etotü)  178  ff.  demonstrativum  be- 
sonders ausgebildet  181..  declina- 
tion von  i  181.  Personalpronomen 
182.  —  Declination  des  zusammen- 
gesetzten adjectivs  182  f. 

Stammbildung.  Wortformen  und 
sätze,  welche  im  polnischen  zu  stam- 
men herabgesunken  sind  204 — 210. 

Steigerung.  Statt  angeblicher  Stei- 
gerung von  y  zu  va  im  slawischen 
ist  vielmehr  Verkürzung  von  va  zu 
y  anzunehmen  368  ff.  —  Steigerung 
von  altbulg.  o,  e  zu  a,  e  und  ihre 
bedeutung  für  die  quantität  im  alt- 
bulg. 373  f. 

Suffixa.  Rest  des  suff.  skr.  -tvä  im 
altir.  18.  —  gall.  -unno  und  seine 
entstehung  18.  —  auf  nasal  schlie- 
fsender  stamm  nimmt  im  altbulg. 
bei  antritt  weiterer  consonantischer 
suffixe  dieselbe  form  an  wie  im  nom. 
sg.  9  2  ff.  altbulg.  -yto  92  ff.,  -yta 
94,  atü  94  f.  —  erweiterung  des 
Suffixes  -an  durch  angefügtes  -ta 
im  slaw.,  lat.,  skr.,  deutschen  und 
vielleicht  griech.  93.  —  gegensei- 
tiges Verhältnis  der  suff.  -an  -ana, 
-jaov  -fiora,  -/Air  -/ui>va  u.  ä.  96. — 
altbulg.  -gii,  -ga  130.  —  altbulg. 
-ci  182.  —  lat.  -ulcus,  -ulcine  151. 
ksl.  -osti  188  ff.  —  griech.  neutra 
abstracta  auf  -oq  neben  adj.  und 
ihre  lituslawischen  parallelen  188. 
—  lat.  adj.  und  abstracta   mit  den 

32 


490 


Sachregister. 


Suffixen  -to  and  -tft  yon  stammen 
auf  urspr.  -as  189.  —  lit.  -astl-s 
189.  —  lat.  or  primär  und  secun- 
där  189.  —  lit.  -esti-s  190.  —  lit. 
-esi-s  191.  —    altböhm    -est'  192. 

—  secnndäres  abstracta  bildendes 
-tä  im  slaw.  häufig  192.  —  ksl. 
-ostf,  kleinr.  oscy,  böhm.  (instr.  pl.) 
oscemi  198.  —  ksl.  -os-tyni  ver- 
wandt mit  -oört]t  skr.  -tvani,  an- 
dererseits mit  got.  -assu  198.  — 
lit.  -yete,  alt  -yata  198.  —  ksl. 
-ynja,  nom.  sg.  -yni  194  ff.  —  ksl. 
y  =  urspr.  ö,  feminina  und  ab- 
stracta bildend  195.  —  Weiterbil- 
dung eines  Stammes  auf  urspr.  -tar 
zu  -tru  im  lat.  195.  —  poln.  -<5 
allmählich  immer  mehr  vor  -s£ 
(altbulg.  -sti)  zurückweichend  211. 

—  annähme  altir.  abstracta  auf  -u 
statt  -tu  ganz  unhaltbar  225.  — 
lit.  -kla  as  altpr.  -tla,  urspr.  -tra 
245.  —  altbulg.  -istvo;  altbulg. 
-iskü,  got.  -iska  366.  367.  —  lit. 
deminutivsuffix  -elis,  -e'lis  372.  — 
-tra  adjectiva  bildend  391. 

Verba,  secundäre.  Denominativa 
des  keltischen  14 f.;  griech.  auf 
-a£w  15.  —  secundäre  verba  des 
litauischen  von  scheinbar  primärem 
aussehen  150. 

Vocale.    Irisch  f,  welsch  i  aus  ä  6. 

—  welsch  u  =  gall.  o  12.  —  ent- 
stehung  von  skr.  e  im  reduplicier- 
ten  praeteritum  von  wurzeln  mit 
inlautendem  a  102  f.  —  poln.  e  für 
i  und  y  212  ff.;  umgekehrt  i,  y 
für  e  214  f.  —  Wechsel  von  i  und 
u  im  poln.  246.  247.  —  böhm.  ou 
dehnung  von  u  397.  —  böhm.  a 
mehrfach  =  altbulg.  $,  russ.  ja 
402. 

Vocalreihen.     Uebertritt    von    der 


a- reihe   in    die   u- reihe   im  litaui- 
schen 150. 

Vocativ.  Vocativ  statt  nominativ 
im  serbischen  173  f.  —  serbische 
nom.  sg.  masc.  auf  o  sind  eigent- 
lich vocative,  desgleichen  die  auf 
oje  174.  —  neubulgarische  voca- 
tive auf  o  von  a-  und  ja-etämmen 
174. 

Volksetymologie.  Lautliche  Um- 
gestaltung polnischer  lehn  Wörter  aus 
dem  deutschen  durch  Volksetymo- 
logie 301—805. 

Wurzeln.  Angebliche  sanskritwur- 
zeln auf  S  äi  ö  und  ihr  Verhältnis 
zu  den  wurzeln  auf  ä  101;  angeb- 
liche sanskritwurzeln  auf  j  103. — 
Verlust  der  Wurzelsilbe  in  polnischen 
Wörtern  246. 

Zahlwörter.  Zahlwörter  des  kelti- 
schen 12 f.;  bezeichnung  der  distri- 
butivzahlen im  altirischen  235.  — 
polnische  Zahlwörter  im  löten  und 
löten  sec.  247. 

Zemaitisch  886. 

Zetacismus.  Aelteste,  in  einigen 
sprachen  noch  jetzt  erhaltene  stufe 
des  slawischen  zetacismus  mit  er- 
haltung  von  j  161—166  (ähnliches 
im  litauischen  und  lateinischen  166); 
für  die  erkenntnis  dieser  stufe  von 
bedeutung  russ.  sc  (neben  c)  =  alt- 
bulg. st  ss  tj  und  russ.  zdz  = 
altbulg.  zd  s  *dj  164.  —  guttu- 
rale eher  und  leichter  von  j  affi- 
ciert  als  dentale  165.  —  ausnah- 
men vom  zetacismus  der  gutturale 
in  russ.  dialekten  durch  überwie- 
gende analogie  der  formen  mit  er- 
haltenem guttural  166.  —  zetacis- 
mus, speciell  labialzetacismus  im 
polnischen  220.  —  Vgl.  noch  Rus- 
sisch. 


Wortregister. 


491 


II.    Wortregister. 
A.    Arische  sprachen. 


l)  Sanskrit. 

wz.  arik471. 
angi  3. 
an|ira  327. 
ati  265. 
andha  280. 
apa  7. 
ipas  192. 
apnas  192. 
amatra  391. 
amäsisam  (wz.  mi, 

102. 
amitrahan  889. 
ambu  229. 
arkhämi  16. 
wz.  ardh  392. 
ava  125. 
acmanta  93. 
aham  259. 
ahvam  102. 
änanka  4. 
äha  259. 
ükjati  147. 
udaka  8. 
udara  872. 
wz.  us  130. 
usas  130. 
usras  180. 
usr*   180. 
rta  4. 

kadä  269.  275. 
kanda  327. 
karpara  148. 
kalabha  338. 
kffnkana  388. 
kffrtasvara  838. 
wz.  kru9  138. 
wz.  klath  18. 
wz.  klam  4. 
ksara*  858. 
wz.  ksu  138. 
khala  888. 
khalu  260. 
wz.  khid  107. 
gandha  327. 
garbha  402. 
gSritra  822. 
grnämi  148. 


mi) 


gläjffmi  101. 

gha,  ghä  257  ff. 

gha  (schlagend)  260. 

ghana  260. 

ka  89.  90.  265. 

Katiir-  870. 

katväras  370. 

wz.  kar  4. 

wz.  ki  265. 

kikäja  103. 

kikis-  108. 

kiketa  108. 

gagat  103. 

gagSti   103. 

|agSjSt  108.      , 

ganas  461. 

garäs  189. 

gar*  189. 

gajati  104. 

gigämi  103. 

gigäja  103. 

gita,  glna  (wz.  gja")  104. 

gvara"  370. 

tatnise  102. 

tan6mi  370. 

tan  tu  9. 

wz.  tars   16. 

tala  401. 

wz.  tos  138. 

tüsnim  138. 

tiniva   102. 

wz.  trank  231. 

tripatra  887. 

trfiitana  4. 

däsfrä  16. 

dajami  101. 

wz.  darb  192. 

dacan  18. 

wz.  dah  140. 

däru  4. 

wz.  du  150. 

djämi  101. 

djüta  104. 

djüna  104. 

drije  101. 

dvaram  281. 

dve"   12. 

dhattüra  338. 

wz.  dhar  192. 


dhustüra  388. 
dhrij*-  101. 

na  (in  compar.  sinn)  266, 
nahi  268.  276. 

ni<|&  *• 
nema  18. 

wz.  pak  115. 
paptima  102. 
parikara  471. 
pjüajffmi  105. 
pit*r  7. 
pitd  7. 
pipürvas,  pipfirtnas 

u.  s.  w.  101. 
wz.  pis  322. 
purd  7. 
prthd  7. 
prthütS  189. 
pllhan  8. 
babhüva  467. 
wz.  budh  183. 
budhita  104. 
brhaspati  4. 
brahman  4. 
bhavisjati  18. 
wz.  bhiks  6. 
wz.  bhl  370. 
bhisajämi  370. 
bhismä  870. 
bhörga  327. 
wz.  bhjas  370. 
wz.  bhräg  827. 
wz.  bhri  102. 
maghavan  8. 
matja  104. 
mada  8. 

wz.  manth  114.  485. 
mamau,    mamS  (wz.  mi, 

ml)   102.  104. 
mahas  226. 
mas  6. 
mitra  391. 
wz.  mud  469. 
mriji-  101. 
ja  467. 

jakan,  jakrt  114.  897. 
jathfi  10.  14. 
jadi  268.  269. 
jugam  136. 

32  # 


m 


Wortregister. 


jfis*  130. 

wz.  rad  229. 

r&i  6. 

wz.  ru  132. 

laghu  228. 

wz.  lubh   181. 

vafcfi  325.  338. 

wz.  vas  130. 

vfi  265. 

vfirtrataatja  389. 

wz.  vf,  vraömi  228. 

vrtra  244.  388  ff. 

vrtraghna  389  f. 

vrtraghni  389. 

vrtratara  388. 

vjrtratur  390. 

vrträhatha  389. 

vrtrahathja  889. 

vrtrahan  388  ff. 

vrtrabantama  388  f.  890. 

ca8tram   1 6. 

wz.  9udh   188. 

wz.  9Fdh  827. 

91-addadhämi  481. 

9rÖai  399. 

wz.  9va8  369. 

9veta  322.  323. 

sa-  197. 

wz.  sad  (sedere)  141. 

wz.  sad,  ä-sad  (adire)  141. 

sadha-  259. 

sam   197. 

salila*  398. 

savja  135. 

wz.  sah  12. 

saha  259. 

sämi  18. 

wz.  sthä  18. 

wz.  sphäj,  pasphffje  103. 

sma,  smfi  14.  476. 

•ja  276. 

wz.  sjand  141. 

svadhajfi  14. 


svapna  7. 
svajäm  13. 
svasar  7. 
Bväpajämi  7. 
ha,  hfi  257  ff.  276. 
wz.  han  260. 
hi  257  ff.   276. 
hvajSmi   101. 


2)  Neuindiscbe 
sprachen. 

kSfir.  fibrü  118. 

3)  Altbaktrisch. 

aparazSta  128. 
qffdaena  44. 
zarathustra   128. 
zarathuströtema   1 28. 
zi,  zi  263. 
thraetaona  4. 
wz.  thrak  231. 
dfitam  229. 
duje  12. 
nazda   12. 
pitu  7.  9. 
pourusa?pa  128. 
frathanh  189. 
maidhömSo    128. 
maodhana  469. 
ja  467. 

verethraghni  390. 
wz.  vere   390. 
verethra  389  f. 
verethraghna  389  f. 
verethragan  389. 
verethragä9tema  389. 
verethrataurväo  390. 
vcretbravan  390. 


hadha  259. 
9a  08 jan  (  128. 
9raoni  399. 
hämvereta  890. 
häravereti  390. 


4)  Altpersisch. 

frfi,  fran  in  tfJajjn/c;,  4>«m- 
10170?  u.  s  w.  392. 


5)  Pehivi. 

gandenfik  327. 
nfinu9prm  324. 
vSdrengboi  321. 
zardah  332. 


6)  Neupersisch. 

behrfim  389. 
gandfim  323. 
ganarz  335. 
gurd  390. 
gurdl  390. 
vag  325. 
varaj   325. 
virag  825. 
zarävand  820. 


7)  Kurdisch. 

giezer  331. 
karaabit  335. 
khas  333. 
mekuk  337. 
nänä  324. 
punk  324. 


B.    Keltische  sprachen. 


1)  Altkeltisch. 

Aboüä  229. 
Abusina  229. 
'Aßas  229. 
anam  230. 


*Avava  230. 
ambacto8  471. 
ambe,  ambes  2-29. 
Ambris  229. 
ara  228. 
aremorici  228. 


arevernus  5.  228. 
ate-  249. 
avallo  230.  231. 
Belatucadrus  17. 
Be8antium  407. 
bratude  229. 


Wortregister. 


493 


Brigantes  4. 
Brigantia  4. 
brio  229. 
Brivodurum ,    Brio  durum 

229. 
Brivo-Isarae  229. 
caio  230. 
cambiare  231. 
Cambos  231. 
karnidus  15. 
Cathubodua  250. 
Cenomani  226. 
Cenimagni  226. 
Coifi  243. 
Cunotamo8  12. 
daniraa  5. 
datalages  5.  228. 
decavi  1  7 . 
Divona  230. 
Dontaurios  5. 
doro  231. 
dunon  228. 
dvorico  280.  231. 
Esuggius  408. 
Esus  243. 
gnatus  231. 
hrodanus  228  f. 
inter  229. 
Isarnodori  231. 
Istigius  408. 
lautro  229. 
logan  230. 
Lugudunon,    Lugdunon 

227  f. 
Mogounoa  3. 
more  228. 
morini  228. 
nanto  229. 
Nantuates  229. 
nate  231. 
Obuldumi  17. 
onno  230. 
pempedula  324. 
petorritum  12. 
Petrocorii  12. 
Petrncorius,  -ii  12. 
planarati  243. 
renne  281. 
R(h)odanus  229. 
Sacsano  12. 
Sagramnos  228. 
Samarobriva  229. 
Scultenna,    Snovliawa 

229. 


Sirona  243. 
Tinu  17. 
Toliandosso  12. 
Tolistoboii   12. 
tome  17. 
treicle  231. 
trigaranus  4*  230. 
iQtficiQxiota  230. 
trinanto  229. 
nxellim.  12. 
vertraguB  11.  231. 
Vesontius  407. 
Vesuccius  407. 
Vesunna  408. 
Visontio  407. 
Visucia  408. 
Visucius  408  ff. 
Vizuzia  (j.  Wzouse)  408. 


2)  Irisch.  Gaelisch. 

Neuirisch  gesperrt. 

abh  229. 
abhall  231. 
accestar  460. 
aco  462. 
adchess  460. 
admuinemmair  471. 
adrodar  47 K 
aeth  235. 
aibhell  229. 
aile  463. 
ailith  466. 
ailiu  463. 
aimf'e'sach  18. 
aine  9. 

aisndedat  464. 
am-  18. 
amach  225. 
amaigh  225. 
ambuaid  223. 
ammag  225. 
amradair  463. 
amre  463. 
an  230. 
an  230. 
Ana  250. 
anasrochumlai  16. 
angaibes  466. 
angnin  223. 
alled  225. 
aranerailend  469. 


arco  16.  462. 

arm  230. 

arnachnelammar  474. 

arsisedar  470. 

art  4. 

artu,  arddu,  ardu  225. 

as  10.  228. 

asberam  472.  473. 

ass  10. 

assa  10. 

asteach  224.  225. 

astigh  224.  225. 

ata"   18. 

atchithisi  468. 

ateg,  atech  224. 

athair  7. 

atong  462. 

atormag  222. 

aue  3. 

Badb  Catha  250. 

badib  463. 

baitsidir  468. 

bam  472. 

barn  7. 

bem  473. 

Be-Neit  250. 

berith  466. 

berrthir  468. 

beru  462. 

bharn  8. 

biam  18.  472.  473. 

bieid  18. 

bieit  18. 

birusa  462. 

bith  223. 

biuusa  463. 

blaisim  468. 

blast*  468. 

bocht  6, 

boie  (leg.  bdie)  466.  467. 

Brigit  4. 

Brigte  4. 

brise  8. 

buaid  223. 

gael.  burmaid  329. 

cacha  9. 

cad^ssin  7. 

cae  280. 

cainte  16. 

cais  460. 

canisin  7. 

caras  464.  467. 

carate  467. 

carith  466. 


494 


Wortregister* 


catchhottmidi  478. 

caut  7.  13. 

clile  4. 

cem  226. 

cen^lae,  cenele  15. 

cenusamlar  478. 

cerdcha,  cerddchae  280. 

charand  469. 

chesend  469. 

chftM  468. 

cian  225. 

cinteir  16. 

cftach  7. 

cftan  7. 

-cfo  460.  461. 

claideb  18. 

clam  4. 

codosgnemi  474. 

cofotheasa  472. 

gael.  coibhi  248. 

ctfic  12. 

comcisnib  460. 

conda  472. 

confodma  474. 

conrotgatar  285. 

conrurelsa  472. 

Corc  16. 

coscrad  285. 

crann  281. 

cuig  12. 

cuimtgimm  (nicht  cunut- 

gim)  478. 
cultech  224. 
cumachtach  15. 
cumachtaigim  15. 
cumang  222. 
cumtach  478. 
curbam  472. 
curend  469. 
daingnigthir  468. 
daintech  16. 
däna  5. 

dan&ircechnatar  236. 
d&ügthea  9. 
d&iigud  9. 
-de  Tl. 
d^ac   13. 
dearbhann  469. 
d6c  13. 
dechtire  6. 
deicsiu  460. 
delbe  223. 
deaimrecht  '223. 
dearairechtaigtir  468. 


df  12. 

diamain  233. 

diandid  249. 

dlegtair  468. 

dodfongad  462. 

dolcomnacht  16. 

doepethar  471. 

doirsib  228. 

domnu  225. 

dophetharsu  7. 

doracräid  17. 

dorigni  460. 

dorimthirthetar  471. 

dorintai  17. 

dorus  228.  281. 

dosluinend  469. 

drimthirid  471. 

duemsa  472. 

deine  8. 

diiine  226. 

dtin,  gen.  duine  226.  228. 

dunäircecbnatar  286. 

eascu  283. 

easgan  238. 

echtar  6    16. 

en  3. 

e*nert  11. 

epscop  233. 

aerbar  472 

erchötigend  469. 

erdathe  229. 

erladaigidir  471. 

escop  283. 

eter,  etar  229. 

fadam  472. 

fad&in  7.   14. 

faireog  7. 

fairthe  7. 

fanisin  7. 

faolchii  7. 

farn  7. 

fastand  469. 

fearrde  10. 

fedaim  7. 

fedme  7. 

fe'ith  3. 

ferr  9.  10. 

fiar  7. 

fid   223. 

fil  464. 

nie  466. 

fillim  7. 

filus  7. 

ffr  6. 


fitir  464. 

foaid  7. 

fode'in,  gen.  fodelne  14. 

foicblend  469. 

foillsigthf  468. 

foir  468. 

foirbhthe  8. 

foirbthetu  225. 

foircsiu  460. 

foirfe  8. 

fordindet  464. 

forelgatar  286. 

forfenar  236. 

fornem  224. 

foselgatar  236. 

fosligim  236. 

fresesiu  460. 

fristinfet  464. 

fugall  222. 

fuilgend  469. 

fuiUend  469. 

fuinenn  469. 

falang  222. 

funend  469. 

gaibiu  462. 

gaibtir  468. 

geinitir  471. 

geinithir  470. 

genither  470. 

geoghna  478. 

giulae  466. 

gltiine  226. 

gltfn  226. 

glunae  226. 

glüne  226. 

glunib  226. 

gne*  460. 

gnite  466. 

gnfu  460.  461. 

guidiu  463. 

guin  228. 

-gus  3. 

heidme'it  14. 

hochrfst  236. 

honaifleidmenaib  8. 

huaislimem  12. 

iacanm  236. 

iarraim  468. 

iarrthai  468. 

iarum  236. 

fchtar  6. 

idmdit  14. 

fl  7. 

ilar  222. 


Wortregister. 


491 


imb  3.- 

imcaissiu  460. 

imcasti  460. 

incholnignd  235. 

indaleithesin  225. 

indib maigib  225. 

indidultaig«  224. 

indlöge  226. 

infid  223. 

inn  280. 

inna  9. 

innatlugum  472. 

innfalu  233. 

intige  224. 

intsleibe  225. 

intfsfa  14 

ioth  223. 

fs  6. 

isdiamnin  233. 

isö  se  18. 

isintig  224. 

issammuir  228. 

istech  224. 

itaig,  ftaig,  hitaig  224. 
itargninim  15. 

ith  7.  9.  223. 

inchair  117. 
lautu  238. 
leith  225. 

lenand  469. 

leth,  led  (latus)  222.  225. 

226.       . 
leth,    dat.   leuth   (dirai- 

diura)  222. 
lethan  7. 
limm,  lemm  464. 
lfn  223. 
lind  223. 
Hon  228. 
litre  223. 
loch  223. 
loch  228. 
log  226. 
löthar  229. 

lü\  compar.  laigiu  228. 
luach  226.. 
lüda  233. 
lutain  238. 
mablastf  468. 
mag  225.  226. 
maig  225. 
maige  225. 
membur  280. 
mesc  8. 


mesce  8. 

messtar  283. 

rai,  gen.  mis  6. 

mind  223. 

mind  223. 

misir  288. 

moltaoi  468. 

mörföser  7. 

Morriga  250. 

mu,  mo  14. 

muich  225. 

muige  225. 

muinither  471. 

muhiter  471. 

muir  228.  228. 

nacha  9. 

nadgenetar  471. 

naiscü,  nescn  233. 

nasroin  472. 

neam  224. 

neb  18. 

nel  233. 

nem  224.  226. 
Neman  250. 

nemh  18. 
nephfrescastu  460. 
nerladaigedar  471. 
nert  230. 
nessam  12. 
nibam,  nipam  472. 
nim  224.  225. 
nime  224.  225. 
nimib  224. 
no   14. 

nochartnis  15. 
nochartis  15. 
notfntae  17. 
6  7. 

öa  3.  7. 
ochtmad  18. 
öena  9. 
öl  223. 
öl  228. 
olo  230. 
pardais  236. 
parduis  286. 
gael.   piuthar,     gen. 

thar  7. 
recht  228. 
remcaissin  460. 
rendaib  228. 
rethann  469. 
rf  6. 
riccu  468. 


pe- 


ricthai  468. 

rimther  470. 

rind  223. 

rindarpai  16. 

rinn  223. 

ro-  229. 

rodscrfbai  17. 

rubnrt  16. 

saiges  466. 

sant  16. 

scipar  5. 

scoltaim  229. 

scribthir  468. 

se  7. 

söim  18. 

söitche  4. 

serbh  7. 

söt  149.  150. 

siar  7. 

sfl,  gen.  sfl  222. 

siniu  10.  11. 

sfol,  gen.  sfl  222. 

sleidm  8. 

siebe  225. 

slebib  225. 

Bleib  225. 

ßliab  225. 

sligim  286. 

slnindes  466. 

sluindite  466. 

sluindith  466. 

Bora,  Bern  14. 

Botho,  Bothe  228. 

sroth,  8ruth  238. 

Brnth  228. 

snan  7. 

Buth,  Both  228. 

t£  18. 

taipe  471. 

tanac  4. 

tart  16. 

teach  224. 

tech  14.  224. 

techtas  466. 

teg  224.  226. 

töte  466. 

tiagu,  tiagussa  462. 

tirathirthid  471. 

timthrecht,     timthirecht 

471. 
tinfedam  464. 
tfr  228. 
tfr  2S3. 
tfrim  16. 


496 


Wortregister. 


tirme  16. 

tdcband  469. 

todlai(g)ther  470. 

tongusa  462. 

törmag  222. 

traig  231. 

trelse   11. 

treissiur  11. 

trän  11. 

tressa  11. 

tressam  11. 

triab  236. 

tnath,  gen.  tre'than  4. 

tris  12.   467. 

triub  236. 

tussu  13. 

ua  7. 

uachtar  6.  16. 

uadaib  463. 

uaidib  463. 

mittelir.  uarn  7. 

uas  11. 

uasal  12. 

uathib  463. 

ubhall  231. 

uisce  8. 


3)  Welsch. 

af-  18. 
afall  231. 
amaeth  471. 
Ambyr  229. 
altw.  bit  466. 
briw  229. 
briwio  229. 
bum  466. 
bwyf  18. 
cae  230. 

kiglif,  kiglef  466. 
cläf  4. 
cyffred  8. 
kjmerth   16. 
chwant  16. 
chware  7. 
chwarel  7. 
chwech  7. 
chwedeg  11. 
cbwedl  7. 
chwel  7. 
cbwerw  7. 
chwi  7. 
chwiawr  7. 


chwilgi  7. 

chwith  7. 

chwylaw  7. 

crihot  (leg.  cridot)  466. 

crit  466. 

altw.  dafraud  473. 

dagr,  dagrau  9. 

datolaham  5. 

deng  13. 

din  228. 

doeth  16. 

dor  231. 

dyrcbauawt  473. 

eithaf  12.   16. 

eithyr  6.   16. 

ffaelu  8. 

ffeU  8.  \ 

ffer  8. 

ffest  8. 

ffraeth  8. 

fFroen  8. 

ffrwdd  8. 

ffunen  8. 

a  gant  16. 

grazacham  14. 

grynnawt  473. 

guell,  gwell  10.   11. 

guir  6. 

gwasgarawt  473. 

gwledychawt  473. 

hardach  10. 

heitham   12. 

Hu  243. 

hyn  10.   11. 

iawn  3. 

istlinnit  466. 

Uafn  480. 

lleiach   10. 

llydan  7. 

mor  228. 

myned  471. 

nant  230. 

neint  230. 

nentydd  230. 

nemheunaur  4. 

prenn  231. 

pump  12. 

rig  6. 

ser  243. 

tant,  pl.  tannau  9. 

taw  18. 

tecach  10. 

traha  11. 

trais  11. 


trech  11. 
treiglawt  473. 
treissiur  11. 
tren  11. 
uch   11. 
üthr  6.  16. 
wy   12. 
yd,  pl.  ydau  9. 


4)  Gornisch. 

caid  233. 

kentar  16. 

keth  233. 

claff  4. 

kres,  dat.  kreys  9. 

daras  231. 

haccra  10. 

hager  10. 

marh,  gen.  merh  9. 

merh,  gen.  myrh  9. 

mones  471. 

nans,  pl.  nanssow  230. 

neid  4. 

pen,  dat.  pyn  9. 

squenip  5. 

yntre  229. 


5)  Bretonisch. 

ahimp   249. 

ahmt  249. 

ahy  249. 
',  aual  231. 
j  aznat  248. 

barbdifeith  248. 

bresk,  brüsk  8. 
;  kemma  231. 
j  daou  12. 

deuhymp  249. 

difeith  248. 

diou  12. 
I  diouguet  248. 
!  dizoen  248. 

dor  231. 

douque  248. 

eheut  249. 

entre  229. 

felc'h  8. 

gouzout,  gouzvout  248. 

grahe  249. 

grahech  249. 


Wortregister. 


497 


grahemp  249. 
grahenn  249. 
grahent  249. 
greheut  249. 
grehint  249. 
groaet  248. 
grohimp  249. 


guereu  249. 
guerue  249. 
gueure  249. 
hazvez  248. 
louazr  229. 
monet  471. 
oa(n)t  248. 


ober  249. 
Ormandi  234. 
Ormant  234. 
Ormantes  234. 
prenn  231. 
sclacc  5. 
treVha  IX. 


C.    Lituslawische  sprachen. 


1)  Dakisch. 

xyofaidrri   114. 


2)  Altpreufsisch. 

abstocle  393. 

abstotten  393. 

addle  445. 

agins  122.  442. 

ains  347. 

aketes   124. 

ackis  443. 

ackons  125. 

alkunis  118. 

alne  393.  394. 

alu  122. 

ane  394. 

anga  267. 

angurgis  415.  456. 

ansis  347. 

ape  415. 

arelie  121.  457. 

arglobis  394.  444. 

artoys  446. 

artwes  414. 

arwarbs  394. 

asy  121. 

assanis  418. 

assaran  394. 

assegis  394.  456. 

attolan  394. 

attolis  126. 

aubirgo  (anbirgo?)   13. 

auklextes  124.  394.419. 

453. 
ausis  453. 
austo  430. 

antre  422.  430.  446. 
auwerus  125. 
auwirpis  125. 


babo  413. 

balgnan  457. 

beggi  267. 

boadis  427. 

bordus  455. 

brisgelan  894. 

broakay  113.  427.  394. 

brokis  427. 

bucuB  325. 

dagagaydis  823. 

dagis  323. 

dagoangis  323.  394. 

dalptan  368.  394 

dangus  121. 

dantimax  113. 

dauris  480. 

deynayno   114. 

dygi,  deigi  267. 

dylagaptin  114. 

doacke  113. 

doalgis  426. 

dongo  394. 

dragios  124.  413. 

drimbi8  395. 

dnmpbis  113.  377.. 

ebsentlrans  245. 

erains  347. 

esketres  125.  456. 

eetureyto  115. 

gaydis  323. 

gallan  370. 

gallintwei  870. 

garian  414. 

garkity  121. 

geauris  396. 

geeyse  428.  456. 

geytye  823.  895. 

gelatynan  435. 

genno  418. 

gertoanax  116.  395.  400. 

447. 
girnoywis  126. 


glawo  444.  455. 

glosano  455. 

glossis  427. 

gnabsem   113. 

gnode  118. 

golimban  425. 

golis  370.  395. 

gorme  121.   126. 

grabis,  garbs  395.  455. 

granstis  113.  377.  395. 

grobis  377.  402. 

grosis  442. 

gurcle    393.    400.    423. 

424. 
inetixs  458. 
insuwis  457. 
irmo  416. 
yttroy  117. 
iuse  448.  457. 
kaden  268. 

kaigi,  kägi,  kaige  267. 
caymis  422. 
caymoys  118. 
kamato  829. 
kalabian,  kalbian  444. 
kalpus  395. 
kalso  118. 
kanowe  395. 
karyago  448.  455. 
cariawoytis     895.     429. 

443. 
karige wayte  429. 
karczemo  454. 
caune  396. 
cawx  480. 
keckers  113. 
kekulis  895. 
kento    (vielmehr  keuto) 

396. 
kentaris    (vielmehr   keu- 

taris)  895.  896. 
kerko  896. 


498 


Wortregister. 


kexti  895.  419.  458. 

kylo  417. 

kiosi  896.  428. 

kiranan  396. 

kisses  113.  396. 

clattoy  121. 

klexto  894.  419.  458. 

clines   124. 

clnmpis  114. 

knaistis  896. 

knapios  124.  435. 

coestue  126.  896.  429. 

coysnis  396.  397.  429. 

komaters  120. 

cordo  112 

kote  118.  * 

kragis  448.  455. 

kracto  378. 

kramp  tis  114. 

crausy  126. 

kristiomsto  (vielmehr  kri- 
stiomsto) 897. 

krixtieno  114.  397.  416. 
452. 

krfit  448. 

kruwis  448. 

cugis  443. 

kulnis  378. 

culczi  121.  454. 

knmetis  114.  397. 

knrpe  117.  444. 

curwis,  knrwan  428. 

lagno  114.397.442.457. 

laitian  897. 

lalasso  408. 

lanxto  115.  453.  454. 

largaseraytan  897. 

lauksnos  480.  454. 

laxde  458. 

liede  417. 

lipe  417. 

listis  458. 

lonix  897. 

lopis  428. 

luysis  402.  431. 

luckis  897. 

luriay  114.  897.  457. 

maldian  405. 

maldünin  197. 

malunastabis  412. 

mandiwelis  114.  398. 

mary  128. 

medies  128.  446. 

medione  455. 


meine  406. 

meltan  419. 

menig  123. 

menso445. 

mestan  419. 

moargis  426. 

moasis  124.   898.  428. 

moke  424. 

mothe   426. 

mulgeno   114.  403. 

nage  413. 

nagepristis  455. 

naricie  413. 

ni  —  neggi  267. 

niquei,  niqueigi  '267. 

noseproly  122. 

Dozy  426. 

nurtue  126. 

pagaptis  114. 

pagonbe  401. 

palasallis  378. 

panno  898. 

panustaclan  898. 

passons  426. 

paasortis  398. 

passupres  898. 

pasto  398. 

pastowis  (nicht  pascowis) 

398. 
patowelis  399.  428. 
pausto-  430. 
peadey  420.  421. 
pecgalwis  455. 
peccore  114.  418. 
pele  398. 
peles  125. 
pelki   121. 
penpalo   116.  446. 
pense  115.  358. 
pentinx  118.  445. 
peretlanstan  453. 
perwios  398. 
piencts  118. 
pyculs  416. 

pirsten  408.  458.  455. 
piuclan  428. 
piwamaltan     398.  414. 

419. 
plasmeno  458. 
plauti  455. 
plaoxdine  878.  454. 
plieynis  422. 
plinxne  115.  453. 
plonis  445. 


podalis  427. 

podukre  119. 

pocorto  426. 

pomatre  119.  426. 

ponasse  426. 

pore  424. 

postv  424. 

pracartis  413. 

prassan  835.  418. 

prastian  434.  451.  455. 

preartue  126. 

preitalis  117.  444. 

proglis  115. 

pure  822. 

rapa  123.  437. 

raples  124. 

ratinsis  445. 

rawys  418. 

rikisnan  405  f. 

ri8te  458. 

roaban  398. 

rugis  828. 

sabatico  415. 

sagnis  397.  442. 

saligan  121.  444.' 

salowis  413. 

saltan  115.  398. 

salus  398. 

aaninsle  858. 

sansy  121. 

sardis  126.   127. 

Bari  121.  126.  399. 

sarxtes  125. 

sawayte  378. 

seamis  328.  399.  417. 

seese  116.  399. 

sema   419. 

semen  403. 

semo  323.  399.  417. 

seydis  399. 

septmas  245. 

seweynis  399.  419.  485. 

sidis  899. 

siduko  417.  442. 

sylecke  485. 

silkasdrimbis  (nicht  sil- 

kasdrunber)  412. 
sinecö  415. 
singaris  415. 
•irablan  448. 
siraplis  442. 
•irmes  125.  416. 
Byrne  126. 
sirsilis  435.  454.   - 


Wortregister. 


499 


sixdre  116. 
sixto  416.  466. 
scabre  399. 
scebelis  402. 
skerptus  116.  399. 
scritayle  116.  399. 
scrundos  124. 
slaune  399. 
slaunis  399. 
slidenikis  400. 
smoy  123.  400. 
smorde  116.  400. 
snoxtis  116.    424.    454. 

456. 
soanxti  454. 
somukis  424. 
sosto  121. 
spanstan  (nicht  spanstan) 

400. 
sperglawanag  116.    395. 

400.   428.  447. 
spoayno  429. 
spurglis   116.    400.  423. 

424. 
stabis  121. 
stabni  121. 
stabs  116.  400. 
staytan  115.   404. 
stibinis  416.  442. 
stogis  393. 

strambo   115.  400.  401. 
straunay  430. 
strigeno  401. 
stroysles  429. 
8tubonikis  117. 
stukamecczeris  454. 
8turdis  (vielleicht  scurdis) 

401. 
sulis  378. 
snppis  410. 
supfmi  197. 
sutristio  401. 
sweriapis  401. 
swestro  446. 
swetan  419. 
swibe  446. 

swintian  415.  419.  485. 
schokis  399.  450. 
schumeno  399.  450. 
schutuan  126.  450. 
schuwikis  396.  450. 
takes  125. 
tallokinikis  401. 
talus  401. 


tarkne  401. 

teauris  430. 

teausis  396. 

torbis  117.  424.  444. 

tosy  406.  407. 

towis  428. 

treste  419.  449.  453. 

trupis  401. 

tuylis  117.  431.  444. 

tunclis  117.  401. 

turpelis  117.  444. 

tussis  401. 

twaxtan  1 1 7  f. 

nnds  118. 

urminan  425. 

waldwico  123. 

wanag  123. 

wanso  415.  445.  446. 

warene  456. 

wargien  121.  456. 

warmun  425. 

warne  120. 

wayos  125. 

weders  418. 

wedigo  378. 

welgen  402.  403. 

werstian  434.  451. 

werwirsis  416.  456. 

wessis  419. 

wimino  402. 

winsus  142. 

wirbe  444. 

wirds  396. 

woaltis,  woltis  118. 

woapis  402. 

woasis  427. 

wobilis  118.  447. 

wobsdus  456. 

wolistian  (resp.  wosistian) 

114.  403.  412. 
wolti   121.  402. 
wormyan  426. 
wosigrabis  895. 
wubri  118.  121.   122. 
wuysis  402. 
wuinbaris  423. 
wandan  118.  423. 
wntris  422.  430.  446. 
czilix  408.  454. 

3)  Litauisch. 

afts  442. 
akmü'  392. 


akötas  125. 

alvaras  894. 

alve*ns  347. 

angynas  399. 

ansa  347. 

aornas  326. 

apibreszkis  148. 

zem.  arelis  414. 

argonai,  wargonai  118. 

argi  264. 

argu  257.  264. 

aszis  350. 

atrflas  894. 

auksas  458. 

auszrä  130.   148. 

adszti  148. 

badyti  427. 

balna8  457. 

barzda  455. 

be'kere  114. 

bes  267. 

beegi  267. 

bet  269. 

betaig,  betaigi  269. 

biaure8tis,  -ste  19'2. 

biaurüs  192. 

bildesis  191. 

bliäuju,  blidviau  150. 

bliüdas  147. 

braukis  427. 

br^dkriaünis  150. 

memelsch  builis  431. 

bülius  431. 

büsiu  353. 

czemerei  328. 

cze sas  162. 

czöbras  332. 

dagas  828. 

dagä  323. 

dälgiö  426. 

daiig  136. 

d^besylas,  deTiesylai  338. 

degti  140. 

degutas  140. 

dezgi  269. 

dbbai,  dobbai  113. 

döbilas  118.  447. 

dubai  377. 

dürys  430. 

dzäuti  150. 

dzüti   150. 

edesis  188.   191. 
.  edrüs  188. 
,  e'gere  (nicht  egere)  482. 


500 


Wortregister. 


Igle  445. 

elksnis  325. 

eine  894. 

erdis  121.  457. 

erszketras  456. 

e'sas  372. 

eszerys  456. 

eze  121. 

ezegys,  ezgys  394. 

e'zeras  394. 

gailesis  188.   191. 

gaflestis  190.    191.  193. 

gailüs  188. 

galvä  358.  455. 

gdlvos  358.  481. 

gana  259. 

gardas  127. 

geltrfnas  435. 

gelumbe  425. 

gensze  456. 

gente  195. 

gerkle    148.    893.    400. 

428. 
gersze  423.  456. 
gärti  143. 
-gi  90.  263.  268  f. 
giltine'  370.  895. 
gire  414. 
gfcti  143. 

gyvastis  189.  190.  191. 
glodena  455. 
glnsnis  427. 
grärndyti  895. 
grasztas  113.  877. 
grauti,  griauti  152. 
grikkai  318.  341. 
griuti  443. 
grobas  377.  378. 
-gu  262.  264. 
gurklys  424. 
ik\  90  f. 
\rti  414. 
iszolojau  482. 
jau  130. 
jaagi  269.  276. 
jaukinti  147. 
jei,  jey  268. 
jeig,  jeigi,  jeigu  268. 
jeknos  397. 
j&zkö'ti  847. 
jeng  269. 
jog  269. 
jft  270. 
Jui,  juigi  269. 


junkstü,  jünkti   147. 

jures  397.  457. 

jusze   443. 

kaimas  422.  428. 

kaipgi,  kaipogi  267. 

kalävijas  444. 

kalbesis   191. 

kalpa  895. 

käti  117.  444. 

k&mana  95. 

kamantas  95. 

kan£pes  435. 

karbas  424.  426.  444. 

karczamä  454. 

kardelus  118. 

karias   455. 

karve  428. 

kaea  419.  453. 

kastuvas  396. 

kaokai  430. 

käuazas  428. 

keikastis,  -estis  190. 191. 

kele  417. 

kemas  422.  428. 

kepti  114. 

keluri,  keVeri  369.  870. 

kiaule  148. 

kiaune  148.   149.  896. 

kiauaze  148.  428. 

kiatiszis  148. 

kiaiitas  149.  896. 

kiklikas  895. 

kiuzu,  kiuzti  402. 

klastykle  419.  453. 

klastyti  394. 

kle'tis  419. 

kleVas  325. 

klynes  124. 

kliüvü,  kliüti  150. 

klunas  445. 

kosere  406.  407. 

kdsziu  428. 

krakis  378. 
!  krauna,  kriauna   150. 
I  krausze  444. 

kregzde  114.  897.416. 

krefvas  188. 

krütasze   148. 

krikszczonyste  397. 

krusza  442. 

kuilys    117.    148.  481. 
444. 

ktijis,  kügis  448. 

kQkalas  117.  401, 


kulkszis  378. 

kulsze  121. 

külezis  121.  454. 

kümetys  114.  363.  397. 

kur  262. 

kürbas  424.  426. 

kuris,  kurs  262. 

kurpälius  444. 

kürti  426. 

kartinys  814. 

kvapas  870. 

kvetys  322.  323. 

zem.  Udas  414. 

langas  115.  454. 

lazda  453. 

lenkti  141. 

lepa  417. 

ltipsna  428. 

lözüvis  457. 

liaupse    148. 

litfbyti  147. 

liu'sininkas  148 

liütas  147. 

llzdas  453.  454. 

lydeka  417. 

lytüs  463. 

lubeti  147. 

latingas  147. 

lutis  147. 

mäiszas  398. 

malti  .419. 

märes  123. 

mazas  404. 

roazen  404. 

medejia  123. 

meline  406. 

menturre  114. 

mesa  445. 

me'stas  419. 

raezei  124.  428. 

mUtai  419.    >> 

milteris  414. 

rodkestis  190.   191. 

möku  148. 

mote'  426. 

mürgas  426. 

muse'  407. 

musele'  407. 

negi  265. 

nega  265. 

neigi   268. 

cey,    ney  —  ney   263. 

265  f. 
nükyste  193. 


Wortregister. 


501 


neng  269. 
nert>  126. 
net  263. 
netigi  268. 
nyksztia  453. 
nösis  426. 
nft,  n&g  270. 
nuklastos  419.  453. 
obszrüs  456. 
ölektis  118. 
pädai  420.  421. 
pakabinu  114. 
paliduju,  paliäuti  149. 
palszas  378-  . 
parszas  455. 
patevelis  428. 
patevis  399.  427. 
pe'czus,  peczus  418. 
pekla416. 
pele  125.  309. 
pelinos  309 
pelke  121. 
peVvaras  394. 
penaa  429. 
pepala  115. 
petnycza  445. 
piaulas   149. 
pirsztas  453.  455. 
piudyti   148. 
piiiklas  423. 
plasztaka  453. 
plaüczei   132. 
plauzdine  378.  454. 
ple*nys  422. 
plyakas  458. 
pliiiszkis  147. 
plünksna  454. 
pösunis  427. 
praszyti  392. 
preikälas ,    prgkdlas   117. 

422.  444. 
pü'das  427. 
pulei   149. 
pupä  148. 
pürai  828. 
pürvae  398. 
püstae  430. 
puszis  115.  358. 
pütpela  446. 
püvii,  piiti  149. 
raibas  398. 
reikia  468. 
reples  124. 
rltezis  445. 


riäugmi  139.   149. 

rimastis  189.    191. 

r^kszte  453. 

ruja  132. 

rnjis   132. 

ruggys  323. 

rtipestis  191. 

s§dora,  sandora  358. 

sapnas  370. 

sardis  398. 

sargyste  193. 

s^kmas  245. 

setas  417.    442. 

sllke  435. 

silpnas   148. 

siiilau,  siulyti    148. 

sianczü,  siu'sti  149.  150. 

siuti  450.  * 

siuvikas  896.  450. 

skaistas  138. 

skambesis  191. 

skambü,  skambe'ti   191. 

skirpstüs  116.  399. 

sk^stas   138. 

skrlplei  359. 

skritas,  skrytas  1 16.  899. 

skurk  149. 

smagena  403. 

smärdve  400. 

smirdas  400. 

smirdele   116. 

enarglys  424.  454.  456. 

snokszti   116. 

söstas  121. 

spauda  400. 

spaustüve  400. 

splrgas   142. 

spirgti  142. 

sprageti   142. 

spr&ginti  142. 

sre'bti   151. 

sriuba  151. 

staldrimba  395. 

stambraä  115. 

atärta  116. 

ste'bas  416. 

stipinas  416.  442. 

stövmi  18. 

strizdas  419.  449. 

stre'nos  480. 

subatk  415. 

sudereti  358. 

sujüeti  358. 

svetas  419. 


szaknis  397.  442. 

szarmas   125.   416. 

sze'kas  399. 

szermens  358. 

szesze,  szeze  116.   399. 

szäszaras  148. 

sziaur^s  149. 

sziüile   148. 

sziurü  ti   148. 

szirszvs  148. 

szircztys   435.  454. 

szis  276. 

szlapysis   193. 

szlapiesis  193. 

szlaünie  899. 

szliürpti   148. 

szube  446. 

sziika  450. 

szülas  878. 

taiga  269. 

t&kiszas  125. 

talka-401.     . 

taszyti  358. 

zem.  taväs  428. 

tempiü  370. 

te'vas  428. 

tramyna  455. 

traszkesis  191. 

memelsch  trauszis  444. 

treczesis  193. 

tretyais  193. 

ungurys  415.  456. 

üpe  415. 

usas,  usa\  415.  445.  446. 

usis  427. 

utele'  407. 

vaite   378. 

valtis   121.  402. 

vänagas  116.  447. 

vandu'  423. 

värdas  396. 

värias  456. 

varnas  118. 

varnena  118. 

vartyti  392. 

vasaraugis  394. 

vdszas,  waszas  847. 

vaszkas,  vaskas  350. 

vizis   419. 

vedaras,     ve'daras    372. 

418. 
vede*ga  378. 
vedii  477. 
veje  (veja)   125, 


502 


Wortregister. 


ve'nae  147.  847. 

rerpiü  370. 

veszpata  481. 

vöta  429. 

vevers^s  416.  456. 

vilgyti  142. 

vinkszna  402. 

vlrbas  444. 

virbinis  444. 

vhve,  virve'  444. 

vyszna  809. 

vdras  870. 

iabrys  899. 

iagaraf  140. 

zalias  121.  444. 

Haitis  118. 

2aras   150. 

iirdas  127.  899. 

zardisl27. 

iarija  126.  899. 

zasis  121. 

zäune  184. 

z^'gzdras  416.  456. 

*e*ma  417.  419. 

iemaftiszkas  886. 

ienkla  245. 

zere'ti  150.  870. 

zergti  397. 

zerpiu  370. 

ze'rti,  zaretyti  898. 

zinöti  245. 

ziöju,  iiöti  151. 

ziopczdti,  iiopsöti  151. 

ziövauti  151. 

ziupöne  147.  197. 

ziure'ti,  ziuriü  150. 

ifle  454. 

zmogus  123. 

4mu  400. 

zobrys,  iobras  399. 

iuberklas  898. 

zväke  454. 


4)  Lettisch. 

ahbolites  118. 

aknis  114.  442.  467. 

atsals  126. 

bes,  best  267. 

bet  269. 

dahboli  118. 

gan  259. 

gana  259. 


ganna  259. 

gu,  -gi,  g'  264.  266. 

ikri  117. 

irrag,  arrig  264. 

Is  90.  91. 

jo  270. 

kammessis  113. 

kaschoks  118. 

kohkali   117. 

kohsa  113. 

kdp^t  870. 

korgi  262. 

kweeei  822. 

lagsda,  laeda  458. 

taudis  131. 

ligsda  458. 

l'öti  188. 

neds  —  neds  265. 

nli  —  n6i  265. 

neggi  u.  s.  w.  266. 

negg  266. 

noy  nohst  270. 

pehrt  118. 

pelles  125. 

perrema  118. 

pirksts  458. 

plahns  445. 

pleksne  453. 

pubr'i  321. 

rudai  828. 

sahrds   127. 

saltis,  salktis  118. 

-sehn  266.  267. 

schuht  450. 

siglis  415. 

skalla   115. 

skanlt,  skandlt  191. 

skans,  skana  191. 

skrittulis  116. 

ssahrts  127. 

stehrts  116. 

sur  262. 

siitu  150. 

suväas,  sive'ns  399. 

tur  262. 

ute,  uts  407. 

valdineeks  123. 

vanags  116. 

veMe'rs  372. 

voi,  vai,  va  265. 

iaunas  134. 

iunas  184. 


5)  Kirchenslawisch. 

agne^jagne.   181. 

asjuti,  asuti  181. 

azü,  jazu  181. 

basü  371. 

bici  132. 

bimü,  bisi   187. 

blagostyni  193. 

blagoie  269. 

blagyni  196. 

blejati  150. 

bljuda  133. 

bljud§,  bljusti  133. 

bljudo   138. 

bljudü  147. 

bo  267. 

bobü  148.  418. 

Bochmit  321. 

boda,  371. 

bogjmi  196  f. 

bra&ina  894. 

brSzgü  148. 

brici  182. 

bruzda  394. 

büd&i  183. 

buditi  138. 

boukU  325. 

by  187. 

bysti  186. 

bystü  184. 

casa  396. 

casü,  cjasü   162. 

cechlü  395. 

celosti  192. 

ferner"  328. 

ceslu  397. 

cetyri ,    cetvero ,    ietvoro 

369.  870. 
öichati,  ftichnati   188. 
6istu  188. 
cito  160. 
eizikü  408. 
clovSkü  143. 
erädu  143. 
cremi  150. 
irepü  143. 
crjes"nja  888. 
crevo  402. 
6rünü  896. 
crustvü  143. 
erütati  148. 
öudo,  studo  184.  186. 
cudu,  studii  134.  185. 


Wortregister. 


508 


cuti,  cuj§  184. 

cuvati,  cuvaja,  134. 

cuidi,  stuzdi   134.   185. 

cveliti  143. 

cv&ii  143. 

chebd325. 

chljupati,  chlepiti  u. s.w. 

133.  137.  151. 
chm&i  363. 
choditi    141. 
chomatä  94  f. 
cbrasti   141. 
hrjen'  837. 
chvatiti  369. 
d*ga  395. 
dasti  186. 
dastü  184. 
dwn"nitza   114. 
dlato  868.  394. 
drozdija  124. 
druzosti  189.   192. 
drüzü  192. 
dünja  819. 
eiste  89  ff. 
est!   186. 
gladü  143. 
glava  444. 

glavisna,  glavizna  366. 
gnetiti  896. 
gnezdo  4. 
gora  414. 
gornk  121. 
grab  826. 
graj    148. 
gr  Schumi  176. 
grübü  144.  895. 
grulo   143. 
grusa  148. 
grfitam   143. 
gunati  145. 
iga  269. 
igo  136. 
ijerakli  130. 
ijeruganu  130. 
yudej   188.  145. 
iraenovati  246. 
ize,  jaze,  jeze  271. 
izü  197. 
jalü  131. 

jasjutT,  jesuti  131. 
jaste  89. 
jaati  131. 
jaato  129.  868. 
jastu  184. 


jato  129.  368. 

javiti  181. 

jeda  268. 

jegda  268. 

jelinü  180.  806. 

jel'cha  325. 

jeste  89. 

j$try  196. 

jgzykü  457. 

jeretizica  138. 

jucrämrati,  uörüminü  180. 

jugu,  ugu  130. 

jusini,  usim   130 

kakoli  117.  401. 

kalezi  188. 

kamv  392. 

capousta  385. 

kaatan'  835. 

katr'ga  813. 

klaj»   114. 

ktfj   150. 

klen  326. 

kljucT  132. 

kljttse.  132. 

kluce.  132. 

kmeti  114.  863.  397. 

kn$gyni  146. 

kn$zi,  kanf zi  1 44  ff. 

kniga,  kfiniga  144  ff. 

kolac"  113. 

komar  329. 

kopato  94. 

kopyto  94  ff. 

köre  95. 

koryto  94. 

kostan"  836. 

koza  396. 

kozitza   113. 

kozie  113. 

kratukn  143. 

kricati   138. 

krizi  188. 

krivä  138. 

krutu  143. 

küchnatf  138. 

kudi  135. 

k'gda  u.  s.  w.  269. 

koukourjetz"  328. 

kuna,  kuny  148.  149. 

künezi  292. 

kurü  186. 

kvasiti  869.  870. 

kvasü  869.  870. 

kychavica  188. 


kyj  180. 

kypeti  870. 

küsel  381. 

küselicije  331. 

kysnati  369.  370. 

laka  141. 

lakosti,  lakoti  188. 

lapota  330. 

lek$,  lesti  141. 

letorasli  394. 

lice  247. 

licemörii  247. 

lijati  138. 

libo,  ljubo  136. 

livu  147. 

ljubistvo  366. 

ljubiti  181.   147. 

ljubiza  366. 

ljubiznü  866. 

IJubü  131.  195. 

ljuby  181.   195.   196. 

ljudü  131. 

ljukati,  lakati  141. 

ljuto,    gen.  ljutese    188. 

189. 
ljutosti  189. 
ljutu  147.  188. 
loboda  330. 
lono  397. 
lostika  388. 
loze  406. 
lozesino  406. 
lübü  894. 
lägati  188. 
makü  424. 
mecbu  428. 
mesati  145. 
m^so  445. 
mjata,  mjatva  324. 
mezdu  145. 
mici  156. 
milostyni  198. 
mog§  148. 
mozgä  114.  408. 
nasaatinyj  208. 
nasupü  401. 
nebo  226. 
negli  275. 
neg*  275. 
nekli  275. 
nigdaze  275. 
nize  274. 
nogttti  192.  204. 
oba  90, 


504 


Wortregister. 


obu  90. 

obligati   138. 

orjech,  orjesije  824. 

osi  350. 

oekrüdu  401. 

oste  89.  90. 

osuti  131. 

otava  394. 

paditi  148. 

pekar"   114. 

pelin  309. 

p$tinica  445. 

piljukü  398. 

p"seno,  p"senitza  822. 

pleskü  137. 

plin§ti,  pljunati  186. 

plivati,  pljuj§   133.  137. 

pljuskü,  pliskü  137.147. 

151 
plusta,  pljusta  132. 
podbjel  339. 
pondreti  367. 
poslusati  130. 
postavü  898. 
potjera  309. 
prati   118. 
prazdinü  160, 
prjaga  142. 
prjaziti,  praziti   142. 
prolijati   122. 
proliva  122. 
prositi  392. 
pruga  142. 
prüstene  403. 
pustu  430. 
pütica  376. 
pttro  322. 
rabü  123. 
radoste  193. 
radosti  193. 
ramo  416. 
rasa  142. 
rasty,  rasti  392. 
rastiti  392. 
rastu  392. 

razljucati,  razlacati   141. 
retezi  445. 
remem  281. 
rimiskü,  rumisku  188. 
rimü  189. 
riti  406. 

rjujinü,  rjujenü  132. 
rjuti,  reva,  132. 
rogozü,  rogozinü  160. 


rovy  138. 

rujenü  182. 

ruma,  rjuma  133. 

rutije  132. 

rutiti,  rjatiti   133. 

rygati   139.   149. 

rysi  402. 

8§  94. 

s§bota  415. 

sed§,  sesti   141. 

selyga  140. 

severu  149. 

siko,  sikozi  276. 

silu,  8idü   141. 

sip'k  337. 

skopici  116.  400. 

skopiti  400. 

skora   149. 

skutu  136. 

sltaü  400. 

slina  137. 

sliva  326. 

sluga  130. 

slusati   180. 

sluti  130.   143. 

sljuzi,  slezi  137.   151. 

smoku  368. 

solyga  140. 

srusem,  sruseni  143. 

stado  134. 

stav',  stavije  330. 

stitü   136.  149. 

struni  401. 

struzem  401. 

stu  dl  185. 

stnku,  stnku   141. 

stutiti  184. 

stuzdi  134.   135. 

8Ü,  so    197. 

suj   135. 

süneeti  186. 

süzigati,  suzagati  140. 

sy  94. 

svekrü   195. 

svekry  195. 

sverepü  401. 

sv^tyj  402. 

syriäte  401. 

tlgiti   138. 

ticbu   138. 

tilo  401. 

tlaka  401. 

tleäti  245. 

tlüknati   167. 


Üügti  245. 

tlüstyj  245. 

trakü  401. 

troskot'  342. 

trnpü  401. 

tuchori  876. 

turn  430. 

tüsnati  167. 

tuzdi   184.    135. 

tükü  320. 

tysasta  141. 

u   130.  269.  394. 

ucha,  jucha  130. 

u&ti   147. 

adü,  judü   129. 

usta  480. 

utro,  jutro  129.  130.  368. 

uze  130.  269. 

vapü  402. 

vasu  415.  445. 

vaza   141. 

veriga,  veruga   138. 

veSte  395. 

veziga  402. 

vezochü   192. 

viSnia  309. 

vitezi  805. 

vlatü  402. 

vlügükü  402.  403. 

vosku  850." 

vratiti   392. 

vreteno   95. 

vüskrüsnati   143. 

vüstokü  159. 

vüzlibiti,  vüzljubiti   186. 

vüzü  159. 

vüzradovati  se.   159. 

vyknati  147. 

za  405. 

zadü  405.  406. 

zalosti   191.   193. 

zarja,  zorja  399. 

zavati  134.  136. 

zdega.  140. 

zdeguti  140. 

ze,  -ze  89.  258  ff.  270  f. 

zeg§  140. 

zelv",  zelV  277. 

zena  418. 

zerd"   127. 

-zi  264.  276. 

zidinu   145. 

zidu  138.  899. 

zijaStiimü  136. 


Wortregister. 


505 


'                     zito  322.  395. 

kuny  149. 

zivati  134.   136. 

ljubiti  147. 

zivati  133.   136. 

"makomka  168. 

zlüdati  148. 

*mati  169. 

zmij  362. 

meci  156. 

zreti,  zrj§  150. 

*mjaci  156. 

zrSti,  zra  143. 

*mnja  182. 

zrülo  143. 

*mo8i  159. 

zuku  145. 

kleinr.  mynes  304. 

zupanja  197. 

nasuscnyj  208. 

zupanü   147. 

ne  156. 

zyati  133.  136. 

*nima  181. 

*nja  166. 

noga  413. 

6)  Russisch. 

norök"  413. 

odinii  155. 

Die  mit  einem  stern  be- 

olon. altr.  odva  155. 

zeichneten  Wörter  gehören 

*opleti  159. 
♦osce  155. 

dem  Olonecischen  dia- 
lekt  an. 

oseni  155.  413. 

bjelokopütnik  340. 

ozero  165. 

•bladoj   169. 

par"  424. 

♦bogatyrmy  176. 

pasti  424. 

brjucho  394. 

pceia  247. 

klein nisa.  bym,  bys  187. 

pjena  429. 

*bysti  183.  184. 

plevati  187. 

♦choSi  159. 

pljusce  132. 

*<5o  159. 

*pochmatka  169. 

cto  160. 

pocitati  301. 

da  267. 

porozniti,  porozniti  160. 

♦dasi  183. 

*poroznyj  160. 

dögoti  140. 

poroznyj   160. 

djujmü  185. 

prjaziti  142. 

djuzij  136. 

*primicjati  169. 

djuzina  135. 

proso  413. 

♦dob'öra  158. 

puditi    148. 

•doci,  doceri  169. 

razresit'   804. 

drozzi  413. 

rjasa  142. 

♦entotä  18  h 

"Vogozennyj  160. 

*esi  188. 

rov"  413. 

*eatotu  181. 

rygnuti  1B9. 

♦evtotü  181. 

salo  398. 

♦gerlikü,  gerlyku  167. 

sedoj  805. 

•glja  169. 

sed'ivyj  306. 

glychar"  314. 

♦silomü  171.   176. 

goluboi  425. 

sljuna,  slina  137.   138. 

grabü  895. 

solovej  418. 

•gradmy  176. 

♦stokü  159. 

ikry  117. 

stolknuti  167. 

jarlykü,  erlykü  167. 

subota  415. 

*jonü,  jona  158. 

suliti  148. 

*ju  181. 

svin'ja  415. 

kirpicu  143. 

*svomu  169. 

koryto  413. 

*toj  u.  s.w.   180  f. 

Beitrage  z.  vgl.  sprachf.  VI.  4. 


tosknuti  sja  167. 
totü  157. 
♦tvogo  169. 
ucha  130. 
vjaziga  402. 
vjazu  402. 
*vjunosi  158. 
volokyta  94. 
♦vorotmy  176. 
vostokü  159. 
vzdochü  159. 
*z-  159. 

kleinruss.  zalo§cy  193. 
zamok"  424. 
fzdochii  159. 
♦zradovati  sja  159. 


7)  Serbisch. 

a  131. 

ako  131. 

ali  131. 

durak,  durka  136. 

duran  136. 

dobar  158. 

ja  131. 

jagrie  131. 

litica  139. 

ljntac  139. 

menfka  n.  s.  w.  .258. 

mir  139. 

nasap  401. 

niti  263. 

plesak  137. 

rim  139. 

sinovi  176. 

sljnni,  slini  137. 

tebika  n.  s.  w.  258. 

tirjanin  142. 

vetj  269. 

vlat  402. 

zagriti  140. 

8)  Neubilgarlsch; 

eis  162. 

jagne,  agne  131. 
jaz,  az  131. 
prazi  142. 

9)  Illyrisch.  BosnUoh. 

blitva  835. 

33 


m 


Wortregister; 


bbb  groniovi  382. 
bobövnjak  332. 
bosiok  321. 
brezovina  827. 
•  bukovina  825, 
bnkva  325. 
csemer  328, 
csemerikka  $28. 
6ubar,  cubra  331. 
6uvaku«5a  382- 
csuvati  332, 
devjasil,  devjatisjl  $38. 
dinja,  diu  119* 
dünja  337. 
gavez,  gavea  $2Q. 
gladisc  836. 
grib  313. 
grom  382. 
gromovina  882. 
hajda,  kajdina  840. 
havdovina  825. 
hren  836.^ 
javor,  javorina  326. 
javorovipa  825, 
joha  325. 
johovina  824. 
kalamitti  313. 
kaligtt  313. 
kaloper,  kolope?  336. 
kapula  340. 
kapas.335. 
katarka  313. 
kferkotina  838, 
kiselica,  kiselaca  381. 
klei  325. 
kolovoz  315. 
komorScs,  kofünjäcs  329. 
kbpar  82$. 
kopric  829. 
krasta  819. 

krastav,  krastavac  319. 
krupa  321. 
krupan  321. 
krupnik  821. 
kukure'k,  kukurjek  328. 
kukwjtk  »»8.. 
kupns  825. 

lubenica,  ljube^tfcca  819. 
mavez  321. 
merkva  381. 
aaetva,    metica,    mjätva 

824. 
mit**  »89. 
müoduh  389. 


mirodia  389. 

miruh   389. 

Mleci,  Mlecih  321. 

morac  328.  331. 

muscmnla  888. 

neg,  nego  275. 

obfirva  118. 

okolocep  833. 

olesnik  325. 

olha  325. 

orah,  oraäak  324. 

pamuk  321. 

paprad,  paprfft  334. 

petrusin,  petruscka839. 

pir  322. 

pirika  322. 

potur  311. 

prekalamit  313, 

prosenica  336. 

proso  822,  335. 

rakitta  827. 

rog  385. 

rogacs  385. 

ruzica  320. 

äipak,  sipak  837 

skrixalina,  krijaliaa  331. 

skriz  331. 

slamica  314. 

Suva  326. 

Stavje  330. 

stmcsenik  336. 

sunjica  386- 

tatula  ^38. 

ternovina  326. 

ticca  337. 

tikva  320. 

trandofilj ,  trao,do  vilje  820. 

trandopio  820. 

trelfoja  338. 

tunja  837. 

ugorak,  ugorka.818.919. 

vartitti  336. 

Vflina  kosa  829. 

vlacsiti  313. 

vlak  313. 

vrAtati  836. 

vratica  336. 


10)  Neusiovente«k. 


jutro  129. 
kri  195. 
lat  402. 


ljudaki  135. 
melius  304. 
pare  303. 
pljuca   132. 
praziti   142. 


11)  Böhmifoh. 

cechlfk  395. 
celest',  celost'  192. 
cesadlo  397. 
cfzek  403. 
ctyfi,  ätvero  369. 
dlabati  894. 
drzest'  192. 
ftak  876. 

gestii,  gestliie  272. 
gitrocel  340. 
giz  269. 
jablko   181. 
jazyk  131. 
jedl  131. 
jehnö  181. 
jelito  397. 
jegte  89.  91. 
jesutny,  je§itu^  131. 
jeviti  181. 
jezdft  394. 
jfsti  181. 
kaprad'  202. 
klustej  245. 
klouci  245. 
kneh   145. 
knez  292. 
knfni  146. 
knjezka  145. 
konev  395. 
koryto  94. 
koukol  401. 
kfechaf  396. 
kstice  395. 
kvap  369. 
kveliti  143. 
kvet  148. 
kvfliti  143. 
kysnouti  369. 
labud',  labut'  202. 
lat,    latka  402. 
louc  397. 
lupen  838. 
lupann  888. 
niiloScemi  193. 
mllto  898. 


Wortregister. 


507 


moutev  898. 
nasep  401. 
nebet  192. 
nez  275. 
od(e)  202. 
outer^  357. 
ozim  399. 
pahrbek  895. 
peyrz,  peyr  302. 
plamen  371. 
plamfaek  371. 
plice  182. 
pohanka  341. 
prahnouti  142. 
radoscemi  193. 
rihnouti  139.   149. 
ritesne  406. 
rftiti   183. 
rokyta  94. 
routfti  133. 
rozvora  394. 
rypati  870. 
ryti  870. 
recky  294. 
schor  376. 
sena  358. 
seno  358. 
skopec  400. 
slfdnfk  400. 
8trevo402. 
strniste  401. 
evaty  402. 
svefepice  401. 
svid  899, 
syrov&tka  401. 
tisic  141. 
tlouci  245. 
tlusty  245. 
acta  301. 
varyto   94. 
vaz  402. 
vezech  192. 
vrtrik  244. 
vrtranie  244. 
vrtrati  244. 
vfeteno  95. 
vretanko  95. 
vcela  247. 
vyzel  402. 
-z  272  f. 
zita  858. 
zito  858. 
iivost'  189. 


12)  Slowakisch 

cesen  897. 
kni  195. 
l'udia  350. 
matera,350  f. 
paprat'  202. 
seba  351. 
Styri,  stvoto  369. 
teba  351. 
znamenia  350. 


13)  Polnisch. 

bembnaf,     bembnarfyk 

303. 
börgowad  303. 
bork  303. 
bosak  296.  301. 
bruk  308. 
burk    303. 
by  274. 
bzalka  220. 
cabr  332. 

chfast  (chwast)  $01. 
chomato  95. 
chrzaszcz  141. 
cmentaf  305. 
öezki  305. 
cesd  801. 
codzenny  '206. 
czabr,  czaber  882. 
czme'r  328. 
dab  113. 
dlan  207. 
dojutrek  206. 
don  207. 
dorecny  206. 
duzy  136. 

dwu,  dwuch  (dwdch)  205. 
dzis   145. 
dftfaj  206. 
fcoraj  206. 
gi§<5  145. 

gmysli,  kmysli  $02. 
gniote  113. 
grajcar  301. 

grecy,  grecny  202.  266. 
grzbiet  144. 
gwoli  202. 
ikra  117. 
iuz  269. 
iz  274. 


jadw  iska  302. 

jantoni  181. 

jastrych,  astrych  131. 

jasek  802. 

jaszczurka  115. 

jawgnstyn  181. 

jestem  u.  g.  w.  205. 

ji<5  211. 

jinspekta  803. 

jisd  212. 

jodla  445. 

karczma  454. 

klasak  132. 

korda  113. 

kordel  113. 

ksiadz  146.  220.  292. 

ksiaze  144  ff.  292. 

ksi§ga,     ksiaika    144  f. 

220.  292. 
ksieni  147. 
ksiezyc  147. 
ktos,  ktös  205. 
tabed,  gen.  iabedia  202. 
latomys  304. 
latopyr  304. 
iepek  203. 
lice  246. 
licem'ern'icy,  luceW-246. 

247. 
Ütos<5  246. 
litowal  8^  246. 
lotka,  loftka  803. 
lubcyk,  lubscyk  803. 
lubid  147. 
luna<5,  lina.6  188. 
Intosö  246. 
lutowa1**  (löthen)  246. 
lutowad  s$  246. 
iza  248. 
matow  398. 
mary  308. 
makle'j  304. 
mianöwal  246. 
miasko  113. 
miedzy,  mtylzy  145. 
m'encar,  m'ericarstfo  804. 
mieszadi  mieszad  146. 
m'ispety  803. 
nan  207. 
nechde'j  209. 
netoper  u.  8.  w.  304. 
nezapom'inajka  208. 
nie  205. 
nicestfo  205. 

33  # 


508. 


Wortregister. 


Aicosd  205. 

nicpori  207. 

nicpotym  207. 

nifcym  207. 

nikcemny  206. 

nikcemu  206. 

niscyd  205. 

niwec  206. 

riiwecyd,  zniwecyd  207. 

niz  275. 

noged  204. 

oblice  246. 

obu,  obuch  (oboch)  205. 

ode,  od  202. 

ogzeri  220. 

otf'<*rad,  otforyd  202. 

otm^t  202. 

otnoga  202. 

pazno£e<5,  -noked  204. 

pcöl  247. 

pedziö   148. 

pieczed  145. 

pluekad   147. 

pocta  301.  802. 

pdd§,  pdjd?  246. 

pöd  (pödz)  246. 

pofSedrii  208. 

pöjd  (pöjdz)  246. 

pölicek.  246. 

pölik  247. 

pöichak  304. 

posta  802. 

poSta  302. 

potakiwad  205. 

potomny  207. 

prazyd  142. 

prydfc   pryjd§  246. 

prytomny  207. 

pscdl  247. 


rozgreSyd  804. 

rymaf  281. 

rem'en  281. 

rzodkiew  144. 

rzygad,  rzygn^d  1 39. 149. 

rzucid  133. 

s,  se  197  ff. 

sadlo  398. 

samnene,  somnene  200. 

samob'ij,  samob'ije  209. 

s§p'ef,  8§p'erca  200. 

sasat  200. 

easek  20,0. 

sedziwy  804. 

sierszen,  szerszen  143. 

siniak  415. 

skop  116. 

skdra  149. 

slicny  246. 

sluz,  slöz   138. 

slza  247.  248. 

sm^tar  805. 

sobdr  200. 

sojus  200. 

stek  141. 

stulis  208. 

sum'ene,  sumnene  200. 

swierzepa  401. 

szczaw',  szczawik  380. 

szczek  141. 

szczit  115. 

Diaban  288.  802. 

Slachdic  201. 

tak  205. 

tarnosliwka  326. 

t^gi  305. 

tko  (für  kto)  217. 

tygodna  206. 

tyka<5  205. 


tyiiac  141. 
tysacnik  302. 
unicestf'id  205. 
ustarcyd  305. 
uwrzed,  uwarzid  125. 
wacek  302. 
waa  446. 
weborek  423. 
wes  (wez)  246. 
wezm'i  246. 
VellÄ  302. 
wieza  141. 
wom'ity  305. 
wym'oty  305. 
wvsoki  203. 
wyssy,   wysy  208. 
wyzej  208. 
wyzyna  203. 
wza<5,  wzasd  212. 
z   197  ff. 
-z,  -ze  273  f. 
zb'er,  zb'ir  302. 
ze  198  ff. 
ziarno   126. 
zlza  248. 
zriisk§t  207. 
znigcym  206. 
zoizy  248. 

zuchad,  zuchled  134. 

zuchel  134. 

zwyd^zyd,  zwydezca  305. 


14)  Wendisch. 

obersorb.  jutry  129. 
budiss.  saroda  127. 
polab.  tgenangs,  tjenangs 
u.  s.  w.  146. 


D.    Germanische  sprachen. 


1 )  Gotisch. 


biudan  133. 
biuds  133. 
biohts  147. 
biuhü  147. 
doms  229. 
fidur-  370. 
fidvor  370. 
filus  7. 


fon  398. 
funa  398. 
gards  127. 
gasintha  149. 
gredus  148. 
haims  230. 
hardns  148. 
hliuma  98. 
-hnn  262. 
hvaiteis  322. 


hvan  262. 
hvar  262. 
hvarjis  262. 
hveits  322. 
ibnassus  198. 
izvara  7. 
izvis  7. 
ju  180.  262. 
juggalauths  131 
leithus  468. 


Wortregister, 


509 


ligan  454. 
liugan   138. 
mik  258.  262.  276. 
nih  275. 
rimis   189. 
sandjan  149. 
sik  258. 

sintba-  149.   150. 
skalkinassus  198. 
skants   136. 
skayjan   1 34. 
skuft  403. 
skura  149. 
sparva  116.  400. 
tulgus  192. 
thar  262. 
thata   184. 
thaurstei  16. 
thiuda   135. 
Thiudi   135. 
thragjan   11.  231. 
tfank  258.  262. 
-uh  275.  276. 
nsskavjan  sis  134. 
U88kavs  184. 
veis  467. 


2)  Althochdeutsch. 

ahorn  325. 
binicrüt  321. 
chiuwan  133. 
ehren e  337. 
kuning  145.  292. 
churbiz  319. 
qnenala,  konela  828. 
daha,  talia  118. 
erila,  ejira  825. 
federscelli  339. 
flehtan  392. 
fiohta  858. 
ful  149. 
gaumo  151. 
hintlopht  828. 
hlinmnnt  98. 
hwanne  262. 
hw&r  262. 
hwenne  262. 
huergin  261.  262. 
liuti  132. 
linbouin  326. 
moraha  831. 
ostan  130. 


ostarä   129. 

sami-  18. 

scirbi  143. 

sciura  149. 

scrintan   124. 

scür  149. 

sllm  137.   138. 

sparo  400*- 

gparwari  400. 

stahal  398. 

stur,  stir  330. 

sumarlota  394. 

sutirwurz,  sittiwurz  828. 

tritt  4. 

waso   125. 

wormiota,  uuerroota  330. 


3)  Mittelhochdeutsch. 

blaen  150. 
hüslouch  332. 
kabezkrüt  335. 
korapeskrüt  335. 
margrat  337. 
margramboum  337. 
morche,  more  331. 
Oriman  234. 
Orman  234. 
Ormanie  284. 
Ormandin  234. 
qneste  117. 


4)  Neuhochdeutsch. 

achse  350. 
altz,  eltz  329. 
backen  115. 
bergen  827. 
bertram  887. 
besen  827. 
borke  827. 
brechen  229. 
brücke  229. 
dohle  113. 
donnerbart  382. 
estrich  181. 
farnkraut  384. 
frauenhaar  829. 
geführte  4. 
gurke  318. 
heidekorn  341. 
kabis,  kabisz  385.     . 


balt  kleet  419. 
körn  822. 
krampe   114. 
liebstöckel  339. 
löthen  246« 
mark  114. 
mnnter  469. 
noch  275. 
Schweiz,  perge  115. 
balt.  pergel  115. 
platz,  plätzchen  115. 
plinse,  plinze  116. 
quendel  328. 
roggen  323. 
schauen   184. 
schlehe  3 '2  6. 
Schoppen  283. 
schwäre  7. 
sperber  116. 
sperk  400. 
sprechen  8. 
stüberer,  stübner  117. 
tausendgüldenkraut  302. 
wachs  350. 
wahr  6. 
wermuth  329. 
zäun  228. 
ziemer  332. 


5)  Altsächsisch. 

biod  133. 

hüd  149. 

hnergin  261. 

liudi  132. 

quelan,  qnellian  370. 


6)  Holländisch. 


alsem  829. 
alst  829. 


7)  Friesisch. 

wangerog.  augurk  818. 


8)  Angelsächsisch. 

bedd  133. 
cedvan  138. 


510 


Wortregister. 


horsc  16. 
hv&gu  262. 
lerfde  132. 
lyfesne  866. 
sftm-  18. 


9)  Englisch. 

birch  327. 
doom  229. 
dregs  124, 


to  setter  828. 
setterwort  328. 
sloe  326. 

sparrow-hawk  116. 
speedy  8.  - 
stränge  184. 
thirst  16. 
wormwood  329. 
wound  472. 


10 )  Altnordisch. 

austr  180. 
bi<5Ö  133. 
gerdi  127. 
-gi,  -ki  261. 
hauss  148. 
hvargi  261,  262. 
skaut  136. 

11)  Dänisch. 

agurk  818. 


1 )  Altgriechisch. 

aya-  259. 

dyar  259. 

dyitvXoq  347. 

dor.  crfxa  258. 

axogov  883. 

dXtl»  822. 

aX/btVQÖq   318. 

dttcpl  90. 

dfiifinoXoq  471. 

äftqjw  90. 

aydgrtyaljbq  880. 

dvSqeaaifiov  316. 

anö   7. 

a^a  264. 

dgijy<av  95. 

dx^acpaliq  380. 

/flUro»»  385. 

dor.  ya  258  ff 

y«o  268. 

yi  89.  90.  257  ff.  271  f. 

ytXaaivq  191.  193. 

yfooc  4. 

y»/0«?  189. 

y^i'S  143. 

y(jl(foq,  yqlnoq  313. 

öWw  150. 

Saugv  9. 

rfia  259. 

«fyi"£  4. 

dqtnavri  95. 

tyw  259. 

dor«  iyüvya  258. 

tarent.  fywv^  2(58. 

tlxt  258. 

fiidjTjq   195, 


E.    Griechiöeh, 

*x«X  258. 

eUct^s  228. 

*io*oi  270. 

Moi»  270. 

iiivßioi,  328. 

R  7. 

#o*a  10. 

iniovaiot  208. 

iQti'yti*  139.   149. 

fyfv&oq  1^8. 

tyi'£^0£  188- 

fyXOfiai  16. 

*?1  «*s  90.   f  1. 

forc  89  ff. 

fr*  89. 

«v^<  269. 

i?Voq  130.   188. 

ti>£t;£  188. 

£a-  269. 

«H**-  18. 

ijnag  7. 

^-ct^ao?  188.  192. 

&avfAa  134. 

&iäo(jtai>   134. 

#0ao~t'<;  188.  192. 

9-vftßga  381. 

*^iK  229. 

boot.  ifovyct  258. 

xdAa^uoc,  xakkfjirj  818. 

xcUAo«  192.   198i 

xaAo<j  193. 

xa^i'O?  370. 

xct7itmv  870. 

xa%a,Qxla%     xbttd^ibv 

818. 
xct^a»  230. 
xivraüfiiwv  802. 


Xfl'T^O»*    16. 

xiaiQov  16. 
k^c  182. 
xoiw  184. 
Kojq  243. 
Koiqq  243. 
xoAVxioj'   113. 
xoUa  150. 
xortXrj  328. 
xÖTtavov  95. 
xo^i'i't/itt  94. 
xqftoq  189. 

XQOflVOV,    XQO/JftVO»'  327. 

x regtet  858. 
xt/io?  149. 

XOJ/Ltt'lTTjq    114. 
XdXfJ&Qnq  391. 
A«7ia#oi'  380. 
Ao»7ia£et»'  830. 
Actos  132. 
Adqpi'17  824. 
Aijjfos  454. 
A^oto?  141. 
Ao£o«  141. 
Aoi'T^o»'  229. 
Aü-r^  191. 
Ara>  149. 
liaxoo?  188. 
i(ja&ot>  329. 
a&Qov  829« 
?60. 

i*xo*  270. 

'toi'  270. 
pijxoq  188. 
falgt  268. 
vitpoq  226. 
oy«  258, 


fttf 
fiivxov 


Wortregister. 


511 


oyxoq  347. 
odoq  141. 
oida  464. 
olvya   322. 
öpßQoq  229. 
"Oq&qos  391. 
oo(f^a(rof,tai  8. 
(H'Taoj  472. 
mV  263. 
OfQvq   118. 

nnyXh  n<*Ytv  ^68. 
TtctQai  228. 

7i^Ao>  4. 
7i^  260. 
7if^  260. 
7ifi^oaiA»ioi'  339. 

/T*1'#ljr    95. 
ntvxrj  115.  358. 
nCftTifjtj^i  392. 
äol.   nfovQo;  870. 
TrAaxrs  7. 
7roA»<j  7. 
nfytj&ü)  892. 
7I£t»'0?   281. 
nrtgfq  884. 


nrnromi  322. 

7ii'(iO(j  321. 

otipa  183. 

^qTirq  334. 

<T^i?  328. 

<tIto5  822. 

axouo;  135. 

axögodoi;  axoyöof  827. 

Sxv&ijq  134. 

ö-K^ros  149. 

(TTJSvSü)    8. 

<rnAiji'  8. 
<rftoi/<fa»o?  8. 
«rifyo«  224.  226. 
Gidxu)  462. 
(TipäXXat  8. 
(Tipa'Sovfj  8. 
aipiQQv  8. 
(t^tjUo?  8. 
t*  89. 

t^o?  224.  226. 
i«tra>  370. 
xixTiüv  358. 
riffffa^rq  370. 
neuion.  T&nr«£«c  370. 


to*  270. 

Tgf/bJ    11.    231. 

T^zwi»  4. 
i^foc  7. 
^äo;  151. 
Xa^cK^ot;  229. 
Xttvroq  151. 
*Äi»S  277. 
XQf{(7iT((T&ai  359. 
1ÜQVM  132. 


2)  Byiantintech.  Neu- 
griechisch. 

ayyovQtov,  ayyovqi  318. 

819. 
xixot/Tct  338. 
x/x^t/ro?  88$. 
xoi/pxo;,    xoi/<»xa,  x«t>£- 

xaro?  136. 
povanovXov  833. 
fivQoSCa  839. 
r£M»vTG»9>vAAoi'   820. 


F.    Italische  sprachen. 


1)  Lateinisch. 

acer  325. 
a dulter  391. 
ago  14. 
alnus  825. 
an  267. 
ancilla  471. 
anculus  471. 
anus  394. 
ardere  150. 
arere  150. 
atriplex  330. 
aurora  130. 
auster   130. 
avia  120. 
balare  150. 
betula  327. 
BoDifatius  409. 
caepulla  340. 
caliga  813. 
caput  7.   13. 
Carmenta  94. 
Carmentia  94. 


carpinua  326. 
cauru8  149. 
cautus  134. 
cavere  134. 
-ce  258. 
cen8or  16. 
centaureum  302. 
eis  258. 
clava  444. 
clavis  182. 
cruor  189. 
Cucurbita  819. 
eulter  229. 
eunque  262.  265. 
curvus  138. 
cutia  149.  396. 
dua,  duae  12. 
ecee  258. 
edo,  edonis  95. 
eminere  471. 
etiam  265. 
ex  10.  16. 
extimus  12. 
extraneua  134. 


faciuus  192.   198. 
faux  151. 
frustum   8. 
funis  8. 
gratias  14. 
hiare  151. 
hie  258. 
hiscere  151. 
hi  ulcus  151. 
st.  ho-  257. 
humulus  368. 
illic  258. 
imber  229. 
inter  229. 
iatic  258. 
jam   130. 
janitrix  195. 
jeeur,  jecinorU   114. 
lactuca  333. 
latus  226. 
laurua  4.    324. 
lectica  454. 
licinus  141. 
lien  8. 


512 


Wortregister. 


lorum  897. 

lno  229. 

lnstrum  229. 

msre  228. 

natus  281. 

neqne,  nee  276. 

nidns  4. 

nunc  258. 

obliqnns  141. 

patulcius  151. 

pecten  96. 

pinsere  822. 

placenta  94. 

plsntago  840. 

pollubrum  229. 

prominere  471. 

pulmo  182. 

quatuor  870. 

-que  89.  265. 

quidem  260. 

qnies  280. 

qnisque  266. 

quoque  265. 

quotidianus  208. 

raueus  182. 

ravU  132. 

re-,  red-  406. 

resina  334. 

retro  406. 

ruetare  149. 

rumor  182. 

aatnreja  332. 

scaevus  185. 

screare  359. 

acutum  136.   149.  404. 

sementare  94. 

sementis  94. 

semi-  18. 

senior  10. 

sie  258.  276 

sopio  7. 

apero  460. 


tonitru  195. 
tremonti  464. 
Tripontium,    Tripuntiam 
'  408.  409. 
triticum  822. 
tunc  258. 
uncu8  347. 
unius  9. 
usque  90.  91. 
utique  265. 
-ve  265. 


2)  Mittellateinisch. 

acira  384. 
alosantas  380. 
bigardium  230. 
breialum  280. 
broialnm  280. 
brolium  230. 
castula  117. 
clenus  326. 
cayum  280. 
pambichun  821. 
spaternam  6. 

3)  Italienisch. 

aiancio,  narancio  341. 
bambagia  321. 
bieta  835. 
capuccio  886. 
che  11. 
composta  386. 
crosta  819. 
marasca  309. 
mellone  319. 
pimaccio  186. 
piviale  136. 
salamura  313. 
semesanto  330. 


4)  Französisch. 

armoise  830. 
Besan9on  409. 
cabus  385. 
contraindre  16. 
croüte  819. 
Itranger  184. 
froment  322. 
glace  6. 
gnenipe  5. 
orange  841. 
que  11. 


5)  Walachisch. 

eimbru  332. 
enreanü  136. 
hriskä,  hiriscä  341. 
lemba,  3. 
lub  319. 
miksunea  321. 
piru  322. 
rächitä  827. 
stira  381. 


6)  Oskisch. 


anter  229. 
kenstur  16. 
nessimo-  12. 


7)  ümbrisch. 

iveka  136. 


ßadcQt-a  888. 
ßodi  883. 
bäQ  bXje'jt  821. 
bgiüt-a  828. 


G.    Albanesisch. 

jtßjiT-tt  ji<pfe-a  813. 
xaXjifi-i  313. 
xaynovo-^i  819. 
fiovöfioidt-a  888. 


otymfjtv  321. 
fieXllyta,  ffekktvt  818. 
xQoiifovX  819. 


A.  W.  Schade's  Buchdrnckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stallschreib erstr.  47. 


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