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Full text of "Bem's Feldzug in Siebenbürgen in den Jahren 1848 und 1849. Hrsg. von Johann Czetz. Mit einem Facsimile Bem's"

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Bem’s 
Leldzug in Siebenbürgen 


in den Jabren 1848 und 1849. 


Bei Hoffmann und Campe in Hamburg iſt erſchienen: 


Thlr. Sgr. 
Benningſen, General von, Feldzug der 1 Armee 


von Polen, im Jahre 1813 und 14 110 

Bekenntniſſe eines preußiſchen Officiers 4 

Briefe aus Italien und Frankreich. Von einem Ruſſen .1— | 

Bücher, Sibylliniſche, aus Oeſterreich. 2 Bde. 3 — 

Centralſtaat, der, und der Föderativſtaat Oeſterreich — 15 | 

Depping, die Heerfahrten der Normannen bis zu Re | 
feſten Niederlaffung in Frankreich. 2 Thle. .. 3 — 

Enthüllungen aus Oeſterreichs jüngſter Vergangenheit. 

1849. a: „„ 

Glocken ruf zum Fürſten Congreß 4 . — 10 

Horväth, Graf Ludwig Batthyäny, ein politiſcher März . 
tyrer aus Ungarns e e und der 6. Oc⸗ | 
tober 1849 in Ungarn. „ | 

Kampf, der, bei Eckernförde am * April 1849 . 2 

Kriegslieder aus Schleswig-Holſtein . — 7 /⁰ | 

Landwehrſyſtem, Neues. 2. Aufl. . 20 | 

La pinski, Th., Feldzug der ungarifchen Hauptarmee im 
Jahn id, 1 — 

Martens, G. L., Tagebuch eines Freiwilligen des v. d. 
Tann'ſchen Corps. Mit 4 Plänen und v. d. Tann's | 
Portrait. „ 

O eſterreich und deſſen Zukunft. 2 Thle. „ 

Polenlieder Un — 7a 

Prinzhaufen, Fr., der Scheinkrieg mit Dänemark im 
Jahre 1848. Ein Zeitbild . . wu: 


Reifinger, politifche Bilder aus Ungarns Neuzeit . — 25 
Röding, Dr. C. N., der Freiheitskampf in Süd-Amerika. 1 15 
Schattenſeiten der öſterreichiſchen Staatsverwaltung und 


geſellſchaftlichen Zuſtände A g — 25 
S chuſel ka, Franz, Deutſchland, Polen und Rußland 115 

— — die deutſche Volkspolitik J. 4 „ 

— — öſterreichſſche Vor- und Rückſchritte u 
Seiler, S., das Complot vom 13. Juni 1849, oder der 

letzte Sieg der Bourgeoiſie in Frankreich .. — 10 
Strodtmann, A., Gottfried Kinkel. Wahrheit ohne Sich⸗ — 

tung. Biographiſches Skizzenbuch J. Bd.. 1 15 
Struve Amalie, Erinnerungen aus den badiſchen Freiheits⸗ 

kämpfen .. — 20 
Teleki, Graf Ladislaus, die ruſſiſche Intervention in Ungarn — 7 ½ 
Tſcherkeſſenlieder . „ 
Vom andern Ufer. Von einem Ruſſen 5 1 18 » 
Wiebke, J. H L., Syſtem einer nn in unobpängl 

gen Werken. Mit 2 Plänen. 3 — 15 


— en 


Zem's 
Feldzug in Siebenbürgen 


in 


den Jahren 1848 und 1849. 


Herausgegeben 


von 


Johann Czetz, 


vormals ungarifchem General und Chef des Generalſtabes der ungarifchen 


Armee in Siebenbürgen 


Mit einem Facſimile Dem's. 


Hamburg. 
Hoffmann und Campe. 


1850. 


Boigt’s Buchdruckeret in Wandsbeck. 


* 


Vorwort. 


Motto: „Vor Allem Wahrheit.“ 


Is will Euch das Wunder erklären. 

Bem's Feldzug in Siebenbürgen ſteht wahrlich ſo einzig 
da in der Kriegsgeſchichte; das Verhältniß der ange— 
wandten Mittel zum erreichten Zwecke iſt ſo ungleich; die 
Ereigniſſe ſelbſt unterliegen ſo mannichfachem Wechſel; 
Bem's Genie erſcheint in den vielfältig wechſelnden 
Epochen von Glück und Unglück ſo glänzend; ſein 
Charakter als Menſch und als Freiheitskämpfer tritt 
ſo prägnant hervor, daß man ſich bei Leſung ſolcher 
Ereigniſſe unbewußt in eine andere Zeit, in die Zeit 


der Heroen verſetzt fühlt und mit immer lebhafterem 


5 


il 


Intereſſe das Thun des Mannes verfolgt, der aus 
Nichts Armeen ſchuf, der, wie der Phönix aus der 
Aſche, aus jeder Niederlage nur um ſo furchtbarer 
hervorging und der gerade in demſelben Augenblicke 
den Gegner vernichtete, als dieſer ihn zu erdrücken 
wähnte; wir glauben in einer Zeit der Wunder zu 
leben, und ſuchen eifrig nach dem Schlüſſel, um die 
Pforte zu dem Räthſel der Ereigniſſe zu öffnen. Einen 
ſolchen Schlüſſel nun will ich dem Publicum in dem 
vorliegenden Werkchen darbieten, und ohne Oſtenta— 
tion kann ich verſichern, daß er von Niemand Ande— 
rem, außer Bem ſelbſt, ebenſo vollſtändig, klar, ſo wahr 
gegeben werden kann. Denn wer immer die Ereig⸗ 
niſſe miterlebte, wer auch den Feldzug ſelbſt mitgemacht 
hat, er ſah nur die äußeren Zeichen, er empfand die 
Wirkung, aber er kannte nicht die Urſachen; unkundig 
der geheimen, das Spiel in Bewegung ſetzenden Trieb— 
federn konnte er ſie höchſtens ahnen, nie aber, bei 
Bems bekannter Schweigſamkeit und ſelbſtſtändiger 


Handlungsweiſe, ſie vollſtändig errathen. 


* 


Ich habe den Feldzug ſelbſt, an Bems Seite, mit 
gemacht und hatte das Glück, ſein Vertrauen zu beſitzen. 
Bem geftattete mir, als dem Chef feines General— 
ſtabes, wenn auch nicht immer, doch ſehr oft, Ein— 
ſicht in die Karten, auf dem Kampfplatze, ſowie 
auf den Märſchen hatte ich die Truppen zu disponi— 
ren, während Bem die ſtrategiſchen Vortheile dem 
Augenblicke ablauſchte und dann mit der Artillerie die 
Entſcheidung berbeifübrte, 

Was ich erzähle, habe ich größtentheils perſön— 
lich erlebt, wo ich nicht ſein konnte, habe ich die 
Erzählungen geprüfter ehrenhafter Kameraden wieder— 
gegeben. Wahrheit aber wollte ich vor Allem berichten 
und in dieſer Beziehung, glaube ich, meinen Vorſatz 
treulich ausgeführt zu haben. 

Ich bin kein Schriftſteller, mein Werk wird viel— 
leicht der Eleganz des Styls und der Abrundung 
entbehren, aber ich hoffe, der geehrte Leſer wird über 
die Maſſe der Thatſachen, über das von ihnen an— 


geregte Intereſſe, ſo wie über die, aus der Darſtellung 


8 | * 


IV 


entſpringendes, beruhigende Ueberzeugung: „Dies mußte 
ſo und nicht anders kommen“, jene Mängel in den 
Hintergrund ſtellen. So darf ich hoffen, daß über 
den Kern die Schale vergeſſen, und mein Werk mit 


freundlichem Wohlwollen begrüßt werden wird. 


Hamburg am 1. Juni 1850. 


Johann Czetz. 


Einleitung. 


Allgemeine Ueberſicht Siebenbürgens in politiſcher Beziehung. — 
Bewohner. Politiſche Inſtitutionen. — Der Landtag in 
Ungarn und Siebenbürgen 1897/48. — Landtagsbeſchlüſſe in 
Ungarn zur Zeit der Wiener Revolution. — Union Sieben- 
bürgens mit Ungarn. — Die Camarilla bearbeitet die Sachſen 
und Wallachen. — Demonſtrationen der Sachſen in Her— 
mannſtadt. — Bildung des wallachiſchen Comités. — Wal⸗ 
lachifche Nationalverfammlung in Baläsfalva. — 12 Be- 
titions-Punkte der wallachiſchen Nation durch Nopeſa nach 
Innsbruck an den König überbracht. — Antwort des Kö— 
nigs. — Beginn des wallachiſchen Aufſtandes im Juni 1848. 


Siebenbürgen, gleich Ungarn eine terra incog- 
nita mitten im civiliſirten Europa, gehört zu den 
ſchönſten und fruchtbarſten Theilen des öſterreichiſchen 
Länder-Complexes und erhebt ſich wie eine feſte Burg 
zwiſchen den beiden großen Thalebenen der Moldau 
einerſeits und der Theiß andererſeits. Nur wenige 
Päſſe führen aus den öſtlich gelegenen Tiefländern 
in Siebenbürgen hinein und geben die großen Han— 

1 


2 


delsſtraßen ab, auf denen die Kunſt- und Induſtrie⸗ 
producte des weſtlichen Europa's auf die Märkte 
von Bukareſt und Jaſſy geſchafft werden. Im Oſten, 
Norden und Süden umringen das Land die letzten 
Zweige des karpathiſchen Gebirgs mit hohen, him— 
melanſteigenden Gipfeln, auf denen hie und da, 
wie auf dein Budczeſt, dem Königsſtein, Szurul 
u. a., der Schnee ſelbſt im höchſten Sommer liegen 
bleibt, mit langgedehnten, von dichtem Urwald be⸗ 
deckten Rücken, in denen noch vor wenig Decennien 
der Auerochs hauste und wo jetzt der grimmige Bär, 
der Wolf und der Luchs ihre Heimath finden, mit 
weit in das Land reichenden Zweigen, die dem Lieb— 
haber der hohen Jagd die herrlichſte Auswahl 
an Hochwild geſtatten, während ihre Eingeweide 
Salz, Kupfer, allerlei Kohle und die koſtbarſten 
Steine bergen. Im Weſten vereinigen ſich die Ab— 
zweigungen der Karpathen mit den Ausläufern der 
pannoniſchen Alpen und hegen in ihrem Schooße 
den Reichthum des Landes, denn aus den hier 
vorhandenen Bergwerken wird die Hälfte des Goldes 
genommen, welches alljährlich in Oeſterreich verar— 
beitet wird; außerdem viel Silber, e und andere 
werthvolle Metalle. 

Dieſe Gebirge durchziehen das Land nach allen 
Richtungen und machen es zu einem ſchönen Gebirgs— 
lande, in welchem zahlreiche, obſchon nicht ſehr breite 
Thäler, von großer Fruchtbarkeit, mit Laub und 


Nadelwaldungen wechſeln. Dieſe Thäler werden 
theils durch die Hauptflüſſe Maros, Szamos und 
Alt gebildet, auf deren Rücken mittelſt Floͤſſe Salz 
und Bauholz nach Ungarn geführt wird, theils von 
zahlreichen aber unbedeutenderen Flüſſen und Torren— 
ten, welche größtentbeils, wie der Aranyvos, aus 
Goldſand jährlich in großen Quantitäten Gold lie— 
fern. Die reichhaltigen Lager von Steinſalz, 
welche ſich in Déſakna, Thorda, Parajd, Maros 
Ujvär finden, verſehen nicht nur Siebenbürgen, fon 
dern auch das Banat, Slavonien und Südungarn 
mit Salz. 

Getreide aller Art gedeiht im Ueberfluſſe, Wein 
wird im mittleren und weſtlichen Theile des Landes 
reichlich gebaut und unter ſeinen Arten iſt der 
Räzſamaler weit und breit berühmt; im beſten und 
wohlverdienten Rufe ſteht die Pferdezucht, und die 
Geſtüte der Grafen Bethlen, Teleky, Haller, der 
Barone Bänffy und Weſſelényi liefern ebenſo ſtatt— 
liche als gute und dauerhafte Reit- und Zugpferde, 
während die kleinen Cſiker-Pferde, eine eigenthümliche 
Gebirgs-Race, an Ausdauer und Leiſtungsfähigkeit 
alle andern übertreffen. 

Siebenbürgen hat Alles was es braucht und 
wollte man es mit einer chineſiſchen Mauer umſchlie— 
ßen, ſo würden die Bewohner an keinem Pro— 
ducte Mangel empfinden. Selbſt für die Herſtellung 
des koſtbarſten Gutes, der Geſundheit, bieten die 

1* 


4 


zahlreichen Mineralwäſſer, worunter das Borſzéker, 
Elöpataker, Zaizoner, ſo wie die bewährten Bade— 
orte: Al⸗Gyögy, Baͤszna, Koväszna, Tusnad, die 
willkommenſte Gelegenheit. Das Klima Sieben— 
bürgens iſt milde und ſehr geſund — der Winter 
jedoch wegen der Hochgebirgsmaſſen im Süden und 
der vielen Wälder ſtrenger, als in anderen Ländern 
gleicher Breite. 

In dieſem Lande voll Naturſchönheiten — 
nun ſeit Jahrhunderten: 

Die Ungarn an 4—500,000 Seelen. 

Die Szekler „ 300,000 w 

Die Sachſen „ 250,000 * 

Die Wallache „ 1,000,000 1 
außerdem noch Armenier, Griechen und Juden in 
nicht bedeutender Zahl. Die ganze Bevölkerung 
beläuft ſich auf zwei Millionen und ein Paar Tau— 
ſend Köpfe. Die älteſten Bewohner Siebenbürgens 
ſind die Wallachen, oder wie ſie ſelbſt ſich nennen 
Romanen oder Rumunyi, ein eigentlich flaviſcher 
Volksſtamm, der ſich zur Zeit der römiſchen Herr— 
ſchaft in Dacien latiniſirte und aus dieſem Grunde, 
ſowie durch eine entfernte Aehnlichkeit der Sprache, 
in lächerlichem Eigendünkel ſeine Abſtammung von 
den Römern behauptend, in dem Traume eines großen, 
romaniſchen Daciens feine ſchönſte Zukunft erblicket. 

Sie bewohnen den ganzen Südweſten und Nord— 
often des Landes und zwar vorzugsweiſe die dort 


> 

belegenen Thäler, während die Szekler die Berge be 
ſetzen, treiben Agrikultur und Viehzucht und ſind die 
nächſten Stammverwandten der Bewohner Südruß— 
lands, der Moldau und der Wallachei. Seit langen 
Jahrhunderten unter dem geiſtesknechtenden Einfluſſe 
ihrer Popen ſtehend, haben ſie allen politiſchen und 
moraliſchen Halt verloren, ſind feige, ſchlaff, faul und 
babſüchtig: kurz, moraliſch ſo verderbt geworden, wie 
wenig andre Volksſtämme. Auch die Beſtrebungen 
von politiſchen Flüchtlingen, welche aus der eigent— 
lichen Wallachei durch die Maiereigniſſe vertrieben 
wurden, vermochten die Nationalitätsidee nur in den 
Köpfen weniger Gebildeter zu wecken. Der Traum 
eines großen Daco-Romanien entſtand wahrſcheinlich 
in den Köpfen einiger in Paris gebildeter Bukareſter 
Edelleute, welche im Mai 1848, wiewohl vergeblich, 
ihr Ideal durch Proklamirung einer republikaniſch— 
demokratiſchen Verfaſſung in ihrer Vaterſtadt zu ver 
wirklichen ſuchten. 

Das Szeklerland umfaßt den öſtlichen Theil 
Siebenbürgen's zwiſchen dem 45. und 47. Grad der 
Breite und dem 42. bis 44. Grad der Länge, mit 
einem Flächeninhalt von ungefähr 222 [Meilen. Es 
iſt ringsum von den letzten Zweigen des Karpathenge— 
birges eingeſchloſſen und wird nach allen Richtungen 
von denſelben durchſchnitten. Die Gebirge enthalten 
an den Gränzen der Moldau, Wallachei und Bus 
kowina die größten Urwälder — durch ihre ſchauer— 


6 


liche Melancholie nicht ohne Einfluß auf den Geiſt 
des Menſchen — in dem Bergwerke zu Szent Do— 
mokos findet ſich ein großes Lager von gediegnem 
Kupfer und die Salzgruben von Parazd bilden einen 
bedeutenden Reichthum für das Land. Ohne Zweifel 
liegen noch viele Schätze im Grunde dieſer ſpärlich 
bewohnten Berge: hat man doch während der Revo— 
lution bei Kovaszna ſogar Platina und an vielen 
Orten reiche Kohlenlager entdeckt; aber alle dieſe 
natürlichen Schätze können nur vermöge des wohlthä— 
tigen Einfluſſes einer freien Bewegung zu Tage ge— 
fördert und zum Nutzen der Bewohner verwendet 
werden, was nun wohl durch das traurige, auf 
lange Zeit alles geiſtige Leben ertödtende Ende der 
ungariſchen Revolution für Jahrzehnte hinausgeſcho— 
ben iſt. An den zahlreichen Mineralquellen der Ge— 
birge, wie bei Borszék, Korond, Elöpatak, Tasnad 
und Tusnad finden alljährlich Hunderte von Kranken 
und Siechen Troſt und Linderung in ſelbſt verjähr— 
ten Leiden und der Wallachiſche Adel, die reichen 
Bojaren ermangeln nicht, alljährlich einen geſtärkten, 
lebensfriſchen Körper an dieſen Mineralwäſſern gegen 
ihr Gold einzutauſchen. Das Szeklerland iſt ganz 
gebirgig; nur die Haromſzeker Hochfläche bildet eine 
theilweiſe auch von Landhöhen durchſchnittne, vier 
Meilen im Quadrat große Ebene, in welcher ſchöner 
Weizen in Fülle gedeiht. Die beiden größten Flüſſe 
Siebenbürgens, die Alt und die Maros, haben in 


1 », 


dieſen Gebirgen ihre Quellen und befördern in ihrem 
Laufe Salz, Bretter und Brennholz auf Floſſen ins 
Land der Sachſen und nach Ungarn. In dieſen 
Gebirgen wohnen die Szekler, jetzt über eine 
halbe Million Seelen ftarf, früher unter eignen Für— 
ſten, dann den Siebenbürgiſchen Fürſten und end— 
lich ſpäter der öſterreichiſchen Dynaſtie unterworfen, 
immer aber mit ausſchließlichen Privilegien und eigen— 
thümlichen Inſtitutionen begabt, in urſprünglicher, 
unvermiſchter Racenreinheit und in einfacher Sitte. 
Die Szekler ſind ein ungariſcher Stamm, welcher 
ſich in jener Zeit, als die Magparen Pannonien be 
ſetzten, von dem Hauptſtamme trennte, in den von 
ihnen bewohnten Wäldern Daciens ſich bleibende 
Sitze erkämpfte und gegen die Aufgabe, die Reichs— 
gränze vor auswärtigen Feinden zu ſchirmen, ſchon 
von Altersber mit mannichfachen Privilegien ausge: 
ſtaͤttet wurde. Sie ſprechen die ungariſche Sprache 
und haben dieſe, ſo wie die ungariſchen Sitten und 
Gebräuche vermöge der Abgeſchloſſenheit ihres Terri— 
torium's rein und unverfälſcht bewahrt. Der Szekler 
iſt in ſeiner äußern Erſcheinung von mittlerer aber 
gedrungener Statur, die blühende Friſche ſeiner Wan— 
gen, die eiſernen Muskeln ſeiner Arme verrathen den 
ächten Naturſohn, die Biederkeit ſeines Geſichtes, die 
Geradbeit ſeines Wandels bezeichnen den Bewohner 
des Gebirges, der mit einer einfachen Lebensan— 
ſchauung, natürlichen Verſtand und ein gutes Herz 
paaret; ſeine Gaſtfreundſchaft, die den letzten Biſſen 


* 8 


Brod mit dem Fremden theilt, verräth den ungari— 
ſchen Urſprung, ſo wie ein gewiſſer trotziger Stolz 
als Zeichen ſelbſtbewußter Stärke und Unabhängigkeit. 
gilt. Der Charakter der Szekler iſt gutmüthig, aber 


entſchloſſen und feſt, feine Stimmung ernſt und zurück- 
haltend, an Rührigkeit und Betriebſamkeit gleicht er 


dem Tiroler. Neben dieſen glänzenden Eigenſchaften, 


wozu ſich noch der gewöhnliche, kalte Muth der Ge- 


birgsbewohner, die Geſchicklichkeit in der Handhabung 
der Feuerwaffe und die Ausdauer in Beſchwerden 
geſellt — beſitzt der Szekler auch ſeine Schattenſeite. 
Der Mangel an Schulbildung macht ihn bornirt, aber— 
gläubiſch und in den katholiſchen Theilen des Landes 
bigott, in dem proteſtantiſchen zügellos, ſelbſtſüchtig; 
der auf ihm ſeit Maria Thereſta laſtende Druck ewi— 
ger Militairpflichtigkeit macht ihn ſtützig und erweckt 
in ihm die Schlauheit, ſeine Lage durch was immer 
für Mittel zu verbeſſern — die ungariſchen Sprich— 
wörter buta szekly (dummer Szekler) vasejü szekely 
(harter Schädel) charakteriſiren ganz dieſe Richtung 
des Szekler Geiſtes. — Der Szekler iſt vor Allem 
Militair und als ſolcher ſchweigſam, ausharrend, 
mißtrauiſch gegen feinen Führer, fo lange er ihn 
nicht kennt, aber blind ergeben und gehoͤrſam, todes— 
verachtend und kühn bis zur Tollheit, wenn er feinen 
Mann gefunden. Er iſt im Siege unerſchütterlich 
und unüberwindlich, grauſam und plünderungs— 
luſtig, aber die Niederlage erſchüttert ihn und der 


9 * 


Mangel an Kenntniſſen läßt ihn in mißlicher Lage 
leicht ungeboriam, indisciplinirt und ſelbſt meuteriſch 
werden. 

Dieſer hervorſtechende Zug des Szekler-Charak— 
ters erklärt auch einzig und allein die ſpäteren Er— 
eigniſſe beim zweiten Einbruche der Ruſſen und den 
ſchnellen Verfall der ruhmbedeckten Bem'ſchen Armee. 

Die Inſtitutionen der Szekler waren jenen der 
Ungarn analog, nur daß das Feudalweſen, da wo 
es herrſchte, noch viel drückender und härter war, 
als bei den Ungarn. Dagegen war aber ein Diſtrikt 
von ganz freien Szeklern bewohnt, die Alle gleiche Rechte 
und Freiheiten hatten, ohne ungariſche Edelleute zu 
ſein, von Steuern befreit waren, und ſich ſelbſt sza— 
bad nemesek (freie Edle) nennend, das eben fo ſelt— 
ſame, wie ſonderbare Recht beſaßen, Jedem ſich unter 
ihnen anſiedalnden, wenn er ihre Sympathien zu ge— 
winnen verſtand, durch Volksbeſchluß gleichfalls zum 
Edlen zu erheben. Ein anderer, der größte, Theil 
der Szekler verlor unter Maria Thereſia (17660 feine 
Rechte und Freiheiten und wurde durch Waffengewalt 
gezwungen, das Gränzſyſtem anzunehmen und ſich 
dadurch zum ewigen, erblichen Militairdienſt zu ver— 
pflichten. Der Keim zur Unzufriedenheit wurde alſo 
ſchon damals durch die Parteilichkeit und Grauſam— 
keit gelegt, mit der man in jener Zeit Tauſende der 
militairiſchen Zwangsruthe unterwarf, während Hun— 


* 10 


derte und Einzelne, man weiß nicht, aus welchen 
Gründen, hiervon befreit blieben. Dadurch wurde 
ein bis dahin unbekannter Ständeunterſchied bei einem 
Volke eingeführt, welche ſich von Altersher als eine 
gleichberechtigte Genoſſenſchaft von lauter Edelen zu 
betrachten gewohnt war. Was Wunder alſo, wenn 
der Ausbruch der ungariſchen Revolution im Szekler— 
lande um ſo mehr mit Jubel begrüßt wurde, als 
durch die Beſchlüſſe des ungariſchen Landtages vom 
Jahr 1848, wo, wie früher, Baron Miklos Weſſelényi 
die Szekler kräftig vertrat, und durch die vom Kö— 
nige hierauf ertheilte Ratification, die Leiden der 
Szekler mit einem Male, wie durch Zauberſchlag, 
geſtillt und die offne Wunde der Ständeungleichheit 
durch die wohlthätige Wirkung der Geſetze geheilt 
werden ſollte. Mußte nicht natürlich der Szekler mit 
dankbarer Freude die Bruderhand ergreifen, welche 
ihn vom ewigen Militairjoch befreiete, die alte Gleich— 
heit Aller vor dem Geſetze wiederherſtellte, dem Szek— 
ler die Ausſicht auf ein beſſeres Loos in jeder Be— 
ziehung eröffnete, den armen Gränzer der quälenden 
Unterordnung unter einen ausländiſchen Officier ent— 
hob und ihn ſelbſt das Aufſchwingen zu höherer mili— 
tairiſcher und Civilcharge ermöglichte? Ueber das 
Verhältniß des Szeklers zu dem ſeine alten Sitten 
ſchonungslos knechtenden öſterreichiſchen Syſteme iſt 
namentlich Gerando, la Transylvanie et ses habitants 
Tom. II. p. 160 ff. zu vergleichen. Da nun die Bes 


11 


ſchlüſſe des 1848ger ungarischen Reichstages und die 
Union Siebenbürgens mit Ungarn die Erfüllung 
aller jener langgenaͤhrten Wünſche ſicherte, fo läßt 
ſich erklaͤren, mit welchem Enthuſiasmus der Szekler 
die Gelegenbeit ergriff, für ſich ſelbſt, die Ehre und 
das Glück ſeines Vaterlandes, dem eine ſo ſchoͤne 
Zukunft winkte, Gut und Blut einzuſetzen. Und 
doch haben gewiſſe ſchwarzgelbe Blätter, namentlich 
ſachſiſche, ſich nicht geſcheuet, die Szekler des ſchwär— 
zeſten Undankes gegen Oeſterreich zu zeihen, weil ſie, 
das Beiſpiel der übrigen Gränzer verſchmähend, nicht 
gegen den Leib ihrer Mutter das Schwert erhoben! 

Die Ungarn nahmen im Jahre 1002 unter ihrem 
Könige Stephan Beſitz von dem Lande, aus welchem 
ſie die Petſchenegen, einen tartariſchen Stamm, ver— 
jagten und occupiren ſeit der Zeit den Nordweſten 
und die Marmoroſcher Gränze Siebenbürgens, das 
bis auf die neuere Zeit die ungariſchen Geſetze 
als gültige Landesverordnungen anerkannte. Seit 
Stephan J. wurde das Land durch vom König er— 
nannte Woiwoden regiert. Als mit dem Tode des 
1526 bei Mohaes gebliebenen letzten ungariſchen 
Königs Ludwigs II. Ungarn an das Haus Oeſterreich 
kam, wählte eine Minderzabl der Ungarn den Sie 
benbürgiſchen Woiwoden Johann v. Zapolya (Grafen 
von Zips) zum Könige, worauf zwiſchen ihm und 
dem von der Mehrheit gewählten Ferdinand J. ein 
blutiger Krieg entſtand, der erſt 1538 durch den Frie— 


12 


den von Wardein beigelegt und darin Johann als 
Fürſt von Siebenbürgen und des von ihm beſeſſe— 
nen Ungariſchen Landestheiles auf Lebenszeit und, 
unter gewiſſen Bedingungen, für ſeine männlichen Nach— 
kommen anerkannt wurden. Nach ſeinem 1540 erfolg⸗ 
ten Tode behauptete ſich ſein Sohn Johann Sigismund 
als Fürſt mit Hülfe der Türken. Nach ihm wurde 
der auch zum Polniſchen König erkorne Stephan Ba— 
thory gewählt, dem 1576 fein zu Oeſterreich ſich hin— 
neigender Bruder Chriſtoph Bathory folgt. 1581 kam 
deſſen Sohn Sigismund Bathory auf den Thron, 
welcher das Land der ungariſchen Hoheit untergab, 
1596 gegen Oppeln und Ratibor an Oeſterreich ab— 
trat, dann aber wieder ſeinen Entſchluß bereute, Hülfe 
bei den Türken ſuchte und 1602 abgeſetzt wurde. 
Das hierauf folgende tyranniſche und grauſame Regi— 
ment des öſterreichiſchen Generals Baſta veranlaßte die 
Siebenbürger, den ſich gegen Oeſterreich mit Hülfe 
der Pforte und des inſurgirten Ungarn behauptenden 
Stephan Botskay zum Fürſten zu wählen. Ihm 
folgte Sigismund Ragoczy (1607-8), Gabriel Ba— 
thory (1608— 13) und Bethlen Gabor (1613-29), 
welcher faſt ganz Ungarn bis auf ſieben Comitate 
eroberte. Sein Nachfolger Georg Ragoczy (der Sohn 
Sigismund R. v. 1630 — 48) behauptete ſich mit 
Hülfe der Türken und war der Erretter der ungari— 
ſchen Proteſtanten von dem Joch der Jeſuiten. Ihm 
folgte fein Sohn Georg Ragoczy (1648 60), wel⸗ 


13 
cher, gegen den Willen der Pforte mit Carl XII. ge 
gen Polen verbündet, in einer Schlacht gegen die 
Türken fiel. Ihm folgte Michael Apaffy der ältere 
(166190), welcher feinen Nebenbuhler Joh. Kemény 
befiegte, mit Töföly gegen Oeſterreich kämpfte, und 
zuletzt ein erblicher Vaſall dieſes Kaiſerthumes wurde. 
Sein Sohn und Nachfolger Michael Apaffy der Jün— 
gere (1690 — 99) reſignirte gegen Ertheilung einer 
Penſion. Später nahm Siebenbürgen Antheil an 
der glorreichen Erhebung des jüngern Ragoczy, nach 
deſſen Beſiegung, von 1711 Siebenbürgen, welches 
1765 von Maria Thereſia zu einem Großfürſtenthume 
erboben wurde, als Nebenland Ungarns den Habs— 
burgern gehorchte. An der Spitze der Landesver— 
waltung ſtand der königliche Gouverneur von Sie— 
ben bürgen, welcher von der in Wien befindlichen 
ſiebenbürgiſchen Hofkanzelei feine Befehle erhielt. Neben 
ihm ſtand als Landesvertretung der vereinigte ſieben— 
bürgiſche Landtag, zu welchem die Ungarn 46, die 
Szekler 28 und die Sachſen 22 Abgeordnete wählten. 
Außer dieſen wählte die Regierung noch eine beliebige 
Zabl von Regaliſten aus den höchſten Beamten des 
Landes, fo im Jahre 1841 nicht weniger als 219. 
Die Wallachen waren gar nicht vertreten und beſaßen 
bis zum März 1848 gar keine politiſchen Rechte. 
Unter dem Landtage ſtanden, für die inneren Ange— 
legenheiten: 1) die Nationaluniverſität der Sachſen 
oder die Tagsſatzung der neun ſächſiſchen Stühle und 


14 


zwei Kreiſe, welche fich jährlich einmal in Hermanns⸗ 
ſtadt verſammelten, zu welcher jeder Stuhl oder Be— 
zirk zwei Abgeordnete ſendete, unter Vorſitz des vom 
Kaiſer ernannten Sachſengrafen; 2) die ungariſche 
Marſchallcongregation, beſtehend aus den Vertretern 
der elf ungariſchen Comitate oder zwei ungariſchen 
Kreiſe, der 10 privilegirten Stühle und der 15 pri 
vilegirten Ortſchaften; 3) aus der Stuhlcongregation 
der Szekler, beſtehend aus den Repräſentanten der 
5 Szekler-Stühle und der privilegirten Ortſchaften 
des Szeklerlandes. Die untern Glieder dieſer Na— 
tionalcongregationen bildeten die publica (Stuhlver⸗ 
ſammlungen der Sachſen), die Szeklerſtuhlverſamm⸗ 
lungen und die ungariſchen Comitatscongregationen, 
welche ſowohl die Deputirten zu den Nationalcongre— 
gationen, mit beſtimmten Mandaten, als die Ver— 
waltungsbeamten wählten. 

Die Sachſen im Innern des Landes, in einer 
ununterbrochenen Kette von Thälern, bisweilen auch 
vafenartig zwiſchen den übrigen Volksſtämmen, woh— 
nend, wurden 1146 unter König Geyſa II. nach Sies 
benbürgen berufen und erhielten zur Anſiedlung koͤ— 
nigliche Landſtriche (Fundus Regius) und nebenbei 
ausgedehnte Municipalrechte und Freiheiten, welche 
durch die ungariſchen Könige der Reihe nach und 
insbeſondere durch die Bulle des Königs Andreas 
beſtätigt und geſichert wurden. Eingewandert aus 
den Gegenden des rheiniſchen Siebengebirges, (woher 


15 

ſo wie nach den von ihnen im Lande gebauten ſieben 
Burgen der Name des neuen Vaterlandes) ſind ſie 
ein nüchternes, wohlbabendes Vöͤlkchen, welches Acker— 
bau und Induſtrie treibt, aber, wie faſt alle Kolo— 
niſten, durch und durch materielle Egoiſten, die weder 
einer politiſchen Begeiſterung fähig ſind, noch poli— 
tiſche Begriffe haben, welche über ihre alten Privi— 
legien hinausgehen. Schlafmützige Gemüthlichkeit, 
hausbackne Bornirtheit, Mangel an Energie und 
Selbſtbewußtſein, ehrlicher Fleiß und ehrliche Dumm— 
beit ſind Grundzüge des ſächſiſchen Charakters. Sie 
find achte Bureaukraten und Spießbürger. 

Die Wallachen wurden als unterjochte Nation 
betrachtet und zu Leibeigenen gemacht, aus welchem 
Zuſtande ſie ſich nur in ſeltenen Ausnahmen durch 
ausgezeichnete, dem Vaterland geleiſtete Dienſte zu 
Edelleuten (ſogenannte Bojeronen), eigentlich freien 
Inſaſſen, erhoben. Im Jogaraſer und Haͤtszeger 
Diſtrikt waren die Meiſten derſelben. 

Die Verfaſſung war vordem die ungariſche, eine 
durch den Adel repräſentirte, conſtitutionelle Verwal— 
tungsform, an welcher ſeit dem Jahre 1545 auch 
die Sachſen, bei denen kein Adel exiſtirt, durch Ab— 
geordnete vollen Antheil nahmen. 

Im Jahre 1545, den 25. April, ſchloſſen näm⸗ 
lich die Ungarn, Szekler und Sachſen zu Thorda 
eine Convention, vermöge welcher fie ſich als die al— 
lein im Lande berechtigten Nationen erkannten und 
die gemeinſamen Landesangelegenbeiten auf den ge— 


16 


meinſchaftlichen Landtagen durch Deputirte jeder der 
drei Nationen zu entſcheiden beſchloſſen. Die inneren 
Angelegenheiten jeder Nation ſollten durch die Na— 
tionalcongregationen geleitet und geregelt werden. 
Die urſprünglich demokratiſche Verfaſſung der Sach— 
ſen, welche aus dem Freibriefe des König Andreas 
(1224) herdatirt, geſtaltete ſich allmählich in eine 
Patricierherrſchaft um. Jene Verfaſſung enthielt 
folgende Punkte: 1) Die Sachſen ſtehen unter dem 
ſächſiſchen Grafen von Hermannſtadt, welcher nur 
Grundbeſitzer und vom Volk Gewählte als Be— 
amte anſtellen darf. 2) Sie zahlen jährlich 500 Mark 
Silber als Reichsſteuer, zu der Alle beitragen und 
deren Umlage ſie unter ſich ſelbſt machen. 3) Zu 
Kriegszügen im Lande ſtellen ſie 500 Mann, außer— 
halb des Landes 100 Mann, wenn der König ſelbſt 
in's Feld zieht, ſonſt nur 50 Mann. 4) Sie wäh— 
len ihre Prieſter. 5) Sie können nur nach ihrem 
alten Rechte vom Hermannſtädter Grafen oder vom 
Könige gerichtet werden. 6) Sie führen ein eignes 
Siegel und in Wechſelprozeſſen ſind nur Grundbe— 
ſitzer als Zeugen zuläſſig. 7) Wälder und Flüſſe im 
Lande ſind ihr gemeinſames Eigenthum. 8) Keiner 
von des Königs Vaſallen darf ſich ohne Zuſtimmung 
der ſächſiſchen Nation auf deren Gebiete anſiedeln. 
9) Die ſächſiſchen Kaufleute ſind im ganzen Reiche 
zoll⸗ und abgabenfrei. Bis ins funfzehnte Jahrhun— 
dert beſtanden dieſe Einrichtungen; in dieſer Zeit 


17 


wurden an die Stelle der directen Wahl und Vertre— 
tung durch Vertrauensmänner und ſtatt der jährlich 
gewählten Beamte, Senatoren auf Lebenszeit einge— 
fuhrt, wodurch die Rechte der ganzen Nation in die 
Hände weniger bevorzugter Familien geriethen und 
ſich ein wahres ſächſiſches Patricierthum bildete, 
welches, in der ungariſchen Verfaſſung von 18/8, 
ſeinen Untergang ſehend, aus dieſem Grunde ſchon 
der Union mit Ungarn entgegenarbeitete. 

Die übrigen Nationen erhielten nach Maaßgabe, 
als ſie ſich bei den Ungarn, Szeklern oder Sachſen 
niederließen und ſich um das Vaterland verdient 
machten, jenen ähnliche Rechte und Freiheiten. 

Seit der Zeit, daß Siebenbürgen unter ſelbſt— 
ſtaͤndig regierende Fürſten ſtand, ward der Landtag 
vom ungariſchen Reichstage getrennt und blieb es bis 
zum Jahre 1848. 

Die Landtage der drei Nationen wiederholten ſich 
nach der durch Zeit und Umſtände bedingten Reihen— 
folge auf den Aufruf der Fürſten oder der ungari— 
ſchen Könige und bemerkenswerth erſcheint nur, daß 
die Sachſen ſelbſt auf den Landtagen und in den 
Kämpfen der vaterländiſchen Fürſten gegen die kai— 
ſerlichen Invaſions-Schaaren immer die Sache des 
Vaterlandes verließen und zum Danke für den er— 
haltenen Boden und die erlangten Privilegien, ent— 
weder offen, häufiger aber heimlich, mit dem Feinde 
hielten. Die ſogenannten Nachkommen der Rö— 

2 


18 


mer hingegen gaben gar kein Zeichen des Lebens von 
ſich. Sie lebten in halbwildem Zuſtande auf den 
Gebirgen als Hirten und Aelpler oder bebauten un— 
ter der Zucht der Ungarn und Sachſen als Leibei— 
gene den Boden. 

Dieſer Zuſtand dauerte bis zum Jahre 1765, 
als Maria Thereſia Siebenbürgen zum Großfürſten— 
thum erhob und mehrere wichtige Geſetzveränderun— 
gen vornahm, vorzüglich die, daß ſie die freien Szek— 
ler an den Grenzen und die freien Wallachen mit 
bewaffneter Macht zwang, die Grenzinſtitutionen an— 
zunehmen, ſo wie daß ſie die Wiederkehr des Land— 
tages von drei zu drei Jahren feſtſetzte. Die Sach— 
ſen wußten ſich auch um dieſe Zeit durch Geld und 
andere erſprießliche Dienſte von der Grenzpflich— 
tigkeit zu befreien. 

So ging es zwar durch eine Reihe von Jah— 
ren, aber zur Zeit Kaiſer Joſephs II. wurden die 
ungariſchen Inſtitutionen bedeutend geändert und die 
Rechte des Landtags geſchmälert — die ſiebenbürgiſche 
Hofkanzlei in Wien entſtand damals, wodurch die 
Leitung der Landtagsangelegenheiten und die höchſten 
Stellen außerhalb des Landes verlegt wurden und 
dem Lande ein unberechenbarer Schaden erwuchs — 
ja es wurden in der Folgezeit ſogar die Landtage 
ſuspendirt. Nach dem Tode des Kaiſer Joſeph 
erhielt Siebenbürgen zugleich mit Ungarn ſeine vor— 
malige Conſtitution zurück und Kaiſer Leopold räumte 


19 


dem fönigl. Gubernium als der oberiten Landesſtelle 
einen größeren Wirkungskreis ein, als es bis dahin 
der Fall war. Seit dieſer Zeit bis zum Jahre 1825 
geſchah zwar nichts Erhebliches im Lande, aber es 
bildete ſich ein gewiſſes politiſches Syſtem aus, ver— 
möge deſſen bei der ſiebenbürgiſchen Hofkanzlei in 
Wien die Sachſen immer mehr an Einfluß und An— 
ſehen gewannen, während das Gubernium in Klau— 
ſenburg und die königl. Gerichtstafel zu Maros Va— 
ſarhely größtentbeils mit Männern der national-un⸗ 
gariſchen Partei beſetzt wurden. Noch ſchroffer ge— 
ſtalteten ſich dieſe Gegenbeſtrebungen nach dem be— 
rühmten ungariſchen Reichstag von 1825, wo der 
große Stephan Szechenyi das Banner der nationa— 
len Beſtrebungen entfaltete und das ungariſche Volk 
aus 800 jährigem Schlafe zum raſchen Fortſchritt in 
der Civiliſation aufrüttelte. Seit dieſer Zeit wurde 
auch in Ungarn die Idee der Wiedervereinigung 
Siebenbürgens mit Ungarn rege, die alten Geſetze 
ſuchte man hervor und begann den parlamentariſchen 
Kampf wegen der Reimcorporirung der Landestheile, 
ohne daß jedoch ein practiſches Reſultat erzielt wurde. 
Die Ungarn fühlten recht gut, daß ſie an den Sie— 
benbürger-Ungarn und Szeklern mächtige Verbündete 
gewannen, der Hof aber fürchtete eben ſo ſehr dieſe 
Vermehrung der ungariſchen Nationalkraft und legte 
der Entwicklung derſelben alle nur möglichen Hinder— 
niſſe in den Weg. 


20 


Bei ſolcher Geſtaltung der Dinge kam das Jahr 
1847 heran und der ſiebenbürgiſche letzte Landtag 
ward gerade geſchloſſen, als der ungariſche Reichstag 
eröffnet wurde. Alles war auf die kommenden Er⸗ 
eigniſſe geſpannt, denn die vorangegangenen Zei— 
tungs⸗Debatten, die Bildung des ungariſchen Schutz— 
vereins und deſſen Verbot abſeiten der Regie— 
rung, die neu auftauchenden Ideen der Beſteue— 
rung des Adels und der Aufhebung der Aviticität 
waren ſo wichtige und ſo in's Mark der Landes— 
Verhältniſſe eingreifende Punkte, und der Löſung der 
Aufgabe der liberalen Partei ſtanden ſo viele Schwie— 
rigkeiten entgegen, daß man mit banger Erwartung 
der Entſcheidung aller dieſer Fragen entgegenſah. 
Daß dieſe auf eine oder die andere Art erfolgen 
mußte, fühlte man wohl. Der ungariſche Reichstag 
zog ſich indeß wie gewöhnlich in die Länge und die 
Kräfte erlahmten in den langwierigen Debatten. 

Da brach am 13. März 1848 die Wiener Ne 
volution aus, dieſe Parodie aller Revolutionen, und 
während der Hof und die öſterreichiſchen Erbländer 
verblüfft und rathlos dem Zufalle ſich überließen, 
erfaßte die Oppoſitionspartei Ungarns den günſtigen 
Zeitpunkt und handelte. In Peſth wurden am 
15. März die bekannten 12 Punkte in einer Volks- 
verſammlung aufgeſetzt und durch eine Volksdeputa— 
tion dem Reichstage nach Preßburg zur Effectuirung 


21 
überbradht. Der letzte Punkt enthielt: Union Sieben; 
bürgens mit Ungarn. 

Man weiß, was ſeither geſchehen, die Peti— 
tionspunkte wurden alle bewilligt und das erſte un— 
abhängige ungariſche Miniſterium unter königlicher 
Sanction gebildet. 

Auch Siebenbürgen durchzitterte die große poli— 
tiſche Bewegung, die Gemüther waren aufgeregt und 
erſebnten das Eintreten näher liegender Ereigniſſe, 
um eine beſtimmte Richtung zu gewinnen. Dieſe ward 
gegeben einerſeits durch die ungariſche Unionsidee, 
andererſeits durch die Erhebung der liberalen walla— 
chiſchen Partei in Bukareſt und durch das plötzliche 
Erwachen des dakoroumaniſchen Freiheitsideals. Das 
Feldgeſchrei der Ungarn wurde Eljen az Unio (es 
lebe die Union), das der freiheitträumenden Walla— 
chen, es lebe die nationale Freiheit. Die Sachſen, 
zwiſchen beiden Parteien ſtehend, verhielten ſich an— 
fangs theilnahmlos; ſie dachten nur an ihre Privile— 
gien und glaubten ſehr klug zu handeln, wenn ſie 
mit allen Parteien Fofettirten, vor allen Dingen aber 
ſich um das Zeichen der Militärgewalt, das ſchwarz— 
gelbe Banner der Habsburger, ſchaarten. Aber ihre 
rührigen Nachbarn überflutheten ſie bald: ſchon Ende 
März wehete die ungariſche Trikolore auf allen öffent— 
lichen Gebäuden, der Landesgouverneur ſelbſt, der 
edle gelehrte Graf Joſeph Teleky erklärte ſich offen 
der ſächſiſchen Nationsuniverſität und dem Hermann— 


22 


ſtädter Magiſtrat gegenüber für die Union. Auch die 
Wallachen waren Anfangs derſelben nicht abgeneigt. 

Der Landesgouverneur rief den Landtag, wel— 
cher in Klauſenburg am 1. Juni eröffnet wurde, zu— 
ſammen. Hier waren bereits die Wallachen vertre— 
ten und gerade, weil ſie die Entſcheidung gaben, wurde 
die Union mit großer Majorität beſchloſſen und als— 
bald eine entſprechende Anzahl von Deputirten zum 
gemeinſamen Reichstage nach Peſth geſandt. Dort 
ſtimmten auch die ſächſiſchen Deputirten für die auch 
da zum Beſchluß erhobne Union und eine an den 
Kaiſer nach Innsbruck entſendete Deputation erhielt 
deſſen Sanction. Dieſe erfolgte in einer dem Mini— 
ſter Batthyanyi überreichten, vom Kaiſer unterzeich— 
neten Urkunde, welche vom ungariſchen Reichstage 
und dem Palatin Erzherzog Stephan regiſtrirt wurde. 
Puchner verkündete ſie als k. k. Commiſſair in Sie— 
benbürgen. 

Zugleich begannen aber die Machinationen der 
Camarilla. Die bedeutendſten Capacitäten der Sach— 
ſen und Wallachen wurden nach Wien berufen und 
erhielten geheime Inſtructionen, wie ſie auf die Auf— 
löſung der Union hinzuwirken hätten. Der Haß 
der Nationalitäten wurde geweckt und geſtachelt, und 
ſo hoffte man, auf gleißneriſchem Wege das wieder 
zurückzuerlangen, was man in einem Augenblick der 
Schwäche obſchon nur einem Jahrhunderte alten 


N 


2» 


Rechte buldigend, den Händen hatte entichlüpfen 
laſſen. 

Man batte ſeine Leute gut gewählt — denn die 
Sachſen fürchteten, vielleicht nicht mit Unrecht, die 
einträglichen Stellen der aufgelösten ſiebenbürgiſchen 
Hofkanzlei und des Theſaurariats zu verlieren, die 
ſächſiſchen Pfarrer konnten ihre fetten Pfründen und 
den verlorenen Zehent nicht verſchmerzen, die Su— 
prematie der Magyaren war aber dem ganzen ſäch— 
ſiſchen Volke ein Gräuel. Sie wollten lieber öſter— 
reichiſche Selaven, als freie Bürger Ungarns fein, 
und bemäntelten ihre niedrigen Umtriebe mit dem 
vomphaften Titel der Erhaltung ihres Deutſchthumes. 

Die Wallachen ihrerſeits erwachten aus Jahr— 
hunderte langem Schlummer und erhoben das Rache— 
ſchwert gegen jene Ungarn, die ſie zwar früher ge— 
drückt, aber durch das Geſetz des Jahres 1848 alle 
Schulden mit reichlichen Zinſen abgetragen hatten. 
Einzelne Ehrgeizige ſuchten die Dummheit des walla— 
chiſchen Volkes für ihre eigene Rechnung auszubeu— 
ten und ſtrebten, auf die Mehrheit der Volkszahl ge— 
ſtützt, aus Siebenbürgen das geträumte romaniſche 
Dacien zu machen, das ſie dann ſelbſt regieren könn— 
ten. Sie wurden in dieſer Anſicht von den Sachſen 
beſtärkt, die im Bewußtſein ihrer höheren Bildung 


ſchon bereit ſtanden, die Früchte für die Wallachen 


einzuſarnmeln. 


* 


24 


Die Wallachen wurden auf alle mögliche Weiſe 
bearbeitet und in dem Kampfe mit der Reaction in 
den Vordergrund geſtellt. Der wallachiſche Biſchof 
Saguna erließ Rundſchreiben an alle wallachiſchen 
Popen, das Volk zum Widerſtande gegen die unga— 
riſchen Beamten und gegen die Verfügungen der 
ungariſchen Regierung aufzufordern und anzueifern; 
in Hermannſtadt bildete ſich unter dem Vorſitze des 
genannten Biſchofs und ſpäter eines gewiſſen Laureani 
ein wallachiſches Comité, welches die Intereſſen der 
wallachiſchen Nation überwachen und deren Bewe— 
gungen leiten ſollte. 

Vor Allem agitirten die ſächſiſchen Patrieier und 
Bureaukraten gegen die Union. Jene mußten durch 
die Einführung der freien ungariſchen Comitatsver— 
faffung, durch das an einen kleinen Cenſus geknüpfte 
allgemeine Wahlrecht, das Ende ihrer Herrſchaft 
herannahen ſehen; Privilegien und Gewohnheiten 
mußten verſchwinden, an denen ſie mit ganzer Seele 
hingen. Sie konnten nicht begreifen, daß der allge— 
meinen Volksfreiheit alle kleine Freiheiten kleinlicher 
Nationalitäten zum Opfer fallen müßten. Die Bu— 
reaufraten, welche ihren Sitz in Hermannſtadt hatten, 
aber nicht eher hervorzutreten wagten, als die öſter— 
reichiſche Hofpartei durch die Flucht des Kaiſers nach 
Innsbruck conſolidirt erſchien, verbündete ſich mit den 
Patriciern und ihnen ſchloß ſich, mit der Soldatenge— 
walt, der Militairgouverneur und kaiſerliche Com- 


25 


miſſair Puchner an. Die Wallachen wurden bear: 
beitet, ihnen als einer zur Herrſchaft berechtigten 
Maſorität geſchmeichelt; der ſiebenbürgiſche Bote, das 
Organ der ſächſiſchen Partei, nannte fie die hochher— 
zige wallachiſche Nation und wies auf die gefährliche 
Nachbarſchaft Rußlands hin, welches nicht ſäumen 
werde, den Magyaren Hülfe zu leiſten “). 

So erließen auch die Sachſen um dieſe Zeit eine 
Proklamation an die Wallachen, in welcher nach all— 
gemeinen Phraſen der Gleichberechtigungs-Anſprüche 
aller Nationen, der Erwähnung von dem Streben 
der Ungarn, ein eigenes, ſelbſtſtändiges, unabhängiges 
Reich zu bilden, und die Dynaſtie des Thrones zu 
berauben u. dgl., folgende merkwürdige und bezeich- 
nende Stelle vorkömmt: 

„Brüder Wallachen! Laſſet uns gegenſeitig die 
„Hand reichen, und feſt ſchließen den Bund, vor dem 
„der übermüthige Stolz der Magyaren ſich beugen, 
„und gar bald jeder Magyare oder Szekler von un— 
„ſerem gemeinſamen Vaterlande vertilgt werden ſoll 
„— denn Siebenbürgen gehört nicht den Ungarn (8); 
„dieſes ſchoͤne Land iſt Euer Erbe und unſer zugleich, 
„die wir auf ewig mit Euch vereint ſind und bleiben 
„wollen. Vertreiben wir dieſe frechen Eindring— 
„linge (dies ſagten die Sachſen!); ihr ſeid an Zahl 


) So ſtanden damals noch die Dinge! 


26 


„unendlich, wir ſchließen uns Euch an, und die Trup— 
„pen des „Kaiſers“ werden gegen Uns nicht nur 
„nicht auftreten, ſie werden vielmehr mit Uns fech— 
„ten zur Erreichung des gemeinſamen Zieles.“ — 
Dies wagten die Sachſen in Hermannſtadt zu publi— 
ciren — während ein vom König zur Ueberwachung 
der Intereſſen der Krone und der geſetzlichen Regie— 
rung beſtallter königl. Commiſſair mit ausgedehnten, 
unbeſchränkten Vollmachten in Klauſenburg reſidirte. 
Man ſieht, wie weit die Camarilla es bereits gebracht 
hatte. — 

Die Volksverſammlung der Wallachen hatte in— 
zwiſchen am 15. Mai bei Baläsfalva ſtatt gehabt. 
Dieſe wurde auf Antrieb der wallachiſchen Popen 
und Procuratoren (Advocaten) in Gegenwart von 
12,000 Reitern abgehalten; vielleicht die ſonderbarſte 
Volksverſammlung, welche je in Europa ſtatt fand. 
Wallachiſche Procuratoren in ihrem Advocatengewande 
und Popen mit hohen Mützen und langen Bärten, 
orientaliſch ausſehende Bojaren, (Sachſen in ihren 
bis an die Knöchel reichenden Nationalcaputröcken) 
hielten Reden vor der ſtürmiſchen Menge. Es wurde 
endlich als Beſchluß eine Petition in 12 Punkten 
aufgeſetzt, worin der Kaiſer Ferdinand gebeten 
ward, die Wallachen als vierte politiſch berechtigte 
Nation in Siebenbürgen anzuerkennen und ihnen 
bürgerliche, politiſche und religiöſe Selbſtſtändig— 
keit zu garantiren — wogegen ſie der Union bei— 


7 2 


27 


traten. Eine Deputation ſollte dieſe Petition an 
den Kaiſer in Innsbruck überbringen. An der Spitze 
dieſer Deputation befand ſich nebſt dem Biſchof Sa— 
gung der ungarische Graf Nopéſa, der Obergeſpann 
des Hunvader Comitats, früher durch feine Erpreſ— 
ſungen und unrechtmäßige, betrügeriſche Aquiſition 
von Gütern unbemittelter Edelleute und ſeiner eige— 
nen Unterthanen bekannt — dem es aber nun plötz⸗ 
lich in den Sinn kam, daß er wallachiſcher Abſtam— 
mung ſei, von jener Race, die er früher fo ſehr 
verachtet hatte. 

Die hierin geforderte Anerkennung der walla— 
chiſchen Nationalität als der vierten gleichberechtigten 
Nation in Siebenbürgen, bedeutet nichts — denn 
durch den Beſchluß des ungariſchen Reichstags vom 
Jahr 1848 waren alle Staatsbürger ohne Ausnahme 
vor dem Geſetze gleich, allen Nationen war der freie 
Gebrauch ihrer Sprache in Kirche und Schule ga— 
rantirt — was wollten alſo die Wallachen mehr? — 
Ebenſo unſtichhaltig waren die übrigen Punkte jener 
Petition. 

Der König empfing zwar die Deputation — 
verwies ſie aber, wie das Recht es verlangte, an 
feinen konigl. Stellvertreter in Ungarn und an die 
ungariſche Regierung. 

Dies war für die Camarilla das Signal zum 
Ausbruche. Der wallachiſche Aufſtand wurde förmlich 
organiſirt. Emiſſaire, wie Mifäs, Pap Alexander, Bar⸗ 


28 


nucz, Janku u. dgl. wurden in alle wallachiſchen 
Ortſchaften entſendet, und predigten Mord und Ver— 
derben den Magyaren, verſprachen dabei die Hülfe 
der kaiſerlichen Truppen und Subſidien-Gelder aus 
der ſächſiſchen Nations-Caſſe, welche für die Zwecke 
der Camarilla offen ſtand (ſie hatte dafür den Erſatz 
verſprochen), für ihre Leiſtungen verſicherte man ſie 
des Dankes und der Zufriedenheit des guten Kaiſers 
und ſpiegelte dem Volke vor, nach glücklich beendig— 
tem Kampfe wolle der Kaiſer den Titel eines Woj— 
woden der öſterreichiſchen Wallachei annehmen und 
Siebenbürgen durch wallachiſche Miniſter regieren 
laſſen. 

Man wird ſehen, welche Früchte dieſe Lehren 
getragen. 

Die Sachſen ihrerſeits blieben vor der Hand 
mehr paſſiv, konnten es freilich nicht verhindern, daß 
bei Empfang des Miniſterialbefehls auf den öffent— 
lichen Gebäuden die ungariſche Tricolore aufgeſteckt 
ward, ſtatt jener großen ſchwarzgelben Fahne, welche 
auf allen Dächern wehte, aber im Theater zu Her— 
mannſtadt ertheilten ſie mit einer lächerlichen Komödie 
dem Schwarzgelbthum gleichſam die Weihe. Dies 
trug ſich im Monat Juli zu. 

So war es gelungen, das Land in zwei feind— 
liche Lager zu trennen; der ganze Süden, vom Hu— 
nyader Comitat beginnend, mit Innbegriff Carlsburgs 
bis zu der Häromszek, fo wie die nordöftlichen Par— 


_» 


tien des wallachiſchen Grenzgebiet und der biftriger 
Diſtrict ſtanden bald, unterſtützt von den öſterreichiſchen 
Militairgewalthabern, gegen die Partei der Union 
unter Waffen. 

Die Elemente waren im Gähren — der Knoten 
hatte ſich zu ſehr verwirrt, als daß eine andere Lö— 
fung, als durch das Schwert moglich war. Wir 
werden in dem Folgenden dem Leſer dieſe Ereigniſſe 
in ihrer Reihenfolge getreu und wahr, für beide 
Theile gleich ſtrenge im Urtheil, vorlegen. Der Leſer 
ſelbſt wird ſich dann orientiren und über den Schul— 
digen den Stab brechen — die Gefallenen aber wenig— 
ſtens bemitleiden. 


30 


Erſtes Capitel. 


Geheime Vorbereitungen der Camarilla zum Ausbruche des wal— 
lachiſchen und ſächſiſchen Aufſtandes gegen die ungariſche 
Regierung. — Organiſation der Wallachen, des romani— 
ſchen Landſturmes, der ſächſiſchen Nationalgarde. — Ma⸗ 
chinationen des Oberſtlieut. Urban vom zweiten wallachi— 
ſchen Grenzregiment Pazſuras oder Freibriefe zu Raub 
und Mord. — Die zweite wallachifche Volksverſammlung 
in Baläsfalva. — Folgen derſelben. — Ereigniſſe im Unter: 
Albenſer Comitat. — Dispofitionen des bevollmächtigten 
königlichen Commiſſairs Baron Niklas Vay. — Sendung des 
Regierungs-Commiſſairs Ladislaus Berzenczei in's Szekler— 
land zur Organiſirung des Koſſuth- oder Mätyäs-Huſaren— 
Regiments. — Die Volksverſammlung der Szekler in Agyag— 
falva. — Die Camarilla wirft die Maske ab. — Die 
Proclamation des F. M. L. Puchner, kaiſerl. öfterreichifchen 
commandirenden Generals in Siebenbürgen als Signal zum 
Ausbruche des Kampfes. 


Wir haben in der Einleitung geſehen, wie weit 
es bereits die Sophie-Jellaéick-Saguna'ſche reactio— 
naire Camarilla in den Monaten Mai, Juni und 
Juli mit ihren jeſuitiſchen Wühlereien unter den 


1 


31 

Sachſen und Wallachen gebracht hatte und wie ihr fein 
Mittel unheilig und ſchlecht genug war, ihren Zweck: 
den Sturz der geſetzmäßigen ungariſchen Regierung 
und hierdurch die Auflöfung der Union zwiſchen Sie 
benbürgen und Ungarn, zu erreichen. Der Plan 
war aber noch nicht zur Ausführung reif, es mußte 
die operirende Macht erſt organiſirt werden, ehe 
man es zum offenen Aufruhr kommen ließ. Zudem 
konnte man auch jetzt die Unverſchämtheit noch nicht 
ſo weit treiben, um das Spiel mit Königseiden und 
der Königstreue den ſtaunenden Augen der Welt 
offen aufzudecken. 

Während die diplomatiſche Fehde mit der unga— 
riſchen Regierung auf dem Papiere geführt wurde, 
organiſirte man in den ſächſiſchen Städten und ſelbſt 
auf dem Lande die Nationalgarde und leerte die 
kaiſerlichen Zeughäuſer in Carlsburg und Hermann— 
ſtadt, um die Sachſen und Wallachen mit guten 
Feuergewehren zu verſehen. Die wallachiſchen Grenz— 
Regimenter wurden nicht nur completirt, ſondern 
auch bei jedem Regiment zwei neue Reſervebataillons 
formirt, die nur der Waffen bedurften, um vollkom— 
men einerereirt auf dem Kampfplatz zu erſcheinen. 
Zudem regelte man mit Hülfe kaiſerlicher Officiere 
und unter Vorſitz des wallachiſchen Comités im gan— 
zen Lande Siebenbürgen, wo Wallachen wohnten, 
alſo nur das Szeklerland ausgenommen, den walla— 
chiſchen Landſturm in lächerlichem Eigendünkel nach 


> 
32 


dem Beiſpiele der Römer. Es wurden Präfecturen, 
Tribunate errichtet und jedem Präfecten (Comitats— 
vorſtand) mehrere Tribunen (Diſtritscommandanten) 
und dieſen wieder Centurionen (Bezirkscommandan— 
ten) untergeordnet. Die Präfecten erhielten ihre 
Berichte von den Tribunen, welche ſolche von den 
Centurionen bekamen und berichteten ſodann an das 
wallachiſche Comité, welches ſeinerſeits dem kaiſer— 
lichen Generalcommando, als der Centralſtelle der 
Reaction, ſeine Relationen abſtattete und von dieſem 
die ſtrategiſchen und taktiſchen Dispoſitionen erhielt. 
So wurde denn der Landſturm en gros organiſirt 
und aus den kaiſerlichen Zeughäuſern mit Feuerwaffen, 
von Hermannſtadt und Vajda Hunyad aber, auf 
Koſten der Sachſen mit Lanzen, Spießen und Piken 
verſehen. Der eigene Erfindungsgeiſt gab den Wal— 
lachen hölzerne Kanonen an, ausgebohrte Holzblöcke 
mit eiſernen Ringen zuſammengeheftet, woraus ſie 
Steine, mitunter auch Eiſenkugeln zu ſchleudern ſuch— 
ten. (M. Schleſinger in ſeiner Schrift: „Aus Ungarn“ 
ſchreibt die Erfindung hölzerner Kanonen Bem zu 
und liefert darüber ſehr amüſante Details, natürlich 
nur für Nichtmilitairs. Allein dieſe geniale Erfin— 
dung kommt den Wallachen allein zu und Bem hat 
nie den lächerlichen Einfall gehabt, ſich ſolcher Dinge 
zu bedienen. Die Ungarn nahmen ſie den Wallachen 
ab und bewahrten fie als Curioſa; die Ruſſen erober: 
ten ſie von den Ungarn und führten die Rarität 


33 


als angebliche Siegstrophae mit nach Petersburg). 
Dies geſchah vorzüglich im ſüdlichen und weſtlichen 
Theile Siebenbürgens. Im nördlichen Theile über— 
nahm der Oberſtlieutnant Urban vom 2ten Wal— 
lachen Grenz-Regiment das Amt eines Schildknap— 
ven der Camarilla. Er reiſete im Monate Juli 
nach Wien und kehrte mit den von Latour erhaltenen 
Inſtructionen bald zurück. Gleich nach ſeiner Rück— 
kehr beſchied er alle treuen Anhänger des Kaiſers zu 
ſich, um denſelben als getreuen Unterthanen ſoge— 
nannte Schutzbriefe (Pazſuras) zu ertheilen gegen 
allenfallſige Reeriminationen von Seiten der Ungarn 
oder Szekler oder reſpective der ungariſchen Regie— 
rung. Eigentlich waren dieſe Pazſuras Freibriefe 
zur Uebertretung und Verachtung des neuen Landes— 


geſetzes, zu Raub, Mord und Plünderung. Man, 


ſieht dies ſchon aus dem Hergange bei Ertheilung 
dieſer Schutzbriefe. Alle Bewohner eines Ortes 
mußten vor dem neuen wallachiſchen Meſſias erſchei— 
nen und nach einer gewiſſen Formel dem Kaiſer 
Ferdinand dem Erſten (alſo nicht dem ungariſchen 
König Ferdinand V.) ewige unverbrüchliche Treue 
und ſeinen kaiſerlichen Stellvertretern, den öſterreichi— 
ſchen Generälen (alſo nicht der geſetzmäßigen Regie— 
rung) unbedingten Gehorſam und Bereitwilligfeit 
ſchwören, die Feinde des Kaiſers und der Dynaſtie, wo 
und wie ſie ſich zeigen ſollten, mit Feuer und Schwert 
zu vertilgen. — Die bei ſolcher Gelegenheit gehalte— 
3 


34 


nen Reden gegen die ungeſetzliche, revolutionaire uns 
gariſche Regierung und gegen die ſtolzen, herrſch— 
ſüchtigen Ungarn, die den Kaiſer vom Throne ſtoßen 
wollten, lieferten den Commentar zu obiger Formel und 
wieſen leicht faßlich auf die Feinde des Kaiſers hin. 
Hierauf bekam jede Gemeinde, die den Eid abgelegt, 
ein Billet, mit dem kaiſerlichen Doppeladler geſiegelt, 
welches den Act der Eidesleiſtung beſtätigte und die 
Gemeinde von allem Gehorſam gegen die ungariſche 
Regierung entband und gegen jedweden Angriff die 
Hülfe kaiſerlicher Truppen zuſicherte. 

Mittlerweile thaten auch die wallachiſchen Popen 
das Ihrige, um das Volk gegen die Ungarn zu fa— 
natiſiren und zur Ausrottung alles deſſen, was un— 
gariſch war anzuſpornen, wobei es in Folge des auf 
den Wallachen Jahrhunderte lang gelaſteten Drucks 
und des daraus entkeimten, glühenden Haſſes, nur 
des zündenden Funkens bedurfte, um die verheerende 
Flamme emporlodern zu machen. 

Der ungariſche Commiſſair Baron Niklas Vay 
ſah alle dieſe Vorgänge und berichtete ſie dem unga— 
riſchen Miniſterium. Dieſes wollte aber à tout prix 
auf dem geſetzlichen Boden verbleiben und ließ jenes 
Treiben nur durch Verbote und Aufrufe von brüder— 
licher Einheit u. dgl. unterſagen, höchſtens bereitete 
man ſich nothgedrungen im Stillen zur Abwehr des 
Angriffs vor. Es iſt in der That merkwürdig, welche 
Stellung der commandirende General von Sieben— 


35 

bürgen F. M. L. Puchner um dieſe Zeit einnahm. 
Dem Anſcheine nach herrſchte zwiſchen ihm und dem 
Baron Bay die beſte Eintracht, er gab fein Ehrenwort, 
allen Anordnungen deſſelben ſich willig zu fügen und 
die Wallachen in Zaum zu halten, er ließ die unga— 
riſche Nationalgarde von Carlsburg aus mit Waffen 
verfeben, freilich mit den ſchlechteſten die ſich vor— 
fanden und in möglichſt kleiner Zahl; er ließ auf 
Vay's Befehl zwei Szekler- Bataillons und eine Di— 
viſion Szekler-Huſaren in's ungariſche Lager nach 
Verbäͤſz gegen die Raizen abmarſchiren und auch 
ſechs Kanonen in Carlsburg für Klauſenburg aus— 
rüſten, welche nur durch Ungeſchicklichkeit oder viel— 
mehr durch den Glauben an Puchners Loyalität und 
Ehrenhaftigkeit von Seiten des ungariſchen Regierungs— 
Commiſſairs nicht an den Ort ihrer Beſtimmung kamen, 
und doch war es anderſeits wieder F. M. L. Puchner, 
der die Bewegungen der Wallachen und Sachſen 
leitete. — „Sonderbar — aber doch wahr!“ — 

Die Wallachen ſchrieben nun eine zweite Volks— 
verſammlung nach Baläsfalva aus und Baron Vay 
vräſidirte derſelben. Die Petitions-Punkte der erſten 
wurden wiederholt und es fiel hierbei nichts Bemer— 
fenswertbes vor, als daß das hiezu commandirte 
kaiſerliche Militair zu Ehren der Wallachen wieder— 
holte Salven abfeuerte und während der Meſſe, ſo 
wie während der Debatten nur des Kaiſers von 
Oeſterreich, nie des Königs von Ungarn Erwähnung 

3* 


36 


geſchah. Unter den erwähnten Petitionspunften ber. 
fand ſich auch „die Abſchaffung der gezwungenen 
Union und ſelbſtſtändige Verwaltung Siebenbürgens;“ 
was damit gemeint ſei, werden wir unten aus den 
beim wallachiſchen Comité gelegentlich der Einnahme 
Hermannftadts vorgefundenen Papieren berichten. 

In Ungarn hatte ſich indeſſen der Kampf mit 
den Raizen entſponnen und Selladie betrieb emſig 
ſeine Rüſtungen. Die Wallachen wollten hinter 
einem ſo erbaulichen Beiſpiele nicht zurückbleiben und 
nun begann jene traurige Epoche barbariſcher Wild— 
heit und entfeſſelter Leidenſchaft, welche der wallachi— 
ſchen Nation und ihren Führern direct, der Cama— 
villa indireet für ewige Zeiten das Brandmal der 
Schande und der Unwiſſenheit aufdrückt und von 
welcher der Dichter ſo ahnungsvoll ſagt: „Doch 
furchtbar iſt die wilde Kraft, wenn ſie der Feſſel 
ſich entrafft.“ 

Der wallachiſche Landſturm verſammelte ſich an 
30 — 40,000 Mann ſtark, auf allerlei Art bewaffnet, 
im Unter-Albenſer Comitat und begann unter den 
Präfecten: Axentie Severus, Prodan, Moga, Gre— 
gorio und Janku in Haufen von ſechs bis acht Tauſend 
feinen Vandalenzug. Die Ortſchaften Magyar-Lapaͤd, 
Tſchombord, Gald, Buzas Botſchard wurden nächt— 
licher Weiſe überrumpelt, die Edelböfe geplündert 
und dann den Flammen preisgegeben, alle ungari— 
ſchen Bewohner, Männer, Weiber, Kinder, Greiſe 


37 

unter den qualvollſten Martern gemordet, entweder 
erſchlagen, geſpießt, verbrannt, lebendig in die 
Erde gegraben, Müttern die Säuglinge von der 
Bruſt geriſſen und vor ihren Augen geviertheilt oder 
lebendig gebraten; adelige Jungfrauen zu Tode ge— 
ſchändet; ſchwangeren Weibern die Bäuche aufge— 
ſchlitzt und der Embryo zu Golyasfleiſch zuſammen— 
gehauen, Männer bei den Füßen erhängt oder bis 
an den halben Leib in die Erde gegraben und mit 
Piken zu Tode gemartert oder dem Hungertode über— 
laſſen, kurz alle Scheußlichkeiten begangen, welche 
man in den Annalen der Völkerwanderung oder in 
den Denkbüchern der Folter des Mittelalters je mit 
Entſetzen zu leſen gewohnt iſt. Die Wallachen trie— 
ben ihre Barbarei fo weit, daß fie in den Evelböfen 
ſelbſt den Fußboden und das Getäfel aufriſſen und 
in Stücke zerhieben, die Bücherſammlungen, Manu— 
ſcripte, alterthümliche Urkunden u. dgl. bändeweiſe 
zerriſſen und in alle Winde zerſtreuten. 

Dieſer Verheerungszug traf im October die 
Bergſtadt Zalathna, wo über 2000 Ungarn gemor— 
det und die Goldgruben zerſtört wurden, hierauf 
N. Enyed, den Sitz alles geiſtigen Lebens von Sie— 
benbürgen, wo Siebenbürgens hiſtoriſche Denkmale, 
das Nationalmuſeum, die ſehr werthvolle Bibliothek 
ein Raub der Zerſtörung dieſer wilden Horden wur— 
den, ſpäter endlich Fel-Vincz, welche ungariſche 
Stadt dem Erdboden gleich gemacht ward. Und alle 


33 


dieſe Verwüſtungen und Scheußlichfeiten, fo arg wie 
fie nur das Raffinement entmenſchter Unholde erſinnen 
und die Feder kaum vor Grauen und Ekel beſchrei— 
ben mag, geſchahen nach dem Ausdrucke der Walla— 
chen im Namen und auf Befehl des gütigen Kai- 
ſers Ferdinand des Erſten Cporunka Imperatu 
nuostru Ferdinandu J.)! Dies fagte zu jener Zeit 
der gemeinſte Wallache! 

Die allwaltende Nemeſis, welche den Seufzer 
der Unglücklichen und Gequälten, jede drückende 
Qual des Unſchuldigen wägt und vergilt; ſie wird 
dereinſt nicht ſäumen, das Rache- und Sühnegericht 
einzuſetzen über die Urheber ſolcher, die Menſchheit 
entehrenden Scheußlichkeiten. Möge das Gewiſſen 
Ferdinands und ſeiner Rathgeber auch von dienſt— 
willigen Pfaffen zeitweilig eingelullt werden; es wird 
eine Stunde kommen, wo das von ihnen angehäufte 
Meer von Blut und Brand vernichtend auch zu ihnen 
dringt, die höhere Hand der gerechten Vergeltung 
kündend“)! 

Den größten Schaden richteten aber die Walla— 
chen dadurch an, daß ſie alle Pferde der edlen Ge— 
ſtüte, z. B. jene, der Barone Kemény, Baͤnffy, 


) Man leſe die in jener Epoche erſchienenen ungarischen 
oder nur einige Blätter des Siebenbürger Boten oder das Kron— 
ftädter Wochenblatt und man wird in jeder ihrer Spalten für 
das hier Geſagte eine Fulle von Belegen finden. 


39 
des Gaal zc. ſtahlen und die edlen Thiere durch ſchlechte 
Wartung meiſtens umkommen ließen. Nur äußerst 
wenige dieſer edlen Hengſte ſah man ſpäter vor dem 
Wagen des Präſidenten des wallachiſchen Comités 
Laureani, dann bei Janku, einigen ſächſiſchen Nota— 
bilitäten und kaiſerl. Officieren paradiren. 

Um dieſen Gräuelſcenen und Verwüſtungen Ein— 
halt zu thun, publicirte der königliche Bevollmächtigte 
Baron Vay im ganzen Lande das Standrecht und 
beorderte einige Szekler-Compagnien nach N. Enyed 
und dem Küküllöer-Comitat. Die Szekler ihrerſeits 
baufeten auf ihrem Durchzuge durch wallachiſche Ort— 
ſchaften ſoldatiſch, d. i. ſie ſtahlen und tranken den 
Wein aus, wo ſie ihn nur fanden. Sie wurden 
daher auch bald nach Ungarn beordert, ohne durch 
andere Truppen erſetzt zu werden. Auch verſäumte 
Baron Vay, die Feſtung Carlsburg durch ungariſche 
Beſatzung bewachen zu laſſen, was ihm im Juli oder 
Auguſt möglich geweſen wäre, was er aber, durch 
die diplomatiſche Schlauheit Puchner's getäuſcht, zum 
großen Nachtheile der ungariſchen Sache unterließ. 
Im Unter-Albenſer Comitat blieben ſonach nur eine 
Diviſion neuerrichteter Mätväs » Hufaren*) und ein 


*) Die Yoyalität des erſten ungariſchen Miniſteriums ging 
ſo weit, daß man den durch Berzenczei im Namen Koſſuths ge— 
worbenen Huſaren dieſen Namen nicht beizubehalten erlaubte, 
fondern fie lieber in Mätyäs- Huſaren umtaufte, obſchon fie im 
Lauf der Ereigniſſe den erſteren Namen immer beibehielten. 


40 


Paar Compagnien des neuorganifirten eilften Ba— 
taillons Honvéd; erſtere unter Commando des Ma— 
jors, ſpäter Oberſten Graf Mikes Kelemen und des 
Rittmeiſters Graf Bethlen Gergely; letztere unter 
Anführung des Majors Baron Johann Baänffy, dann 
die ungariſche Abtheilung der Szekler-Huſaren unter 
Rittmeiſter Joſeph Baumgarten und Oberlieutnant 
Cſutak. Dieſe geringen Truppen-Abtheilungen hatten 
den ganzen Zeitraum vom Auguſt bis Anfang No— 
vember mit den wallachiſchen Horden zu thun und 
beſtanden bei Magyar-Cſesztoe, Bogät, Tövis, Nagy— 
Lak u. a. Orten glänzende Scharmützel und kleine 
Gefechte, wo die Wallachen ungeachtet der drei, 
vier- und achtfachen Ueberzahl immer auseinanderge— 
jagt wurden, denn dieſe Nachkommen der Römer 
hatten vor dem Pfeifen der Kugeln und dem Pulver— 
geruch einen eigenthümlichen Widerwillen, den ſie nie 
beſiegen konnten und die Erſcheinung der Huſaren war 
ihnen fo läſtig, daß ſie mit zugehaltenen Augen ſchon 
flohen, ſobald ſie derſelben anſichtig wurden. 

Das ausgezeichnetſte dieſer kleinen Gefechte war 
jenes bei Nagy-Lak, wo Rittmeiſter Graf Bethlen 
Gergely mit feiner Escadron über die Maros feste 
und, ohne einen Mann Infanterie, an 6000 Wallachen, 
die ſich am anderen Ufer aufgeſtellt hatten nach einer 
glänzenden, kühnen Attaque auseinander und in die 
Flucht jagte, nachdem früher an 100 derſelben nie— 
dergeſäbelt worden waren. Rittmeiſter Bethlen wurde 


4 


für dieſe That zum Major befördert und der Land— 
tag zollte ihm volle Anerkennung. 

Einen ähnlichen geſchickten Coup führte Rittmei— 
ſter Baumgarten bei Cſesztve aus, wo auch 4— 5900 
Wallachen durch Ueberfall in die Wälder geſprengt 
wurden. 

Mittlerweile organiſirte Ladislaus Berzenczei als 
Commiſſair der Regierung das Mätyas-Huſaren-Re— 
giment in Maros-Vaäſärbely und berief die Szekler 
Volksverſammlung nach Agyagfalva. 

Der koͤnigliche Commiſſair Baron Bay hatte 
nach vielem Widerſtreben, das ſeinen Grund in der 
tranſigirenden Politik der Miniſter hatte, in die Ver— 
ſammlung des Szekler Volkes bei Agyagfalva gewil— 
ligt. Es ſollte jedoch dieſelbe unbewaffnet und unter 
dem Vorſitze des Grafen Emerich Miko Statt finden. 

Ein Freund ſeines Vaterlandes, ein glühender 
Patriot, wenn auch nicht ganz frei von Egoismus, 
erhob ſich im Namen der nationalen Regierung und 
berief ſeine Landsleute zu einer Verſammlung, um 
mit ihnen nach altem Brauch über die wichtigſten 
Intereſſen des Vaterlandes, über die Erhaltung ihrer 
mit Ausrottung bedrohten Nationalität, ihrer ererb— 
ten Sitten und Gebräuche, ſeiner einheimiſchen Ge— 
ſetze und über die dazu anzuwendenden, vom Könige 
und von der Natur der Dinge vorgezeichneten Wege 
zu berathen. Er beruft ſie, um ihnen die Bedeutung 
jener großen Errungenſchaften, der Freiheit und 


42 


Gleichheit, der nationalen Selbſtſtändigkeit zu erflä- 
ren. Was Wunder alſo, daß Jung und Alt, Reiche 
und Arme auf ſolchen Ruf herbeiſtrömen, um an 
ſolcher Berathung Theil zu nehmen? Bedarf es da 
noch der Proſelytenmacherei, der Hetzerei? Zumal 
da ein der Dynaſtie nur zu ſehr ergebener und in 
dieſer Eigenſchaft nicht eben allzurühmlich bekannter 
Magnat, Graf Miko Imre den Vorſitz haben wird. 
Die Szekler erſchienen, bereits kundig der Gräuel 
und Frevelthaten, welche die Wallachen im Zarander 
und Unter-Albenfer Comitat verübt hatten, kundig der 
Abſicht des zum Spielwerk des wallachiſchen Comités 
und der ſächſiſchen Nationsuniverſität gewordnen öſter— 
reichiſchen Generalcommando's, die Verſammlung mit 
Gewalt zu ſprengen. Sie kamen mit Waffen wohl 
verſehen, mit Schießbedarf für den Augenblick und 
mit Lebensmitteln für einige Tage. Aber auch ihre 
Officiere brachten ſie mit, von denen viele der alten 
öſterreichiſchen Politik zugethan, der nationalen Sache 
aber nicht gewogen waren. So kam es denn auch, 
daß die Verſammlung ein trauriges Conglomerat von 
Reaction, Unordnung, Ungehorſam, Thorbeit und 
Ueberſchwenglichkeit bildete, wie ſie der Militair am 
wenigſten liebt, indem es ſolche Erſcheinungen als 
Vorboten höchſt betrübender Ereigniſſe betrachten muß. 
Freilich wußte der Regierungscommiſſair Berzenezei 
wohl zu peroriren und ließ ſich auch völlig gehen. 
Andere überflutheten die Menge mit gehaltvollen und 


43 


gehaltloſen Theorien, Alles lag in einem geiſtigen 
Eljen- und einem phyſiſchen Weinrauſche; aber an 
den Feind vor den Thoren, an Urban und Gedeon 
dachte Keiner. Gab es Einzelne, welche das von 
dem Augenblicke Geforderte richtig ermaßen, wie der 
durch ſein Talent und ſeine Energie ſpäter ſo ausge— 
zeichnete Oberſt Alexander Sal, fo beſaß er zu ge 
ringen, durch den Einfluß der höhern Officiere, 
welche von Thaten nichts hören wollten, noch über— 
dies neutraliſirten Einfluß. Doch bildete ſich aus 
dieſem wirren Treiben das erſte Szekler Armeecorps, 
wohl im Stande, Urban's ungeordnete feige Schaaren 
auseinander zu jagen, aber unfähig, den wohlgeord— 
neten und disciplinirten Streitkräften Gedeon's nach— 
haltigen Widerſtand zu leiſten. Denn es fehlte an 
Ordnung und an Disciplin und vor Allem an einem 
definitiven Oberbefeblshaber. Alexander Zſombory, 
Oberſt von den Szeklerhuſaren, zum Oberbefehlshaber 
ausgerufen, wie der Oberſtlieutenant Betzmann, hat— 
ten jeder ihre Partei, die untergeordneten Geiſter abge— 
rechnet, von denen Jeder den General ſpielen wollte; 
an Einigung war kaum zu denken. Was aber der 
Uebel größtes war, man hatte keine Kanone und 
keinen Kreuzer Geld! Da wird denn jeder Militair 
zugeben müſſen, daß mit ſolchen Elementen, auf die 
Dauer wenigſtens, nichts auszurichten iſt und die 
Oeſterreicher leichtes Spiel finden mußten, ihre erſten, 
ſo bald verwelkenden Lorbeern zu ſammeln. 


En... 


Dazu hatte die Reaction denn tüchtig vorgear— 
beitet. In der Mitte des September reiften die 
Plane der reactionairen Centraliſationspartei in Wien, 
mit Hülfe von Latours Intriguen und dem Einfluſſe 
der Camarilla. Das ſelbſtſtändige Ungarn wurde 
trotz der feierlich gegebenen Zuſicherung des Kaiſers 
Ferdinand verurtheilt und die ſächſiſchen Deputirten 
verließen, weil man ihre ſeparatiſtiſchen Forderungen 
zurückwies, den Peſther Reichstag, gebrandmarkt mit 
dem Namen Szökevény (Ausreißer). Da trat Puch— 
ner, in der Gewißheit einer genügenden Militairge— 
walt, jo wie des Beiſtandes des engherzigen ſächſiſchen 
Patriciats und der blutlechzenden wallachiſchen Agita⸗ 
tion mit ſeinen bereits früher erhaltenen Inſtrutionen 
heraus und erklärte ſpäter durch das berüchtigte Ma— 
nifeſt vom 18. November die von ſeinem Kaiſer an— 
gelobte und verkündete ungariſche Union für aufge— 
löſt und zwar auf Geheiß des Wiener Kriegsminiſters 
und in Folge des von dem improviſirten Miniſter 
Regjey gegengezeichneten Manifeſtes vom 6. October. 
Eignes Ehrenwort, wie eigne Amtspflicht vergeſſend, 
erklärte Puchner alle Anordnungen des königlichen 
Commiſſarius für annullirt, alle Anhänger der unga— 
riſchen Conſtitution für Rebellen und Hochverräther, 
bedrohte er alle, der nationalen Sache treugebliebenen 
Szeklerofficiere mit der Acht und ſtellte ſich jo an 
die Spitze der reactionaiven Bewegung. Gleich einem 
Caraffa und Baſta, fluchwürdigen Andenkens, drückte 


45 


er dem Morde, dem Sengen, dem Brennen, dem 
Raube, dem Verrathe, der Niederträchtigfeit und der 
entſetzensvollen thieriſchen Barbarei, welche von da 
ab das arme Land heimſuchten, den Stempel ſoldati— 
ſcher Treue und der Geſetzlichkeit auf. Damit war 
das Signal zu einem graͤuelvollen Bürgerkriege ge— 
geben, welcher in den Annalen der Geſchichte ſchwer— 
lich ſeinesgleichen aufzuweiſen hat, und in welchem 
bei den Ungarn die Führer, tiefſte Einſicht beurkun— 
dend, die angeborne Kraft, den nie ermattenden 
Muth, die heroiſche Hingebung an die gerechte Sache 
ihres edlen Volkes zu den ſchönſten Erfolgen benutzten. 

Oberſt Urban zog nun mit den Naszoder Be— 
ſatzungen nach Szaͤsz-Régen, Maros-Väſaͤrhely, 
den Hauptort des Szeklerlandes, bedrohend. 


46 


Zweites Capitel. 


Beſchreibung Siebenbürgens in militairiſcher Beziehung. — Auf— 
zählung der gegenſeitigen Streitkräfte beim Beginn des Kam— 
pfes. — Ereigniſſe bei Szäsz-Regen und Maros-Vaſär⸗ 
hely. — Deren Folgen. — Zuſtand Klauſenburgs im An⸗ 
fang November 1848. — Baron Bay. — General Bal⸗ 
dacei. — Affaire bei Szamos-Ujvar und deren Folgen. — 
Gährung in Klauſenburg. — Affaire bei Szamos-Falva. — 
Räumung Klauſenburgs. — Rückzug der Ungarn nach Banffy- 
Hunyad. — Zuſtand der ungariſchen Armee daſelbſt. — 
Rückzug nach Cſuͤcſa. — Maßregeln des Regierungscom— 
miſſairs Hodoſſy in Großwardein. — Maßregeln des Gene— 
ralſtabschefs. — Baldacci nach Peſth eitirt. — Major Czetz 
übernimmt das Commando der Armee. — Deſſen Verfü— 
gungen zur Herſtellung der Disciplin und zur Reorganiſi— 
rung der Armee. — Hülfsmittel hierzu. — Katona Miflös 
und ſeine Nationalgarden. — Deren Schickſal. — Urban 
zieht in Klauſenburg ein. — Benehmen der öſterreichiſchen 
Officiere hier und in andern eroberten ungariſchen Städten. 


Siebenbürgen iſt von allen Seiten mit Gebir— 
gen umgeben, theils vom Hochgebirge im Nord-Oſt, 
Oſt und Süden, theils vom Mittelgebirg in Weſt 


47 
und Nordweſt. Außerdem durchſchneidet das Land 
nach allen Richtungen höheres und niederes, meiſt 
waldbedecktes Mittel- und Yandgebirge. Jene das 
Land umringenden Gebirge geftalten es zu einer na 
türlichen Feſtung, deren Baſtionen unwegſame, zu— 
meiſt mit Urwald bedeckte Hochgebirge, deren Cour— 
tinen gewiſſermaßen die dieſe verbündenden Mittel— 
gebirgs-Joche und Päſſe bilden. Auffallend iſt es 
daher, daß der Angreifer, von welcher Seite er auch 
kommen mag, gerade auf jene Courtinen losgehen 
muß, um in das Land zu gelangen; ein Schritt, 
der bei vorhandener Einigkeit der Landesbevoͤlkerung, 
bei zweckmäßigen Vertheidigungs-Anſtalten des Feld— 
berrn, bei Muth und Entſchloſſenheit der einzelnen 
Führer beinahe zur Unmöglichkeit wird. Denn wie 
kann es der Feind wagen, ſich in die ſchmalen Eng— 
päſſe der Courtinen hinein zu begeben, wenn ringsum 
ihn die Baſtionen von landes- und terrainkundigen, 
mit Raketenbatterien oder Gebirgsgeſchützen verſehe— 
nen Abtheilungen regulairer Truppen beſetzt ſind, die 
überdies noch von Guerillas unterſtützt werden, und 
er an der Courtine ſelbſt einen mit proviſoriſchen oder 
permanenten Befeſtigungen verſehenen Wall findet, 
deren Erſtürmung ihm im beſten Falle die Hälfte 
ſeiner Leute koſten, im ungünſtigen Falle aber ſein 
ganzes Corps aufreiben würde? Zudem iſt jede aus 
Nord, Oſt oder Süd vorrückende Armee gezwungen, 
auf mehreren Operationslinien zugleich zu agiren, 


48 


und es darf nur eines der Operationscorps geſchla— 
gen werden, ſo ſind die beiden neben demſelben agi— 
renden von der Flanke und im Rücken bedroht, um 
ſo mehr, als eine Vereinigung des geſchlagenen Corps 
mit einem anderen nebenſtehenden der Zeit und Ent— 
fernung wegen dann unmöglich iſt, wenn der Ver— 
theidiger den errungenen Vortheil zu benutzen ver— 
ſteht. Man werfe einen Blick auf die Karte und 
betrachte die Lage und Entfernung der Päſſe Vulkan, 
Rothen-Thurm, (Vöröstorony), Törzburg, Tömös 
im Süden; dann Ojtosz, Gyimes, Tölgyes, Borgo 
im Oſten, Radna, Romuluj und Strimbo im Nord— 
Oſten und Norden, ferner das eiſerne Thor im We— 
ſten; der kleineren Päſſe, wie Breaza, Bodza im 
Süden; Almas-Mezö im Oſten; der engen Haupt— 
Communicationsſtraßen bei Dobra und dem Kiräly- 
häge im Weſten (die eben jo gut wie das Szamos— 
Thal im Norden als Päſſe, wenigſtens theilweiſe 
an den engſten Stellen angeſehen werden können), 
gar nicht zu gedenken, und man wird obige Be— 
hauptungen gewiß beſtätigt finden. 

Rückt man dann nach großen Opfern wirklich in 
das Land ein, fo finden ſich im Süden und Oſten 
der Feketeügy und die Alt (Aluta), in der Mitte des 
Landes die beiden Kokel, die Maros und im Nor— 
den und Welten die Szamos, alſo die Hauptflüſſe des 
Landes als eben ſo viele wieder zu erobernde Feſtungs— 
Fronten oder wenn man will, befeſtigte Abſchnitte mit 


19 


ungeheuren Hülfsmitteln der Vertheidigung verfeben. 
Denn die ſächſiſchen Städte des ſüdlichen und mitt— 
leren Theils des Landes, als: Kronſtadt, Hermann— 
ſtadt, Mühlenbach, Broos (Szäszvaros), Reps (Kö— 
balom), Mediaſch, Schaßburg, Reißmarkt find alle 
vermöge ihrer mittelalterlichen Bauart von Umfas— 
ſungsmauern, die durch Rondelen flankirt werden, 
umgeben und können ſehr leicht und ohne viel Auf— 
wand an Zeit und Mitteln zu proviſoriſchen, befe— 
ſtigten Punkten (places du moment) umgeſtaltet 
werden. Ebenſo hat man als bereits befeſtigte und 
im guten Stand erhaltenen Feſtungen: die Feſtung 
Carlsburg, ein Vauban'ſches Fünfeck im beſten Zu— 
ſtande, das Schloß Deva, erft vor wenigen Jahren 
neu hergeſtellt, das Rothenthurmer Schloß, das Kron— 
ſtädter Schloß, das Fogaraſer Schloß, die Schlöffer 
von Törzburg, Roſenau, Cſik-Szereda, Maros-Vä— 
farbely, endlich Biſtritz mit feinen Ringmauern. Ueber: 
dies bieten die Mittelgebirge, welche das Land meiſt 
parallel mit den Flüſſen von Oſten gegen Weſten 
durchſchneiden, auf ihren höchſten Rücken Ort und 
Material zu ausgedehnten provylſoriſchen verſchanzten 
Linien oder eben jo vielen woblbefeſtigten Feſtungs— 
Abſchnitten dar. Auch der Sitz der Wallachen oder 
das Bergland zwiſchen Carlsburg, Klauſenburg, Brad, 
Vas-Köh und dem Kirälphägs bildet mit dem groß— 
artigen Vorwerk Carlsburg eine Citadelle, wo eine 
feindliche Armee, die bereits das ganze Land rings 
4 


50 


um eroberte, ihre Arbeiten von Neuem und mit noch 
bedeutenderen Verluſten und Anftrengungen beginnen 
kann. Ein ähnliches Reduit, wie der Sitz der Wal— 
lachen im Weſten, bietet das Szeklerland dem Oſten 
des Landes dar; für den Fall nämlich, als man es 
nur mit einem von Ungarn operirenden Feinde zu 
thun hat. Wir ſehen mithin, daß Siebenbürgen ein 
Land iſt, ganz zur Vertheidigung geſchaffen, umſo— 
mehr, als die Zahl der Bewohner noch viel zu ge— 
ring iſt, als daß ſie ſelbſt bei einer 100,000 Mann 
ſtarken Armee, die das Land zu vertheidigen hätte, 
nur den geringſten Mangel an Lebensmitteln oder 
Fourage oder Munition fühlen könnte. Die zahlrei— 
chen Gebirge bedingen den Gebirgskrieg, aber auch 
dieſen im eigentlichen Sinne nur in den Hochgebir— 
gen der Grenzen. Im Innern des Landes machen 
ſich wieder die für die Kriegsführung im Mittelge— 
birge und Thälern beſtehenden Grundſätze geltend. 
Thäler, d. i. bemerkenswerthe, hat Siebenbürgen ei— 
gentlich nur drei, nämlich das Thal der Szamos im 
Norden; das Thal der Maros in der Mitte des 
Landes; und das Thal der Aluta im Süden. Min: 
der bemerkenswerth find die Ebenen: im Haͤtszeger— 
Diſtrikt, das Burzenland, die Häromſzsker- und die 
Thordaer-Ebene (Sôs-mez6). Dieſe Thäler, in 
welchen zugleich die Hauptſtraßen führen, bilden die 
Hauptoperationslinien der Armeen. Außerdem ſind 
bemerkenswerth: das Thal des Körös (bei Cſücſa), 


a 


das Thal der großen und kleinen Kokel, die ſich be— 
Baläsfalva vereinigen und dann der Maros zu— 
ſtroͤmen, das Thal des Feketeügy im Däromfzefer- 
Stuhl, welches ſeine Gewäſſer der Alt zuführt; end— 
lich das Thal der ſchwarzen und weißen Körös bei 
Brad und Belénpes im Zarander Comitat und das 
Thal der Cibin bei Hermannſtadt. Dieſe Thäler 
bilden die Verbindungen der Hauptoperationslinien 
mit den Nebenzweigen und den zwiſchen den fortifi— 
catoriſchen Hauptfronten gelegenen Abſchnitten, ſind 
folglich für den Feldherrn von hoher Wichtigkeit. 
Insgeſammt aber haben fie den Charakter der Längen— 
thäler: ſchmale Thalſohle, geringe Entfernung der Thal— 
wände, dieſe ſelbſt zumeiſt von parallel ſtreichenden 
Bergrücken oder ſenkrecht auf ſie ſtürzenden Bergab— 
hängen gebildet und von unzähligen Berg- und Wild— 
bächen (Torrenten) durchfurcht mit oder ohne Wald— 
decke, dagegen von meilenweiten Erſtreckungen in die 
Länge bis zur Mündung. Dieſe Geſtaltung bietet 
dann die jo vortrefflichen Arrieregarde- Stellungen, 
welche in dieſem Feldzuge eine ſo große Rolle ſpielten. 
Die Flüſſe frieren alle im Winter feſt zu, ſo daß 
man darüber fahren und reiten kann, ſchwellen im 
Frühjahr bedeutend an, verurſachen bei großem Schnee— 
fall Ueberſchwemmungen und werden im Sommer mit 
Flößen oder Holzſchiffen von geringem Tonnengehalt 
befahren. Alle ſind an vielen Stellen im hohen 


8 * 


52 


Sommer zu durchwaten und entbehren der Regulirung 
ganz. So viel über die Operationslinien. 

Die Operationsbaſen wechſeln je nach der Lage der 
Dinge. Kommt der Feind aus der Wallachei, ſo haben 
wir: Kronſtadt, Fogaras, Hermannſtadt, Szaͤszväros, 
Deva zur erſten; Schäßburg, Mediaſch, Carlsburg 
zur zweiten; Maros-Väſärhely, Klauſenburg zur 
dritten; Biſtritz, Nagy-Bänya, Szilägy-Somlyo zur 
vierten Baſis. Denn alle genannten Plätze können 
als Depots und Concentrirungsorte der Armee be 
nutzt werden. Einem aus der Moldau und Buko— 
vina kommenden Feinde entſprechen folgende Opera— 
tionsbaſen: Biſtritz, Maros-Väſärhely, Udharvely, 
Kronſtadt in erſter Linie; Klauſenburg, Carlsburg, 
Hermannſtadt in zweiter Linie. Kommt der Feind 
von beiden Seiten, ſo nimmt man am beſten die 
Baſis gleich von Hermannſtadt über Mediaſch, Mas 
ros⸗Vaͤſärhely nach Klauſenburg und betrachtet Carls— 
burg als letztes Reduit. 

Es iſt nicht unſere Abſicht mit weiteren Details 
über den theoretiſchen Krieg in Siebenbürgen den 
Leſer zu ermüden, wir wollen ihn gleich auf das 
Feld der That verſetzen; denn nur die That iſt güls 
tig und aus der That ſchöpft der praktiſche Kriegs— 
mann ſeine Theoreme. 

Am 25. oder 26. October langte die erſte drei— 
pfündige Batterie von 6 Geſchützen, unbeſpannt 


5 


und in Begleitung von Honvedrecrüten, aus Ungarn 
nach Klauſenburg, wo ſich als Regierungscommiſſair 
Baron Niklas Vay und als Commandant Oberſt 
Baldacci, ſpäter ungar. General, befanden, an, unter 
Leitung des Major Johann Czetz, Chef des Gene— 
ralſtabes. Was die beiderſeitigen Streitkräfte in die— 
ſer Zeit betrifft, ſo iſt ihr Verhältniß das folgende. 

Die ungariſche Macht beſtand aus nachſtehenden 
Truppen-Abtheilungen: 

2 Compagnien des 11. Honvedbataillons, unter 
Hauptmann Baron Bänffy Janos; 

1 Escadron Koſſuth- oder Mätyäs-Huſaren, unter 
Oberſt Graf Mikes Kelemen und Major Graf 
Bethlen Gergely; 

Nationalgarden an 5000 M. mit ca. 50 Reitern. 
Gegen die Wallachen waren vorgeſchoben: 4Com— 

pagnien des 11. Honvedbataillons in Thorda und 
Nagy-Enyed, nebſt einer Escadron Mätyäs-Huſarenz die 
Szekler hatten einen Landſturm organiſirt, in welchem 
ſich die 4 regulairen Szeklerbataillons auflöſten und 
bildeten 8 Bataillons Infanterie nebſt 4 Escadron 
Szekler-Puſaren, (denn 2 Escadrons ftanden bei den 
Wallachen). Außerdem formirte ſich in Maros-Väͤſar⸗ 
hely das 12. Honvedbataillon, aus 4 Compagnien 
beſtehend, nebſt 2 Diviſionen Mätyäs-Huſaren, welche 
aber erſt ſpät complet wurden. Dazu kamen noch 
Nationalgarden in Nagy Enyed, Thorda, Szamos— 


54 


Ujvär, Dées, Kolos und Nagy Banya, alle in der 
Formation begriffen. 

Die unter dem Befehle von F. M. L. Puchner 
ſtehenden öſterreichiſchen Truppen waren folgende. 
Infanterie: Carl Ferdinand 3 Bataillons, Sioko— 
vich 3 Bataillons, Bianchi 3 Bataillons, Leiningen 
1 Bataillon, Turszky 1 Bataillon, ein Grenadier— 
bataillon; Cavallerie: Wernhard Chevauxlegers 
4 Diviſionen, Savoyen-Dragoner 3 Divifionen, Szek— 
ler-Huſaren 2 Escadron, wallachiſche Lanzenreiter 
1 Escadron. Außerdem befehligte Oberſtlieutenant 
Urban ein Corps, welches, ſpäter unter Commando 
des General Wardener, aus 4 Bataillons des 
2. wallachiſchen Grenzregimentes, 3 Bataillons Parma— 
Infanterie (unter Jablonowsky), 1 Bataillon Sioko— 
vich-Infanterie und 1 Reſerve-Escadron Wernhard 
Chevauxlegers beſtand. Dazu kamen noch unter 
Oberſt Rübel 4 Bataillons des 1. wallachiſchen 
Grenzregimentes ſo wie das ſich erſt ſpäter bildende 
ſächſiſche Jägerbataillon. Endlich befehligte der Oberſt— 
lieutenant Haydte von Savoyen-Dragoner ein Par— 
teigängereorps, welches aus einem regulairen Infan— 
teriebataillon, 1 Escadron wallachiſche Lanciers und 
einer Maſſe von 4--5000 M. permanenten walla— 
chiſchen und ſächſiſchen Landſturmes zuſammengeſetzt 
war. Mithin eine regulaire Truppenmacht von 
15— 20,000 M. An Artillerie beſaßen die Oeſterrei— 
cher im Felde acht ſechspfündige und 2 zwoͤlfpfündige + 


55 


Batterien zu 6 Geſchützen. Sie hatten Carlsburg, 
eine ſehr gut mit Geſchütz und Munition verſehene 
Feſtung, das zu einem place de moment improvi⸗ 
ſirte Hermannſtadt, das Schloß Diva, das befeſtigte 
Kronſtadt nebſt Schloß, die mittelſt ihrer hinläng— 
lich erhaltenen Umfaſſungsmauern geſchützten Städte 
Biſtritz, Mühlenbach, Szasz Regen, Mediaſch, Schäß- 
burg mit ſeinem Schloß, das Fogaraſer Schloß und 
den durch ein Fort geſchützten Rothenthurmpaß in 
ihrer Gewalt. Bon Bedeutung waren überdies für 
die Oeſterreicher die in ihrem ſtrategiſchen Bereich 
liegenden Urwälder des Unter-Albenſer- und des 
Zarander-Comitats und des ſüdlichen Landestheiles. 
Nimmt man zu dieſen mehr oder weniger regulairen 
Streitkräften noch eine Maſſe von 200,000, minde— 
ſtens zur Hälfte mit Feuergewehren, zur andern Hälfte 
mit Lanzen oder Hellebarden bewaffneten, barbariſchen 
wallachiſchen Landſturmes und an 40,000 ſächſiſche, 
zum Theil mobile Nationalgarden, ſo kann man 
die öfterreichiiche Macht wahrlich eine imponirende 
nennen. ) 


) Faſt komiſch ſcheint hier die dreiſte Lüge des ſchwarz⸗gel— 
ben Verfaſſers von Esquisse de la guerre en Hongrie en 1848 
à 1849. Wien bei Gerold 1850, p. 26, wo den Generallieut. 
Puchner nur die Hälfte der hier aufgeführten Truppen zugetheilt 
wird, nämlich 1 Grenadierbataillon Uracca, 2 Bat. Bianchi, 
4 Comp. Leiningen, 1 Bat. Turszky, 3 Comp. ſächſ. ſiebenb. 


56 


Der erfte entſcheidende Schritt wurde von den 
kaiſerlichen Truppen am 4. November 1848 gethan, 
indem fie ſich von Mediaſch gegen Maros-Väſarhely 
und die daſelbſt befindlichen Szekler Streitkräfte in 
Bewegung ſetzten. Letztere waren nämlich von der 
Agyagfalver Verſammlung, wohin ſie durch den Re— 
gierungscommiſſair Ladislaus Berzenczei unter Anru— 
fung des Andenkens ihrer Landesgeſchichte in Waffen 
berufen wurden, gegen die bei Szaͤsz-Régen verſam— 
melten ſächſiſch-wallachiſchen Streitkräfte Urbans auf— 
gebrochen, und hatten dieſe bei Gernyeszeg und Rad— 
notfalva auseinandergejagt, hierauf Szaͤsz- Negen 
mit Sturm genommen, geplündert und verbrannt. 
Am 31. October wurde Urban bei Szent Ivany von 
den Szeklern tüchtig geſchlagen und mußte ſich nach 
Wallendorf am 1. Nov. zurückziehen, um dort die 
aus Gallizien anrückende Brigade Wardeners zu er— 
warten. Urban floh gegen Wallendorf und Biſtritz, 
unverfolgt von den Szeklern, welche, auf die Kunde 
vom Anmarſch des General Gedeon, eines abtrünni— 
gen Ungarn, gegen Maros-Vaͤſaͤrhely, zum Schutze 
dieſer ungariſchen und vorzugsweiſe ſzekleriſchen Stadt, 
bei welcher ſie überdies Verſtärkungen erwarten woll— 


Jäger, 2 Bat. des 1. wallachiſchen Regiments und 3 Eskcadron 
Cavallerie. Bem wird dort eine Armee von 30,000 M. regulai⸗ 
rer Truppen, mit Artillerie und jeder Art von Munition vollſtän— 
dig verſehen (2?) zugetheilt. Oh, hätte er fie doch gehabt. 


57 


ten, berbeieilten. Nach ein paar Tagen, am 5. No— 
vember, wurden fie dort von Gedeon angegriffen und 
dermaßen geſchlagen, daß von ihrer 10,000 M. 
ſtarken Macht nicht eine einzige kriegsfertige Abthei— 
lung beiſammen blieb. Und dies beinahe ohne eine 
ernſthafte Schlacht, denn nach aller Augenzeugen 
Bericht, war es, nach ungefähr ſechs Kanonenſchüſ— 
ſen und einem mißlungenen Bajonetangriff des 12. 
Honvedbataillons auf die am Abhange des Gebirges 
gegenüber Megyesfalva ſtationirte öſterreichiſche Bat— 
terie, dermaßen mit dem Gefechte zu Ende, daß die 
Szekler in wilder Flucht nach allen Richtungen aus— 
einanderſtäubten und Gedeon mit ungefähr 56000 M. 
und 2 Batterien, unter klingendem Spiele und we— 
benden Fahnen, ſeinen freilich unwillkommen und von 
keinem Vivatruf begrüßten Einzug in Maros-Väſär⸗ 
hely vornehmen konnte. Billig mag man über ein 
ſolches Ereigniß ſtaunen, wenn damals eine ſo ge— 
ringe, wenn auch wohlgeübte Macht im Stande ſein 
konnte, den Szeklern eine ſolche Niederlage beizu— 
bringen, und mittelſt eines verhältnißmäßig unbedeu— 
tenden Schlages über das Geſchick des Landes für 
eine längere Zeit zu entſcheiden, und doch gewahrt, 
mit welcher Energie, welchem Muthe und welcher 
Aufopferung und Ausdauer die urkräftige Nation der 
Szekler den Kampf für die Unabhängigkeit ſpäter führte. 
Dies Erſtaunen wird ſich aber mindern, ſobald man 
an den Fluch der Halbheit denkt, den Ausſpruch be— 


58 


herzigend, „ſei was du willſt, Engel oder Teufel, 
nur ſei es ganz“; ja man wird bei Erwägung der 
richtigen Urſachen der Ereigniſſe und ihrer naturge— 
mäßen Entwicklung einſehen, daß es ſo und nicht 
anders kommen mußte, ohne daß man nöthig hätte, 
nach der Gewohnheit einiger Ultras an Verrath und 
Schurkerei zu denken. 

Die Einnahme Maros-Väſärhely's ſtellte die 
Verbindung zwiſchen der kaiſerlichen Südarmee unter 
Gedeon und Wardener und Urban wieder her, von 
denen erſterer fortan Chef der Nordarmee hieß. Die 
Kaiſerlichen hatten die Einnahme Klauſenburgs auf 
den 16. Nov. feſtgeſetzt und demzufolge nahm Urban 
bei Szamos-Ujvär, Wardener bei Dees Stellung; 
aber am 17. November erſt wurde Klauſenburg über— 
geben, wovon weiter unten. 

Der 5. November hatte die Kraft der Szekler 
gelähmt; enttäuſcht, niedergeſchlagen, unter ſich un— 
einig, kehrten die Meiſten nach Hauſe zurück, und 
nur der Häromſzéker Stuhl blieb der gerechten Sache 
unverbrüchlich treu. Die Bewohner deſſelben, wäh⸗ 
rend der Dauer des Krieges von allen Seiten an— 
gefeindet, haben ſich ſtandhaft gehalten, eine ſo heroiſche 
Ausdauer, ſolche Alles umfaſſende, Alles geſtaltende 
Energie, eine ſolche wahrhaft roͤmiſche Tugend und 
Feſtigkeit bewährt, daß ihr Name in der vaterlän— 
diſchen Geſchichte als ein glänzendes Meteor ſtrahlen, 
die Muſe der Geſchichte ihre Thaten mit goldnen 


59 

Buchſtaben in das Buch der Heroen aller Jahrhun— 
derte verzeichnen wird! Wir werden ſpäterhin die 
Belege zu dem hier Geſagten liefern. Jetzt wenden 
wir einmal die Blicke nach dem nördlichen Sieben— 
bürgen und auf Klauſenburg und ſeine Umgebungen. 

Unbegreiflich bleibt es hier, daß weder der Ge— 
neral Baldacci noch der Regierungsceommiffetr Vay 
von der Niederſage und der Auflöſung der Szekler— 
macht, noch von dem Heranzuge Urban’s und War— 
deners aus der Gegend von Biſtritz gegen Dees 
etwas wußten, ja, daß ſie in demſelben Augenblick ſich 
gezwungen ſahen, dem Feinde bei Szamos Ujvär ent— 
gegenzurücken, als fie dieſen mit dem in Nagy-Baͤnya 
unter Katona Miklos und Graf Teleky Sandor ge 
bildeten Corps engagirt und dieſes Corps ſelbſt im 
Anmarſch auf Klauſenburg begriffen glaubten. Denn 
die Regierung hatte ſchon im Anfang November dem 
Baron Vay Nachricht von der Exiſtenz dieſes Corps 
gegeben und ihm daſſelbe zur Verfügung geſtellt. Auch 
Baldacei wußte dies, und doch war bis zum 11. No— 
vember weder von ihm, noch von Katona Miklos ein 
Schritt gethan, um ihre Streitkräfte zu vereinigen, 
oder doch mit einander in Verbindung zu treten! Es 
liegt hier ein Beweis vor, einerſeits von gänzlicher 
Unkenntniß militairiſcher Operationen, andererſeits 
von tadelnswürdiger, ſtrafbarer Nachläſſigkeit und ade— 
liger Unbekümmertheit, und der Verfaſſer, Augenzeuge 
des hier Erzählten, würde nicht anſtehen, jenes Ver— 


60 


fahren mit der Bezeichnung eines am Vaterlande be— 
gangenen Verrathes zu brandmarken, wenn er nicht 
ebenſo ſehr von der aufrichtigen Geſinnung und 
dem redlichen Willen des Regierungscommiſſairs, wie 
von der militairiſchen, auf dem Schlachtfelde bewieſe— 
nen, Unfähigkeit Baldacci's überzeugt wäre. Mag 
die Wahrheit vielleicht in einer dritten Möglichkeit 
verborgen liegen, ſoviel iſt gewiß, Baldacci und die 
Klauſenburger erſtaunten, als am 12. November 
Abends von den bei Apahida aufgeſtellten Vorpoſten 
die Meldung gemacht wurde, Oberſt Urban habe 
Szamos-Ujvär beſetzt und feine Vorpoſten ſtänden 
in Dengeleg und Iklöd, woraus fein Anmarſch auf 
Klauſenburg in den nächſten Tagen mit unumſtößli— 
cher Gewißheit zu folgern war. Der Schleier war 
alſo zerriſſen, und die nächſten Tage mußten über 
Klauſenburgs Schickſal entſcheiden. 

In dieſer Stadt war ſchon in der Frühe des 
13. Novembers die ganze Bevölkerung auf den 
Beinen, Alles glühte vor Freude und Verlangen, 
daß man ſich endlich mit dem verhaßten Feinde 
meſſen werde; Muth und männlicher Ernſt des 
Entſchluſſes traten an die Stelle der bis dahin vor— 
handenen drückenden Ungewißheit. Denn es galt 
der Freiheit und Unabhängigkeit des lieben Vater— 
landes, der Erhaltung einer ſo theuren Nationali— 
tät! Man konnte die ſo lange mit Ungeduld getragene 
Maske endlich abwerfen, und ſich freien Angeſichts, 
wie es dem feſten freien Manne geziemt, in den 


61 


— — 


Strom der Bewegung ſtürzen. Das thaten dann 
auch Vay und Baldacci. 

Ein kurzer Kriegsrath wurde gehalten, an wel— 
chem der Generalſtabschef Honvedmajor Czetz, Oberſt 
Mikes Kelemen, Major Graf Bethlen Gergely und 
der Commandant der Klauſenburger Nationalgarde, 
Graf Mikes Janos, Theil nahmen, und beſchloſſen 
dem Feinde bis Szamos-Ujvär entgegenzurücken. Dort 
ſollte die Schlacht geſchlagen werden, welche Klauſen— 
burg vor dem Einbruch der Urban'ſchen Truppen 
und Horden ſchützen, dieſen Theil Siebenbürgens der 
ungariſchen Sache erhalten ſollte. Die Dispoſitionen 
ordnete Baldacci an. Am Morgen des 13. Novem— 
ber zogen folgende Truppen gegen Szamos-Ujvär ): 
Das 11. Honvedbataillon (incomplet 

und nicht eingeübt) .. . an 700 Mann 
2 Compagnien Jäger, Nationalgarde » 300 
2 Bataillons Infanterie, Nationalgarde „2000 „ 

1 Diviſion Mätys-Huſaren . „ 300 „ 
1 ordinaire 3pfündige Fußbatterie. 


Summa: 3300 Mann. 
Die freilich ungeübten Truppen waren mit Feuerge— 
wehren und Munition verſehen, ihre Artillerie war 
ſo ſehr im Entſtehen, daß ſie aller energiſchen An— 
ſtrengungen des Chefs vom Generalſtab unerachtet, 


») Die Detachements aus N.-Enyed, Thorda ꝛc. waren näm— 
lich eingezogen worden. 


62 


nicht einmal zum Probeſchießen hatte gelangen können. 
Von den ganzen Truppen, denen man die nöthigen 
Lebensmittel nachführte, hatte außer einigen Volontairs 
aus dem ungariſchen Lager von Szt Tamäs, noch 
Keiner Pulver gerochen. Uebrigens herrſchte bei Allen 
hohe Begeiſterung für die vaterländiſche Sache, und 
neben dem angebornen Muthe und der gewohnten 
Entſchloſſenheit fand ſich leider jene Beimiſchung na— 
tionalen Uebermuthes, welcher, wie auch im vorlie— 
genden Falle, bei einem etwaigen Rückſchlage, leicht 
in Muthloſigkeit, paniſchen Schrecken, Zweifelſucht 
und Verrathwittern umſchlägt. Auch die zur Unter— 
ſtützung beorderte Széker Nationalgarde an 2000 M. 
ſtark, konnte bei ihrer ſchlechten Bewaffnung und 
wegen ihres Mangels an Uebung, nicht überhoch 
angeſchlagen werden. Das Bataillon Carl Ferdinand, 
großentheils aus Wallachen beſtehend, hatte man, im 
Zweifel gegen deſſen politiſche Geſinnung, als Gar— 
niſon in Klauſenburg zurückgelaſſen. 

Der Kriegsſchauplatz war das Thal der Szamos, 
bis Szamos-Ujvär an vielen Stellen durchwatbar 
und nicht ſehr reißend. Die Thalſohle ſelbſt hat ab— 
wechſelnd eine Breite von 1500 — 20900 Schritten und 
wird links und rechts von Höhen begleitet, welche, 
einerſeits vom Dialu Krutſt andererſeits vom Babi 
abfallend, hier großentheils kahl und mit Mais 
bebauet ſind, oder als Weide benutzt werden, mit— 
unter von in die Szamos eilenden Wildbächen durch— 


623 
furcht. Die bis Apahida am rechten, von da über 
Szamos-Ufvar bis Dees am linken Flußufer ſich 
binziehende Straße, iſt wohlerhalten und bildet eine 
für alle Waffengattungen vollkommen praktikable Poſt— 
ſtraßſe. Die alte Straße lief über die ſogenannte 
Tartſa, eine lange Wieſenfläche am nördlichen Ab— 
bange ver das linke Szamos-Ufer begleitenden Anhöhen 
bin. Von Szamos-Ujvär bis Klauſenburg beträgt 
die Entfernung zwei Poſtſtationen oder beinahe vier 
deutſche Meilen. 

Die obenaufgezählten Truppen bewegten ſich in 
tactiſcher Ordnung, Morgens des angeführten Tages 
gegen Szamos-Ujvar, und langten gegen 2 Uhr 
Nachmittags in Dengeleg an. Der Ort wurde mili— 
tairiſch durchſucht, ohne daß man etwas feindliches 
antraf, und man zog weiter gen Szamos-Ujvär. 
Zwiſchen dieſem Orte und Dengeleg ergießt ſich ein 
Wildbach in den Fluß, über den auf der Hauptſtraße 
eine hölzerne Brücke führt. Am Rande dieſes Baches 
ſtanden die Vorpoſten Urbans, eine halbe Escadron 
Wernhard Chevaurlegers, während das Gros des 
Feindes Szamos-Ujvär beſetzt hielt. Das unerwar— 
tete Erſcheinen unſerer Avantgarde, zuſammentreffend 
mit dem Ausbleiben der Brigade des G.-M. War: 
dener, welche zu Dées poſtirt, erſt am folgenden 
Tage erwartet wurde, veranlaßte Urban, ſich vor der 
Hand nur defenſiv zu benehmen, dagegen aber die 
Ungarn nach Szamos-Ujvär hinein zu locken, um fie 


64 


dort am nächſten Tage mit ganzer geſammelter Macht 
um ſo ſicherer und vollſtändiger zu ſchlagen. Deshalb 
zog er ſich, auch an Zahl ſchwächer als ſeine Gegner, 
auf die hinter Szamos-Ujvär liegenden Höhen zurück, 
über welche ſich die Hauptſtraße hinzieht, und nahm 
daſelbſt eine beherrſchende Poſition ein, während ſeine 
Vortruppen dieſe rückgängige Bewegung zu maskiren 
ſuchten. General Baldacci rückte mit feinen Truppen 
über die erwähnte Brücke, ließ auf die auf der Haupt⸗ 
ſtraße poſtirte halbe Escadron Chevaurxlegers ein Paar 
Kanonenſchüſſe abfeuern, und detachirte Ladislaus 
Makrai, Major bei den Mätyäs-Huſaren mit wenig 
Infanterie und einer Cavallerieabtheilung, über die 
nordweſtlich gelegenen Höhen, um, wenn möglich, 
Urban von dieſer Seite zu umgehen und ihm den 
Rückzug nach Dées abzuſchneiden. Die Szaͤker Na— 
tionalgarde zog auf dem Rücken des Gebirgs, welches 
das rechte Ufer der Szamos begrenzt, daher und 
cotoyirte die rechte Flanke der Hauptcolonne. Die 
Vorhut Urbans ging nach den erſten Paar Schüſſen 
fliehend zurück, und die Ungarn drangen unter tau— 
ſendſtimmigen Eljenruf ihnen nach, indem ſie einen 
Theil ihrer Truppen nach Szamos-Ujvär entſendeten, 
mit dem andern aber auf der Hauptſtraße gegen das 
feindliche Centrum vorrückten. Allein jetzt trat ein 
Fall ein, welcher ſich im Anfange von kriegeriſchen 
Unternehmungen immer dann zu ereignen pflegt, wenn 
ungeübte Truppen mit einer regulairen Macht zuſam— 


65 


mengerathen. Urbans Leute hatten ſich geſammelt 
und erwarteten unterſtützt, von dem eilends herbeige— 
kommenen Bataillon Sivkovich, in guter Ordnung 
die feine Vortruppen haſtig verfolgenden Nationalgarden 
und Honveds. Ein Paar gutgezielte Kanonenſchüſſe, 
einige gefallene Honveds, einige verwundete Pferde 
füblten den Enthuſiasmus ſchnell ab, lähmten den 
Muth der Ungarn und alle Anſtrengungen, ſelbſt die 
größte perſönliche Bravour der Führer vermochte nicht 
die erſchrocknen, an ſolche Scenen nicht gewöhnten 
Nationalgarden zum Standhalten, noch weniger zu 
einem Bajonetangriff zu bringen. Nach einem Mo— 
ment des Stillſtandes und des Schreckens warf ſich 
im nächſten Alles auf die Flucht. Die gegen Szamos— 
Ujvar vorgefandte Kolonne, konnte das Treffen auch 
nicht wieder herſtellen; Honveds und Nationalgarden, 
Infanterie, Cavallerie und Artillerie ſtoben nach allen 
Richtungen auseinander, wobei nur zu bewundern 
iſt, daß Urban die gute Gelegenheit verabſäumte, um 
mit den Flüchtigen zugleich in Klauſenburg anzulangen. 
Denn obgleich Letztere den ganzen Tag noch nichts 
genoſſen hatten, ſo waren ſie doch noch kräftig genug 
an demſelben Tage nach Klauſenburg zurückzulaufen, 
dort Verwirrung und Schrecken verbreitend. Wahr— 
ſcheinlich hatte Urban anderweitige gemeſſene Ordre, 
und wagte wohl keinen Dienftfebler zu machen, ſelbſt 
wenn dieſer ihm die Erlangung eines wohlfeilen mi— 
litairiſchen Ruhmes in Ausſicht ſtellte. Er nahm daher 


- 


5 


66 


lediglich feine frühere Stellung wieder ein *). Gene⸗ 
ral Baldacci hatte den Kopf ganz verloren und ge— 
langte auf ſeinem Wagen als einer der Erſten nach 
Klauſenburg. Dagegen gebührt allein dem Oberſten 
Grafen Mikes Kelemen und dem Chef des General— 
ſtabs das Verdienſt, durch energiſche Maßregeln die 
Truppen vor gänzlicher Desorganiſation bewahrt und 
das über Klauſenburg verhängte Schickſal um einige 
Tage noch verzögert zu haben. Dieſe beiden Officiere 
ſammelten nämlich von den Mätyaͤs-Huſaren und 
den Honveds fo viele als ſie vermochten, ungefähr 
eine Escadron und zwei bis vier Compagnien, be— 
festen damit während der Nacht Balaszut, und reti— 
rirten am andern Morgen nach Klauſenburg, ihre 
Vorpoſten bei Apahida zurücklaſſend. Nach einigen 
Tagen, am 1ö5ten rückte Urban mit der Avantgarde 
des Wardener'ſchen Corps über Välaszut gegen Apa— 
hida vor, von wo ſich unſere Vortruppen auf Szamos— 
falva zurückzogen und dort in Gemeinſchaft mit dem 
bereits dahin vorgerückten 11. Honvedbataillon, einer 
Diviſion Mätyls-Huſaren und der Dreipfünderbatterie 
Stellung nahmen. Von den Klauſenburgern war Nie— 
mand mitgezogen, denn in der Stadt herrſchte all— 


*) Kaiſerliche Schriftſteller behaupten, Urban ſei von War- 
dener, welcher ihm eine halbe Batterie und anderweitige Hülfe 
zu ſenden verfprochen, im Stich gelaſſen worden. Vgl. Esquisse 
de la guerre en Hongrie p. 28. 


2 


gemeine Niedergeſchlagenheit, und dieſe wußten die 
Gegner der ungariſchen Bewegung ſehr wohl zu be— 
nutzen, indem ſie die Frage zur Berathung brachten, 
ob man Klauſenburg vertheidigen ſolle und konne 
oder nicht. Der Tag ward mit Hin- und Herreden 
verbracht, und als der Abend herannahte, Urban auch 
bereits mit unſern Truppen bei Szamosfalva die 
erſten Kanonenſchüſſe, wechſelte, war man noch zu 
keinem Entſchluſſe gekommen. Die Verwirrung er— 
reichte den böchiten Grad, als die Extremſten bei— 
der Parteien, der Reactionaire wie der Radicalen. 
durch die Gaſſen liefen, das Volk vor öffentlichen 
Gebäuden und auf den Plätzen im verſchiedenſten 
Sinn haranguirten, hier zur ſchleunigen Waffen— 
ſtreckung, dort zum kräftigen Widerſtand ermahnend, 
ohne daß irgend Jemand die Lage der Dinge zu wür— 
digen verſtanden hätte. Das Bataillon Carl Ferdi 
nand conſignirte ſich ſelbſt in dem Hofe des Rädai— 
ſchen Gebäudes, ein Schwarm Szabolſer National— 
garden und Hafduken, auf wiederholte dringende 
Vorſtellungen des Commiſſair Baron Vay eben in 
dieſen Tagen in die Stadt gerückt, campirte theils 
auf dem Schloßberge, theils in zweiter Linie hinter 
Szamosfalva, ohne daß für ihren Unterhalt geſorgt 
wurde. Der freilich verſammelte Stadtrath hielt ſich, 
wie ſein Präſident, Bürgermeiſter Grois, in feiner 
Ratbloſigkeit, ganz paſſiv. Baron Bay wurde in 
feiner Wohnung von einem Schwarm fanatifirter Vor— 


68 


ſtädter angegriffen, und gerieth zwei Mal in Gefahr, 
ſein Leben einzubüßen, woraus ihm nur die Gegen— 
wart des Generalſtabchefs, als eines Honvedofficiers, 
rettete. Den General Baldacci hielt man auf dem 
Rathhauſe gefangen, als angeblichen Landesverräther. 
Zu dem von demſelben aus unbegreiflicher Sorgloſig— 
keit und Nachläſſigkeit auf 7 Uhr Abends berufenen 
Kriegsrath erſchienen alle höheren Offiziere, außer 
dem Oberſtlieut. Joh. Bänffy und Major Gregor 
Bethlen, welche bei den Truppen blieben. 

So ſtanden die Sachen, als von Szamosfalva 
die Meldung anlangte, Urban ſei durch einen Bajo— 
netangriff des eilften Bataillons in die Flucht ge— 
trieben. In der That hatten ſich die bei Szamosfalva 
poſtirten Truppen auf den Rath des Generalquar— 
tiermeiſters hinter dieſen Ort zurückgezogen und er— 
warteten dort, auf einigen Terrainwellen poſtirt, 
einerſeits an die Szamos, andererſeits an den öſtlich 
vom Orte belegnen Sumpf gelehnt, das Herannahen 
der Urban'ſchen Truppen. Dieſe mußten auf der 
nicht ſehr breiten Hauptſtraße durch den Ort, welcher 
überdies beim Rückzuge zum Theil durch feindliche 
Granaten in Brand gerathen war, defiliren und ka— 
men gleich beim Debouchiren aus dem Orte in ein 
Kreuzfeuer von Flinten- und Kartätſchenſchüſſen. 
Was Wunder, daß ſie beim erſten Anlauf die Flucht 
ergriffen. Daher jene Freudennachricht, welches 
übrigens keine nachhaltige Wirkung äußerte. Mit 


69 

anbrechender Nacht legte ſich die Unruhe in der Stadt 
und der verſammelte Kriegsrath beſchloß, in Betracht 
der zerſtreuten und undisciplinirten Truppen, welche 
ſich mit den regulairen der Feinde damals ſchwerlich 
meſſen konnten, ſo wie in Rückſicht auf das Klauſenburg, 
welches allein von allen ungariſchen Städten, bis 
dahin der Verwüſtung noch entgangen war, den 
Rückzug auf Großwardein anzutreten. Dieſer Be— 
ſchluß wurde noch in derſelben Nacht in Ausführung 
gebracht. Klauſenburg ergab ſich den 17., am 18. 
rückte Wardener und am 20. Kalliany mit ſeiner 
Diviſion dort ein. 

Man glaube aber ja nicht, daß bei dieſem 
Rückzug eine Ordnung beobachtet worden wäre, ob— 
gleich man aus zwei Umſtänden auf das Vorhanden— 
ſein der letztern hätte ſchließen mögen. Der Rückzug 
war nämlich kein ſehr dringlicher und ſodann hielt 
Urban ſich wirklich für ſo ſehr geſchlagen, daß er bis 
Valaszut zurückwich, von wo ihm erſt am dritten 
Tage die Klauſenburger Friedensdeputation in das 
Weichbild der Stadt bereinbolte. Bei unſerm Rück— 
zuge ging Alles bunt durcheinander, über Hals und 
Kopf nach Gyalu und nach kurzem Luftſchöpfen 
weiter über Kapus, Gyerö-Väſärhely nach Bänffy— 
Hunpad, wo ſich erſt der Schrecken allmählig verlor 
und die Ordnung einiger Maßen wieder hergeſtellt 
wurde. Sogar die Kaſſe würde in Klauſenburg zu— 
rückgeblieben ſein, wäre ſie nicht durch die Geiſtesge— 


70 


genwart des Generalſtabschefs im Beiſtande feines 
Adjutanten und einiger patriotiſch geſinnter Bürger 
den Klauen des reactionairen Kaſſenperſonals noch 
entriſſen und fortgebracht worden. 

General Baldacci, der unglückliche Mann, wel— 
cher in ruhigen Zeiten viele ſchöne und richtige Dinge 
zu ſagen wußte, gegen deren Wahrheit ſich eben nicht 
viel einwenden ließ, welcher aber regelmäßig den 
Kopf verlor, ſobald die Umſtände Thaten verlangten, 
ergriff wieder das Ruder und leitete die Truppenbe— 
wegungen. Nutzlos wurden acht Tage in Baänffp— 
Hunyad verbracht und am 25. November, als ſchon 
der Feind gegen den Ort anrückte, hatte man noch 
keinen Entſchluß gefaßt, ob man ſich ſchlagen wolle 
oder nicht. Unglückſelige Unentſchloſſenheit, welche 
im Kriege ſelbſt beim beſten Willen und mit den 
loyalſten Geſinnungen ſtets nur Halbheiten und folg— 
lich Schlechtes zu Tage fördert und darum am Mei— 
ſten bei einem Anführer zu bedauern iſt! Welch' ein 
Contraſt gegen Bem's Operationen! 

Die nunmehr angeordneten Truppendislocationen 
waren folgende: Die Hajduken marſchirten über 
Korniczel nach Barod, die Szabolſer, deren Dienſt— 
zeit ohnehin abgelaufen war, wurden nach Hauſe 
entlaſſen, und die Biharer Nationalgarden nahmen 
deren Stellung in Feketetö und Cſuecſa ein. Am 
letztgenannte Orte befand ſich auch das Cadre des 
künftigen fünfundfunfzigſten Honvedbataillon nebſt der 


7 3 
übergetretenen Abtheilung von Kreß Chevauxlegers, 
die Pereczi'ſchen Lanciers genannt. In Baänffy⸗ 
Hunyad blieben das eilfte Honvedbataillon, die 
Klauſenburger Freiwilligen d. h. diejenigen National— 
garden, welche aus Klauſenburg und den umliegen— 
den ungariſchen Städten und Dörfern an dem Rück— 
zuge ſich betheiligt hatten, ferner die dreipfündige 
Feldbatterie und endlich die Szekler Huſarenabtheilung 
unter Cſutak und Baumgarten. Von ihnen wurden 
Vorpoſten in Gyeréö-Vaſärhely und Körösfö vorge: 
ſchoben, ſo wie eine Compagnie des fünfundfunfzig— 
ſten Bataillons gemeinſchaftlich mit einigen Hundert 
Biharer Nationalgarden unter Major Riezko Gyalu 
beſetzt hielt. Eine Diviſion Mätyäs-Huſaren deckte 
durch Beſetzung von Nagy Almas die linke Flanke 
der Unſrigen. 

Nachdem Urban ſich in Klauſenburg feſtgeſetzt 
hatte, wo er an der Spitze einiger Tauſend walla— 
chiſcher Räuber und Mordbrenner unter Sang und 
Klang ſeinen Einzug feierte, eine Seene, an welcher 
ſich nur wenige öſterreichiſche Officiere betheiligten 
und über welchen ſich unter Andern der ebenſo hu— 
mane wie ritterliche Oberſt Koppet von Savoyen 
Dragoner mit feinem ganzen Officiercorps höchſt ent— 
rüſtet zeigte, ſchob er feine Vorpoſten gegen Gyalu 
vor. Zwiſchen ihnen und den Biharer Honveds un— 
ter ihrem Major Riezko entſpann ſich dort ein unbe— 
deutendes Gefecht, wobei die Letzteren den Kürzern 


72 


zogen und nach Bänffy-Hunyad weichen mußten. 
Die Urſache dieſer Retirade maß Riczkö, welcher hier 
unvergängliche Lorbeern zu ernten ſich einbildete, ei— 
ner Vernachläſſigung des mit ein Paar Compagnien 
des eilften Bataillons in Kiskapus aufgeſtellten Major 
Inczédy Samu zu, weil dieſer ihm nicht zeitig genug 
zu Hülfe geeilt ſei. Allein zu des letzteren Genug— 
thuung muß die Geſchichte erwähnen, daß er keine 
Ordre hatte, Riczkö im Fall derſelbe angegriffen 
würde zu unterſtützen, ſondern lediglich ihn alsdann 
aufzunehmen, und daß die Affaire bei Gyalu nichts 
weiter, als ein von Riczké aus Eitelkeit und ohne 
alle militairiſche Berechnung ausgeführter Huſaren— 
ſtreich geweſen iſt. Riczkö bildete ſich nämlich ein, 
allein Klauſenburg wieder nehmen zu können. Weiter 
unten werden wir übrigens ſehen, ob er der Mann 
war, eine ſolche Aufgabe zu löſen und haben dieſe 
Begebenheit nur erwähnt, um die gränzenloſe Unord— 
nung zu veranſchaulichen, welche in den vom General 
Baldacci getroffnen Maßregeln lag. Nach der Ein— 
nahme Klauſenburgs wollte Urban unmittelbar nach 
Cſüeſa marſchiren, um dort die Unſrigen anzugreifen, 
allein Puchner befahl die Brigade Hurter, früher 
Kalliany, in der Eile nach Süden gegen die Szekler 
zu detaſchiren. Urban ſchlug nun vor, die ganze 
kaiſerliche Macht auf die Szekler zu werfen, aber die 
kaiſerlichen Officiere wußten in ihrer Unſchlüſſigkeit 
nicht, was zu thun ſei. Endlich wollte man die 


73 


Ungarn bei Cſücſa angreifen und dies geſchah auch 
wie wir gleich ſehen werden. 

Von einem bei Bänft» Hunyad zu leiſtenden 
Widerſtande konnte unter den damaligen Umſtänden 
keine Rede ſein, weshalb der Kriegsrath den Beſchluß 
faßte, das Hauptquartier am 24. oder 25. November 
nach Cſücſa zu verlegen, einem Gebirgspaſſe, welcher 
in der Geſchichte dieſes Feldzuges von zu großer 
Wichtigkeit iſt, um nicht einer ausführlichen Schil— 
derung gewürdigt zu werden. Alle Truppen, mit 
Inbegriff der Diviſion MätyassHufaren aus Almas 
marſchirten nach Cſücſa, während in Bänfi-Hunyad 
nur die nöthigen Vorpoſten zurückblieben. 

Der Gebirgspaß von Cſuücſa wird von den 
ſchroffen, bewaldeten und felſigen Abhängen des 
Tunger Gebirgs im Süden und das Dombrei-Heimare 
im Norden gebildet, welche das Körösthal eine halbe 
Stunde binter der Einmündung des Sebes in den 
Körös dergeſtalt verengen, daß ſtellenweiſe auf der 
von Klauſenburg nach Großwardein führenden 
Hauptſtraße, welche ſich am rechten Flußufer hinzieht, 
höchſtens zwei leichte Wagen neben einander fahren 
können. Die größte Breite des Paſſes an der Aus— 
mündung des Szekulouluj Gießbaches in die Körös 
beträgt an 600 Schritte, dann verengert ſich das 
Thal immer mehr bis zum Cſucſapaß, und erweitert 
ſich erſt bei Feketets bis zu einer Breite von 
1000 — 1500 Schritten. Später verengt es ſich wie— 


74 


der, ohne dann eine militairifche Bedeutung zu haben, 
indem die Operationslinie ſich mit der erwähnten 
Hauptſtraße gegen den Kiralyhbago zuwendet. Der 
Ort Cſüeſa ſelbſt liegt auf halbem Wege mitten in 
dieſem Gebirgspaſſe, da wo ſich mit der erwähnten 
Hauptſtraße die alte über Almas führende Fahrſtraße 
und der Nebenweg von Kraszna vereinigen. Der 
Ort, der Schlüſſel zu der gedachten Poſition, iſt ein 
elendes wallachiſches Neſt, mit etlichen SO armſeligen 
Strohhütten, in dem es kaum ein einziges zum Haupt— 
quartier paſſendes Gebäude, noch weniger alſo Raum 
für Mannſchaft und Pferde und gar keine Lebens— 
mittel gab. | 

Hier befand ſich nun der Kern der ſpäter ſo be 
rühmt gewordnen Siebenbürger Armee, ohne Schuhe, 
ſchlecht gekleidet, meiſt in Lumpen, bei einer Kälte 
von 15 — 20 Grad, und ohne kriegeriſchen Muth, 
nur erfüllt von dem Bewußtſein, den Geboten der 
Vaterlandsliebe und der Ehre bis zum letzten Athem— 
zuge treu bleiben zu wollen. Und was that die 
Landesregierung für dieſe Truppen? Fernere 
4 — 6090 Mann Biharer Nationalgarden wurden 
uns auf den Hals geſchickt; der Regierungscommiſſair 
Hodoſſy in Großwardein verbot allen ungariſchen 
Ortſchaften, der ſiebenbürgiſchen Armee Lebensmittel 
zuzuführen und brandmarkte alle Bewohner dieſes 
Landes als Verräther, während es doch nicht ſchwer 
fiel, die wirklich Schuldigen herauszuſcheiden. Aber 


75 


eben darin offenbarte ſich die Große der gemeinen 
Honved, zeigte ſich die geiſtige Kraft einiger tüchtiger 
Officiere, daß ſie ſelbſt unter ſo mißlichen Umſtänden 
die Hoffnung nicht fahren ließen, vielmehr ſo lange 
an der Ausbildung und dem Unterricht der jungen 
Mannſchaft arbeiteten, bis eben das zur Einreibung 
in andre Cadres beſtimmte Bataillon, an Kübnbeit, 
Ausdauer, Heldenmuth und Patriotismus das erſte 
unter allen ſiebenbürgiſchen und vielleicht allen unga— 
riſchen Bataillons wurde. Dies war das eilfte von 
den wackern Männern Inczedy Samu und Johann 
Banffy geführte Honvedbataillon. 

Hodoſſy ſchleuderte nicht bloß fein Anathem auf 
die Klauſenburger Flüchtlinge und auf die Armee, 
ſondern er ließ ſelbſt alle nach Großwardein fliehen— 
den Privaten, unter ihnen den Grafen Mikes Janos 
verhaften und jagte andere nach Cſueſa zurück. Er 
befahl auch die Verhaftung des Baron Vay, ernannte 
den Major Riczk aus eigner Machtvollkommenheit 
zum Oberſten und Armee-Commandanten und hieß ihn 
General Baldacci arretiren und die etwa widerſpen— 
ſtigen Officiere zu Pulver und Blei verurtheilen. 
Es war dies eine nicht einmal durch die Umſtände 
gerechtfertigte Eigenmacht, zumal ſie nach dem einſei— 
tigen Bericht Riczkö's und feines getreuen Leporello, 
des Civilcommiſſair Tar, ausgeübt wurde. Was 
Vay anbetrifft, ſo hat er bis zum letzten Augenblicke 
alle von der Regierung angeordnete Maßregeln ge— 


76 


treu vollzogen und als es zum Schlagen kam, wurde 
Baldacci der allein verantwortliche Träger des Gan— 
zen, und auf ihn iſt alle Schuld zu werfen, wenn 
hier in Wirklichkeit von einer ſolchen die Rede ſein 
kann. Zum Glück ſah der Chef des Generalſtabs 
die Dinge in ihrem rechten Lichte und ſchickte ſeinen 
Adjutanten als Courier nach Peſth, woſelbſt dieſer 
zeitig genug eintraf, um den Präſidenten Koſſuth zur 
Ergreifung richtiger Maßregeln zu veranlaſſen. 
In Folge derſelben wurde Vay in Freiheit geſetzt 
und blieb Regierungscommiſſair bei der Armee, das 
Obercommando erhielt aber der Chef des General— 
ſtabs, Major Czetz: freilich eine auffallende, aber 
durch die Umſtände vollkommen gerechtfertigte Ernen— 
nung, durch welche ein Major über Oberſten zum 
Chef eingeſetzt ward. Denn die bei den Truppen 
befindlichen Magnaten, Oberſt Mikes und andre, hat— 
ten, obwohl unverdientermaßen, das Vertrauen einge— 
büßt, Oberſt Riezko war offenbar ein zu geringes 
Talent, als daß man ihm die Leitung militairiſcher 
Operationen anvertrauen konnte und in Peſth fand 
ſich Niemand dazu bereit, die Führung ſo demorali— 
ſirter Truppen zu übernehmen. Es blieb mithin keine 
andere Wahl übrig und Major Czetz bewies in der 
Folge, daß er den an ihn geſtellten Anforderungen 
gewachſen war. 

Kaum hatte er die Zügel des Commandos, eine 
Stunde ſpäter als Baldacci dieſe in Riezko's Hände 


me 


niedergelegt, ergriffen, als er dem blinden Ungefähr 
ein Ende machte, indem er die Operationen auf ihre 
moraliſche Baſis, auf Strategie, Tactik, Reorgani— 
ſation der zerſtreuten Streitkräfte und auf die Her— 
ſtelung der Mannszucht zurückführte. Die Armee 
wurde in den rechten Flügel bei Cſücſa, das Cen— 
trum bei Zilab und Sibo, den linken Flügel bei Nagy 
Banya getheilt, während ihr Hauptquartier nach 
Szillagy Somlyc verlegt ward. Denn die Strategie 
zeigte klar, daß nur durch das harmoniſche Zuſam— 
menwirken dieſer drei Theile der momentane Zweck, 
nämlich die Behauptung der beſetzten Punkte und ſo— 
mit die Abwehr einer etwa in Ungarn beabſichtigten 
Invaſion, ſo wie der Hauptzweck, die Wiedererobe— 
rung Siebenbürgens, zugleich erreicht werden konnte. 
Die müſſigen und überdies weniger brauchbaren Na— 
tionalgarden wurden von Cſueſa weiter rückwärts 
nach Barod, Korniczel, Elesd verlegt, und in Cſücſa 
ſelbſt nur die brauchbaren Nationalgarden nebſt den 
Honveds behalten; die Mätyis-Hufaren nebſt einer 
halben Batterie Dreipfünder marſchirten nach Szillagy 
Somlyô, das 31. Bataillon unter Major Täth Agoſton 
kam nach Sibs, der Reſt vom zerſprengten Corps 
des Katona Miklôs nach Nagy Bänya. Für Lebensmittel 
und Fourage ward geſorgt, ſo wie die Regierung 
um regelmäßige Auszahlung des Soldes vielfach und 
mit Erfolg angegangen. Am Ausgange des Gebirgs— 
paſſes errichtete man vortheilhaft eine Poſitionsbat— 


78 


terie, am Kirälybago ward ein Blockhaus gebaut, den 
wegen Mangel an Truppen nicht zu beſetzenden Almaſer 
Weg machte man durch Verhaue auf eine halbe Meile 
unfahrbar, in Nagy Bänya traf man Vertheidigungs— 
anſtalten und gab Befehl zur Pulvererzeugung in 
Maſſe. So gewann in wenigen Tagen das Ganze 
Form und Leben: aus dem Chaos entwickelte ſich 
militairiſche Ordnung und die Armee konnte erſt jetzt 
in Wahrheit eine operationsfähige genannt werden. 
Dieſe Erfolge werden ſtets der Stolz des ehemaligen 
Chefs vom Generalſtabe bleiben, welcher in ſeinem 
Werke auf das Eifrigſte unterſtützt wurde durch die 
unermüdlichen Beſtrebungen des alle Parteianſichten 
dem gemeinſamen Wohle freudig opfernden, wahrhaft 
adligen Oberſten Grafen Mikes Kelemen, des raſtlos 
thätigen Majors Bethlen Gergely und des Major 
Auguſt Töth. Dies waren auch die Männer, welche 
in dieſem Feldzuge die glänzendſten Rollen ſpielten 
und neben dem ritterlichen Oberſten Baron Johann 
Bänffy, dem ſachkundigen und talentvollen, militai— 
riſch hochgebildeten Oberſtlieutenant Baumgarten und 
dem kühnen Dobay den erſten Rang in den Denk— 
würdigkeiten dieſer Epoche verdienen. Weiter unten 
werden wir Gelegenheit finden ihre einzelnen Leiſtun— 
gen hervorzuheben. Auch den Bewohnern Bihar's, 
Szathmär's und Debreczin's gebührt das Lob, ihrer— 
ſeits theils durch die pünktlichſte alle Anforderungen 
weit übertreffenden Rekrutenſtellung, durch Werbung 


79 

von Freiwilligen für die Dauer des Feldzuges, und 
ins Feld ſchicken der eignen Nattonalgarden, theils 
durch Beiſteuern an Geld, Monturen, Lebensmitteln, 
theils endlich durch Vorſpanndienſte und Pferdelie— 
ferungen für die Beſpannungen, Alles und noch 
mehr gethan zu haben, was man von wahrhaften 
Söhnen des Vaterlandes nur verlangen konnte. Bem 
war es vorbehalten, das ſo Vorbereitete zu glänzenden 
Erfolgen zu benutzen. Zum Schluſſe dieſes den 
eigentlichen Feldzug mehr einleitenden Capitels ein 
Paar intereſſante, die Epoche genau Hence vende 
Thatſachen. 

Die erſte derſelben iſt die Bildung einer Natio— 
nalgardenarmee durch den General Katong Miklos 
im October und November 1848. Dieſe hatte die 
Beſtimmung, im Verein mit den Klauſenburger Trup— 
pen das nördliche Siebenbürgen auf der Linie von 
Thorda bis Nagy Bänya zu beſetzen, den Einfall 
des Feindes innerhalb dieſer Linie zu verhindern, 
auch die Wallachen im Koloſer, Belſö Szolnoker 
Comitate und in den partes (Kraſzna, Közep 
Szolnok, Kövar) im Zaume zu halten. Die Walla— 
chen hatten nämlich alle dem Oberſt Urban auf den 
Doppeladler Treue gelobt und waren von ihm mit 
ſogenannten Pazſuras verſehen worden. 

Gegen dieſe Aufſtändiſchen ſollte nun ein Natio— 
nalgendarmeriecorps gebildet werden. Der eigentliche 


80 


Schöpfer deſſelben, Graf Teleky Sändor gab ſich 
auch alle erdenkliche Mühe und ſcheute ſelbſt nicht die 
größten Opfer, um in kürzeſter Friſt obige Einrich— 
tung in's Leben zu rufen. Allein er war nicht Mi— 
litair und ſeine Gehülfen Jeney Joſef und Katona 
Miklos hatten von militairiſcher Bildung nichts erwor— 
ben, als die Fähigkeit „halbrechts“ „halblinks “ und „rette 
ſich wer kann,“ zu ſchreien. Daher kam es denn, daß 
dieſes Corps erſt dann organiſirt war, als unſere 
Truppen Klauſenburg ſchon geräumt hatten und der 
öſterreichiſche General Wardener dort ſchon eingerückt 
war. Es zählte im Ganzen ungefähr 10,000 Mann, 
nämlich meiſtens Nationalgarden aus Szathmär, 
Bihar, Szabols, Marmoros, die Wiener Legion, 
600 und einige Mann ſtark, eine Diviſion Koburg— 
Huſaren und das im Werden begriffene vierte Honved— 
bataillon. Die Truppen waren von gutem Geiſte, 
beſeelt und hätten manchen Nutzen leiſten können, 
wenn nur ihrem eitlen Führer Katona Miklös nicht 
Einſicht und Beſonnenbeit ganz unbekannte Dinge 
geweſen wären. Da ihm außerdem alle militairiſchen 
Eigenſchaften, den phyſiſchen Muth ausgenommen, 
fehlten, ſo kann es uns nicht befremden, wenn wir 
den phantaſtiſchen Helden Katona Miflös, in feinen 
Ruhmesträumen, unbekümmert wie er war, um das, 
was neben ihm, und noch unbekümmerter um das, 
was in Klauſenburg geſchah oder geſchehen konnte, 


1 


in der größten Selbſtüberzeugung und vollkommner 
Sicherheit gegen Dees vorrüden ſehen, wo er zu 
ſeinem Staunen erfährt, daß die Kaiſerlichen Klau— 
ſenburg bereits occupirt haben. Aber zurück konnte 
die Lawine nicht wieder und Katona Mikläs nahm 
ſich vor, die Feinde in Dées zu erwarten. Es dauerte 
nicht allzulange, und es wurde Urban mit einer Bri— 
gade gegen ihn detachirt. Katona hatte ſchlechte oder 
vielmehr gar keine Vorkehrungen zur kräftigen Ver— 
theidigung des Ortes getroffen; wie konnte er auch 
denken, daß eine einzige Urban'ſche regulaire Brigade 
im Stande ſei, es mit ſeiner großen Uebermacht 
aufzunehmen, oder ſie wohl gar zu vernichten. Aber 
wie immer im Kriege, rächte ſich hier die Gering— 
ſchätzung des Feindes. Urban griff Dees jo wirk— 
ſam von zwei Seiten an, daß Katona kaum Zeit 
batte, ein Paar Kanonen loszubrennen, als ſchon eine 
Abtheilung Chevauxlegers, von der Oſtſeite in die 
Stadt rückend, eine ſolche Verwirrung anrichtete, 
daß Alles bunt durcheinander davonlief. Nur das 
4, Honvedbataillon und die Wiener Legion mit den 
Koburg-Huſaren retteten, wie Löwen kämpfend, Ka— 
nonen nebſt Munition und den patriotiſchen Bürgern 
der Stadt hat Katona es zu verdanken, daß nicht 
im Straßenkampfe die Hälfte ſeiner ganzen Mann— 
ſchaft zuſammengehauen wurde. Katona, in den 
Armen ſeiner Maitreſſe von Unſterblichkeit träumend, 
6 


82 


mußte am nächſten Tage fopf- und ſinnlos, wie ein 
gehetztes Wild, über Berg und Thal davon laufen 
und weder von ihm noch von ſeinem Corps ſah man 
etwas wieder bei ſpätern ernſtlichen Kämpfen. Frei— 
lich hat er durch ſchlaue Lügen ſich in Debreezin von 
der Schuld weiß gewaſchen, aber nichts deſto weni— 
ger iſt er als Soldat immer ein Mohr geblieben *). 
Hätten die Deefer Bürger durch eine inſtinctmäßige, 
meiſterhafte und heldenmüthige Häuſervertheidigung 
nicht den Kaiſerlichen viel zu ſchaffen gemacht, ſo 
wäre die Zahl der Verwundeten, Gefangenen und 
Todten im Katona'ſchen Corps ſehr groß geworden. 
So aber nahmen ſie die günſtige Gelegenheit wahr und 
liefen ſo raſch davon, daß Manche erſt in Nagy 
Bänya, beiläufig ſieben deutſche Meilen davon, zum 
Stehen kamen. Urban verfolgte ſie bis Remete, 
kehrte aber von da wieder nach Klauſenburg und 
Szamos Ujvär zurück; ſpäter werden wir ſehen, 
welche Gründe ihn zu dieſem unvermutheten Rückzuge 
wahrſcheinlich veranlaßt haben. Uebrigens bildete ſich 
ſpäter aus den regulairen Ueberreſten jenes Corps der 
linke Flüge! der Siebenbürger Armee, welcher Ge— 
legenheit fand, dieſe Schmach blutig zu rächen. 


„) Ueber die gegen Katona Miklos erhobene, gerichtliche Ders 
folgung, fo wie deren Reſultat, ſiehe Közlöny Nro. 94 vom 
2. Mal 1849. 0 


83 

Eine zweite, die gegenwärtige Zeit darafterifi- 
rende Thatſache iſt das Benehmen der öſterreichiſchen 
Officiere in den von ihnen beſetzten ungariſchen 
Städten und Ortſchaften, ihre Wirthſchaft in Kein: 
desland und ihr Benehmen gegen Gefangene und 
Verwundete. Man war vor der Revolution von 
1848 daran gewohnt, den öſterreichiſchen Officier als 
einen gebildeten, höflichen und beſonders gegen Da— 
men zuvorkommenden, meiſtentheils rüſtigen jungen 
Mann ſich zu denken; als einen Mann, deſſen weiße 
Uniform keinen Flecken verträgt und der auf das 
Entſchiedenſte Alles von ſich weiſt, was ſeiner Ehre 
nur im Mindeſten zu nahe treten könnte. Man 
dachte ſich unter dem öſterreichiſchen Officier einen 
aufgeklärten Ehrenmann. Fragen wir nun, wie er 
ſich in Siebenbürgen benahm und n darüber 
der Welt das Urtheil. 

Oberſtlieutenant Urban, in den Dienſt der Cama— 
rilla getreten, trieb mit ſeinem Pazſuras das Proſely— 
ten machen à la grosso, predigte mit offnem Viſir das 
Romanenthum, obſchon er recht gut wußte, daß deſſen 
erſtes und letztes Ziel die Vertilgung einer edlen 
Nation war, mit welcher ſeine Vorfahren und Brü— 
der Jahrhunderte lang in Eintracht und Frieden lebten, 
ſowie daß deſſen Mittel beſtanden in Raub, Mord, 
Plünderung, Nothzucht, Mädchenraub, Schändung, 
Zeritörung Alles deſſen, was irgend einen Werth, 

6 * 


84 


ſei es moraliſchen, phyſiſchen, hiſtoriſchen oder künſt— 
leriſchen, beſaß, daß endlich das Romanenthum mit 
Scheußlichkeiten aller Art ſchwanger ging, wie ſie 
nur die zügelloſe Phantaſie eines Huronen gebären 
mochte! Solche Horden zählten Urban und ſein Offi— 
ciercorps zu ihren Waffenbrüdern; ſie zechten mit 
ihnen, theilten ſich mitunter in den geraubten Schmuck, 
die geſtohlenen Pferde und Effecten, Alles unter 
Vivats für den gütigen Ferdinandu imperatu nostru! 
— Der öſterreichiſche Major K. . . . .... n drang bei der 
Einnahme Maros-Väſärhelys in das Schlafzimmer 
der Gräfin Läzär Möricz, welche krank im Bette 
lag, riß ihr die Decke ab und zog ihr die Brillant— 
ringe vom Finger, mit dem noblen Ausrufe: Wozu 
ſoll Dir das bleiben, Du Koſſuthſche H. . .! 

Ein öſterreichiſcher Hauptmann von Parma-In⸗ 
fanterie lag, bei der Einnahme Klauſenburgs durch 
Bem, krank im Bette und bat flehentlich den Grafen 
Teleky, ihn vor der Gefangenſchaft zu ſchützen und 
ihm einen Wagen bis Thorda zu leihen, welchen er 
auf Ehrenwort ſogleich zurückzuſenden verſprach. Graf 
Teleky ſchickte ihn mit ſeiner eigenen Equipage fort 
und „Roß und Wagen ſah man niemals wieder.“ 
Später wurde der Capitain gefangen und trat zu den 
Honveds über! 

Bei Baron Huszaͤrs in Klauſenburg machten ſich 
mehre Cavallerieofficiere breit, zertrümmerten die vor— 


5 


gefundnen Möbel und andere Gegenſtände, und 
ſtahlen aus den Damen- Etuis die brillantnen 
Steck- und Buſennadeln, Ohrringe u. dgl. für ihre 
Liebchen zum Geſchenk. | 

In Does führte ein Officier einem Bürger ein 
Reitpferd weg und gab es ihm auf Befehl feines 
Majors erſt dann zurück, als man ihm 10 fl., ſage 
zehn Gulden Conventionsmünze, Tauſchgeld dage— 
gen bot. 

Das Haus des Oberſten Mikes Kelemen wurde 
beim Einzuge Urbans in Klauſenburg rein ausge 
plündert; einen großen Theil der dort geraubten 
Effecten, ſogar Porzellan, Reitpeitſchen u. dgl. fand 
man bei Thorda in dem einem Lieutenant Schuſter 
abgenommenen Gepäcke wieder. 

Nach der zweiten Affaire von Hermannſtadt 
wurde ein Lieutenant von Sivkovich-Infanterie ger 
fangen genommen; ich glaube er hieß Luxem; auf 
fein Ehrenwort ließ man ihn ohne Wache. In der 
Nacht ging er durch und flüchtete ſich zu den Walla— 
chen. Oeſterreichiſche Officiere, von denen ich mich 
eines Oberlieutenants Winter oder Winkler entſinne, 
commandirten die wallachiſchen Horden bei ihren 
gräulichen Expeditionen gegen Zalathna, Nagy-Enyed, 
Felvinez und andere Orte. In Bezug auf Oberſt 
Auguſt, Schloß-Commandanten in Maros-Bäfarbely 
und deſſen Filouterie, als er beim Einzuge Gedeons 


86 


den Schmuck und das Gold der Bewohner zu ſich 
nahm, um es vor Plünderung zu bewahren, eigent— 
lich aber, um es nie wieder zurückzuſtellen, verweiſe 
ich auf die Berichte aus Maros-Vaſärhely im Hon⸗ 
ved- und Közlöny. . 

Solche Dinge trugen ſich in Siebenbürgen zu: 
wie mögen die Oeſterreicher ſich erſt in Ungarn be— 
nommen haben? In Ungarn, wo der Gouverneur 
der Feſtung Temesvar F. M. L. Rukawina dem 
Oberſten Koppet ſagte: Den Rebellen gegenüber 
braucht man ſein Ehrenwort nicht zu halten. Dieſer 
Officier, einer der ritterlichſten und als Cavaleriſt 
einer der gediegenſten Führer in der öſterreichiſch— 
ſiebenbürgiſchen Armee, wurde, als er krank ſeiner 
Armee folgte, vom Oberſt Bethlen nach dem Ein— 
marſche in Hermannſtadt und auf dem Marſche gegen 
Leſchkirch zum Gefangenen gemacht und gegen ſein 
Ehrenwort entlaſſen. General Bem gab ihm einen Paß 
nach Temesvar und Rukawina ließ ihn dort verhaften. 

Doch genug der Thatſachen zur Charakteriſtik 
der öſterreichiſchen Officiere; wir würden mit Freu— 
den Beiſpiele des Gegentheils angeführt haben; au— 
ßer dem vom beregten Oberſt Koppet in Klauſen— 
burg gegebenen, wo er die Brutalität Urbans nach 
Kräften zu mildern ſuchte, findet ſich in dieſer Kriegs— 
geſchichte kein einziges. Mithin bleibt uns nur die 
traurige Aufgabe, die wahrſcheinlichen Urſachen eines 


7 


ſolchen Mangels an Zartgefüthl, Redlichkeit und 
Ebre, die größten Zierden des Kriegers einem be 
ſiegten Feinde gegenüber, aufzuſuchen. Hier findet 
ſich vor allen Dingen eine paſſende Anwendung des 
alten Sprichwortes: exempla sunt odiosa. Geſchick— 
tere Federn als die unſrige haben der Welt das Ge— 
webe jener Doppelzüngigkeit, jener niederträchtigen 
Diplomatie enthüllt, welches die Camarilla ſpann, 
um den ungariſchen Löwen ſo zu umgarnen, wie er 
es jetzt iſt. Jede Wiederholung wäre mithin über: 
flüſſig. Die Verderbniß und die Entſittlichung drang 
von den böͤchſten Regionen, aus der unmittelbaren 
Umgebung des Kaiſers, bis in die unterſten Sphären 
und es konnte Niemand Wunder nehmen, wenn die 
ebrloſe Heimtücke der Hofdiplomatie bei dem ſchlichten 
Soldaten in einer brutalen Härte und beim rohen 
Wallachen in einer maßloſen Grauſamkeit ihr Echo 
fanden. Der Diplomat war doppelzüngig, der Sol— 
dat unterdrückte das Gefühl der Ehre: Raizen, Wal— 
lachen, Croaten und Slovaken wurden zu wilden 
Beſtien. Die Genoſſenſchaft eines ſolchen Geſindels 
übte natürlich ihre Rückwirkung auf den Gebildeteren, 
das wüſte Kriegsleben trug das Seinige zur Ver— 
ſchlimmerung des Uebels bei, die Blüthe des kaiſer— 
lichen Officiercorps fiel in den Schlachten und jo 
kam es, daß jetzt die alten öſterreichiſchen Officiere, 
das Geſchehene verwünſchend, mit Befremden gewahr 
werden, in welche Kameradſchaft ſie hineingerathen; 


88 


für den Geſchichtsſchreiber wird es ſtets ein erheben— 
der Troſt bleiben, für die ungariſche Nation auf 
ewige Zeiten ein Hochgefühl, daß die „Koſſuthſchen 
Hunde,“ wie öſterreichiſchen Officiere die Honveds zu 
nennen beliebten, Brutalität mit edler Gefälligkeit 
und kleinmüthige Rache mit Großmuth vergalten. 


89 


Drittes Gapitel. 


Czetz ſtrategiſche Disvofitionen behufs Wiederaufnahme der Ope— 
rationen gegen Klauſenburg. — Bem's Ankunft bei der 
Armee. — Sein erſtes Auftreten. — Ueberſicht der Armee. 
— Stellung derſelben. — Stellung des Feindes. — Bem 
billigte den von Czetz entworfnen Operationsplan und be: 
ginnt auf Grundlage deſſelben die Operationen auf dem 
linken Flügel von Nagy Banya aus. — Pläne der Kaiſer⸗ 
lichen. — Treffen bei Cſücſa am 18. und 19. December 1848. 
— Treffen bei Sibo und Szurdok am 20. December. — 
Affaire bei Dees am 23. December. — Ruͤckzug der Oeſter— 
reicher. — Empfang der Bem’fchen Truppen in Dees und 
Szamos⸗Ujvar. — Einrücken in Klauſenburg am 25. De- 
cember. — Dispoſitionen zur Verfolgung der fliehenden 
Oeſterreicher. — Klauſenburgs Freudentage. — Wie Bem 
den Sieg zu benutzen verſtand. — Bem's Organiſations— 
talent in feinem fchöniten Lichte. — Rückblick. 


Unſere Armee erhielt auf wiederholte Vorſtellun— 
gen ihres Obercommandanten bei der Regierung, in 
der Zeit vom 1. bis zum 15. December 1848 nam⸗ 
baften Zuwachs. Zuvörderſt das zweite Szekler-Ba— 
taillon. Daſſelbe hatte die zweimalige Belagerung 
von St. Tamäs im Auguſt und October, die Schlach— 
ten bei Schwechat und Trentſin mitgemacht, von 
April bis November faſt ganz Ungarn nach allen 
Richtungen durchzogen und wurde ſchließlich zum 


90 


Cernirungscorps von Arad commandirt. Als es dort 
von den Ereigniſſen im Szeklerlande Kunde erhielt, 
lehnte es ſich gegen ſeine Beſtimmung auf und wurde 
in das Lager von Cſücſa geſandt, wo es in den 
erſten Tagen des December nebſt der im raiziſch en 
Lager verwendet geweſenen Diviſion Szeklerhuſaren 
eintraf. Das dritte Bataillon Alexander-Infanterie 
ſetzte ſich nach Nagy Bänya in Marſch und reerutirte 
ſich unterwegs. Ferner ward von Peſth nach Nagy 
Bänya eine Batterie Sechspfünder und von Groß— 
wardein nach Cſücſa eine zweite desgleichen beordert, 
wozu ſich aber die Siebenbürger Armee ſelbſt die 
Beſpannungen verſchaffen mußte. Zu derſelben Zeit 
rückten in Szillagy Somlyo 4—600 Mann National: 
garde-Infanterie, an 200 Mann Nationalgarde-Ca— 
valerie mit 4 ſehr gut beſpannten und bemannten 
Sechspfündern aus Debreczin ein. Am 15. Decem— 
ber 1848 war demnach der Beſtand der ganzen un— 
gariſchen Siebenbürger Armee folgender: 

1) Rechter Flügel bei Cſucſa unter Oberſt Riezko 

Das 11. Honvedbataillon unter Ma— 


jor Johann Banff n... 700 Mann 
Das 55. Honvedbataillon unter 
Hauptmann Frater 700 „ 
Kreß Chevauxlegers unter Rittmei— 
ſter Pererg i nn. u an bi 719 » 
Biharer Nationalgarden ..... 3000 „ 
1175 Mann 


Dazu eine ſechspfündige Batterie. 


9 


Generalſtabsofficiere: Major Joſef Baumgarten 
von Szeklerhuſaren und Hauptmann Dobay vom 
116. Honvedbataillon. 
2) Centrum unter dem Armee-Commandanten Major 
Johann Czetz 
Truppen-Commandant Oberſt Graf Mikes Kelemen 
Das 31. Honvedbataillon unter Mas 


jor Töth Agoſto gn 850 Mann 
Das 2. Szeklerbataillon unter Ma- 

jor Szilag r ii um 800 „ 
Debrecziner Infanterie. 500 „ 
Siebenbürger Nationalgarde unter 

Major Kemény Farkas 100 — 


Drei Escadron Mätyäs-Huſaren 

unter Graf Bethlen Gergely .. 400 
Zwei Escadron Szeklerhuſaren un— 

ter Major Kis Sändoer . 300 „ 
Debrecziner Cavalerie 200 „ 
Kraſznaer und Szolnoker National— 

garden unter Major Egloffsſtein 

m 1000 „ 


1150 Mann 
Dazu eine dreipfündige Batterie von 6 Geſchützen 
und 4 Sechspfünder aus Debreczin 
Chef des Generalſtabs: Major Forrô Alexius 
von Szeklerhuſaren.“ 
3) inker Flügel unter Major Zſurmay (für ihn hätte 
das Commando Oberſtl. Banffy übernehmen ſollen) 


92 


Das 4. Honvedbataillon unter Ma⸗ 


jor Mesz ena 1000 Mann 
Das 3. Bataillon Alexander unter 

Major Keller UT 900 „ 
Die Wiener Ban. 7 . ie, 400 „ 


Szathmarer freiwillige Infanterie . 400 
1 Diviſion Koburg-Huſaren .. 200» 
1 Escadron Wilhelm-Huſaren .. 160 „ 
Freiwillige Cavalerie aus Szatbmar 50 „ 
Verſchiedene Nationalgardeninfan- 
M.. ene 500 „ 


3610 Mann 
Dazu eine Batterie Sechspfünder von 8 Ge— 
ſchützen. 

Major Meszena verfah zugleich die Geſchäfte des 
Generalquartiermeiſters. 

Mithin war der Beſtand der ganzen Armee 
11,150 Mann Infanterie, 1385 Mann Cava— 
lerie, mit 24 Geſchützen. 

Erwägt man indeſſen, daß die angegebenen Na— 
tionalgarden, außer den Debreczinern und Siebenbür— 
gern faſt durchgehends nur mit Lanzen bewaffnet, 
mithin zum Kampf im offnen Felde nicht tauglich 
waren; erwägt man ferner, daß die geſammte Ar— 
tilleriemannſchaft, aus Recruten beſtehend, kaum das 
Laden der Geſchütze verſtand, daß folglich von einem 
ſchnellen und genauen Schießen, von Evolutionen 
keine Rede, und daß man zufrieden ſein mußte, wenn 


93 
die Artillerie an einem beſtimmten Puncte raſch genug 
abprotzte; bedenkt man ferner, daß die ganze Infan— 
terie, die Szekler wegen ihres Mangels an Disciplin 
nicht ausgenommen, aus meiſtentheils feuerſcheuen, 
unerercirten, ſchlecht gerüſteten und ſchlecht bekleideten 
Recruten beſtand, welche durch die damals herrſchende 
ungewoͤhnlich ſtarke Kälte in ſchlechten Quartieren 
bei unregelmäßiger Koſt in phyſiſcher Beziehung ſehr 
heruntergekommen waren; erwägt man endlich, daß 
ſelbſt die Cavalerie theils aus ungeübten Reeruten, 
theils aus einer Mannſchaft beſtand, unter denen 
durch die jüngſten Ereigniſſe die Bande der Disciplin 
ſehr gelockert waren — ſo muß man erſt die Ener— 
gie, den Scharfblick, das Talent und die Seelen— 
ſtärke Bem's wie feiner höhern Officiere ſchätzen 
lernen und nicht umhin können, dem kriegeriſchen 
Genie des Obergenerals denſelben gerechten Tribut zu 
zollen, wie dem patriotiſchen Heldenmuth ſeiner Of— 
ficiere. Bem bekam die ſchlechteſten Truppen, welche 
ſonſt Niemand haben wollte; er war von denſelben 
nicht einmal gekannt und es bedurfte einer eignen 
abſeiten des Regierungspräſidenten erlaſſnen Procla— 
mation, in welcher ſeine Leiſtungen im polniſchen 
Revolutionskriege aufgezählt wurden, um das gegen 
einen fremden General natürliche Mißtrauen aus 
den Truppen und Officieren zu verbannen. Aber 
nach drei Monaten ſchon hatte Bem ganz Sieben— 
bürgen wieder erobert, ſeine Armee war die erſte 


94 


aller ungariſchen und er ſelbſt der Abgott ſeiner Sol— 
daten wie Officiere, welche vom erſten bis zum letz— 
ten in ihm ihren Vater und Meiſter verehrten. 
Dies iſt das Werk einer bewundernswürdigen Kraft 
und des feſten Willens, der gediegenen Einſicht, 
welche vom Unglücke geſchlagen, ſich ſtets wieder er— 
hebt und die den Mann gerade dann in ſeiner ganzen 
Größe zeigt, wenn die Welt geneigt iſt, ihn für im— 
mer verloren zu geben. Unbewußt denkt man an Na— 
poleon bei Marengo, nur daß hier kein Defair das 
fliehende Glück wieder erhaſchte, ſondern der einzige 
Bem Alles that. Wohl gehören auch dazu die 
Männer des Wiſſens und jene der That, wie Oberſt 
Mikes, Major Bethlen, Oberſt Kis und andere. 
Doch laſſen wir jetzt ſtatt der Worte Thaten reden. 

Der Genauigkeit wegen müſſen wir den cam— 
pagnefähigen Beſtand der Siebenbürger Armee an— 
geben, welcher ſich auf 5800 Mann Infanterie, 
1335 Mann Cavalerie, 2½ Batterien Sechspfündern 
und 1 Batterie von 6 Dreipfündern, mithin 24 Ges 
ſchütze, belief. 

Am 15. December erhielt der ſich in Zilah behufs 
einer Recognoſeirung befindende Armeecommandant 
durch eine Regierungsdepeſche von Großwardein 
officielle Kunde von der Ernennung Bem's zum 
Obercommandanten der Armee. Zugleich kam die Nach— 
richt, derſelbe ſei bereits in Großwardein angelangt, 
habe dort großartige Anordnungen in Bezug auf die 


05 
Equipirung, Montirung und Verpflegung der Trup— 
pen getroffen, ferner die Errichtung eines Reſerve— 
artillerieparks angeordnet, und ſei gleich nach Cſücſa 
aufgebrochen. Major Czetz eilte ſofort nach Szillagy 
Somlyo, war aber kaum dort, als einige Stunden 
ſpäter ſchon Bem mit 3 Adjutanten eintraf. Er 
äußerte feine völlige Zufriedenheit, was ſehr ſelten 
war, über die Wahl der ſtrategiſchen Punkte, inſon— 
derbeit des Hauptquartieres, ernannte Major Czetz 
zum Oberſtlieutenant und Chef ſeines Generalſtabes, 
Rittmeiſter Alexius Forrò zum Major und Director 
der Operationscanzelei, machte an demſelben Tage 
durch einen Tagsbefehl ſeine Ankunft bekannt und 
bedeutete zugleich ſeinen Officieren, daß er jeden In— 
ſubordinationsfall, ſowohl bei Soldaten als bei Of— 
ficieren, mit dem Tode ſtrafen werde. Am nächſten 
Morgen hielt Zem Revue und ſagte dem verſammel— 
ten Officiercorps bei ihrer Vorſtellung nur die weni⸗ 
gen Worte: „Meine Herren! Die Regierung bat 
„mich zum Obercommandanten dieſer Armee mit 
„plein pouvoir ernannt. Ich fordere von Ihnen 
„unbedingten Gehorſam. Wer nicht gehorcht, wird 
„erſchoſſen. Ich werde aber auch zu belohnen wiſſen.“ 
Dieſe wenigen Worte bezeichnen in der That den 
ganzen Charakter des greifen Feldherrn, wie er ſich 
gegen Untergebne kundgab: Unerbittliche Strenge, 
Unparteilichkeit, Schärfe im Strafen, aber Groß— 
muth im Belohnen des Verdienſtes, Freiheit von 


96 


jeder Rachſucht, ohne den mindeſten Schatten von 
Egoismus. 

Bem war mit dem Auftrage und der Idee ge— 
kommen, aus der Defenfive ſofort in die Offenſive 
überzugehn und Siebenbürgen wieder zu erobern, 
eine Lieblingsidee Koſſuth's, welche indeß ihren 
Grund auch in höheren militairiſche Combinationen 
fand. Koſſuth hatte es Major Czetz zur ſtrengſten 
Pflicht gemacht, Klauſenburg innerhalb 8 Tagen 
wieder zu nehmen, wie er in einer vom 1. December 
datirten Depeſche ſchrieb. Allein die Sache war 
leichter befohlen, als ausgeführt. Czetz ſah nämlich 
wohl ein, daß dieſe Aufgabe keinenfalls auf der Ope— 
rationslinie des rechten Flügels, von Cſuͤcſa aus, 
mit Erfolg verſucht werden könne, ſondern dazu das 
Zuſammenwirken der ganzen Armee auf drei Opera— 
tionslinien, nämlich von Cſücſa aus gegen Baäͤnfi 
Hunyad, von Sibé und Zilah gegen Galgo und 
Hid Almäs und von Nagy Bänya aus gegen Dees 
erforderlich ſei. Der rechte Flügel mußte ſich ſo lange 
defenſiv verhalten, bis der linke Flügel bis Dees 
und das Centrum bis Hid Almas vorgerückt wäre 
und ſich mit demſelben in Verbindung geſetzt hätten. 
Dann erſt ſollte der Vormarſch nach Klauſenburg 
auf allen drei Linien zugleich vor ſich gehen. Der 
linke Flügel hätte freilich eigentlich Biſtritz zum 
Operationsobjecte wählen ſollen, allein die Armee 
war zu Schwach, um jetzt ſchon eine ſolche Theilung 


97 


des linken Flügels zu geftatten, und dem Centrum 
mit dem rechten Flügel allein die Gewinnung des 
Hauptobjectes, Klauſenburg, zu überlaſſen. 

Bem billigte dieſem vom Chef des Generalſtabes 
entworfnen Plan vollkommen, übergab dieſem das 
Commando des Centrums und eilte ſelbſt nach Nagy 
Baänya, um von dort aus die Operationen zu leiten. 

Die Pläne der Kaiſerlichen förderten weſentlich 
die Ausführung unſerer ſtrategiſchen Dispoſitionen. 
Fürſt Windiſchgrätz hatte nämlich angeordnet, daß 
am berüchtigten 18. December, an welchem Tage das 
arme Ungarn mit großen Maſſen von neun Seiten zu— 
gleich angegriffen werden ſollte, die Siebenbürger 
Armee gegen Großwardein operiren, durch Beſetzung 
dieſes Ortes die Reichsverſammlung unmöglich machen, 
nach der Einnahme Peſth's aber in Debreezin oder 
auch Großwardein ſich concentriren und ſo der ganzen 
Inſurrection mit einem Schlage ein Ende machen 
ſollte. Das war allerdings ein großartiger Plan, 
welcher dem Lande im Fall des Gelingens viel Blut 
erſpart haben würde, ohne ihm aber in dem Elende, 
in welches es jedenfalls gerathen wäre, den Troſt zu 
laſſen, daß feine Sohne, gleich Helden, ihrer Ahnen 
würdig, das gute Recht, jo lange als möglich, ver: 
theidigt und den Ungarruhm mit blutigen Lettern in 
das Buch der Geſchichte geſchrieben hatten. 

Cſucſa ſollte das Grab dieſes Planes werden. 
General Wardener rückte am 17. December mit einer 

7 


98 


Brigade von 4 — 5000 Mann und zwei Batterien 
nach Bänfi Hunyad und unternahm in zwei Colon— 
nen, deren eine unter Urban auf der Almaſer Straße 
vorging, während die Hauptcolonne die Hauptſtraße 
verfolgte, den Angriff auf die feſte Poſition bei Cſuͤcſa. 
Oberſt Riczkö hatte ſeine Truppen in drei Theile 
getheilt: Der rechte Flügel beſetzte K. Sebes und 
die Höhen an der Mündung des Paſſes unter Dobay, 
der linke Flügel das Görgeny Thal unter Baum— 
garten nebſt den anliegenden Höhen, das Centrum 
und die Reſerve blieben in und hinter Cſuͤcſa, 
4 Kanonen im Sebes-, 2 im Görgeny-Thale. Der 
Almaſer Weg war, wie wir wiſſen, auf eine halbe 
deutſche Meile verhauen. Als aber die Wallachen in 
Szienna, Alma Lalta, Baläshaza erfuhren, daß Urban 
ſich näherte, rotteten fie fich zuſammen, räumten in einer 
Nacht unſern auf dem Almaſer Weg gemachten 
Verhau hinweg und ſtellten die Brücken und Wege wie— 
der her“). Der Kampf bei Cſuücſa dauerte von Mor: 
gens bis in die ſinkende Nacht; die Kaiſerlichen konnten 
keinen Schritt Raum gewinnen. Die junge unga— 
riſche Artillerie, geleitet vom Oberſten Baumgarten, 


) Es war überhaupt eine der größten Schwierigkeiten dieſes 
Feldzugs, daß die Ungarn überall in Feindes Land kämpften, 
überall nur mit größter Mühe ſich Lebensmittel verſchaffen und 
zuverläffige Kundſchafter oft für die größten Summen nicht auf- 
treiben konnten. 


99 


wies alle Bajonetangreffe mit ſeltner Kaltblütigkeit 
und erſtaunlicher Gewandheit zurück; die Infanterie 
bielt durch geſchickte Stellung an den Thalrändern 
bei K. Sebes den Tirailleurs und Colonnen wacker 
Stand. Im Anfange freilich wichen die unge— 
übten Honveds des eilften Bataillons und der Feind 
rückte ihnen unter lautem Hurrahruf bis K. Sebes 
nach; aber da ſtellte ſich Major Dobay mit ſeltner 
Bravour und Geiſtesgegenwart an die Spitze einiger 
Braven vom eilften Bataillon und chargirte die an— 
ſtürmende feindliche Infanteriecolonne mit ſolcher Hef— 
tigkeit, daß ſie die Flucht ergriff und ihre im ſchma— 
len Thale nachrückenden Gefährten mit ſich fortriß. 
Gleiches Schickſal traf Urban im Görgény-Thale, 
indeſſen behielt er hier ſo viel Terrain, daß er in der 
Nacht auf den Höhen campiren konnte. 

Oberſt Riegfö, welcher bei Cſucſa commandirte, 
hatte den Kopf verloren und wollte ungeachtet der 
errungenen Vortheile die Poſition aufgeben; allein 
Oberſtlieutenant Baumgarten und Mafor Dobay 
waren nicht dieſer Anſicht und dazu kam noch vom Chef 
des Generalſtabs und von Bem die gemeſſne Ordre, 
bei Strafe des Erſchießens die Stellung bis auf 
den letzten Mann zu behaupten. Die Wahl war 
alſo nicht ſchwer. Am nächſten Morgen erneuerten 
die Kaiſerlichen ihren Angriff, begingen aber den un— 
begreiflichen Fehler, in dem ſchmalen Thale durch 
ihre Chevauxlegers die erhöht ſtehende, und durch 


7 * 


100 


flüchtige Verſchanzung gedeckte Batterie der Ungarn 
bei K. Sebes angreifen zu laſſen. Dies hatte zur 
Folge, daß der Führer der Chevauxlegers, Major 
St. Quentin, mit vielen ſeiner Leute blieb und ſpäter 
weder die Infanterie noch die Cavalerie zur Wieder— 
holung dieſer Attaque zu bewegen war. Ein gleiches 
Schickſal traf auf der andern Seite den Oberſt Urban 
und die Kaiſerlichen mußten ſich ſchmachbedeckt nach 
Bänfi⸗Hunyad und von da nach Klauſenburg zu— 
rückziehen. Riczkö, welcher am 24. Bänfi-Hunyad 
beſetzte, verfolgte ſie nur läſſig, woran einerſeits die 
gänzliche Erſchöpfung ſeiner Truppen, andererſeits 
mißverſtandne Ordres die Schuld trugen. Der Ver— 
luft auf Seiten der Kaiſerlichen belief ſich wohl auf 
einige Hundert Mann, der unſrige auf 20 Mann 
nebſt einigen Pferden. Außerdem hatten wir den Verluſt 
des Oberſtlieutenant Baumgarten zu beklagen, dem 
durch eine Kartätſchenkugel die Knieſcheibe zerſchmettert 
wurde und welcher dadurch, zum Bedauern der gan— 
zen Armee, denn er wäre unzweifelhaft einer der 
erſten ſelbſtſtändigen Führer geworden, für dieſen 
Feldzug untauglich gemacht ward. 

Dieſer Sieg hatte an ſich nur eine geringe tak— 
tiſche Bedeutung, aber gewährte doch einige erheb— 
liche ſtrategiſche Vortheile. Der Plan der Kaiſerlichen 
auf Großwardein war geſcheitert, die kaiſerliche Ars 
mee in Siebenbürgen auf ſich ſelbſt beſchraͤnkt und 
fortan iſolirt, das Aſyl des Reichstages geſichert und 


m 


der große Windiſchgrätz'ſche Plan zerriſſen. Außerdem 
batten die jungen Honveds den Sieg gekoſtet, Ver— 
trauen zu ſich ſelbſt und zu ihren Führern gewonnen, 
die Notbwendigfeit der Disciplin einſehen gelernt 
und waren mit einem Schlage zu Soldaten gewor— 
den: was Alles bald die ſchönſten Früchte tragen 
ſollte. | 

Während der Affaire bei Cſuücſa hatte Oberſt— 
lieutenant Czetz fein erſtes Probeſtück bei Sibo und 
Szurdok zu machen. Am 18. December nämlich bes 
richtete Major Kemény Farkas aus Sibo, daß fih 
bei Szurdok die Avantgarde einer kaiſerlichen Trup— 
penabtheilung zeige, welche von 10—15,000 Walla⸗ 
chiſchen Landſtürmlern unterſtützt, Sibo bedrohten. 
Offenbar war dies Detachement, aus zwei Linieninfan— 
teriebataillons beſtehend, in der Abſicht über Dees und 
Galgo entſendet worden, um mit Hülfe des berittenen 
und bewaffneten wallachiſchen Landſturmes aus dem 
Belſö Szolnoker Comitat, und dem Köväarer Diſtrict, ſich 
Sibos und damit des Schlüſſels zum obern Szamos— 
thale, zu bemächtigen, und im glücklichen Falle bis 
Nagy Bänya vorzudringen. Major Kemeny Farkas 
fügte ſeiner Meldung die Bemerkung hinzu, daß, da 
Major Toth mit feinem Bataillon durch General 
Bem nach K. Nyires beordert und dahin auch ſchon 
abmarſchirt ſei, er ſich allein in Sibo nicht halten 
koͤnne. Glücklicherweiſe befand ſich gerade an dieſem 
Tage die in die Marmaros, zur Reorganiſation be— 


102 


ſtimmte Diviſion Mätyas-Hufaren in Stbö und ihr 
Major Bethlen Gergely errieth mit gutem militairiſchen 
Tacte, daß die Umſtände ihn beſtimmten, trotz 
der früher erhaltenen beſtimmten Ordre, am Orte der 
Gefahr zu verweilen. Sogleich ſtellte er ſich dem 
Stationscommandanten zur Verfügung, und unter— 
nahm unverzüglich eine forcirte Recognoſcirung, welche 
ihm die Lage der Dinge und die Sib6 bedrohende 
Gefahr klar machte. Die erwähnten beiden Bataillons 
mit ihrem wallachiſchen Landſturme hatten Szurdok, 
Tiho und Ormezö, beſetzt und drohten jeden Augenblick 
Sibo anzugreifen, um es nach ihrer Weiſe in einen 
Schutthaufen zu verwandeln. Auch Major Bethlen 
Gergely ſandte einen Courier an den Oberſtlieut. 
Czetz. Auf die erſte Nachricht von jenen Ereigniſſen 
war dieſer ſchon mit dem zweiten Szeklerbataillon 
nach Sibo abmarſchirt, und hatte die um Somlyöo 
auf den Dörfern zerſtreut in Quartier liegenden Szek— 
lerhuſaren zum Nachrücken am folgenden Tage beor— 
dert. Oberſtlieut. Czetz und Oberſt Mikes langten in 
dem Augenblicke, am 19. December Nachmittags, an, 
als der Feind über die abgetragne Brücke bei Almas 
rückte, um ſich der Verſchanzungen bei Sibö zu be— 
mächtigen. Die Beſtürzung Keménys war groß, als 
Oberſt Mikes gewahr wurde, daß man von einem 
am linken Szamosufer belegnen Bergrücken aus, mit 
Erfolg Geſchütze gegen die wallachiſchen Landſtürmler 
verwenden könne. Augenblicklich wurden zwei Drei— 


105 


pfünder aus den Verſchanzungen auf die Höhe ge 
bracht und nach dem dritten wohlgezielten Kanonen— 
ſchuß war der ganze Haufe Wallachen, von denen 
der gegenüberliegende Ormezöer Berg, wie ein Amei— 
ſenbaufen wimmelte, verſchwunden, und nach Ormezö, 
Tibo, Szurdok oder in die Wälder entflohen. Die 
regulairen Truppen, auch aus Wallachen beſtehend 
und das Jahr vorher auf dem Wege der Recrutirung 
geſtellt, wurden mit fortgeriſſen und retirirten auf 
Szurdok. 

Mittlerweile langte das zweite Szeklerbataillon 
an und bezog mit Sonnenuntergang die Vorpoſten. 

Der nächſte Tag (20. December) war dazu ber 
ſtimmt, den Landſturm zu ſprengen und die mit ihm 
gekommenen Linientruppen über Galgò auf Dees oder 
Klauſenburg zurückzuwerfen, um hiedurch die Ver— 
bindung mit dem bereits nach K. Nyires vorgerückten 
General Bem wiederherzuſtellen. 

Am Morgen dieſes Tages rückten das zweite 
Szeklerbataillon, die Diviſion Matyas-Huſaren und 
zwei Dreipfünder über den Almäſer Wildbach gegen 
Szurdok vor und griffen den die Höben von Szurdok 
beſetzt haltenden Feind lebhaft an, während eine kleine 
Abtheilung unter Hauptmann Szabo Ferdinand über 
Örmezö auf Tibo detachirt wurde, um die rechte 
Flanke zu decken; die linke war durch die Szamos 
und den Räköczpberg geſchützt. Die Siebenbürger 
Nationalgarden, unter Major Kemény, blieben mit 


104 


4 Geſchützen als Reſerve in den Verſchanzungen bei 
Sibo zurück. Das Ganze ſah aus wie ein ſchönes 
Manöver, nur daß die Folgen ernſt und wichtig ge— 
nug waren. Die Szekler attaquirten muthig, allein der 
Feind hielt die Höhen feſt, und ihre weittragenden Jäger— 
ſtutzen hielten die Angreifer lange Zeit in Schach. Außer— 
dem wurde auch Oberſtlieutenant Czetz durch eine Kugel 
leicht geſtreift und der Angriff kam auf einen Augen— 
blick in's Stocken. Nun ließ Oberſt Mikes die Szekler 
einen fingirten Rückzug antreten und alle unſere Trup— 
pen gingen über den Almäſer Bach zurück. Der 
Feind ging ſogleich in die ihm gelegte Falle, und 
rückte, ſeine gute Poſition auf den Anhöhen verlaſſend, 
zur Verfolgung in das Thal hinab. Da ließ der mittler— 
weile leicht verbundene Oberſtlieutenant Czetz auf dem 
höher liegenden linken Ufer des Almäfer Baches vier 
Dreipfünder auffahren und detachirte eine Szekler— 
abtheilung über die Szamos in den Rücken des Fein— 
des. Die Kanonen- und Kartätſchenſchüſſe fügten den 
Wallachen erheblichen Schaden zu, jo daß fie bald 
nach allen Richtungen davonliefen, die Mätyas-Hufaren 
griffen mit ſeltner Bravour die Linieninfanterie an 
und trieben ſie ebenfalls in die Flucht, während jene 
Umgehungsabtheilung ſich bereits Szurdok näherte. 
Der Feind entfloh über Galgd nach Does, bei ſin— 
kendem Tage von einer Abtheilung Maͤtyas-Huſaren 
verfolgt. Die Uebrigen rückten wieder in die Ver— 
ſchanzungen von Sibo ein. 


105 


Während alſo auch hier das Glück den ungari— 
Waffen lächelte, war General Bem mit dem linken 
Flügel unſerer Armee bis Kis Nyires vorgerückt und 
marſchirte von da, nachdem er dem Centrum befohlen, 
ihm im Szamosthale zu folgen, ohne Anfenthalt 
auf Dees zu, vor welcher Stadt ihn die kaiſer— 
liche Brigade“) Jablonowsky, hinter der die nörd— 
liche Stadtſeite beſpülenden Szamos, mit bei— 
den Flügeln an dominirende Hügel gelehnt, das Cen— 
trum am Rande der Stadt, in Schlachtordnung er— 
wartete. Am 23. December griff Bem, nach ſeiner 
gewohnten Weiſe, ohne ſeinen Truppen auch nur 
eine Minute Raſt zu gönnen, den Feind an, war 
überall der Erſte und leitete das Kanonenfeuer ſo 
wirkſam, daß die Oeſterreicher nach einem vierſtün— 
digen Artillerie- und Infanterie-Gefechte zu wanken 
anfingen. Das war einer jener Momente, welche 
der geſchickte Feldherr mit unglaublichem Erfolge zu 
benutzen verſtand. Beim erſten Schwanken des Fein— 
des drang die Infanterie unter Oberſtlieutenant Toth 
ungeſtüm mit dem Bajonet auf ihn ein, warf ihn 
über den Haufen und überließ ihn der nachſetzenden 
Cavalerie zur nimmer ruhenden Verfolgung. Die 
Arrieregarde Jablonowskys verſuchte noch an der 
Brücke einen Widerſtand, der jedoch durch den Un— 


*) Eine oͤſterreichiſche Brigade beſteht bekanntlich aus 3000 
bis 4000 Mann. 


106 


geftüm des ten Honved-Bataillons bald gebrochen 
wurde. Jablonowsky retirirte mit ſeinen betäubten 
Truppen in einem Athem nach Bethlen, ein Theil 
nach Biſtritz, und blieb dort ſo lange unthätig ſtehen, 
bis ihn Bem wieder aufſuchte. Das Verdienſt der 
taktiſchen Leitung dieſes Gefechtes gebührt dem Oberſtl. 
Töth, ein Krieger ebenſo geſchickt im Entwerfen von 
Plänen, wie klug und beſonnen in deren Ausführung. 
General Bem ſetzte feinen Marſch auf Klauſenburg 
über Szamos Ujvär, Välaszut und Apahida mit einer 
ſolchen Schnelligkeit fort, daß ſelbſt nach gewonnener 
Schlacht die Truppen kaum zum Abkochen Zeit ge— 
wannen, und Oberſtl. Czetz, welcher dem General 
von Sibo aus mit dem Centrum folgte, ihn erſt vor 
Klauſenburg erreichen konnte, ungeachtet er am 22ften 
früh von Sib aufgebrochen und Tag und Nacht 
ununterbrochen marſchirt war. Hier verdient ein Um— 
ſtand beſonders hervorgehoben zu werden, da er be— 
weiſt, welcher Grad des Patriotismus die ungariſchen 
Bewohner Siebenbürgens beſeelte und wie ſehr alle 
Gutgeſinnten den Sieg der vaterländiſchen Sache 
wünſchten. Die Truppen des Centrums nämlich waren 
denen des linken Flügels auf dem Fuße gefolgt und 
überall erwartete man ſie mit zubereiteten Speiſen und 
Getränk, warmen Stuben und allen dem müden Krieger 
beſonders bei einer Kälte von 15—20 Grad fo W 
thuenden Annehmlichkeiten. So ging es z. B. 
Dees. Unbeſchreiblich aber war der in Szamos 45 


107 


einer armeniſchen Stadt, berrichende Enthuſiasmus. Die 
ſpat Abends von Dees anrückenden Truppen wurden 
von den braven Armeniern mit Fackeln erwartet, die 
Frauen erſchienen im Ballanzuge, Blumen und Bän— 
der ſtreuend, die Bewohner riſſen ſich um die Hon— 
veds, mit denen ſie den Weihnachtskuchen verzehren 
wollten, tauſendfaches Eljen erſchallte, für den wie vom 
Himmel geſandten Retter Bem, für Ungarns Wohl 
und für die gelungene Befreiung aus dem ſoldatiſchen 
Joche der kaiſerlichen Metzgerknechte. Und doch hat 
man ſich in Ungarn nicht geſcheut, die Siebenbürger 
reactiongir zu ſchelten! 

Das Centrum holte den General Bem erſt am 
Adventſonntag den 25. December ein, grade in dem 
Augenblicke, als er ſich anſchickte, die ihm gegenüber— 
ſtehenden Kaiſerlichen anzugreifen. Wir erwarteten 
einen harten Strauß, aber unſere Erwartungen wur— 
den getäuſcht. Die Kaiſerlichen waren durch das 
plötzliche Erſcheinen Bems, gleich eines deus ex 
machina, vor Klauſenburg, fo verblüfft, daß fie in 
der That nicht wußten, was anzufangen ſei. Außer— 
dem war die moraliſche Stärke ihrer Truppen durch 
die Gefechte bei Cſuͤcſa, Sibd und Dees ſehr tief 
geſunken, und General Wardener beſaß Klugheit ge— 
nug, mit einer feindlich geſinnten Stadt im Rücken 
und einem ſiegreichen Feinde vor ſich, kein zweifel— 
baftes Spiel zu wagen, das zu feinem gänzlichen 
Verderben ausſchlagen konnte. Nachdem alſo bei 


108 


Szamosfalva kaum einige Kanonenſchüſſe gewechſelt 
waren, traten die Kaiſerlichen mit einer Einbuße 
von ein Paar hundert Gefangenen und von einem 
bedeutenden Theile ihres Gepäckes, ihren Rückzug 
über den Fenes, einen Klauſenburg im Süden domi— 
nirenden an 1000 Fuß hohen Berg, gegen Thorda 
an. Die nachſetzenden Mätyäs-Huſaren erbeuteten noch 
ein Paar Bataillonskaſſen, Montur- und Munitions- 
wagen, nebſt Gewehren, und Bems Armee zog in 
Klauſenburg, den Hauptſitz der Ungarn in Sieben— 
bürgen, unter großem Jubel der Bewohner ein. Wohl 
nie hat Klauſenburg freudigere Weihnachtstage ge— 
feiert, als die, an welchen es durch Bems Armee 
von dem unerträglichen wallachiſchen Joche befreit 
wurde. Tauſend und aber Tauſend Herzen dankten 
Gott, Segen von ihm erflehend für Bem und ſeine 
Braven. 

Selten, vielleicht nie, hat ſich in der Kriegs— 
geſchichte das ſtrategiſche Ariom „man muß den Feind 
mit den Füßen ſchlagen“ glänzender bewieſen und 
nie hat ein Erfolg erlittene Strapazen und Entbeh— 
rungen höher belohnt, als dieſe eben jo gefürchtete 
wie heißerſehnte Wiedereroberung Klauſenburgs. Nir— 
gends hat ſich das Genie des Feldherrn deutlicher 
gezeigt, als in dieſer Epiſode des Feldzuges, wo ſtra— 
tegiſche Combination, taktiſche Gewandtheit und ei— 
ferne Beharrlichkeit jo harmoniſch zur Erlangung 
deſſelben Objectes zuſammenwirkten und nur in der 
Unverdroſſenheit, dem Heldenmuthe und dem Thaten— 


109 


durfte der jungen Truppen ihre Nebenbuhler fanden. 
Acht Tage vorher kannte man beinahe keine Sieben— 
bürger Armee und nur drei elende Dörfer gehörten 
ihr; da wurden drei, zwar nicht großartige, aber 
folgenreiche und darum glänzende Gefechte geliefert 
und nach ununterbrochenem achttägigen Marſchiren 
war man plötzlich Herr von Klauſenburg und vom 
nordweſtlichen Landestheile. Die kaiſerliche Nord: 
armee geſprengt, die Wiedereroberung des ganzen 
nördlichen Siebenbürgens angebahnt, die Baſis für 
die Operationen im Süden gewonnen, der Hauptwaf— 
fenplatz und der Platz für die Reſerven in unſerer 
Hand, der Name Bem's allein beinahe hinreichend, 
um die kaiſerlichen Schaaren mit Entmuthigung, 
Schrecken und Rathloſigkeit zu erfüllen, ſo daß er 
gleich Cäſar nur zu erſcheinen brauchte, um zu ſiegen! 
Und Bem, der greiſe Feldherr, verſtand zu ſiegen, 
aber auch Anderer richtige Anſichten zu würdigen 
und zu benutzen. Niemand aber wußte, wie er, 
den Sieg zu benutzen, und wahrlich, hätte Ungarn 
noch einen Bem beſeſſen, nie würde es, trotz aller 
ruſſiſchen Intervention, die Sklavenkette verunzie— 
ren. Denn Bem's Hauptcharakterzug beſteht grade 
darin, daß ihn der glänzendſte Sieg nur dann ruhen 
läßt, wenn demſelben keine Erfolge mehr abzu— 
gewinnen ſind. So geſchah es auch jetzt. Schon 
am nächſten Morgen nach dem Einmarſche in 
Klauſenburg detaſchirte Bem den Obriſtlieutenant 


110 


Czetz, mit einer aus Infanterie, Cavalerie und Ar— 
tillerie beſtehenden Brigade, gegen Kis-Kapus und 
Bänfi Hunyad, um die von Riczko geſchlagenen 
Kaiſerlichen, welche er ſich noch dort dachte, anzu— 
greifen und fie Riczkö zuzuwerfen, wodurch fie noth— 
wendiger Weiſe zwiſchen zwei Feuer gerathen und 
kapituliren mußten. Da ereignete ſich aber ein in 
dieſem Kriege ſehr oft eingetretner Fall: ſtatt der 
Feinde erſchien um 12 Uhr Mitternachts die Avant: 
garde Riezkös in Kis Kapus und bewirkte jo ihre 
Vereinigung mit der Hauptarmee. Der Feind war 
nämlich auf die Nachricht vom Heranrücken Bem's 
über Hals und Kopf auf dem unwegſamſten Theile 
des Fenes nach Thorda entflohen, Urban dagegen 
hatte ſich des Nachts von N. Almäͤs über Egeres, 
Darocz, Mera und die Tartſa den ihn verfolgenden 
Truppen Riezkö's und Bem's entzogen und rettete 
ſich über Apahida und Zfuf, Szek, Veresegyhaͤza und Le— 
fenge nach Biſtritz. Es war ein wohlgelungener 
Parteigängerſtreich, ſich auf dieſe Weiſe zwiſchen dem 
Gros des Bem'ſchen Corps und den noch immer von 
Szamos Ujvär nachrückenden Reſerven durchzuſchlei— 
chen. Das Gelingen deſſelben erklärt ſich jedoch ein— 
fach genug durch die Mattigkeit der ungariſchen Ca— 
valerie, wodurch ſie beim beſten Willen den Pa— 
trouillendienſt auf ſo weite Strecken nicht mit der ihr 
ſonſt eigenthümlichen Genauigkeit zu leiſten vermochte, 
ſo wie durch das zu ſchleunige Vorrücken des Ober— 


— 


ſten Kis Sändor, welcher erſt am nächſten Morgen 
in Klauſenburg einrücken ſollte und ſchon um Mit— 
ternacht des 25. Decembers daſelbſt eintraf. Denn 
im erſteren Falle würde er gewiß bei Apahida auf 
Urbans Truppen geſtoßen ſein, und hätte ſie, zu 
deren ſicherem Verderben, nach Klauſenburg zurück— 
drängen können. So entkam Urban durch ein Spiel 
des Zufalls glücklich zwiſchen unſeren Bagagen hin— 
durch, welche ſich nicht genug wundern konnten, einer 
ganzen feindlichen Brigade zu begegnen, und von 
ihr, ungeachtet ihrer 5 Geſchütze, nicht beläſtigt 
werden. Urbans Arrieregarde, aus 4 Compagnien 
Infanterie und ½ Escadron Wernhard Chevaur- 
legers beſtehend, fiel ganz in Bems Hände, und zwar 
auf eine ſehr komiſche Weiſe. Am Morgen nach 
unſerem Einzuge in Klauſenburg erſchienen ein paar 
betrunkene Ghevaurlegers als Quartiermacher von 
Urbans Arrieregarde in der Stadt und glaubten ihre 
Brigade ſicher dort zu finden. Wie groß mußte ihr 
Erſtaunen ſein, als ſie, ſtatt ihrer Kameraden, Koſ— 
ſutb⸗Huſaren auf Vorpoſten fanden und von denſel— 
ben ſofort zu Gefangenen gemacht wurden. Sie er— 
zählten (in vino veritas) daß fie für den in Pap— 
falva befindlichen Nachtrab Urbans Quartier hätten 
machen ſollen. Das kam General Bem recht gele— 
gen. Er detachirte ſofort den Oberſt Mikes mit dem 
zweiten Szeklerbataillon und einer Divifion Mätyas- 
Huſaren nebſt einigen Kanonen, um jene kaiſerlichen 


112 


Truppen zu entwaffnen, wobei die unglücklichen 
Quartiermacher natürlich den Weg zeigen mußten. 
Als unſere Truppen Papfalva erreichten, ſchickten 
ſich die Kaiſerlichen eben zum Abmarſch an, und als 
Oberſt Mikes ihnen durch einen Parlamentair die 
Lage der Dinge ſagen ließ, ſtreckten ſie alle die 
Waffen. 

Nach dem auf dieſe Weiſe beendeten erſten Auf— 
zuge des Kriegsdramas ſchritt unſer nimmer ruhende 
Feldherr unvorzüglich zur weiteren Löſung ſeiner 
Aufgabe. | 

Er ernannte den Oberſtlieutenant Töth zum 
Militair-Gouverneur Klauſenburgs und des eroberten 
Theiles von Siebenbürgen, traf Anſtalten zur An— 
fertigung von Montur- und Rüſtungsgegenſtänden 
im Großen, ordnete die Anlage von Munitions- und 
Geſchützrequiſiten-Depots an und bot Alles auf, um die 
ſeiner Armee ſo unentbehrliche Verſtärkung mittelſt 
Werbung, Reorganiſirung und theilweiſer Mobiliſi— 
rung der Nationalgarden zu verſchaffen. Auch ſuchte 
er die erhitzten und fanatiſirten Wallachen durch 
Verkündigung allgemeiner Amneſtie für das Ver— 
gangene zu beruhigen und ſie auf dieſe Weiſe, wenn 
nicht zu gewinnen, doch von der Fortſetzung ihrer 
Grauſamkeiten und Verwüſtungen abzuhalten. Seine 
Truppen belohnte er durch Ertheilung von Soldzu— 
lage und durch unerwartete zahlreiche Avaneements; 
kurz er wußte, die Eigenſchaften eines Feldherrn mit 


113 
denen eines Staatsmannes verbindend, die Liebe 
ſeiner Anhänger wie die Achtung ſeiner Feinde im 
gleichen Grade zu gewinnen und zugleich die Maͤn— 
ner der That mit unauflösbaren Banden an ſich zu 
feſſeln. Alles aber organiſirte er auf militairiſchem 
Fuße, wenig oder gar nicht auf die Regierungscom— 
miſſaire achtend, welche in Folge ihrer doppelſinnigen 
pleins pouvoirs in Alles hineinpfuſchten und dadurch 
ſowohl nichts gut machten, als auch das Gutgemachte 
noch obendrein verdarben. Bems Geſchichtskenntniß 
ſagte ihm, daß in Revolutionszeiten, wo Alles aus 
ſeinen Fugen geriſſen iſt, nur eine militairiſche Dikta— 
tur im Stande iſt, die einzelnen Theile des Staats— 
organismus zuſammenzuhalten und ſo der künftigen 
bürgerlichen Verwaltung Bahn zu brechen. Darin 
liegt auch der Grund von Bems Abneigung gegen 
alles Commiſſariatsweſen und weshalb er nie einen 
Regierungscommiſſair in ſeiner Nähe duldete. Zu— 
gleich erreichte er auf dieſe Weiſe einen anderweiti— 
gen Zweck, indem er das Contagium eines unnützen 
Politiſirens von ſeinen Truppen fern hielt und ſie 
ſo zu wahren Soldaten heranbildete. 


114 


Viertes Capitel. 


Disponirung des Obriſtlieutenant Czetz mit einer Brigade nach 
Thorda. — Zweck derſelben. — Organiſirung des Klaufen- 
burger Militairdiſtrictes. — Bem verfolgt die Oeſterreicher 
gen Biſtritz. — Affaire bei Bethlen am 29. December. — An⸗ 
gabe der hierzu verwendeten Truppen. — Affaire bei Biſtritz 
und Nas zod am 31. December. — Bems Verfügungen in Biſtritz, 
allgemeine Amneſtie. — Raſt und Bekleidung der Trup- 
pen. — Schlacht bei Tihutza am 4 und 5. Januar 1849. — 
Rückzugsgefecht und Abzug der Oeſterreicher nach Gallizien 
über den Borgo-Paß. — Bem verfolgt fie bis Vatra 
Dorna. — Schilderung des Rückzuges. — Die Früchte 
dieſer Ereigniſſe in ſtrategiſcher Hinſicht. — Rückblick und 
Schluß des Feldzuges im nördlichen Theile Siebenbürgens. — 


Am 26. December waren die Truppen, wie 
dies täglich zu geſchehen pflegte, zur Revüe ausge— 
rückt, als General Bem erſchien und dem Oberſtlieute— 
nant Czetz befahl, mit dem 11. Honvedbataillon, der 
Diviſion Mätyäs-Huſaren, welche in Klauſenburg eom— 


115 


pletirt werden follte, und ſechs Sechspfündern nach 
Thorda zu marſchiren, wo er bis auf weitere Ordre 
ſtehen bleiben ſolle. Durch dieſe Dispoſition wurde 
erſtens Klauſenburg gegen die wallachiſchen Ueberfälle 
geſichert und dort eine förmliche Garniſon entbebrlich; 
zweitens der Schlüſſel des Aranyosthales und damit das 
ganze Thal ſelbſt geſichert, auch den dortigen Szeklern 
die Gelegenheit eröffnet, in die Armee einzutreten, 
drittens die Verbindung mit Enyed, Tövis, Maros 
liver und allen ungariſchen Oertern bis an die 
Maros, mit Karlsburg und den Toroczkoer Alpen 
hergeſtellt; viertens endlich, was die Hauptſache war, 
die Aufmerkſamkeit des Feindes auf die Feſtung 
Karlsburg gelenkt, welche einerſeits durch obige Ent— 
ſendung mit Cernirung bedroht war, ſo wie anderer— 
ſeits die Bewegung der Wallachen in Baläsfalva und 
auf den Karlsburg umgebenden Gebirgen thunlichſt 
behindert. Bem flößte hierdurch unſern Feinden den 
Glauben ein, als beabſichtige er, auf dieſer Linie gegen 
Karlsburg, ſo wie weiter gegen Hermannſtadt zu 
operiren und gewann zugleich gegen Urban und 
Jablonowsky im Norden freie Hand. Auch machte 
dies ſtrategiſche Manöver den Häromszeker Szeklern 
Luft. 4 

Nach Czetz's Abmarſch trat Bem feinen Marſch 
über Szamos Ujvär und Dees gegen Biſtritz mit 
nachſtehend aufgezählten Truppen an: 

ge 


116 


Das zweite Szekler-Bataillon . 800 Mann 
„ vierte Honved⸗ „ 1000 „ 
„ Bataillon Keméenyaçs . 600 „ 
„ dritte Bataillon Alexander— 
Infanterie 800 „ 
Die Wiener Legion 600 „ 
Infanterie 3800 Mann 
Eine Divifion Mätyäs-Huſaren . 240 Mann 
„ ” Koburg⸗ „ . 220 „ 
„ Escadron Wilhelm „ 120 „ 
„ Diviſion Szekler- „ „528 
Cavalerie 860 Mann. 
Zwei Batterien Sechspfünder . 12 Geſchützen 
Eine Batterie Dreipfünder . 6 „ 
aus 18 Geſchützen. 
In Klauſenburg blieben als Beſatzung: 
Das 55. Honved-Bataillon .. 900 Mann 
„ 31. „ nd Saal naar 
Später kamen hiezu Biharer 
und Közép Szolnoker Natio— 
nalgar den 3000 „ 
(1000 Mann davon kommen 
nach Thorda.) 
15 Infanterie 1800 Mann 
Eine Reſerve-Escad. Mätyäs-Huſ. 80 Mann 
Klauſenburger Cavalerie . . . 50 „ 
Eine Reſerve-Escad. Szekler-Huſ. 100 1 
Cavalerie 230 Mann 


117 


Debrecziner Artillerie 1 Sechspfünder 
Geſchütze 1. 

In Szamos Uljvär und Does blieben: 

Debrecziner Mobilgarde 600 Mann Infanterie, 
200 Mann Cavalerie, zwei dreipfündige Kanonen, 
eine Feldſchlange und einige Wallflinten. 

Cſucſa, Sibö und Nagy Bäanya wurden mit 
Szatbmärer, Onkentes und Biharer Nationalgarden 
beſetzt, in Bänfi Hunyad, Kolos, Szamos Ijvär, 
Deées und Szaͤk die ungariſche Nationalgarde reor— 
ganiſirt und zum Garniſondienſt verwendet. Das 
32. Honvedbataillon recrutirte ſich aus dem Aranyo— 
ſer Stubl. General Bem traf alſo mit den obener— 
wähnten Truppen am 27. December in Sza— 
mos Ujvär ein und nahm von dort den Oberſten 
Mikes Kelemen als Truppencommandanten mit, wäh— 
rend ihn Oberſt Riczké als Truppenbrigadier beglei— 
tete. Denn Bem pflegte während der Schlacht ſeine 
Hauptaufmerkſamkeit der Artillerie und dem Gange des 
Gefechtes im Allgemeinen zuzuwenden, dagegen die 
Truppenbewegungen durch die Unterbefehlshaber leiten 
zu laſſen. Am 28. December erſchien er vor Beth— 
len, deſſen ſtrategiſche Lage das Augenmerk Jablo— 
nowsky's und Urban's mit Recht ſich gezogen und 
ſie vermocht hatte, dort ihre Truppen zu concentriren 
und nur unbedeutende Reſerven in Biſtritz zurückzu— 
laſſen. Der Ort liegt nämlich am linken Ufer der 
Szamos gerade in dem Winkel, welchen der Fluß 
Bethlen bei feiner Einmündung in die Szamos bildet. 


118 


Rechts und links erheben ſich beide Thäler dominirende 
Höhen. Die Poſition war alſo ſehr gut und günſtig 
gewählt und mit einer 4000 Mann ſtarken Macht 
beſetzt. Es gehörte auch Bems ganze Energie dazu, 
um die Kaiſerlichen daraus zu vertreiben. Am 
29. December in der Frühe ſetzte er unter ſtarkem Feuer 
der feindlichen Artillerie über den bis auf den 
Grund zugefrornen Fluß, ſo daß die Brücke ohne 
Noth zerſtört worden war. Bems Artillerie entwik— 
kelte ein ſo heftiges concentriſches Feuer, daß die 
feindliche nach vierſtündigem harten Kampfe zum 
Schweigen gebracht ward und durch einen darauf 
folgenden kräftigen Bajonetangriff der Unſern die 
Feinde zum Rückzug genöthigt wurden, welcher aber 
vermöge der kühnen Verfolgung Bems mit der kampf— 
luſtigen Cavalerie bald in eine regelloſe Flucht bis 
unter die Thore von Biſtritz und Naszod ausartete. 
Bei Bethlen theilt ſich nämlich die Straße und führt 
nördlich im Szamosthale nach Naszöd, ſüdlich aber 
über Somkerék, Magyarés oder Somkerék und Zip— 
pendorf nach Biſtritz und von da weiter im Thale 
der Biſtritz nach der Bukowina. Bei Lekencze gab 
es noch eine kleine Affaire am 30. December. 

Urban hatte ſich auf Naszöd, Jablonowsky auf 
Biſtritz zurückgezogen. Letzteren verfolgte Bem ſelbſt 
auf beiden Zweigen der Biſtritzer Straße, während 
er die Verfolgung Urbans dem Oberſt Riczko über 
ließ. Tag und Nacht wurde marſchirt und den 


19 


Truppen kaum einige Stunden Naft gegönnt. Am 
31. December Morgens langten Bem und Ricgzk⸗, 
jener vor Biſtritz, dieſer vor Naszäd, an. Sie nahmen 
beide Orte nach kurzem Kampfe, die Kaiſerlichen 
batten ſich vor beiden Orten in Schlachtordnung 
formirt und ihre Truppen dem Terrain gemäß ver 
theilt; ihre Artillerie verſuchte durch wohlgezieltes 
und gut erhaltenes Feuer Bems und Riczkös Truppen 
zu erſchüttern. Dieſe aber gaben ſich nicht lange 
mit unnützem Hin- und Hermarſchiren ab, ſondern 
ſtießen mit gefälltem Bajonet auf die feindlichen 
Maſſen, während ihre Artillerie furchtbar wirthſchaf— 
tete. Bald war der Gegner geworfen, indem wir 
den Kaiſerlichen keine Zeit ließen, ſich zu ſammeln und 
ihren demoraliſirten Truppen neuen Muth und neue 
Kraft einzuflößen. Der wallachiſche und ſächſiſche Land— 
ſturm hatte ſich der Folge der häufigen die Kaiſerlichen 
treffenden Niederlagen aufgelöſt und ſo waren die 
ſchlimmſten Gegner Bems, die ungeheure Kälte und die 
Abmattung feiner Truppen. Naszod, dieſer Hauptſitz 
der wallachiſchen Reaction, ward geplündert und zum 
Theil verbrannt: keine irdiſche Macht hätte es vor 
dieſem Schickſal zu bewahren vermocht, denn die Er— 
bitterung gegen dies Neſt, wo jener Mann reſidirte, 
der ſich prahleriſch den erſten Helden der Pecsovisce 
(Reactionaire) nannte und welcher ſo viel Unheil über 
ſein Vaterland gebracht batte, kannte keine Gränzen. 
Biſtritz wurde nur durch Bem's Gegenwart vor 


120 


einem ähnlichen Schickſal bewahrt, indem der weiſe 
Feldherr auch hier durch Verkündung einer allge— 
meinen Amneſtie und durch humane Verfügungen 
die verblendeten Gemüther für die Sache der Freiheit 
und des Rechtes zu gewinnen ſuchte, wiewohl leider 
vergebens. Hier, wie überall, erwies ſich Bem als 
ein wahrer Held der Freiheit: keine Rache kennend, 
appellirte er an die Intelligenz, wurde aber leider 
mit Undank dafür belohnt und mußte es erleben, 
daß man ihm ſogar aus ſolcher Milde einen Vorwurf 
machte. 

Unſere Truppen waren zu ſehr erſchöpft, um 
die Verfolgung des Feindes ſogleich wieder aufneh— 
men zu können, was ihnen die Lieferung einer zwei— 
ten Schlacht wohl erſpart haben würde. Allein ſie 
waren von Klauſenburg bis Biſtritz und Naszoͤd in 
einem Athem marſchirt, hatten höchſtens ein Mal 
am Tage warme Speiſen genoſſen, hatten bei 20 Grad 
Kälte zweimal auf freiem Felde campirt und zwei 
Schlachten geſchlagen. Dazu war Bem der größte 
Theil feiner Munition ausgegangen und die Nach— 
ſendung derſelben aus Nagy Bänya war noch nicht 
erfolgt. Er mußte alſo den Seinigen in Biſtritz und 
Naszod eine kurze Ruhe gönnen. Aber auch dieſe 
Paar Tage wurden benutzt, um die Truppen zu 
kleiden, ihre Armatur auszubeſſern, in Biſtritz und 
Umgegend alle vorhandenen Waffen einzuſammeln 
und zugleich den Feind durch ſtarke Recognoſcirungs— 


121 

patrouillen, fortwährend zu beunruhigen: kurz, es 
war eine geſchäftige Ruhe. Kaum war aber die 
beißerſehnte Munition eingetroffen, ſo wurde Oberſt 
Riczko zum Commandanten von Biſtritz und Naszad 
ernannt und da gelaſſen, während es mit der 
Uebrigen ohne weiteres vorwärtsging gegen Tihutza, 
wo ſich die kaiſerlichen Truppen mit dem Entſchluß 
geſammelt hatten, dieſen letzten auf ſiebenbürgiſchem 
Boden von ibnen beſetzten Punkt verzweifelt zu ver— 
theidigen. 

Tihutza liegt im Biſtritztbale, welches ſich bier 
bis zu einer Breite von einigen hundert Schritten 
verengt und durch die mehrere Tauſend Fuß hohen 
noͤrdlichen und ſüdlichen Gebirge zu einem Gebirgs— 
paſſe geſtaltet wird, welcher vorzüglich in dieſer Jah— 
reszeit von keiner Seite umgangen werden kann und 
die ſchmale in die Bukowina führende Straße voll— 
kommen beherrſcht. Es fehlen dieſem Orte, um ein 
zweites Bard zu ſein, nur die Feſtungswerke. Tihutza 
mußte alſo um jeden Preis genommen werden, wollte 
man das nördliche Siebenbürgen behaupten. Der 
3. Januar war Zeuge eines Kampfes, welcher faſt 
von früh Morgens bis zum Abend dauerte, nur nach 
mehrmaligen energiſchen Bajonetangriffen den Un— 
garn Sieg gewährte und die Kaiſerlichen zum unor— 
dentlichſten Rückzuge nach der Bukowina nötbigte. 
Sie hatten bier, mit der letzten Anſtrengung der 
Verzweiflung, nicht mehr für den Beſitz des Landes, 


122 


ſondern für ihre militairiſche Ehre kämpfend, Alles 
aufgeboten, um ihre Stellung zu behaupten, allein 
ihre Anſtrengungen ſcheiterten ſämmtlich an dem fel— 
ſenfeſten Willen Bems und dem Heldenmuthe ſeiner 
Truppen, welche kein Zurückweichen mehr kannten. Die 
feindlichen Poſitionen wurden erſtürmt und der letzten 
Kraft der Verzweiflung folgte auf Seiten der Kai— 
ſerlichen bald jene Apathie, welche in ſolchen Kriſen 
nie ausbleibt. Die Feinde warfen Gewehre und 
Torniſter fort, flohen einzeln oder haufenweiſe in die 
Wälder, aus welchen ſie Hunger und Kälte bald zur 
Ergebung an die ſiegreichen Ungarn trieben, alle 
Bande der Disciplin löſ'ten ſich, und die ohne Ge 
wehre, ohne Patrontaſchen und ohne Torniſter, baar— 
fuß und mit erfrornen Gliedern in Czernowicz ein— 
rückenden Kaiſerlichen, für deren Bekleidung ſogar 
in der Bukowina Sammlungen veranſtaltet werden 
mußten, konnte man nicht füglich mehr eine Ar— 
mee nennen. Es gab mithin keine öſterreichiſch— 
ſiebenbürgenſche Nordarmee mehr und Bem war folg⸗ 
lich Herr des ganzen nördlichen Landestheiles. Die 
Reſte des Urbanſchen Corps verfolgte er noch wei— 
ter hinaus bis Vatradorna, wo er am 4. Januar 
ankam; aber unſere Truppen waren ſo erſchöpft, daß 
Bem, aller Avancements und Geldbelohnungen uner— 
achtet, nur mit einigen Hundert Freiwilligen in dieſen 
Ort einzurücken vermochte, wo er von den überraſchten 
Bewohnern auf das freundlichſte empfangen wurde. 


123 


Wardener hatte ſich am 25. December durch Thorda 
nach Alba Carolina (Karlsburg) zurückgezogen. Bems 
Zweck war erreicht; in drei Schlachten und einigen weni— 
ger bedeutenden Gefechten hatte er die kaiſerliche ſieben— 
bürgiſche Nordarmee gänzlich vernichtet, den ganzen 
nördlichen Theil des Landes erobert und dem Feinde das 
Wiederauftreten auf dieſem Kriegsſchauplatze für meh— 
rere Wochen unmöglich gemacht. Er brauchte nur eine 
geringe Beſatzung in Borge Prund, Jaad, Biſtritz und 
Naszod zurückzulaſſen und konnte nunmehr ungehin— 
dert mit ſeiner ganzen übrigen Heeresmacht gegen die 
kaiſerliche ſiebenbürgiſche Hauptarmee unter F. M. L. 
Puchner operiren, was er dann auch ſofort ins 
Werk ſetzte. 

Bevor wir indeſſen zur Schilderung der nun 
kommenden Ereigniſſe übergeben, welche zugleich die 
dritte Epoche dieſes intereſſanten Feldzuges bilden, 
wollen wir einen Augenblick bei dem Eindrucke ver— 
weilen, den dieſe Thaten auf die Gemüther der Ein— 
wohner Ungarns und Siebenbürgens hervorbringen 
mußten. 

Die Siegesnachrichten folgten Schlag auf Schlag; 
man konnte ſich vor dem Staunen über ein Ereigniß 
kaum erholen, als ſchon die Kunde von einer andern 
glänzenden That der Phantaſie und dem Verſtande 
des Hörers neue Nahrung gaben. Freund und 
Feind betrachteten wie einen geheimnißvollen Zauber 
das Wirken des großen Meiſters und Alles wurde 


124 


mit Bewunderung für ihn erfüllt, der Feind begann 
ihn zu fürchten und zu achten, feine Armee betete 
ihn an und die Herzen aller Ungarn wandten ſich 
ihm zu, als ihrem Retter und Befreier. Bems Name 
war auf allen Lippen, Bem und Sieg wurden gleich— 
bedeutend. Die kaiſerliche Hauptarmee ſah mit Zagen 
dem Augenblick entgegen, wo ſie ſich mit dem großen 
Gegner meſſen ſollte, die Sachſen und Wallachen im 
Norden Siebenbürgens beugten ihr Haupt und ver— 
bargen ſich in ihre Hütten uud Städte, die Szekler 
aber jubelten laut und harrten ſehnſüchtig der Gele— 
genheit, wo ſie zu Bems Truppen ſtoßen konnten; 
auch die übrige ungariſche Bevölkerung Siebenbür— 
gens eilte kampfluſtig zu den ruhmgekrönten Fahnen 
der Honveds! 

Das Alles war das Werk von kurzen acht 
Tagen. Und doch will man noch behaupten, Bem 
ſei nur Artilleriegeneral und unfähig große Armeen 
zu commandiren!? Bem hat ſolche nahezu an Wun— 
der grenzende Thaten, unter den ungünſtigſten Ver— 
hältniſſen, in der kürzeſten Zeit, meiſtens durch ſtra— 
tegiſche Combinationen und mittelſt ſeiner eiſernen 
Willenskraft vollbracht, gegen welche alle Thaten 
Görgei's in den Hintergrund treten müſſen. Und doch 
will man Dieſen über Bem erheben? Diklleile est 
saliram non seribere! | 


— 
12 
— 


Fünftes Capitel. 


Rem marſchirt nach Mares Vaſarhely. Seine Ankunft am 
18. Januar. Ereigniſſe in Nagy⸗Enyed, Thorda, Jara, 
während Bems Zuge gegen Biſtritz. — Dispoſitionen des 
Oberſtlieutenant Geb. Neue Greuelſcenen, durch die 
Wallachen verübt. — Bems Armeebeſtand in Maros - Ba: 
farhely. — Er hatte ſich an der Szekler Hülfe ver⸗ 
rechnet. 


Nach Ertheilung vieler Avancements und ein— 
oder anderthalbmonatlicher Soldzulage, ließ Bem den 
Oberſten Riczkö mit dem Bataillon Alexander-Infan— 
terie und der Diviſion Koburg-Huſaren in Biſtritz und 
Umgebung zurück und marſchirte mit den übrigen 
Truppen nach Maros-Väſärhely, von wo die geringe 
kaiſerliche Beſatzung bereits auf die Nachricht von 
der Einnahme Biſtritzs abgezogen war und wo ihn 
die Liebe und die Kriegsluſt der Szekler mit allem 
dieſer Nation eigenen Enthuſiasmus erwarteten. Am 
13. Januar 1849 traf er dort ein, nachdem er durch 
eine zweideutige Nachricht über ſein Eintreffen allen 
ihm zugedachten Ovationen vorgebeugt hatte. 

Ehe wir indeſſen zur Darſtellung des nun fol— 
genden intereſſanteſten Theiles unſerer Kriegsgeſchichte 


126 


ſchreiten, müſſen wir einige Ereigniſſe mittheilen, 
welche theils auf die Art der Kriegführung, theils 
auf den Charakter der Bewegung in Siebenbürgen 
ein zu helles Licht werfen, als daß ſie hier über— 
gangen werden dürften. 

Wie ſchon erwähnt, war in Thorda Oberſtlieu— 
tenant Czetz mit dem 11. Honvedbataillon, einer un⸗— 
completen Diviſion Mätyäs-Huſaren, der Abtheilung 
Kreß Chevauxlegers unter Pereczy und vier Ge— 
ſchützen zurückgeblieben, um die Umgegend gegen die 
Ueberfälle wallachiſcher Horden zu ſchützen und Carls— 
burg zu beobachten. Die Oeſterreicher waren nach 
Nagy-Enyed, Tövis und ſpäter nach der Feſtung 
Carlsburg zurückgegangen (wo ihr Anführer, der edle 
General Wardener, am Schlagfluſſe ſtarb) indem ſie 
auf die Offenſive auf dieſer ganzen Linie verzichteten. 
Dieſe Unthätigkeit hinderte indeſſen die Kaiſerlichen 
nicht, die Mozen (Wallachen, Alpenbewohner) durch 
allerlei Mittel, wie politiſchen Fanatismus, Geldſpen— 
den, Erlaubniß zu plündern, zum Aufſtande zu rei— 
zen und ihnen ſogar öſterreichiſche Officiere beizuge— 
ben, welche die Verheerungszüge nach ſyſtematiſchen 
Grundſätzen organiſiren und leiten ſollten. Ein Land— 
ſturm von wenigſtens 10—50,000 Wallachen, zum 
Theil mit Feuergewehren und Munition aus der Fe— 
ſtung Carlsburg wohl verſehen, beſetzte den ganzen 
Landſtrich von Baläsfalva längs der Maros bis 
Carlsburg und jenſeits der Alpen bis oberhalb To— 


127 


roczko, während eine zweite Abtheilung Landſturm 
das ganze Gebirge von Toroczko bis an die Linie 
von Bänfi Hunyad im Thale der Aranvos und 
Heév⸗ und Hideg⸗Szamos occupirte. Fanatiſche Popen 
regten die Gemüther auf, Haß und Rache gegen die 
Ungarn predigend. Es muß einleuchten, daß unter 
ſolchen Verhältniſſen die ſchwache Garniſon von 
Thorda nur als vorgeſchobener Poſten angeſehen wer 
den konnte, kaum genügend, die Stadt Thorda und 
deren Bezirk auf ein paar Stunden im Umkreiſe ge⸗ 
gen die Ueberfälle der Wallachen zu ſchützen. Es 
gebörte einerſeits alle Energie des Führers und die 
raſtloſeſte Thätigkeit der Truppen, andererſeits die 
vollkommene Feigheit der Wallachen dazu, um nicht 
nur den angegebenen Zweck zu erreichen, ſon— 
dern auch die Wallachen der Mezöseg um Cſaäny 
(bergige kahle Strecken Landes von großer Ausdeh— 
nung mit meiſt wallachiſchen Bewohnern) und das 
Thal der Aranyos von Borrev bis zur Einmündung 
des Aranyos in die Szamos vor Verwüſtungen zu 
bewahren. Es kann daher nicht Wunder nebmen, 
daß die Garniſon Thorda's nicht hinreichte, Nagy— 
Enyed vor dem über daſſelbe verhängten traurigen 
Schickſal zu bewahren. Dieſe Stadt war nämlich 
ſchon im November des Jahres 1845 Zeuge von 
der Barbarei der Wallachen geweſen, welche, nach 
dem Abzuge der ungariſchen Garniſon, in Gemein— 
ſchaft mit einigen kaiſerlichen Truppen und einer 


128 


ſtarken Schaar ſächſiſcher Nationalgarden, dort ein— 
gerückt waren, alle hiſtoriſchen Denkmäler Sieben— 
bürgens zerſtört, die Bibliotheken verbrannt oder ſie 
Bändeweis zerriſſen und vernichtet, das Montani— 
ſtiſche Muſeum, die Münzſammlungen geplündert und 
verſchleppt, das Univerſitätsgebäude niedergebrannt, 
zahlreiche Männer und Kinder gemordet, Frauen und 
Mädchen geſchändet hatten, und an der gänzlichen 
Zerſtörung des Ortes nur durch die kaiſerlichen Trup— 
pen gehindert wurden, die freilich dies ihrer Ehre 
halber nicht zugeben wollten, obſchon ſie als unthä— 
tige Zeugen die eben geſchilderten Gräuel mit an— 
ſahen. | 

Die Bewohner Nagy-Enyeds waren fpäter, von 
Noth und Hunger getrieben und im Vertrauen auf 
den von den Kaiſerlichen mit großer Prahlerei ange— 
botenen Schutz, zum väterlichen Heerde zurückgekehrt 
und friſteten fortan ein kummervolles Daſein. Als 
aber die Ungarn in Thorda erſchienen, glaubten 
die Bewohner Nagy-Enyeds, auch für ſie habe nun 
die Stunde der Erlöſung geſchlagen und eilten un— 
mittelbar, nachdem ſich die Kaiſerlichen aus Thorda 
entfernt hatten, dahin, um dem dortigen Comman— 
danten zu dem Waffenglück der Ungarn Glück zu 
wünſchen. Oberſtlieutenant Czetz entließ ſie mit der 
Zuſicherung, daß er zu ihrer Beſchützung Alles auf— 
bieten werde, was in ſeiner Macht ſtände und mit 
den Anordnungen des Oberfeldherrn in Einklang zu 


129 
bringen wäre. Er hatte auch die ernſte Abſicht, ſelbſt 
ohne böberen Befehl nach Nagy-Enyed vorzurücken, 
und ſchrieb zu dieſem Zwecke dem Commandanten von 
Klauſenburg, er möge Thorda beſetzen laſſen, weil 
ſonſt dieſe Stadt mit ihrer Beſatzung ein Opfer des 
Entſchluſſes werden könnte, Nagy-Enyed zu retten. 
Auch verſprach er die ganze Verantwortlichkeit dieſes 
Schrittes auf ſich zu nehmen. Oberſtlieutenant Totb 
aber ſowie der Regierungscommiſſair Beoͤthy wollten 
in die Ausführung des Planes nicht willigen, weil 
ſie für dieſen Fall, vielleicht nicht ohne Grund, für 
das Schickſal Klauſenburgs fürchteten. Nagy-Enyed 
war alſo ſich ſelbſt überlaſſen und verloren. Der 
wallachiſche Anführer Prodan zog mit ſeiner Räuber— 
ſchaar und einigen Compagnien wallachiſcher Gren— 
zer aus dem Lager von Muſina am 9. Januar gegen 
Nagy-Enyed und forderte die Stadt zur Ueber— 
gabe auf. Dieſe wurde ihm unter der alleinigen 
Bedingung zugeſtanden, daß er keinen Mord und 
Todtſchlag geſtatten ſolle. Er ſchwor dies und nun legte 
die nicht zahlreiche Enyeder Nationalgarde die Waffen 
nieder. Kaum aber war Prodan in die Stadt eingerückt, 
als ſchon das Rauben, Plündern und Morden ohne alle 
Barmherzigkeit begann und Nagy-Enyed an allen 
vier Ecken brannte. Nur wenige Einwohner entka— 
men durch die Flucht in die Wälder dem grauſamen 
Schwerte des meineidigen Wallachen und ſeiner kai— 
ſerlichen Helfersbelfer und langten drei oder vier 
9 


130 


Tage fpäter mit erfrornen Gliedern und halb ver— 
hungert in Thorda an. Es war eine herzzerreißende 
Scene, die Unglücklichen, meiſtens Frauen, welche 
an ein bequemes, wohlhäbiges Leben gewöhnt waren, 
in bloßem Hemde, ohne Schuhe, mit erfrorenen 
Gliedmaßen, um ihre Gatten, Kinder, Brüder jam— 
mernd und händeringend anlangen zu ſehen! Schwe— 
ſtern erkannten ihre Brüder, Mütter ihre Kinder nicht 
wieder, welche einige Tageſpäter halbtodt auf den Land— 
ſtraßen und in den Wäldern der Umgegend gefunden 
wurden. Schmerz und Verzweiflung hatten alle ed— 
leren Gefühle erſtickt. Nur der Selbſterhaltungstrieb 
gab Kunde von dem noch nicht erloſchenen Leben. 
Das Gräßlichſte war jedoch in Nagy-Enyed ſelbſt 
geſchehen. An funfzig ſchwangere und ältliche Frauen 
hatten ſich in die Kirche geflüchtet, in dieſer heiligen 
Behauſung Schutz ſuchend; der Geiſtliche ging in 
ſeinem Ornate, mit der Monſtranz in der Hand, den 
nacheilenden Tigern entgegen, um das Leben der 
Armen zu bitten. Das Scheuſal Prodan ließ den 
Geiſtlichen auf der Stelle viertheilen, den Frauen die 
Bäuche aufſchlitzen, die ungebornen Kinder an Spie— 
ßen braten und dann die Frauen theils bei den Bei— 
nen aufhängen, theils lebendig in die Erde graben. 
Und das Alles geſchah im 19. Jahrhundert, von den 
Waffenbrüdern des ritterlichen öſterreichiſchen Heeres, 
auf Anordnung und unter dem Schutze der Vertrau— 
ten der Camarilla Ferdinands des Gütigen! Beim 


181 


Anblick ſolcher Thaten, welche man kaum als Mär⸗ 
chen der Vorzeit in Ritterbüchern oder in den Anna— 
len der ſpaniſchen Inquiſition ähnlich findet, beim 
Miterleben folder Greuelſcenen; wer ſollte da als 
Gebildeter, als Chriſt, ſich nicht zu den ſogenannten 
Rebellen geſchlagen haben? 

Einige Tage ſpäter wiederholte ſich daſſelbe Er— 
eigniß in Zara, wo alle ungarischen Bewohner auf 
jede erdenkliche Weiſe gemordet und die Erzgruben 
zerſtoͤrt wurden. An 800 Ungarn fanden hier den 
ſchmerzlichſten Tod. 

Während dieſer Zeit ſammelte Bem in andern 
Gegenden des Landes unverwelkliche Lorbeeren und 
legte den Grund zur künftigen Befreiung Sieben— 
bürgens; ein großes, viele Opfer forderndes Ziel. 
Aber leider ſollte es nicht für die Dauer erreicht 
werden. 

Der Truppenbeſtand, mit welchem Bem am 13. Ja- 
nuar in Maros-Viſärhely einrückte, war folgender: 
Infanterie. 

Das zweite Szeklerbataillon ... 750 Mann 

„ vierte Honvedbataillon ... 900 „ 


Keménys Bataillon 600 „ 
i, egen .o mciu sine 600 „ 
Szathmarer Önfentes .. 2... 600 „ 


2850 Mann. 
Cavalerie. 
Eine Diviſion Mätyas-Huſaren . 240 Mann. 
9 * 


132 


Eine Escadron Wilhelm-Huſaren 120 Mann 
„ Diviſion Szekler-Huſaren 280 „ 
640 Mann. 


Artillerie. 
Zwei Batterien Sechspfünder . 12 Geſchütze 
Eine Batterie Dreipfünder .. 6 1 


8 Geſchütze. 
Bem hoffte ſeine im Verhältniß zu den über— 
ſtandenen Strapazen nur wenig verminderte Armee 
mit Hülfe der Szekler ergänzen zu könnnen; hatte 
ſich aber, unkundig der dortigen Ereigniſſe, verrech— 
net. Doch hierüber im folgenden Capitel. 


1:33 


Sechſtes Capitel. 


Freigniſſe im Szeklerlande ſeit der Affaire von Maros - Väfär- 
hely. — Haäromszét's heldenmuthige Vertheidigung während 
drei voller Monate. — Gabor Aron, der Kanonengießer. — 
Das zwoͤlfte Honvedbataillon. 


Wir haben in einem vorhergehenden Capitel der 
Szekler Nationalverſammlung auf der Agyagfalver 
Heide erwähnt; zur Vollſtändigkeit unſerer Darſtellung 
dürfte es gehoren, auch die in jener Verſammlung 
gefaßten Beſchlüſſe mitzutheilen. Die durch Berzenczei 
am 16. October 1818 in Agyagfalva verſammelten 
60,000 Szekler faßten, als Nationalcongreß, folgende 
Reſolutionen: 

1) Schwor die geſammte Volksmaſſe, ſammt 
dem in Waffen erſchienenen Szeklermilitair, mit In— 
begriff ihrer Officiere den Eid auf die ungariſche 
Conſtitution. 

2) Die geſammte Szeflerbevölferung ſolle in 
einen National-Honved (Landwehr) verwandelt wer— 
den, mit deſſen proviſoriſcher Leitung, da die bis— 
herige Militairorganiſation bis zu einer neuen vom 
ungariſchen Miniſterium vorzunehmenden Creirung 


134 


eines Obercommandanten aufgehoben ift, unter Lei— 
tung des Regierungscommiſſairs Baron Bay Miklos, 
die andern in den Szeklerſtühlen wirkenden Commiſ— 
ſaire und der Szekler Huſarenoberſt Sombory Sändor 
betraut werden. 

3) Iſt der Baron Vay Miklés aufzufordern, 
die Entfernung alles fremden Militairs aus Sie— 
benbürgen zu bewerkſtelligen und die Feſtungen des 
Landes, namentlich Carlsburg, mit zuverläſſiger 
Szekler-Garniſon zu beſetzen. | 

Wir wiſſen bereits, was hierauf erfolgte; daß 
Urban bei Szent-Jväny geſchlagen, Szaͤsz-Régen er— 
obert und geplündert, Maros-Väſärhely beſetzt und 
verloren wurde. Nach der unglücklichen Affaire bei 
Maros-Väſärhely war die Kraft der Szekler auf 
lange Zeit gelähmt, denn es entſtand unter ihnen 
jene unglückliche Spaltung, die den Söldnern der 
Könige den Sieg über die Vertheidiger der Freiheit 
ſtets ſehr erleichtert und im Voraus ſichert. Die 
Szekler gingen nach Hauſe, kündigten allen Militair— 
und Civilbehörden den Gehorſam auf und handelten 
alle nach Gutdünken. So kam es denn, daß die 
bigotten, pathetiſchen Cſiker ſich durch kaiſerliche 
Söldner, wie Oberſt Dorsner u. dgl., ſowie durch 
heuchleriſche Pfaffen bethören ließen und die ange— 
maßten Rechte des neuen Kaiſers nicht nur anerkann— 
ten, ſondern auch das Verſprechen leiſteten, gegen 
die übrigen aufrühreriſchen Szekler zu Felde ziehen 


135 


zu wollen, falls dieſe ſich nicht eines Beſſeren beſän— 
nen. Der ÜUdvarbélyer Stuhl wurde von dem Par— 
teigänger Hapdte in die Kreuz und Quere durchzogen 
und verwüſtet, das Volk entwaffnet und durch blei— 
bende Beſatzungen im Zaum gehalten. Hapdte ver: 
ſuchte es hier ſogar, die militairpflichtigen und ärme— 
ren Klaſſen der Szekler gegen den Adel und die 
reichere Klaſſe in wahrhaft communiſtiſchem Sinne 
aufzuhetzen und die Theilung des Bodens in Ausſicht 
zu ſtellen und es gelang ihm, eine große Zahl der 
Udvarhélyer Szekler an ſich beranzuziehen, die dann 
vereint mit dem wallachiſchen Landſturm die Edel— 
böfe plünderten, Geſtüte wegtrieben und furchtbar 
bauſten. Wohl geſellte ſich bei ſehr vielen dieſer 
verleiteten Szekler zur Beuteluſt auch noch perſön— 
liche Rache und längſt im Geheim genährter Groll. 
Miklösvär, N. Alta, Bölön wurden geplündert. 
Dies dauerte jedoch nur ſo lange, als die Szekler 
ſahen, wie Haydte nach der Beſetzung von Köpecz in 
Erdoͤvidék nicht nur die Edelhöfe, ſondern alle Häuſer 
und Scheunen und Ställe, ſelbſt jene der armen 
Grenzbewohner plündern und dann in Brand ſtecken 
ließ, wodurch Hunderte ihrer Brüder zu Bettlern 
wurden. Die Illuſion war nun verſchwunden und 
die Szekler kehrten in ihre Dörfer zurück, die Gele— 
genheit zur Rache erwartend. 

Im Maroſcher und Aranvyoſcher Stuhl hauſte 
Gedeon mit ſächſiſchen und wallachiſchen Landſtürmern 


136 


und hinterließ da ein fluchwürdiges Andenken: denn 
aus Kirchen Pferdeſtälle zu machen, zu hochgebildeten 
oder ſonſt ehrenhaften Leuten ekle Mordbrenner von 
Wallachen wochenlang einzuquartieren, Alles, was 
gefiel, mit Gewalt wegnehmen zu laſſen und dabei 
das Auge zuzuhalten, war wohl nicht die Art, für 
den jungen Kaiſer Proſelyten zu machen. 

Es war alſo nur noch das kleine Häromſzék mit 
ſeinen 50 bis 60,000 Einwohnern zu beſiegen. Dieſe 
aber ließen den Muth nicht ſinken. In Köézdy-Väſärhely 
ward eine große Volksverſammlung gehalten und die 
braven, fleißigen Bürger Kézdy-Väaͤſärhely's, der ſpä— 
tere Oberſt Alexander Gäl, ein junger, kühner Of 
ficier voll Talent und glühendem Patriotismus, der 
proteftantifche Pfarrer aus Réty, ein Demokrat vom 
derbſten Schlage, begeiſterten ihre Brüder zum Kampfe 
auf Leben und Tod. Ihr Vorſchlag ward mit tau— 
ſendfachen Eljens angenommen und man ſchritt zur 
Ausführung, denn bei dieſen praktiſchen Soldaten 
half das Debattiren Nichts, fie ließen nur die That 
reden. Die ganze männliche Bevölkerung des Stuh— 
les griff zu den Waffen und die es nicht vermochten, 
wie Kinder und Greiſe, mußten in den Laboratorien 
arbeiten, Proviant-Lieferungen u. dgl. beſorgen, alle 
Frauen und Jungfrauen, von der Gräfin bis zur 
Lumpenſammlerin herab, bereiteten Wäſche für die 
Krieger, richteten Spitäler in Privathäuſern ein, 
zupften Charpie und bedienten die Kranken und Ver— 


137 
wundeten. Manche derſelben zogen ſogar in Männer— 
kleidern mit in den Kampf und zeichneten ſich durch 
verwegene Bravour aus. Ueberhaupt war die Be— 
geiſterung der Frauen ſo hoch geſtiegen, daß oft ge— 
nug manche gute Hausfrau den Herrn Gemahl oder 
Herrn Sohn mit einem Topfe ſiedenden Waſſers oder 
mit dem Bratſpieße wieder in das Lager zurüdjagte, 
wenn dieſe ſich unterſtanden hatten, daſſelbe aus Be— 
quemlichkeit oder Feigheit zu verlaſſen. Dieſer En— 
thuſiasmus kennt vielleicht nur in der Erhebung der 
Spanier gegen Napoleon ſeines Gleichen, und wäre 
ganz Ungarn von ſolchem Geiſte beſeelt geweſen, es 
hätte nimmer ſo traurig ſeine ſtaatliche Laufbahn be— 
ſchloſſen. 

Begeiſterung war da, Feuer- Hau- und Stich— 
waffen waren da, aber es fehlte an Munition, an 
Zündkapſeln, an Geſchützen. „Ja Kanonen, wenn wir 
nur Kanonen hätten, ſprachen die Szekler, dann 
würden wir mit dieſen ſchwarzgelben Knechten ſchon 
fertig werden, dann brauchen wir Niemands Hülfe. 
Ohne Kanonen fechten wir vergebens und liefern uns 
ohne Reſultat auf die Schlachtbank.“ Und der Szek— 
ler Muth begann zu ſinken. Da tritt ein ſchlichter 
Handwerker aus dem Volke, der früher Grenz-Ar— 
tilleriſt geweſen, dann jubilirt (d. i. in den Invali— 
denetat verſetzt) in der Feſtung Carlsburg Kanonen 
geſehen und das Artillerie-Exercitium erlernt hatte, 
auch wegen ſeiner vielfachen, meiſtens verunglückten 


138 


mechanischen Verſuche zum Gelächter feiner Nachbaren 
geworden war, auf, verſpricht den Leuten Kanonen 
zu machen und ſetzt ſein ganzes Vermögen als 
Pfand des Gelingens ein, bittend, man ſolle ihm nur 
Material liefern. Die Menge lacht, aber ein Kreis 
von vernünftigen Männern greift ihm unter die 
Arme. Die Kirchenglocke Väſärhelys wird als pa— 
triotiſches Opfer dargeboten. Gabor Aron, ſo hieß 
dieſer geniale Naturſohn, errichtet ſich eine Werk— 
ſtätte, nimmt ein paar Gehülfen, verfertigt das höl— 
zerne Modell und gießt in einer Woche über dieſe 
Form im Lehm-Ofen die erſte ſechspfündige Kanone. 
Das Geſchütz wird mit doppelter Ladung probirt und 
es zerſpringt nicht, ja Gabor Aron trifft dreimal 
nacheinander das Ziel auf Kernſchuß Diſtanz. — Die 
Metall-Lieferungen aus den Szeklerſtühlen betrugen 
vom December 18418 bis April 1849 nach dem Közlöny: 
der Maroſcher Stuhl lieferte 93 Glocken, 2 große Keſſel, 
1 Centner und 43 Pfund Kupfer, außerdem Kleinig— 
keiten an Erz, Blei, Kupfer ꝛc. und im Monate 
April lediglich zur Ausrüſtung der Geſchütze 
914 fl. 6 kr. Der Udvarbelyer Stuhl 55 Centner 
Kanonenmetall (44 Glocken), eine anſehnliche Geld— 
ſumme zur Ausrüſtung, ſtellte im Jahre 1848 
300 Koſſuth-Huſaren, von Februar bis März 1849 
4500 Recruten, am 22. März 1000 Recruten, und 
equipirte 120 Reiter und 300 Infanteriſten. Der 
Aranyoſer Stuhl lieferte 25 Glocken von über 


139 
30 Gentner und 4 Centner Kupfer, Blei und Eiſen. 
Im Häromfzefer jeder Ort eine Glocke, zuſammen 
125 Stück (hier blieb fait kein Stück Blei oder Zinn— 
geſchirr zurück). Der Cſiker ebenfalls 56 Glocken. 
Außerdem von allen Ortſchaften Geld und Zugpferde 
und ſpäter kamen noch Glocken aus den wallachiſchen 
und ſächſiſchen Ortſchaften dazu. — Der Jubel in 
Häromſzéz iſt grenzenlos. Arme und Reiche ſteuern 
zur Laffetirung ihr Scherflein bei, die adligen Da— 
men kaufen die Pferde an und ſiehe, nach 14 Tagen 
begegnen die Szekler bei Földvar zum erſten Male 
den Kaiſerlichen mit Kanonen, welche ſich nicht 
genug darüber wundern können und ſie für in der 
Moldau gekaufte halten. Der gemeine Szekler 
aber wartet den erſten Schuß ab und als dieſer 
trifft, ſtürzt er unter dem Rufe: Ee nagyobbat szöl 
mint a nemete (dieſe krachen ja ſtärker als die feind— 
lichen) mit wildem Muthe dem Feinde entgegen. 

Gabor Aron gießt nun raſtlos Kanonen und 
richtet eine ganze Werkſtätte ein, wo die ungebildeten 
Kinder der Berge mit größter Präciſion die ihnen 
übertragenen Arbeiten verrichten und ganz brauchbare 
Batterien für den Feldbedarf ausrüſten. Da gibt 
es Drechsler, Wagner, Schloſſer und Alles arbeitet 
nach feſtgeſetzten Modellen, ganz unter militairiſcher 
Disciplin. Eine Batterie von 6 Geſchützen kam 
ohne Beſpannung auf 4000 fl. Conv. Münze. 


140 


Ein Apotheker analyſirt chemiſch ein Paar öfter 
reichiſche Zünder und ſchnell wächſt eine Zünderanſtalt 
aus der Erde, wo Kinder und Mädchen, anfangs 
100, dann 1000, endlich 10,000 und 100,000 Zünder 
des Tags anfertigen. 

Auch für Pulver legen Sachkundige eine trockene 
Pulverſtampfe an und bereiten mit dem Schwefel 
von Koväszna, dem Salpeter von Torja und den 
Kohlen aus K. Väſärhelys Umgebung fo viel Pulver, 
als der Bedarf erheiſcht. 

Unglücksfälle geſchehen ein paar Mal in dieſen 
improviſirten Werkſtätten, aber das ſtählt nur den 
Muth und die Beharrlichkeit: die Fabrikation geht 
immer raſcher und in größeren Quantitäten von 
Statten; denn was der Menſch will, kann er auch, 
und die Freiheit macht jedes Opfer leicht. 

Während dieſe Kriegsrüſtungen in Kezdy Vaͤſar⸗ 
hely betrieben werden, iſt die Wehrmacht an der 
Grenze des Stuhles gleichfalls thätig. Die ganze 
Wehrkraft, ohngefähr 10,000 Mann, größtentheils 
Landſturm, in Brigaden und Bataillons geordnet, 
beſetzt die Grenze Häͤromszeks, vom Bodzaer Paß, 
entlang des Tatrang-Baches über Bodola, längs 
dem Fekete Igy über Kökös, Al-Doboly, Erösd 
Aräpataka, Hidveg, Bölön, Köpeez und Barôt. Die 
Reſerven ſtehen in Sepſi St. György und Uzon. 

Beinahe tagtäglich fallen zwiſchen den Szeklern 
und den Kaiſerlichen unter Haydte auf der Linie von 


11 j 
Hidveg bis Barot und den Szeklern und ſächſiſchen 
Nationalgarden auf der Strecke von Föͤldvär bis 
Prasmaär und Türfös Scharmützel und Gefechte vor, 
wo bald dieſe, bald jene das Feld behaupten. So 
verſtreicht der Monat November. Im December 
werden die Szekler des Bewachens der Grenze über— 
drüſſig, ſie langweilen ſich auf den ewigen Vorpoſten— 
und Patrouillengängen. Sie zwingen mittelſt einer 
Militair-Emeute ihren Commandanten, den Szekler— 
Infanterie-Oberſten Dobay, die Grenze zu über— 
ſchreiten und ins Burzenland, das Land der Sachſen, 
einzufallen. Der heiße Wunſch, den Sachſen eine 
Lection zu geben, der Durſt nach Rache und die Luſt 
nach Beute reizt zu ſehr und der Einfall wird be— 
ſchloſſen. In wenigen Tagen haben auch die Szek— 
ler ſich der ſäſiſchen Orte Präsmär, Hermäny, Sit. 
Peter, Botfalva bemächtigt und Haydte bei Földvaär 
bedroht, fie haben ſich mit Beute beladen, die ſie 
ſorgſam nach Hauſe ſchaffen, und thun ſich in Fein— 
desland gütlich. Dieſe Erfolge ſtacheln ihre Kühn— 
beit und fie wollen ſich Kronſtadts bemächtigen. Es 
wird lange darüber debattirt, aber der Obercomman— 
dant, der wohl wußte, daß bereits F. M. L. Gedeon mit 
einer Brigade zur Verſtärkung Kronſtadts angekom— 
men, daß Kronſtadt überdies ſtark befeſtigt war und 
ſeine Eroberung viel Blut koſten würde, der überdies 
im glücklichſten Falle das fürchterliche Hauſen der 
Szekler in dieſem verbaßten Sachſenneſte und deſſen 


r 142 


Folgen wohl erwog, zudem auch bei dieſer Gelegen— 
heit leicht durch Haydte umgangen werden konnte, 
der Földvär inzwiſchen wieder beſetzt hatte, war 
unerſchütterlich und wollte lieber dem Commando ent— 
ſagen, als ſich zu dem Unternehmen hergeben. 

Wohl möglich, daß der kaiſerliche Oberſt auch 
auf ſein eigenes Geſchick zu viel Rückſicht nahm, im 
Falle er einem kaiſerlichen F. M. L. entgegenzöge und 
den Ruhm des Freiheitskämpfers der eignen perſön— 
lichen Sicherheit aufopferte. Beſſer Unterrichtete 
werden ſeiner Zeit dieſe Verhältniſſe umfangreicher 
aufklären, der Verfaſſer beſchränkt ſich auf die Wie— 
dererzählung deſſen, was er aus glaubwürdigen Quel— 
len entnommen und enthält ſich jedes weiteren Ur— 
theils. Dies gilt auch über die Gefangennehmung des 
Oberſten Sombory von Szekler-Huſaren durch feine 
eignen Leute, worüber mir die näheren Details ent— 
fallen ſind. Ueberhaupt war durch überflüſſiges Pe— 
roriren unberufener Volkstribune der moraliſche Boden 
der Armee, die Disciplin, ſehr gelockert worden und 
es fielen viele Exceſſe vor. So wurde auch z. B. der 
Major des 12. Honvedbataillons, Baläs Emanuel, 
der zwar mit Grund für einen Schwarzgelben gehalten 
wurde, durch Volksjuſtiz als Verräther in Sepſi 
Szt. György gehängt. | 

Kronftadts Eroberung unterblieb denn und die 
Szekler zogen ſich nach ein Paar unglücklichen Ge— 
fechten bei Szt. Péter, Hermäͤny und Präsmäͤr wie— 
der über die Grenze des Burzenlandes zurück. 


1103 


Bei einem dieſer Rückzugsgefechte geichab es, daß 
ein Paar Compagnien des 12. Honvedbataillons, 
das überhaupt mit den Koſſuth-Huſaren den Kern 
und die Zierde dieſer Szekler-Armee bildete, einen 
in der Kriegsgeſchichte unerhörten Streich ausführte, 
an dem ich ſelbſt zweifeln würde, wenn ich den Be— 
richt nicht von dem Major des Bataillons, einem 
mir als ehrenhaft bekannten Manne, erhalten hätte. 
Das Gefecht, ich glaube bei Szt. Péter war verloren, 
die Szekler Nationalgarden und der Szekler Land— 
ſturm flohen nach allen Richtungen und nur zwei 
Compagnien des 12. Bataillons blieben zur Deckung 
des Rückzuges in geſchloſſener Ordnung zurück. Da 
brauſten mit einem Male die kaiſerlichen Dragoner, 
eine Escadron, heran und fingen an in die retiri— 
rende Infanterie einzuhauen, die keine Zeit gehabt 
hatte, auch zu wenig geübt war, um Maſſen zu for— 
miren. Die Infanterie beginnt alſo zu laufen. Sie 
fiebt aber ſehr wohl ein, daß fie fo gewiß verloren 
ſei. Da fällt es einigen Leuten der linksſtebenden 
Compagnie ein, ſich auf die Erde zu werfen und die 
Reiter über ſich wegreiten zu laſſen, indem das dreſſirte 
Pferd bekanntlich den am Boden liegenden Menſchen 
zu treten vermeidet. Die ganze Compagnie legt ſich 
wie ein Blitz auf die Erde, die Dragoner reiten über 
ſie hinweg, der fliehenden rechtsſtehenden Compagnie 
nach. Kaum ſind die Reiter vorübergeflogen, ſo er— 
bebt ſich die Compagnie und ſchickt den Reitern eine 


144 


Salve in den Rücken, die fliehende Compagnie macht 
halt und ſchickt ihnen eine Salve in die Front. An 
75 Reiter und viele Pferde ſtürzen und die Verfol— 
gung hat ein Ende. Die Szekler aber marſchiren 
unbeläſtigt über die Grenze nach Al Doboly. 

Die Szekler verloren durch dieſe wiederholten 
Unglücksfälle die Hoffnung auf einen glücklichen Aus— 
gang, ihr Muth ſank, die kaiſerlichen Officiere der 
Szekler-Regimenter bearbeiteten ſie, Puchners lügne— 
riſche Proclamationen und in Hermannſtadt gedruckte 
falſche Közlöny verkündigten ihnen die Auflöſung 
des ungariſchen Reichstags, die Gefangennehmung 
Koſſuths und der übrigen Leiter der Bewegung, fie 
waren von aller Welt, von ihren eigenen Landsleuten 
verlaſſen; es blieb ihnen alſo nichts übrig, als zu 
capituliren. F. M. L. Gedeon ſtellte harte Bedin— 
gungen: alle Waffen, Kanonen, Munition und ſelbſt 
die Honveds- und Koſſuth-Huſaren mußten ausge— 
liefert werden und die Szekler zum kaiſerlichen Heere 
Recruten ſtellen. Die Commandanten unterſchrieben 
Alles, aber das Volk war klug genug, nicht zu 
trauen und übergab wohl die unbrauchbaren Ge— 
wehre und ein Paar vernagelte Geſchütze, hielt 
aber das Beſte verſteckt und beſchützte die Honveds 
und Koſſuth-Huſaren, ſo daß nur wenige das Un— 
glück traf, den Kaiſerlichen in die Hände zu fallen. 
Der Waffenſtillſtand war eine natürliche Folge bei— 
derſeitiger Schwäche, denn Gedeon mußte Puchner 


145 
zur Hülfe eilen und die Szekler mußten ſich erſt organiſi— 
ren. Dies thaten ſie denn auch, nach dem der energiſche 
Oberſt Alexander Gal die Leitung der Szekler An— 
gelegenbeiten übernommen hatte, redlich und emſig, 
und erwarteten ſo im Monat Januar Bems Opera— 
tionen und deſſen Aufruf zum Anſchluſſe. 

Wir werden fpäter ſehen, welch' impoſante Kraft 
ſich während dieſer Zeit im Szeklerlande geſammelt 
batte, und fahren in der chronologiſchen Folge unſe— 
rer Erzählung fort. 

Erwäbnenswertb it noch, daß im Februar 
und März im Szeklerlande keine Glocke mehr die 
Gläubigen zur Andacht rief; denn die Glocken waren 
zu Kanonen umgeſchmolzen und das Kriegsvolk er— 
kannte in ihrem Donner den Retter der Allmacht und 
ſegnete ihn, wenn er ihren Kindern Glück ſpendeten; 
der Donner des Geſchützes war ihnen ein religiöſer 
Ruf, denn die Religion war damals Eins mit der 
Befreiung des Vaterlandes! 

Die Szekler hatten alſo capitulirt, gerade damals, 
als Bem ibre ganze Kraft hätte gebrauchen können, 
und ſo war er wieder auf ſeine geringe Truppen— 
macht beſchränkt. 


10 


Siebentes Capitel. 


Schlacht bei Gälfalva am 17. Januar 1849. — Bem ſiegt und 
verfolgt die Defterreicher über Mediaſch, Nagy Selyk, Stol- 
zenburg. — Ein Tag Raſt. — Oberſtlieut. Czetz bricht am 
17. Jan. von Thorda auf, occupirt am 18ten Baläsfalva 
und marſchirt über Nagy Selyk nach Salzourg (Viz Akna), 
wo er am 20ſten nach Mitternacht eintrifft. Am 21. Jan. 
1849 erſte Schlacht bei Hermannſtadt. — Schilderung von Her: 
mannſtadt und Umgebung. — Bem verliert die Schlacht und 
retirirt nach Stolzenburg. — Poſition von Stolzenburg. — 

Warum Bem dort blieb. — Bems Anſtalten. — Er ſchickt 
die Szekler in ihre Heimath. — Die Schlacht bei Stolzen— 
burg am 30. Jan. 1849. — Die Oeſterreicher erklaren Stol— 
zenburg für eine uneinehmbare Poſition. — Bems Dispo- 
fitionen nach der Schlacht. — Oberſtl. Kemeny wird mit 
einer Brigade dem Hülfscorps aus Ungarn entgegengeſchickt. 
— Die Operationslinie wird geändert. — Oberſtl. Czetz 
demonftrirt gegen Groß Scheuern, während die Armee nach 
Salzburg marſchirt. 


F. M. L. Puchner war, als Bem gegen Maros 
Väſärhely heranzog, mit feiner ganzen disponiblen 
Macht, nämlich zwei Infanterie- und einer Cavalerie— 
brigade nebſt 2430 Geſchützen von Hermannſtadt 
aufgebrochen, um über Mediaſch gegen Maros Bär 


117 


farbelv vorzurücken, wo er die ganze ungarische Armee 
zu vernichten dachte. Man ſiebt alſo wohl, daß, trotz 
der bisber errungenen Vortheile, Bems Lage weder 
in taktiſcher, noch in ſtrategiſcher Beziehung beneit ens— 
wertb genannt werden konnte, und gerade jetzt Alles auf 
dem Spiele ſtand. Puchner dürfte nur einen entſchei— 
denden Sieg gewinnen und das ſchnell Gewonnene 
ging ebenſo raſch wieder verloren. Bem ſah dies recht 
gut ein, und rüftete ſich, wie feine Energie und fein 
Genius ibn leiteten, den geführten Schlag zu parıren. 
Es galt ihm, den Enthuſiasmus der Seinigen, wie 
den Schreck der Gegner zu benutzen und dem Feinde 
angreifend entgegenzuzieben, wenn er anders ſich und 
das eroberte Land behaupten wollte. Zudem war 
auch bereits am 15. Januar Puchner in Mediaſch 
eingetroffen und hatte am folgenden Tage ſeinen Zug 
gegen Maros-Väſärbely weiter fortgeſetzt. Zu ander: 
weitigen Dispoſitionen blieb nicht viel Zeit übrig. 
Dem verließ daher Maros-Väſärhely auch am 16. Ja⸗ 
nuar, rückte über Nyärädtö, Cſerged nach Héderfaja, 
das Thal der kleinen Kokel entlang, während Puch— 
ner über Bogäcs, Harangläb vorging und den letztern 
Ort beſetzte. Die kleine Kokel war bis auf den 
Grund gefroren, und Bem benutzte den Abend des 
16ten, um auf den Abhängen der auf dem rechten 
Kofelufer liegenden Gebirge, Gälfalva gegenüber, 
Poſition zu nehmen, woſelbſt ſeine Truppen bei zwan— 
zig Grad Kälte bivouaquirten. 
10 * 


148 


Die kaiſerliche Avantgarde beſetzte Galfalva, 
wohin auch ihr Centrum bald nachrückte, ihr rechter 
Flügel ſtand in Désfalva, ihr linker bei Szökefalva. 
An eine ſtarke Reſerve konnte keine der Parteien den— 
ken, doch bedienten ſich die Kaiſerlichen des Regimen— 
tes Savoyen-Dragoner als einer ſolchen. In Bems 
Armee commandirte Oberſt Mikes Kelemen das Cen— 
trum, Major Meffena den rechten, Major Bethlen 
Gergely den linken Flügel; Major Alexander Kiß 
bildete mit der Diviſion Szekler-Huſaren die ſehr un— 
bedeutende Reſerve. Die Kaiſerlichen, welche an 
6000 Mann zählen mochten, mithin noch einmal ſo 
viel als die Unſern, begannen am 17ten Morgens 
den Angriff, indem fie wiederholt die bei Pocafalva 
aufgeſtellten Szekler und den vor Abosfalva ſtehenden 
linken Flügel durch Infanterie und Cavalerieattaquen 
zu werfen verſuchten, aber lange vergebens. Die 
Szekler und die Honveds hielten ſtandhaft ihre Po— 
ſitionen, und die Artillerie Bems, von ihm ſelbſt 
dirigirt, bediente die Sturmeolonnen der Feinde fo 
gut, daß ſie in Unordnung ſich zurückziehen mußten. 
Die kaiſerliche Infanterie war zu keinem neuen An— 
griff zu bewegen, und ſelbſt ein vom wallachiſchen 
Grenadierbataillon verſuchter Sturm, von dem man 
die Entſcheidung erwartete, wurde mit ſolchem Ver— 
luſte abgeſchlagen, daß die Kaiſerlichen zu ſchwanken 
und in Unordnung zu gerathen anfingen. In dieſem 
Augenblicke lenkte Major Bethlen den rechten Flügel 


100 
in der rechten Richtung auf Küküllsvär und umging 
den linken feindlichen Flügel. Dies Manöver entſchied 
das Treffen: die Kaiſerlichen, als ſie die Kanonade 
vom Weiten her aus Szoͤkefalva vernahmen, waren 
nicht mehr zum Stehen zu bewegen, und ihr Rückzug 
artete in eine Flucht aus. Die Generäle voran, die 
Officiere ihnen nach, die Mannſchaft hintendrein, 
floben fie regellos über das Feld nach Mediaſch und 
von da unaufgehalten nach Hermannſtadt. Zwar 
batte noch eine Abtheilung Savoyen-Dragoner einen 
letzten Angriff auf die Batterie unſeres rechten Flügels 
verſucht; ihr Commandant, Oberl. Hepperger, ſuchte 
mit ſeltener Bravour den General Bem im Hand— 
gemenge auf und ſtand im Begriff ihn niederzuhauen, 
als Major Kiß von den Szekler-Huſaren und Graf 
Teleky Sandor heranſtürmten, dem kühnen Gegner 
den Helm ſpalteten, und ihn gefangen nahmen, wäh— 
rend die Maätyas-Huſaren die übrigen Dragoner nieder: 
machten oder in die Flucht jagten. Das war in der 
That die einzige Bravour, welche wir in dieſem 
Feldzuge auf Seiten der Oeſterreicher ſahen, und es 
gereicht dem Verfaſſer zur Beruhigung, ſie hier rüh— 
mend erwähnen zu konnen. 

Bem wußte den errungenen Vortheil, wie immer, 
gehörig zu benutzen. Er überließ die Gefangennahme 
der einzelnen führerloſen feindlichen Abtheilungen ſei— 
nen Nachzüglern, jagte die Kaiſerlichen unaufhaltſam 
über Bogaes nach Mediaſch, wo er am 1Sten Abends 


150 


eintraf, nach Nagy Selyt, wo er am A9ten war, 
und nach Stolzenburg, wo er dieſes Mal übernach— 
tete. Während dieſes Marſches beſetzte er Mediaſch 
mit dem Bataillon Keménys, ernannte zum dortigen 
Commandanten den Oberſtl. Szilagi, ſchickte nach 
Klauſenburg, um Munition kommen zu laſſen, und 
beorderte den Oberſtl. Czetz mit ſeiner Brigade, ihm 
in Eilmärſchen nach Hermannſtadt zu folgen, von 
wo Stolzenburg nur 2 Stunden entfernt iſt. 
Oberſtl. Czetz erhielt den erwähnten Befehl am 
16ten Abends und trat feinen Marſch am 17ten 
10 Uhr Vormittags an. Dies war einer jener ſeltnen 
Züge, wie ſie die Kriegsgeſchichte nicht häufig auf— 
zuweiſen hat. Man denke ſich eine von Mittelgebirgen 
durchſchnittene Gegend, in welcher kein Weg, keine 
Spur einer Straße ſich findet, die Berge mit klafter— 
hohem Schnee bedeckt, die Bergabhänge ſteil und 
ſchlüpfrig find, fo daß die Pferde nicht vermögen, 
Kanonen und Munitionswagen vorwärts zu bringen, 
dazu die Ortſchaften 3— 4 Stunden von einander 
entfernt, deren Bewohner feindlich geſinnt und mit 
ihrem Vieh und ihrer Habe in die Wälder geflüchtet, 
ſo daß man weder Lebensmittel noch Zugvieh zum 
Transportiren der Geſchütze und Wagen findet, füge 
hiezu noch eine Kälte von 20—24 Graden und nur 
leidlich gekleidete Mannſchaft, ununterbrochen beun— 
ruhigt vom wallachiſchen Landſturm, fortwährend ohne 
Raſt, Tag und Nacht marſchirend; fo muß man über 


en 


die Kühnbeit einer ſolchen Unternehmung ftaunen und 
dem Muthe ſowie der Ausdauer der Truppen ſeine 
bhöchſte Bewunderung zollen. 

Oberſtl. Czetz marſchirte am 17. Januar von 
10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachts von Thorda 
bis Eleker, wo die Truppen 5 Stunden lang bi— 
vouaquirten, von da am 1Sten nach Balaäsfalva, das 
von wallachiſchem Landſturm beſetzt war, weshalb 
fie die Nacht in Szancſal zubringen mußten, um 
Tags darauf den Angriff mit friſchen Kräften unter— 
nehmen zu können. Allein ein Paar Kanonenſchüſſe 
und die wahrſcheinlich zu ihnen gelangten Kunde von 
Bems Erfolgen reichten hin, die Landſtürmer zu zer— 
ſtreuen. Denn am 19ten Morgens erſchienen ſchon 
Abgeordnete mit der Friedensfahne, den Ort zu über— 
liefern, nachdem in der Nacht derſelbe von allen 
Wallachen mit ihrem öſterreichiſchen Commandanten 
verlaſſen worden war. Als Oberſtl. Czetz ohne An— 
ſtand einrückte, war es ein Wunder, daß es ihm ge— 
lang, ſeine Truppen vom Niederbrennen und Plün— 
dern dieſes Hauptſitzes der wallachiſchen Faction 
zurückzuhalten, da faſt jeder einzelne Soldat einen 
gemordeten oder geſchändeten Verwandten, oder ein 
geraubtes oder zeritörtes Gut an den Söldlingen des 
Biſchof Saguna, dieſes Haupträdelsführers der Ca— 
marilla, oder den Trabanten des wallachiſchen Comite, 
dieſes Centralorgans des ſyſtematiſch angeregten Na— 
tionalbaffes, zu rächen hatte. Die energiſchſten Ans 


152 


ftalten des Commandirenden ſchützten Baläsfalva und 
es wurden ſogar zwei Compagnien des 31. Batail- 
lons zu ſeinem Schutze zurückgelaſſen. Hieher brachte 
auch ein Courier, mit einer Escorte von ſechs Wil— 
helm-Huſaren den weiteren Befehl Bems, ohne Auf— 
enthalt nach Viz Akna zu marſchiren und jedenfalls 
am 20ſten dort einzutreffen. 

Die Truppen hatten alſo kaum Zeit, abzueſſen 
und weiter wurde marſchirt, wieder querfeldein, 
ohne Weg noch Steg, am linken Ufer der Kokel 
bis Holdviläg, wo eine ſechsſtündige Ruhe geſtattet 
war. Am A19ten in der folgenden Nacht, und am 
20ſten ging der Marſch über Kiß Selyk und Nagy 
Selyk, wo die Truppen Mittagsraſt hielten, nach 
Viz Akna über ungeheure wüſte Bergrücken uud ſteile 
unwegſame Abhänge. Am 20ſten endlich, um 2 Uhr 
Nachts, gelangte Oberſtl. Czetz mit ſeiner Colonne 
nach Viz Akna. Bem hatte ihm mittelſt ein Paar nach 
Nagy Selyk geſandter Worte andeuten laſſen, daß er 
ſeinen Truppen am 20ſten in Stolzenburg Ruhe gönnen 
und am 21ſten vor Hermannſtadt die Schlacht liefern 
wolle, welche ihn in den Beſitz dieſes Hauptopera— 
tionsobjectes ſetzen ſolle. 

Bevor wir jedoch zur Schilderung dieſer erſten, 
im Kleinen großartigen Schlacht übergehen, iſt es 
nöthig, den Leſer mit der Lage der Stadt und ihrer 
Umgebung, ſowie mit ihren Vertheidigungsanſtalten 
bekannt zu machen. 


153 


Hermannſtadt liegt im Thale der Cibin, auf 
den letzten Abhängen des nördlichen Zweiges der 
Keérbunär Cſova- und Gupäri-Berge. Die Stadt 
iſt, wie alle ſächſiſchen Städte Siebenbürgens, von 
einer Ringmauer umgeben, deren in gewiſſen Ent— 
ſernungen bervoſpringende Thürme die Linie der 
Courtinen, wie bei regelmäßigen Befeſtigungen be— 
ſtreichen, und großentbeils gut erhalten, nur auf der 
einen gegen Schellenberg offnen Seite der Stadt 
durch proviſoriſche Befeſtigungen erſetzt waren. Auf 
der Südſeite fließt die Cibin, und dient folglich dort 
als Wallgraben. Was aber Natur und Nachlaſſen— 
ſchaft des Mittelalters verſäumt hatten, das erſetzte 
die Kunſt der Neuzeit und man muß geſtehen, daß 
die öſterreichiſchen Ingenieure, unterſtützt von den 
fanatiſirten Sachſen, aus dieſem zum Theil offnen 
Orte, eine ſo ſtarke proviſoriſche Feſtung gemacht 
batten, daß nur die Kühnheit und der raſche ſtrate— 
giſche Ueberblick des General Bem es unternehmen 
konnte, dieſen wohlbefeſtigten place de moment ohne 
förmliche Belagerung nehmen zu wollen. Alle Vor— 
ſtädte, welche jenſeit der Cibin liegen, zum Theil 
durch Sumpf und naſſe Gründe gedeckt, waren mit 
Feldmarken umgeben, welche nicht nur alle Commu— 
nicationslinien und Eingänge beherrſchten, ſondern 
ſich auch gegenſeitig beſtrichen und nur einen Zugang 
von jeder Seite, unter wohl angebrachtem Kreuzfeuer 
geſtatteten. Außerdem wurden dieſe Schanzen von 


154 


den auf den Wällen und Thürmen poſtirten Geſchützen 
vertheidigt. Ein Kranz von Redouten, Kronwerken 
und geſchulterten Flechen umgab Hermannſtadt von 
Schellenberg über Hammersdorf bis Neppendorf; 
alle Gaſſen der Stadt waren verpalliſadirt oder durch 
Verhaue, Tambours, welche an manchen Stellen 
doppelt und dreifach hintereinanderlagen, geſchloſſen; 
die Plattform der alten Thürme hatte man in Stand 
geſetzt, neue errichtet und alle mit 18 und 24 Pfün- 
dern bepflanzt, die Bruſtwehr auf den Ringmauern 
zur Vertheidigung hergerichtet und Bankets, Schieß— 
ſcharten u. ſ. w. gemacht; kurz Hermannſtadt war 
ganz paſſend zu einem wohlbefeſtigten Hauptmunitions—, 
Adjuſtirungs- und Armirungsdepot der kaiſerlichen 
Südarmee eingerichtet worden. Auf der Nordweſtſeite 
der Stadt erſtreckt ſich auf Kanonenſchußweite eine 
kleine Ebene, welche, nach allen Richtungen von Ab— 
zugsgräben durchſchnitten, mit Weiden und Geſtrüpp 
bepflanzt iſt. Dieſe Ebene wird von den Gebirgs— 
abhängen bei Kis Cſür, Nagy Cſür und Hammers— 
dorf vollkommen beherrſcht. Die Hauptſtraße zieht 
ſich von Stolzenburg über Großſcheuern (N. Efür) nach 
Hermannſtadt, eine Vieinalſtraße von Viz Akna über 
Kis Cſür eben dahin. 

Es fehlte nicht viel daran, daß dieſer wohlbefe— 
ſtigte, mit allen Vertheidigungsmitteln wohl verſehene 
den größten Tbeil der kaiſerlichen Südarmee beher— 
bergende place de moment, von General Bem mit 


155 


feiner Handvoll Leute erobert worden wäre. Es iſt 
aber die moraliſche Nachwirkung wohlbenutzter Siege, 
daßt geſchlagene Truppen ſelbſt in der Ueberzahl und 
von Mauern und Erdbefeſtigungen geſchützt, dem 
muthigen Angreifer keinen großen Widerſtand entge— 
genzuſetzen vermögen. Die geiſtige Abſpannung, die 
Auflöfung der Bande des Gehorſams war in Folge 
der nimmer raltenden Verfolgung Bems unter der 
Garniſon Hermannſtadts bis zu einem ſolchen Grade 
geſteigert worden, daß die kaiſerlichen Officiere am 
20. Januar eine Verſammlung hielten, in welcher 
ſie, Puchner für einen Verräther erklärend, den Ge— 
neralmajor Kalliany aufforderten, das Commando zu 
übernehmen, indem F. M. L. Caſtiglioni ſich deſſen 
geweigert hatte. Und doch war es diesmal Puchner, 
welcher Hermannſtadt vor einer ſchmählichen Capitu— 
lation bewahrte. 

Aus dem Geſagten ergiebt ſich, daß Bem den 
moraliſchen Calcul richtig gemacht hatte, daß aber ſeine 
Berechnung an der Unzulänglichkeit ſeiner Mittel 
ſcheitern mußte. Um dies anſchaulicher zu machen, 
müſſen wir den Beſtand beider Armeen vergleichen 
und wir werden daraus die Ueberzeugung entnehmen, 
daß das Reſultat, den Fall einer ſchmählichen Flucht 
des Feindes ausgenommen, eben kein anderes ſein 
konnte, als das wirklich erlangte: nämlich ein ebren- 
voller Rückzug Bems von den Mauern Hermann— 


156 


ſtadts. Bems Armee beſtand am 21. Januar 1849 
aus: 


Infanterie. 

4. Honvedbataillon .. 900 Mann 

Wiener Legiin dg 400 „ 

2. Szeklerbataillon ... 750 „ 

55. Honvedbataillon .. . 40 „ 

44 „ 4 „ el unt. Oberſt 

91. 1 „ (4. Comp.) 400 „ \lieut. Czetz. 

3750 Mann. 

Cavalerie. 

1 Diviſion Mätyas-Huſaren 240 Mann 

ingen Szekler 300 „ 


1 Escadron Wilhelm-Huſaren 100 — 

1 Escadron Maͤtyas-Huſaren 160 „unt. Oberſt⸗ 

Kreß Chevaurlegers .... 75 „ flieut. Geb. 

575 Mann. 
Artillerie. 

2 Batterien Sechspfünder . 12 Geſchütze 

½ Batterie „Debrecziner 6 u 

1 1 Dreipfünder .. 6 „ unt. Oberſt— 

1 „ Sechspfünder . 6 „ Bun Getz. 
28 Geſchütze. 

Die kaiſerliche Südarmee in Hermannſtadt zählte: 
Zwei Brigaden Infanterie, mindeſtens 6000 M. 
Eine Brigade Cavalerie ..... 1000 „ 
Seldgeſchüg : at ed „ene 30 Kanonen 
Poſitionsgeſchütz .... .... 24 15 


Dazu läßt ſich rechnen die mobile Hermann 
ſtädter Nationalgarde mit 4000 Mann, welche ins 
Feld rückten und ſich an der Schlacht betheiligten, 
wogegen wir ein paar Tauſend wallachiſche Natio— 
nalgarden, ſowie 150 wallachiſche Lanciers, als ohne— 
dies unbrauchbare Soldaten, gar nicht mitrechnen. 
Dies iſt die geringſte Zahl der kaiſerlichen Streiter, 
welche ſich vielleicht noch um ½ böber belief; aber 
auch obige, der ungariſchen doppelt überlegene, auf 
einen woblbefeſtigten Platz geſtützte Macht reicht hin, 
um die Kühnheit Bems, fo wie die Bravour feiner 
Armee zu veranfchaulichen. “) 

General Bem war ſchon in der Nacht des 
20. Januar nach Großſcheuern vorgerückt und 
hatte die kaiſerlichen Vorpoſten herausgefordert, 
zugleich aber einen Ordonnanzofficier an den Oberſt— 
lieutenant Czetz geſandt, um ihn von dem am folgen— 
den Tage vorzunehmenden Angriffe in Kenntniß zu 
ſetzen. Dieſer Officier war aber in der Nacht, ehe 
die Colonne von Czetz dort anlangte, in Viz Akna 
eingetroffen, hatte in den erſten Häuſern des Ortes 
erfahren, daß ſich noch eine kaiſerliche Salzwache 
dort befände und war unverrichteter Sache wieder 


*) Die Esquisse ete. p. 50 giebt Puchners Streitkräfte auf 
4000 Mann und 18 Kanonen von kleinem Kaliber an, Bems 
Macht aber auf 12000 Mann mit 24 ſchweren Kanonen. Frei⸗ 
lich müſſen die Oeſterreicher in der Umwahrbeit ihre Entichulvi- 
gung ſuchen! 


158 


umgekehrt. So kam es, daß Bem ſchon am 21. 
früh Morgens das Gefecht begann, ohne daß Czetz 
genaue Nachricht davon hatte. Der tapfere Oberſt 
Mikes Kelemen befehligte das Centrum, der ritter— 
liche Graf Bethlen Gergely den linken Flügel, zu 
welchen die Czetz'ſche Brigade den rechten Flügel bil— 
den ſollte. Das Wetter war etwas ruhiger gewor— 
den und Hermannſtadt lag in dichtem Nebel gehüllt 
vor den kampfluſtigen ungariſchen Kriegern da; nur 
die Thürme erhoben ſich gleich drohenden Rieſen aus 
dem geſtaltungsloſen Nebelgebilde. Bem ſchlug die 
Entmuthigung des Feindes ſo hoch an, daß er jeden 
Augenblick das Erſcheinen eines Parlamentairs mit 
der weißen Fahne erwartete. Auch die Stadt glaubte 
an eine Uebergabe und der größte Theil der Hauptreagec— 
tionairs hatte ſich bereits mit allem Gepäcke, jo wie 
den Kriegs- und ſächſiſchen Univerſitätskaſſen nach 
dem Rothenthurmpaſſe geflüchtet. Als aber drei Me— 
diaſcher Einwohner, welche ihre Landsleute in Her— 
mannſtadt zur Uebergabe auffordern ſollten, indem ſie 
ihnen die humane, verſöhnliche Handlungsweiſe Bems in 
Mediaſch mittheilten, unverrichteter Sache zurückkehr— 
ten, da war die Schlacht beſchloſſen. Oberſt Mikes 
marſchirte mit der Avantgarde und leitete die Auf— 
ſtellung des Centrums, während Major Bethlen mit 
der Cavalerie gegen Hammersdorf in die Ebene de— 
ployirte. Die Kaiſerlichen hielten ſich in den vor 
den Vorſtädten belegenen Gräben und Verſchanzun— 


— — — 


159 


gen verborgen, ihre Cavalerie ſtand regungslos in 
der Ebene nach Hammersdorf zu. Feierliche Stille 
berrſchte. Den linken Flügel bildete die Brigade 
Loſenau, den rechten die Brigade Kalliany, das Cen— 
trum führte Puchner. Oberſt Mikes rückte langſam 
mit dem Centrum immer weiter vor, bis an eine 
ungefahr 1500 Schritt vor der Vorſtadt auf der 
Strafe nach Großſcheuern belegene Brücke, wo die 
Kaiſerlichen eben ihre Kernſchußweite markirt hatten 
und wollte im Verein mit General Bem die Batte— 
rien placiren; da fällt ein Kanonenſchuß und Oberſt 
Mikes liegt todt auf der Erde, ein zweiter Schuß 
ſtreckt Bems Adjutanten Térey nieder und verwun— 
det einige Pferde von ſeinem Gefolge, ein dritter 
Schuß tödter das Pferd des Gallopins, Grafen Teleky 
Sandor. Die ungariſchen Truppen machten Halt und 
ſtutzten. Da eröffnete Bem, ein Paar Hundert 
Schritte rückwärts weichend, ein wohlgezieltes und 
gut unterhaltenes Artilleriefeuer. Die Kanonade 
dauerte von 7 Uhr Morgens bis 11 Uhr Mittags. In— 
zwiſchen verſuchten die Szekler und die Wiener Legion 
zu ſtürmen, mußten aber dem furchtbaren Kleinge— 
webr- und Kartätſchenfeuer der Kaiſerlichen weichen, 
wie auch einige von der Cavalerie auf die in freiem Felde 
poſtirte Batterie gemachten Angriffe zurückgewieſen 
wurden. Die Ungarn fochten wie Löwen, von der 
Wiener Legion blieben nur 90 Mann übrig, die Mä- 
tyas⸗ und Wilhelm-Huſaren ſtanden ſechs Stunden 
regungslos im ſtärkſten Artilleriefeuer. Mebrere hö— 


160 


here Officiere waren gefallen oder verwundet, die 
vier Debrecziner Kanonen demontirt, die Pferde der 
6pfündigen Cavaleriebatterie großentheils erſchoſſen, 
die Munition fing an zu mangeln und doch hielt ſich 
Bem ſo feſt am Abhange des Berges bei Groß— 
ſcheuern, daß die Kaiſerlichen nur mit der Artillerie 
gegen ihn kämpften, ohne einen Sturm zu wagen. 
Da erſchien um 11 Uhr Vormittags die Colonne 
des Oberſtlieutenant Czetz an dem Bergrande, wel— 
cher in der Richtung auf Viz Akna die Hermann— 
ſtädter Ebene begränzt. Ein tauſendfaches Eljen er— 
ſcholl von den Truppen Bems uud das Centrum 
rüſtete ſich ſofort zum erneuerten Sturm mit dem 
Bajonet. Die Sonne hatte den Nebel durchbrochen 
und das Ziel ſo vieler Mühſal und Anſtrengung 
zeigte ſich, entkleidet vom düſteren Gewande, deutlich 
unſern Blicken. Es war ein wahrhaft großartiges 
Schauſpiel und der von ihm hervorgebrachte Eindruck 
wird für alle damals Anweſenden ein unvergeßlicher 
bleiben. Oberſtlieutenant Czetz beabſichtigte eigentlich 
die bei Neppendorf angelegten Schanzen zu ſtürmen 
und von dieſer Seite in die Stadt eindringend, dem 
Feinde den Rückzug gegen Carlsburg unmöglich zu 
machen, und ihn zum Rothenthurmpaſſe zu treiben. 
Dieſe Abſicht ward indeß durch die Ungeſchicklichkeit 
des Avantgardenführers, Major Palffy vereitelt, wel— 
cher ſich von Großſcheuern gegen den Viz Aknaer Weg 
nördlich wandte, ſtatt den eingeſchlagenen Weg zu 


— 


verfolgen. Deshalb erſchien auch jene Colonne 
ein Paar Stunden ſpäter auf dem Kampfplatze. Kaum 
aber defilirte fie in die Ebene, als auch das 31. Ba: 
taillon unter dem wadern Dobay, das 11. Bataillon 
unter Inczedy, dem Unerſchrocknen, und die Artillerie 
unter der geſchickten Leitung des Artilleriehaupt— 
manns Bohm Wunder der Tapferkeit verrichteten. Sie 
ſchritten, alle Hinderniſſe beſiegend, gegen die Vor— 
ſtadt jenſeits der Ziegelöfen vor und waren nahe 
daran, ſich derſelben zu bemeiſtern. Da wird der 
Colonnencommandant gewahr, daß der Sturm des 
Centrums mißlungen iſt und Bems Truppen in Auf— 
löfung gegen Großſcheuern fliehen, wozu die kaiſer— 
lichen Muſikbanden in bosbafter Freude ein ſolennes 
„Gott erhalte“ ꝛc. ſpielen. Das Glück hatte ſich 
gewendet und es blieb dem Oberſtlieutenant Czetz 
nichts weiter übrig, als gleichfalls den Rückzug anzu— 
treten, welcher, ohne vom Feinde auch nur durch eine 
Patrouille beläſtigt zu werden, in größter Ordnung 
nach Ladamos, wo man die Nacht zubrachte, ausge— 
führt wurde. Bem aber machte ſeinen Rückmarſch 
auf die ihm eigenthümliche Weiſe. Die Infanterie 
und die regelloſe Cavalerie ließ er flieben, die de— 
montirten Debrecziner Geſchütze auf dem Wahlplatze, 
ſammelte aber die noch übrige kampffaͤhige Artillerie, 
ſowie die Diviſion Maätyas-Huſaren und nahm bis 
10 Ubr Abends beſtändig Poſition, wodurch er die 
feindliche Verfolgung nicht nur lähmte, ſondern auch 
11 


162 


den Sieg ſchwächte. Freilich war er geſchlagen, feine 
Munition fo verſchoſſen, daß ihm kaum 20 Schuß 
übrig blieben; dennoch konnten die Kaiſerlichen keine 
Gefangenen machen und Bem blieb zwei Stunden 
von Hermannſtadt ſtehen, ſo zu ſagen vor den Tho— 
ren, immer mit erneuertem Angriff drohend. So 
konnte man beinahe eher von einem unbenutzten Siege, 
als von einer Niederlage reden und nie hat Bem 
ſich jo groß gezeigt, als in dieſem gefahrvollen Au? 
genblicke, wo Alles auf dem Spiele ſtand und wo 
von ſeinen Entſchlüſſen, wie ſeiner Feſtigkeit, der mo— 
raliſche Einfluß ſeines Namens und alle bis dahin 
errungenen Vortheile abhingen. Bem handelte hier, 
wie einem großen Feldherrn zukommt: Alles um ihn 
her brach zuſammen, nur er blieb feſt, kaltblütig 
überlegend; er wußte, daß, Stolzenburg verlaſſen, ſo 
viel bedeute, wie Siebenbürgen aufgeben. Daher 
war er überall, wählte die Poſitionen für feine Geſchütze 
ſelbſt, ließ den verfolgenden Feind bis auf Schuß— 
weite herankommen und fügte ihm dann mit ein Paar 
wohlgezielten Salven mehr Schaden zu, als viel— 
leicht während der Schlacht ſelbſt. In Stolzenburg 
angelangt, placirte er ſelbſt die Kanonen auf einem 
Bergabhange am Ausgange des Ortes, ließ mit 
Kartätſchen laden und feuerte eigenhändig jedes Ge— 
ſchütz auf die heranſtürmenden Infanterieabtheilungen 
ab da wurde es Nacht und der Feind bekam wieder 
Reſpect vor dem geſchlagenen Bem. Die Oeſterrei— 


163 


cher ließen von ihrer Verfolgung ab, begnügten ſich 
damit, lediglich Vorpoſten in Großſcheuern zurückzu— 
laſſen und concentrirten ſich insgeſammt wieder in 
Hermannſtadt, wo am 22. das Corps Gedeons noch 
zu ihnen ſtießt. 

In Verein mit den Patriciern Kronſtadts und 
Hermannſtadts ſuchte jetzt Puchner eigenmächtig die 
Hülfe der Ruſſen zu erlangen. Muchner verſicherte, 
weil er die Verantworlichkeit dieſes Schrittes nicht 
allein auf ſeine Schultern nehmen wollte, wiederholt 
den Bürgern beider Städte, daß er zu ſchwach ſei, 
ſie vor den Rebellen zu ſchützen; zugleich ließ 
er Subſcriptionsbögen vertheilen, auf welchen die 
Unterzeichneten den Commandirenden, alſo Puchner 
ſelbſt, erſuchten, um jeden Preis für das hartbedrängte 
Sachſenland gegen die Greuelthaten der Inſurgenten 
ruſſiſche Hülfe herbeizurufen. Dies geſchah. Der 
Befehlshaber der ruſſiſchen Truppen in der Wal— 
lachei, General Lüders, willfabrte dem Geſuch, ſandte 
zwei Abtheilungen ſeiner Truppen über die Grenze 
und ſie zogen am 1. Februar unter Engelhardt in 
Kronſtadt, am 1. Februar unter Sfariatin in Her— 
mannſtadt ein. Nun erſt wagte ſich Puchner gegen 
Stolzenburg. “) 


) Bei der Einnahme Hermannſtadts fand ſich unter Puchners 
Papieren ein in den letzten Tagen des Januar aus Bukareſt datirtes 
Schreiben des dort angeitellten öſterreich. General-Conſuls, Herrn 


a8.” 


u) 7 


164 


— 


Acht volle Tage vergingen, ehe der Feind gegen 
den geſchlagenen, ja für vernichtet erklärten Bem 
wieder einen Angriff zu unternehmen wagte. Aber 
dieſe acht Tage reichten für Bem vollkommen hin, 
um ſeine zerſprengten Kräfte zu ſammeln, die des— 
organiſirten Elemente zu regeln, die Disciplin herzu— 
ſtellen und ſich mit Munition zu verſehen, um friſch— 
gerüſtet frohen Muthes den Gegner empfangen zu 
können. | 

General Bem war nur mit einer Escadron 
Wilhelm-Huſaren, 1 Diviſion Mätyas- Hufaren und 
ein Paar Compagnien des vierten Honvedbataillons 


Timoni an den commandirenden kaiſerlichen F. M. L. vor, aus 
welchem wir, als auf die ruſſiſche Intervention bezüglich, folgende 
Punkte herausheben wollen: 

1) Die Hermannſtädter und Kronſtädter Bürger bitten um 
ruſſiſche Hülfe, aber General Lüders verſagt dieſelbe den genann— 
ten Bürgern. 

2) Die ruſſiſche Regierung heißt Lüders negirende Antwort 
gut; ermächtigt ihn jedoch, die Hülfe alſogleich zu leiſten, ſobald 
dieſe durch die Regierungsgewalt tin Siebenbürgen beanſprucht 
würde. 

3) Lüders zieht ein mobiles Obſervatlons-Corps an der 
Siebenbürger Grenze zuſammen, da mit dieſes für den Fall, wenn 
Beiftand verlangt werden würde, ſogleich zum Einmarſch bereit fei. 

4) Alle dieſe Notenwechſel werden dem commandirenden Ge— 
neral durch Herrn Timoni mitgetheilt. Hierauf ward (nach der 
esquisse de la guerre de Hongrie), im Kriegsrathe zu Her— 
mannſtadt die Hülfe-Anrufung beſchloſſen und nach dem 21. Ja- 
nuar effectulrt. Siehe den Anhang. 


165 


in Stolzenburg fteben geblieben. Am 22. beorderte 
er ſofort alle nach Nagy Selyk entflobenen Truppen, 
die Colonnen des Oberſtlieutenants Czetz, ſo wie 
das Bataillon Kemenys aus Mediaſch, zu ſich, ſchrieb 
nach Maros-Vaſärhely und Klauſenburg, um Verſtär— 
kungen und Munition zu erhalten, ordnete ein Paar 
eremplariiche Beſtrafungen an, welche jedoch meiſtens 
Officiere trafen, und ſetzte ſich überhaupt in Stol— 
zenburg feſt. Zugleich ſchrieb er an die Landes— 
Regierung, auf Verſtärkungen dringend, da er ſich 
mit den Szeklern noch nicht hatte in Verbindung 
ſetzen konnen. Major Kemény war in Folge der 
erhaltenen Ordre von Mediaſch in Eilmärſchen als 
er Erſte mit ſeinem Bataillon in Stolzenburg er— 
ſchienen und erwarb ſich dadurch in Bems Augen 
ein großes Verdienſt, welcher ihn ſogleich zum Oberſt— 
lieutenant und Chef des conseil seeret ernannte. 
Dem Oberſtlieutenant Czetz konnte Bem ſein ver— 
ſpätetes Eintreffen zur Schlacht bei Hermannſtadt lange 
nicht verzeihen, ließ ihm aber die Gerechtigkeit wider— 
fahren, daß er den Urbeber des Fehlmarſches, Major 
Palffy verabſchiedete und ſpäter ſelbſt eingeſtand, daß 
dieſes Mal Hermannſtadt ſchwerlich hätte behauptet 
werden können. Das iſt ſehr wahr und dies Einge— 
ſtändniß ſpricht für Bems tiefe Einſicht in die Lage 
der Dinge. Czetz ſeinerſeits beging darin jedenfalls 
einen Febler, daß er ſich von Ladamos nicht direct 


166 


auf Stolzenburg zurückzog, ſondern erſt den Umweg 
über N. Selyk machte. 

Wir ſind jetzt bei der Schilderung einer Zeit 
angelangt, wo das Glück Bem und ſeine Armee zu 
fliehen begann und die Verhältniſſe ſich ſehr zu deren 
Nachtheil geſtalteten; wie es faſt ſcheinen möchte, nur 
zu dem Zwecke, um Bems Genie, die Unerſchrocken— 
heit ſeiner Officiere, und den durch nichts zu beugen— 
den Muth ſeiner Truppen in ein deſto helleres Licht 
zu ſetzen. Bem befand ſich nach der Hermannſtädter 
Schlacht wahrlich in keiner glänzenden Lage. Er 
hatte ſich von ſeiner Operationsbaſis, deren Endpuncte 
Klauſenburg und Maros-Väſärhely bildeten, zu weit 
entfernt, um die ſo nöthige Munition ſicher und 
zeitig genug erhalten zu können; Truppenverſtärkun— 
gen konnte er von dort nicht erwarten, denn dieſe 
Städte waren ſelbſt nicht mit zureichender Garniſon 
verſehen. Die Regierung konnte ihm Succurs nur 
auf der Maroslinie vom Arader Cernirungscorps 
ſenden, und mußte ihn obendrein erſt durch ein De— 
tachement aufſuchen laſſen, welches ſowohl von 
Carlsburg als vom Bannat aus bedroht worden 
wäre. Um mit den Szeklern in Verbindung treten 
und fie für die ungariſche Sache wieder zu gewinnen, 
mußte zu einem verzweifelten Mittel gegriffen werden, 
nämlich das zweite Szekler Infanteriebataillon und 
die Szekler Huſarendiviſion nach Hauſe zu ent— 
laſſen, damit fie ihre Landsleute von dem Stande 


167 


der Dinge unterrichten und ſie zum maſſeweiſen An— 
ſchluß an Bems Armee veranlaſſen könnten. Uleber— 
dies mußte man ihnen das vorhandne wenige Geld 
mitgeben. Und nach allem Dieſen ſtand man mitten 
in Feindes Land, zwei Stunden vom Hauptopera— 
tiensobjecte entfernt, einem doppelt und dreifach 
überlegnen, mit Munition, Geld und allem Erforder— 
lichen reichlich verſehenen Feinde gegenüber, welcher 
zum Ueberfluß noch die zum Einmarſch aus der Wal— 
lachei bereitwilligen Ruſſen als Reſerve hatte! Wenn 
man alles Das erwägt, ſo wird man erſt den wahren 
Maßſtab für die nun folgenden Begebenheiten ge 
funden baben; man wird gezwungen fein, über die 
Untbätigfeit und Unfähigkeit der Kaiſerlichen Gene— 
räle zu ſtaunen und Bems Talente zu bewundern. 
Der erſte Act dieſes intereſſanten Dramas war 
die Schlacht bei Stolzenburg am 30. Januar 1819. 
Dieſer Ort liegt auf der Poſtſtraße von Hermannſtadt 
nach Mediaſch in einem Bergkeſſel, auf allen Seiten 
von Höhen ſo umgeben, daß er in jeder Richtung 
umgangen oder dominirt werden kann, und die dort 
befindlichen Truppen im wahren Sinn des Wortes 
in einem Mauſeloch ſtecken, welches keine andere 
Wahl läßt, als zu ſiegen oder zu ſterben. Denn der 
einzige Ausweg gegen Ladamos zu, im Thale eines 
Gießbaches, iſt ſo ſchmal, daß er mittelſt eines einzi— 
gen Infanteriebataillons geſperrt werden kann. In 
dieſem Bergkeſſel ſtand Bem mit ſeiner Armee und 


168 


hatte nur ſehr ſchwache Detachements nach Nagy 
Selyk und Mediaſch zur Erhaltung der Communica— 
tion entſendet. Er hatte ſelbſt dieſe Poſition für die 
unglücklichſte von der Welt erkannt und harrte dort 
nur deshalb aus, um ſeiner Armee und dem Lande 
durch ſein Verweilen in der Nähe Hermannsſtadts, 
ſelbſt nach dem Bekanntwerden der verlornen Schlacht, 
moraliſch noch zu imponiren. In dieſer ſchlechteſten 
aller Poſitionen beſtand ſeine Macht aus 3200 Mann 
Infanterie, 600 Mann Cavalerie und 25 Geſchützen, 
wogegen der Feind wenigſten 6000 Mann Infanterie, 
1000 Mann Cavalerie, 70 Geſchütze, 6000 Mann 
zu Fuß dienende und 200 Mann reitende ſächſiſche 
und wallachiſche Nationalgarden beſaß. Der Feind 
war mithin drei Mal ſtärker als Bem, deſſen Armee 
überdies durch unabläſſigen Vorpoſten- und Patrouil— 
len-Dienſt phyſiſch faſt ganz erſchöpft und mit Mu— 
nition höchſtens noch auf zwei Schlachten verſehen 
war. Die Szekler waren am 29. nach Mediaſch 
abmarſchirt. N 

Am 30. Januar rückte Puchner mit ſeiner ge— 
ſammelten Macht — er hatte nämlich die Truppen 
Gedeons aus Kronſtadt und ſeiner Umgebung inzwi— 
ſchen an ſich gezogen — gegen Stolzenburg vor. Zwei 
Brigaden mit zwölf- und achtzehnpfündigem Feldge— 
ſchütz marſchirten auf der Hauptſtraße zum Front⸗ 
angriff, eine Brigade mit der großen Maſſe von 
Nationalgarden rückte von Viz Akna im Thal des 


100 


erwähnten Gießbaches von Ladamos in der rechten 
Flanke, eine halbe Brigade von Kakasſalva +) über die 
Gebirge in der linken Flanke vor und eine halbe 
Brigade war vom letztgenannten Orte nach Rüsz ) 
marſchirt und hatte die gleichnamigen Höhen im 
Rücken Bems beſetzt. Gegen 1 Uhr Nachmittags 
meldeten die ausgeſandten Patrouillen dem General 
das Herannaben des Feindes. Er ſetzte, ohne Notiz 
davon zu nehmen, ruhig fein Diner weiter fort. 
Seine Officiere ließen ſich's im Pfarrhauſe bei Wein 
und fröhlicher Muſik wohl ſchmecken; denn die Klau— 
ſenburger Zigeuner waren mit der Colonne des Oberſt— 
lieutenant Czetz gezogen. Als die wieder ausgeſand— 
ten Patrouillen die Nachricht vom Nahen des Feindes 
beſtätigten und Bem eine flüchtige Recognoscirung 
vornahm, begannen ſofort die Kanonen von den Rüszer 
Höben zu ſpielen und das Artilleriegefecht nahm in 
der Front wie auf beiden Flanken zugleich ſeinen 
Anfang. Die Kaiſerlichen mußten glauben, Bem im 
Orte überraſcht zu haben, allein dieſe Täuſchung 
dauerte nur eine kurze Weile. Bems Truppen waren 
auf den erſten Allarmſchuß in Reihe und Glied und 
wurden von ihm auf das Zweckmäßigſte vertheilt. 
Das vierte Honvedbataillon beſetzte die Höhen vor 
der Front, das 55. Bataillon erhielt die Aufgabe, den 
Feind auf der rechten, das Keményſche ihn auf der 


1) Hanenbach. 
) Reuſſen. 


170 
linken Flanke zurückzuweiſen, das 11. und 31. Bas 
taillon mit einer Escadron Mätyäs-Huſaren und 
6 Kanonen hatten unter Oberſtlieutenant Czetz gegen 
Rüsz zu operiren, während die übrige Cavalerie 
als Reſerve im Orte ſtehen blieb. Um 2 Uhr Nach⸗ 
mittags begann von beiden Seiten eine fürchterliche 
Kanonade. General Bem, welcher gegen das feind— 
liche Centrum operirte, fügte mit ſeinen Geſchützen 
demſelben nach und nach ſolchen Schaden zu, daß 
die kaiſerliche Artillerie zeitweilig ſchweigen mußte, 
jo lange nämlich, bis die demontirten Geſchütze durch 
andere erſetzt waren. Vergebens ſtrebte der Feind, 
mit Granaten den Ort anzuzünden, oder die Reihen 
der Cavalerie in den Gaſſen zu lichten, oder durch 
Bajonetangriffe die Infanterie von ihren Höhen 
herabzuwerfen; denn Bem ſtand unerſchüttert, wie 
der Gott des Krieges und ſeine Truppen folgten 
dieſem Beiſpiele. Keiner wich vom Platze, mochten 
auch Flammen den Ort und die Kleidung der Sol— 
daten beſchädigen und der Kugelregen überall hin 
Tod und Verderben ſäen. Bis 4 Uhr Nachmittags 
hatte der Feind nicht einen Zoll breit Terrain gewon— 
nen; im Gegentheil war es Czetz gelungen, durch 
ein wohlgerichtetes Feuer die Geſchütze der Ruszer 
Halbbrigade zu demontiren: freiwillige Compagnien 
des eilften Bataillons hatten, auf Händen und Füßen 
kriechend, den ſteilen Berg, auf welchem jene Batte— 
rien ſtanden, erklommen und ſich dieſer Geſchütze bei— 


| 


171 


nabe bemädstigt; aber der Feind hielt für geratben, 
vor dieſen jungen Helden Reißaus zu nehmen und 
ſich in die Wälder zu ziehen. Kaum gewahrte das 
Bataillon Kemény auf der linken Flanke, daß der im 
Rücken ſtebende Feind geworfen ſei, ſo ging es aus 
der Defenſive zur Offenſive über und griff den ihm 
gegenüberftebenden Feind, welcher nach Kakasfalva 
kampfend zurückwich, mit dem Bajonet an. Das 
55. Bataillon bielt auf der rechten Flanke die An— 
greifenden der Art in Schach, daß ſie, trotz ihrer 
großen Ueberzahl ſich nicht einen Schritt vorwärts 
wagten und ſogar bei einbrechender Nacht ihren 
Rückzug antraten. Auch die Nationalgarden batten 
genug von der Sache. Im Centrum kämpfte der 
Feind hartnäckig fort; aber alle ſeine Anſtrengungen, 
durch ein überlegnes furchtbares Artilleriefeuer den 
Eingang in den Ort zu erzwingen, ſcheiterten an der 
Kaltblütigkeit Bems und der Ruhe feiner Braven- 
Um 6 Ubr war das Treffen zu unſern Gunſten ent— 
ſchieden und wenn noch bis 8 Uhr fortgekämpft 
wurde, fo geſchab es von Seiten der Kaiſerlichen 
aus Eitelkeit, von Seiten Bems, um ſich den Erfolg 
zu ſichern und nebenbei ſeinen Truppen das herrliche 
Schauſpiel eines Nachtgefechtes zu goͤnnen. Endlich, 
gegen 8 Uhr Abends zog ſich auch im Centrum der 
Feind zurück und erklärte Bems Stellung für unein— 
nebmbar! Unſere Truppen tbaten ſich in den war: 
men Behauſungen Stolzenburgs gütlich, während die 


172 
Kaiſerlichen in den Waldungen bei Großſcheuern!) 
bivouaquirten. Bem dachte indeß an die Benutzung 
des errungenen Vortheiles. Am Morgen des 31. 
ließ er alle ſeine Truppen ausrücken und ſchickte den 
Oberſtlieutenant Kemény mit der ganzen Infanterie 
auf der Hauptſtraße gegen Großſcheuern, während 
er ſelbſt mit der Cavalerie und Artillerie ſich im Lada— 
mos-Thale gegen Viz Akna wandte und nach einem 
halbſtündigen Marſche, die Höhen erklimmend, den 
Kaiſerlichen auf halbem Wege zwiſchen Großſcheuern 
und Stolzenburg, auf gleicher Linie mit Viz Akna 
in der Flanke erſchien. Durch dies Manöver ſahen 
ſich die Kaiſerlichen genöthigt, auf alle etwanige Ab— 
ſichten zur Erneuerung ihres Angriffes zu verzichten 
und ſich ſchleunigſt nach Hermannſtadt zurückzuziehen, 
wohin ihnen ſonſt der Weg abgeſchnitten werden 
konnte. Bem ſah dem Rückzuge des Feindes lächelnd 
zu und ging wieder nach Stolzenburg, um ſeinen 
Truppen einige Ruhe zu gönnen. 

Bem hatte indeſſen während des letzten Treffens 
eingeſehn, daß er in der That zu ſchwach ſei, um 
einer ſo bedeutenden Uebermacht auf längere Zeit 
die Spitze bieten oder, ſelbſt in dieſem Falle, etwas 
Erhebliches unternehmen zu können. Deshalb ent— 
ſchloß er ſich, jenen Verſtärkungen, welche ihm die Re— 
gierung über Arad zu ſenden verſprochen hatte und 


1) N. Cſuͤr. 


170 


die er jetzt in Deva vermuthete, entgegen zu ſenden, 
ſich ſelbſt aber ſo lange in der Gegend um Hermann— 
ſtadt defenſiv zu halten, bis die Ankunft Jener ihn 
zu größeren Unternehmungen befähigte. Aus dieſem 
Grunde befahl er der erprobten Colonne des Oberſt— 
lieutenant Czetz, unter Anführung Keménys, am 
1. Februar über Viz Aknat), Szerdäbely?), Szasz Sebes 
und Szäszvaros?) nach Deva zu marſchiren, dort ſich 
mit den aus Ungarn anlangenden Verſtärkungen zu 
vereinigen und mit ihnen ſogleich in Eilmärſchen zurück— 
zufebren oder ihr Eintreffen dort zu erwarten. Er 
ſelbſt wollte Viz Akna einſtweilen beſetzen und es zu 
behaupten verſuchen. Dieſe Bewegung mußte jedoch 
masfirt werden, wenn man anders die Verbindung 
mit Mediaſch noch auf einige Zeit erhalten wollte. 
Daber marſchirte Kemeny am 1. Februar mit dem 
11., dem 55. Honved- Bataillon, einer Diviſion 
Matyäs-Huſaren und 6 Sechspfündern über Viz 
Akna nach Szerdäbely, die Avantgarde Bems, der 
ihr in kurzem Zwiſchenraume folgte, bildend. Czetz 
war ſchon früher mit dem vierten Honved-Bataillon, 
der Abtheilung Kreß Chevauxlegers und 6 Kanonen 
gegen Großſcheuern vorgerückt, hatte die feindlichen 
Vorpoſten hinausgeworfen, die kaiſerlichen Vortruppen 
alarmirt und dermaßen in Unordnung gebracht, daß 
er, ohne einen Schuß zu thun, in Großſcheuern 


1) Salzburg. 2) Reißmarkt. 3) Mühlenbach. 


174 


einrückte, an 40 Gefangene machte, mehre Munitions- 
wagen und Gewehrverſchläge erbeutete, und nach Alar— 
mirung der Hermannſtädter Garniſon und nachdem 
er mit einer ganzen Brigade ein Gefecht angeſponnen, 
ſich fechtend bis zu dem Punkte zurückzog, wo der 
Viz Aknaer Weg ſich von der Chauſſee trennt. Als— 
dann entzog er ſich durch eine raſche Seitenbewegung 
dem Auge des Feindes in den Wald, und marſchirte, 
da ſeine Aufgabe erfüllt war, nach Viz Akna. Ge— 
neneral Bem war unterdeſſen mit ſeinem kleinen 
Corps, aller Artillerie und Munition in dieſen Ort 
eingerückt und hatte ſeine Vorpoſten ausgeſtellt; der 
verblüffte Feind aber ſetzte ſich in Großſcheuern feſt. 


175 


Achtes Capitel. 


Stand der Bemſchen Armee in Viz Akna (Salzburg). — Bems 
Anſtalten. Die Schlacht bei Viz Akna am 4. Februar 
1849. — Beginn ven Bems glorreichem Rückzuge. — Die 
Ereigniſſe in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar in 
Mühlenbach. — Am 6. Fertſetzung des Rückzuges nach 
Abweiſung des Parlementalrs unter fortwaͤhrendem Kam⸗ 
vfe. — Erſtürmung von Szaszvaros, Abends, um ein Nacht⸗ 


lager zu haben. — Nachrichten von Oberſtl. Kemeény. 
Am 7. Treſſen bei Szäszvaros. — Bem verliert den Mittel⸗ 
finger der rechten Hand durch eine Flintenkugel. — Die 


Armee zieht ſich hinter die Brücke von Piski zurück. — 
Oberſtl. Kemény vertheidigt dieſelbe. — Bem zieht in Deva 
das Hülfscorps aus Ungarn an ſich. — Weitere Dispoſitio— 
nen. — Rückblick. 


General Bems erſte Sorge war nun, in Viz 
Akna eine ſolche Poſition zu ſuchen, in welcher er 
den Angriff des überlegnen Feindes ruhig erwarten, 
und ſich jo lange wie möglich halten könnte. Er fand 
dieſe vermöge der ihm eignen Terrainkunde ſehr bald 
in Viz Aknas nächſter Umgebung. Dieſer Ort, der 
reiche Salzquellen und ein Salinenbad enthält, liegt 
gleich Stolzenburg in einem Bergkeſſel; nur beſtebt 
der taktiſche Unterſchied zwiſchen der Situation beider 


176 


Orte darin, daß Viz Akna von Bergen umgeben 
iſt, welche nach der Richtung auf Kleinſcheuern und 
Hermannſtadt ſich in der Weite eines Kanonenſchuſſes 
öffnen. Mit dieſer weiten Thalöffnung beginnt die 
Hermannſtädter Ebene, auf welcher ſich als einzige 
Erhebung, auf der Mitte des Weges nach Hermann— 
ſtadt, ein die ganze Plaine dominirender Berg findet. 
An der Ausmündung jenes Thales vor Viz Akna 
liegen Salzgruben und das erwähnte Salinenbad, 
durch welche das Terrain mit kraterartigen Vertie— 
fungen verſehen wird, in denen ganze Infante— 
riebataillons und ein bis zwei Cavalerieescadrons 
aufgeſtellt Platz finden können, ohne von einem auf 
der Ebene heranrückenden Feinde geſehen zu werden. 
Die Seiten dieſer Vertiefungen werden durch Berge 
begrenzt, von denen aus man die ganze Ebene be— 
ſtreichen kann. Vor den Salzgruben war ein breiter 
Fahrweg gelaſſen, welcher an der Feldſeite von einem 
tiefen Graben begrenzt und auf der Hermannſtädter 
Straße mit einem Erdaufwurf verſehen war. Man 
brauchte nur den Graben etwas zu erweitern und zu 
vertiefen, um aus ihm einen für Tirailleurs brauch- 
baren Jägergraben zu machen und es bedurfte nur 
geringer Arbeit, um ihn zu einer Deckung für hinter 
ihn poſtirte Kanonen umzuwandeln. Das geſchah 
denn auch am 2. Februar unter perfünlicher Leitung 
Bems, welcher auf geniale Weiſe das Vorhandne 
zu benutzen, das Ungenügende durch Kunſt in 
etwas Zweckmäßigeres umzuändern verſtand. Noch 


177 


an demſelben Tage wurden die Truppen in ihre 
Stellungen vertheilt; ein Theil bivouaquirte an die— 
ſem, der andre am folgende Tage dort. Bem hatte 
die Gewohnheit, ſeine Truppe täglich früh Morgens 
mit Sack und Pack ausrücken zu laſſen, als ob es zur 
Schlacht oder auf den Marſch gehen ſollte und er— 
theilte ſeine Befehle gewohnlich erſt bei dieſer Gele— 
genheit: ein vortrefflicher Grundſatz, vermöge deſſen 
nicht nur Officiere und Mannſchaft ſtets ſchlagfertig 
bleiben, ſondern auch das Vorhaben vor Verrath 
geſichert bleibt. Am 3. ward eine forcirte Recog— 
noscirung gegen Hermannſtadt unternommen und die 
Zeit mit ſolchen Vorbereitungen zugebracht, als ob 
es zum Angriff gehen ſolle; obſchon Niemand ernſt— 
haft an die Möglichkeit eines ſolchen dachte. Denn 
Bems Truppen waren nach Keménys Abmarſch auf 
eine ſehr ſchwache Brigade reducirt. Sie beſtanden 


aus: Infanterie 
Dem vierten Honvedbataillon .. 800 Mann 
Keménys Bataillon 600 „ 
Vier Comp. des 31. Bataillons. 500 „ 
Wiener Legion 30: ıı% 
1930 Mann. 
Cavalerie 
Eine Diviſion Mätyas-Huſaren .. 200 Mann 
Eine Escadron Wilhelm-Huſaren . 100 „ 
Kreß⸗Chevaurleger ss. 75 „ 


375 Mann. 
12 


178 


Dazu 24 Geſchütze, unter denen ſich eine Cava— 
leriebatterie befand. Zieht man von obigem Be— 
ſtande die Kranken und Verwundeten ab, ſo wird 
man mit Staunen gewahr, daß Bem am Tage der 
Schlacht bei Viz Akna kaum 2000 Mann zu ſeiner 
Verfügung hatte, und doch mit dieſer geringen Zahl, 
ſowohl in der Schlacht, als auf dem folgenden ruhm— 
vollen Rückzuge, die merkwürdigſten Thaten voll— 
brachte. 

Am 4. Februar Morgens griff Puchner mit we— 
nigſtens 12,000 Mann und 30 Geſchützen den Ge— 
neral Bem in ſeiner flüchtig befeſtigten Stellung an. 
Dieſer hatte den Major Zſurmay mit vier Kanonen, 
der Escadron Wilhelm-Huſaren und den Kreß-Che— 
vauxlegers, dann zwei Compagnien des vierten Hon— 
vedbataillons auf den linken, den Major Bethlen 
Gergely mit der Diviſion Mätyas-Hufaren, dem 31. 
Honvedbataillon und vier Kanonen auf den rech— 
ten Flügel poſtirt und war ſelbſt mit dem übrigen 
Geſchütz, dem Bataillon Kemény, den vier Com— 
pagnien des vierten Honvedbataillons, und der 
Wiener Legion unter Oberſtlieutenant Czetz im Cen— 
trum geblieben. Auch hatte er dem Chef ſeiner Kan— 
zelei, Major Bauer, befohlen, die Bagagewagen im 
Falle eines Rückzuges nicht eher in Bewegung ſetzen 
zu laſſen, als er hiezu einen vom Bem ſelbſt aus— 
gefertigten ſchriftlichen Befehl erhalten würde. Die 
Kaiſerlichen rückten bis auf Kernſchußweite an unſere 


179 


Poſition beran, ohne daß von Bems Seite ein Schuß 
fiel. Erſt als dieſe Diſtanz erreicht war, begann 
unſere Artillerie nebſt unſerer ganz in Tirailleurs 
aufgelöften Infanterie das Feuer; dies dauerte vier 
Stunden lang, bis endlich die Kaiſerlichen an den 
einzelnen, wie vorhin erwähnt, die Fläche beherrſchen— 
den Berg zurückwichen, nicht ohne eine ziemliche 
Anzahl Todter und Verwundeter, wie auch ein Paar 
Geſchütze demontirt und zwei Munitionskarren einge— 
büßt zu haben. Der rechte Flügel der Kaiſerlichen 
wollte unſeren linken tourniren, aber Zſurmays Trup— 
pen vereitelten dies durch ſtandhafte Bravour und 
indem ſie dem Feinde ſich kühn entgegenwarfen. 
Dieſer feindliche Flügel wich zuerſt und wurde vom 
vierten Honvedbataillon verfolgt, jo wie von den 
Kreß⸗Chevaurlegers, die bier auf eine an der Höhe 
poſtirte feindliche Infanteriemaſſe eine zwar erfolg— 
loſe, aber kühne Attaque machten. Erſt einige Zeit 
bierauf retirirte die feindliche Mitte. Am rechten 
Flügel behielten beide Theile ihre urſprünglichen Auf— 
ſtellungen. Auch unſere Truppen hatten Verluſte er— 
litten, im Verhältniß zu unſerer geringen Streit— 
macht bedeutend genug, und mehre unſerer Beſpan— 
nungspferde, damals nicht ſo leicht zu erſetzen, waren 
getödtet worden. Nichtsdeſtoweniger, und unge— 
achtet der Bitten und Beſchwörungen feiner Oberoffi— 
ciere, verließ Bem mit gewobntem Umgeſtüm feine 
vortbeilbafte Stellung, ſich zur Verfolgung des Fein— 
12* 


180 


des anſchickend. Dieſer aber hatte feine geſammte 
Artillerie auf der erwähnten Höhe concentrirt und 
Bems an Zahl zu ſchwache Infanterie konnte von 
ihrem Bajonet keinen erfolgreichen Gebrauch machen. 
Auch erlitt unſere nunmehr demaskirte Artillerie eine 
bedeutende Einbuße an Mannſchaft und Pferden. 
Deſſenungeachtet hielt ſich Bem eine Stunde lang im 
furchtbarſten Feuer, feine Truppen fortwährend zum 
Sturme animirend. Als aber die Cavalerie des 
rechten kaiſerlichen Flügels einen Choc auf die zer 
ſtreuten Plänkler des Bemſchen linken Flügels ma— 
chend, welche wegen ihrer mangelhaften taktiſchen 
Ausbildung nicht raſch genug Klumpen zu formiren 
wußte, ſie niederzuhauen und in die Flucht zu trei— 
ben begann; da fing auch die Infanterie des Cen— 
trums an, ſſch zurückzuziehen und die verlaſſne Artil— 
lerie mußte folgen. Auf ſeinem linken Flügel konnte 
jedoch der Feind, ungeachtet er beinahe ſeine ganze 
Cavalerie dort concentrirte und mehrmals angriff, 
noch immer kein Terrain gewinnen. Der rechte 
Flügel aber und das Centrum des Feindes benutzten 
ſogleich den errungenen Vortheil und warfen, unſern 
linken Flügel vom Centrum trennend, ſich auf letzteres 
mit ſolcher Wucht, daß es in wenig Augenblicken in 
ſeine frühere Poſition und bald auch aus dieſer delo— 
girt wurde. Eine Abtheilung kaiſerlicher Chevaurle— 
gers langte mit Bem zugleich bei der erſten Poſition 
an und ihr Dffieier nebſt einigen Gemeinen hatten 


* 
181 


den Feldherrn ſo umringt, daß er ihr Gefangener 
geworden wäre, wenn nicht in dieſem Augenblick 
Czetz's Adjutant, Simonyi Simon , berbeigeiprengt 
wäre, zwei Gemeine mit den Piſtolen getödtet, dem 
Officier den Helm geſpalten und durch dieſe Contu— 
ſion betäubt hätte und wenn nicht die Coryphäen der 
Wiener Legion aus einem kleinen ſchnell formirten 
Klumpen die übrigen Chevaurlegers erlegt, verwun— 
det oder in die Flucht gejagt hätten. Zugleich mit 
den Gbevaurlegers waren auch die Grenadiere Puch— 
ners von der Höhe berabgeſtürmt und hatten ſich vor 
den Salzgruben feſtgeſetzt. Puchner ſoll dieſe ſelbſt 
zum Sturme geführt haben. Dies Alles hatte natür— 
lich zur Folge, daß Bems Truppen über Hals und 
Kopf aus Viz Akna nach Reismarkt flohen, Bagagen, 
Gepäck, Verwundete und Gefangene zurücklaſſend. 
Der Feind eroberte 16 Geſchütze, darunter die ſehr 
gut beſpannte Cavaleriebatterie, Bems ganzes Ge— 
paͤck und ſeinen Wagen. Es leidet keinen Zweifel, 
daß dieſe Geſchütze hätten gerettet werden können, 
wenn nicht die Bagagewagen, Gaſſen und Platz in 
Viz Akna mit Schreck und Verwirrung erfüllend, jede 
freie Paſſage gehemmt hätten und den Truppen die 
Rückzugslinie bekannt geweſen wäre. So aber lehrte 
eignes Mitgeſchick, daß zu ängſtliches Geheimhalten 
und zu großes Selbſtvertrauen oft mehr ſchaden, als 
nützen, und daß höhere Officiere in ſolchen entſchei— 
denden Augenblicken den erhaltenen Weiſungen eben 


+ a 
ea 
* | 
182 a 


nicht maſchinenmäßig zu gehorchen, ſondern den Um h 
ſtänden gemäß zum allgemeinen Beſten zu handeln 
haben. An dieſen großen Verlüſten trägt unſtreitig 
Major Bauers paſſiver Gehorſam die meiſte Schuld. 

Bems Armee war in einem verzweifelten Zuſtande 

und hätte von den Kaiſerlichen, falls dieſe rastlos 
ihre Verfolgung fortſetzten, entweder gefangen * 
nommen oder gänzlich aufgerieben werden können. 
Doch zum Glück dachten ſie daran erſt am folgenden 
Tage; ſie mochten wohl kaum an die Größe ihres 
Sieges glauben, freueten ſich deſſen, begnügten ſich * | 
damit, unfere in Viz Akna zurückgebliebenen Kranken 
und Verwundeten niederzumetzeln und mit einigen ge— 
fangenen Zigeunern ihren Triumpheinzug in Hermann— 
ſtadt zu verherrlichen. Dieſe Säumniß rettete Bem 
und ſeine tapfere Schaar. Für dieſe handelte es ſich 
nämlich darum, ungefährdet Szerdahely zu erreichen, 
wohin ihnen feindliche Cavalerie über Groß Apöld 
nicht zuvorkommen konnte. Gewann man dieſen Vor— 
ſprung, ſo war die Wahrſcheinlichkeit des Entkom— 
mens oder vielmehr der Vereinigung mit Kemeny 
und den Hülfstruppen aus Ungarn nähergerückt und 
die Wiederaufnahme der Operationen möglich gemacht. 
Es gelang, Bem erreichte noch an demſelben Tage 
Szerdahely und hielt dort ſein Nachtlager. Die 
Kaiſerlichen ſandten ihm eine Cavalerieabtheilung bis 
Toporefa ') nach, welche er indeß durch wiederholte 


1) Tſchappartſch. 


183 


Gefhünftellungen, 0 ſeinen Rückzug zu unterbre— 
—* chen, hinlänglich aufzuhalten und von der Verfolgung 
zurückzuſchrecken wußte. 
Die Armee Bems war auf 1500 Mann zuſam⸗ 
mengeſchmolzen; er hatte nur acht Geſchütze übrig 
behalten und ſelbſt von dieſen waren zwei demontirt, 
die Munition der Infanterie ſo gut wie verſchoſſen, 
die der Artillerie bis auf zwanzig Schüſſe per Ge— 
ſchütz wahrhaftig keine beneidenswerthe Lage! 
General Bem hatte ungefährdet Szerdahely frei— 
lich erreicht, aber er ſah wohl ein, daß die Rettung 
ſeines geringen Corps einzig und allein von deſſen 
ſchleunigſter Vereinigung mit Keménys Brigade ab— 
bing, von welcher er nichts weiter wußte, als daß 
fie über Szäsz Sebes und Szaͤſzväͤros nach Deva 
gezogen war. Außerdem erlaubten ſich die Kaiſerli— 
chen, das Gerücht auszuſprengen, daß Kemény bei 
Deva durch General Leiningen gänzlich geſchlagen 
und mit ſeinem ganzen Corps gefangen genommen 
ſei, weil ſie dadurch Bems Armee zu demoraliſiren 
hofften. Bems Truppen lagerten in Szerdahely auf 
dem Platze und den Gaſſen; die Gewehre in Pyra— 
miden zuſammengeſtellt, ſchlief das wackere, aber phy— 
ſiſch und moraliſch erſchöpfte Corps einen harten kum— 
mervollen Schlaf, ohne warme Speiſen genoſſen zu 
baben. Denn die feindlich geſinnten Sachſen hatten 
ihre Hausthüren geſperrt und nur mit Gewalt konnte 
man von ibnen ein Paar Bröte und etwas Speck 
erpreſſen. Die noch vorbandne Bagage mußte mit 


184 


den Verwundeten und Kranken noch in derſelben 

Nacht nach Mühlenbach ziehen, theils um ſich dort 
bis zum Anlangen unſerer Truppen zu erholen, theils 
um die Bewegungen der letztern nicht zu hindern. 
Sie trafen auch in der Nacht zwiſchen 11 und 12 Uhr 
in Mühlenbach ein, wurden von den durchweg ſäch— 
ſiſchen Einwohnern ſo freundlich empfangen, daß 
man ſich um die Beherbergung der Unglücklichen 
förmlich ſtritt. Da geſchah eine That, welche den 
Charakter der Sachſen in der Geſchichte für ewig 
brandmarken wird und wofür nicht einmal die in 
dieſem Kriege herrſchende fanatiſche Wuth eine Ent— 
ſchuldigung abgeben kann. Kaum waren nämlich die 
erſten Wagen mit Verwundeten angekommen, als 
voraus beſtellte Couriere der Carlsburger Garniſon 
und dem wallachiſchen Landſturm in Lamkerék !) Kunde 
hiervon zu geben und deren Marſch auf Mühlbach 
zu beſchleunigen eilten. Die Feinde waren übrigens 
ſchon in Bewegung, um Bem den Rückzug auf Müh— 
lenbach abzuſchneiden und warteten nur auf die ſichere 
Kunde von feiner Annäherung. „In dem Orte war 
mittlerweile Alles ſtill gewordnen und man hatte den 
armen Kranken und Verwundeten, wie ihrer Escorte, 
reichlich Wein gegeben, um ihren vermöge der Er— 
ſchöpfung ohnehin tiefen Schlaf noch feſter zu machen. 
Da erſchallt plötzlich um zwei Uhr Nachts vom Carls— 
burger Thor her ein ſtarker Lärm, ein Kanonen— 


I) vangendorf. 


* 


* 


155 


ſchuß ſprengt das Thor, die dort poſtirte ſchwache 
Wache wird niedergemacht und ein Haufen Land— 
ſtürmer, Sachſen und Wallachen, dringen unter wil— 
dem Geſchrei, von den Kaiſerlichen gefolgt, in die 
Stadt. Hier zogen die Hausbewohner die verborgnen 
Waffen eiligſt hervor und nun ging das Niedermetzeln 
der Escorte, der Verwundeten und Kranken, vor ſich. 
Was dieſen Furien unter die Hände kam und Ungar 
war, oder zur braven Wiener Legion gehörte, wurde 
ohne Erbarmen gemordet, ſeiner Kleider beraubt; 
die ſcheußlich entſtellten Leichname warf man auf die 
Gaſſe; die Bagagewagen wurden geplündert, die 
Pferde theils geſtohlen, theils in blinder Wuth er— 
ſtochen, kurz es wurde eine wahre Bartholomäus— 
nacht gefeiert. Nur ein Kutſcher und eine Köchin 
entkamen der Raubrotte dadurch, daß ſie ſich für ge— 
fangene Wallachen ausgaben. Gegen Morgen war 
Alles ruhig und die Kaiſerlichen hatten bei Mühl— 
bach Stellung genommen, um Bem zwiſchen zwei 
Feuer zu bringen. Kaum hatte der Letztere durch 
jenen glücklich dem Blutbade entronnenen Kutſcher 
Nachricht von jener Schandthat bekommen, als er 
ſich anſchickte, die Mühlenbacher dafür zu züchtigen. 
Mit Tagesanbruch langte er vor Mühlenbach an, 
nahm auf den die Stadt öſtlich beherrſchenden Höhen 
Stellung und ſo fort begann das Gefecht. Die erſten 
Schüſſe demontirten eine Kanone und einen Muni— 
tionswagen der Kaiſerlichen; aber unſere Infanterie, 
zu erbittert, um die Wirkung des Artilleriefeuers ab— 


186 


zuwarten, ſtürmte, wüthend vor Rache, mit dem Ba— 
jonet heran, warf Alles nieder, was ſich ihr entgegen— 
ſtellte und ſäuberte in einer halben Stunde die Stadt 
von den Kaiſerlichen. Dieſe verloren außer mehreren 
Todten und Bleſſirten auch einen vollen Munitionswa— 
gen, für Bem eine unſchätzbare Erwerbung, und zogen 
ſich ſo eilfertig nach Carlsburg zurück, daß unſere etwas 
verſpätete Cavalerie ſie nicht mehr einzuholen vermochte. 
Unſere Honveds hatten in ihrer erſten Wuth die Apo— 
theke im Orte zerſtört und ein Paar Gewölbe geplündert, 
ohne indeß von den niederträchtigen Sachſen auch nur 
einen niederzumachen. Aber kaum betrat Bem die Stadt, 
ſo mußten die genommenen Gegenſtände wiedergegeben 
werden und der Schaden des Apothekers ward taxirt, 
um ſpäter wieder erſetzt werden zu können. So ver— 
ſtand es Bem, ſelbſt in den mißlichſten Verhältniſſen 
Ordnung und Disciplin aufrecht zu erhalten und 
unſere Truppen achteten ihren General ſo ſehr, daß 
ſelbſt beim Anblick ihrer ſchmählich gemeuchelten Brü— 
der die Stimme der Rache vor dem Gebot des ge— 
liebten Führers ſchweigen mußte. 

Es war hohe Zeit für Bem, daß er Mühlenbach 
in Beſitz nahm, denn auf freiem Felde hätte ſeine 
ſchwache Streitkraft es mit einem in der Front und 
im Rücken ſtehenden Feinde nicht aufnehmen können, 
und ihr wäre nichts Anders übrig geblieben, als die 
Waffen zu ſtrecken, oder ſich bis auf den letzten Mann 
zu vertheldigen. Hinter Mühlenbachs Mauern konnten 


187 


aber die erſchöpften Truppen ausruhen, ſich ſtärken 
und den verfolgenden Feind wenigſtens für kurze Zeit 
aufhalten. Ben ließ auch ſeinen Truppen vollkommen 
Nube zu ihrer Erholung und arbeitete lediglich mit 
ſeinen Adjutanten und ſeinem Stabe an der möglichſt 
ſchleunigen Inſtandſetzung der Mauern Mühlbachs, 
behufs deren Vertheidigung. Die Thore und Ein— 
gänge wurden verrammelt und verbarrikadirt, die 
Geſchütze an den Eingängen vortheilhaft aufgeſtellt, 
und die Truppen hinter der Vertheidigungslinie mög— 
lichſt zweckmäßig vertheilt. Die ſpärlichen Reſte der 
Wiener Legion, ungefähr 20 Mann, verrichteten die 
letztere Arbeit meiſtens bis zur Mittagszeit. Da ent— 
ließ ſie Bem, ihnen freundlich dankend, mit den Wor— 
ten: „Nun können Sie ruhig ihr Mittagbrod ver— 
zehren.“ Und dies war in der That ſo. Denn die 
Feinde rückten erſt um 2 Uhr vor die Stadt, ihren 
Angriff zu beginnen. Bem erwartete ſie ruhig hinter 
ſeinen feſten Mauern, die Schüſſe nur erwidernd, 
wenn er ſeines Zieles gewiß war. Zwar wurden 
ihm ein Paar Kanonen demontirt, auch die Stadt 
durch Granaten an mehreren Orten in Brand geſteckt; 
aber Bem hielt ruhig die fünfſtündige Beſchießung 
aus und machte erſt dann einen Ausfall, als der 
Feind, beim Einbruch der Nacht ſeinen Angriff auf— 
gebend, ſich gegen Szerdahely und Szaäsz Piän zurück— 
zog. Ueberdies ſicherte ihm dieſer Ausfall eine ruhige 
Nacht, und wieder war ein Tag gewonnen: zwei 


188 


Vortheile hatten wir über den Feind erfochten 
und der moraliſche Muth unſerer Truppen, welche 
ſich ſchon verloren gaben, belebte ſich wieder, indem 
ſie den feſten Willen und das ſichere Wirken des 
greiſen Feldherrn mit immer ſteigender Bewunderung 
betrachteten. Von Kemény war indeſſen immer noch 
keine Nachricht da, an Munition blieb uns nur die 
in dem eroberten Wagen gefundene, das Gros des 
Feindes war mittlerweile auch in Szerdahely ange— 
langt; und dennoch traf Bem am nächſten Morgen 
eher Anſtalten zur Vertheidigung, als zum Abmarſche. 
Ein in der Nacht vom Sten auf den ten nach Szaͤsz— 
varos abgegangner Transport Verwundeter, unter 
ihnen ſogar der Artilleriechef und mehrere Officiere, 
war theils von den Wallachen erſchlagen, theils nach 
Carlsburg geſchleppt worden; unſere Truppen murr— 
ten laut, und ſelbſt höhere Dffieiere ſprachen von 
Tollkühnheit, unnützer Aufopferung u. dergl. Zum 
Ueberfluß erſchien noch am Eten um 9½ Uhr Morgens 
ein öſterreichiſcher Chevauxlegersofficier als Parla— 
mentair, ein Pole, und forderte Bem auf, die Waffen 
zu ſtrecken, unter dem Vorgeben, daß er von allen 
Seiten umringt und Widerſtand deshalb nutzlos fer. 
Bem antwortete ihm, daß er mit Truppen, welche 
feindliche Parlamentaire gefangen nähmen (Anſpie— 
lung auf das Loos Ivanka's bei Schwechat“) 


) Man wird aus anderen hiſtoriſchen Darſtellungen wiſſen, 
daß Oberſt Ivanka vor der Schlacht bei Schwechat noch zu 


189 


niemals in Unterbandlung treten werde, und Jener 
es nur feiner Großmuth zu danken habe, wenn er 
nicht erſchoſſen würde. Der Umſtand, daß der Unter— 
händler ein Pole war, machte Bem nur um ſo un— 
gehaltener. Inzwiſchen hatte Oberſtl. Czetz recognos— 
eirt und gefunden, daß unſer Häuflein es heute 
allerdings mit Puchners ganzer Armee zu thun haben 
werde. Auf dieſen Bericht ordnete Dem den Rückzug 
an. Der Parlamentair ward durch Major Bethlen 
jo lange hingehalten, bis unſere Truppen die Stadt 
geräumt hatten. Die Höhen zwiſchen Oläh Pian 
und Tartaria waren allerdings von einer Escadron 
Chevaurlegers beſetzt, jedoch die Straße nach Szäsz— 
väros noch frei, indem die Carlsburger Garniſon, 
deren Aufgabe es war, dieſe Linie zu beſetzen, ſich 
verſpätet hatte. 

Doch hatte man es wieder mit einem doppelten 
Feinde zu thun. Vorwärts in Sibot, Benczencz, Gyal— 
mär und Szäszväros hatten ſich mehre Tauſend be— 
waffnete wallachiſche Landſtürmer geſammelt, und im 
Rücken drängte Puchner mit ſeiner ganzen Macht. 
Dennoch ließ Bem den Muth nicht ſinken. Er über— 
ließ es dein Oberſtl. Czetz, die Straße nach Szaͤszvaros 


Windiſchgraͤtz geſchickt wurde, um den letzten Verſuch zu friedlicher 
Ausgleichung zu machen. Er ward von dieſem als treubrüchi⸗ 
ger (?) kaiſerlicher Officier zum Gefangenen erklart und nach der 
Feſtung Königgrätz abgeführt. 


190 


vom wallachiſchen Landſturm zu ſäubern, und hielt 
durch Artilleriemanöver, gutgewählte Aufſtellungen, 


richtiges Zielen und Ausharren bis zum Moment der 


höchſten Gefahr, den übermächtigen Gegner ſo in 
Schach, daß Oberſtl. Czetz Zeit gewann, ſich bis 
Szaͤszväros vorzuſchieben. Das Rückzugsgefecht dauerte 
den ganzen Tag, und die Kaiſerlichen mußten jeden 
Fußbreit Erde theuer erkaufen. Auf dem aus Bas 
thoris Zeit“) berühmten Brotfelde (Kenyérmezö) 
wußte Major Bethlen den Feind noch dazu durch 
einen wohlgelungenen Spaß zu täuſchen. Er ſammelte 
nämlich die zerſtreut vagabundirenden Reiter, wie 
Aerzte, Marketender, Marketenderinnen, Privatdiener 
u. dergl., in eine Reiterabtheilung, und ließ ſie ſich 
plötzlich in einem Gliede als Escadron entwickeln. 


Die Täuſchung war ſo vollſtändig, daß ſelbſt Bems 


Arrieregarde die Vortruppen Keménys darin zu er— 
blicken wähnte, und deſto mehr wurde der Feind durch 
dieſe improviſirte Cavalerie getäuſcht, welche übrigens 


*) Das Brotfeld bildet ein geraͤumiges Amphitheater, und iſt 
wie geſchaffen zum Schlachtfelde. Hügelreihen, welche gewiſſermaßen 
Stufen bilden, umkränzen es im Kreiſe, ein Bach theilt es in zwei 
Theile, und die Maros beſpült es. Dort ſchlug der Woiwode Ste— 
phan Bathori 1479, unterſtützt von dem berühmten Paul Kiniſi, Ban 
von Temesvar, ein großes türkiſches Heer von 100,000 Mann, wel— 
ches unter Ali Bey Siebenbürgen überzogen hatte, bis zur Bernich- 
tung. S. Cérando La Transylvanie et ses habitans Tom. I p. 269 
ff. Die Bäthorifäule verewigt das Andenken an dieſen Sieg. 


191 


beim erſten Kanonenſchußt auseinanderfagte. Unter— 
deſſen wurde es Abend, und die Arrieregarde Bems 
batte Balamir angezündet, um den Feind an der 
Verfolgung zu bindern, welcher aber aus Erſchöpfung 
den Kampf für dieſen Tag aufgab. Damit war aber 
nicht Alles gethan; die Wallachen hielten mit ſeltner 
Kübnbeit, und ein Paar hölzernen Kanonen “), den 
Eingang von Szäszvaros beſetzt, und gedachten den 
ungariſchen Truppen zu widerſtebhen. Es galt alſo, 
das Nachtquartier erſt mit dem Bajonet zu erobern, 
was auch nach kräftigem aber kurzem Sturm gelang. 
So hatte Bem wieder einen Tag gewonnen, aber 
um ſo mehr Terrain verloren, welches er wieder 
nehmen mußte, falls er Siebenbürgen zu halten ge— 
dachte. Doch Kemény mußte in der Nähe oder doch, 
nur 3 Stunden entfernt, in Déva, ſein. Wer ſollte 
es nun wagen, in finſterer Nacht, mitten unter wal— 
lachiſchen Landſtürmern, nach ſo vielen Strapazen, 
Kemény aufzuſuchen? Dazu erbot ſich freiwillig der 


) Dieſe hölzernen Kanonen waren nicht aus einem Stücke 
gebohrt, ſondern beitanden, wie die Faſſer, aus Dauben, welche 
durch eiſerne Reife zuſammengehalten wurden. Innen ſteckte eine 
einfache Blechfuͤtterung, welche leicht erſetzt werden konnte, wenn 
ſie verdarb. (Die Ruſſen haben eine Menge ſolcher Raritäten 
als Siegstrophaäen nach St. Petersburg geſendet.) Die Lafette 
beſtand aus 1 Holzböden, welche zu zweien in ein ſchiefes be— 
wegliches Kreuz verbunden waren, ähnlich dem Geſtelle, deſſen man 
ſich gewöhnlich zum Zerfägen des Brennholzes zu bedienen pflegt. 


192 


nimmerruhende, ebenſo einſichtsvolle, als kühne Ca— 
valerieofficier und ächte Patriot, Major Graf Bethlen 
Gergely. Ohne ſich auch nur einen Augenblick Ruhe 
zu gönnen, ſchwang ſich der ritterliche Graf auf ein 
friſches Pferd und ritt mit ſeinem Reitknecht und 
ein Paar Huſaren über Päd und Piski gegen Déva. 
Schon um 12 Uhr Nachts hatte Bem die Meldung, 
daß Keménys Avantgarde in Piskt ſtehe, und daß 
die Hülfe aus Ungarn theils ſchon angelangt ſei, 
theils am andern Tage erwartet werde. Zugleich 
war die Avantgarde Keménys von Piski nach Szaͤsz— 
väros beordert worden und der Reſt der Truppen 
ſollte bis 4 Uhr Morgens nachkommen. Es gereichte 
dem greiſen Feldherrn zu hoher Freude, das Ziel ſo 
außerordentlicher Anſtrengungen und ſo großer Ge— 
fahren doch endlich erreicht zu haben. Zur ſelben 
Stunde ließ er noch feinen Generalquartbermeiſter, 
Czetz, kommen und theilte ihm, der ſo redlich geholfen 
in dieſen ſchweren Tagen, die frohe Botſchaft mit. 
Beide ſchliefen zum erſten Male wieder in ihrer trau— 
rigen Lage getröſtet ein. Am 7. Februar Morgens 
rückten auch wirklich 2 Compagnien des 55. Honved— 
bataillons und eine Diviſion Biharer reitender Na— 
tionalgarde in Szaͤszväͤros ein, welche vorher unter 
Major Beke im Zaͤrander Comitat gegen die Wallachen 
gefochten hatten, und Bem durfte nach Bethblens 
Bericht den Reſt des Kemsͤnyſchen Corps baldigſt 
erwarten. In dieſer Ueberzeugung nahm er auch, 


193 


ungeachtet er nur 4 fampffäbige Geſchütze, und gar 
keine Munition für ſeine Infanterie beſaß, das Ge— 
fecht an, welches in der Frühe die verfolgenden Oeſter— 
reicher engagirten. Bem hielt ſich in gewohnter Art 
wacker und um ſo hartnäckiger, als er feſt auf Ke— 
meénys Ankunft rechnete. Bald aber war feine Mu— 
nition verſchoſſen und die Biharer Reiter, in deren 
Mitte eine Granate zerplatzt war, nahmen Reißaus, 
alle Uebrigen mit in die Flucht ziehend. Deſſen un— 
geachtet hielt ſich Bem noch immer vor der Stadt, 
mit einigen Adjutanten, dem Major Dobay vom 
31. Bataillon, und einer Handvoll ſeiner Braven. 
Aber immer näher rückten die Feinde, und ihre Plänkler 
waren bis an die beiden Kanonen herangekommen, 
welche Bem durchaus nicht fahren laſſen wollte. Bei 
dieſer Gelegenheit, war es, wo er mit feiner Reitgerte 
einem feindlichen Plänkler ins Geſicht hieb, und rief: 
„Canaille, meine Kanonen will ich haben!“ Einer dieſer 
Plänkler ſchoß ihm aber den Mittelfinger der rechten 
Hand ab, und da außer Major Dobay Alles ihn 
verlaſſen hatte, mußte Bem die Kanonen in Feindes— 
hand laſſen und ſich ſelbſt entfernen. Er übergab 
Czetz das Commando, und ging nach Piski voraus. 
Hier hatte ſich bereits Kemeny mit dem Gros auf 
den Rath Bethlens hinter der Strehlbrücke zwiſchen 
Bäumen und Geſtrüpp vortheilhaft aufgeſtellt. Un— 
geachtet aller Bemühungen war es ihm nicht möglich 
geweſen, ſich zwiſchen den Tauſenden von Wagen, 
18 


194 


welche die Straße von Piski bis Deva bedeckten, 
mit Truppen und Geſchütz ſchneller durchzuwinden 
und hatte daher den Ort erſt um 10 Uhr erreichen 
können. Man muß nämlich wiſſen, daß zu jener Zeit 
aus allen Orten gemiſchter Bevölkerung die unga— 
riſchen Einwohner ſich jederzeit zur Sicherung ihres 
Lebens an die ungariſchen Truppen anſchloſſen, und 
auf dieſe Weiſe nicht nur der Armee auf Märſchen, 
und in ihrer Verpflegung ſehr läſtig fielen, ſondern 
auch dem Feldzuge das Anſehen einer wahren Völker— 
wanderung gaben, und natürlich die Handhabung der 
Disciplin äußerſt erſchwerten. So hatten ſich auch 
aus dem Zarander und Hunyader Comitat einige 
Hundert ungariſche Familien in Déva geſammelt und 
brachten obenangeführte Stockung hervor. Bem konnte 
dieſen Unfall lange nicht vergeſſen, trug ihn Bethlen 
und dem Major Dobay, welcher ſein Bataillon nicht 
zuſammenzuhalten vermochte, lange nach, und maß 
ihnen den Verluſt ſeines Fingers bei. Bei Abnahme 
deſſelben benahm er ſich übrigens ganz ſtoiſch: kaum 
in Piski angelangt, fragte er nach einem Arzte und 
ließ ſich von ihm den Finger, ohne eine Miene zu 
verziehen, abnehmen. Nach dem Verbande ſagte er 
zu den, ihm ihr Beileid bezeugenden Officieren: „Was 
für Komödie! Ich habe jetzt einen überflüſſigen Finger 
weniger. Machen Sie nur, daß der Feind Sie nicht 
aus der Stellung wirft, welche Sie jetzt inne haben!“ 
und ritt ganz ruhig nach Déva. Oberſtlieutnant Czetz 


195 


war mittlerweile auch kämpfend zur Brücke gelangt, 
überließ es dem Oberſtlieutnant Kemény, die Feinde 
weiter aufzuhalten, und führte ſeine ausgehungerten, 
ermüdeten und bis auf 1200 Mann deeimirten Trup— 
ven nach Deva. 

So endete dieſer in der Kriegsgeſchichte faſt bei— 
ſpielloſe Rückzug, auf dem die Reſignation, das Ver— 
trauen, die Unverdroſſenheit und der nicht zu vertil— 
gende Muth der Soldaten einzig und allein in 
der eiſernen Willenskraft, dem ununterbrochenen 
Sichblosſtellen, dem Aufſuchen der höchſten Gefahren 
und der genialen Kunſt, Alles, auch das Unbedeu— 
tendſte im Terrain zum Vortheil zu benutzen, in dem 
Talente des Feldherrn, ſo wie in der aufopfernden 
umſichtigen und raſtloſen Mitwirkung der Unterbe— 
fehlshaber, ſeines Gleichen findet. Dies war, unge— 
geachtet oder vielleicht wegen unſerer mißlichen Lage, 
die glänzendſte und fruchtbarſte Epiſode des ganzen 
Feldzuges; denn ſie bildeten Führer, welche ihrem 
Meiſter ſpäterhin Ehre machten und wies an Bem 
jenen Stempel hoher kriegeriſcher Begabtbeit nach, 
ohne welche feine ſpäteren Triumphe wohl ſchwerlich 
ſolche Bedeutung und ſolche Folgen erlangt haben 
würden. Sie lieferte nämlich den Beweis, daß Bem 
nicht nur Siege zu benutzen, ſondern auch Niederla— 
gen auszugleichen verſteht; mit einem Worte, daß 
Bem ein Feldherr im wahren Sinne des 
Wortes iſt. 


13 * 


196 


Die Kaiſerlichen ftellten für dieſen Tag ihre 
weiteren Verfolgungen ein, indem ſich ihre Avant— 
garde in Pad feſtſetzte und begnügten ſich damit, durch 
ſtarke Patrouillen Keménys Truppen bei der Piskier 
Brücke zu recognosciren. Bem ſchickte am 8. Februar 
von Deva aus die Kranken, Verwundeten und 
Schlechtbewaffneten nebſt vielen Marodeurs über Brad 
und Körösbänya nach Großwardein und machte es 
den flüchtigen ungariſchen Familien zur Pflicht, ſich 
dieſer Escorte anzuſchließen. Eine große Karawane, 
meiſtens Frauen, machte ſich, geleitet von einer 
halben Escadron Lehel-Huſaren, auf die Reiſe. Zur 
großen Betrübniß wurden ſie aber auf dem zweiten 
Nachtquartier von einer wallachiſchen Horde überfal— 
len und ſämmtlich nieder gemacht. Die Keckheit die— 
ſer Banditen ging ſo weit, daß ſie in der Nacht vom 
6. auf den 7. ſogar Kemény in Déva überrumpelten, 
mehre Officiere niedermachten, und nur das glückliche 
Eintreffen Bethlens, welcher die Beſatzung zeitig al— 
larmirte, rettete die Truppen vor einem ſchmäblichen 
Ende. Die Verhältniſſe aber erheiſchten durchgreifende 
Maßregeln und ſo konnte man nicht aller Orten 
große Schutzdetaſchements abgeben. Noch an dem— 
ſelben Tage, am 8. Februar Mittags, langte die 
ſo ſehnſüchtig und ſo lange erwartete eilfte Armee— 
Diviſion unter Major Hrabovsky in Deva an, 
nachdem Bem wiederholt Streif-Commandos zu deren 
Aufſuchung und ſchleuniger Herbeiziehung entſendet 


— — 


* — — 


197 


hatte. Nun beſaß Bem wieder eine Armee und konnte 
ſeine Operationen in Siebenbürgen von Neuem be— 
ginnen. Ihr Beſtand war folgender: 


Infanterie. 
11. Honvedbatailloon 800 Mann 
4. „ 15 1 Compag. 700 „ 
84. „ 9 " " 400 „ 
1. Szekler⸗ Bataillon 900 „ 
3. Mariaſſy⸗ Bataillon 800 „ 
Torontaler Garde „1000 „ 
55. Honvedbataillon, 1 Compag. 600 „ 
Aradi⸗Mozgoör r 200 „ 
Kemény⸗ Bataillon 200 „, 
24. Honvedbataillon, oder die Weiß— 
„ 900 „ 
6500 Mann 
Cavalerie. 


1 Diviſion Würtemberg-Huſaren . 300 Mann 

3 Escadron Maͤtyaäs-Huſaren . 300 „ 

1 Diviſion Biharer Garde... 400 „ 

1000 Mann 
Artillerie. 

28 Geſchütze verſchiednen Kalibers. 

Man kann alſo die geſammte Streitmacht Bems 
auf 7000 Mann mit 28 Geſchützen anſchlagen. Die 
Escadron Wilhelm-Huſaren, die Kreß-Chevaurlegers— 
Abtheilung und ein Paar Compagnien des vierten 
Honved⸗ und des Kemény-Bataillons nebſt 2 Ge— 


198 


ſchützen waren bei Viz Akna von uns getrennt wor— 
den und hatten ſich über Nagy Selyk und Mediaſch 
nach Maros-Väſärhely zurückgezogen. Die Escadron 
Lehel-Huſaren, ohnehin ſchlecht beritten und mangel— 
haft bewaffnet, wurde nach Großwardein zurückge— 
ſchickt. Das Schloß Deva war vom Feinde beſetzt 
und der Commandant wollte ſich auf erſte Aufforde— 
rung nicht ergeben. Da Bem aber weder Zeit noch 
Willen hatte, ſich dieſes Platzes zu bemächtigen, ſo 
wurde auch kein Angriff auf denſelben unternommen, 
zumal der Schloßcommandant ſich, wie wenn eine 
Uebereinkunft getroffen worden wäre, ganz ruhig 
verhielt. 


199 


— — nn 


Neuntes Capitel. 


Die Schlacht bei Piski am 9. Februar 1849. — Felgen. — 
Bem zieht am 10. Nachts in Alvincz ein. — Kühner Marſch 
unter den Kanonen Carlsburg's über das unwegſame Ge⸗ 


birge nach Szaz Ceanad und Mediaſch. — Strategiſche 
Betrachtungen. — Die Szekler vereinigen ſich in Segesvar 
mit Bem. Concentrirung der Armee - Abtheilungen. — 
Zſurmays Parteigängerſtreiche. — Urban bricht im Norden 
Siebenbürgens wieder hervor. — Bem zieht gegen ihn. — 
Schlacht bei Biſtritz und Jad. — Urban flieht über die 
Grenze. 


Die Kaiſerlichen waren einſtweilen mit dem 
Gros in Szaͤszvaros eingerückt und rüſteten ſich zu 
einem Hauptſchlage gegen Bem. Ibre Streitkräfte 
beſtanden zum wenigſten aus drei vollſtändigen In— 
fanteriebrigaden und einer Cavaleriebrigade von 
2 Regimentern, mithin aus 11,000 Mann mit 
40 Geſchützen. Die Nationalgarden waren in Her— 
mannſtadt geblieben und den wallachiſchen Landſturm 
auf ihren Flanken und im Rücken wollen wir unge— 
achtet ſeiner Hinterliſt und ſeiner großen Zahl nicht 
einmal mit in Rechnung bringen. Demnach waren 
die Kaiſerlichen uns um ein Drittheil ungefähr über— 
legen. Ehe wir jedoch zur Beſchreibung der nun 


200 


folgenden, theils in Bezug auf die Zahl der Strei— 
tenden, theils durch ihre Folgen großartigſten 
Schlacht des ganzen Feldzuges ſchreiten, müſſen wir 
den Leſer möglichſt genau mit dem Schauplatz dieſer 
Begebenheiten bekannt machen. 

Wenn man von Szäszväros über Pad auf den 
letzten Abfällen der Magura im Marosthale nach 
Piski reiſet, ſo wird man beim letzgenannten Orte 
einen Fluß finden, welcher unter dem Namen Stryg 
oder Strehl das Thal von Norden nach Süden durch— 
ſchneidet, mit einer Breite von 30 bis 40 Klaftern 
eine reißende Schnelligkeit und eine nur im Frühjahr 
bei Piski durchwatbare Untiefe verbindet und ſich eine 
halbe Stunde von dem Orte in die Marsos ergießt. 
Die Poſtſtraße zieht ſich grade auf den letzten Ab— 
hängen hin und vor ihr, nördlich gegen die Maros 
zu, iſt auf eine halbe Stunde weit das Terrain voll— 
kommen eben. Der Abfall des Gebirges gegen die 
Maros verläuft ſich in ſanften Berglehnen, gegen 
die Stryg zu hingegen iſt er ſteil und mit Wald 
bedeckt. Piski ſelbſt liegt auf dem ſteilen Abhange 
des rechten Strehl-Ufers und dehnt ſich mit ſeinen 
Häuſern bis an die Stryg aus. Ueber dieſen Fluß 
führte eine ſolide hölzerne Brücke mit zwei Fahrge— 
leiſen, welche nebſt ihrer Umgebung von den Piskier 
Höhen aus gänzlich dominirt wird. Am rechten 
Strygufer unweit Piski ſtand ein geräumiges ſtei— 
nernes Mauth- und Wirthshaus. Jenſeits erſtreckt ſich 


4 201 


eine Ebene ununterbrochen längs der Maros bin, 
welche, von Waſſergräben durchſchnitten und hin und 
wieder mit Mühlen und Meiereien beſetzt, nur zwi— 
ſchen Szemeria und Dedäacs von einer ſich ſanft gegen 
die Maros abflachenden Hügelreihe durchzogen wird. 
Zwiſchen der Stryg und jener Hügelkette ergießt 
ſich noch ein Wildbach in die Maros. Die erwähnte 
Ebene iſt bei der Brücke mit einem regelmäßigen 
Walde von Erlen und Weiden bis auf mehrere hun— 
dert Schritte rechts und links von der Brücke be— 
pflanzt und gegen die Maros zu, wie bei Devacs, 
mit Waldung gekrönt. In dem bei der Brücke lie— 
gendem Gehölz ſtand rechts und links von der Straße 
eine Meierei, die Straße ſelbſt aber zog in einer 
Baumallee fort über eine den erwähnten Gießbach 
überführende hölzerne Brücke gegen Szemeria und 
Deva, von welchem letzteren Orte fie 1½ Stunden 
entfernt war. 

Oberſtlieutenant Kemeny hatte am 7. Mittags 
mit Major Bethlen das Terrain recognoscirt und 
auf den Rath des letzteren in dem Walde hinter der 
Brücke von Piski Stellung genommen, wo er ſogar 
ſeine Artillerie dem Auge des Feindes verbergen und 
ihn gut beſtreichen konnte, grade als er hinter den 
letzten Berglehnen hervor gegen die Brücke, welche 
Kemeny auf der einen Seite hatte abtragen laſſen, 
avaneirte. Die Infanterie und Cavalerie ſtanden 
ebenfalls gedeckt und die gewaltigen Eisſchollen der 


202 


eben im Aufthauen begriffenen Stryg ließen keine 
Ueberflügelung durch Ueberreiten oder Ueberſchwim— 
men des Fluſſes vermuthen. Kemény hatte das 
eilfte Honvedbataillon, die vier Compagnien des 
55. Honvedbataillon, 1 Escadron Maätyäs-Huſaren 
und 10 Kanonen am linken Strygufer poſtirt. Am 
8. Februar rückte eine ſtarke Avantgarde der Kaiſer— 
lichen gegen die Piskier Brücke vor und griff 
Kemény an. Dieſer ſandte einen Rapport an Bem, 
daß er ſich gegen die Uebermacht nicht werde behaup— 
ten können. General Bem lag im Wundfieber zu 
Bette, ließ Oberſtlieutenant Czetz rufen und ſagte 
ihm, Keménys Meldung vorzeigend: „Gehen Sie und 
machen Sie, was Sie können; die Brücke verloren, 
Siebenbürgen verloren.“ Czetz begriff ſehr wohl den 
ſchmerzlichen Sinn dieſer Worte und nachdem er in 
der Eile eine Batterie und was er an Infanterie 
und Cavalerie zuſammen raffen konnte, um ſich ge— 
ſammelt hatte, rückte er Kemény zu Hülfe. Infanterie 
und Cavalerie waren aber durch die langen Märſche 
und vielen Entbehrungen ſo abgemattet, daß man 
kaum ein Bataillon und eine Eseadron zuſammen 
raffen konnte. In Szent Andras kam Czetz ſchon 
die Meldung zu, daß der Feind durch die Geſchick— 
lichkeit unſerer Artillerie und die Bravour des eilften 
Bataillons doch zum Stehen gebracht ſei und ſeine 
vorige Stellung vis-a-vis der Brücke wieder eingenom— 
men habe, daß aber Keménys Truppen erſchoͤpft 


203 


ſeien, und er eine Ueberflügelung befürchten müſſe. 
Czetz ließ demgemäß ſeine Cavalerie und eine halbe 
Batterie in St. Andres Poſition nehmen und 
detachirte ein Paar Compagnien Szekler mit 2 Ka— 
nonen nach Dedäcs zur Sicherung der linken Flanke 
Kemenyvs. Ueberdies ſtellte ſich heraus, daß die 
Kaiſerlichen nur eine forecirte Recognoscirung unter— 
nommen hatten und lediglich der wallachiſche Land— 
ſturm vom erhöhten rechten Marosufer mit Ueber⸗ 
flügelung drohe. Den Truppen Keménys, welche 
bereits den dritten Tag und die dritte Nacht auf 
Vorpoſten ſtanden, wurden aus Deya Lebensmittel 
und Wein zugeführt und die Nacht verging ohne 
bedeutendes Ereigniß. Alles war übrigens auf den 
folgenden Tag gefaßt, welcher über das Geſchick 
Siebenburgens entſcheiden mußte. Dieſer brach denn 
mit einem ſchönen Frühlingsmorgen an und ſchon 
um 6 Uhr weckte die lebhafte Kanonade an der 
Piskier Brücke die müden Krieger in Doͤva aus ih— 
rem Schlummer. Czetz hatte raſch die Marſch- und 
Angriffs-Dispoſitionen getroffen und marſchirte in der 
Stille mit dem Gros gegen Piski; Bem ſollte mit 
der Arrieregarde folgen. 

Die Oeſterreicher hatten ſich gleich beim Beginn 
des Angriffs der Brücke gegenüber und oberhalb 
Piski der Höhen bemächtigt und dort ihre Batterien 
aufgeſtellt, ſo daß ſie die ganze diesſeitige Poſition 
mit einem verheerenden Feuer beſtreichen konnten, 


204 


ihre Plänkler fanden hinter den Bäumen und Um— 
zäunungen der Häuſer hinlänglichen Schutz, ihr Cen— 
trum ſtand auf der von Päd herkommenden Poſt— 
ſtraße, die Cavalerie ihres rechten Flügels dehnte ſich 
bis an das Marosufer aus, in der Ebene jenfeits 
des Maros befand ſich der wallachifche Landſturm 
mit einer Abtheilung kaiſerlicher Reiterei und drohte 
jeden Augenblick über den Fluß zu ſetzen. Die Ka— 
nonade war von beiden Seiten lebhaft, wie das 
Tirailleurgefecht auf den beiden Ufern der Maros. 
Nichts deſto weniger hatte ſich Kemény nicht nur in 
ſeiner Stellung behauptet, ſondern auch an der 
Brücke drei Bajonetangriffe des Feindes mit bedeu— 
tendem Verluſt deſſelben zurückgewieſen. Um 10 Uhr 
war es dem wackern 11. Bataillon gelungen, durch 
Ueberſetzen des Fluſſes, wobei die Leute bis an den 
Gürtel durch das reißende, große Eisſchollen führende, 
Waſſer gingen, durch einen unwiderſtehlichen Ba— 
jonetangriff dem Feinde die beiden Debrecziner Ka— 
nonen, welche er bei Hermannſtadt erobert hatte, 
wieder abzunehmen und die kaiſerlichen Tirailleurs 
aus dem Mauthhauſe hinauszutreiben. Aber dieſer 
Angriff hatte auch Keménys Kräfte erſchöpft und 
mehre Hundert Leichen des 11. und 55. Bataillons 
blieben in der Umgebung der Brücke auf dem Platze. 
Zugleich rückte das feindliche Centrum in Sturm— 
ſchritt heran und beſetzte zugleich mit dem zurückwei— 
chenden 11. Bataillon die Brücke und das von den 


205 


Unfern wieder verlaffene Mauthhaus. In dieſem 
kritiſchen Augenblicke wußte ſich Kemény nicht anders 
zu belfen, als indem er, in der Kriegsgeſchichte eben 
fo unerbört, wie vom Mangel aller tactiſchen Kennt— 
niß zeugend, feine Escadron Maätyäs-Huſaren die 
vom Feinde beſetzte Brücke angreifen ließ. Dieſer 
Angriff wurde natürlich durch Kleingewehr- und Kar— 
tätichenfeuer abgeſchlagen und koſtete manchem braven 
Huſaren, unter ihnen dem ſehr tüchtigen chevaleres— 
ken Rittmeiſter Horvath, das Leben. Außerdem 
brachten die Oeſterreicher Kemény noch in eine andere 
Verlegenheit. Als ſie ſich nämlich mitten auf der 
Brücke mit den Honveds vermiſcht und die ungari— 
ſchen Kanonen 10 Schritt vor ſich mit Kartätſchen 
geladen ſahen, ſteckten ſie die weiße Fahne auf und 
fingen an, als Capitulanten mit den Honveds zu 
fraterniſiren, was ſie jedoch nicht hinderte, unſere 
Officiere nach kameradſchaftlicher Umarmung gefan— 
gen zu nehmen. Kemeny ſelbſt nahmen ſie fein 
Pferd weg und wollten ihn eben fortführen, als 
Oberſtlieutenant Czetz mit dem Gros dieſen Wirwarr 
auf der Brücke erreichte. Er hatte ſchon vorher das 
Bataillon Mariaſſy-Tirailleurs in die rechte und das 
Debelleczer Bataillon in die linke Flanke zur Unter— 
ſtützung Kemĩnys vorgeſchickt und ſah nun mit nicht 
geringem Erſtaunen die Verwirrung an der Brücke, 
welche überdies durch die weiße Armatur und das 
weiße Lederzeug, dem Bataillon Mariaſſy mit den 


206 


Kaiſerlichen gemein, noch gefteigert wurde. Einige 
Gemeine von einem polniſchen Bataillon umzingelten 
auch Czetz und forderten von ihm den Säbel. Da 
wandte er ſein Pferd und befahl Mariaſſy und der 
Artillerie zu feuern. Auf der Brücke entſtand nun 
ein fürchterliches Handgemenge, Bajonet und Kugel 
verbreiteten nach allen Richtungen Tod und Verder— 
ben, die Geſchütze wurden neu und vortheilhafter 
poſtirt und vermehrten den Schrecken und den Ver— 
luſt des Feindes. Vom Regiment Bianchi verlor ein 
Bataillon faſt alle ſeine Officiere und Mariaſſy ſchritt 
wüthend vorwärts. In dieſem Augenblicke langte 
auch Bem an, ließ das 11. und 55. Bataillon, 
welche ſich wieder geſammelt hatten, abermals über 
den Fluß gehen und die Höhen von Piski ſtürmen, 
während die Mätyäs-Huſaren und die Biharer Garde 
im Galopp über die Brücke jagten und jenſeits der— 
ſelben auf der Ebene deployirten; die Würtemberg— 
Huſaren ſetzten zugleich mit dem Szeklerbataillon, 
welches gegen den rechten feindlichen Flügel operirte, 
bei der Mündung der Stryg in die Maros über 
erſteren Fluß. Die Kaiſerlichen zogen ſich auf allen 
Punkten kämpfend zurück und Ein großes Gefecht wogte 
vom Ufer der Maros bis an die Höhen über Piski 
und jenſeits in die Waldung hinein. Auch ſeine Ar— 
tillerie ließ Bem über die Brücke gehen, und vers 
folgte den errungenen Vortheil in gewohnter Weiſe. 
Der Feind wich immer mehr gegen Pad; Bems Ins 


— 


fanterie über Berg und Thal binterdrein. Wuürtem⸗ 
berg-Huſaren machten einen glänzenden Angriff und 
warfen die feindlichen Chevaurlegers zurück. Auch 
die Maätyas-Huſaren machten einen Angriff auf eine 
ihnen gegenüber ftebende feindliche Cavaleriediviſion, 
wobei aber, da in dem Zwiſchenraum ein von Jä— 
gern beſetzter Graben ſich befand, die wackern Huſa— 
ren mitten im Avanciren von einem lebhaften Tirail— 
leurfeuer begrüßt wurden. Das bewog ſie zum 
Umkehren und fie flohen gegen die Stryg. Auch die 
Biharer Reiter wurden durch einige Kanonenſchüſſe 
ſo erſchüttert, daß ſie nicht einmal die Umkehr der 
Huſaren abwarteten, ſondern zur Brücke zurückjagten. 
Das 55. Bataillon hatte auf den Bergen ſeine Mu— 
nition verſchoſſen, konnte bei der Schnelligeit, mit 
welcher Bem vorging, nicht zur rechten Zeit abgelöst 
werden, und, als es die Cavalerie weichen ſah, kehrte 
es auch um. Daſſelbe that Mariaſſy, wie die übrigen 
im Gefechte befindlichen Truppen. Da gewahrte Bem 
zu ſeinem großen Leidweſen, daß die gewonnene Schlacht 
wieder verloren ſei und ſeine Leidenſchaftlichkeit er— 
wachte im höchſten Grade. Er wollte durchaus nicht 
über die Brücke zurück, wurde aber endlich im Strome 
der Fliehenden mit fortgeriſſen. Die braven Wür— 
temberg-Huſaren mußten all' ihren Heldenmuth auf— 
bieten, um bei der raſchen Verfolgung der Oeſter— 
reicher unſere Artillerie zu retten. Bems Armee war 
aufgelöst und keine menſchliche Kraft vermochte aus 
dieſer regelloſen Maſſe wieder brauchbare Formen 


208 


zu bilden. Die Feinde ſaßen uns auf den Ferien; 
mehrere unſerer Kanonen waren demontirt, eine nam— 
hafte Zahl Todter und Verwundeter bedeckte das 
Schlachtfeld und vermehrte den herrſchenden Schrecken. 
Das Ausreißen nach Déva nahm durch das von den 
Biharer Reitern gegebene Beiſpiel in hohem Grade 
überhand und weder Bitten noch Drohungen, noch 
das Einhauen unſerer Cavallerie auf einzelne Aus— 
reißer halfen etwas. Da ſagte Bem zum Oberſt— 
lieutenant Czetz: „Ich muß die Brücke wieder haben 
oder ich werde fallen.“ Letzterer erfaßte die volle 
Bedeutung dieſer Worte und bat den General, die 
athemlos Fliehenden nur ruhig laufen zu laſſen. Czetz 
hatte nämlich für dieſen Fall ſchon vorgeſehen und 
die bereits erwähnte Hügelreihe zwiſchen Szemeria 
und Dédaecs zum allenfallſigen Sammelplatze auser— 
ſehen, von welchem aus man die Straße der Länge 
nach beſtreichen und die ganze Ebene beherrſchen 
konnte. Zum Glück ſtanden in dieſem Augenblicke 
die beiden Szeklercompagnien, welche die Nacht in 
Dedacs zugebracht und während der Schlacht den 
wallachiſchen Landſturm beſchäftigt hatten, auf dieſen 
Hügeln in Reih und Glied. Durch ſie ließ Oberſt— 
lieutenant Czetz die regellos heranlaufende Infanterie 
an der Straße auffangen, auch durch Oberſtlieute— 
nant Bethlen an der ganzen Hügelreihe aus Wür— 
tembergs-Huſaren einen Cordon ziehen, den bei To— 
desſtrafe Niemaud überſchreiten durfte. Durch dieſe 


209 
Maßregeln wurden in weniger als einer Viertelſtunde 
die Bataillons ueu formirt und bald darauf die 
Schlachtordnung in 2 Treffen, rechts und links von 
der Straße, Maätyas-Huſaren im Centrum, Würtem— 
berg⸗Huſaren auf dem linken, die Biharer hinter dem 
rechten Flügel, wiederhergeſtellt. Unterdeſſen hatte 
Bem feine Batterien auf der Straße und an den 
Höben vortheilhaft poſtirt. So fanden die Kaiſer— 
lichen plotzlich, ſtatt eines flüchtigen regelloſen Haus 
fens eine imponirende Truppenzahl in guter Ordnung 
und vortheilhafter Stellung vor ſich. Sie begannen 
den Kampf mit Erbitterung von Neuem und ent— 
wickelten ein furchtbares Artilleriefeuer, indem ſie 
zugleich den rechten Flügel unſerer Armee wieder zu 
umgeben ſuchten. Bem hatte aber dies Vorhaben 
gemerkt und ſeinen rechten Flügel durch das Toron— 
taler Bataillon verſtärkt. Er erwiederte das feind— 
liche Feuer nur in langen Pauſen und nur da, wo 
er ſeinen Schuß ſicher hatte. Denn die hereinbre— 
chende Dämmerung fing ſchon an, die Gegenſtände zu 
verſchleiern. Indeſſen hatten die Kaiſerlichen den 
größten Theil ihrer Munition verſchoſſen und verſuch— 
ten eben durch ein keinen Augenblick nachlaſſendes 
Geſchützfeuer, wie durch heftiges Plänkeln unſere 
Truppen zum Weichen zu bringen; aber dieſe gewan— 
nen, unter Bems eigner Leitung und unter der um— 
ſichtigen Führung Hrabovsky's, immer mehr Terrain, 
während der rechte Flügel unter Dobay ebenſo, lang— 
14 


210 


ſam vorrückend, die feindlichen Truppen zurückdrängte. 
Als nach der heftigen „Kanonade das feindliche Ge— 
ſchützfeuer plötzlich verſtummte, ſchien es erwieſen, 
daß den Oeſterreichern die Munition ausging. In 
dieſem Augenblicke ſtürmte Bem von allen Seiten 
mit dem Bajonet auf den Feind und dieſer wurde 
gleich geworfen und in die Flucht über die Brücke gejagt, 
nach Zurücklaſſung einer bedeutenden Anzahl Todter 
und Verwundeter. Im Mauthhauſe allein ward eine 
ganze Compagnie niedergemacht, einige andere wur⸗ 
den ins Gebirge geſprengt. Bem jagte ohne Auf 
enthalt den Feind über Päd gegen Szaͤszväros. Als 
aber um 10 Uhr Abends die Nacht hereinbrach, mußte 
die Verfolgung eingeſtellt werden. Die Häuſer von 
Pad waren großentheils mit öſterreichiſchen Todten 
und Verwundeten angefüllt. Demnach läßt ſich an— 
nehmen, daß der Verluſt des Feindes ſich auf 2000 M. 
belief, außer einer großen Anzahl demontirter und 
drei verlorner Kanonen und einigen Hundert Gefan— 
genen, unter denen ſich mehre Officiere, ſo der wackere 
Cavalerieoberſt Loſenau, befanden. Wir verloren 
6— 700 M. Aber Bem hatte wieder feſten Fuß in 
Siebenbürgen gefaßt, und mit dem dieſen Sieg be— 
gleitenden moraliſchen Eindrucke ſtand die Wiederer— 
oberung des Landes als wahrſcheinlich zu erwarten. 

Bems Aufgabe, nach dem bei Piski erfochtenen 
Siege, beſtand darin, denſelben fo gut als möglich 
zu benutzen, d. h. der kaiſerlichen Armee nicht die 


Zeit zu laſſen, fib in Mühlenbach feſtzuſetzen und 
dort, auf die Feſtung Carlsburg und ihre Werkſtät⸗ 
ten geſtützt, eine neue Schlacht zu liefern. Denn 
alsdann wäre Bem, wenn nicht aus andern Gründen, 
doch durch das Ausgehen der Munition geſchlagen 
worden und hätte obendrein keine Operationsbaſis 
bis Großwardein oder Arad gehabt. Er mußte daher 
trachten, ſich feiner früheren Baſis, Maros-Väſärhely 
und dem Szeklerlande, wieder zu nähern und dann, 
ſich von da aus mit Truppen, Munition und allem 
Uebrigen wohl verſehend, den Hauptſchlag gegen 
Hermannſtadt zu führen. Er mußte, mit einem Worte, 
die Kofellinie früher erreichen, als die Oeſterreicher. 
Sein nächſtes Object war alſo Mediaſch, im Thale 
der großen Kokel, zu welchem er gelangen mußte 
und das, von Maros-Väſärhely und dem Szekler— 
lande gleich weit entfernt, überhaupt zu einem Zwi— 
ſchenpunkte ganz geeignet war. In dieſem Sinne 
wurden auch alle Anordnungen getroffen. 

Am 10. früh Morgens hatte Bem ſchon Szäsz— 
väros erreicht, von wo die Kaiſerlichen um Mitter⸗ 
nacht abgezogen waren, nachdem ſie einige große 
Häuſer mit Kranken und Verwundeten gefüllt hatten. 
Bem ließ ſeine Truppen hier Mittag halten und 
marſchirte um 12 Uhr weiter gegen Mühlenbach. Es 
war ſchon Abend, als ſeine Avantgarde jenſeit Sibot 
in gleicher Höhe ungefähr mit Tartaria auf feindliche 
Cavalerie traf, woraus hervorging, daß die Kaiſer— 

14 * 


212 


lichen Mühlenbach bereits beſetzt und ihre Vortruppen 
ausgeſtellt hatten. Dieſe wurden ſofort von Bems 
Avantgarde angegriffen und in den Wald auf der 
Poſtſtraße gegen Mühlenbach zurückgedrängt, grade 
da, wo ſich die Carlsburger von der Mühlenbacher 
Straße abſondert. Ein Bataillon Infanterie mit ein 
Paar Kanonen und einiger Cavalerie bezog in der 
Dunkelheit hier ein Lager; die ganze übrige Armee 
Bems aber marſchirte in aller Stille gegen Alvincz 
zu. Um 10 Uhr Nachts ſtieß bei dieſem Orte unſere 
Avantgarde abermals auf den Feind. Bem hatte 
alſo richtig gerechnet: die Kaiſerlichen wollten ihn bis 
Mühlenbach heranrücken laſſen, um ihn dort ſchlag— 
fertig zu empfangen und mitten in der Schlacht ſollte 
ſein linker Flügel von Alvinez aus umgangen wer— 
den. Das läßt ſich wenigſtens aus dem Abſenden 
der Brigade Stutterheim nach Alvincz folgern, wenn 
es nicht ein planloſer, durch die Unordnung des 
Rückzuges herbeigeführter Einzelfall war und vielleicht 
die Kaiſerlichen nicht einmal die Abſicht hegten, in 
Mühlenbach ſtehn zu bleiben. Sei dem, wie ihm 
wolle, Bem hatte Alvinez zum Nachtquartier auser— 
ſehen und Oberſtlieutenant Czetz, welcher die Avant— 
garde des Centrums führte, ließ den Ort ſogleich 
durch das Bataillon Mariaſſy und das 11. Honved— 
bataillon ſtürmen. Die Kaiſerlichen hatten natürlich 
Bem hier am wenigſten erwartet, flohen in größter 
Unordnung nach Carlsburg zu, und hatten es nur der 
Schnelligkeit ihrer Füße, ſo wie unſerer Unkenntniß 


213 
des Terrains zu danken, daß nicht ihre ganze Bri— 
gade ſammt allem Geſchütz gefangen genommen wurde. 
Bem recognoscirte noch bis 12 Uhr Nachts das 
Terrain und wählte feine Aufſtellung für Geſchütz 
und Infanterie gegen Carlsburg und Mühlenbach. 
Die Truppen bivouaquirten größtentbeils im Freien. 
Am Morgen des 11. entwickelte Bem fein ganzes 
Corps gegen Mühlenbach zwiſchen Lamkerék und Se 
besan in Schlachtordnung, um für einen etwaigen 
Angriff nach dieſer Seite Front machen zu können. 
Der ſchwere Train jedoch, die Reſervemunition, 
Bagagen, Verwundete und Kranken gingen einſt— 
weilen unter Bedeckung der Arriergarde, welche nun 
die Rolle der Avantgarde übernahm, über Vaͤradgya 
Limba und Cſüged nach Girbö. Die Armee ſelbſt 
ſollte nachfolgen. Man ſieht alſo, daß Bem zwiſchen 
einer feindlichen Feſtung und einem feindlichen Corps 
mitten hindurch über bahnloſe, unwegſame, waldige, 
öde, unbewohnte Gebirge, meilenweit, im Winter und 
zwiſchen bösgeſinnte Wallachen ſich hindurchwagte, 
um deſto eher ſein Ziel, das Kokelthal zu erreichen. 
Es war dies ein kühner und genialer Gedanke, wel— 
cher mit großer Energie ausgeführt wurde und der 
Erfolg bat bewieſen, daß er für Bems Lage der 
einzig richtige war. Denn der Weg über Gfüged, 
Berve, Tohät !), Vereſegybaz ?), Szäsz Csanäds) und 
Holdviläg!) iſt in der That der directeſte und kürzeſte 


1) Fayersdorf. 2) Rothkirchen. 3) Scholten. 4) Appesdorf. 


214 


von Szaszvaros ins Kokelthal und man kann beinahe 
eben fo ſchnell in Nagy Selyk oder Frauendorf !) ein- 
treffen, als ein anderer Trupp in Hermannſtadt an— 
langt und hat daher jedenfalls Mediaſch früher er— 
reicht, als dieſer letztere. Nur bewegt ſich dieſer auf 
einer guten Chauſſee, jener auf unwegſamen Gebirgen. 
Es gehört alſo eben ein geſchlagener Feind und eine 
ſiegende Truppe unter einem energiſchen Feldherrn 
dazu, um das Gleichgewicht zwiſchen Beiden wieder— 
herzuſtellen und den Beweis des obigen Satzes doch zu 
führen. Zwiſchen Bem und den Kaiſerlichen traf dies 
in der That zu. Uebrigens dachte Bem, daß Cſüged und 
Umgebung von der Feſtung Carlsburg aus nicht 
beſtrichen werden könnten; dies war aber doch der 
Fall, indem ſelbſt die Tragweite eines Achtzehnpfün— 
ders die Entfernung zwiſchen den Feſtungswällen und 
den gegen das linke Marosufer ſich erſtreckenden 
Gebirgshängen beſtrichen haben würde. Die Armee 
Bems erklomm den ſteilen unwegſamen Bergabhang 
zwiſchen Limba und Cſüged und brauchte den ganzen 
Tag dazu, um nur die Kanonen hinaufzuziehen. 
Zwanzig Ochſen vermochten auf dem ſteilen glatteiſi— 
gen Boden kaum eine Kanone auf den Berg hinaufzu— 
bringen, eine große Zahl Bagagewagen blieb ſtecken, 
die Zugthiere erſchöpften alle ihre Kräfte. Die Pferde 
verſagten den Dienſt, welchen die Honveds ſelbſt ver— 
ſehen mußten, kurz es war ein Jammer, die ſiegreiche 


1) Aszonyfalva. 


215 
Armee in ſolcher Stockung, Unordnung und in fo 
verzweifelter Lage zu ſehen. Die Kaiſerlichen ſahen 
dieſem Schauſpiele von den Wällen Carlsburgs ruhig 
zu, obne auch nur zum Vergnügen einen Achtzehnpfün— 
der loszubrennen und dadurch die Unordnung noch zu 
vermehren, ja ſie vielleicht unheilbar zu machen. 
Dies iſt eine jener unerklärbaren Thatſachen, die ſich 
in dieſem Feldzuge ſo häufig wiederholten: war es 
noch eine Nachwirkung des Schreckens von Piski und 
Alvincz, ein Alp, der die Sinne der Kaiſerlichen ge— 
fangen hielt oder dachten ſie, Bem, der Allgewaltige, 
konne plotzlich an ihre Thore klopfen und die Feſtung 
in einem kühnen Anfalle auf unbegreifliche Art neh— 
men, oder war es eine unrichtige Berechnung der 
Entfernung; die wahre Urſache mögen die Götter 
wiſſen! Wir glauben, daß die Kaiſerlichen ſelbſt ſie 
nicht kennen. Gewiß iſt es, daß Bems Armee ſich 
für dieſen ritterlichen Dienſt verpflichtet fühlte und 
Bem ſelbſt meinte, als er die Höbe erreicht hatte: 
„Hätte ich das gewußt (daß nämlich der Marſch in 
der Schußweite der feindlichen Kanonen vor ſich ge— 
ben müſſe), ich hätte es nie unternommen.“ An 
demſelben Tage erreichte er glücklich Berve und ſeine 
Truppen rückten zerſtreut bis zum Morgen des fol— 
genden Tages eben daſelbſt ein. Am 12. mußte er 
ihnen, da fie völlig erſchöpft waren, Ruhe gönnen. 
Bem benutzte dieſen Tag, um ſeine Dispoſitionen in 
Betreff Siebenbürgens zu treffen, nach Klauſenburg, 
Biſtritz, Maros Väſärhely und in das Szeklerland 


216 


Couriere abzuſenden, um dort feine Exiſtenz und feine 
Erfolge zu verkünden. Zugleich ernannte er den 
Oberſtlieutenant Czetz zum Oberſten, nahm andere 
zahlreiche Avancements vor, und verſprach Belohnun— 
gen. Am 13. ſchickte er den Oberſtlieutenant Kemény 
mit ſeinem eignen ſehr zuſammengeſchmolzenen Ba— 
taillon, einer Abtheilung Mätyäs-Huſaren, der gan— 
zen Bagage, allen Kranken und Verwundeten über 
Beſenyö et), Tür und Baläsfalva und von da weiter 
nach Thorda und Klauſenburg. Er ſelbſt marſchirte 
mit der Armee, auf Szäͤsz Cſanäd, wo übernachtet 
wurde, und am nächſten Tage, der 14. Februar, über 
Holdiviläg, Frauendorf, Kis Kapus nach Mediaſch 
in einem Marſche, ſo daß ſeine Truppen am 15. 
Morgens in dieſer Stadt anlangten. 

Das Ziel war erreicht, Bem wieder Herr der 
Kofellinie und im Beſitz des Schlüſſels zu feinen na— 
türlichen Operationsbaſen. Auch erwartete ihn be— 
reits in Mediaſch Major Zſurmay mit den Wilhelm— 
Huſaren, der Abtheilung Kreß-Chevauxlegers, ein 
Paar Compagnien ſehr gut bewaffneter und ſchön 
equipirter Szatbmarer Onkéntes. Major Zfurmay 
war nämlich, wie oben erwähnt, bei Viz Akna von 
Bem abgeſchnitten worden und hatte unterdeſſen einen 
Parteigängerkrieg gegen die Abtheilung des kaiſerlichen 
Partiſan Haydte mit abwechſelndem Glücke geführt. 
Bald hatte er den Haydte, bald dieſer ihn aus Mes 


1) Funtzendorf. 


diaſch und Eliſabethſtadt vertrieben, bis zuletzt die 
große Szeklerbewegung dem Major Zſurmay den 
Beſitz von Mediaſch ſicherte. 

Dem Oberſtlieutenant Alexander Kiß war es 
nämlich gelungen, nach ſeinem Einrücken ins Szek— 
lerland mit dem zweiten Szeklerbataillon und den 
Szekler-Huſaren, die dortigen Bewohner über die 
wahre Lage der Dinge aufzuklären und ſie zum maſ— 
ſenhaften Anſchluß an Bem zu bewegen. Er hatte 
am 12. Februar mit drei woblbewaffneten Bataillons, 
zwei Bataillons Lanzenträger nebſt einer Diviſion 
Huſaren und ſechs Kanonen Segesvär 1) beſetzt und 
ſich in dieſer feſten Poſition zur längern Behauptung 
derſelben vorbereitet. Außerdem organiſirte er in 
Gemeinſchaft mit dem Oberſt Alexander Gal die Na— 
tionalgarden im ganzen Szeklerlande und betrieb die 
Recrutirung mit ſolcher Energie, daß ſeine Truppen 
ſich alle Tage mehrten. Kaum war Bem in Mediaſch 
angelangt, ſo rückten auch ſchon drei regulaire Szek— 
lerbataillons, junge, muthige und tüchtige Burſchen, 
und das wackere 12. Honvedbataillon, das ſich in 
den Haromſzéker Affairen unſterblichen Ruhm erwor— 
ben, mit einer Escadron Mätyis-Huſaren als Ver— 
ſtärkung zu ſeiner Armee. Das ungariſche Lager 
war in freudiger Bewegung, der verlorengeglaubte 
greiſe Feldherr war wieder im Siegeszuge und ſtärker 
an Macht, denn je, erſchienen. Er ſicherte uns 


1) Schaͤsburg. 


218 


die Erfüllung unſeres heißeſten Wunſches, die Erobe— 
rung Hermannſtadts und die Befreiung des ganzen 
Landes von Sachſen, Wallachen und ihren Helfers— 
helfern, den Kaiſerlichen. Tage der Ruhe und der 
Freude folgten auf ſo viel erlittne Drangſale, eine 
fürwahr wohlverdiente Belohnung. Aber die Ruhe 
dauerte nicht lange. Oberſt Urban war von Neuem 
bei Faad in das Land gefallen: nachdem er drei Come 
pagnien Alexander-Infanterie bei Vatra Dorna über— 
raſcht und gefangen genommen hatte, trieb er die 
ſchwache Biſtritzer Garniſon nach heldenmüthigem 
Widerſtande nach Dées. Oberſt Ritzkö war nämlich 
mit dem Bataillon Alexander-Infanterie und vierhun— 
dert Mann Polen, wozu ſpäter noch ein Honved— 
bataillon kam, als Obſervations-Corps gegen die 
Bukowina zurückgeblieben. Urban rückte am 14. Fe 
bruar mit ſechs Bataillons und zwei Batterien gegen 
Bayersdorf, wo ſich Niko verſchanzt hatte und 
ſchickte eine Umgehungscolonne unter Oberſt Wiſzner 
nach Szerevefalva. Um 10 Uhr Morgens ſtürmte 
Urban das wohlverſchanzte Dorf, in welchem ſich die 
Unſern hartnäckig vertheidigten. An ihrer Spitze 
ſtand Ritzkö mit gezognem Säbel, den Muth feiner 
wenigen Truppen anfeuernd. Dreimal wurden die 
Angreifenden zurückgeworfen; als ſie zum vierten 
Male ſtürmten, traf eine Kanonenkugel tödtlich den 
Oberſt Ritzkö und der Fall des Führers lähmte den 
Muth ſeiner Truppen. Die Honveds zogen ſich zu— 
rück und die Polen vertheidigten noch zwei Stunden 


219 


lang den Ort, um den Rückzug der Ibrigen, welchen 
dieſe nach Dees bewerkſtelligten, zu decken. Oberſtlieu— 
tenant Toth war zwar von Klauſenburg dem Urban 
entgegengeeilt, aber er fuͤhlte ſich zu ſchwach an Trup— 
ven, um mit Erfolg dem Feinde begegnen zu können. 
Bem erhielt dieſe Trauernachricht am 16. Februar 
und ſchon am 17. war er mit den drei Szekler—⸗ 
bataillons, dem zwölften Honvedbataillon, eine 
Escadron Wilbelms-Huſaren, den Kreß-Chevauxle— 
gers und 12 Geſchützen auf dem Wege nach Biltrie. 
Er marſchirte Tag und Nacht und kam am 20. in 
der Nacht nach Budak, unweit Biſtritz. Urban hatte 
ſich auf die Kunde davon ſchleunigſt von Bethlen 
nach Biſtritz zurückgezogen und war am 20. bei der 
Meldung von Bems Annäherung nach Jaäͤäd zurück— 
marſchirt, in jenem Orte nur eine Arrieregarde zu— 
rücklaſſend. Bem warf dieſe ſchon am 21. aus Biſtritz 
hinaus und ließ feine Truppen einen Tag ruhen. 
Am 23. griff er Urban in ſeiner feſten Poſition bei 
Jad an. Die Szekler fochten im erſten Feuer wie 
Löwen, das zwölfte Bataillon verrichtete Wunder der 
Tapferkeit und Oberſt Johann Banffy that es an 
Bravour, Unerſchrockenheit und geſchickter Truppen— 
führung Allen zuvor. Urban erlitt bedeutenden Ver— 
luſt, wurde total geſchlagen und über die Grenze 
gejagt. Bem verfolgte ihn dies Mal nur bis Tihutza 
und ſperrte die Grenze ab. Er beſtimmte zum Mili— 
taircommandanten von Biſtritz den Oberſtlieutenant 
Toth, indem er zu deſſen Truppe noch die mitge— 


220 


brachte Infanterie, alfo eine anſehnliche Macht zus 
rückließ und beſah Dées und die Anſtalten in Nagy 
Banya, wo er die Abſendung großer Munitions- 
transporte nach Mediaſch beorderte. Commandant 
von Klauſenburg und Umgegend ward Oberſtlieute— 
nant Kemény. 


Zehntes Capitel. 


Bem's Armee in Mediaſch. — Vorgänge bei der öfterreichiichen 
Armee in Hermannſtadt. Czetz's Dispoſitlonen zur Be⸗ 
hauptung Mediaſch's. Schilderung des Kokelthales. — 
Schlacht bei Mediaſch am 1., 2. und 3. März 1849. — 
Rückzug der ungariſchen Armee nach Schäsburg. — Bem's 
ſtrategiſches Wirken in dieſem Orte. — Unternehmungen der 
Oeſterreicher gegen Schaͤsburg und deren Folgen. 


Mittlerweile hatte Oberſt Czetz in Mediaſch das 
Commando der Hauptarmee geführt und war ſeiner— 
ſeits bemüht, die kurze Ruhezeit zur Ergänzung der 
Bataillons, zur Herſtellung der Ordnung und Dis— 
ciplin, welche auf dem unregelmäßigen Marſche ſehr 
gelitten hatten, ſo wie zur Bekleidung, Beſchuhung 
und Bewaffnung der Truppen zu benutzen, für Ar— 
meebeſpannungen zu ſorgen und bei Mediaſch eine 
ſolche Poſition aufzuſuchen und ſie noch zu verſtärken, 
in der er ſich jedenfalls bis zur Rückkunft Bem's zu 
halten vermochte. Kundſchafter meldeten ihm die 
Lage der Dinge im Sachſenlande. Die ganze kai— 
ſerliche Armee hatte ſich in Hermannſtadt coneentrirt, 
eine nothwendige Beſatzung in Carlsburg abgerechnet, 
und außerdem hielten, wie oben erwähnt wurde, von 


222 


den Ruſſen 6000 Mann unter General Engelhardt 
Kronſtadt und 4000 Mann unter Oberſt Skariatyu 
Hermannſtadt beſetzt. 

Zwei kaiſerliche öſterreichiſche Generalſtabs-Of— 
ficiere, Oberſtlieutenant van der Null und Major 
Marviehein, waren von Italien nach Siebenbürgen 
beordert worden, um mit Hülfe ihres geprüften Ta— 
lentes die öſterreichiſchen Waffen zum Siege zu füh— 
ren. Auf Antrieb derſelben hatte Puchner die De— 
fenſive, welche er bis dahin mit Ehren und 
abwechſelndem Glücke behauptet, aufgegeben und rü— 
ſtete ſich zum entſcheidenden Angriffskriege. 

Am 27. Februar marſchirte die öſterreichiſche 
Armee von Hermannftadt ab in zwei Colonnen, von 
denen die zweite aber erſt am 28. Februar nachrückte, 
um Bem in Mediaſch zu ſchlagen und ſeine Armee 
zu vernichten. Der Feind hatte vier vollſtändige 
Brigaden, zu der Geſammtſtärke von 16,000 Mann 
aller Waffengattungen mit 40 bis 45 Geſchützen. 
Denn die Abweſenheit der Ruſſen machte die Garni— 
ſonen in Kronſtadt und Hermannſtadt entbehrlich. 
Unſere Armee beſtand dagegen in Mediaſch aus fol— 
genden Truppen: 


Infanterie. 
3. Mariaſſybataillo n. 800 Mann 
11. Honvedbataillon 900 „ 
4 2 ee 400 5 


1. Szekler-Bataillon 1000 — 


223 


55. Honvedbataillon . 800 Mann 


7. Torontaler Bataillon .... 800 „ 
Szathmarer Onkentess .. 260 „ 
31. Honvedbataillon, 4 Compagn. 400 „ 
Kell moge lt. „ar 200 „ 


4. Szeklerbataillon, theils unbe 
waffnet, theils nur mit Lanzen 
Wenz. . % nt e 2000 — 
9760 Mann 
Das erſte Szeklerbataillon war nach Hauſe 


marſchirt. 
Cavalerie. 


1 Diviſion Würtemberg-Huſaren . 300 Mann 
4 Escadrons Mätyäs⸗Huſaren . 400 „ 
1 Escadron Wilhelm-Huſaren .. 120 „ 
2 Escadrons Koburg-Huſaren .. 300 „ 
(kamen erſt nach der Schlacht in 
Schäs burg dazu). 
2 Escadrons Biharer Garden . 300 „ 
(gingen vor der Schlacht nach 
Maros-Väaſaͤrhely). 
1120 Mann 
In Schäsburg ſtanden noch 1 Di— 


viſion Szekler-Huſaren 300 „ 
1720 Mann 
Artillerie. 
30 bis 36 Geſchütze 
und 6 " 


10 bis 42 Geſchütze. 


224 


An der Schlacht bei Mediaſch nahmen jedoch 
weder die Schäsburger Garniſon, noch die Coburg— 
Huſaren, noch die Biharer Garde Theil; Bem focht 
alſo dort nur mit 5700 Mann Infanterie, 820 Mann 
Huſaren und 30 Geſchützen. Um dem Leſer jedoch 
ein genaues Bild von der Schlacht zu geben, müſſen 
wir zuvörderſt das Schlachtfeld beſchreiben. 

Die Stadt Mediaſch liegt im Thale der großen 
Kokel, hart am linken Ufer tiefes Fluſſes, 4 Meilen 
von Hermannſtadt und iſt, wie alle ſächſiſchen Städte, 
mit einer von Thürmen unterbrochenen Ringmauer 
verſehen, welche aber zur Vertheidigung nichts tau— 
gen, indem ſie von ringsumher liegenden Höhen be— 
herrſcht werden. Eine Stunde von der Stadt, 
ſtromabwärts, liegt am Fuße eines Bergrückens der 
Ort Kis Kapus, ebenfalls von der Kokel beſpült. 
Zwiſchen beiden Orten iſt das Flußthal ſehr ſchmal, 
höchſtens 1500 Schritte breit und von reißenden 
Wildbächen durchſchnitten, welche ſich in ziemlicher 
Breite und mit ſteilabfallenden Ufern verſehen in die 
Kofel ſtürzen. Zwiſchen dieſen Wildbächen ziehen 
ſich Ausläufer des Mittelgebirges bis auf einige 
Hundert Schritte von der Kokel, wo fie meiſt terraſ— 
ſenartig in ſteilen Abhängen endigen. Auf den letz— 
ten Senkungen dieſer Bergfüße zieht ſich die Chauſſee 
hin, verſehen mit ſteinernen Uebergängen über die 
Gießbäche. Auf dem halben Wege zwiſchen Kis 
Kapus und Mediaſch, dem am anderen Flußufer 


225 


liegenden Orte Ekemezo gegenüber, ſtand ein mit 
Planken umzäumtes maſſives Wirthshaus, neben 
welchem ſich bis an die Kokel ein ziemlich tiefer 
ſumpfiger Grund erſtreckt, welcher hie und da von 
Ziegelöfen beſetzt war. Die Brücken über die Kokel 
bei Efemezd und Kis Kapus waren abgetragen, der 
Fluß ſelbſt durch die aufthauenden Gebirgswaſſer 
angeſchwellt und nicht zu durchwaten. Eine Stunde 
ſuͤdlich von Mediaſch, im Gebirge liegt der Ort 
Szasz Musna, welcher beſetzt gehalten werden mußte, 
indem der Parteigänger Haydte ſich um Sz. Agotha 
umbertrieb und die Flanke von Mediaſch bedrohte. 
Von Norden her war keine Umgehung durch den 
Feind zu befürchten, denn Balaͤsfalva hielten die 
Unſrigen beſetzt, und ſtreiften täglich bis Holdviglag 
und Sidve. 

Oberſt Czetz hatte Kis Kapus mit einer ſtarken 
Avantgarde von 1 Bataillon Infanterie, 1 Escadron 
Cavalerie und 6 Geſchützen beſetzt, auch denſelben 
befohlen, den Ort ſo lange zu halten, bis die 
Hauptmacht ihre Poſition hinter dem erſten Gießbache 
zwiſchen Mediaſch und Ekemezo beſetzt hätte. 

Dieſe Poſition gewährte für die Artillerie eine 
die Straße beherrſchende durch flüchtige gradlinige 
Schanzen gedeckte Aufſtellung, von der aus ſie den 
Angreifer in ein Kreuzfeuer nehmen konnte. Die 
Plänkler hatten den ganzen Rand des Gießbaches 
vom Gebirge bis an die Kokel beſetzt und ſtanden ſo 

15 


226 


ganz gedeckt. Der Feind konnte ſich ihnen nur über 
eine ganz offene Ebene nähern und war alſo bedeu— 
tenden Verluſten beim Angriff ausgeſetzt. Die Re— 
ſerven hatten hinter den Terraſſen gedeckte Stellun— 
gen und die Cavalerie in zweiter Linie war durch 
Terrainwellen dem feindlichen Auge gänzlich entzogen. 
Auſſerdem war eine Umgehung unſerer linken Flanke 
nicht leicht zu ſupponiren. Nichtsdeſtoweniger ſollte 
Bem, durch die Umſtände gedrängt, dieſe ſo gün— 
ſtige Poſition erſt im letzten Momente benutzen. 

Am 1. März brach die kaiſerliche Avantgarde 
von Frauendorf gegen Kis Kapus vor und ſuchte 
die unſrige hinauszuwerfen. Dieſe aber leiſtete unter 
ihrem geſchickten und tapferen Führer Herkalovies 
einen ſo hartnäckigen Widerſtand, daß die Feinde ſich 
nach vierſtündigem Gefecht wieder in ihre Stellung 
bei Frauendorf zurückziehen mußten. Freilich waren 
Herkalovics Kräfte erſchöpft, aber er hatte der ihm 
gewordenen Aufgabe vollkommen entſprochen. In 
der Nacht war auch General Bem, wie ein Deus 
ex machina, von Maros Väſärhely angekommen und 
die Truppen ſahen jetzt freudig dem kommenden 
Morgen entgegen. Bem hatte gewiſſermaßen den 
Inſtinct, die herannahende Gefahr zu errathen und 
ließ feinen Unterbefehlshabern ſelten die Zeit, auf 
eigene Fauſt bedeutende Unternehmungen zu machen. 
So auch jest. Am 2. März war ſchon das Gros 
der Kaiſerlichen in Frauendorf eingetroffen und hatte 


297 


um 8 Uhr Morgens das Gefecht bei Kis Kapus mit 
Herkalovies wieder angeſponnen. Dieſer hielt ſich 
noch eine Stunde, bis Oberſt Czetz mit dem Gros 
des Bem'ſchem Corps die oben beſchriebene Poſition 
beſetzt hatte, zog ſich dann fechtend zurück und bildete 
in Mediaſch die Reſerve. Oberſtlieutenant Hrabovsky 
hatte mit dem Torontaler Bataillon und einer Ab— 
theilung Cavalerie nebſt 4 Kanonen links von Me— 
diaſch gegen Musna Poſition genommen. Die Kai— 
lichen waren einſtweilen bis an das obenbezeichnete 
Wirthshaus vorgerückt, daſſelbe beſetzend und fuhren 
ihr Geſchütz auf dem jenſeitigen Ausläufer des Ge— 
birges auf. In dieſem Augenblick erſchien Bem auf 
dem Schlachtfelde, ging ſofort aus der Vertheidigung 
zum Angriff über und entſendete den Oberſtlieutenant 
Baͤnffy mit dem 11. und 24. Bataillon zur Einnahme 
des Wirthshauſes. Unſer Geſchütz wurde einige 
Hundert Schritte ſeitwärts vorgebracht und das 
Feuer gegen die kaiſerliche Artillerie begann, während 
die übrigen Truppen in ihrer Stellung verharrten. 
Da entſpann ſich ein heißer Kampf. Das eilfte 
Bataillon unter dem wackern Ineredy ſtürmte nach 
kurzem Plänkeln unter einem Hagel von Granaten, 
Kartätſchen und Flintenkugeln mit dem Bajonet das 
Wirthshaus, die feindliche Infanterie hinauswerfend. 
Dieſe aber ſammelte ſich bald wieder unter dem 
Schutz ihrer Artillerie und rückte, durch einige friſche 
Bataillons verſtärkt, von Neuem gegen das Wirths— 
15* 


228 


haus und die daſſelbe beherrſchende Höhe, welche 
mittlerweile vom 24. Bataillon erſtiegen war. Das 
24. Bataillon aber, eines ſolchen Kampfes unkundig, 
verließ die genommene Anhöhe und das eilfte Ba— 
taillon mußte deshalb, von allen Seiten umringt, den 
Platz räumen. Doch ſchnell ſammelte es ſich wieder, 
angefeuert von dem im ſtärkſten Kugelregen überall 
gegenwärtigen, unerſchütterlichen Oberſtlieutenant 
Bänffy und von ihrem wackern Major Incredy, und 
nahm, vom anrückenden Bataillon Mariaſſy unter— 
ſtützt, das Wirthshaus und die Höhen wieder, nach 
langem und blutigen Kampfe. Den Major des 
24. Bataillon hatte Bem, weil er ſeine gute Poſition 
verlaſſen, auf der Stelle caſſirt und ſeinem Nachfolger 
befohlen, durch Wiedererſtürmung der verlaſſenen 
Stellung die Scharte auszuwetzen. So dauerte der 
Kampf bereits 5 Stunden. Die Kaiſerlichen mach— 
ten nun mit friſchen Truppen einen Bajonetangriff 
und drängten das 11. Bataillon und das Mariaſſp— 
Bataillon wieder zurück; ja ihre Cavalerie war ſo 
kühn, einen Choe auf unfere etwas in Unordnung 
gerathene Infanterie zu verſuchen. Da machten 
Major Zſurmay und Oberſtlieutenant Bethlen mit 
den Wilhelm und Maͤtyas-Huſaren über Sumpf 
und Ziegelöfen einen Angriff auf die kaiſerliche Rei— 
terei und jagten ſie in die Flucht; das eilfte Bataillon 
ſammelte ſich wieder, das 55. Bataillon und Wür— 
temberg-Huſaren unter dem ritterlichen Major 


229 

Karolypi ſchloſſen ſich an, warfen den Feind gegen 
6 Ubr Abends aus feiner Hauptpoſition an dem 
Bergrücken jenſeits des beſagten Wirthshauſes heraus 
und drängten ihn gegen Kis Kapus. Bem ließ ihm 
auch keine Ruhe: Würtemberg- und Wilhelm-Hu— 
ſaren mußten unaufhörlich Angriffe auf die feindliche 
Artillerie machen und unſere Infanterie ihnen außer 
Athem folgen. Die Kaiſerlichen drängten ſich eilig 
nach Kis Kapus und ſuchten ſich noch in den Stra— 
ßen zu vertheidigen, wurden aber namentlich von 
dem voranſtürmenden eilften Bataillon nach hitzigem 
Kampfe vertrieben. Der Feind zog ſich hierauf nach 
den Bergrücken zwiſchen Kis Kapus und Frauendorf. 
Auch von dort wollte ihn Bem vertreiben, aber ſeine 
erichöpften Truppen konnten nicht weiter und es war 
ſchon 9 Uhr Abends. Er beſchränkte ſich alſo auf 
eine Artillerieverfolgung und die Kanonade dauerte 
bis 10% Uhr. Ein Theil von Kis Kapus ging 
durch feindliche Granatſchüſſe in Flammen auf. 
Bem war alſo an dieſem Tage Sieger geblieben, 
aber nicht ohne bedeutende Opfer. Neun der brav— 
ſten Officiere des eilften Bataillons, unter ihnen 
Major Ineredy, waren verwundet, und 300 Ge 
meine hatte das Bataillon eingebüßt: unſere Cava— 
lerie hatte ſehr gelitten und eine Menge Cartouchen, 
für den Augenblick unerſetzlich, waren verſchoſſen. 
Bem wollte ſich aber von Mediaſch nicht ſo leichten 
Kaufes trennen. 


230 


Er ließ Kis Kapus ſtark beſetzen und kehrte 
mit den übrigen Truppen nach Mediaſch zurück. 
Am nächſten Morgen überzeugte er ſich jedoch, daß 
ein längerer Kampf gegen die geſammte kaiſerliche 
Macht ihm kein erwünſchtes Reſultat bringen werde; 
er beſchloß Mediaſch nur mittelſt eines Artillerie-Ge— 
fechtes zu ſchützen und es ſo lange zu halten, bis 
ſeine Verſtärkungen aus Schäsburg und Maros— 
Väſärhely angelangt ſein würden. 

Der Vormittag des 3. März verſtrich unter Vorbe— 
reitungen beider Parteien. Bem ſuchte ſich eine paſſende 
Stellung aus, und die Kaiſerlichen erwarteten ihre Re— 
ſerven; denn auch ſie wollten dies Mal möglichſt ſicher 
gehen. Bem wählte die Poſition am rechten Ufer des vor 
dem mehrerwähnten Wirthshauſe, Ekemezö gegenüber, 
in die Kokel ſtrömenden Gießbaches. Es war ein 
ſteiler Bergrücken, welcher mit jähem Abfall den 
jenſeitigen auf Kanonenſchußweite belegnen Thalrand 
ziemlich beherrſchte und ſich amphitheatraliſch vom 
Wirthshauſe bis zu dem Bergknoten bei Baromlak 
erſtreckt. Der Kamm dieſes Bergrückens wurde von 
unſerer Infanterie beſetzt, der letzte Abfall neben 
der Straße oberhalb des Wirthshauſes von unſerer 
geſammten Artillerie. Die Cavalerie ſtand rückwärts 
auf der Ebene und auf der Straße. Rückſichtlich 
dieſer Poſition entfuhr dem Correſpondenten des Sie— 
benbürger Boten der Ausruf: „Bem weiß ſeine Stel— 
lungen ſo zu wählen, daß ſich das Auge des Mili— 


231 


tairs mit Vergnügen daran weidet, und man es mit 
der Hand zu greifen vermag.“ Doch hatte die Poſi— 
tion den Nachtheil, daß unſer linker Fluͤgel ganz von 
Wald begränzt war, in welchem ein dreifach über— 
legner Feind leichtes Spiel mit einer Ueberflügelung 
batte. Bem hatte zwar an dieſen Fall gedacht, und 
den Major Zſurmay mit einem Streifcorps von vier 
Compagnien Infanterie, 1 Eskadron Cavalerie und 
2 Kanonen nach Baromlak entſendet, um die etwa 
Ueberflügelnden ſelbſt wieder zu umgehen, was auch, 
wie ſich unten zeigen wird, geglückt iſt; aber der 
Truppenmangel hinderte ihn doch, ſich einer Umgehung 
gebörig zu erwehren. 

In Kis Kapus war eine kleine Arrieregarde der 
Unſrigen geblieben, welche ſich aber bei Annäherung 
des Feindes ſogleich zurückzog. Die Kaiſerlichen nab- 
men auf dem jenſeitigen Thalrande Poſition. Das 
Artilleriegefecht dauerte von 3 bis 6 Uhr Nachmittags: 
beide Theile behaupteten ihre Stellungen, nur fügten 
die ſchweren Kaliber des Feindes unſerer Artillerie 
Schaden zu, indem 5—6 unferer Kanonen demontirt 
wurden, und ein Munitionswagen in die Luft flog. 
Unſere auf dem Bergrücken poſtirte Infanterie ward 
durch gutgezielte Kanonenſchüſſe erſchüttert, und ihr 
linker Flügel, im Walde bedroht, dehnte ſich immer: 
mehr ſüdwärts aus, ſeine gute Poſition verlaſſend. 
Da ließ der Feind den verlaſſenen Bergrand durch 
Infanterie erklimmen und griff mit ſeiner Cavalerie 


232 


unſere Artillerie an. Dieſe Bewegung war entſchei— 
dend. Bems Truppen begannen überall zu weichen, 
ſogar ſeine Artillerie retirirte, und er ſelbſt ward 
nur durch die Bravour eines Zuges Würtemberg— 
Huſaren aus den Händen des ihn bereits von allen 
Seiten umringenden Feindes befreiet. Er hatte näm— 
lich zu lange ſitzend bei ſeiner Artillerie verweilt und 
war im Augenblick von den Angreifenden umzingelt 
worden. Bem verſuchte noch zwei Mal einige Ka— 
nonen aufzuſtellen, aber es war gegen 7 Uhr Abends, 
und der Andrang des Feindes zu heftig. Da ſagte 
er dem Oberſt Czetz: „Nun beziehen ſie Ihre Poſition, 
und retten Sie, was Sie können!“ Das geſchah. Czetz 
ſammelte die fliehenden Truppen und ſtand bereits 
in der vorhergewählten Poſition in Schlachtordnung 
da, als der Feind jene Krümmung der Straße er— 
reichte, wo er von uns beſtrichen werden konnte. 
Der Artilleriekampf begann von Neuem und dauerte 
ungefähr eine Stunde. Auch waren mittlerweile von 
Maros-Väſärhely zwei friſche Compagnien des vierten 
Bataillons, und von Musna her die beiden Szath— 
marer Compagnien eingetroffen, und zwar mit gefüllten 
Patrontaſchen. Dieſe hielten den feindlichen Tirailleurs 
Stand, und es galt nur noch die Dunkelheit abzu— 
warten, um ungefährdet den Rückzug antreten zu 
können. Das dauerte aber Bem zu lange. Als er 
bemerkte, daß vie feindliche Infanterie durch die vier 
friſchen Compagnien aufgehalten wurde, wollte er ſich 


233 

jene ganz vom Halſe Schaffen und befahl, ungeachtet 
aller Proteſtationen des Oberſt Czetz, den Sturm— 
angriff mit dem Bajonet. Dieſer ward zwar verſucht, 
mislang aber natürlicherweiſe; denn der Feind war 
uns an Zahl zu ſehr überlegen und obendrein in 
einem Walde poſtirt. Da erfolgte, was bei gänzlich 
erfchöpften Truppen wohl zu erwarten ſtand, eine 
allgemeine regelloſe Flucht über Mediaſch gegen Eli— 
ſabethſtadt. Nur den braven Würtemberg-Huſaren 
verdankten wir die Rettung unſerer Artillerie, und 
Bethlens Mätyas-Hufaren plänfelten noch bis Mitter— 
nacht mit dem Feinde, der ungeachtet obiger Vorfälle 
ein Vorwärtsgeben nicht gerathen fand. 

Während dieſer Affaire verſuchte eine kaiſerliche 
Umgebungscolonne von 2000 Mann uns auf der 
linken Flanke die Rückzugslinie abzuſchneiden, hatte 
unter Commando des Grafen Daun die letzten Höhen 
gegen Mediaſch und Meſchen nach einem höchſt be— 
ſchwerlichen Marſche über Berg und Thal durch 
Wald und Moraſt im eigentlichen Sinne des Wortes 
erklommen, und ſtand im Begriff die Unſern anzu— 
greifen. Da debouchirte plotzlich aus dem Dorfe 
Eibersdorf die Umgehungscolonne des Major Zſurmay 
und eroberte die mit ſo vieler Mühe von den Oeſterrei— 
chern gewonnene Höbe wieder. Auf dieſe pflanzten ſofort 
die Ungarn ihre Kanonen, und in das Bataillon 
Parma, welches in einem Frontmarſch auf unſre linke 
Flanke losging, ſchlugen plotzlich Zzurmays Kanonen— 


234 


kugeln im Rücken der Kaiſerlichen, und jagten 
die Oeſterreicher wie Spreu auseinander, zumal 
auch Bem ſie ſeinerſeits mit Kanonenkugeln begrüßte. 
So ward die feindliche Umgehung zwar vereitelt, 
aber durch den raſchen Rückzug des Gros konnte ſich 
Zſurmay, über Berg und Thal marſchirend, erſt in 
Holdviläg mit Ben wieder vereinigen. Zſurmay näm— 
lich marſchirte am linken Kokelufer, aber da die Brücke 
bei Eliſabethſtadt nicht mehr ſtand, mußte Bem am 
rechten Ufer dieſen Ort erreichen. Als die Oeſter— 
reicher ſich wieder geſammelt hatten, war Bem ſchon 
in die Nacht hinein entkommen, und ihre auf Recog— 
noscirung ausgeſandten Chevaurlegers brachten die 
Nachricht, daß ſie den Feind wegen der Finſterniß 
nicht mehr hätten erreichen können, daß fie aber er— 
fahren, er habe ſich nach Maros-Vaſärhely zurück— 
gezogen. Die Oeſterreicher zogen am vierten in 
Mediaſch ein. 

Bem langte am 4. März um 1 Uhr Nachts in 
Eliſabethſtadt an, den Schäsburger Truppen, welche 
ein Mißverſtändniß verſpätet hatte, unter Weges be— 
gegnend. Am zten Morgens kam Bem mit feiner 
geſchlagnen Armee in Schäsburg an. Die Stadt 
war dermaßen verbarrikadirt, daß die Geſchütze 
ſich nur mit Mühe durch die ſchmalen, unregelmäßigen 
Gaſſen durchzuwinden vermochten. Denn die Eins 
wohner waren ungeachtet der Nähe und des täglichen 
Verkehrs mit den Szeklern geſchworne Feinde aller 
Ungarn, und um ſo heftiger, als ſich bei ihnen er— 


— 


erbter Haß jetzt mit Fanatismus paarte. Weder 
Oberſtlieutenant Kiß noch Vem hatten Zeit gehabt, die 
Barrikaden wegzuräumen, und den Schäsburgern ob 
der unmenſchlichen Behandlung unſerer Kranken und 
Verwundeten eine wohlverdiente Züchtigung angedeihen 
zu laſſen. Man hatte ſich darauf beſchränkt, der 
Stadt eine angemeſſene Kriegsſteuer aufzuerlegen. 
Deſto eher konnte aber Schäsburg zu einer Gegen— 
wehr benutzt werden, bei welcher kein Stein auf dem 
andern bleiben ſollte, falls der ſcharfe Andrang der 
Kaiſerlichen Bem zu einer ſolchen Maßregel nöthigte. 
Dazu wurden nun alle Anſtalten getroffen. Bem 
hatte bei ſeiner Ankunft die Gegend recognoscirt und 
beſchloſſen, die an ſich ſtarke Poſition noch durch Feld— 
ſchanzen zu verſtärken. Er ſelbſt bezeichnete die 
Trace der Feldbatterien, und nun ging es rüſtig an 
die Arbeit. Drei Bataillons arbeiteten abwechſelnd 
Tag und Nacht an dem Ausheben der Graben und 
dem Aufwerfen der Bruſtwehren, während die Ca— 
valerie den ganzen übrigen Dienſt verſah, und die 
Artillerie unabläſſig an der Wiederherſtellung der de— 
montirten Geſchütze und an der Inſtandſetzung der 
Beſpannungen arbeitete. Unterdeſſen mußten die ſtädti— 
ſchen Arbeiter für die Armee allerlei Monturſtücke 
anfertigen und an der Ausbeſſerung der Waffen ar— 
beiten. Munition ward von Maros-Vaſärhely her— 
beordert und die Diviſion Coburg-Huſaren war im 
Marſch auf Schäsburg. Gleich nach der Mediaſcher 
Schlacht war auch Major Herkalovies über Baläs— 


236 


falva nach Klauſenburg detaſchirt worden, um alle 
dort nur entbehrlichen Truppen der Armee zuzuführen. 
Kurz, Bems Thätigkeit war dann am gewaltigſten, 
wenn er am Meiſten im Nachtheile war, wo andere 
minder energiſche Naturen gewöhnlich den Kopf ver— 
lieren, ſich einer allgemeinen zu ihrer gänzlichen Ver— 
nichtung führenden Apathie hinzugeben pflegen. Bem 
erhob ſich grade nach ſchweren Niederlagen am kräf— 
tigſten wieder, und wurde dann dem Feinde um ſo 
gefährlicher, als dieſer ihn jeder Thatkraft unfähig 
glaubte. Daraus erklären ſich auch zum Theil die 
wunderbaren Wendungen des Geſchicks in dieſem 
Feldzuge. In Schäsburg hatte Bem nur die Wahl 
zwiſchen zwei Uebeln: entweder mußte er die Stadt 
ſo lange halten, bis ihm neuer Sukkurs aus dem 
Szeklerlande kam, wohin er zur Vornahme ſchleuni— 
ger Organiſationen den patriotiſchen und talentvollen 
Oberſten Alexander Gäl zurückgeſandt hatte. Er 
konnte hier die Ereigniſſe abwarten, und hatte jeden— 
falls einen Rückzug nach dem Szeklerlande oder nach, 
Maros-Väſaͤrhely frei. Oder er konnte auch nach 
Maros-Vaͤſärhely rücken und dort feine Kräfte con— 
centriren. In dieſem Falle mußte er aber die Szekler 
wieder ſich ſelber überlaſſen, was unberechenbar nach— 
theilige Folge gebracht und ihn ſeiner Operationslinie 
an der Kokel beraubt haben würde. Eine dritte Mög— 
lichkeit war, ſich ins Szeklerland zu werfen, und von 
dort aus, mit Hülfe einer Maſſe Nationalgarden, 
einen Schlag auf Kronftadt zu wagen. Aber dieſer 


— _ 

Plan bätte Bem ſowobl von feiner Operationsbaſis, 
als auch von ſeinem Operationsobjekte, Hermannſtadt, 
getrennt und würde zum günſtigſten Falle nur einen 
ſecundairen Vortheil geboten haben. Bem entſchloß 
ſich daher zu dem erſtgenannten Plane, obſchon er 
ſeine wahre Abſicht ſelbſt vor ſeinem Generalſtabe 
dadurch zu verbergen wußte: daß er ihm, im Fall 
eines Rückzuges, Kronſtadt als nächſtes Operations— 
objekt bezeichnete. Bem ſagte bei dieſer Gelegenheit 
zu einem feiner Generalſtabsofficiere S . . . ck, der 
ibn fragte, was er zu thun gedenke: 

„Können Sie ſchweigen?“ 

„Ja,“ ſagte jener. 

„Nun, ich auch;“ erwiederte Bem. 

Dieſem Plane entſprechend, ließ er Dänos, auf 
dem halben Wege zwiſchen Schäßburg in Eliſabeth— 
ſtadt, von einer gemiſchten Brigade beſetzen und an 
den Verſchanzungen der Hauptpoſition unabläſſig fort— 
arbeiten. Damit beſchäftigte er ſeine Armee vom 
5.—8. März und dieſe wunderte ſich nicht wenig, 
daß die Oeſterreicher noch immer nicht von Mediaſch 
berankämen. Endlich am Sten Mittags erſchienen 
die öſterreichiſchen Colonnen diesſeits Holdviläg und 
Dragonerhelme erglänzten ſelbſt jenſeit der Kokel im 
Walde gegen Prod und Nagy Szollös. Bems Armee 
war augenblicklich in den ihr vorgeſchriebenen Stel— 
lungen und erwartete ruhig den Angriff des Feindes. 
Dieſer begnügte ſich jedoch mit einer Demonſtration 
gegen Daͤnos und zog ſich dann auf die Höhen bei 


238 


Holdviläg zurück, indem er rings umher in der Aus— 
dehnung von einer Meile ſeine Lagerfeuer auf den 
Höhen anzündete. Bems Armee lagerte in ihren 
Schanzen und erwartete mit Sehnſucht den Morgen 
und die Schlacht. Als aber am gten Morgens kein 
Kanonenſchuß die Unſern weckte, als die ausgeſandten 
Patrouillen bei Holdviläg keine Feinde trafen und 
nur eine reitende Ordonnanz fingen, welche dort über 
die Kokel ſetzen wollte, um wahrſcheinlich der feind- 
lichen Cavalerieabtheilung in Nagy Szöllös Befehle 
zu überbringen, als endlich die von Beſe und Kereſd 
zurückkehrende Patrouille meldete, daß der Feind in 
kleinen Abtheilungen in der Nacht vom Sten auf den 
gten durch dieſen Ort paſſirt ſei; da hatte Bem den 
ganzen feindlichen Plan errathen, und ſagte zu ſeinem 
Generalſtab: „Jetzt marſchiren wir nach Hermannſtadt.“ 
Die Armee war in einer halben Stunde marſchfertig, 
und wurde nur durch eine von zwei Huſaren 
wegen Inſubordination zu vollziehende Execution noch 
eine Stunde länger aufgehalten. Um 11 Uhr aber 
ſetzte ſich Alles am linken Kokelufer gegen Mediaſch 
in Bewegung. 


239 


Elftes Capitel. 


Bem marſchirt anf Hermannſtadt Am 11. März zweite 
Schlacht bei Hermannſtadt mit den Rnſſen unter Skariatyn 
und Einnahme der Stadt. — Bems militalriſches und 


politiſches Wirken in Hermannſtadt. — Folgen der Einnahme. 
— Affaire mit den Ruſſen beim Rothenthurmpaſſe. — Af⸗ 
faire der Kaiferlichen an der Freker Brücke. — Fagaras wird 
ohne Schwertſtreich beſetzt — Treffen bei Feketehalom 
(Zeiden) am 18. Maͤrz. — Die Oeſterreicher und Ruſſen 
flüchten ſich durch den Tömöfcher und Torgburger Paß in 
die Wallachei. — Bem zieht in Kronſtadt ein. — Die Ruſ⸗ 
ſen über die Grenze gejagt. — Rückblick. 


Das Gros des Bemſchen Corps kam am 9. März 
Nachts um 2 Uhr ganz erſchöpft von dem langen 
Marſche und ganz durchweicht vom unabläſſig nie— 
derſtrömenden Regen in Paratej*) an. Am 10. Mor⸗ 
gens 8 Uhr waren wir in Mediaſch, wo ein zur 
Deckung der Straße von den Oeſterreichern zurück— 
gelaſſenes Bataillon mit einer Escadron Chevaur— 
legers ganz verblüfft über unſer plötzliches Erſcheinen 
über Berg und Thal davonlief, eine halbe Com— 
pagnie nebſt ihrem Officier als Gefangnen im Stich 
laſſend. Die Huſaren ſetzten unaufhörlich nach und 
Bem entſendete noch ein Detachement unter Oberſt— 


) Pretau. 


240 


lieutenant Bethlen, um den Flüchtigen über Musna, 
Baromlak und Sällya zuvorzukommen und etwa im 
Gebirge ſich findende öſterreichiſche Truppen-Abthei— 
lungen gefangen zu nehmen. Mediaſch blieb durch 
Oberſtlieutenant Pereczy mit ungefähr 1500 Mann 
und 4 Kanonen beſetzt. Die Armee ging nach zwei— 
ſtündiger Raſt wieder vorwärts nach Nagy Selyk, 
wo wir um 1 Uhr Nachts einrückten. Am 11. März 
Morgens 6 Uhr traten wir unſern weitern Marſch 
gegen Stolzenburg und Hermannſtadt an. Die Be— 
wohner der Ortſchaften konnten ihr Staunen nicht 
genugſam kundgeben, daß Bem, den ſie bei Mediaſch 
geſchlagen und in Schäsburg wußten, nun plötzlich 
vor den Kaiſerlichen bei ihnen erſcheinen könne. Bei 
Stolzenburg ſtieß unſere Avantgarde auf einen Vor— 
trupp Koſaken, welcher lebhaft angegriffen und zer— 
ſprengt wurde. Dort hielten wir Mittagsruhe. 
Um 12 Uhr wurde der Marſch fortgeſetzt; um 4 Uhr 
Nachmittags debouchirte Bems Armee aus Groß— 
ſcheuern und ſtellte ſich hinter dem Berge, welcher 
dieſen Ort von Hermannſtadt trennt, in Schlachtord— 
nung auf. Die Ruſſen ſtanden ebenſo jenſeits des 
Berges in der Ebene. Bems Abſicht war eigentlich, 
mit ſeiner ganzen Armee längs der Berglehne nach 
Hammersdorf zu mardurch ſchiren und den ploͤtzlichen 
Anblick einer impoſanten Macht Hermannſtadt zur 
Uebergabe ohne Schwertſtreich zu nötbigen. 


— — — 


241 

Da Bem die Meldung von der Aufſtellung der 
Ruſſen en ordre de bataille vor Hermannſtadt ge 
macht wurde, ſagte er ganz lakoniſch: „Ah! Sie bieten 
uns die Schlacht an, wir müſſen fie acceptiren.« Und 
nun ging es los. Bems Artillerie debouchirte hinter 
dem Berge bervor, nahm Stellung und erwartete 
das Signal zum Feuern, während unſere Infanterie 
das Plateau beſetzte und in die Weingärten des jen— 
ſeitigen Abhangs nieder zu ſteigen begann. Die 
Ruſſen jaben dieſen Vorbereitungen, ohne einen Schuß 
zu thun, ruhig zu. Da verſuchte eine ftarfe Koſa— 
ken-Abtheilung Bems rechten Flügel zu umgehen. 
Bem ließ ſie auf Kartätſchenſchußweite herankommen 
und begrüßte ſie dann mit einer ſolchen Salve, daß 
fie in wilder Unordnung Reißaus nahmen und wäh— 
rend der Schlacht gar nicht wieder im Vordertreffen 
zum Vorſchein kamen. Hiermit begann die Schlacht. 
Die ruſſiſchen Maſſen hielten Bems furchtbare Ka— 
nonade ruhig aus und ihre in den Weingärten po— 
ſtirten Plaänkler waren nicht zum Weichen zu bringen. 
Das dauerte wohl eine Stunde. Bem wurde piquirt 
und entwickelte, je nach dem erfolgenden Anrücken 
ſeiner Truppen immer mehr Infanterie gegen den 
ruſſiſchen linken Flügel. Dieſer wich endlich einem 
Bajonetangriff, welchen die Szekler mit allem ihnen 
innewohnenden Ungeſtüm unternahmen. Die Ruſſen 
wurden in die Ebene hinausgedrückt und unſere In— 
fanterie folgte ihnen auf den Ferſen. Zugleich be— 
gann die Diviſion Würtemberg-Huſaren auf der Ham— 

16 


242 


mersdorfer Linie zu debouchiren und drohte dem 
ruſſiſchen linken Flügel mit Umgehung. Dies ver⸗ 
anlaßte das feindliche Centrum zu einer rückgängigen 
Bewegung, welche damit endete, daß die Ruſſen ſich 
in die verſchanzten Vorſtädte zurückzogen. Auch Bems 
Artillerie hatte ſich unterdeſſen in der Ebene ent⸗ 
wickelt und der ruſſiſchen Artillerie, welche bei dieſer 
Gelegenheit ſich nicht eben durch richtiges Zielen aus 
zeichnete, empfindliche Verluſte beigebracht. Zugleich 
machte Oberſtlieutenant Kiß auf dem rechten Flügel 
mit Koburg⸗ und Wilhelm-Huſaren gegen eine frei⸗ 
ſtehende ruſſiſche Batterie einen glänzenden Angriff, 
und zwang ſie zum ſchleunigen Rückzuge. Es war 
6 Uhr Abends und der Kampf in den Verſchanzun⸗ 
gen der Vorſtädte dauerte noch eine ganze Stunde, 
bis endlich die Ruſſen, den wiederholten ſtürmiſchen 
Bajonetangriffen der Szekler weichend, ſich in die Stadt 
zurückzogen. Um 7 Uhr hatten dieſe die erſten Häu— 
fer der Vorſtadt beſetzt, aber ihre Kräfte waren era 
ſchöpft. Die Dunkelheit brach ein und die Umge— 
hungs-Brigade des Oberſtlieutenant Bethlen mit dem 
braven 11. Bataillon war noch nicht zur Stelle. 
Die Stadt mußte aber noch in der Nacht genommen 
werden, wenn nicht alle Anſtrengungen des Tages 
vergeblich ſein ſollten. Bem ließ daher die Stadt 
mit Granaten bewerfen: wodurch freilich einige Häu— 
ſer in Brand geriethen, aber die nachtheilige Folge 
hervorgebracht wurde, durch die Beleuchtung unſerer 
Truppen dem feindlichen Wallgeſchütz ein ſicheres 


23 


Ziel darzubieten. Es entitand eine ſchmerzliche Pauſe 
und Bem wollte ſchon den Reſt der Arbeit für den 
folgenden Tag aufſparen. Da erſchien plötzlich Beth— 
len mit feiner Brigade. Das 11. Bataillon rückte 
entſchloſſen und das Freiheitslied der Armee ſingend 
in die Vorſtadt über alle Verhaue gegen das Stadt 
tbor vor und verſuchte dreimal daſſelbe zu ſtürmen. 
Unterdeſſen hatten ſich das Szekler- und das Mariaſſy⸗ 
Bataillon geſammelt und ſtürmten zum vierten Male, 
in Gemeinſchaft mit dem 11 Bataillon. Das brach 
den Widerſtand der Ruſſen; ſie flohen über Schellen— 
berg gegen den Rothenthurmpaß. Um 9½ Uhr 
ruͤckte die ganze ſiegreiche Armee Bems in Hermann— 
ſtadt ein. 

So war das heißerſehnte Ziel erreicht, die Hy— 
dra der Reaction lag endlich unter den Füßen der 
gepeinigten Ungarn und Szekler, der Moment der 
Vergeltung war gekommen und doch kam nicht Ein 
Beiſpiel von Mord oder Plünderung vor. Die Ein— 
wohner ſtaunten über unſere Armee, denn ſie hatten 
den Einzug raubgieriger Horden erwartet, wie die 
kaiſerlichen Officiere uns immer, nach bekanntem Kunſt— 
griff der Reaction, den Bürgern geſchildert hatten 
und faben eine wohldisciplinirte Armee vor ſich. Der 
kaiſerliche Oberſt Koppet hat nachmals in Temesvar 
zu nicht geringem Aerger der Schwarzgelben über 
die Disciplin und die Ordnung der Bemſchen Armee 
viel Rühmliches erzählt. So groß iſt die moraliſche 
Macht der Freiheit, und ihr Einfluß durchglübte die 

16 * 


244 

begeifterten Truppen fo ſehr, daß fie ſelbſt die wildeſten 
Leidenschaften zu zügeln wußten. Das iſt der ſchönſte 
Triumph der für die heiligſten Güter kämpfenden Frei— 
heitshelden. Zwar fiel Benigni, der Redacteur der 
Siebenbürger Zeitung, dieſer Schlange, welche mit 
ihrem Gifte ſo häufig den ungariſchen Volkscha— 
rakter beſudelt hatte, durch eine Kugel, ein Paar 
verſchloſſene Thüren wurden von den, Ruhe und eine 
Lagerſtätte ſuchenden, Honveds geſprengt, aber kein 
Raub oder Diebſtahl verübt. Und doch war die mit 
Sturm eroberte Stadt der Gnade oder Ungnade des 
Siegers verfallen! Vermögen wohl die Oeſterreicher 
und Ruſſen ein ähnliches Beiſpiel aufzuweiſen? Zu— 
gleich ließ Bem am andern Morgen ſchon allge— 
meine Amneſtie verkünden. Wo hat ſich Oeſterreich 
ähnlich gerächt? Und doch belohnten die Sachſen 
den einſichtigen, wackern Bem ſpäter mit Undank. 

Bem fand in Hermannſtadt an 24 Kanonen 
verſchiedenen Kalibers, ein ungeheures Quantum Mu— 
nition, die ganzen Vorräthe an Tuch- und Beklei— 
dungsmaterial für die kaiſerliche Armee, große Ma— 
gazine voll Lebensmittel und drei mittelſt geringer 
Reparatur wieder brauchbar zu machende Pulvermüh— 
len; Bem hatte ſo den Kaiſerlichen die Möglichkeit 
entzogen, ſich länger in Siebenbürgen zu behaupten 
und fie mußten entweder in die Wallachei flüchten, 
oder die Waffen ſtrecken. 

Die Oeſterreicher waren mittlerweile am 10. Mor— 
gens in Schäsburg eingerückt. Wie groß muß aber 


245 


ihr Staunen geweſen fein, als fie dort keinen einzi— 
gen ungarischen Soldaten fanden. War Bein mit 
ſeiner Armee verſchwunden? Und wohin? Sie hiel— 
ten anfangs die Kunde von der Eroberung Hermann— 
ſtadts, welche durch den lebendigen Telegraphen der 
ſächſiſchen Bevölkerung zu ihnen gedrungen war, für 
ein Mährchen und glaubten erſt dann an die Wahrheit 
dieſes genialen ſtrategiſchen Kunſtſtücks, als eine 
Bemſche Brigade bereits gegen Leſchkirch“) heranzog, 
um den Feind aufzuſuchen. Die Kunde von dem 
Ereigniß durchlief mit Blitzesſchnelle das ganze Land; 
weder Freund noch Feind wollte daran glauben. In 
der That war die Eroberung Hermannſtadts ein 
unerwartetes Ereigniß, deſſen Schlüſſel einzig und 
allein in der genialen Auffaſſungsweiſe, mit welcher 
Bem die Lage der Dinge würdigte, in der Kühnheit 
ſeines Geiſtes liegt, ſo wie in dem ächten Feldherrn— 
tact, mit welchem er die vom Feinde dargebotene 
Gelegenheit und einen ſtrategiſchen Fehler deſſelben 
zu benutzen verſtand. Bem war in der That in Me— 
diaſch aufs Haupt geſchlagen und der kaiſerliche Ar— 
meecommandant hatte nicht Unrecht, wenn er in ſeinem 
Bericht an den Fürſten Windiſchgrätz über dieſe 
Schlacht bemerkte: „Wir haben durch dieſen Sieg 
die wichtige Kokellinie wiedergewonnen und in wenig 
Tagen wird die Armee Bems total zerſprengt oder 
gefangen genommen ſein“ — vorausgeſetzt nur, daß 


) Ußegyhaz. 


246 


die Kaiſerlichen grade auf Schäsburg losgehen und 
Bems Corps ſprengen würden, ohne eine auf uner⸗ 
wartete Hinderniſſe ſtoßende Umgehung einzuleiten 
und dadurch Bem Zeit zu laſſen, ſeine Kräfte zu 
ſammeln. An ihnen bewies ſich ſehr treffend die 
Richtigkeit jenes ſtrategiſchen Grundſatzes, daß man 
bei großartigen Umgehungen ſich wohl in Acht zu 
nehmen habe, wenn man nicht ſelbſt umgangen wer; 
den will. Noch mehr, als die Kaiſerlichen, blamirte 
ſich der Siebenbürger Bote, welcher am 10. die gänz⸗ 
liche Vernichtung Bems mit großer Schadenfreude 
feinen ſächſiſchen Landsleuten verkündete. Am 11. 
aber, als das Blatt zur Ausgabe in der Druckerei 
bereit lag, fand Bem obigen Bericht auf dem Schreib— 
pult des commandirenden Generals. f 

Die ganze kaiſerliche Armee hatte ſich nach der 
Mediaſcher Schlacht ins Gebirge nach Sz. Agotha!) 
geworfen, um über Hendorf ?), Trappold und 
Segesd, Schäsburg ganz zu umgehen und Bem den 
Rückzug ins Szeklerland abzuſchneiden. Die Abthei— 
lung Haydte's ſollte ihn in der Front über Riomfaͤlvas), 
Almakeré k“) und Beſes) beſchäftigen, während ein Ca: 
valeriedetachement bei Nagy Szöllös die Straße nach 
Maros-Vaäſärhely beſetzte und den Unſrigen den Rück— 
zug dahin abſchnitt. Allerdings fein ausgedacht, um 
Bems Schanzenbau unnütz zu machen; aber man 
hatte dabei vergeſſen, die Hauptoperationslinie ge— 
1) Agnethlen. 2) Hegen. 3) Reichersdorf. 4) Malmkrog. 
5) Beſendorf. 


247 


gen Hermannſtadt zu beſetzen, um Bem dieſen Weg, 
auf dem er immer nach Baläsfalva und Thorda ent- 
weichen konnte, zu ſperren. Freilich war ſolche Kühn— 
heit, mit einer geſchlagenen Armee den Vormarſch 
auf Hermannſtadt zu wagen, Niemand eingefallen! 
Auch batte man die Jahreszeit und den lehmigen 
Boden um Sz. Agotha, Hendorf und Trappold 
nicht mit in Anſchlag gebracht, durch welchen der 
Marſch auf Schäsburg unendlich erſchwert und um 
3 Tage verlängert wurde. Denn 40 Ochſen waren 
kaum im Stande, eine Kanone auf die hohen Pla⸗ 
teaus des Mittelgebirges hinaufzuziehen, die Infan⸗ 
terie blieb faſt im Lehm ſtecken und die Reiter mußten 
ihre Pferde am Zügel nachziehen. Außerdem verrieth 
auch die von den Oeſterreichern am 8. unternommene 
Demonſtration ihren ganzen Plan an Bem und wir 
faben, wie raſch er mit feiner Contremine fertig wurde! 
So haben die Oeſterreicher Bem ſelbſt den Weg nach 
Hermannſtadt eröffnet und die beiden aus Italien 
verſchriebenen berühmten Generalſtabsofficiere hat— 
ten wohl wider ihren Willen Bem in die Hände 
gearbeitet. Die Szekler nannten Van der Nuk: 
vandor nyül (wandernder Hafe) und die Sachſen gar: 
von der Nulle. Sie fata trahunt! 

Trotz des errungenen Vortheils wußte Bem 
ſehr wohl die Unſicherheit feiner Lage und die Mög- 
lichkeit aufzufaſſen, daß man ihm den endlichen Sieg 
noch ſtreitig machen könne und traf in dieſem Sinne 
die zweckmäßigſten Anordnungen. 


248 


Bem ließ in der Nacht vom 11. auf den 12. März 
2000 Szekler Rekruten, welche nur mit Knitteln vers 
ſehen, ſeine Armee begleitet und lediglich zur Fort— 
ſchaffung der Kanonen verwendet waren, mit Bajo— 
netgewehren und der ſonſtigen Armirung verſehen 
und completirte mit ihnen das 11. und das Mariaſſy— 
Bataillon auf 1300 Mann, außerdem erhielten die 
zahlreichen nur mit Lanzen bewaffneten Szekler ſämmt⸗ 
lich Feuergewehre. Die ſtädtiſchen Magazine wurden 
ſtrenge bewacht und eine Monturfabrik improviſirt. 
Die unbrauchbaren Wallkanonen (eiſerne Vierund— 
zwanzigpfünder) wurden für den ſchlimmſten Fall 
vernagelt. Unſere Truppen bezogen am 12. März 
Nachmittags ein Lager im Freien zwiſchen der Stadt 
und Schellenberg. Major Herkalowies mit dem 50. 
Honvedbataillon, dem mittlerweile organiſirten 32. 
Bataillon und der in Klauſenburg formirten Mä— 
tyäs-Huſarenabtheilung, ſowie Banffy Janos und 
Pereczy, zuſammen mit 4090 Mann wurden herbei— 
gezogen, der Ort Befteny von Würtemberg-Hu— 
ſaren und einer ſtarken gemiſchten Brigade unter 
Oberſtlieutenant Kärolyi beſetzt, um das etwanige 
Vorrücken der Ruſſen, welche bei Boicza ſtanden, zu 
verhindern, während Oberſtlieutenant Bethlen mit 
einer ebenſo ſtarken Brigade über Dällya!), Holezmaͤny 
und Uj-egyhäz entſendet wurde, um die Kaiſerlichen 
aufzuſuchen. Bem wollte ſich durch dieſe Anſtalten 
den Sieg ſichern, was ihm auch gelang. 


1) Dolman. 


249 


Die öfterreihiihe Armee gerietb bei der ſichern 
Nachricht von der Einnahme Hermannſtadt's in einem 
ſolchen Zuſtand moraliſcher Auflöfung, welche fie 
zum längern Kampf in offnem Felde ganz untauglich 
machte. Die Mannſchaft hatte durch die letzterdulde— 
ten Strapazen unſäglich gelitten, und beſaß nicht 
einmal Fußbekleidung mehr; die Officiere hatten den 
größten Theil ihrer Bagage in Hermannſtadt zurück— 
gelaſſen, die Kaſſen waren theils leer, theils ſchon 
in die Wallache transportirt, außerdem hatten die 
Truppen alles Vertrauen zu ihren Führern verloren. 
Puchner und die übrigen Generäle, bis auf Kalliany, 
ein abtrünniger Ungar, ließen ihre Armee im Stich 
und flüchteten durch den Rothenthurmpaß in die 
Wallachei nach Rimnik, den Truppen überlaſſend, ſich 
über Kronſtadt zu retten (ſiehe Esquisse de la guerre 
en Hongrie p. 54.); Gedeon und Jovich waren ſchon 
von Hermannſtadt aus dahin gegangen, wie ſollte 
da nicht Demoraliſation und Desorganiſation unter 
den Truppen einreißen? Bem war ſo galant, Puch— 
ner ſeine Orden und Diplome durch zwei Huſaren— 
unterofficiere zu überſenden, welche er in ſeinem 
Quartier zurückgelaſſen hatte; zum Dank für dieſen 
Ritterdienſt wollten die Oeſterreicher die Ueberbringer 
gefangen nehmen, doch dieſe entwiſchten ihnen wie— 
der. Wie tief mußte da der esprit de corps bei 
den öſterreichiſchen Officieren ſchon geſunken ſein? 

Als Bem am 14. März ſichere Kunde von der 
Flucht der öſterreichiſchen Generäle erhalten hatte, 


250 


traf er unverzüglich Anſtalten, auf Kronſtadt zu 
marſchiren. Oberſt Czetz brach an demſelben Tage 
mit dem Gros gegen Fenyöfalva (Geroldsau) auf, 
während Bem mit einer ſtarken Brigade auf den 
Rothenthurmpaß losging, um von dort die Ruſſen zu 
vertreiben. Oberſt Czetz ſtieß in Fenyöfalva auf die 
Vorpoſten einer Brigade, welche die Beſtimmung 
hatte, an der bei Frek über die Aluta führenden 
Brücke das Vorrücken Bems zu hindern. Die kai— 
ſerliche Armee war nämlich von Fagaras über Vle— 
deny nach Kronſtadt marſchirt. Die feindlichen Vor— 
poſten wurden in der Nacht aus Fenyöfalva vertrieben 
und Czetz nahm hinter der Alutabrücke Stellung. Die 
Dunkelheit der Nacht und die Ermattung der Trup— 
pen verhinderte die Fortſetzung des Marſches. Am 
15. März Morgens ſollte der Flußübergang foreirt 
werden, aber die Kaiſerlichen hatten für gut gefun— 
den, noch in der Nacht abzuziehen. Oberſt Gzeb 
marſchirte am 15. bis Uesa, nahm am 16. Fagaras, 
deſſen feſtes Schloß verlaſſen war, ohne Schwert— 
ſtreich und ſchob feine Vortruppen bis Sarfäany vor. 
Am 17. ward Vledény beſetzt, wo Bem die Armee 
wieder einholte, nachdem er die Ruſſen bis an die 
Grenze der Wallachei gejagt hatte. Am 18. rückten 
die Ungarn gegen Feketehalom !) vor, wo die Kaiſer— 
lichen mit zwei Brigaden noch einmal zu wiederſtehen 
verſuchten, aber nach dreiſtündigem Kampfe gänzlich 
zerſprengt wurden. Schon die Wahl der Stellung 


1) Beiden. 


251 


zum Gefecht beweiſt, wie wenig es den Oeſterrei— 
chern Ernſt war, ſich langer gegen Bem zu halten. 
Sie ſtellten zwei Brigaden Infanterie ohne allen Zu— 
ſammenhang in die Ebene des Burzathales am Aus— 
gange des Ortes Zeiden gerade da auf, wo die 
ganze Fläche von den Höhen des Feketehalomer Ge— 
birgs dominirt wird und der Angreifer noch obendrein 
durch Wald geſchützt iſt, während ſie ſelbſt in unbe— 
ſchirmter offener Ebene fochten. Und doch hätten ſie 
inmitten dieſes Waldes eine Defenſiv-Poſition gehabt, 
die uns febr viel Opfer hatte koſten können. Sie 
flohen gegen Kronſtadt und Törzburg. Bem beſetzte 
Feketehalom und nabm vor dem Orte gegen Weiden— 
bach (Gyenvaff) Poſition, woſelbſt er ſeinen durch 
den viertägigen ununterbrochnen Marſch gänzlich er— 
ſchoͤpften Truppen Ruhe gönnen mußte. Kronſtadt 
war überdies von 6000 Ruſſen unter General Engel— 
bardt beſetzt, rings umher verſchanzt und mit einem 
die ganze Gegend beherrſchenden befeſtigten Schloſſe 
verſehen. Bem mußte alſo bei dem Angriff auf dieſe 
Stadt ſicher gehn und rechnete deshalb auch auf ſeine 
Vereinigung mit den Häromſzeker Szeklern, welche 
unter Oberſtlieut. Ferdinand Szabo nach der Aluta zu 
bei Hermäny!) und Sz. Peter?) ſtanden. Der wackere 
Patrouillenführer en gros, Oberſtlieutenant Alexan— 
der Kiß, war ſchon in der Nacht des 18. März mit 
einigen Huſaren von Vledéeny über Szunyogszeg 
(Schnakendorf) und Hidveg nach Sepſi Sz. György 


1) Honigberg. )) Petersberg. 


252 


geeilt und ſtand am Morgen des 19. bei Sz. Peter, 
zum Vorrücken auf Kronſtadt bereit. Bem hätte 
ſchon am 18. mit den fliehenden Oeſterreichern zugleich 
in Kronſtadt eintreffen können, aber er wollte Blut 
ſparen und ſagte zum Oberſt Czetz: „Laſſen wir den 
Oeſterreichern Zeit, in die Wallachey zu gehn.“ Er 
rechnete richtig: am 18. Abends waren die Ruſſen, 
in der Nacht die Oeſterreicher durch den Tömöſer 
Paß in die Wallachey entwichen ). Dieſe wollten 
nicht mehr kämpfen und erſtere ſcheueten es, ſich vor 
der ſiegreichen Armee Bems zu compromittiren. 

Am 19. März Vormittags erſchien der Kron— 
ſtädter Magiſtrat in Weidenbach vor dem greiſen 
Feldherrn und übergab ihm die Schlüſſel der Stadt, 
um Gnade flehend. Bem zog noch an demſelben 
Tage in Kronſtadt ein, die Ehre der Truppenfüh— 
rung mit feiner Courtoiſie dem Oberſten Czetz über— 
laſſend, als ſeinem rechten Arme, deſſen Mutter, 
welche ihren Sohn ſeit vier Jahren nicht geſehen und 
in Kronſtadt bittere Tage der Angſt und der Krän— 
kung verlebt hatte, zu überraſchen. 

Bem feierte einen Namenstag, wie wohl Nie— 
mand je einen gleichen gefeiert hat. Ein ganzes 
Land hatte er mit kleinen Mitteln und geringer Macht 
erobert und ſich den höchſten Triumph, die Achtung 
der feindlich geſinnten Einwohner erworben. Seine 
Aufgabe in Siebenbürgen war vollbracht und er hatte 


) La Transylvanie était perdu pour les armes impériales 
fagt die Esquisse p. 34. 


_ 233 
jetzt nur noch das Schloß Deva und die Feſtung 
Carlsburg zu nehmen, was feiner Armee keine Schwie— 
rigkeiten verurſacht hätte, wären nicht andere Ereig— 
niſſe ſtörend dazwiſchen getreten. Er ließ die Oeſter— 
reicher durch die Häromſzéker Szekler verfolgen, welche 
am Tomöſer Paß eine Beute von mehreren 100,000 fl. 
machten, die ſie zu Hauſe unter ſich vertheilten. Die 
Armee Bems wuchs nun von Tag zu Tage, ſchaa— 
renweiſe ftrömten die Szekler zu feinen Fahnen; mit 
ungefähr 10,000 Mann war er in Kronſtadt einge— 
zogen und ſein Heer zählte bei ſeiner Rückkehr nach 
Hermannſtadt ſchon 24,000 Mann, obgleich er 
in Kronſtadt 6000 Mann und am Rothenthurmpaß 
2000 Mann ſtehen ließ. Dann dachte Bem, die Sei— 
nigen zu belohnen. Für die Einnahme Hermannſtadts 
erbielten Officiere und Gemeine zweimonatlichen, für 
den Marſch nach Kronſtadt einmonatlichen Extraſold 
und ſämmtliche Truppen wurden bis Ende März 
gratis beköſtigt. Hermannſtadt mußte 200,000 fl., Kron⸗ 
ſtadt 40,000 fl. Kriegsſteuer zahlen, ſie erhielten aber 
vom 1. April an alle Lieferungen reichlich bezahlt 
und ſchließlich wurde eine für das ganze Land geltende 
Amneſtie verkündet. Auch fanden große Avancements 
ſtatt: die Oberſtlieutenante Toth, Bänffy, Bethlen, 
Kemény, Kiß wurden zu Oberſten, die Mafors 
Inczedy, Ihäsz, Hrabovsky, wurden zu Oberſt— 
lieutenants, ſehr viele Hauptleute zu Majors und eine 
Menge Gemeiner zu Officieren ernannt. Der unga— 
riſche Verdienſtorden wurde von der Regierung für 


254 


500 Militairs verlangt. Oberſt Czetz wurde für die 
bald erfolgende Abweſenheit Bems zum Millitair— 
Obercommandanten Siebenbürgens erwählt und zum 
General vorgeſchlagen; ſeine Ernennung erfolgte 
jedoch erſt im Monat Mai. 

Bem wurde in Kronſtadt von einer Deputation 
des ganzen Szeklerlandes, insbeſondere Häromſzoks, 
als Retter des Vaterlandes begrüßt und die Szekler 
baten ſich von ihm, als Lohn für ihre aufopfernden 
Leiſtungen, nur die Gnade aus, daß er ſie in ihrer 
Heimath, in Kesdy Vͤſärhely oder Sepſi Szt. György 
beſuchen möge. Bem willfahrte dieſer Bitte und 
fuhr am Sonntage nach dem Einmarſche in Kronſtadt 
in Begleitung eines ganz kleinen Stabes nach Sepſi 
Szt. György. Schon an der Kököſer Brücke, dem 
Grenzpunkte des Häromſzéker Stuhls, ſah man die 
Häromſzéker Nationalgarde, alte, graue, morſche 
Geſtalten, deren Söhne und Enkel in Bems Armee 
dienten, mit Piken oder Lanzen bewaffnet, in un— 
endlichen Reihen und Gliedern, theils zu Fuß, theils 
zu Pferde aufgeſtellt. Ihnen gegenüber ſtanden die 
alten Mütterchen in ihren Sonntagskleidern und 
deren Töchter und die jungen Szekler-Weiber, alle 
abgeſondert und gleich den Männern in Reih und 
Glied in ihren nationalen Brautanzügen, mit Blu— 
men und Bändern geſchmückt. Hunderte von Fähn— 
lein wehten in den Lüften und die Zigeuner ſpielten 
luſtige Weiſen. Bei Bems Ankunft hielt ein Natio— 
nalgardemajor eine Anrede an ihn und hieß ihn 


255 
auf Szeklerboden willkommen, Tauſend Kehlen wies 
derholten ein herzliches Eljen Bem apänk! (Es lebe 
unfer Vater Bem!) und fo ging es unter Freuden— 
grüßen und Blumenſtreuen und Sinngedichten, die 
man ihm in den Weg warf, fort nach Sepſi Szt. 
György. Es war ſchön, den warmen, aufrichtigen 
Dank eines befreieten Volkes ſo im echt naturgemä— 
ßen, menſchlichen Ausdruck bei dieſen einfachen Szek— 
lern zu ſehen. Zumal die Weiber, ſie knieten vor 
Bem nieder, ſchluchzten laut und lachten zugleich, 
warfen ihm Kränze in den Wagen und ſandten ihm 
Tauſend Küſſe und Grüße nach, und glücklich war 
jede, wenn ſie nur Bems ſtrenger, aber wohlwollender 
Blick traf. Und ſo war es in allen Dörfern bis 
Szt. György. Hier hatte der Oberkönigsrichter von 
Haͤromſzék ein großes Feſteſſen arrangirt und die 
Nobleſſe war zu Bems Empfange verſammelt nebſt 
allen im Stabsorte der Szekler-Huſaren lebenden, 
penſionirten oder ſonſt irgend am Dienſt verhinderten 
Huſaren-Officieren und Beamten des Stuhls. Auch 
bier ging es fort zwiſchen Spalieren von bewundern— 
den, gemüthlichen Szeklern zum Comitatshauſe (Prä— 
torium), wo die adeligen Damen Bem an der Treppe 
erwarteten und ihn mit Blumen und Bändern be— 
kränzt in den Tafelſaal führten, wo Reden, Gedichte, 
Geſang und Muſik dem greiſen Feldherrn die Zeit 
angenehm verkürzen ſollten. Bem war bemüht, Allen, 
die ſich ihm nabten, mit einer Artigkeit zu antworten 
und ungeachtet er nur mittelſt Dollmetſcher zu dieſen 


256 


echten Ungarinnen ſprach, gewann er alle Herzen. 
Bem ſelbſt war, insbeſondere von dem freudigen 
dankerfüllten Benehmen der Szekler Landbewohner 
ganz gerührt und er äußerte ſich, daß dies der ſchönſte 
Tag ſeines Lebens ſei und er ein Volk an dieſem 
Tage lieben gelernt, das er bisher nur wegen ſeiner 
Energie geachtet. 

Die Ruſſen beim Rothen Thurm hatten indeß 
das Rothenthurmer Schloß mit einer ziemlich ſtarken 
Arrieregarde beſetzt und die in Boicza ſtehenden 
Ungarn waren ihren unabläſſigen Neckereien ausge— 
ſetzt. Bem eilte auf dieſe Meldungen von Kronſtadt 
gleich nach ſeiner Rückkunft aus Sepſi Szt. György 
dahin, griff die Ruſſen am 25. oder 26. März am 
Rothen Thurm an, ſchlug ſie aus dem Schloſſe und 
der feſten Poſition nahebei hinaus und verfolgte ſie 
bis über die Grenze der Wallachey auf einer anſehn— 
lichen Strecke, worauf er umkehrte und die Grenze 
beſetzte. Eine Abtheilung unter Major Ihaͤsz war 
über die Berge in den Rücken der Ruſſen detachirt, 
um dieſe zwiſchen zwei Feuer zu bringen und ſie ſo 
zu vernichten. Allein die Colonne hatte bei dem Er— 
klettern der hohen Berge mit zu viel Schwierigkeiten 
zu kämpfen, ſo daß ſie erſt an ihren Beſtimmungs— 
orte gelangte, als Bem die Ruſſen ſchon in die Flucht 
geſchlagen hatte. Oberſtlieutenant Ihaͤsz erhielt das 
Commando des Rothen-Thurmpaſſes mit 2000 Mann 
Beſatzung und ſechs Geſchützen. 


257 

Wir laſſen bier die Berichte Bems über die 
Schlacht bei Hermannſtadt folgen: 

Hauptquartier Hermannſtadt am 15. März. 
In meinem Schreiben vom 13. dieſes hatte ich das 
Gluck, die Meldung zu machen, daß ich ein Corps 
gegen den Rothenthurm-Engpaß (Vöoͤroͤstorony) ge— 
ſendet, um ſoviel als möglich die Communikation mit 
der Wallachei abzuſchneiden. Dieſes Armeecorps 
konnte jedoch nicht weit vordringen, indem das ganze 
öfterreichifche Heer in Frek ftand, alſo blos durch 
einen Bergrücken von dem Engpaß getrennt war und 
ſo meine Truppen beim Vorrücken in der Flanke be— 
droht waren. Ich habe mich indeſſen dieſes Eng— 
paſſes auf einem Umwege bemächtigt und ich werde 
denſelben nicht nur behaupten, ſondern zugleich auch 
den Feind gegen Kronſtadt drängen, von wo er nur 
mit großer Mühe über die Karpathen würde gehn 
koͤnnen, wenn er nämlich nach der Wallachei ſich flüch— 
ten möchte; dieſe Kriegsoperationen werde ich noch 
heute beginnen. Geſtern haben die Unſrigen aber— 
mals einen Stabsoffizier, den Oberſt Koppet, ge— 
fangen. Die zwei früher gefangnen Stabsofficiere 
beißen: Baron Berger (Oberſtlieutenant) und Tei— 
chert (Major). 

Die Einnahme Hermannſtadts war für uns von 
unſchätzbarem Nutzen, von allen Seiten fallen uns 
eine Menge Waffen zu, während dem Feinde der 
Lebensnerv durchſchnitten worden iſt. 

17 


258 


Hauptquartier Rothenthurm (Vöröstorony) 
am 16. März. Meine geſtrigen Operationen zur 
Verdrängung der Ruſſen aus dem Rothenthurmeng⸗ 
paß ſind mit ſo glücklichem Erfolg gekrönt worden, 
daß wir noch in derſelben Nacht um 11 Uhr die Ruf 
ſen aus dieſer feſten Poſition geworfen haben. Der 
15. März, der Geburtstag der Völkerfreiheit, konnte 
wohl nicht würdiger gefeiert werden. Heute Nachmit⸗ 
tag um 5 Uhr haben die Ruſſen die wildeſte Flucht 
über Hals und Kopf ergriffen. Vier öſterreichiſche 
Generale: Puchner, Pfersmann, Gräſer und Jovich 
find mit drei Compagnien nach der Wallachey geflo- 
hen. Den Rothenthurm-Engpaß habe ich ſelbſt 
ſehr ſorgfältig inſpieirt und ſolche Anſtalten getroffen, 
daß die Ruſſen hier ſchwerlich mehr feindlich eindrin— 
gen werden. Einen anderen Theil meiner Armee 
habe ich zur Verfolgung der Oeſterreicher ausge— 
ſchickt, welche nach Ausſage von Kriegsgefangnen 
entmuthigt und in Unordnung gegen Kronſtadt ſich 
gewendet. Ihre Hauptmacht iſt bei Fagaras, die 
Arrieregarde aber hat ſo eben Frek verlaſſen. Die 
Brücke über den Alt (Aluta) hatte der Feind hinter 
ſich abgebrochen, was die nachdrückliche Verfolgung 
desſelben einige Zeit hemmte. Jetzt nach Wiederher— 
ſtellung der Brücke werde ich die Verfolgung mit 
allem Nachdruck fortſetzen. Ich hoffe binnen drei 
bis vier Tagen Kronſtadt zu nehmen, wodurch die 
kaiſerlich öſterreichiſche Armee theils vernichtet, theils 
zerſtreut, jedenfalls aber für die innere Ruhe dieſes 


Landes unſchädlich gemacht fein wird. Um ſo leich— 
ter wird dann auch die Zurückführung der vereinzelt 
noch auftretenden wallachiſchen Banden zum Gehor— 
ſam ſein. 
Nach der Einnahme Kronſtadts werde ich gleich 
mit einem Armeecorps nach Ungarn aufbrechen. 
Bem. 


260 


Zwölftes Capitel. 


Bem's adminiftratives und organifatorifches Wirken nach der Er- 
oberung des Landes. — Fehlerhaftes und unkluges Ber: 
fahren der Civilbehörden. — Uebergabe des Commando's an 
Oberſt Czetz. — Bem vor Carlsburg. — Oberſt Stein 
wird die Leitung der Belagerung Carlsburgs übertragen. — 
Oberſt Forrö cernirt das Schloß Diva. — Bem's Abzug 
ins Hatzeger Thal. — Affaire am eifernen Thor. — Bem 
geht ins Bannat. — Czetz organiſirt die Reſerven. — 
Stand der Armee in Siebenbürgen. — Rückblick. 


Nach der Einnahme Kronſtadts zeigte ſich Bem's 
Organiſationstalent in ſeinem ſchönſten Lichte. Von 
jedem Bataillon Infanterie und jeder Diviſion Hu— 
ſaren blieb ein Stamm (Cadre) zurück, welcher 
aus den Tüchtigſten und Brapſten der Truppe ges 
wählt war und ſeinen vollſtändigen Officieretat hatte. 
Die Recruten der Szekler füllten dieſe Cadres und 
ſo hatte man in einem Zeitraum von 2 bis 3 Wochen 
neue Bataillons, welche gut eingeübt und zum Feld— 
dienſte bereit waren. Dieſe neuen Bataillons wurden 
vom Kriegsminiſterium nachſtehend bezeichnet: 74, 75, 
76, 77, 78, 79, 80, St, 82, 83, 84, 85, 86. 
Außerdem wurden 10 Reſerve-Grenz-Bataillons aus 
Szekler Nationalgarden gebildet, welche man leider 
nicht mit Feuergewehren ausrüſten konnte“). Selbſt 
D Dioeſe Reſervebatalllons wurden fo vertheilt: 1. 2 Biſtritz 
und Umgebung; 3. 4. 5. Szeklerland; 6, Voza, Altſchanz und 
Tömös; 7. Törzburg; 8. von Törzburg bis zum Rothenthurm— 


261 


ein Theil der Cadres war nur mit Lanzen bewaffnet. 
Die Organiſation der Cavalerie ging zwar langſa— 
mer, aber doch mit Erfolg von Statten. In Maros— 
Vaſärbely wurde eine Pulverfabrik angelegt, auch in 
Kézdi Vaſärhely befand ſich eine ſolche und die dortige 
Kanonengießerei wurde großartig erweitert. Die 
Landesgemeinden arbeiteten fortwährend an der Be— 
kleidung und der Armirung der Truppen; kurz überall 
berrſchte Einbeit und rege Thätigkeit und nur eine 
balbjährige Kriegsrube war nötbig, um Siebenbürgen 
zu einem zweiten Kaukaſien zu machen, uneinnehmbar 
für jede auch noch fo große Macht. Auch Bem's 
Politik, durch Amneſtie die fremden Nationalitäten zu 
gewinnen, war die einzig richtige, was ſchon aus dem 
Umſtande bervorgebt, daß die Wallachen ſich nach 
der Einnahme von Hermannſtadt in die Gebirge bei 
Topänfalva zurückzogen und zu einer Ausglei— 
chung mit den Ungarn ſich bereit erklärten. Die 
Wallachen des Hunyader Comitats und des Hatzeg— 
thales wurden von Bem auf ſeinem Marſche ins 
Bannat entwaffnet. Die Sachſen auf dem Lande 
achteten und liebten Bem und ſeine Armee erbielt bei 
ihnen nach und nach das Anſehen einer wirklich na— 
tionalen Landeswehrmacht. Aber die Vorſehung hatte 
anders beſchloſſen und zu ihren Werkzeugen die Mit— 
glieder der ungariſchen Regierungsbeboͤrde erkoren. 
Dieſe, mit Koſſuth an der Spitze, konnten zwar 


paß; 9. 10. vom Rothenthurmpaß bis zum eiſernen Thor. Jedes 
ſollte aus 1500 M. beſtehen. 


262 


»Bem nicht lebhaft genug ihren Dank bezeugen, denn 
nur ihm hatten ſie es zu verdanken, daß ſie den 
Winter hindurch ruhig in Debreczin debattirten und 
nur die Anſtrengungen der Bem'ſchen Armee machten 
die glänzenden Erfolge der ungariſchen Waffen an 
der Theiß möglich. So wie aber Jemand ſich durch 
geniale Thaten über die breite Mittelmäßigkeit jener 
Herren erhob, beneideten ſie ihn und ſuchten ſeine 
Erfolge durch kleinliche Intriguen zu ſchwächen. So 
ging es auch in Siebenbürgen. Koſſuth erklärte 
durch den Regierungscommiſſair Cſänyi Bem's Am⸗ 
neſtie für ungültig, ſetzte allenthalben Blutgerichte 
ein, zur Beſtrafung der Vaterlandsverräther und 
ließ die Güter der letzteren confisciren“). Das 
war ebenſo unnütz, wie unpolitiſch. Denn die 
Häupter der reactionairen Partei hatten ſich ohnedies 
mit den Kaiſerlichen in die Wallachei geflüchtet, 
während ihre Güter dem Staate zur Dispoſition 
ſtanden, und die ſecundairen Führer konnten eher 
durch Milde als durch Strenge für uns gewonnen 
werden. Außerdem waren ja auch die Wallachen 
noch nicht ganz beſchwichtigt und entwaffnet, Carls— 
burg nicht gerechnet, welches noch in Feindes Händen 
war. Im Angeſichte dieſer Erſcheinungen und trotz 
aller jener Erwägungen fuhr Cſänyi, ſonſt ein weis 


) Vergleiche Szilagyi's „Aktenſtücke zur magyariſchen Nevolu⸗ 
tlon“ in Peſth bei Hartleben. 


208 
for und gerechter Mann, nichtsdeſtoweniger fort, 
die von Koſſuth angeordneten Maßregeln auszuführen 
und nur dem energiſchen Gegenwirken des Militair— 
obereommandanten, welcher, auf Bem's Weiſungen 
geſtützt, nach Kräften alle Gewaltmaßregeln unter⸗ 
drückte, hat man es zu verdanken, daß jenen Blut⸗ 
gerichten ſo Wenige zum Opfer fielen. 

Bem war auch der Erſte, welcher das Ausland 
über die wabre Sachlage in Ungarn, durch Berichte 
an den Vicepräſidenten der franzöſiſchen Republik, 
feinen perſönlichen Freund, fo wie an die franzöſi— 
ſchen und engliſchen Conſuln in Bukareſt und Con⸗ 
ſtantinopel aufklärte und die Bahn eröffnete zu einem 
freundlichen Einvernehmen Ungarn's mit der Pforte. 
Er beabſichtigte auch, eine glänzende Geſandtſchaft an 
den Groß-Sultan zu ſenden, und wieder trug die 
Saumſeligkeit der Regierung die Schuld, daß dieſe 
Geſandtſchaft, angeblich wegen Mangels an baarem 
Gelde, nicht ſchleunig genug ausgerüſtet werden 
konnte. Sicher, wie auch die Folge lehrte, wäre 
dieſer Schritt nicht ohne Einfluß auf das Geſchick 
Ungarn's geweſen. Wir ſind überzeugt, Bem hätte 
Mittel und Wege gefunden, ungeachtet aller Diplos 
matie, oder vielmebr mit Hülfe derſelben, ſeine Zwecke 
zu erreichen. Ueberhaupt hatte Ben alle feine Er 
folge nur feinem Genie und feiner Energie zu dans 
ken; die ungariſche Regierung war ihm bei ſeinen 
Unternehmungen eher hinderlich, als hülfeleiſtend und 
es gebörte feine feſte Ueberzeugung und fein uner— 


er. 


ſchütterlicher Sinn für Wahrheit und Freiheit dazu, 
daß er nicht früher ſchon mit der Regierung brach, wie 
er dies ſpäter — leider zu ſpät — dadurch that, daß 
er ganz Siebenbürgen in Belagerungszuſtand erklärte 
und dadurch die Functionen der Regierungscommiſſaire, 
dieſer Unglücksvögel, welche überall Gold ernten 
wollten, wo ſie Unkraut geſäet hatten, ſuspendirte. 
In Siebenbürgen nehme ich von jenen verderblichen 
Menſchen nur den gebildeten und einſichtsvollen 
Berde Mözſa aus. 

Bem hatte ſchon in Hermannſtadt den Befehl 
erhalten, nach der Eroberung Siebenbürgens ins 
Bannat zu ziehen, um dieſen Theil Ungarn's gleich— 
falls von Feinden zu ſäubernk). Von Kronſtadt 
aus folgte er dieſem Anſinnen, aber aus ganz ande— 
ren, weiter unten angeführten Gründen, als die 
Koſſuth's waren. Zuvor wollte er jedoch Carlsburg, 
wenn nicht zur Uebergabe zwingen, doch wenigſtens 
cerniren. Zur Erreichung dieſes doppelten Zweckes 
eilte er nach der zweiten Affaire beim Rothen-Thurm— 
Paſſe mit ſeinen Kerntruppen nach Hermannſtadt und 
ſetzte das nach dem Bannat beſtimmte Corps unter 
Commando des Oberſten Joh. Baͤnfi über Szaͤsvaros 
vorläufig in Marſch, und cernirte mit dem von 
Klauſenburg über Thorda und N. Enyed herange— 
zognen Corps des Oberſten Kemeny durch die Ber 


— DD —— 


) Ueber die Ausführung ſ. Cap. 13. 


5 


ſatzung der Oerter Maros Portus, Drombar und 
Borband *). Hierauf beſchoß er am 31. März 1849 
den Platz mit ſeiner ganzen Artillerie und forderte 
die Uebergabe deſſelben. Der Commandant, Oberſt 
Auguſt, verweigerte das Anſinnen und ſomit mußte 
die Feſtung durch ein förmliches Belagerungscorps 
im Zaum gehalten werden. Dieſes Corps beſtand aus: 


Infanterie 
Dem 32. Bataillon 1000 Mann 
Zwei Bataillon-Cadres 1200 „ 
Freiwillige aus dem Aranyoſer 
Blei ah lan 200 „ 
J 2400 Mann 
Cavalerie 
1 Diviſion Reſerve Mätyas-Huſ. 160 Mann 
Aranyofer freiwillige Reiter.. 60 „ 
220 Mann 
Artillerie. 


Im Anfang nur 6 Sechspfünder, zu denen 
ſpäter noch 4 Sechspfünder, 3 Dreipfünder, 

2 Vierundzwanzigpfünder, 2 dreißigpfündige 
und 2 ſechszigpfündige Mörſer aus Arad kamen. 
Die Corps war offenbar viel zu ſchwach, um 
ernſthafte Angriffe auf die Feſtung machen zu konnen, 
weshalb es denn kam, daß im Anfang die Wallachen, 
unter Janku, ſelbſt die Außenwerke beſetzen und ſich 
von dort aus mit Munition verfeben konnten. Das 
Commando und die Leitung der Belagerung wurde 
am 20. April dem Generaladjutanten des Kriegsmi— 
niſters, dem durch ſeine Sachkenntniß wie ſeine 


) Weindorf. 


266 


Energie gleich berühmten Oberſt Stein Jetzt in der 
Türkei als Ferhad Paſcha) übertragen. Oberſt Ke— 
meny erhielt wieder das Commando in Klauſenburg. 

Wenn man von Maros-Vaäſärhely im Maros— 
thale abwärts fährt, ſo trifft man einige Stunden 
hinter Cſombord am rechten Marosufer auf eine 
offne Landſtadt, welcher man gleich beim Eintritt den 
Character der ungariſchen Stadt an den breiten, un— 
gepflaſterten Straßen anſieht, deren einſtöckige Häuſer 
meiſt mit Schindeln oder Stroh und nur ſelten mit 
Ziegeln bedeckt ſind. Inmitten dieſer Stadt, dieſes 
Carlsburg (Käroly Fejérvär, Belgrad), der Alba Julia 
der Römer, liegt der Markt, aus den Türkenzeiten her 
noch Bazar genannt und über ihn führt die ſich durch 
Stadt und Feſtung windende Hauptſtraße von Klau— 
ſenburg nach Hermannſtadt, einen ſteilen gepflafterten 
Weg hinan. Weiter unterhalb an der Maros, un— 
gefähr eine viertel Stunde entfernt, liegt Maros 
Portus, ein ungariſch-wallachiſcher Ort, mit einem 
Cameral-Salz⸗Expeditions-Amte. Karlsburg liegt jo 
ziemlich mitten im Lande, auf der die beiden Haupt— 
ſtädte Hermannſtadt und Kronſtadt mit Déva und 
folglich mit Ungarn verbindenden Hauptſtraße, grade 
da, wo dieſe die Maros durchſchneidet, auf deren 
Rücken das Salz, der Hauptreichthum des Landes, 
verſchifft wird. Auch liegen die Goldgruben von 
Zalathna (Klein Schlatten, Goldenmarkt) und von 
Abrud Banya (Groß Schlatten, Altenburg) in der 
Nähe. In militairiſcher Hinſicht iſt hier der Knoten— 
punet der beiden Hauptoperationslinien in Sieben— 
bürgen, nämlich der natürlichen längs der Maros 


267 


und der transverfalen in der Richtung von Klauſen— 
burg auf Hermannſtadt: alſo gleichſam der Ausgangs— 
punct jeder aus dem Centrum gegen Norden oder gegen 
Süden auszuführenden Operation. Schon in frühe— 
ren Zeiten fab man das ein und Stephan Bätbori 
wie Bethlen Gabor hatten hier ihre mittelalterlichen 
Schloͤſſer, in denen die Gräber der Hunyaden die 
patriotiſchen Magvaren zu frommen Pilgerfahrten 
einluden. Kaiſer Carl IV. ließ jene Schlöſſer zu 
einer förmlichen Feſtung umgeſtalten. Auf dem ſich 
nordweſtlich von der eigentlichen Stadt hinziehenden 
Bergplateau, welches jene ſowohl, wie überhaupt 
das ganze Marosthal, auf eine Stunde weit beherrſcht, 
wurde ein Vauban'ſches Fünfeck mit Ravelins und 
Baſtionen erbauet und dort ein Artilleriezeughaus, 
eine Pulverfabrik, ein Monturdepot und das kaiſer— 
liche Münzamt errichtet. Die Feſtungsmauern ent— 
bielten zwar Caſematten, aber nach dem alten Sy— 
ſteme gebauete, folglich zu enge. Die Feſtung wird 
übrigens, wie Ofen, von den weſtlich gelegenen Hö— 
ben gänzlich dominirt und iſt alſo, bei hinlänglichem 
Material und zureichender Truppenmacht, nicht ſo 
ſchwierig zu nehmen, indem man gleich nach der 
Cernirung zur Eröffnung der dritten Parallele ſchrei— 
ten kann. Die Beſatzung beſtand damals aus 
2000 Mann regulairer Wallachen, einigen Compag— 
nien ſächſiſcher Truppen und einer halben Escadron 
Mar⸗Chevauxlegers. Das Feſtungs-Commando hatte, 
nach Erkrankung des früheren Gouverneurs, Oberſt 
Auguſt, der frühere Commandant von Maros Var 
ſärhely, übernommen: derſelbe, welcher in Gemein— 


268 


ſchaft mit feiner Gemahlinn, den Schmuck der Damen 
Maros Väſärhelys räuberiſch genommen und folglich 
alle Urſache hatte, ſich vor der Berührung mit den 
erbitterten Magyaren in Acht zu nehmen. Puchner 
hatte mithin auch hier, wie Windiſchgrätz in Ofen, 
den richtigen Mann in Jemand gefunden, welcher, 
perſönlich compromittirt, ſich möglichſt lange behaup— 
ten würde. Uebrigens war der Mann alt und 
ſchwach, aber ſehr thätig und die ihm mangelnde 
Einſicht ergänzten die Kenntniſſe der in der Feſtung 
befindlichen Artillerie- und Genieofficiere. Ohne 
Zweifel wäre der Platz ſchon im April noch von 
Bem genommen worden; allein dieſer hatte weiter— 
reichende ſtrategiſche Pläne und die ungariſche Re— 
gierung war zu übermüthig, um auf die Sicherung 
eines für alle Fälle erſprießlichen Reduits bedacht 
zu ſein. Bem erhielt daher Befehl, ins Bannat zu 
ziehen und Carlsburg, wie die Wallachen, blieben für 
jetzt unberückſichtigt. Anfangs commandirte hier 
Oberſtlieutenant Kemeny und that ſein Möglichſtes, 
die Defasung im Zaum zu halten, zumal lletztere, 
nach einigen tapfer zurückgewieſenen Ausfällen, ſich 
ruhig verhielt. Im April wurde Oberſt Baron 
Stein von der Regierung mit der Belagerung be— 
auftragt. Er brachte Einſicht, Kenntniſſe und kriege— 
riſche Crfahrung mit, aber leider nicht das Noth— 
wendigſte, einen tüchtigen Park Belagerungsgeſchütz, 
und mußte ſich darauf beſchränken, die Feſtung moͤg— 
lichſt eng, nach den Regeln der Kunſt, zu cerniren, 
wobei die Beſatzung ſich ruhig verhielt. Stein ſchuf 
nun mit großer Energie ein kleines Belagerungs— 


269 


corps, recrutirte und armirte daſſelbe, errichtete in 
Maros Portus eine Waffen-Reparaturanſtalt, ließ 
Zünder anfertigen, verſchrieb ſich Bomben aus Vajde 
Hunyad, und Rußberg, baute Ricochet- und Möͤrſerbat— 
terien und ließ von Großwardein eine Raketenbatterie 
kommen; aber trotz dieſer Anſtalten war noch an 
keine foͤrmliche Belagerung zu denken. Erſt nach 
dem Falle von Arad und Dees erhielt Stein vier 
vierundzwanzigpfündige Kanonen und vier Möͤrſer; 
aber Mitte Juni war gekommen und folglich die 
günſtigſte Zeit dahin. Deſſenungeachtet hätte ein 
ſchleuniges Eröffnen der Laufgräben noch jetzt zum 
Ziele fübren konnen, aber theils beunruhigte Janku 
unabläſſig das Cernirungscorps, theils ſtanden die 
Ruſſen ſchon in Siebenbürgen und endlich verbrauchte 
Stein noch ein Paar koſtbare Wachen, um das 
Bombardement vorzubereiten. Letztere erfolgte endlich 
in der Mitte des Julimonates. Nach vierundzwan— 
zigſtündiger Beſchießung waren das Münzamt, der 
biſchöͤfliche Palaſt, das Zeugbaus, die Sternwarte 
Baäthori's und die Kaſerne eingeäſchert und als Stein 
die Beſatzung aufforderte, erhielt er die Antwort: 
„man habe für die militairiſche Ehre noch nicht genug 
getban“. Nun glaubte Jedermann an eine ſofortige 
Wiederholung des Bombardements, aber — es fehlte 
an gefüllten Bomben und die Beſatzung hatte ſchon 
Kunde von den Fortſchreiten der Ruſſen erhalten! 
Carlsburg war alſo für die Ungarn verloren. Ob 
Stein oder der Regierung bievon die Schuld beige— 
meſſen werden muß, iſt ſchwer zu entſcheiden; ſo viel 
iſt gewiß, daß Jener während des ganzen Krieges 


270 


eine ausgezeichnete Thätigkeit bewährt hat, mit Recht 
geachtet wurde und gewiß ſtets das Beſte wollte, 
obſchon Neider und Unkundige nicht anftanden, fein cava— 
liermäßiges Betragen gegen die Beſatzung von Carls— 
burg als Verratb zu deuteln. Man darf wohl behaup— 
ten, daß Stein früher ſchon Herr der Feſtung geweſen 
wäre, hätte man ihm zeitig genug genügende Mittel 
angewieſen; ſo aber entſchied das Verhängniß gegen 
uns, indem Carlsburg ſpäter von den Ruſſen ent- 
ſetzt ward. 

Die Berennung und Cernirung des Schloſſes 
von Déva wurde dem Oberſten Forrô übertragen, 
welcher ungefähr 2000 Mann und 6 Kanonen zu 
ſeiner Verfügung hatte. Das Schloß, welches zum 
Theil aus Trajans Zeit herrühren ſoll, liegt, wie 
bereits oben erwähnt, am linken Ufer der Maros 
auf einem ungefähr 800 Fuß hohen, ſenkrecht abfal— 
lenden Felſen, wie ein wahres Adlerneſt, und beherrſcht 
die Stadt Déva, wie die ſich unten hinziehende Poſt— 
ſtraße. Es hat ſturmfreie, ſehr dicke und erſt im 
Jahre 1844 erbauete Mauern, iſt zwar unbedeutend 
an Umfang, aber wegen ſeiner faſt unzugänglichen 
Lage ſehr ſchwierig zu nehmen. Oberſt Forrô hatte, 
wie Bem ins Bannat abzog, mit einer Brigade von 
1500 — 2000 Mann die Stadt Deva und die ums 
liegenden Höhen beſetzt und den Commandanten des 
Schloſſes, Oberlieutnant Kudlich zur Uebergabe deſſel— 
ben aufgefordet. Dieſer aber, geſtützt auf des kaiſer— 
lichen General Leiningen Zuſage, der ihm baldigen 
Entſatz verſprochen hatte, wollte von nichts wiſſen, 
ſondern begrüßte theils das Cernirungscorps auf den 
Höhen, theils die Stadt mit Kugeln. Der Schloß— 


271 


commandant verdient in militairiſcher Beziehung uns 
ſere vollſte Anerkennung. Denn er wußte mit einer 
Beſatzung von 200 Mann, nicht ſehr vielen Lebens— 
mitteln, ohne Brunnenwaſſer (denn das Schloß hatte 
nichts als eine Ciſterne), drei Feſtungsgeſchützen und 
einigen Wallflinten, ſich vier Wochen hindurch gegen 
Oberſt Forré zu halten. Zugleich hielt er durch fein 
kräftiges Benehmen die Bewohner Devas immer in 
Furcht, die Wallachen des Hunvader Comitats aber 
beſtändig wachſam. Nicht zwei Perſonen durften zu— 
ſammen auf der Straße geben, kein Licht durfte Nachts 
vor einem Fenſter brennen, nicht ein Honved ſich auf 
der Gaſſe zeigen; ſonſt flog eine 18pfündige Kugel 
berunter, und zwang den ruhigen Bürger ſich anders— 
wo eine ſichere Schlafſtelle zu ſuchen. Es war dies 
freilich mitunter ein bloßes Pulververſchwenden, mili— 
tairiſche Fanfaronade; aber den Wallachen gefiel es, 
und es galt ſie vor allen Dingen wach zu erhalten. 
Forro konnte nicht viel dagegen ausrichten, denn er 
bekam ſein Belagerungsgeſchütz erſt zu Ende Mai. 
Als dies anlangte, waren Kudlichs Vorräthe erſchöpft, 
die Mannſchaft litt an Skorbut, Deſertion rieß ein, 
und der wackere Krieger ſah ſich veranlaßt, auf ſehr 
ehrenvolle Bedingungen hin zu capituliren. Er erhielt 
am 27. Mai freien Abzug mit militairiſchen Ehren, 
für ſeine Kranken und Verwundeten wurde geſorgt, 
feinen Soldaten eine einmonatliche Gage gezahlt und 
fie durften, nach Ablegung der Waffen, ungehindert 
nach Temesvar abziehen. 

General Bem bolte mittlerweile feine unter Oberſt 
Banfi vorausgefandten Truppen im Haäͤtzeger Thale 
wieder ein, rückte mit ihnen von Hätzeg durch das 


berühmte eiſerne Thor, welches von ein Paar Ba— 
taillons Bannater Grenzer mit mehren Poſitions— 
und Feldgeſchützen beſetzt war, die ſich bei Bems An— 
näherung in die Poſition Vaiszlöva, am Ausgange 
des Paſſes, zurückzogen. 

Nach einer zweiſtündigen Affaire wurden hier 
die Feinde, nach einem Verluſt von zwei Poſitions-, 
zweien Feldgeſchützen und Hinterlaſſung einer bedeu— 
tenden Anzahl Todter, Verwundeter und Gefangener 
zerſprengt. Hierauf rückte Bem in das Bannat und 
war auch dort ſiegreich, wie wir im dreizehnten Ka— 
pitel genauer berichten werden. Wenden wir noch 
einmal den Blick wieder auf Siebenbürgen. 

Durch die mannigfachen Entſendungen von Be— 
ſatzungen und Cernirungscorps war die dem General 
Czetz untergebne Armee ziemlich geſchwächt worden, 
und man mußte darauf bedacht ſein, ihre Reihen wie— 
der zu ergänzen. Dazu half namentlich die thätige 
Mitwirkung des Oberſten Alexander Gal und es ge 
lang, die Armee bis zu einer achtunggebietenden Zahl 
zu vermehren. Dieſe belief ſich, mit Einſchluß der 
wallachiſchen und ſächſiſchen Rekruten, welche die Ne 
gierung, trotz aller Einwendungen abſeiten des Sie- 
benbürgiſchen Militair-Oberkommando's ausheben ließ, 
auf 30,000 Mann. In Kezdi Vaſaͤrhely wurden an 
70 Kanonen, verſchiednen Kalibers gegoſſen, in Nagy 
Bänya, Hermannſtadt, Kezdi Väſärhely Pulver, in 
Klauſenburg, Nagy Banya, Maros Vaͤſärhely, Her— 
mannjtadt, Kezdi Vaſärhely Zünder fabrieirt, in Kos 
halom“) Sättel für die Cavalerie angefertigt, in Maros 


) Repo, Uluma. 


Portus, unter Leitung des Oberſt Stein Gewehre 
ausgebeſſert, die Grenzpäſſe im Szeklerlande, wie 
Gyimes, Tolgpes, Ojtos, Boza, ferner Toͤmös und 
im Norden Tihutza, wurde durch Feldſchanzen befeſtigt, 
das Schloß Deva zur Uebergabe genöthigt; kurz es 
herrſchte überall die regſte Thätigkeit, das bewegteſte 
Kriegerleben. Inzwiſchen hatten ſich die überwunde— 
nen Sachſen und Wallachen über keine Erpreſſung, 
keinen Druck zu beklagen, denn ſie erwählten ſelbſt 
ihre neuen Magiſtrate und leiteten durch dieſelben 
ihre Angelegenheiten ganz ſelbſtſtändig. Die Einquar— 
tierungslaſten und die Lieferungen für die Armee 
wurden mit Geld vergütet oder in den Steuerliſten 
eingetragen, die Journale durften mit vollſter Frei— 
heit jeden beliebigen Artikel dem Publikum bringen; 
mit einem Worte, der Geiſt der Humanität und der 
Freiheit herrſchte im ganzen Lande. Nur ein Fall, 
die Verurtheilung des Pfarrer Roth, ließ den Militair— 
obercommandanten beklagen, daß er nicht zeitig genug 
davon Kenntniß erhalten hatte, um dieſe vom Ober— 
commiſſär der Regierung angeordnete Maßregel ver— 
bindern zu können; denn die übrigen von den außer— 
ordentlichen Gerichten zu Tode Verurtheilten waren 
nicht zahlreich und ſämmtlich überwieſene Raubmörder, 
Brandſtifter u. dgl. Selbſt Pfarrer Roth verdient 
keine Entſchuldigung. Denn er war ſchon einmal 
von den Ungarn gefangen, und auf das Verſprechen 
bin, ſich ruhig verhalten zu wollen, frei gelaſſen wor— 
den — und doch ließen ihn Haß und Rache nicht 
ruben. Er begann zum zweiten Male in den Land— 
gemeinden den Kreuzzug gegen die übermüthigen Ma— 
18 


274 


gyaren zu predigen, und führte ſelbſt unter Haydte 
Landſturm-Abtheilungen gegen Eliſabethſtadt und gegen 
die Szekler an. Er hatte alſo nicht nur ſein Wort ge— 
brochen, ſondern auch gegen die erſte Amneſtie Bems 
geſündigt und ward als Landesverräther mit vollem 
Rechte zum Tode durch Pulver und Blei verurtheilt. 
Sein Tod war übrigens eines Mannes von Bildung 
und feſtem Charakter, wie er war, ganz würdig, 
und man kann nur bedauern, daß ſo viel Geiſt, ſo 
viel Kenntniſſe, eine ſolche Feſtigkeit des Willens und 
eine ſolch' eiſerne Conſequenz einer ſo ſchlechten Sache 
wie die ſchwarz⸗-gelb öſterreichiſche immer bleibt, zu— 
gewendet waren“). Die ſächſiſchen Landbewohner 
wünſchten ſelbſt Ruhe und Frieden, und waren mit 
dem magyariſchen Regimente wohl zufrieden; in 
den Städten ſchienen ſich die Sympathieen dadurch 
kundzugeben, daß die ſächſiſchen Damen die Bälle 
der ungariſchen Officiere fleißig beſuchten, auch den 
früher gehaßten Cſärdäs bald bis zur Vollkommen— 
heit tanzen lernten, und daß ſogar in Hermannſtadt 
mehre Heirathen zwiſchen Honvedoffiecieren und ſäch— 
ſiſchen Mädchen geſchloſſen wurden. 

Unſere Armee war im Mai 1849 folgendermaßen 
im Lande vertheilt: 


) Der vielſchreibende Dr. Schütte hat in feinem Buche 
„Ungarn und der ungarische Unabhängigkeitskrieg“ eine neue Probe 
ſeines ſchriftſtelleriſchen Leichtſinnes abgelegt, indem er dort Bd. II 
b. 270 dem Verfaſſer die Erſchießung des Pfarrer Roth zur Laſt 
legt; es bedarf eine ſolche Lüge wohl keiner ausdrücklichen Wi⸗ 
derlegung. 


275 
Bei Biſtritz und an den 
Nordpäſſen 
Im Szeklerlande: 


zu Toͤlgves . . 2000 
zu Gyimes . 1000 
zu Dies. . 2000 
zu Boza „ 


zu Cſik Szereda 1000 
zu Kézdy Vaſärhély 1000 
Im Kronſtädter Diſtrikt: 


Toͤm ss „2000 
Törzburg © » . 1500 
Kronſtade 2500 
Im Hermannſtädter Di— 
ſtriet: 


Rothen Thurm . . 2000 

Fagaraſer Schloß . 1000 

Hermannftadtt . . 2000 
(darunter ein polniſches 
Bataillon) 1 

Mediaſch -» 1000 
Carlsburger Cerni⸗ 

rungs⸗-Corbps 3000 
(4 Bombenmörfer, eine 


Rafettenbatterie) 

Im Häßeger an 
r „72000 
Dänen sin: ©: 800 

Im Klauſenburger Di 
ſtrict . 6000 


(darunter 3000 Natio⸗ 


12 


12 


„189 


. 6000 Mann mit 14 Geſchützen 


276 


nalgarden und das Räs 
koczi⸗Freicorps nebſt den 
Ormaiſchen Jägern und 
einer Escadron Polni— 
ſcher Lanciers.) a 
Summa: 31800 Mann aller Waffengat⸗ 

tungen und 110 Geſchütze. 2 

Da man aber unter den Aufgeführten 8000 Mann 
mit Lanzen bewaffneter und 3000 Mann unbewaff⸗ 
neter Rekruten annehmen muß, ſo reducirte ſich unſere 
ſtreitbare Macht auf 20,000 Mann mit 110 Kano⸗ 
nen, verſchiednen Calibers. Außerdem beſtanden alle 
drei Waffengattungen großentheils aus Recruten; denn 
die Kerntruppen, 10,000 Mann an der Zahl, waren 
mit Bem ins Bannat gerückt, wurden auch ſpäter dort 
verwendet, und nur das 11 Bataillon und Würtem— 
berg⸗Huſaren kehrten nach Siebenbürgen zurück. 


2 


Dreizehntes Capitel. 


Bems Feldzug im Bannat. Affaire bei Vaiszlova. — Affaire 
bei Kiszeteo. — Cernirung der Feſtung Temesvar. — 
Weißkirchen. — Petrilova und Szaszka. — Puchner wird 
auch hier in die Wallachei gejagt. — General Perczel 
vollendet bei Pancſova die Eroberung des Bannats und 
der Bacſa bis auf Titel. Bems politiſches Wirken im 
Vannat. Seine weiteren ſtrategiſchen Plaͤne. Er wird 
durch das Miniſterium Szemere beleidigt und kehrt nach Sie— 
benbürgen zurück. — Rückblick. 


Nach der Forcirung des Eiſernthorpaſſes lieferte 
Bem dem Feinde noch bei Vaiszlova ein Treffen, 
wo die jungen Szekler ſeine Freundſchaft beſonders 
dadurch gewannen, daß ſie, ohne einen Schuß zu 
zu thun, die Ruszkitza, bis an die Hüfte ins Waſſer 
gehend, durchwateten und die am jenſeitigen Ufer 
voſtirten feindlichen Kanonen ohne Weiteres mit dem 
dem Bajonet eroberten. Vier Gemeine dieſer tapfern 
Schaaren vom 78. Honvedbataillon, Namens Deäf 
Maté, Nagy Joſéf, Nagy Imre und Szabo Marton 
nahmen eine feindliche Kanone, während ihre Kamera— 
den die andern eroberten. Von Vaiszlova marſchirte 
Bem nach Karanſebes, wo er von den Grenzern mit 
Jubel als ihr Befreier aus dem öſterreichiſchen Sol— 


278 


datenjoche begrüßt wurde. Wir laſſen hier Bems 
Originalbericht folgen vom 17. April aus Karanſebes, 
an Koſſuth gerichtet. 

„Herr Präſident! Hier bin ich in Karanſebes, 


wo wir ſo ebeu unſern Einzug hielten, nachdem wir 


den Feind bei Vaiszlova geſchlagen, von wo er nach 
Verluſt von 50 Todten und 2 Poſitions-Kanonen 
entfloh und die Stadt nicht mehr vertheidigte. Seine 
Stärke beſtand aus 2000 Mann regulärer Truppen 
und 15 (2) Geſchützen (wahrſcheinlich 5). Die Bor: 
theile dieſer Occupation ſind ſehr bedeutend, denn hier— 
durch iſt die Communication zwiſchen Orſova und 
Temesvär abgeſchnitten und wir find Herrn der 
Gußwerke von Rußberg *); dieſe faſt ganz allein ver— 
ſahen den Feind mit Munition und Projectilen, jetzt 
werden ſie uns verſehen und uns täglich mehrere 
Hunderte derſelben liefern. Was mir bei dieſer Ex— 
pedition das meiſte Vergnügen macht, iſt, daß ich 
nicht mehr als 9 Compagnien Szeklerrecruten ins 
Feuer führte, welche eigentlich jetzt ihr erſtes Probe— 
ſtück beſtanden, den Strauß mit hoher Tapferkeit ausfoch— 
ten und die geübten Linientruppen des Feindes beſiegten. 

Die Bannater Grenzer haben geſtern bei unſe— 
rer Annäherung ihre Wohnſitze verlaſſen, aber heute 
ſchon kehren ſie en masse zurück und melden, erſtaunt 
über unſere Milde, ihre Uuterwerfung; ich glaube 
nicht, daß die Oeſterreicher von nun an hier blinde 
Anhänger finden werden.“ 

Von Karanſebes marſchirte Bem nach Lugos, 
wo der Anblick von ein * Huſaren die Avant⸗ 


Eu. 


) Ruszka. 


279 

garde des General Leiningen, welcher von Temesvar 
mit 6000 Mann beranzog, zum Rückzug bewog. Faſt 
ſchien es, als ob Bems bloßer Name hinreiche, um 
die Feinde zum Weichen zu bringen. Es folgt hier 
wieder ſein Bericht: 

„Lugos, den 19. April. Herr Präſident! Wir 
ſind in Lugos. Der Empfang, der uns hier zu Theil 
ward, zeugt von ſolchem Enthuſtasmus, daß das 
Oberhaupt der bieſigen Geiſtlichkeit ſogar auf den 
Knien in offener Straße uns erwartete; uns, ſeine 
Befreier, da zu begrüßen. Der Feind, der Lugos 
beſetzt hielt, entfloh bei unſerer Annäherung. Ich laſſe 
ibn durch die Cavalerie auf den beiden nach Temesvar 
führenden Straßen verfolgen. Herr Präſident kön— 
nen überzeugt ſein daß ich keinen Augenblick verſäu— 
men werde, den Feind zu vernichten, nur bedauere 
ich, daß der Gegner keine große Luſt bezeigt, vor 
mir Stand zu halten. Auch jetzt flieht er in voller 
Eile gegen Temesvar und ich muß mit Bedauern 
geſtehen, daß er ein fo großer Meiſter im Flieben 
iſt, daß ich nicht im Stande bin, ihn zu ereilen. 

Inzwiſchen trage ich Sorge, daß derſelbe zwi— 
ſchen zwei Feuer geräth.“ 

(Közlöny Nr. 89 vom 26. April). 

Bems Plan war nämlich, bei ſeinem Einrücken 
in das Bannat, die Vereinigung des Leiningſchen 
Corps mit dem aus der Wallachei heranziehenden 
Puchnerſchen zu hindern. Er warf ſich daher bei 
Karanſebes zwiſchen beide und erreichte ſeinen ſtra— 
tegiſchen Zweck durch die Blitzesſchnelle ſeiner Ope— 
rationen und durch das Unerwartete ſeines Erſchei— 


280 


nens da, wo man ihn am wenigſten vermuthete, voll— 
kommen. Deshalb nahm er ſeinen Weg auch nicht 
über Facſet, welchen nur die unbedeutende Colonne 
des Oberſten Pereczy, nämlich das 11. Bataillon, 
Kreß⸗Chevauxlegers nebſt 2 Kanonen als Quaſiavant— 
garde verfolgte, den bataillonsweiſe erfolgenden Nach— 
ſchub der Truppen erwartend. 

General Leiningen war von Temesvar über 
Nefas bis Kiszeteo Bem entgegengerückt und beabſich— 
tigte Lugos zu beſetzen, als Bem ihm zuvorkam und 
die Stadt wegnahm. Es war aber Bems Abſicht, 
das ganze Leiningenſche Corps mit Einem Schlage zu 
vernichten und er ſandte zu dieſem Zwecke an den Ge— 
neral Vöcſey, Commandanten des Arader Belage— 
gerungscorps, nach Binga!) die Aufforderung, ſofort 
Nefas zu beſetzen. Durch dieſe Maßregel wäre Ges 
neral Leiningen der Rückzug nach Temesvar abge— 
ſchnitten geweſen und er hätte ſich entweder mit ſeinem 
ganzen Corps ergeben müſſen oder wäre in die Bega 
und den Temesvarer Kanal geworfen worden. 

Leider kam General Vécſey dieſer Weiſung nicht 
nach?) und ſo konnte Leiningen, nach dem unbedeu— 
tenden Treffen von Kiszeteo, ſich ohne Hinderniß in 
die Feſtung Temesvar zurückziehen. Bem folgte 
ihm auf dem Fuße und berannte Temesvar, für 
die Cernirung deſſelben den Oberſten Pereezy mit 
einem Corps zurücklaſſend. Es mögen hier ein Paar 


1) Thereſiopol. 

2) Ueber Bems Differenz mit dieſem General |. Honved 
Nr. 101 und Szilagyi Saͤndors „A magyar forradolom ſérfiai.“ 
Artikel Dem und deſſen Magyar forradolmi adattas.“ 


281 
Berichte aus dem Lager deſſelben bei Freydorf 
ihren Platz finden. (Kozlöny Nr. 101 und 103 
vom 10. und 11. Mai) 

„Freydorf, aus dem Lager bei Temesvar, 6. Mai 
1819. Eben in dieſem Augenblicke gelangte an den 
Generallieutenant Bem die freudige Nachricht, daß 
ein Theil der unter ſeinen Befehlen ſtehenden Armee 
am 5. d. M., unter Anführung des Huſaren-Majors 
Wilhelm Arange, nach einſtündigem harten Kampfe 
Oravicza occupirte. Das Detachement beſtand aus 
1 Compagnie Infanterie, 3 Zügen Gavalerie 
und 2 Geſchützen. Die feindliche Kraft bildeten 
1½ Bataillons Infanterie Sivkovich und Gren— 
zer nebſt einigen Pelotons Cavalerie. Unſererſeits 
zaͤhlen wir gar keinen Todten noch Verwundeien, ge— 
fangen wurden 4 feindliche Reiter und 1 Infanteriſt 
des Bataillons Sivkovich.“ 

„Freydorf, am 3. Mai. Bis heute ereignete ſich 
in unſerem Lager nichts Beſonderes; heute Nachmit— 
tag jedoch machte die Beſatzung einen Ausfall von 
der Joſephſtadt aus. Bem recognescirte eben dieſen 
Stadttheil und wäre durch ſeine Verwegenheit bald 
in Feindeshände gerathen. Seine Huſaren aber faß— 
ten ſein Pferd am Zügel und flogen mit ihm in 
Galopp davon. Bem ſtellte uns in Schlachtordnung 
auf und nach 2½ſtündiger Kanonade zog ſich der 
Feind mit ziemlichem Verluſt zurück. Wir verloren 
3 Geſchützpferde.“ 

Später, am 8. Juni, machte die Beſatzug wieder 
einen Ausfall, welcher aber ebenfalls blutig zurückge— 
wieſen wurde und bei welcher Gelegenheit ſich der 


282 


Lieutenant Györy von unſerer Seite ſehr aus— 
zeichnete. 

Mit ſeinen übrigen Truppen ſetzte ſich Bem über 
Ui Pécs und Groß Beeskerek mit dem bei Perlasz 
ſtehenden General Perczel in Verbindung und eilte 
über Cſäkova, Denta und Verſeez dem bei Orſova 
aus der Wallachei gegen Weißkirchen vorgerückten 
Puchner entgegen. Dieſer wurde bei Weißkirchen 
vornehmlich durch die Bravour der Würtemberg— 
Huſaren unter Oberſtlieutenant Karolyi am 8. Mai 
geſchlagen und ebenſo bei Petrilova am 10. Mai, 
dann bei Szäszka, wo er ſich noch ein Mal zu halten 
verſuchte, wieder geworfen und am 16. Mai wies 
der über Orſova in die Wallachei zurückgedrängt. Der 
Bericht Bems lautete nach dem Közlöny Nr. 110 von 
20. Mai folgendermaßen: 

„Generallieutenant Armee-Ober-Commandant 
Bem ſchreibt aus dem Hauptquartier Orſova ddo. 
16. Mai 1819: 

Ich fühle mich beſonders glücklich, dem Landes— 
Gouverneur berichten zu können, daß es mir mit 
Gottes Hülfe gelungen iſt, das Bannat ohne große 
Opfer für Ungarn wieder zu erobern. Wohin ich mich 
näherte, da floh der Feind ſo ſchnell und ſo weit, 
daß ich ihn gar nicht erreichen konnte; in Orſova 
aber bin ich ohne Schwertſtreich eingezogen. Das 
Volk empfängt uns überall als Freunde, denn es 
weiß von den Bewohnern Karanſebes, daß wir nur 
ſein Beſtes wollen. 

Der Feind war ſtark; er zählte an 14,000 M. 
mit 40 Kanonen; er verließ in der Nacht Orſova 


289 
und und zog nach Skella Gladova in der Wallachei; 
Ich habe gegen dieſen Uebergang in meiner an den 
türkiſchen Paſcha gerichteten Depeſche proteſtirt und 
ihn zur Achtung und Aufrechthaltung des Voöͤlker— 
rechtes und demzufolge zur Entwaffnung dieſes über— 
ſetzten Armee-Corps aufgefordert. 5 

Die Armee, die ich aus dem Bannate jagte, 
beſtand aus Puchners altem Armee-Corps, aus einem 
Theil der Temesvarer Beſatzung und aus zwei Ba— 
taillon Grenz⸗Infanterie. Der Feind hat bereits die 
ganze Kraft des unglücklichen Volkes ausgeſogen, 
denn er nahm alle zum Kriegsdienſt tauglichen In— 
dividuen mit ſich und ließ nur Greiſe, Weiber und 
Kinder zu Hauſe. 

Ich halte es für meine Pflicht, bei dieſer Gele— 
genbeit zu erwähnen, daß mir während dieſer Ope— 
rationen der General Perczel thätige und bereitwillige 
Hülfe geleiſtet hat; ich erwaͤhne nicht ſeines Muthes 
und ſeiner Fähigkeiten, denn dieſe ſind bekannt; aber 
ich geſtehe, daß ohne ſeine Mitwirkung dieſe Auf— 
gabe nicht von ſo ſchnellem Erfolg gekrönt worden 
wäre. 

Es bleibt uns nur noch Temesvär zu erobern; 
die Feſtung iſt bereits jo cernirt, daß die Beſatzung 
von da nicht mehr herauskommen kann; es wäre 
denn, um die Waffen zu ſtrecken. Die Beſatzung ver— 
ſuchte Ausfälle. Dieſe wurden aber ſtets durch das 
dort belaſſene Cernirungs-Corps zurückgeworfen und 
ich glaube, nach der letzten Probe wird ſie ſich nicht 
mehr berauswagen. Bei Gelegenheit des Zurück— 
ſchlagens des Feindes hat ſich Oberſtlieutenant Pereczy 


284 


beſonders auszeichnet und der Erfolg wird die voll 
ſtändige Demoraliſation der Beſatzung bilden. Ich 
habe 15 Gefangene, die ich in Orſova machte, in 
die Feſtung geſchickt, damit ſie das Schickſal derer 
ſieht, die die Feſtung hätten befreien ſollen; ich glaube, 
dies wird die Uebergabe der Feſtung nur beſchleu— 
nigen. Mittlerweile war Perezel von Nagy Bees— 
feref auf Pancsova vorgerückt und hatte den befe— 
ſtigten Ort mit Sturm genommen.“ 

So war alſo das Bannat in 20 Tagen wieder 
erobert, ein kaiſerliches Corps in Temesvar cernirt, 
ein anderes in die Wallachei gejagt, die Raizen und 
Serben auf die Stellung bei Titel beſchränkt; ein 
Erfolg, den man allein Bems genialer Thatkraft zu 
danken hatte. Es iſt zu bedauern, daß wir dieſen 
denkwürdigen Feldzug nicht bis in ſeine Einzelheiten 
verfolgen können, indem wir nicht Augenzeuge der 
dort verrichteten Thaten waren; aber das wenige 
hier Gebotne iſt durchaus urkundliche Wahrheit. Die 
Erfolge Bems verfehlten ihren Eindruck auf die 
Bannater, Deutſche und Grenzer, nicht. Ihre Be— 
geiſterung erreichte einen ſolchen Grad, daß ſie frei— 
willig ein Bataillon auf eigene Koſten eerichteten, 
der Ort Franzensberg in Bemhegy umtauften, alle 
Vorſpanndienſte und Armeefuhren unentgeltich liefer— 
ten und in den Gießwerkſtätten von Rußberg unauf— 
hörlich Kanonenkugeln goſſen. Aber Bem hatte auch 
hier, wie in Siebenbürgen, die Grenzeinrichtung auf— 
gehoben und die Grenzerfamilien vom Joch des Mi— 
litairdespotismus erlöst, indem er fie zu freien Bür— 
gern des großen Vaterlandes machte. Dieſe Maß- 


285 

regel brachte einen fo günſtigen Eindruck hervor, 
daß über 2000 Grenzer ſofort aus der Wallachei in 
ihre Heimath zurückkehrten. Endlich gewann Bem 
ſich noch durch die Herabſetzung des Salzpreiſes die 
Herzen aller Bannater. Dennoch grollte ihm die 
ungariſche Regierung, namentlich wegen der zuletzt— 
erwähnten Maßregel. Bem ließ ſich jedoch nicht irre 
machen: im Monat Mai organifirte er das ganze Ban— 
nat, Alles herausfindend, was ſeiner Armee in irgend 
einer Beziebung nützen könnte z. B. durch Errichtung 
einer Salpeterfabrik in Allibunar. Ja, Bem dachte noch 
weiter: Er beabſichtigte nämlich mit einem 10,000 M. 
ſtarken Corps gegen Peterwardein zu mandvriren, 
zwiſchen dieſer Feſtung und Baja über die Donau 
zu gehen, und gegen Raab operirend, Wien zu be— 
drohen; alsdann ſich aber ſchnell nach Süden zu 
wenden, Kroatien und das Küſtenland zu unterwerfen, 
und durch Beſatzung Fiumes die Verbindung mit 
dem Auslande, insbeſondre mit Italien, wiederher— 
zuſtellen. Das war ein Plan, deſſen Folgen im Falle 
des Gelingens unberechenbar geweſen wären, und 
das letztere ſchien um ſo wahrſcheinlicher, als damals 
das Glück den ungariſchen Waffen durch die Siege 
von Nagyſallo und Szöny die ſchönſten Ausſichten 
eröffnete. Aber die Regierung verweigerte Bem biezu 
die Geldmittel, welche er nie ſcheute, und wußte über— 
dies durch beliebige Intriguen alle Bemſchen Pläne 
zu vereiteln. 

Ferner leitete Bem eine Waffenlieferung auf der 
Donau im Großen ein, und knüpfte ſowohl mit den 


286 


ausländiſchen Conſuln in Belgrad, als mit dem Paſcha 
von Orſova politiſche Bekanntſchaften an, durch welche 
allein ſpäter Koſſuth fein Entkommen in die Walla— 
chei möglich machte. Wir entnehmen in dieſer Be— 
ziehung der Nro. 113 (24. Mai) des Közlöny einen 
intereſſanten Rechenſchaftsbericht, welchen Hauptmann 
Alexander Kiß über ſeine Miſſion an den Paſchah 
Oſman in Neu Orſova, und die Ueberbringung einer 
Bemſchen Depeſche an Omer Paſchah, den Ober— 
Commandanten des türkiſchen Obſervations-Corps, 
abſtattete: 

„Herr Generallieutenant, Armee-Ober-Com— 
mandant! 

In Folge des geſtern erhaltenen mündlichen Auf— 
trags verfügten wir uns nach Neu Orſova, woſelbſt 
bei unſerer Ankunft am ungariſchen Donau-Ufer, nach 
abgegebenen Zeichen an die türkiſche Beſatzung der 
gegenüberliegenden Inſel, allſogleich ein Boot, mit 
24 türkiſchen Soldaten beſetzt, aus der Feſtung zu 
uns heranſegelte, und darauf Major Haſſan Effendi, 
des Paſchahs Schwiegerſohn, und der Artillerie-Haupt⸗ 
mann Ali Soleiman, die uns zum Befehlshaber von 
U; Orſova, Paſchah Ozman, geleiteten. Als wir die 
Mitte der Donau erreichten, wurde (nach Erklärung 
der türtiſchen Officiere) uns zu Ehren auf der Fe— 
ſtung von Neu Orſova und an der Wohnung des 
Paſchahs die türkiſche Fahne entfaltet; wie ſelbſt nach 
Ankunft ins Schloß zwiſchen der en parade aufge— 
ſtellten Beſatzung zu Ozman Paſchah eingeführt, der 
uns ſtehend empfing, und nach gegenſeitiger Begrüſ— 
jung die uns aufgetragene Depüte entgegennahm. 


N 


Nachdem die an ihn gerichteten Schreiben aus feiner 
Umgebung Niemand zu überſetzen wußte, fo gab er 
ſelbige uns entſiegelt zurück, und bat um Erklärung 
von deren Inhalt. Wir lafen fie ihm vor, und mach— 
ten ihm kund, daß in dem erſten Schreiben der Herr 
Generallieutenant im Namen der unabhängigen Re— 
gierung unſeres Vaterlandes ihn (den Paſchah) auf— 
forderten, daß, nachdem die unabhängige Regierung 
des Landes jetzt zum zweiten Male in die unange— 
nehme Lage gekommen, zu bemerken, wie unſere Feinde, 
die öſterreichiſchen Truppen, zum zweiten Male be— 
waffnet auf türkiſchen Boden ſich flüchteten, die hohe 
Pforte dieſen bewaffneten Einzug duldet, und dadurch 
gleichſam indirect feindliche Abſichten gegen das un— 
abhängige Ungarn beurkundet, zur Vermeidung der 
Reciprocität ähnlicher feindſeliger Abſicht, es der Wunſch 
der ungariſchen Regierung ſei, daß das ganze öſter— 
reichiſche Armee-Corps entwaffnet, Waffen und Ge— 
ſchütze dem Herrn Generallieutenant übergeben, und 
die Mannſchaft bis auf weitere Beſchlüſſe kriegsge— 
fangen bleiben möchten. 

Wir laſen bierauf den zweiten Brief, in welchem 
die von den Oeſterreichern geraubten zwei Dampfer 
und drei Remorqueurs als Privateigenthum zurück 
verlangt worden. Zuletzt leſen wir den dritten Brief 
vor, in welchem der Herr Generallieutenant Ein— 
ſprache thut gegen die vom jenſeitigen Donau-Ufer 
auf unſere Truppen gefallenen Kanonenſchüſſe. Auf 
alle drei Briefe verſprach mündlich der Paſchab, mit 
größter Bereitwilligkeit, nach dem Wunſche des Herrn 
Generallieutenants zu verfahren. Zur ſelbigen Stunde 


288 


ſandte er die an den Paſchah gerichtete Depute ab. 
Die Unabhängigkeitserklärung des ungariſchen Reichs— 
tags, welche wir ihm übergaben, empfing er mit ſicht— 
lichem Vergnügen. 

Nachdem er uns noch nach türkiſchen Sitte mit 
Kaffee und Pfeifen bewirthet, und uns mit freund— 
ſchaftlichem Handſchlag erließ, bat er ſich noch das 
gute freundnachbarliche Einvernehmen und die Wieder— 
holung unſerer Viſiten aus, ſo wie die Erlaubniß, 
uns gleichfalls beſuchen zu dürfen. Zuletzt entbietet 
er durch uns an Herrn Generallieutenant und an 
die ganze Armee bis zum un Gemeinen ſeinen 
achtungsvollſten Gruß. 

Es verdient noch bemerkt zu — daß, a 
wir beim Einkauf von Kleinigkeiten in Noten wen 
die Kaufleute uns in Gegenwart der ung begleiten- 
den türkiſchen Officiere baten, nicht in öſterreichi— 
ſchen, ſondern in ungariſchen Noten die Sache 
zu entrichten.“ 5 
Alexander Kiß, Hauptmann, 

Deputations-Präſes. 

Dieſe ſo klug eingeleitete Verbindung wurde lei— 
der, vermöge der Intriguen der beiden ungariſchen 
Miniſter des Innern und der Finanzen nicht weiter 
benutzt. Bem bleibt darum aber nicht minder groß, 
als Feldherr, Adminiſtrator, Praktiker und edler Frei— 
heitskämpfer, und wohl mögen die armen Grenzer, 
welche jetzt die ihnen von Bem verſchafften Rechte, ge— 
gen die ſogenannte patriarchaliſche Grenzerglückſeligkeit, 
mit Inbegriff ſogar der ermäßigten Salzpreiſe, wieder 
eingebüßt haben, und ihre Civil-Streitigkeiten wieder 


2 


von Feldwebeln und Corporalen ſchlichten laſſen müſſen, 
mit Sehnſucht an den alten wackern General zurück— 
denken! Sollte auch ſeine Lebenszeit ihm die Genug— 
tbuung nicht gewähren, Zeuge zu fein, wie das eins 
fache Volk ihn, feinen Freund und Wobltbäter, verehrte; 
die unbeſtechliche Geſchichte wird ihm dafür die vollſte 
Gerechtigkeit widerfahren laſſen, trotz aller officiellen 
Prunkberichte des einfältigen Abkömmlings der Wal— 
lenſteiner und des Tigers von Brescia! 

Bem, als er ſah, daß man ihm überall hemmend 
entgegentrat, begrüßte nur Koſſuth in Großwardein, 
und beſchloß wieder nach dem ihm liebgewordenen 
Siebenbürgen zurückzukehren. Noch im Juni führte 
er dieſen Vorſatz in Begleitung des 11. Bataillons 
und der Würtemberg-Huſaren aus und ordnete ſofort 
bei ſeiner Ankunft in Siebenbürgen, unter Oberſt 
Kemény eine großartige Operation gegen die Walla— 
chen an, welche ſich wieder geregt hatten. Ehe wir 
ihn hier wirken ſehen, wollen wir noch einen Blick 
auf ein im Hüttenwerke Rußberg gefundenes Acten— 
ſtück werfen, aus welchem, ohne daß es eines Commen— 
tars bedürfte, das Treiben der Reaction nur zu 
deutlich hervorgebracht. Es lautet: 

„Vom Militair-Commando des Hunyader Comi— 
tats Nro. 43. Haͤtzeg den 16. October 1818. 

In Folge der eingetretenen Verhältniſſe und der 
über die Bergwerksgeſellſchaft eireulirenden Gerüchte, 
babe ich mich entſchloſſen, ſie aufzufordern, mir kurz 
und klar zu erklären: ob ſie kaiſerlich oder natio— 
nal ungariſch geſinnt iſt? zwei Individuen hieber 

19 


290 


zur Berathung zu ſenden, denen ich in jeder Bezie— 
hung auf Ehrenwort ſicheres Geleite verſpreche. 

In dem ungehofften Falle jedoch, als die geehrte 
Geſellſchaft dieſer ehrenhaften Aufforderung nicht ent— 
ſpräche, werde ich mich gezwungen ſehen, mit einem 
Bataillon Infanterie, 2 Abtheilungen leichter Cava— 
lerie und 20,000 Landſtürmern in ihren Bezirk zu 
ziehen, und das Intereſſe des allerdurchlauchtigſten 
Kaiſers zu vertreten.“ 

Rubel m. p. Major. 

„Vom Regiments-Commando Nro. 1957. 

Der Stations-Commandant von Rusberg erhält 
hiermit den Auftrag, den Vorſtehern der Rußberger 
Gußwerke zu eröffnen, daß ſie den Guß der in Frage 
ſtehenden Kanonenkugeln ohne Verſchub beginnen 
mögen. Sollten dieſelben dieſem Befehl nicht allſogleich 
Folge leiſten, ſo iſt hierüber anhero die Meldung zu 
erſtatten, denſelben alle Schutz- und Sicher— 
heits-Garantie zu verſagen und andere, geeig— 
nete Maßregeln zu ergreifen. 

Bei Eröffnung dieſes iſt denſelben auch noch zu 
bedeuten, daß ſie durch ſolche abſichtliche Verzoͤgerung 
uns beweiſen, wie ſehr ſie auf alle Art und Weiſe 
dem kaiſerl. königl. Militair-Commando entgegenzu— 
wirken ſich beſtreben. Karanſebes d. d. 14. December 
1848.“ 

Gerlich, m. p. Obriſtlieutenant. 


291 


Vierzehntes Capitel.“ 


Zweite Erhebung der Wallachen. Ihr Anführer Janku.— 
Der Kriegsſchauplatz. — Stellung der Wallachen. — Die 
von den Ungarn getroffenen Maßregeln. — Unterhaltungen 
mit den Wallachen. — Propoſitlonen der ungariſchen Regie 
rung. — Dragus. — Hatvani und deſſen zwei unglückliche 
Operationen. — Der Einfluß geflüchteter kaiſerlicher Offi⸗ 
dere. — Vasväry. — Grauſamkeiten der Wallachen in 
Abrud Banva. — Oberſt Keménys Erpeditlon gegen die 
Wallachen. — Die Kataſtrophe in Siebenbürgen nahet ſich 
ihrem Ende. — Verhalten der Wallachen gegen die beſiegten 
Honveds. — Janku faiferlicher Oberſt. 


Bem hatte Siebenbürgen verlaſſen, ohne den 
Aufſtand der Wallachen ganz zu beſiegen. Es war 
dies ein Fehler, den er ſowol, der die ganze walla— 
chiſche Bewegung für zu unbedeutend hielt, um ſelbſt 
dieſelbe zu erſticken, noch mehr aber die Regierung, 
die ihn, geſtützt auf unvollkommene Berichte, in dieſer 
Meinung nicht nur beſtärkte, ſondern auch in der 
Ausſicht auf den Erfolg der angeknüpften Friedens— 
unterhandlungen ihm jede zu ernſte Maaßregel gegen 
die Aufſtändiſchen unterſagten, bitter bereuten. 

Im Monat Mai 1819 erhoben nun die in den 
weſtlichen Theil des Unteralbenſer Comitats und in 
die Berge von Zarand geflüchteten Wallachen von 
Neuem ihr Haupt und ſchlugen ihre Lager im Ge— 

19° 


292 


birge bei Topänfalva, Bisztra, Lupſa und Offen: 
bänya auf. Ihre Zahl betrug an 40,000 großen— 
theils mit Feuergewehren oder Jagdflinten bewaffne— 
ter Landſtürmer, die ſich an den beſagten Orten 
ſo gut einniſteten und verproviantirten, daß ſie alle 
Unternehmungen der Ungarn in ihren Bergfeſten 
ſcheitern machten und häufig ſogar ſelbſt Ausfälle 
gegen N. Enyed ), Borband, das Carlsburger Cerni— 
rungs-Corps, dann im Norden gegen Maruczel und 
Gyalu mit mehr oder minder glücklichen Erfolge un— 
ternehmen, die Belagerung der Feſtung Carlsburg 
weſentlich erſchwerten und vor Allem einen Cordon 
nothwendig machten, der ſich von Csuesa über Baͤnfi 
Hunyad, Gyalu, Klauſenburg, Thorda, N. Enyed, 
Carlsburg, Szaͤszväros bis Déva und endlich über 
Brad, Vas Köh bis Großwerdein erſtreckte und eine 
Truppenmaſſe in Anſpruch nahm, die in den Affai— 
ren mit den Ruſſen ſehr fühlbar vermißt wurde. Das 
veranlaßte einen großen Theil des Uebels, welches 
die ſpäteren Ereigniſſe ſo verhängnißvoll geſtaltete. 
Dieſe Epiſode iſt übrigens zu intereſſant und bietet 
zu ſo vieler Belehrung Stoff, daß es wünſchens— 
werth erſcheinen muß, ſie etwas detaillirter beleuchten. 
Der Anführer der Wallachen, Janku, der ſich ſelbſt 
den Beinamen, der König der Wälder, gab, iſt 
Sohn eines wallachiſchen Popen aus Bisztra. Er 
machte ſeine Studien in N. Enyed, war für die 
Advocatur beſtimmt, diente als Canzeliſt drei Jahre 
bei der königlichen ſiebenbürgiſchen, oberſten Gerichts— 
tafel und cenfurirte dann für die Advocatur. Er tft 


) Straßburg. 


293 


von hohem, ſchlanken Wuchs, von nicht unangeneh— 
men Aeußeren, in Geſellſchaft anſpruchslos und un— 
bemerkbar; aber aus ſeinem leuchtenden Auge blitzt 
das Feuer eines ſtarken, energiſchen Geiſtes, und die 
gedrückte Lage ſeiner Nation goß eine Art von Schwer— 
muth über ſein ganzes Weſen, der er ſich niemals 
ganz erwehren konnte. Unter Freunden war dies der 
beſtändige Stoff ſeines Geſprächs und die Befreiung 
ſeines Volkes von den drückenden Feſſeln, durch was 
immer für Mittel, ſein Ideal. Dieſer Mann war 
alſo ganz gemacht, einem wilden Haufen zu imponi— 
ren und dieſen für ſeinen Willen gefügg zu machen. 
Der Mozan oder Motze, ſo heißt vorzugsweiſe der 
Wallache dieſer weſtlichen Gegenden, iſt ein wilder 
Sohn der Natur. Der Hauch der Civiliſation hat 
ihn nur ſchwach geſtreift und er kennt kaum die erſten 
Begriffe des Chriſtenthums, die ihm ſein Pope, ebenſo 
unwiſſend wie er, nach alten Ueberlieferungen und 
mit allem Myſticismus des griechiſchen Ritus vorträgt. 
Der Mozan treibt ſich von früheſter Jugend an als 
Hirte, Jäger, Fiſcher oder Goldwäſcher auf den 
Alpen umher, kennt jeden Weg und Steg und fühlt 
ſich da wahrhaft zu Hauſe. Die Einfachheit der 
Kleidung und Nahrung, — er trägt gewöhnlich einen 
Guba (Art Mantel) über Hemd und Unterhoſen von 
Leinen, einen Kuesma (Schafpelzmütze) von großer 
Höhe auf dem Kopfe, Sandalen an den Füßen und 
nährt ſich von Milch, Schafkäſe, Hammelfleiſch und 
Mamaliga (Brot aus Maismehl) — erhält ihn kräftig 
und geſund, der Mangel an Berührung mit civili— 
firten Nationen läßt ihn die angeborne, urſprüngliche 
Wildheit nicht abſtreifen und der leichte Gewinn des 


294 


Goldes aus den goldſandführenden Flüſſen macht ihn 
habgierig, neidiſch, egoiſtiſch, raubſüchtig, die Iſoli— 
rung verſchloſſen und racheluſtig. Der Jahrhunderte 
wurzelnde Haß endlich gegen ſeine Unterdrücker, ge— 
gen die ſtolzen, aufgeklärten, wohlhabenden Ungarn, 
bedarf nur eines Funkens, um zur lodernden Flamme 
emporzuſteigen und jene Scene der Schlachterei her— 
beizuführen, die wir ſchon oben erwähnt haben. Der 
zweite Aufzug dieſes ſchauerlichen Dramas war nicht 
minder fürchterlich und grauenvoll, als der erſte. 
Der Unterſchied beſtand nur darin, daß jener der 
ſyſtematiſchen Anordnung, des planmäßigen Wirkens 
nach den Grundſätzen der Kriegsführung, der ſelbſt— 
ſtändige Lenkung entbehrte. Das Alles fand ſich nun 
in dem Könige der Alpen und die Seenen geſtalteten 
ſich nur deſto ſchauderhafter und teufliſcher. Janku 
war ganz der Mann, um ein ſolches Volk anzufüh— 
ren und den Willen von Tauſenden ſeinem Allein— 
willen unterzuordnen. Eine gewiſſe Gabe, das Volk 
zu überreden und fortzureißen, ſeine reiche mit Gold 
bedeckte Nationalkleidung und der Glanz, mit dem 
er ſich umgab, gefiel den Mozans: fie waren ihm 
blind ergeben und vollführten ſeine Befehle um ſo 
pünktlicher und freudiger, als dieſe ſie zumeiſt zum 
Raub und Mord, zur Vertilgung der ſo verhaßten 
Magyaren, aufforderten und ſo ihren liebſten, in— 
nerſten Neigungen entſprachen. Ueberdies geſchahen 
dieſe Anordnungen Jankus im Namen des Kaiſers, 
dem man dadurch die Treue bezeigte und jo 
deſſen Wohlwollen erringen wollte. Kann man ſich 
da wundern, daß regelloſe Haufen unter ſolchen Ein— 
flüſſen ſich organiſirten, daß aus dem Chaos ein ge— 


206 
formtes Ganzes ward und der feige Wallache im Ge 
füble feiner Uebermacht endlich ſogar Muth bekam? 

Aber auch die Geſtalt des Landestheiles, in wel— 
chem die Wallachen agirten, trug Vieles zu ihrem 
Vortheile und zum Nachtheile der Ungarn bei. Denn 
man denke ſich nur eine Maſſe von Hochgebirgen 
auf einen Flächenraum von circa 100 Meilen ge 
lagert, in welchen hohe, unerſteigliche Berge mit 
reißenden Gießbächen, tiefen Schluchten und ſchmalen, 
eingeengten Thälern abwechſeln. Die Gebirge ſelbſt 
ſind auf den Gipfeln beinahe das ganze Jahr über 
mit Schnee und Eis bedeckt, enthalten viele Felſen— 
partien und ihre Abhänge ziert der Urwald. Dieſen 
Character führt das ganze Hochalpenland, welches durch 
die goldreichen Flüſſe Aranyos, Szamos, Ompoly 
und Körös, welche dort ihre Quellen haben, bewäſſert 
iſt und in den Gold- und Silbergruben von Zalathna, 
Offenbänya, Verespatak, Abrud Banya, Bojcza, Her— 
czegan, Szekeremb“), Körös Banya der Reichthum des 
Landes enthalten. 

Zudem ſind die Dörfer und Weiler in dieſen 
ſchmalen Thälern, die eben fo viele Defileen bilden, 
meilenweit von einander entfernt und beiteben zu— 
meiſt aus elenden Holz- oder Strohhütten, wo man 
kaum Lebensmittel für einzelne Reiſende, vielweniger 
für operirende Armee-Corps findet. 

Straßen gibt es über dieſe Gebirge eigentliche 
gar nicht, nur hat man mit ungeheuerem Aufwand 
an Koſten durch mehrere in Felſen gehauene oder 
geſprengte Fahrwege, die bedeutenderen Bergorte mit 


) Altenburg. 


296 


den übrigen verbunden; fo z. B. Zalathna mit Abrud 
Bänya und dieſes mit Brad. Uebrigens muß man 
im Bette der Gebirgsſtröme auf hölzernen wallachi— 
ſchen Karren mit zwei Rädern oder auf den walla— 
chiſchen Gebirgspferden, die ebenfalls Mozans heißen, 
ſein Fortkommen ſuchen. Nach dieſen vorläufigen 
Schilderungen wollen wir zur geſchichtlichen Erzäh— 
lung zurückkehren. 

Die ungariſche Regierung hatte im Mai 1849 
den Abgeordneten Dragus, wallachiſchen Deputirten 
aus dem Belenyefer Bezirk, nach Topaͤnfalva geſandt, 
um den Aufſtand der Wallachen durch einen formel— 
len Pacifications-Vertrag gänzlich zu beendigen. Mit 
folgenden Pacifications-Vorſchlägen kam dieſer De— 
putirte in das wallachiſche Lager nach Topänfalva: 

J. Die Wallachen, als geſonderte Nationalität, 
werden künftig in den öffentlichen Actenſtücken unter 
ihrem Namen, Romanen, aufgeführt. 

II. Die ungariſche Regierung, von dem Wun— 
ſche beſeelt, daß alle Nationalitäten Ungarns ſich 
ſelbſtſtändig entwickeln, bewilligt den Romanen re 
gende nationale Garantieen: 

IJ. Der diplomatiſche Verkehr in der ungari— 
ſchen Sprache ſoll ſich blos auf die Geſetzgebung, 
auf die Verwaltung der öffentlichen Regierungsge— 
ſchäfte erſtrecken, ſo weit ſie zur Aufrechthaltung der 
Staats-Einheit unumgänglich nothwendig iſt; in der 
Gemeinde-Verwaltung wird man ſich daher derjeni— 
Sprache bedienen, welche der Maforität der Eins 
wohner geläufig iſt. 


L. 


IV. In den ausſchließlich romaniſchen Comita— 
ten und Jurisdictionen, oder auch in ſolchen, wo 
tiefe Nation die Maſorität ausmacht, kann man ſich 
in den Discuſſtonen der romaniſchen, wie auch der 
ungariſchen Sprache bedienen. Die Protokolle wer: 
den in beiden Sprachen geführt. Die Correſpondenz 
mit der National-Verſammlung, der Regierung und 
den Jurisdictionen wird in magyariſcher Sprache ge 
führt, ausgenommen tft die Correſpondenz zwiſchen 
jenen Jurisdictionen, in welcher man ſich beider 
Sprachen bedient. In dieſem Falle kann auch die 
Correſpondenz in romaniſcher Sprache geführt werden. 

V. In allen Schulen, welche ſchon beſtehen 
und in denjenigen, welche in Zukunft vom Staate 
für die Romanen gegründet werden, iſt die Unter— 
richtsſprache die romaniſche. 

VI. Für den Fall, als die Jury oder das 
mündliche Verfahren in den untergeordneten Gerich— 
ten eingeführt wird, iſt das unter Artikel IV. aus— 
einandergeſetzte Prinzip für die gerichtliche Procedur 
in dieſem Sinne anzuwenden. 

VII. Jedem Romanen ſteht es frei, Petitionen 
in ſeiner Sprache einzubringen. 

VIII. Die Romanen der griechiſchen Kirche ge— 
nießen dieſelben Rechte, wie die Bekenner jeden an— 
deren Religion, hinſichtlich der autonomen Verwaltung 
ihrer Kirchen und Schulen. Sie find daher unab- 
bängig von der ſerbiſchen Geiſtlichkeit, und wählen 
frei ihre Biſchöfe, deren Haupt den Titel eines Pa— 
triarchen trägt. 


298 


IX. Eine beſondere Abtheilung für die Beken— 
ner der griechiſchen Kirche wird im Miniſterium des 
öffentlichen Unterrichts functioniren. Sie wird blos 
aus Romanen dieſes Glaubens zuſammengeſetzt. 

X. Die Schulen und Kirchen dieſes Glaubens 
genießen alle Rechte der anderen Religionen. 

XI. Sie verwalten die Stiftungen ihrer Kirchen 
und Schulen. 

XII. Eine beſondere theologiſche Fakultät wird 
für ſie an der Univerſität von Buda-Peſth gegründet. 

XIII. Nach einer vorläufigen Anzeige und Re— 
gierungsbeſtätigung können ſich die Romanen zur Be— 
rathung ihrer Religions- und Schulangelegenheiten, 
unter der Oberaufſicht eines Regierungs-Commiſſairs 
in jedem Jahre zu kleineren und Hauptſynoden ver— 
ſammeln. 

XIV. In den Bezirken, wo die romaniſche 
Sprache vorherrſchend iſt, ſoll das Commando der 
Nationalgarde romaniſch ſein. 

XV. Sie ſind gleich den anderen Staatsbürgern 
zu allen öffentlichen Aemtern zuzulaſſen, und die Ver— 
gangenheit kann in dieſer Beziehung für Niemand 
ein Hinderniß ſein. 

XVI. Die Romanen, welche gegen Ungarn 
kämpfen, übergeben, zwei Wochen nach dem Abſchluß 
dieſes Traktats, ihre Waffen der nächſten Civil- oder 
Militairbehörde. 

XVII. Die ungariſche Regierung bewilligt allen 
Romanen, welche bei den früheren Begebenheiten com— 
promittirt ſind, und die im vorhergehenden Artikel 


209 


feſtgeſtellte Bedingung erfüllen, vollftändige und all 
gemeine Amneſtie. 

\VIll. Die romaniſchen Inſurgenten leiſten 
nach Ablegung ihrer Waffen den Eid auf die Unab— 
hängigkeit Ungarns; wer dieſen Eid nicht leiſtet 
zwei Wochen nach Abſchluß des Friedensvertrages, 
iſt von der Amneſtie ausgeſchloſſen; dasſelbe gilt von 
allen Denjenigen, welche ihre Waffen bis zu dem im 
Artikel XVI. feſtgeſtellten Zeitpunkte noch nicht abge— 
liefert baben werden. 

In der That ein ſonderbares Document! Man 
ſchwankt in der Wahl, ob man die Tborbeit und 
Verblendung der Wallachen verlachen oder die gren— 
zenloſe Erbärmlichkeit und Feigheit derer, die ſo ein 
Document verfaſſen konnten, beweinen ſoll. Die Wal— 
lachen verdienen gerechten Hohn, indem ſie nicht an— 
nahmen (oder doch damit ſo lange zögerten), was 
ſie als ihr Idol betrachteten, die Schöpfung eines 
Daco-Romaniens. Die ungariſche Regierung ver— 
dient dafür gebrandmarkt zu werden, indem ſie, aus 
Gott weiß was für Urſachen, mit einigen Federſtri— 
chen Alles opfern wollte, was Bem und die Helden— 
ſoͤhne Siebenbürgens bis jetzt erfochten. Denn wo 
gab es in Siebenbürgen, das Szekler und Sachſen— 
land abgerechnet, ein ungariſches Comitat, wo die 
Mehrheit nicht aus Wallachen beſtand und wo ſomit 
die Ungarn hätten romaniſch werden müſſen? Und 
hätten die Wallachen in ihrer enormen Majorität 
nicht auch die Szekler und Sachſen erdrückt? Solche 
Propoſitionen konnten wahrlich nur in einem ver— 
brannten Gehirn oder in einer feigen Seele ihr Ent— 


309 


ſtehen finden, die fih im Voraus vor den ruſſiſchen 
Knutenhieben verkroch. Man wollte Frieden und 
dieſer wäre erwünſcht geweſen, aber doch nicht um 
den Preis der eigenen Nationalität! Oder war man 
zu viel Philanthrop und zu wenig Staatsmann, um 
die Rache ſelbſt durch ſolche wahnſinnige Opfer er— 
kaufen zu wollen? Ein wahres Glück, daß die Wal— 
lachen in ihrer Dummheit noch mehr vom guten 
Kaiſer hofften und den Vogel wieder fliegen ließen, 
den man ihnen vorhielt! 

Siebenbürgen wäre für 3 für immer ver⸗ 
loren geweſen, wenn das in dieſem Traktate ausge- 
ſprochene Syſtem durchgeführt worden wäre, und 
der loyale ungariſche Character erlaubt es uns nicht, 
anzunehmen, daß dies bloß Verſprechungen à la 
Habsburg waren, die man im Falle des Sieges 
ſchon modificirt hätte! Szemere hat hiemit feine 
Miniſterpräſidentſchaft die Krone aufgeſetzt! 

Wir haben im Anfange dieſe Darſtellungen ge— 
ſehen, daß vom December 1848 bis Februar 1849 
der einſichtsvolle Oberſtlieutenant Beke mit dem Com- 
mando des unbedeutenden, ungariſchen Obſervati— 
ons-Corps im Zarander Comitat betraut, daß 
dieſer aber dann im Lauf der Ereigniſſe nebſt ſeinen 
Truppen nach Déva berufen wurde, um an der 
Schlacht von Piski und den ſpäteren Ereigniſſen des 
Feldzugs in Siebenbürgen ſich zu betheiligin. Für 
Beke wurde ein neues Obſervations-Corps in Groß— 
wardein gebildet, deſſen Kern 800 deutſche Legionaire, 
die Todtenkopf-Legion, ausmachten und das Com— 
mando einem von Bems Armee verabſchiedeten Phra— 


301 


ſenmacher, ſonſt aber ganz unfähigen Militair, Major 
Koloman Gutak übertragen. Dieſer gute Mann 
bewies ſeine gänzliche militairiſche Unfähigkeit am 
Klarſten durch feine Thaten. Er war im Laufe der 
Monate März und April nicht im Stande, mehr aus— 
zurichten, als von Vas Käh, wo Beke ſchon geſtan— 
den bis Brad vorzurücken, eine Strecke von einigen 
deutſchen Meilen, und dies in einer Epoche, wo Bems 
Triumphe die Wallachen in ihrem Fanatismus ſehr 
abfüblten und dieſe ſich höchſtens in Wäldern und 
ſonſt auf weite Entfernungen von jenem Orten, wo 
ungariſches Militair lag, zu verſammeln wagten. 
Laſſen wir übrigens, zur Ueberſicht dieſer wenig glor— 
reichen Thaten, fein eigenes, ob zwar mit Selbſtge— 
fälligkeit geſchriebenes Bülletin folgen: 

Közlöͤny Nro. 75 vom 10. April. 

„Bericht des Majors und Truppen-Commandan— 
teu Koloman Gutak am 4. April 1849 aus Körös 
Banya an den Landesvertheidigungs-Ausſchuß: 

Ich griff am 2. dieſes Monats bei dem Dorfe 
Lankoj des Zarander Comitats die durch wallachiſche, 
regulaire Gränzer unterſtützten wallachiſchen Horden 
an, indem ich die Dispoſition traf, daß mein Corps, 
in 3 Abtheilungen getheilt, ſich in Bojeza concentriren 
und ſo die Wallachen rings umſchließen ſollte. Die— 
ſes gelang mir aber nicht, denn ungeachtet, daß eine 
Abtheilung unter Hauptmann Liptay 16 Stunden 
früher aufbrach, um die Wallachen zu tourniren, 
kam dieſe doch zu ſpät; denn die wallachiſchen Hor— 
den flohen vor mir in eiliger, wilder Flucht und ich 
mußte mich beſchränken, dieſelben 3 Meilen weit bis 


302 


ins Hunyader Comitat zu verfolgen, allwo ich die 
Berg- Plateaus zwiſchen Beanyieska und Bojcza 
beſetzte. 

In dieſer anderthalb Tage währenden Affaire 
zählt mein Corps nicht einen einzigen Verwundeten; 
der Feind verlor außer einhundert Gefallenen noch 
25 Flinten, 400 Zünder, einige in irdenen Geſchirren 
aufbewahrte Munition und mehrere in einem Walde 
verſteckte ganze Stücke grober Leinwand. 

Hierauf bewegte ſich mein Corps gegen die 
Bergſtadt Bojcza. Dieſe ſchickte mir zwei Deputirte 
entgegen, mit der Meldung, daß ſie bereit ſeien meine 
Bedingungen anzunehmen und der ungariſchen Re- 
gierung zu huldigen, falls ich ſie als ruhige Mit— 
bürger betrachten, anerkennen und als ſolche behan— 
deln wollte. 

Ich ſtellte ihnen die Bedingungen und ſie 
entfernten ſich. Als die angeſetzte Zeit verſtrichen 
war und ich meine Truppen gegen Bojeza in Marſch 
ſetzte, kamen aus der Stadt wieder 4 Deputirte mir 
entgegen und meldeten, daß die Bewohner die Be— 
dingungen annähmen und in 5 Tagen dieſelben zu 
executiren entſchloſſen ſeien. 

Ich verließ alſo Bojeza und wandte mich am 
3. April gegen Szarapez, Mihelyen und Buesesd, wo 
ſich der Wallachen-Führer Butjan mit einem durch 
ein wallachiſches Grenzbataillon verſtärkten Wallachen— 
Haufen in Redouten eingeniſtet hatte. Ich griff ihn 
an und ungeachtet des gegen mich gerichteten Kano— 
nenfeuers ward ich Herr der Redouten. Butjan 
entfloh. 


303 


In einer dieſer Redouten (wahrſcheinlich langen 
verſchanzten Linien) fanden ſich über 200 Stück 
Rindvieh, 10 Seiten Speck, 6 wallachiſche Pferde, 
50 Ziegen und eben ſo viele Schafe, 80 Preßburger 
Metzen Waizen, 3 Wagen voll Mais und mehrere 
geſtohlene Kochkeſſel, was Alles unſere Beute wurde. 
Mehrere Hundert Wallachen wurden niedergemacht 
und der verwirrte Haufe entfloh über die Alpen links 
von Abrud Baäͤnya. 

Von meinen Truppen fiel nur ein Mann des 
27. Bataillons als Opfer. 

Indeß erwarte ich die Erfüllung der durch die 
Bewohner Bojczas geleiſteten Verſprechungen und 
wenn ſie auf die beſtimmte Friſt nicht erfolgt, werde 
ich meine Operationen fortſetzen. 

Ich muß noch erwähnen, daß ich einen der 
Führer des zerſprengten wallachiſchen Haufens, Na— 
mens Kretz Nikolai, angeblichen Major, gefangen 
nahm und dieſer Held das Verſprechen gab, wir die 
Verſtecke ſeiner Genoſſen anzugeben, wenn ich ihn 
nur pardonirte. 

Und aus ſolchen, elenden Niederträchtigen beſte— 
ben die lieben Waffenbrüder der Camarilla.“ 

So ſchließt der Bericht. 

Es ſcheint indeß, daß Major Gutak lange Zeit 
auf ſeinen Lorbeeren in Körös Banya und Bojeza 
ausruhte, denn wir finden ihn ohne Zwiſchenthaten 
erſt am 20. April in Brad wieder, wo er eine Pro— 
clamation an die Wallachen erließ, in welcher er ſie 
zur Rube und zum Frieden ermahnt und mit dem 
Racheſchwert Alle bedroht, die ſich den Beſchluͤſſen 


301 


der Regierung nicht unterwerfen wollten. Wir wollen 
den Leſer mit dieſem nicht ſehr bedeutungsvollen 
Document nicht langweilen und verweiſen ganz ein— 
fach auf die Nummer 90. des Közlöny dd. Debreczin 
vom 27. April. 

Der Regierung war endlich, trotz der vielen 
Berichte, die Saumſeligkeit des Majors Gutak auf— 
gefallen, zudem erfuhr man auch, daß dieſer gute 
Herr ſich beſſer darin gefiel, in Körös Baͤnya, Bojcza 
und Brad die armen Einwohner zu brandſchatzen 
und ſich Schätze zu ſammeln, als im offenen Felde 
zu agiren. Er wurde daher abberufen und vor ein 
Kriegsgericht geſtellt. An ſeiner Stelle erhielt das 
Commando ein gewiſſer Major Hatvani, eine ſehr 
unglückliche Wahl. 

Hatvani hatte gar kein anderes Verdienſt, als 
das der Agitation in Großwardein und anderen Or— 
ten, das ſo viele Procuratoren (Advocaten) zum 
zum Nachtheile des allgemeinen Beſten in jener Zeit 
mit ihm theilten. Er beſaß aber eine gewiſſe Popu— 
larität, ſammelte an 6 bis 800 Mann Freiſchärler 
und wurde hiefür zu deren Commandanten mit 
Majors-Rang ernannt. Da ſeine Schaar nach 
Brad beordert wurde, ſo bekam er auch zugleich 
dort das Commando, Anfangs Mai. Er wieder— 
holte mit ſeiner Freiſchaar in Körös Baͤnya und Brad 
die Scenen, die fein Vorgänger ausgeführt und 
entſchloß ſich endlich, als ſeine Officiere ungeduldig 
und das Nichtsthuns überdrüſſig wurden, einen Zug 
gegen Abrud Bänya zu unternehmen, gerade damals, 


205 
als die Unterhandlungen mit Dragus in Topänfalva 
gepflogen wurden. 

Gutak verſchwand vom Kriegsſchauplatze, mit 
ihm auch ſein Corps, denn ich konnte weder in 
Kozloͤnp noch in ſonſtigen ungariſchen Quellen, Anz 
gaben über ſie finden und es erſcheint im Gegentheil 
nach den damaligen Zeitberichten Hatvani nur mit 
800 Maun, darunter 400 mit Feuergewehren be 
waffnet in Brad. Aus dieſem Grunde läßt ſich 
Hatvanis Zögern berleiten, irgend eine Operation 
zu unternehmen. Endlich entſchloß er ſich, aufs 
Gerathewohl über das Hochgebirge bei Bucsesd, den 
Weg nach Abrud Baänpya einzuſchlagen. Er mochte 
vielleicht im Geheimen auf das Gelingen der Unter— 
handlungen Dragus vertrauen und in dieſem Falle 
wäre er der Erſte geweſen, die Früchte einzuernten. 
Sein Hinmarſch ſchon war übrigens ganz ſorglos, 
ohne Anwendung irgend einer militairiſchen Vorſicht. 
Er fand in der That nirgends Widerſtand. Die 
Wallachen ſchienen ſich nach Ruhe zu ſehen. 

Am 16. Mai traf Hatvani mit ſeiner auf 
1500 Mann angewachſenen Truppe in Abrud Banya 
an, ließ dort, den kaum abgeſchloſſenen Waffenſtillſtand 
brechend, einige wallachiſche Häuptlinge gefangen 
nehmen, ſelbige erſchießen und verweilte den ganzen 
16., 17. und 18. alldort, bis ihm endlich klar wurde, 
daß er mit ſo geringer Mannſchaft den Ort nicht 
halten und die ungariſchen Bewohner nur der Rache 
der Wallachen Preis geben würde. Er machte ſich 
alſo am 18. aus dem Staube und es war hobe 
Zeit. Denn kaum war er 1 bis 2 Stunden weit 

20 


306 


entfernt, da erſcholl rings auf den Alpen um Abrud 
Bänya das Alpenhorn, Signalfener loderten auf allen 
umherliegenden Berggipfeln und in kurzer Zeit ſollte 
Abrud Bänya der Schauplatz ſchaudervoller Scenen 
werden. Von allen Seiten wälzten ſich Maſſen von 
Wallachen, bewaffnet, blutlechzend und blutgierig, 
gleich Hyänen auf die ſchutzloſe Stadt. Hier hatten 
ſchon die wallachiſchen Einwohner begonnen, die Un— 
garn auf allerlei Art zu morden und deren Habe zu 
plündern. Nun kamen die Maſſen hinzu und der grau— 
ſige Hexenſabbath hatte ſeinen frevelhaften Fortgang. 

Vier Tauſend Ungarn, die die Stadt bewohn- 
ten, fanden zum größten Theile den jammervollſten 
Tod, nur wenige Glückliche entkamen. Unter den 
Gemordeten und dann bei den Füßen Erhängten 
befand ſich auch der Friedensvermittler, Deputirter 
Dragus. Die Tochter eines gewiſſen Geory Taott 
wurde geviertheilt, eine gewiſſe Szantb Marie zu 
Tode geſchändet, ein gewiſſer Duczu, Wallache, 
ſchlug ſeinen eigenen Wohlthäter, der ihn zur Wohl— 
habenheit verholfen, aber Ungar war, mit der Hacke 
todt, Gräber wurden erbrochen, Leichname verbrannt 
u. dgl. m. !) 

Solche Folgen haben unüberlegte, zweckloſe Hand— 
lungen und ſolcher Verantwortlichkeit unterzieht ſich 
eine Regierung, die jedem Avanturier, der zu ſchwa— 
gen weiß, ein Amt anzuvertrauen geneigt tft. 

Abrud Bänya wurde größtentheils niedergebraunt. 
Hatvani entkam durch die Geſchicklichkeit des Com— 


1) Siehe „‚Szilägyi Sandor a magyar forradalom ferfai, 


er 


mandanten der deutſchen Legion über Bucsesd und 
Szarapez nach Brad. 

Dieſer glücklich gelungene Coup und die feige 
Flucht Hatvani's, der entweder gar nicht hätte kom— 
men, oder, da er gekommen war, bis zum letzten 
Manne aushalten ſollen, weckte den Muth der Mozen 
wieder und ſteigerte ihn zur Halsſtarrigkeit und zur 
verachtenden Verwerfung aller Friedensanträge. Sie 
organiſirten nunmehr unter der Leitung der von der 
kaiſerlich öſterreichiſchen Armee in Siebenbürgen zu 
ihnen geflüchteten Officiere einen Guerillaskrieg, der 
einzig in ſeiner Art, bis ans Ende der Begebenheiten 
in Ungarn fortgeführt wurde und obſchon, dem 
Princip nach, defenſiver Natur und ohne glänzende 
momentane Reſultate an Terraingewinn u. dgl., von 
zu empfindlichen und nachhaltigen Folgen für die 
Ungarn war, als daß die Geſchichte jenen unbekann— 
ten Führern nicht die verdiente militairiſche Anerken— 
nung zollen ſollte. Doch darf nicht unerwähnt blei— 
ben, daß das Gold, welches Janku mit ſplendider 
Hand dieſen Leuten hinſtreute, die Theilung der 
Beute, die Neuheit und Abenteuerlichieit des Lebens, 
dann die wunderſchoͤnen Mädchen, die dies Alpenland 
birgt, wohl die Haupthebel der Anſtrengungen dieſer 
Herren geweſen ſein mochten. 

Die wiederholten Ausfälle dieſer organiſirten 
Guerillas gegen Norden bei Maruczel, Baͤnfi 
Hunyad, Gyalu, im Oſten gegen Igen, N. Enyed, 
Borband ꝛc. erſchöpften die Kraft der Ungarn, be 
raubten ſie manchmal der Lebensmittel und unter— 
ſtützten beſonders das Schloß Deva, deſſen Beſatzung 

20 * 


308 


fih nur in Folge der Manövers der Wallachen fo 
lange halten konnte. 

Am 9. Juni ward der Freiſchärler-Major 
Cſanädi in der Gegend von Halmägy von 1000 Mann 
Wallachen-Landſturm, darunter gut bewaffnete Mozen, 
angegriffen. Der Feind hatte die mit Geſtrüpp be— 
wachſenen Höhen von Halmägy beſetzt und hielt ſich 
in dieſer guten Poſition volle 3 Stunden lang, bis 
er endlich nach hartem Tirailleurkampf aus ſeiner 
Stellung verdrängt und in die Flucht gejagt wurde. 
Er verlor mehr als 100 Todte und zählte eben ſo 
viele Verwundete; während von den Freiſchärlern 
6 Mann leicht verwundet wurden. (Közlony 
No. 135 vom 19. Juni) 

So unternahmen die Ungarn wiederholt Streif— 
züge gegen dieſe Guerillas, aber die Unkenntniß des 
Terrains, das Neue dieſer Art Kriegsführung, die 
Ungeübtheit der Führer, mitunter der gänzliche 
Mangel militairiſcher Bildung bei denſelben, waren 
Urſache, daß ſie bei dieſen Expeditionen nie über eine 
gewiſſe Grenze des Mittelgebirgs hinaus kamen. 
Denn dann hörten alle Wege und Stege auf und 
jeder Buſch, jeder Baum, jeder vorſpringende Fels 
barg eben ſo viele Feinde, die uns auf Saumwegen 
und Bergſteigen umgingen, unſern Rückzug abſchnit— 
ten und den kleinen ungariſchen Abtheilungen blieb 
dann nichts übrig, als ſich durchzuſchlagen, wobei 
denn natürlich größere Verluſte erlitten wurden. 

Major Hatvani hatte in einem Zeitraum von 
2 bis 3 Wochen, alſo bis Anfangs Juni, einige Ver— 
ſtärkungen an ſich gezogen und ſeine eigene Freiſchaar 


thunlichſt montirt und armirt. Er hatte ungefähr 
WO Mann Todtenföpfe, 600 Mann Freiſchärler, 
300 Mann Szekler Infanterie und eine halbe Es, 
cadron Cavalerie, nebſt 4 Geſchützen. Er wähnte ſich 
hiermit ſtark genug, abermals einen Streifzug nach 
Abrud Banva und weiter gegen Topänſalva unterneh— 
men zu können und ſetzte ſich Anfangs Inni über 
Bleſeny in Marſch. Er gelangte nach einem unge: 
heuer beſchwerlichen Marſche über den Volkanberg im 
Thale des Cſernicze-Baches, längs deſſen Ufer der 
Weg ein, eine halbe Stunde währendes, Deftle bildet, 
und der in Felſen gehauene Weg, einerſeits den Ab— 
grund der reißenden Cſernicze, andererſeits immer 
unerſteigliche Felſen enthält, nach 3 Tagen in der That 
nach Abrud-Bänya. 

Der Ort war leer, nur wenige vom Brand 
verſchonte Häuſer ſtanden verlaſſen und boten den 
erjchöpften Soldaten Obdach vor den Einflüſſen der 
Witterung, aber keine Nahrung. Hatvani hatte in 
feinem ſtrategiſchen Plan die Sorge für die Erhal— 
tung ſeines Corps vergeſſen, auf dem Marſche waren 
die Vorräthe aufgezehrt worden und nun ſollte man 
ſich von Wurzeln nähren. Es war eine traurige 
Situation und dennoch blieb Hatvani einen ganzen 
Tag in dem verwüſteten Orte, denn ſeine Truppen 
konnten vor Hunger und Mattigkeit nicht mehr mar— 
ſchiren. In der Nacht des 10. Juni ertönte wieder 
das unheilvolle Alpenborn auf den Bergen, wieder 
brannten die Signalfeuer auf allen Höhen und in 
der Morgendämmerung ſtürzten ſich die wallachiſchen 
Haufen, gleich verheerenden Lawinen auf die armen 


310 


Ungarn herab, mit jenem fürchterlichen Geheul, das 
der Polterer immer gebraucht, um ſeinen Gegner zu 
ſchrecken, ſelbſt wenn dieſer minder überraſcht und 
mehr kampffähig und der Wallachen um ein Paar 
Tauſend mehr geweſen wären. Hatvani verlor den 
Kopf, wie dies bei ſolchen Herren des Wortes ge— 
wöhnlich zu geſchehen pflegt, ſeine Unentſchloſſenheit 
theilte ſich der Truppe mit und alle Bemühungen 
des Commandanten der Todtenkopf-Legion, um ſie 
zum Standhalten zu bewegen, waren vergebens. Nach 
ein Paar mit dem Feinde gewechſelten Schüſſen ent— 
floh Alles in der größten Unordnung nach allen 
Richtungen. Der Rückzug war fürchterlich, denn 
überall waren die Brücken über die Wildbäche abge— 
tragen oder zerſtört, der Weg verbarrieadirt und 
rechts und links auf den Höhen jeder Buſch, jeder 
Baum, jeder Felsblock mit wallachiſchen Schützen 
beſetzt. Die Infanterie warf Torniſter, Patrontaſchen, 
Gewehre weg und entfloh in die Wälder, von den 
Wallachen Pardon erflehend. Dieſe aber maſſaerirten 
ſie unbarmherzig, zogen ſie bis auf den nackten Leib 
aus und ſtießen ſie von den Höhen in die Klüfte. 
Bis zu dem Defilée des Cſernicze-Baches vermochte 
zwar die durch den braven Rittmeiſter Cſutak com— 
mandirte halbe Escadron Cavalerie ihre 4 Kanonen 
zu retten, aber da gerieth ſie in einen ſolchen Hagel 
von Steinen, Kleingewehrkugeln, Pfeilen, Lanzen 
und Pikenſtichen, daß ſie, nur auf Rettung des Lebens 
bedacht, ſich, fo gut es ging, durch den das Döfilee 
verſperrenden Haufen durchſchlug. Die Kanonen 
ließ man in der Wallachen Hand, welche die rath— 


311 


loſen Kanoniere bei den Geſchützen niederhieben. 
Hatvani ſelbſt war mit einigen Huſaren und Adjus 
tanten zuerſt geflohen, das Sauve qui peut rufend, 
und entkam über Dupapiatra nach Halmägy. Von 
feinen ganzen Corps retteten ſich nur 3 bis 400 Mann 
zum Cernirungscorps des Oberſten Forrö bei Deva, 
in dem allerelendeſten Zuſtande. So endete dieſe 
zweite Expedition Hatvani's, die, auf Nichts bafırt, 
auch in Nichts zerſtob und nur den Nachtheil hatte, 
daß die Wallachen durch die Erbeutung von Geſchütz 
nur noch kecker, verwegener und blutdürſtiger wurden. 

Nun mußte endlich dieſem Treiben der Walla— 
chen ein Ziel geſetzt werden. Nach der Capitulation 
des Schloſſes Déva hatte der in Siebenbürgen com— 
mandirende General Czetz ein Corps von 6000 Mann 
mit 20 Kanonen und einer Raketenbatterie ausge— 
wählt, um dieſelben zur Bezwingung der Wallachen 
zu verwenden. Oberſt Korrö, ein kalter, praktiſcher 
Militair, von boben Geiſtesgaben und feltenen, ruhi— 
gen Muth ſollte das Commando übernehmen und 
nach dem folgenden Hauptplane verfahren. Der An— 
griff auf die natürliche Citadelle des Feindes ſollte 
von 3 operirenden Brigaden zu gleicher Zeit begin— 
nen, nämlich: von Déva über Brad, Abrud Banya 
auf Topänfalva unter Oberſt Forrô ſelbſt; von 
Carlsburg über Zalathna gegen Abrud Banya zu Ber- 
einigung mit Oberſt Rorro unter Oberſtlieutenant 
Beke; von Bänfi Hunyad oder Gyalu über Magura, 
Gyoͤrgpolui gegen Topänfalva unter Oberſt Kemény. 
Die Zeit vom 15. bis 20. Juni war zur Ausfüb- 
rung dieſer Operation beſtimmt, die wenigſtens ſo 


312 


viel für ſich hat, daß durch dieſe convergirenden 
Operationen die Kraft der Wallachen getheilt und 
ihnen die Möglichkeit benommen war, eine Brigade 
nach der andern mit ganzer Mucht anzufallen und 
zu vernichten. 

Denn hätten ſie dies verſucht, ſo erlaubte der 
nach allen 3 Seiten ziemlich gleiche Radius den übri— 
gen beiden Brigaden auf den Donner der Kanonen 
gegen den Schauplatz des Kampfes zu eilen, um 
die Wallachen im Rücken oder in der Flanque 
anzufallen. Wohl hätten die einzelnen Brigaden an 
Zahl ſtärker ſein müſſen, es waren aber keine Trup— 
pen um jene Zeit mehr entbehrlich. 

Bem erſchien in Siebenbürgen um dieſe Zeit 
wieder und verwarf den Plan, nach ſeinem von Na— 
poleon erborgten Syſtem, ſtets in Maſſen zu agiren, 
das Commando zugleich an Oberſt Kemeny übertra— 
tragend, von deſſen Energie er ſich viel verſprach. 
Hiedurch ging eine koſtbare Zeit verloren und die 
Wallachen hatten gegen Gyalu und Carlsburg bis 
dahin freies Spiel. Kemény ſollte von Brad aus 
gegen Topänfalva operiren und die Wallachen in 
einem Hauptſchlag erdrücken. Der Hauptfehler lag 
hier eigentlich darin, daß man nicht Rückſicht auf 
das Syſtem nahm, das im Gebirgskriege als Baſis 
gilt, d. i. man muß die Höhen haben, und hat man 
dieſe, ſo iſt man Meiſter der Thäler. Hätte die 
ganze Kraft von Bänfi Hunyad über die Höhen bis 
zu den Quellen der Aranyos operirt und dieſe be— 
ſetzt, Topaänfalva, Offenbaͤnya, Lupſa wären von 
ſelbſt gefallen, beſonders wenn kleine Hülfsabtheilun— 


2 


313 

gen noch Brad und Gyögy beſetzt hätten. Alle 
übrigen wichtigeren Punkte hatten hinreichende Be— 
ſatzungen, um den etwaigen Ausfall der Walla— 
chen aus ihrer Berg-Citadelle zurückzuſchlagen. Ex- 
perientia docet; im Drang der Begebenheiten ent— 
gebt ſelbſt dem ſchärfſten Blick manches, was in der 
Studirſtube beim warmen Kawinfeuer leicht in die 
Augen ſpringt 

Kemeny rückte am 3. Juni von Deva aus und 
ſetzte an demſelben Tage bei Solymos über die 
Maros. Der Zug ging durch ſchmale Thäler, deren 
Einwobner in die Berge geflohen waren, nach dem 
früber jo lebhaften Markte Brad, welcher aber am 
4. Juni als Schutthaufen angetroffen wurde. Hier 
raſtete Kemeny einige Tage, verſtärkte ſich bis auf 
1000 Mann Infanterie und 18 Geſchützen nebſt einer 
Raketen-Batterie und betrat am 8. Juni bei Bucsesd 
das eigentliche Gebirgsland. Die Truppen marſchir— 
ten durch enge, oft für Geſchütz unfabrbare Thäler 
und verlaſſene abgebrannte Dörfer, deren Einwohner 
beſtändig von den Bergen ſcharmutzirten. Am 9. Juni 
paflirte Kemény einen hohen Berg vor dem Vulkan, 
welcher erſt am Abend mit dem Geſchütz zu überſtei— 
gen war. Des folgenden Tages fand er die Straße 
durch Verhaue geſperrt, ein ganzer Tag wurde ge— 
braucht, um den Vulkan zu umgeben und erſt am 
11. Juni Mittags erreichten die müden Truppen die 
gänzlich zerſtörte Bergſtadt Abrud Banya, welche in 
einem Bergkeſſel liegt. Hier wurden ſie ſofort von 
allen Seiten von den Wallachen angegriffen, und 
erſt die Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Am 


314 


ganzen folgenden Tage wurde wiederum hitzig ges 
kämpft, ohne daß es jedoch den Ungarn gelang, die 
Wallachen zum ordentlichen Treffen zu bringen. Janku 
war nämlich mit den Wallachen auf die höchſten Al— 
pen geflüchtet und hatte alle Lebensmittel mitgeſchleppt, 
alles Uebrige nebſt den Brunnen aber verderben laſſen. 
Auf dieſem Wege gedachte er Kemény daſſelbe Schick— 
ſal zu bereiten, wie es Hatvani erlitten. Aber Ke— 
meny war viel zu erfahren, um in die Schlinge zu 
gehen. Er verzichtete daher auf den weiteren Marſch 
nach Topänfalva und, nachdem er in Abrud Bänya 
2 Tage im größten Elend zugebracht (ſeine Solda— 
ten kochten ſich Kräuter, um nur etwas Warmes 
dem Magen zu bieten, ihre Beſchuhung war total 
ruinirt und ſie gingen barfüßig einher), ſuchte er, 
die Nutzloſigkeit ſeines längeren Verweilens einſehend, 
über Zalathna nach Magyar Igen ſich einen Weg zu 
bahnen. 

Am 16. Juni Mittags 12 Uhr, bei ungewöhn— 
licher Hitze, wurde der Marſch von Abrud Bänya durch 
einen vier Meilen langen ſchmalen Gebirgspaß an— 
getreten, unter der lebhaften Verfolgung der walla— 
chiſchen Guerillas. Als das Corps bei Bueſum eine 
abgetragne Brücke wiederherſtellen mußte und dadurch 
eine Stockung im Zuge entſtand, hatte die Arriere— 
garde ein heißes Gefecht mit dem aus den Mündun— 
gen der Seitenthäler hervorbrechenden Feinde zu be— 
ſtehen, wo das 11. Bataillon allein 120 Mann 
verlor. 

Oberſt Forrö und das wackere 11. Bataillon 
waren es, deren Unerſchütterlichkeit und Ausdauer 


>15 


Kemeny die Rettung feiner Geſchütze zu verdanken 
batte, denn die Wallachen hatten ihn umringt, alle 
Wege und Brücken verdorben, und wahrend er ſelbſt 
die Bahn mit dem Bajonette brach, hielt Forré und 
und das 11. Bataillon den ungeheuren Schwarm 
Bewaffneter, der von den Seiten attaquirte, einen 
ganzen Tag lang in Schach uns rettete hiermit ſich 
und die Ehre der ungarischen Waffen. 

Am Abend des 16. Juni erreichte Kemény die 
Trümmer der Stadt Zalathna, wo die Truppen ſich 
etwas erholten, Tags darauf das flache Land und 
die von Ungarn bewohnte Stadt Magyar Igen, un— 
weit Carlsburg erreichten. 

Zu gleicher Zeit mit dieſer Operation ſollte ein 
Angriff von Gyalu und Bänfi Hunyad zugleich ge— 
gen Maruczel im Norden erfolgen. Da war aber 
keine Einheit im Commando, ein junger, unüberleg— 
ter Magnat batte ſich bei Bem das Commando aus— 
gewirkt und gab von Klauſenburg aus die ordres. 
Dieſen folgten contre-ordres und es ward daraus ein 
desordre. Die in Gyalu erhielten am bezeichneten 
Tage Gegenbefehl, die in Banfı Hunpad rückten 
dem urſprünglichen gemäß vor und wurden von den 
Wallachen bei Maruczel umzingelt und großentheils 
niedergemacht; nur Wenige entkamen. Bei dieſer 
Gelegenheit fiel auch der aus den Märztagen 1848 
in Peſth berühmte junge Demoſthenes Vasvaͤry, der 
mit Löwenmuthe focht, bis ihn, hinter einem Buſch 
bervor, ein Paar Büchſenſchüſſe zu Boden ſtreckten. 
Eine ungariſche Dame löste im Juli ſeinen Leich— 


316 


nam gegen ſchweres Geld von den Wallachen und 
ließ ihn in ihrer Familiengruft beiſetzen. 

Nach dieſer mißglückten Expedition verlegten ſich 
die Ungarn nur auf die Defenſive und hielten die 
Ausfälle der Wallachen gegen Carlsburg, Deva, 
Klauſenburg und Thorda zurück. Die Wallachen 
ihrerſeits verhielten ſich ruhig und warteten den Er- 
folg der ruſſiſchen Waffen ab. 

Nach der Kataſtrophe von Vilägos ließen ſie 
noch ihre Rache an den waffenloſen, ausgehungerten 
armen Honveds aus, die vor den Ruſſen und Oeſter— 
reichern in die Berge flohen und machten ſie un— 
barmherzig nieder oder beraubten ſie im beſten Falle 
bis aufs Hemd und ließen ſie baarfuß und baarhaupt 
ihre kummervolle Wanderung nach der Strohhütte 
der Heimath beginnen. | 

Janku erhielt den Rang und die Würde eines 
kaiſerlich öſterreichiſchen Oberſten und wurde von 
zwei Kaiſern mit Ordenskreuzen beehrt; Haynau und 
Conſorten aber machten dem Raubmörder als Ka— 
meraden die Honneurs und luden ihn häufig zur 
Tafel. 

Der junge, ritterliche (?) Kaiſer klopfte ihm bei einer 
Audienz, in welcher er die Erfüllung der gegebenen 
Verſprechungen für ſein Volk verlangte, wohlwollend 
auf die Schulter und wiederholte Bachs Zuflüſte— 
rung, der hinter ſeinem Rücken bei ſolchen Gelegen— 
beiten zu ſtehen pflegt: Multum feeisti, vere multum 
fecisti! Janku mag davon nicht ſehr erbaut gewe— 
ſen ſein! 

Der wallachiſche Aufſtand koſtete Siebenbürgen 


17 


300 abgebrannte Doͤrfer, 12 zerſtoͤrte Landſtädte und 
10,000 Wallachen; eben fo viele Ungarn mögen zu— 
gleich umgekommen ſein. Und jetzt genießt das Land 
die Woblthaten der Charte vom 4. März mit einem 
weiß Gott wie lange währenden Belagerungszuſtand, 
mit königlichen Commiſſairen, wie Urban, Dorsner 
und dgl. Gelichter. Die Sachſen haben ihre Rech— 
nung gefunden, denn ſie berrſchen als Miniſterial— 
diener über Wallachen, Szekler und Ungarn im gan— 
zen Lande in ſchoͤner deutſcher Geſetzesſprache! 


318 


Fünfzehntes Capitel. 


Einbruch der Ruſſen in Siebenbürgen. — Der Tümöfer Paß. — 
Affaire vom 18. 19. 20. Juni. — Oberſt Alexander Kiß. — 
Bems Maßregeln. — Affaire bei Biſtritz 27. 28. Juni. — 
Bems denkwürdiger Tagsbefehl. — Affaire am 10. 12. 16. Juli 
bei Biſtritz, Nagy Sajo*), Szeredefalva. — Lüders beſetzt Her: 
mannſtadt am 21. Juli. — Treffen der Oeſterreicher bei 
Illyefalva und Al-Doboly. — Bem rückt in die Moldau 
am 23. Juli. — Deſſen Proklamation an die Bewohner der 
Moldau. — Treffen bei Szemerja und Sepſi Szent Gyoͤrgy 
am 31. Juli. — Folgen derſelben. — Schlacht bei Her— 
mannftadt am 6. Auguſt. — Schlacht bei Mühlenbach am 
12. Auguſt. — Ausfall von Carlsburg. — Oberſt Gal 
Sandor rettet fein Corps. — Letzte Affaire in Siebenbürgen 
bei Segesvar 13. Auguſt. — Beſetzung Klauſenburgs durch 
die Ruſſen. — Die Klauſenburger Truppen ſchlagen Urban 
in Banfi Hunyad und vereinigen ſich bei Sib6 mit Kaczinsky. 
— Kaczinsky ſtreckt die Waffen. — Oberſt Beke capi— 
tulirt mit Bems Truppen in Piski. — Bems letzte Anſtren⸗ 
gungen. — Er flieht in die Wallachey. 


Die Angelegenheiten in Ungarn hatten eine ſolche 
Wendung genommen, daß die ruſſiſche Invaſion als 
gewiß erſchien; dennoch wußten die Ruſſen in der 
Wallachey ihren Plan ſo gut zu verbergen, indem 
ſie ihre Truppen nach allen Richtungen hin und her— 
marſchiren, bald gegen die Grenze Siebenbürgens 
vorrücken, bald von da ſich zurückziehen ließen, daß 


) Gr. Schogen. 


a 


General Czetz und ſelbſt Bem, der gegen Mitte Juni 
aus dem Bannat wieder nach Hermannſtadt zurück— 
gekebrt war, ſich einen Augenblick täufchen ließen, 
und Koſſuths Meinung tbeilten, als ſei aus der Wal— 
lachey und Moldau kein Angriff zu beſorgen. Dies 
gebt ſchon daraus hervor, daß Bem gleich nach feiner 
Ankunft in Siebenbürgen die Päffe beſichtigte, vom 
Toͤmöſer Paß am 16. Juni nach Kronſtadt, und 
von da nach Maros-Väſarhély reiſte, was er wahr⸗ 
lich nicht gethan hätte, wenn er an den ſo nahen 
Einbruch der Ruſſen geglaubt hätte 9). 

Die Ruſſen concentrirten ſich unterdeſſen mit 
Blitzesſchnelle auf der Linie des Tömoͤſer Paſſes, 
und ließen zu gleicher Zeit die Päſſe Boza und Gyimes, 
ſowie den Toͤlgyer mit einer kleinen, den Ojtos Paß 
mit einer ziemlich ſtarken Angriffs-Colonne bedrohen, 
und tbeilten ſomit die Aufmerkſamkeit der Vertheidiger 
des Landes. 

Am 17. Juni erſchien die Avantgarde des fünften 
ruſſiſchen Armee-Corps an der ſiebenbürgiſchen Grenze 
vor dem Singer Kloſter. Dieſes war von einem 
halben Bataillon Szekler und 1 Zug Cavalerie (Koſ— 
ſuth⸗Huſaren) mit 2 Kanonen beſetzt, und Oberſtlieu— 
tenant Ferdinand Szabo führte das Commando. Bei 
dem Erſcheinen der feindlichen Cavalerie-Abtheilungen 


*) Man leſe den von der Regierung im Juni genehmigten 
Operationsplan in Szilagyt: „Die legten Tage der magyariſchen 
Revolntion Seite 4“ und man wird obige Anſicht durch die Auf: 
gabe beſtätigt finden, welche dem commandirenden General in 
Siebenbürgen zugedacht war. 


320 


rückte Oberſtlieutenant Szabo denſelben entgegen und 
begann mit denſelben zu ſcharmutziren, indem er 
dachte, es wäre dieß wieder eine jener erfolgloſen 
Gefechte, die er ſchon ſeit 14 Tagen, alle Tage mit 
ruſſiſchen Streif-Patrouillen zu beſtehen gewöhnt war. 
Aber die Ruſſen hielten ſich heute hartnäckiger, als 
ſonſt. Es erſchienen immer mehr Truppen, zuletzt 
auch Infanterie und Artillerie. Nun ward es dem 
Oberſtlieutenant Szabé klar, daß es ſich hier um 
etwas Anderes handele, als um bloßen militairiſchen 
Zeitvertreib. Er zog ſich daher in ſeine Poſition beim 
Singer Kloſter zurück. Die Ruſſen brauchten die 
Nacht und den Tag des Sten dazu, um ihre ge— 
ſammte Streitkraft, die auf dieſer Linie operiren ſollte, 
in der Nähe des Kloſters zu concentriren, und blieben 
daher dort im Bivouak. 

Am 19ten jedoch, um 3 Uhr Nachmittags, ſtellten 
ſie ſich in Schlachtordnung auf und rückten vor. 
Oberſtlieutenant Szabo, der allen dieſen Vorberei— 
tungen ruhig zugeſehen hatte, zog ſich beſter Ordnung 
bis zum Prädjal-Verge zurück, wo eigentlich der Paß 
beginnt, und nahm daſelbſt Stellung. Hier wurde er 
von den Ruſſen angegriffen, hielt ſo lange er konnte 
löwenkühn den Andrang der ungeheueren feindlichen 
Maſſen aus, und zog ſich Schritt vor Schritt, immer 
fechtend, bis zur oberen Contumaz und beim Einbruch 
der Nacht in die Verſchanzungen zurück. Die Szekler 
erkletterten während dieſes Rückzuges die rechts und 
links den Paß begrenzenden Höhen, und warfen 
Steine und Holzblöcke auf die anſtürmenden ruſſiſchen 
Colonnen, während ihre zwei Kanonen auf der Straße 


32 


im Paſſe Tod und Verderben in die feindlichen Reihen 
ſpieen. Die Ruſſen erlitten ungeheueren Verluſt an 
Mannſchaft und Pferden und ſahen ſchon, daß bier 
viel Blut vergoſſen werden würde, ehe ſie ſich in den 
Beſitz dieſes Schlüſſels ſetzen könne. Sie wollten 
daher von ihrer Uebermacht den richtigen Gebrauch 
machen, und detaſchirten auf den Fußpfaden des Ge 
birgs Koſaken-Abtheilungen, welche die Verſchanzungen 
umgehen, und den Feind im Rücken angreifen ſollten, 
während die Infanterie den Sturm auf die Schanzen 
vornahm. Wir werden ſehen, welche Folgen dieſes 
Manöver hatte, wollen aber erſt unſeren militairiſchen 
Leſern ein Bild dieſes Paſſes entwerfen, das in Er— 
mangelung eines Plans dem leichtern Verſtaͤndniß 
des Ereigniſſes zu Hülfe kommen ſoll. Der Paß 
Tömss beginnt bei Trisztye, mit einer Thalſohle von 
beiläufig 1— 5000 Schritten Breite, dann verengt er 
ſich immer mehr und mehr, und wird bei Unter-Tö— 
mös jo ſchmal, daß nur ein beladener Frachtwagen 
auf der in den Bergabhang eingeſchnittenen Chauffee 
fortkommen kann, zieht ſich dann in dem Döfilée bis 
gegen Dber-Tömds, wo er ſich zu einem Plateau 
erweitert, das rings von Bergen dominirt iſt, und 
ſteigt dann wieder in einer ſehr ſchmalen Bergſchlucht 
zum Berge Prädjal empor, hinter welchem die Straße 
bald den hoͤchſten Gipfel des Gebirgs erreicht, und 
über dem breiten Rücken zum Kloſter Sina, von da 
aber am jenſeitigen Abhang bergab in die Wallachei 
führt. Die Entfernung von Trisztye bis zum Prädjal— 
Berge beträgt ungefähr zwei gute Stunden; Unter— 
Toͤmos liegt in der Mitte dieſer Strecke. Die Wände 
21 


322 


des Gebirgspaſſes bilden fteile, umwegſame, mit Nadel— 
und Laubholz bedeckte, an 1— 2000 Fuß hohe Berge, 
welche in der Mitte des Paſſes, bei Unter-Tömös 
gezackte Felſenparthien, bloß für Ziegen erklimmbar, 
enthalten, und ſich gegen Trisztye und Bäesfalu in lang— 
gedehnte, laubbedeckte Gebirgsfüße verlaufen. Mitten 
durch den Paß ſchlängelt ſich der Wildbach Tömös, 
der feine Quellen am Prädjal und Piäträ Mare 
hat, und viele Kieſel führt, im hohen Sommer aus- 
trocknet, im Frühjahr aber Ueberſchwemmungen ver— 
urſacht. Am linken Ufer der Tömös zieht die Chauffee 
in oben angegebener Breite hin. 

Oberſt Alexander Kiß, der Militair-Commandant 
von Kronſtadt, hatte die engſte Stelle vor Unter-Tö— 
mös mit einer ſtarken Redoute befeſtigen laſſen, und 
hiedurch die Straße ganz geſperrt. Seine Flugel 
wähnte er durch die unerſteigbaren Felſen rechts und 
links geſchützt, und unterließ demnach, dieſe durch Block— 
häuſer auf den Gipfeln der Berge zu ſchützen; ein 
Fehler, den er, wie überhaupt die ganze Siebenbürger 
Armee, theuer büßte. Nach den Vorgängen am Präd— 
jal war Oberſt Kiß mit allen disponiblen Truppen 
und Geſchütz aus Kronftadt nach Unter-Tömös ges 
rückt, und erwartete ruhigen Muthes den feindlichen 
Angriff. N 

Es muß hier bemerkt werden, daß die Kron— 
ſtädter Diſtrikts-Beſatzung, in Folge der vielen, 
bereits bekannten Detaſchirungen auf 4000 Mann 
zuſammengeſchmolzen war, wovon 1500 Mann unter 
Major Kraßnai Töresburg bewachen und zu verthei— 
digen hatten, 500 Mann in die Citadelle von Kron— 


123 


ſtadt verlegt werden mußten, und ſomit nur 2000 Mann 
zur Vertheidigung vom Toömoſer Paß verwendet 
werden konnten. In Tomös wurden zwei eiſerne 
24 Pfunder und eine Feldbatterie von 8 Geſchützen, 
in Töresburg 6 Geſchütze für den Feldbedarf, im 
Kronſtädter Schloß 5 eiſerne Poſitionsgeſchütze ver— 
wendet. 

Oberſt Kiß batte einen kleinen Theil ſeiner 
Truppen in der Nacht vom 19ten auf den 20ſten vor 
den Verſchanzungen am Rande des Plateaus von 
Dber » Tömös aufgeſtellt, um ſich vor einem nächt— 
lichen Ueberfall zu ſichern, und die übrigen in die 
Verſchanzung ſelbſt geſchickt. 

Am Morgen des 20. Juni griffen die Ruſſen, 
unter perſoͤnlicher Leitung des Generals Lüders, die 
am Plateau ſtebenden Szekler mit einem furchtbar 
überlegenen Artillerie- und Kleingewehrfeuer an, wel— 
ches die Feldbatterien der Szekler mit ſtoiſchem Gleich— 
muth in langſamen Zwiſchenräumen beantworteten, 
ohne ſich vom Fleck zu rühren. Die Ruſſen entwickel— 
ten indeß immer mehr Infanterie, und fchoben ihre 
Maſſen vorwärts. Die Szekler zogen ſich endlich 
nach ein bis zweiſtündigem Kampfe fechtend in die 
Verſchanzung zurück. 400 Mann todesmuthiger Szekler 
batten beinahe 2 Stunden lang die ganze Wucht des 
ruſſichen Hauptangriffs feſten Fußes ausgehalten, 
und weder die todſäenden Feuerſchlünde der 4 bis 
5 mal überlegenen ruſſiſchen Artillerie, noch die Maſ— 
fen Angriffe ihrer Infanterie hatten fie zum Wanken 
gebracht. Iſt das nicht würdig, den Heroen des Alter— 
thums verglichen zu werden? Aber verfolgen wir die 

2 * 


324 


Begebenheiten weiter, betrachten wir den jungen Leo— 
nidas und ſeine Tapfern, und vollenden wir erſt 
dann den Vergleich mit den Spartanern bei Ther— 
mopylä. Wir werden dieſen Vergleich nicht übertrieben 
finden. Nachdem unſere Vorhut in die Verſchanzung 
retirirt war, rückte die ruſſiſche Infanterie ihr im 
Sturmſchritte nach, aber da ſtand Oberſt Kiß mit 
ruhiger Würde auf dem Walle und commandirte in 
dem Augenblicke Feuer, wie jede Kugel ihren Mann 
ſicher treffen mußte. Ein Wall von Leichen bedeckt 
ſofort die Chauſſée, und die ruſſiſche Infanterie floh 
erſchrocken vor dieſen verderbenſchwangeren Feuer— 
ſchlünden. Nun rückte die Poſitions-Artillerie der 
Ruſſen vor, ſtellte ſich, ungeachtet des gutgerichteten 
und wohlunterhaltenen Feuers des Oberſten Kiß und 
keinen Verluſt beachtend, mitten im Paſſe und hie 
und da auf den erklimmbaren Stellen der Paßwände 
auf. Ein mörderiſches Feuer begann und Tauſende 
von Kugeln und Granaten flogen in die Verſchan— 
zung. Zwei Geſchütze wurden demontirt, der Erdwall 
furchtbar auseinandergeriſſen, und viele Todte und 
Verwundete mußten aus den Verſchanzungen nach 
Trisztye zurückgeführt werden. Dieſe furchtbare Kano— 
nade dauerte von 8 Uhr früh bis gegen 10 Uhr, 
und wurde von den Ungarn nur wenig und nur in 
langen Pauſen beantwortet, denn fie hatten mit der 
Munition zu ſparen und durften keinen Schuß ver— 
gebens thun. Als Lüders die Vertheidiger der Ver— 
ſchanzung hinlänglich erſchüttert glaubte, ordnete er 
den Sturm mit dem Bajonette, durch neue Infan— 
teriemaſſen, an; aber der Muth, die nicht berechende 


325 


Kaltblütigkeit, die ſchonungsloſe Aufopferung von 
Menſchen ſcheiterte an dem ruhigen Muthe und der 
aufopfernden Vaterlandsliebe Kiß's und feiner Braven. 
Die Ruſſen kamen zweimal bis an den Rand der 
Verſchanzungen: ſie wurden beide Male mit einem 
ſolchen Hagel von Granaten-, Kartätſchen- und Klein⸗ 
gewebrfugeln empfangen, daß Hunderte von ihnen 
gleich todt oder verwundet fielen; ein fürchterliches 
Jammergeſchrei mit dem Eljen-Rufen der kampfbe— 
rauſchten Szekler, mit dem Hurrah der Anſtürmenden 
gemiſcht, zerriß die Luft und machte mit den Kano— 
nenſalven die Felſen zittern, die im tauſendfachen 
Echo dieß fürchterlicherbabene Tonſtück wieder gaben. 
Die ruſſiſchen Maſſen ſchwankten, und retirirten in 
Unordnung wieder außerhalb Kanonenſchußweite. Die 
Ungarn hatten indeß auch bedeutend gelitten: viele 
der theueren Kameraden bedeckten die Bruſtwehren, 
andere jammerten über erhaltene Wunden, Oberſt 
Kiß ſelbſt hatte einen Schuß in den Arm bekommen, 
ein Pferd war ihm unter dem Leibe erſchoſſen wor— 
den, und zum Uebermaß erhielt er die Nachricht, daß 
die Ruſſen auch bei Töresburg angriffen, und Major 
Kaszonvi ſich gegen die Uebermacht nicht halten konne. 
Nichtsdeſtoweniger beſchloß er, zu ſiegen, oder käm— 
pfend zu fallen. Das Zerftörte ward ſchleunigſt aus— 
gebeſſert, und man bereitet ſich zum Empfang des 
neuen Sturmes vor. Die Ruſſen errichteten Batte— 
rien hinter flüchtigen Erdwällen und eröffneten ein 
noch fürchterlicheres Feuer, als zuvor. Endlich ſtürm— 
ten ſie wieder, wie zuvor, und wurden wieder mit 
bedeutendem Verluſt zurückgeſchlagen; aber dießmal 


326 


hatte Kiß einen zweiten Schuß in den Oberfchenfel 
erhalten, und war einige Zeit beſinnungslos geblieben. 
Dieß verurſachte unter den Szeklern Schrecken und 
Verwirrung, denn ſie hielten den geliebten Führer 
für todt. Zum Uebermaß des Unglücks erſchienen 
auch gegen 3 Uhr Nachmittags jene Koſaken, welche 
Lüders zur Umgehung der Verſchanzungen abgeſendet 
hatte, und die von der Gegend kundigen Wallachen 
geführt wurden, in der That in der Flanque und im 
Rücken der Verſchanzung auf den Höhen, wo ſie auf 
ihren kurzen, gedrängten Roſſen, wie Ziegen umher— 
kletterten, und aus ihren langen Büchſen auf die 
Vertheidiger der Schanzen zu feuern begannen. Zu 
gleicher Zeit ſtürmte die Infanterie der Ruſſen in 
der Front zum vierten Male. Oberſt Kiß hatte ſich 
aus der Ohnmacht ermuntert, wieder auf's Pferd 
heben laſſen und commandirte, wie vorher, bat, be— 
ſchwor ſeine Leute, Stand zu halten; aber die Er— 
ſcheinung des Feindes in der Flanque und im Rücken 
hatte die Szekler mit paniſchem Schreck erfüllt: ſie 
flohen, ohne einen Schuß zu thun, warfen Gewehre 
und Torniſter weg und Oberſt Kiß blieb mit einigen 
20 Hufaren allein. Der Feind hatte die Schanzen 
erſtiegen, die Kanonen waren abgefahren: da entließ 
Oberſt Kiß auch die Huſaren und verſuchte ſich zu 
retten, konnte aber, durch die erhaltenen Wunden 
gehindert, ſein Pferd nicht lenken und fiel in die 
Hände der Kofafen. Die Szekler hatten an 400 Todte 
150 Gefangene und 2 Kanonen nebſt mehreren Mu— 
nitionskarren verloren; aber auch die Ruſſen hatten 
den Sieg theuer erkauft, denn ſie verloren an 700 


927 
bis 1000 Mann, darunter drei hohere Officiere. Die 
Stärke der Ruſſen mochte bier 15,000 bis 20,000 
Mann betragen haben, mit welchen ſie am 20ſten 
Abends am Galgenberge vor Kronſtadt ein Lager 
bezogen. 

Während das Gros der Ruſſen das erwähnte 
Lager bezog, verfolgten die Koſaken die gegen Hä— 
romszék entflobenen Szekler bis zum Fekete Ugy bei Kö— 
fös, wo fie Vorpoſten ausſtellten. Die Szekler flohen 
in wilder Unordnung und nur mit großer Aufopfe— 
rung gelang es dem Oberſtlieutenant Ferdinand Szabo, 
fie in Üzon wider zu ſammeln und zu ordnen. Die 
Beſatzung des Bozaer Paſſes war auch entflohen 
und hatte ſich zu ihnen geſellt, worauf Oberſtlieute— 
nant Szabo wieder bis Kökös vorrückte und daſelbſt 
Stellung nahm. 

Oberſt Alexander Gal war indeſſen aus Cſik— 
Szereda nach Kézdy-Vaſarhely geeilt und hatte den 
Landſturm aufgeboten. Die nicht zu Kanonen ver— 
wendeten Glocken läuteten überall zum Aufgebote, 
Boten flogen von einem Orte zum andern und Alles, 
was ſich nur rühren konnte, ſtrömte mit improviſirten 
Waffen nach Uzon uud Kézdy-Vaſarhely; denn es 
galt, Haromszéks jungfräulichen Boden vor feindlicher 
Invaſion zu ſchützen. Oberſt Gal verſtärkte die Be— 
ſatzung des Ojtoſer Paſſes mit dem entbehrlichen 
Landſturm und rückte mit dem Reſte der Truppen 
und allem fertigen Geſchütz nach Uzon vor, um das 
Ober⸗Commando zu übernehmen. Er vereinigte bier 
im Ganzen an 3000 Menn regulaire Infanterie und 
Reiterei nebſt 8 bis 10,000 Mann Landſturm und 


328 


30 Geſchützen. Mit dieſer Macht erwartete er den 
Feind, 

Die Ruſſen hatten unterdeß die Beſatzung des 
Kronſtädter Schloſſes zur Uebergabe auffordern laſ— 
ſen. Dieſe antworteten dadurch, daß ſie auf die in 
die Vorſtadt Blumenau einrückenden Ruſſen am 21. 
ein tüchtiges Feuer unterhielten und mehre Häuſer 
durch Granaten in Brand ſteckten. Die Ruſſen ließen 
darauf in der Nacht Batterien aufwerfen und be— 
ſchoſſen den ganzen 22. das Schloß ſo heftig, daß 
die Mauern großen Schaden litten. Die Beſatzung 
hatte nur auf 8 Tage Lebensmittel, ihr wackerer 
Commandant, Hauptmann Johann Toth war gefallen, 
fie knüpfte alſo Unterhandlungen an und capitulirte 
gegen Garantie des Lebens. General Lüders ſchlug 
ſein Hauptquartier in Kronſtadt auf. 

General Engelhardt war bei Töresburg einge— 
drungen und, da er keinen Widerſtand fand, bis 
Zeiden vorgerückt. Der ungariſche Commandant 
Major Krasznai hatte ſeinen Poſten feige verlaſſen 
und war ſchon am 20. bis Nagy Ajta retirirt. Die 
Ruſſen ließen 5—6 Tage vergehen, ehe ſie gegen 
Haromszef zu operiren begannen. Sie erwarteten 
die Ankunft eines öſterreichiſchen Armee-Corps von 
11,000 Mann unter dem commandirenden General 
Clam Gallas, von dem nur die Avantgarde mit Lü— 
ders in Siebenbürgen eingerückt war. Dieſes Corps 
mochte wohl früher einen Verſuch gemacht haben, 
beim Rothenthurmpaſſe einzudringen, fand aber den— 
ſelben zu ſehr verbarrikadirt und verſchanzt, und wählte 


329 


daher die bequemere Strafe über den Qömöfer 
Paß, und traf am 11. Juli vor Kronſtadt ein. 

Die Ruſſen hatten indeſſen bei Kökos und Uzon 
die Szekler geſchlagen, fie gegen Ereszteveny geſprengt 
nnd Gal Sandor zum Rückzug gegen Maͤlnäs ge‘ 
zwungen, wo dieſer ſich mit Kras; nei vereinigte, der 
über Udväarbely und den Rika (To heißt das zwiſchen— 
liegende Gebirge) herbeigezogen war. Haromszék 
ward verwüſtet: Kökös, Uzon, Réti, Sepſi Sit. 
Gyoͤrgy niedergebrannt und geplündert, Kezdy- Ba 
farbely zum Theil niedergebrannt und die dortige Ar— 
tillerie-Werkſtätte zerſtoͤrt. Oberſt Doͤrsner, ehemaliger 
Commandeur des erſten Szeklerbataillons, als kaiſerlicher 
bevollmächtigter Commiſſair, begann feine Functionen. 
Dies fiel Alles in den Zeitraume vom 26. Juni bis 
12. Juli, wo die Ruſſen abzogen und die weiteren 
Operationen den Kaiſerlichen unter Clam Gallas 
überließen. 

Nach der Einnahme Kronſtadts ſchob nämlich 
Lüders das Gros feiner Truppen gegen Földvär vor, 
um die Ankunft des öſterreichiſchen Corps unter Clam 
Gallas abzuwarten, welches Kronſtadt beſetzen ſollte 
nnd ſandte den General Hasford mit einer fliegen— 
den Colonne über Präsmär und das Fekete-Thal 
nach Kezdy-Vaſärbely in das Land der Szekler, 
trieb fie in die Flucht und beſetzte Szt. Gyoͤrgy. Die 
Szekler zogen ſich nach Cſik Szereda und Udvär- 
bély zurück. 

Der moraliſche Muth der Szekler war bedeu— 
tend erſchüttert, woran die beſtändigen unglücklichen 
Gefechte, vorzüglich aber der Fall Gabor Arons, des 


330 


großen Geſchützmeiſters, der bei Uzon den Heldentod 
bei ſeinem ſelbſtgeſchaffenen Werke durch eine feind— 
liche Kanonenkugel fand, die Schuld trugen. Die 
Einwohner Haromszéks flohen in die Cſik. Das 
ruſſiſche Gold fing auch an, auf die Landesbewohner 
zu wirken. 

Als nun Clam Gallas mittlerweile Kronſtadt be— 
ſetzt batte, zog General Lüders gegen Hermannſtadt. 
Seine Avantgarde unter Engelhardt ſuchte ſich des 
Alutaüberganges bei Fagaräs zu verſichern und ſchlug 
am 12. Juli die 800 daſelbſt mit 4 Kanonen ſtehen⸗ 
den Szekler vermöge ſeiner Ueberzahl hinaus. Lüders 
folgte auf dem Wege nach Hermannſtadt, wäh— 
rend die ſchwache ungariſche Garniſon auf die Nach— 
richt vom Falle Fogaräs nach Mediaſch zurückzog. 
Hermannſtadt wurde am 21. von den Ruſſen beſetzt. 
Engelhardt aber ſchlug die ungariſche Beſatzung des 
Rothenthurmpaſſes unter Oberſtlieutenant Ihäsz in 
drei blutigen Treffen und nöthigte ſie, in die Walla— 
chei zu flüchten, von wo ſie, die erſten, welche ſich 
den Türken ergaben, nach Widdin transpotirt wurde. 
Hasford wollte nun gegen Carlsburg operiren, 
um das dortige Cernirungs-Corps zu ſprengen. Da 
trat Bem wieder auf den Schauplatz des ſüdlichen 
Landestheiles. | 

Jetzt müſſen wir aber uns nach den Ereigniffen 
im Norden umſehen. Dort geſchahen nicht minder 
folgenreiche Thaten. 

Auch hier waren die Ruſſen, 12. 15,000 Mann 
ſtark, unter General Grotenbjelm, von 3000 Oeſter— 
reichern unter General Fiſcher und Oberſt Urban 


331 

unterſtützt, aus der Bukowina über den Borgoer 
Paß eingedrungen und hatten die auf dieſer Linie 
von der Grenze bis Biſtritz aufgeſtellten, ungariſchen 
Truppen vom 17. bis 20. Juni bis auf die letztere 
Stadt zurückgedrängt. Oberſtlieutenant Dobay, Sohn 
des uns den Vorfällen in Haromszék bekannten 
Szekler-Oberſten, batte bier ein Corps von 6000 Mann 
mit 21 Geſchützen. Die Hälfte derſelben beſtand 
aus Szekler-Reſervebataillonen, welche bloß mit Lan— 
zen bewaffnet waren. Mit dieſem Corps beſtand 
Dobay am 20. und 21. Juni gegen das ganze ruſ— 
ſiſche Corps zwei blutige Schlachten und zog ſich 
am zweiten Tage nach verzweifelter Gegenwehr, und 
nachdem Biſtritz von den Ruſſen mit Sturm genom— 
men worden war, insbeſondere durch die ungeheure 
Uebermacht der ruſſiſchen Cavalerie gedrängt, denen 
er nur ein Paar Schwadronen entgegenzuſtellen hatte, 
bis Does zurück. 

Bein befand ſich auf feiner Inſpicirung des Lan— 
des gerade in Klauſenburg, als er von allen dieſen 
Unglücksfällen Kunde erhielt. Er reiste ſogleich zum 
Corps Dobap's ab, ließ dieſen wackeren Oberſtlieu— 
tenant in der erſten Aufwallung arretiren und befabl, 
ihn vor ein Kriegsgericht zu ſtellen, indem er den 
ibm von Bem anvertrauten Poſten feige verlaſſen 
babe. Es war dies offenbar nur der erſte Ausbruch 
der Entrüſtung über die falſchen Nachrichten der Re— 
gierung, welche Jeden bis zum letzten Moment an 
dem Einbruche der Ruſſen aus der Wallachey und 
Moldau zweifeln ließen. Bem liebte die Gerechtig— 
keit zu ſehr, um dies nicht einzufeben, ſuspendirte am 


332 


andern Tage das gerichtliche Verfahren und ernannte 
Dobay zum Commandanten einer Brigade in Udvar— 
hély. Bems Erſcheinen genügte, um das Armee— 
Corps wieder zur Ordnung und Diseiplin zurückzu— 
führen, und ſchon am 25. rückte er dem Feinde gegen 
Biſtritz entgegen. Was hier geſchah, geht am deut— 
lichſten aus folgenden 3 Bülletins hervor, die Bem 
um dieſe Zeit an die Regierung ſandte: *) 
Biſtritz, 26. Juni. Heute haben wir Biſtritz 
ohne Schwertſtreich genommen. Der Feind hat ſich 
zurückgezogen und ich hoffe ihn weiter zu verfolgen 
und über die Grenze Siebenbürgens zu jagen. 
Bem. 
27. Juni. Ich habe die Ruſſen geſchlagen und 
befinde mich in Tekendorf (?). Durch ſieben 
Stunden hat meine junge Armee die ſtarke feindliche 
Cavalerie angegriffen und zurückgeworfen. Ich bin 
gegen Salindorf (Sendorf 2) vorgerückt.) Bem. 
2. Juli. Wie ſchon gemeldet, ſind wir über 
Groß-Sajo, Vaͤrhely nach Biſtritz vorgedrungen 
und nun halte ich die Feinde im Engpaſſe Borgo 


) Der bereits in einer früheren Note, hinſichtlich feiner 
Glaubwürdigkeit und geſchichtlichen Treue, gewürdigte Dr. Schütte 
hat in feiner angeführten Compilation (11. p. 302) die Aechtheit 
dieſer, dem officiellen Regierungsorgane entnommenen Bülletins 
angezweifelt und wir müſſen geſtehen, daß gegen die Depeſchen ſich 
erhebliche Bedenken erregen laſſen, zumal die darin angeführten 
Orte theils nirgends, theils nicht in der gemeinten Gegend und 
Neihefolge anzutreffen find. Wir hielten uns für verpflichtet, 
der allſeitigen Kritik durch Aufnahme jener Bulletins Raum zu 
gönnen und die wahrſcheinlich richtigen Namen beizufügen. 


333 
eingeſchloſſen und zwar ohne von den bei Carlsburg 
operirenden Truppen auch nur einen Mann an mich 
gezogen zu haben. Bem. 

Zur Erläuterung und zur Feſtſtellung der That— 
ſachen müſſen wir erwähnen, daß die Ruſſen nach 
der Einnahme Biſtritz's, Dobay nur ſchwach verfolg— 
ten und jenſeits Biſtritz ihre Arrieregarde und die 
oͤſterreichiſche Reſerve ein Lager beziehen ließen, wäh— 
rend das Gros ſich über's Gebirge gegen Szasz 
Regen in Marſch ſetzte, um von da gegen Maros— 
Vaſarhely zu operiren und fo, wenn möglich, die 
Verbindung mit dem Corps Lüder's über Mediaſch 
berzuſtellen. 

Auf die Nachricht, daß Bem anrüde, zogen ſich 
nun die Ruſſen von Biſtritz ganz zurück und ließen 
ihn am 26. die Stadt ohne Anſtand beſetzen, ſam— 
melten ſich aber bald und hielten ſeinen Angriff am 
27. mutbig aus. Ibre Cavalerie richtete ſogar unter 
den Szeklern eine ſolche Verwirrung an, daß die 
Szekler zu fliehen begannen. Nur die beiſpielloſe 
Energie Bems und die Zähigkeit ſeines Characters 
vermochte, wie er ſelbſt ſagt, durch 7 Stunden den 
wiederholten feindlichen Cavalerie-Attaquen die Stirne 
zu bieten. Bem ſtellte ſich mitten in das Quarrce, 
welches das 12. Honved-Bataillon formirte und com- 
mandirte ſelbſt das Feuer, jedesmal im rechten Au— 
genblicke. Seine kalte Ruhe, ſein unbeugſamer Muth, 
ſein entſchiedenes Standhalten, beruhigten die erſchüt— 
terten Honveds und beſeelten ſie mit neuem Muth 
und nur ſo konnte es geſchehen, daß Bem mit einem 
einzigen Bataillon 7 Stunden lang das Schlachtfeld 


334 


gegen ein ganzes Corps von 8000 Mann, die Oeſter— 
reicher mitgerechnet, behauptete. 

Am 28. jedoch war das ruſſiſche Gros zurück— 
gekehrt und Bem hatte es mit 18 — 20,000 Mann 
zu thun, kein Wunder, daß er nach erbittertem 
langwierigen Kampfe Biſtritz räumen mußte. 

Bem entkam den verfolgenden Ruſſen nur da— 
durch, daß er die Stadt umging. Allein aus dieſen 
Vorgängen läßt ſich der nachfolgende Tagesbefehl 
erklären, den Bem am 5. Juli aus Biſtritz an die 
Truppen ergehen ließ: 

Tagesbefehl. 

Das Kriegsgericht, welches zu dem Ende er— 
nannt wurde, um über diejenigen zu richten, welche 
am 27. und 28. Juni ihre Fahnen, ihren Feldherrn, 
ihre Commandanten und Cameraden durch ihre ſchänd— 
liche Flucht vom Schlachtfelde verlaſſen haben, iſt ſo 
ausgefallen, daß ich entweder Maſſen von Szekler 
müßte erſchießen, oder zu Hunderten prügeln laſſen. 
Das Erſtere will ich nicht, weil ich glaube, daß die 
dem Schrecken Unterlegenen dem Vaterlande und der 
Freiheit noch gute Dienſte werden leiſten können, 
wenn ſie ihre weibiſche Furcht beſiegt haben und zu 
ſich gekommen ſind; und das Zweite nicht, weil ich 
Euch nicht wie das Vieh behandelt wiſſen will. Ich 
habe demnach beſchloſſen, diesmal noch Gnade für 
Recht ergehen zu laſſen und allen am 27. und 28. 
flüchtig gewordenen Honveds zu verzeihen. Bei dieſer 
Gelegenheit kann ich nicht umhin, die Szekler, welche 
mit mir fo manches Feuer ruhmvoll beſtanden haben, 
darauf aufmerkſam zu machen, daß ſie überall für 


335 


ihr Vaterland, für ihre und der Ihrigen Freiheit 
kaͤmpfen, wo ſie den Ruſſen entgegenſtehen. Würde 
der Ruſſe bier ins Land gelaſſen, ſo iſt ſein erſter 
Weg nach dem Maroſcher Stuhl, nach Gyoͤrgy, 
Czik und Häromszef, fo wie umgekehrt, wenn er 
nach Häromszsék hineingelaſſen werden mochte; darum 
kämpfen wir auch bier wie dort gegen denſelben Feind. 
Wir müſſen ihn bier beſiegen, wenn wir unſere Lie— 
ben in Häromszef geſchützt wiſſen, wenn wir aus 
freien Menſchen nicht Jobbaͤgyen werden wollen. 
Wir müſſen ihn bier vor Allem feſthalten, denn nach, 
Häromszeék marſchiren bereits andere von unſeren 
Colonnen, um ihn dort zu vernichten Ferner muß 
ich Euch ſagen, daß Ihr von der Cavalerie grade 
dann nur beſiegt und zuſammengehauen werden konnt, 
wenn Ihr Euch zerſtreut. Während jeder Einzelne 
verloren iſt, iſt die Maſſe unbezwingbar, beſonders 
da Ihr wißt, daß ich mit den Kanonen nicht von 
Euch weiche. Bleibt alſo beiſammen, bleibt bei mir, 
fo lange ich ftebe; und keine Macht der Erde wird 
uns beſiegen. Bald werdet Ihr Eure Väter, bald 
Eure Weiber und Brüder ſehen, als Sieger und 
freie Männer werdet Ihr ſie ſehen, hütet Euch alſo, 
daß nicht manchem unter Euch der Vorwurf der Feig— 
beit gemacht, und daß dieſe Schmach, wie bei den 
alten Ungarn, aidıt auf Eure Kinder und Kindes— 
kinder vererbt werde. Seid und bleibt freie und 
tapfere Szekler bis zu Eurem letzten Athemzuge, denn 
es gilt nicht nur Euch durch Euere Tapferkeit von 
der ruſſiſcheu Knutenherrſchaft zu befreien, ſondern 
auch die Ehre der Nation zu retten, welche Euere 


K. | 
336 ' 


Urahnen durch mehr als 1000 Jahre in Europa be, 
wahrt haben. Seid Euerer Abſtammung von den 
heldenmüthigen Hunnen und Eures großen Königs 
Attila würdig. J. Bem. 
Feldmarſchall-Lieutenant. 
Hauptquartier Biſtritz 5. Juli 1849. 

Dem zog fich bis Teke !) zurück, ſammelte feine 
Truppen und nahm am 2. Juli Biſtritz wieder. 

Hier raſtete er ein Paar Tage und hatte tag— 
täglich im Borgoer Paſſe Gefechte mit den Ruſſen, 
bis dieſe ihn abermals bis Teke zurückwarfen. 

General Grotenhjelm war nämlich am 2. Juli 
über Tihutza nach Borgo Prund vorgedrungen, warf 
Bems Truppen aus dieſem Orte hinaus und ließ 
ſie bis Aldorf?) verfolgen, von wo Bem ſich auf Teke 
zurückzog. Als Bem aber gegen Biſtritz vorgerückt war, 
warf ihn der ruſſiſche General Pawlow am 10. Juli, 
während das feindliche Gros nach Szaͤsz Regen zog, 
bis Kis Budak zurück. 

Am 12. rückte aber Bem abermals bis Nagy 
Sajo und Biſtriz vor, ward aber wieder von dem 
geſammten ruſſiſchen Corps angegriffen und bis Sze— 
redefalva zurückgeworfen. 

Auf dieſem Rückzuge war es auch, daß die 
Sachſen, welche von Bem und ſeinen Truppen ſo 
milde behandelt worden waren, ihre verborgenen 
Waffen hervorholten, und vom Stadttburm, von den 
Dächern und aus den Fenſtern auf die fliehenden 
Honveds feuerten, wobei Bems Adjutant Lukenits 
in des Feldherrn Wagen getödtet wurde. 

Am 16. Juli wurden die Szekler hier en front 


1 * ekendorf. 2) Wallendorf. 


337 


und in beiden Flanquen angefallen.  Groteubjelm 
von Bilak, eine Batterie von den Hariner Alpen, 
Pawlow en front; die Szekler wurden abermals ges 
worfen und mußten in zwei Colonnen über Szt. 
György nach Tekendorf und über Lekencze gegen 
Dees retiriren. Bei dieſer Affaire commandirte jedoch 
ſchon der Oberſtlieutenant Damaskin, den Bem mit 
dem Commando betraut hatte, während er ſelbſt ins 
Szekler Land eilte, wohin größere Gefahren riefen. 

Damaskin beſtand noch am 21. bei Dedraͤd ein 
Gefecht und zog ſich nach Szisz Regen zurück. Am 
22. wurde auch hier gekämpft und nach mebrifimbdi- 
gem bitzigen Gefecht beſetzte ein Theil des ruſſiſchen 
Corps Szasz Regen, wo Grotenhjelm einſtweilen 
ſteben blieb, der andere Theil aber nach Biſtritz zu— 
rüdfebrte, um den Rückweg zu ſichern. 

Von Szisz Regen zog ſich Damaskin über 
Maros-Viſärhely nach Sz. György zurück, ſuchte 
dort ſeine Truppen, welche auf kaum 5000 Mann 
zuſammengeſchmolzen waren, zu ſammeln und Maros— 
Vaſarhely wieder zu beſetzen. 

Mittlerweile hatte ſich Bem in das Szeklerland 
begeben, dort Alles zuſammenraffend, was an Streit— 
kräften aufzubringen war, und verhinderte durch ſein 
Erſcheinen in Haromszef die Ausführung des ruſſi— 
ſchen Unternehmens gegen Carlsburg. Lüders mußte 
Halt machen und Clam zog von Kronſtadt, welches 
er beſetzt hatte, an den Altfluß und bedroht Has 
romszék. Jyn ſchlug Bem am 20. und 21. Juli 
bei Sepſi Sz. György und verfolgte ihn über Illv— 
efalva nach Aldoboly, Kronſtadt bedrobend, wo man 

22 


338 


ſchon die öffentlichen Kaſſen wegbrachte. Die Szek— 
ler, durch dieſen Erfolg ermuthigt, griffen die ver— 
einigten öſterreich-ruſſiſchen Truppen am 22. Juli 
an, wurden aber bis Illyefalva und St. Kiräly, am 
23. nach Szemerja und am 24. bis Sepſi St. György 
zurückgeworfen. Nach einem harten Kampfe wurden 
ſie am 27. aus Sepſi Sz. György verdrängt und 
nahmen am Waldſaume, bei Malnas, Poſtition. 
Alle dieſe Affairen hatte Oberſt Gal geleitet, indem 
Bem nach dem erſten von ihm errungenen Erfolge 
über Makſa und Keszdy-Väſärhely, durch den Ojtos⸗ 
Paß mit 2500 Mann und 12 Kanonen in die Mol⸗ 
dau eingerückt war, in der Hoffnung, die dort woh— 
nenden Czangé-Magyaren zur bewaffneten Erhebung 
zu veranlaſſen. Er drang bis Okna vor, nachdem 
er in zwei Treffen am 23. und 24. den ſich ihm 
entgegenſtellenden ruſſiſchen General Moller (Re— 
ſerve der Ruſſen) geſchlagen, ihm eine Menge Wa— 
gen, große Viehheerden, Munition und einige 100 
Gefangene abgenommen und dadurch den Muth 
ſeiner Truppen wieder belebt hatte. Ungeachtet 
ſeiner energiſchen Proclamation (ſ. Szilägyi, die letz— 
ten Tage der magyariſchen Revolution, im Anhange 
S. 96) fand die ungariſche Sache dort keinen An— 
klang und Bem kehrte nach Siebenbürgen zurück 
(ſ. feinen Bericht Szilägyi letzte Tage S. 90), wo 
er Oberſt Gäl in der Cſik und Häromszsk zurückließ 
und ſelbſt mit feinem auf 3— 4000 Mann verſtärk⸗ 
ten Corps ſich feiner Baſis an der Maros und bei 
Klauſenburg wieder zu nähren ſuchte. 

Die feindlichen Generale faßten nun den Plan, 


339 


auf Maros Väſärhely loszurücken: Clam Gallas ſollte 
in der Richtung von Cſik Szereda auf Sepſi St. 
György, General Dyk von Fagaras aus auf der 
Straße nach Väͤſſerbely und Lüders über Mediaſch 
nach Segesvar rücken, welches er am 29. Juli ohne 
Schwertſtreich beſetzte. Die feindlichen Generale woll— 
ten Bem ins Szeklerland einſperren und deſſen Ver— 
bindung mit Maros-Vaſarhely und Klauſenburg durch 
Vereinigung des Südcorps mit dem ruſſiſchen Nord— 
corps unterbrechen. Denn Grotenhjelm ſtand ba: 
mals wieder in Szäͤsz Regen. Bein griff am 31. Juli 
ungeachtet feiner geringen Macht (2400 Mann Ins 
fanterie, 250 Reiter und 12 Geſchütze), den ihm 
mehrfach überlegnen (18000 Mann und 24 Kanonen) 
General Lüders, in einer zwiſchen Segesvar und 
Köreztur wohlgewählten Poſition, nachdem er von 
Udvarhely ber einige Verſtärkung an ſich gezogen, 
mit Energie an. Lüders hatte ſeine Hauptmacht 
auf der Straße von Maros-Vaͤſärbely poſtirt, eine 
Abtheilung aber in der Richtung auf ÜUdvarhely. In 
der Front hatten die Ruſſen einen Bach, die linke 
Flanke lehnte ſich an die Kokel und die rechte an 
waldigen Abhängen, welche von mehren in Plänkler— 
rotten aufgelöſten Bataillons beſetzt waren. Um 
11 Ubr rückte Bem auf der Straße von Maros-Va⸗ 
farbely vor und bedrängte beftig das feindliche Cen— 
trum, welches, durch den Tod des General Skariatyn 
erſchüttert, zu weichen begann, ſeinen Hauptangriff 
aber in der Richtung von UÜdvarhely ber vornehmend. 
Hier batte Lüders eine ſtarke Artillerie concentrirt 
und die beftige Kanonade dauerte auf beiden Seiten 
22* 


340 


mehre Stunden, als die Ruſſen zu wanken ſchie— 
nen. Bem ließ einen Bajonetangriff auf die ruſ— 
ſiſche Infanterie verſuchen. Da ließ Lüders einen 
maſſenhaften Angriff auf Bems rechten Flügel durch 
ſeine Lanciers machen, welcher die Schlacht ent— 
ſchied. Bems Infanterie wurden geſprengt und 
gegen Kéreztur in die Flucht gejagt. Bem ſelbſt 
wurde verwundet, fiel in einen Waſſergraben, wo 
er ſich im Schlamm verbarg, ſo daß die Feinde, 
ohne ihn zu beachten, über ihn wegjagten. Die 
Ruſſen erbeuteten ſieben Kanonen, zwei Fahnen, 
eine Menge Munitions- und Packwagen, darunter 
Bems eignen Reiſewagen und in ihm den Säbel, 
welchen, einſt Rakoczy's Eigenthum, die Klauſenburger 
Bürger Bem zum Andenken geſchenkt hatten. In 
dieſem Treffen verloren wir durch die Verfolgung 
der ruſſiſchen Reiterei noch 200 Gefangene, die Ruſ— 
ſen aber hatten über 1000 Todte und Verwundete, 
unter ihnen Oberſt Skariatyn, welcher noch während 
des Kampfes ſtarb, zu beklagen. Uebrigens ſoll hier 
Ungarns erſter Dichter Petöfi Sändor, welcher als 
Adjutant Bems an der Schlacht tapfern Antheil ge— 
nommen, gefallen ſein; wenigſtens hat man über 
ſein Schickſal ſpäter nichts erfahren können. Bem 
ſelbſt machte ſich, als die Verfolgung mit Einbruch 
der Nacht aufgehört hatte, aus dem Schlamme her— 
aus und ging einſam auf Kereztur zu. In dem 
Kukuruzfelde traf er einen ſeiner Adjutanten und 
weiterhin vier Huſaren, welche ſeinen Leichnam ſuch— 
ten. Er leite ſofort nach Maros-Vaſaͤrhely, die 
Szekler unter Commando des Oberſten Dobay, wel— 


311 


chen er in ſeinen Rang wieder eingeſetzt hatte, zur 
Bewegung Udvarbely's zurücklaſſend. 

Die vom General Dyk geführte feindliche Co— 
lonne batte auf dem Wege von Fagaras nach Üdvar— 
beiv bei Reps (Köhalom) eine Abtheilung der Unſri— 
gen geſchlagen und vereinigte ſich am 1. Auguſt in 
Segesvar mit Lüders. 

Am 2. Auguſt in Maros-Vaſarhely angelangt, 
ſuchte Bem fo viele Streitkräfte, als möglich, zu con— 
centriren, fand dort eine Beſatzung von 2000 Mann 
und ſandte Kemény Farkas Befehl, mit den unter 
ihm ſtehenden Truppen, 4000 Mann Infanterie, 
800 Mann Cavalerie und 12 Geſchütze von Klauſen— 
burg berbeizueilen. Obgleich dieſer Befehl aufgefan— 
gen wurde, eilte Kemeny auf den Rath eines höhern 
Officiers ſofort nach Maros-Vaſaͤrhely, welches er 
am 2. Auguſt erreichte“). Lüders, Fagaras verlaſ— 


) Der Adjutant des Oberſten Czetz, Hauptmann Simonpyi. 
fand nach der Occupation Hermanſtadts in der Tiſchlade des 
Präfiventen des wallachiſchen Comités ein Blatt Papier, wor- 
auf in vierzehn Punkten in lateiniſcher Sprache über die fünf: 
tige Geſtaltung des Landes im politiſcher Beziehung Daten ent— 
halten waren, die wahrſcheinlich in einer der Sitzungen des 
Comités ſchon verhandelt waren oder zur Verhandlung kommen 
ſollten. Der Inhalt dieſer Notizen beſtand, jo viel ich mich er: 
innere, dem Weſentlichen nach, aus folgendem: 

1) Siebenbürgen bildet eine eigene Provinz: die romaniſche 
Wojwodſchaft betitelt, und wird durch ein romaniſches Gubernlum 
unter dem öſterreichiſchen Geſammtminiſtertum dirigirt. 

2) Die Eintheilung des Landes erfolgt, nach romanſſchem 
Brauch, in Präfecturen, Tribungle und Genturionate, ſtatt der 
Comitate, Stühle und Bezirke. Das Land der Sachſen, Ungarn 
mitbegriffen, das Szeklerland à part. 


342 


ſend, übernahm den Befehl über die in Schäsburg 
ſtehende Brigade des General Dyk und langte mit 
ihr am 4. Auguſt in Galfalva an, dort fand er aber 
die Ungarn nicht. Denn Bem hatte Damaskin mit 
dem Reſt der Biſtritzer Garniſon in Maros Väſaär⸗ 
hely zurückgelaſſen, war am 3. Auguſt über Galfalva 
mit Keménys Corps verſtärkt in Mediaſch angelangt, 
und eilte blitzſchnell, ehe es die Ruſſen merkten, am 
5. Auguſt mit 7000 Mann und 14 Kanonen auf die 
Straße nach Hermannſtadt. Lüders konnte Bem 
nicht mehr einholen, ſondern ſandte ihm 500 Koſacken 
nach, um ihn zu beobachten und rückte durch Mediaſch 
nach Viz Akna, wo er erſt am 6. Auguſt anlangte. 

Oberſt Stein, welcher beordert wurde, die Bela— 
gerung des von ihm bombardirten Carlsburg aufzu— 
geben, ſollte am 5. Auguſt bei Hermannſtadt eintreffen, 


3) Die diplomatiſche Sprache des Landtags ſei die Sprache 
der Mehrheit, alſo die romaniſche. 

4) Die Landes-Hauptreligion ſoll jene des griechiſchen nicht 
unirten Ritus, unabhängig unter einem eigenen Patriarchen ſein; 
die anderen Religionen ſind geduldet. In gemiſchten Ortſchaften 
ſoll nun die Kirche der Mehrheit, alſo meiſtens die griechifche, 
beſtehen. 

5) Die an der ſogenannten Rebellion betheiligten Ungarn 
verlieren alle ihre Güter, die Eigenthum der Romanen werden. 

6) Die minder Betheiligten ſollen von ihren Gütern nur 
eine Seſſion behalten, die übrigen werden Eigenthum ihrer frü— 
heren Unterthanen ohne weitere Entſchädigungs-Anſprüche. 

7) Die mit der Reaction Hand in Hand gehenden ungariſchen 
Edlen verlieren Nichts von ihren Gütern, allein ſie haben leinen 
Anſpruch auf Entſchaͤdigung der geſetzlich früher beſtandenen 
Yeiltungen, als des Robot, des Zehnten, der Oberherrlichkeit der 
Lehengüter ze. zu verlangen. 


— 


wäbrend Kemeny mit 1600 Mann in Maros-Vaſär⸗ 
bely zurückblieb, von wo aus er ſich nach Klauſen— 
burg begeben ſollte, um unſere Verſprengten in dieſer 
Gegend zu ſammeln. Auch Oberſt Kazinezy welcher 
mit 10,000 Mann in Nordoſt-Ungarn untbätig ſtand, 
wurde nach Siebenbürgen beordert, erſchien aber erſt, 
als die Ruſſen Klauſenburg ſchon beſetzt hatte. Bem 
ſelbſt zog am 2. Auguſt Morgens mit 7 80900 M. 
und 19 Kanonen von Maros Vaſärhely ab und traf 
am 5. Auguſt vor Hermannſtadt ein, General Has— 
ford, mit zwei Brigaden, empfing die Ungarn bei 
Viz Akna, wurde dort von Bem angegriffen und am 
3. Auguſt geſchlagen. 

Die Ruſſen zogen ſich fechtend nach Hermanns 
ſtadt zurück, beſetzten die Straßen und Häuſer mit 
Infanterie, welche ſich im Verein mit den Bürgern 
lebhaft vertheidigte. Die Ungarn konnten erſt dann 
der Stadt ſich bemächtigen, nachdem die Feinde ſämmt— 
lich niedergemacht waren. Ganze Haufen von Leichen 
bedeckten die Straßen. Die niederträchtigen Sachſen 
empfingen jetzt die Ungarn auf das Freundlichſte, 
ſtreuten ihnen Blumen und bewirtheten ſie, obſchon 
letztere recht gut wußten, was von ſolcher Freund— 
lichkeit zu halten ſei, zumal der Anblick der im Stra⸗ 
Bengefechte zum Theil eingeäſcherten Fleiſchergaſſe die 
Wuth der Bürger erregen mußte. General Hasford 
war bis Talmäcs zurückgewichen und die Ungarn be— 
zogen ein Lager vor der Stadt, zu Steins Auf⸗ 
ſuchung eine Escadron Huſaren detaſchirend, da man 
nichts von ihm erfahren hatte. 


314 


General Lüders ſtand am 6. Auguſt früh bei 
Großſcheuern mit 15 — 20,000 Mann in Schlacht— 
ordnung. Bem griff ihn um 8 Uhr mit nur ſechs 
Bataillon Infanterie, 500 Mann Cavalerie und 
18 Geſchützen an, während ſeine übrigen Truppen 
Hermannſtadt beſetzt und Hasford in Zaum hielten. 
Während der zweiſtündigen Kanonade bedrohte Bem 
den anfangs ſchwachen linken Flügel der Ruſſen; als 
dieſer aber beträchtlich verſtärkt wurde, ſuchte er den 
rechten Flügel derſelben zu umgehn. Hier war aber die 
feindliche Reiterei zu zahlreich, welche unſern umgehen— 
den linken Flügel ſprengte. Die ruſſiſchen Uhlanen 
nämlich rückten von ihrer Poſition auf dem rechten 
Flügel mit ſtarker Artillerie auf eine Anhöhe, griffen 
von dort unſeren linken Flügel und, als dieſer wich, 
auch das entblößte Centrum an, welches, ungeachtet 
ſeines heftigen Feuerns, im Verein mit dem rechten 
Flügel ſich nach Szerdahely vor der Uebermacht zu— 
rückziehen mußte. Die lebhafte Verfolgung der feind— 
lichen Cavalerie bis Grosdorf koſtete uns noch 10 Ge— 
ſchütze und 1200 Mann Gefangener. Als Hasford 
aus der ſtarken Kanonade bei Hermannſtadt ſchloß, 
daß die Hauptmacht ſich ſchlüge, griff er die Stadt 
wieder an und nur der Rückzug Bems nöthigten die 
Unſern, Hermannſtadt verlaſſend, auf Szerdahely zu— 
rückzugehn. Bei dieſer Gelegenheit, als die Ruſſen 
fechtend in die Stadt rückten, verſäumten die binter— 
liſtigen Sachſen auch hier nicht, auf die fliehenden 
Honveds aus den Fenſtern zu ſchießen, wobei der 
als Schriftſteller berühmte Freiheitskämpfer, zugleich 
ehemaliger Abgott der Sachſen, nunmehr Adjutant 


315 


Bems, Anton Kurz, in Bems eignen Wagen erſchoſ— 
ſen wurde. 

Die Arrieregarde Bems ſchlug ſich noch mit 
Hasford, während Bem ſelbſt von der feindlichen 
Uebermacht immer mehr in die Straßen zurückgedrängt 
wurde, wo nun ein gräuliches Durcheinander ent— 
ſtand. Wagen und Kanonen, welche früher nach 
Szerdahely beordert worden, aber umgekehrt waren, 
ſperrten die Gaſſen, die Truppen geriethen, von allen 
Seiten zugleich angegriffen, in Unordnung und als 
die feindliche Kavallerie die Straße nach Szerdahely 
beſetzten, fielen nicht allein alle Kanonen und viele 
unſerer Wagen in die Hände der Ruſſen, ſondern 
dieſe zerſprengten bald die Bemſche Truppenabtheilung 
nach allen Richtungen. Von der ungariſchen Arriere— 
garde retteten ſich Wenige über die Gebirge. Bem 
wurde mit Mühe den Händen der ihn umzingelnden 
Ublanen entriſſen, beſtieg den Wagen feines Arztes, 
indem ſein eigner in feindliche Hände gerathen war, 
und eilte mit 30-40 Mann, theils Officieren, theils 
Gemeinen nach Szerdahely, um von dort Szaͤsz Se— 
bes zu erreichen. Zwiſchen beiden Orten traf er 
Stein, welcher erſt durch die ihn aufſuchende Huſa— 
ren-Escadron den Befehl erhalten hatte, nach Her— 
mannſtadt zu rücken und dahin am folgenden Morgen 
aufgebrochen war. Bem übergab ihm das Commando, 
damit er die Flüchtigen ſammele, und verſprach ihm 
einige Kanonen zu ſchicken. Stein ſollte den Ruſſen 
allen möglichen Widerſtand leiſten, die Stellung bei 
Szüsz Sebes auf das Aeußerſte vertheidigen und im 
ſchlimmſten Fall ſich bei der Piskier Brücke bis auf 


346 


den letzten Mann halten. Bem ſelbſt ging nach 
Szisz Sebes und trat von dort, am 7. Auguſt, feine 
Reiſe nach Ungarn an, um daſelbſt, auf Koſſuths Ver— 
langen, den Oberbefehl über ſämmtliche Truppen zu 
übernehmen. Wir werden im Folgenden Gelegenheit 
finden, ſeine fernere Thätigkeit zu beſprechen, und 
wollen hier zuvörderſt Steins und der übrigen ſieben— 
bürgiſchen Unterbefehlshaber letzte Schickſale erzählen. 
Im Szeflerlande hatte Oberſt Gal unterdeſſen 
fortwährenden Gefechte, ſo bei Szt. György (27. Juli), 
Tusnäd (29. Juli), Käszony (31. Juli) und Nyer: 
ges (4. Auguſt) mit den Ruſſen und Oeſterreichern 
unter Clam Gallas beſtanden, in welchen letztere 
bedeutende Verluſte erlitten. Aber durch die Ueber— 
macht gedrängt, von Allen verlaſſen, ſchlug er ſich 
in einem meiſterhaften Rückzuge über die Gyergyös— 
Gebirge nach Klauſenburg durch, wo er am 8. Au— 
guſt anlangte. Clam Gallas, eilte die Poſition bei 
Maros Väſarhely zu beſetzen, um von dort aus die 
noch fortwährend mit beiſpieloſer Entſchloſſenheit ſich 
vertheidigenden Szekler zu beſiegen und die Reſerve 
der gegen Klauſenburg operirende auſtro-ruſſiſchen 
Truppen zu bilden. Grotenhjelm ſollte von Maros 
Bafarbely über Thorda nach Klauſenburg rücken und 
mit ihm ſich die von Mediaſch über Baläsfalva her— 
anrückende Brigade Dyk, ſo wie früher von Udvar— 
hely unter von Clam Gallas operirt habenden Truppen 
vereinigen. Lüders ſelbſt wollte mit der Hauptmacht 
Carlsburg entſetzen und alle drei Corps follten am 
18. Auguſt ihre betreffenden Beſtimmungsorte, Klau— 
ſenburg, Thorda und Maros Vaſärhely erreichen. 


317 


Bis zum 10. Auguſt war Lüders in Hermann 
ſtadt geblieben und ſette ſich am folgenden Tage 
gegen Szerdahely in Bewegung. Zwiſchen dieſem 
Orte und Szaäez Sebes traf er auf Steins Vorpoſten, 
welche ſich nach kurzem Gefecht auf Szasz Sebes zurück— 
gezogen. Stein hatte nämlich ſchnell ſeine Streitkräfte 
wieder geſammelt und erwartete mit ſieben Bataillon 
Infanterie, 600 Reiterei und 18 Geſchützen in einer 
Stellung auf den Szasz Sebes umgebenden Höhen den 
femidlichen Angriff. Lüders warf ſich mit mehr als 
dreifacher Uebermacht auf Stein, konnte ihn aber doch 
Anfangs nicht zum Weichen bringen. Ein Angriff 
der ruſſiſchen Cavalerie wurde durch ein mörderiſches 
Artilleriefeuer zurückgewieſen. Aber die Wucht der 
Feinde war zu ſtark. Stein zog ſich daher in beſter 
Ordnung zurück, nahm auf den Höben zwiſchen Als 
vinez und Szäs; Pian Poſition und warf dort noch— 
mals die gewaltigen Stürme der ruſſiſchen Cavalerie 
energiſch zurück. Aber mittlerweile hatten ſich 300 
Koſaken nach Sziez Pian geſchlichen und ihr Erſchei⸗ 
nen im Rücken der Ungarn brachte dieſe zum Weichen, 
während Lüders, den Augenblick benutzend, ſeine ge— 
waltigen Frontangriffe wiederholte. Doch zog ſich 
Stein unter beſtändigen Rückzugsgefechten in guter Ord— 
nung über Szäszviros und Piski nach Deva zurück. 
Dieſe Schlacht hatten beiden Theilen eine Maſſe 
Menſchen gekoſtet. Lüders rückte am 14. Auguſt in 
Szaszväros ein und ſchob feine Vorpoſten bis Piski 
vor. Stein ſtand in dem Engpaſſe zwiſchen Deva 
und Dobra beim Dorfe Lesnek, als Bem wieder in 
Siebenbürgen anlangte. 


318 


Am 11. Auguſt hatte die Carlsburger Garnifon 
einen Ausfall auf das ſchwache Cernirungscorps ge— 
macht, gegen Maros Portus und drängte dieſe kleine 
Truppenabtheilung nach verzweifelter Gegenwehr über 
Borberek bis zu den Höhen bei Sibot (Balamir.) 

Am 12. Auguſt wurden bei Segesvar, welches 
noch in unſeren Händen ſich befand, die ungariſchen 
Truppen geſchlagen und zogen ſich bis Balames (2) zu— 
rück. (Wahrſcheinlich die Beſatzung von Maros — 
ſärhely unter Damaskin.) 

Lüders wollte nun an der Maros entlang — 
Ungarn marſchiren, während Grotenhjelm zu glei— 
cher Zeit Klauſenburg nehmen und auf Großwardein 
ziehn ſollte. Grotenjelm rückte am 14. Auguſt von 
Klein Czég gegen Klauſenburg vor und fein Avant— 
garde erlitt bei Moes durch die ungariſchen Truppen 
noch einen Verluſt. An demſelben Tage wurde Klau— 
ſenburg von den Unſeren verlaſſen, welche ſich nach 
Bänfi Hunyad zurückzogen. Grotenhjelm beſetzte Klaus 
ſenburg am 15. Auguſt, und forderte Bänfi Hunyad 
auf, ſich zu ergeben. Dyk beſetzte Thorda. Die Baͤnfi 
Hunyader verweigerten die Uebergabe, ſchlugen Urban, 
welcher gegen ſie geſchickt wurde, am 17. Auguſt auf's 
Haupt, indem es letzteren nicht einmal vergönnt ſein 
ſollte, ſeine früher hier erlittne ſchmähliche Nieder— 
lage auf Koſten der demoraliſirten ungariſchen Armee 
zu ſühnen. Das Corps zog ſich auf Sibé zurück, 
und ſtreckte fpäter zum Theil mit dem Kaczinskiſchen 
Corps vor den Ruſſen die Waffen, zum Theil ver— 
lor es ſich in die Wald ſchluchten der Marmoros. Auch 


3419 


ergab ſich den in Klauſenburg ſtehenden Ruſſen die 
in Gyalu befindliche Abtheilung der Ungarn. 

Werfen wir jetzt, ebe wir das Ende der Sie— 
benbürger Armee berichten, einen Blick auf den ſüd— 
oͤſtlichen Winkel Ungarns, in den ſich die ganze Hoff— 
nung des Vaterlandes geflüchtet hatte. 

Wir wiſſen recht gut, daß die nun folgende 
Schlußerzäblung nicht eigentlich zur Geſchichte des 
Siebenbürger Feldzugs gehört, indeſſen wir fühlten 
die Verpflichtung, theils das Bild Bems, ſo weit 
möglich, in allen ſeinen Zügen vollſtändig dem Leſer 
vorzufübren, theils denjenigen Daten bier einen Platz 
zu gönnen, in welchen die Mitwirkung eines Theiles 
der Siebenbürger Armee nicht zu verkennen iſt. Es 
möge noch bemerkt werden, daß bei dem Nachfolgen— 
den theils „Szilagyi letzte Tage,“ theils die officielle 
„Esquiſſe,“ theils „Pataky's Bem in Siebenbürgen,“ 
theils mündliche Mittheilungen bewährter Augenzeu— 
gen gewiſſenhaft benutzt ſind. 

Am 8. Auguſt Morgens traf Bem in Lugos 
ein, fand dort den Finanzminiſter Duſchek mit dem 
Staatsſchatze und der Banknotenpreſſe, ſo wie viele 
Regierungsbeamte, welche aus Arad, wo ſich Koſſuth 
nebſt einigen Miniſtern und Deputirten noch befinden 
ſollte, entfloben waren. Bem ſollte das Commando 
über die noch unter Dembinski ftebende Armee, welche 
ſich bei Temesvar befand, übernehmen. In Lugos 
ereignete ſich indeſſen ein Zwiſchenvorfall, welcher 
der Erwähnung werth iſt und der, wenn er früher 
angebahnt wäre, dem Vaterlande unendliches Unglück 
erſpart haben würde. Es iſt dies die Unterhandlung 


330 


mit den wallachiſchen Führern, namentlich mit Janku, 
welche von Sendlingen aus der Wallachei eifrigſt 
gefördert wurde. Schon früher hatte man gedacht, 
die Wallachen zu amneſtiren und ſich mit ihnen und 
ihren Brüdern in der eigentlichen Wallachey gegen 
Rußland zu verbünden. Namentlich ſollte Janku mit 
ſeinen Schaaren, da das Andenken an die von ihnen 
in der Heimath verübten Gräuel ihr friedliches Dort— 
bleiben verhinderte, in die Wallachey ziehen und von 
dort aus eine Diverſion gegen die Ruſſen unterneh— 
men. Janku hatte für ſich das ungariſche Generals— 
patent, die Befugniß, ſeine Officiere (welche mit den 
ungariſchen im Range gleichſtehen ſollten) ſelbſt zu 
ernennen und die Unabhängigkeit im Commando vers 
langt. Trotz der Abmahnungen Bems, fügte ſich jetzt, 
wo es offenbar zu ſpät war, die Regierung dieſem 
Anſinnen; Bem mußte Janku zum General ernennen, 
und beorderte ihn nach Facſét. Allein die wallachi— 
ſchen Oberhäupter, obgleich ſie wußten, wie wenig 
ſie von der ruſſiſchen und öſterreichiſchen Regierung 
für ihre Nationalität zu hoffen hatten, trauten dem 
ungariſchen Sterne nicht mehr und der in Lugos ab— 
geſchloſſne Tractat blieb unerfüllt. 

Am 8. Auguſt Abends traf Bem in Röäkas, drei 
Stunden von Temesvär ein. In einem dort gehalt— 
nen Kriegsrathe entſchied ſich Bem dafür, den Oeſter— 
reichern eine Schlacht anzubieten, theils um ſie am 
Entſatze der höchſtens noch für acht Tage zu haltenden 
Feſtung Temesvär zu verhindern, theils um die Feinde 
zwiſchen Dembinskis und Görgeis Armee zu bringen, 
welcher bereits ſich näherte. Dieſe Anſicht trug über 


351 


die Meinung Derjenigen den Sieg davon, welche in 
Betracht der arg mitgenommen Armee die Belagerung 
der Feſtung aufgeben und die Entſcheidungsſchlacht 
noch verſchieben wollten. 

Die Ungarn ſtellten ſich alſo am 9. Auguſt Mor— 
gens in der Ebene bei Klein Beeskerek unweit Te: 
mesvar in Schlachtordnung auf. Bem, nachdem er 
bei dem Vocſeyſchen Belagerungscorps einige Anord— 
nungen getroffen hatte, begab ſich ins Centrum zu 
einer Batterie Zwölfpfünder, um von dort aus die 
mit einer lebhaften Kanonade begonnene Schlacht zu 
leiten. Der linke Flügel der Oeſterreicher ſollte an 
beiden Marosufern gegen Arad bis zur Höhe von 
Peécska und Foͤnlak rücken und eine ftarfe Colonne 
nach Vinga und Monoſtor entſenden, um den Weg 
von Temesvär nach Arad zu beobachten; das vierte 
Corps (rechter Flügel), unter Fürſt Lichtenſtein, ſollte 
von Paäszak aus ſich Hodonys und Käranys ) zu bes 
mächtigen ſuchen, um den ungariſchen linken Flügel 
zu bedrohen; im Centrum endlich ſollten die ruſſiſche 
Diviſion Paniutine, ferner die zu Lovrin voſtirte 
Cavaleriediviſion nebſt der Reſerveartillerie, wie auch 
das zu Cſatäd ftebende dritte Corps concentriſch auf 
Beeskerek marſchiren und ſich dort zum Angriff ver— 
einigen. Nachdem letzteres geſchehen war, empfingen 
die Ungarn die aus Beeskerek debouchirenden feindli— 
chen Colonnen durch ein lebhaftes Artilleriefeuer aus 
ibren hinter den ihre Front deckenden Bache aufge— 
ſtellten Geſchützen. Zugleich verſuchten die ungariſchen 
Huſaren die Kaiſerlichen zu überflügeln, und es ge— 


*) Merfivorf. 


352 


lang ihnen den linken Flügel der letztern zu erſchüttern, 
ſo daß die Diviſion Paniutine und die Reſerveartillerie 
zur Unterſtützung vorgehn mußten. Da ereignete ſich 
ein Fall, welcher entweder dem Verrathe oder einem 
Mißverſtändniß beizumeſſen iſt: die ungariſche Reſer— 
vemunition war noch vor Beginn der Schlacht nach 
Arad beordert worden und folglich im dringendſten 
Momente nicht zur Stelle. Das ungariſche Geſchütz 
verſtummte. Als nun zu gleicher Zeit auf den rech— 
ten Flügel die Cavalerie-Brigade Lederer, auf den 
linken die von Simbſchen vordrang, das öſtreichiſche 
Centrum vorwärts drängte und Fürſt Lichtenſtein den 
ungariſchen rechten Flügel zu umgeben drohte, mußten 
die Unſern aus ihrer Stellung weichen, das von 
ihnen beſetzte hinter Bereszö belegene Holz räu— 
men und ſich nach Lugos zurückziehen. Den Rückzug 
deckte das Véczeyſche Belagerungscorps, welches an 
der Schlacht keinen Theil genommen hatte. Trotz 
der Ermüdung der Ungarn, verloren ſie an Kabine 
nicht mehr als 300 Mann. 

Bem war in der Schlacht vom Pferde geſtürzt, 
hatte ſich den Arm gequetſcht, und war durch einen 
Kartätſchenſchuß leicht am Kopfe verwundet worden. 
Er ging in der Nacht nach Rékas; in der Armee 
hieß es aber, er babe den Arm gebrochen und jet 
ſchwer verwundet, was natürlich die Ungarn noch 
mehr entmuthigte. Dies Gerücht beugte die Hoff— 
nungen Koſſuth's und trug viel dazu bei, daß er den 
Anmaßungen Görgei's nachgab. In Räkas herrſchte, 
vorzüglich durch das Getümmel der Flüchtlinge und 
durch das Feſtfahren unzähliger Bagagewagen eine 


353 


aränzenlofe Verwirrung, die Armee bewegte ſich in 
chaotiſcher Unordnung durch die Gaſſen der Stadt, 
welche noch durch die Wagen vieler Flüchtlinge aus 
den umliegenden Ortſchaften vermehrt wurde. Die 
Generale Dembinski, Mesziros, Perczel, Viſoky 
dankten ab und flüchteten gegen die türkiſche Grenze. 

Bem verlor doch den Kopf nicht, als Alle zag— 
ten, ſondern war auf die Sammlung und Reorgani— 
ſation des Heeres bedacht, wobei ihm ſein General— 
ſtabschef, der wackere Guyon, unterſtützte. Die 
Hauptſorge am 10. Auguſt war, Sold und Lebens— 
mittel für die Truppen zu erhalten, denn die Bank— 
notenpreſſe arbeitete ſchon ſeit ſechs Wochen nicht mehr 
und das Mittel der Requiſition von Lebensmitteln im 
befreundeten Lande war ein trauriges und verderbliches 
Auskunftsmittel. Mittlerweile langte eine Depeſche 
an, in welcher Bem von Koſſuth dringend aufge— 
ferdert wurde, nach Arad zu eilen. Bem meinte in 
ſeiner ſofort ertheilten Antwort: „Die Lage der Dinge 
ſei nicht fo ſchlunm, wie man denke, die Reorgani— 
ſation des Heeres nehme raſchen Fortgang, ſeine 
Verwundung ſei unbedeutend, der Verluſt der Ungarn 
gering, der von den Kaiſerlichen errungene Vortheil 
nicht groß und gar nicht entſcheidend.“ Zugleich ver— 
ſprach Bem, nach Arad kommen zu wollen. Dieſe 
Antwort, welche die Abdankung Koſſuths gewiß ver— 
zögert und ihm Muth eingeflößt haben würde, ge— 
langte gar nicht an ihre Beſtimmung. 

Nachdem Bem noch an demſelben Tage Einiges 
in Lugos angeordnet hatte, ging er am 10. Auguſt 
ſpaͤt Abends auf Nebenwegen nach Arad ab, und 

23 


354 


kam erſt am 12. um 11 Uhr Vormittags nach Radna, 
wo ihm die über ſein Erſcheinen ſtaunenden Bewoh— 
ner die Abdankung Koſſuth's und die Dictatur 
Görgei's mittheilten. Koſſuth ſelbſt war die Nacht 
zuvor durch Radna gereiſt. Da blieb Bem nichts 
Anderes übrig, als nach Lugos zu ſeinen Truppen 
zurückzukehren, wo er den 13. Morgens ankam. 
Görgei war nach Bilägos gezogen und Koſſuth hatte 
ſich über Lugos nach Orſowa begeben. Au 43. und 
14. Auguſt marſchirte Bem's Armee nach Faeſet, 
während Kmety nach Karanſebes rückte, um die Ber: 
bindung mit der Türkei und Siebenbürgen durch den 
Eiſern-Thorpaß frei zu erhalten. Kaum hatten ſich 
Bem und Guyon in Bewegung geſetzt, als die 
Oeſterreicher, 80,000 Mann ſtark, vorwärts drangen, 
was Bem veranlaßte, Dembinski zur Deckung ſeines 
Rückzuges aufzufordern. Als dieſer nicht gehorchte 
(ſiehe fein Schreiben bei Szilägyi letzte Tage, p. 100) 
warf ſich Kméty mit 3000 Mann in Lugos den 
Oeſterreichern entgegen. Im Verzweiflungskampfe 
in und vor Lugos hielt er einen halben Tag die 
ganze öſterreichiſche Armee auf und mit gänzlicher 
Vernichtung ſeiner Kerntruppen, welche ihren An— 
führer vergötterten, erreichte er ſeinen Zweck. Er 
ſelbſt rettete ſich auf Nebenwegen in Civilkleidern über 
die türkiſche Grenze. Guyon ſollte am folgenden 
Tage mit der Arrieregarde von Lugos aus dem 
Heere folgen. Bem ſchrieb von Lugos aus am 
14. Auguſt an Koſſuth nach Orſowa, machte ihm 
Vorwürfe über die Abgabe der Gewalt, erklärte, daß 
er keinen Diktator und überhaupt keine andere rechts 


3 
mäßige Gewalt, als die von den ungarischen Reprä⸗ 
ſentanten eingeſetzte, anerkennen werde. 

Bem wollte mit oder ohne Goͤrgei, welchen er 
dazu aufforderte, nach Siebenbürgen gehen, dort den 
Vertheidigungskrieg bis zum Aeußerſten fortſetzen und 
forderte auch Koſſuth auf, ihm zu folgen. Die Ant— 
wort Koſſuths ward aber von den Oeſterreichern 
aufgefangen und gelangte gar nicht an Bem. Sie 
findet ſich in „Szilägyi die letzten Tage der ungari— 
ſchen Revolution p. 98.“ 

Unterdeſſen verbreitete ſich das Gerücht von 
Goörgei's Capitulation und ungeachtet die Exminiſter 
Kaſimir Battbyanyi und Szemere demſelben durch 
Placate widerſprachen, hieß es bald in Lugos, Görgei 
habe mit Rußland ſich gegen Oeſterreich verbündet, 
den Fürſten von Leuchtenberg zum conjtitutionellen 
ungariſchen König beſtimmt und bewirkt, daß die 
ungariſche Armee in ruſſiſchen Sold treten könne. 
Andere glaubten wieder, daß Rußland insgeheim die 
Gültigkeit des ungariſchen Papiergeldes, eine Amneſtie 
für die Armee und Beibehaltung des Grades für die 
Officiere garantirt habe. Auch das trug weſentlich 
zur Verwirrung und Rathloſigkeit im Heere bei. 

In der Nacht vom 14. auf dem 15. Auguſt 
benachrichtete Fürſt Lichtenſtein den General Guyon 
von Goͤrgei's Waffenſtreckung und forderte ihn auf, 
dieſem Beiſpiel zu folgen, in welchem Falle er ſich 
für feine Begnadigung verwenden wolle. Guyvon 
antwortete ablehnend, ſeine Bereitwilligkeit erklärend, 
nur auf Grund der vom Könige Ungarns im Jahre 
1818 ſanctionirten Geſetze unterhandeln zu wollen, 

23 * 


356 


was Bem, welcher am 15. Auguſt beide Aktenſtücke 
in Facſét veröffentlichte, vollkommen billigte. Da 
entſtanden in Vécſey's Corps, dem beſtgeordneten 
von allen, Berathungen unter den Officieren, ob es 
nicht beſſer ſei, ſich zu ergeben, und an den von 
Görgei erlangten günſtigen (!) Bedingungen Theil 
zu nehmen, ſtatt das erſichtlich hoffnungsloſe (2) 
Blutvergießen weiter fortzuſetzen. Bem rieth lebhaft 
von einem ſolchen Schritte ab, die Ergebung Görgeis 
als auf Gnade und Ungnade geſchehen bezeichnend, 
und legte feinen ferneren Operationsplan vor; allein 
am Morgen des 16. Auguſt marſchirte Vécſey mit 
feinem Corps von Faeſét nach Arad, um dort die 
Waffen zu ſtrecken — der Unglückliche, er büßte dieſe 
Täuſchung den 6. October an dem von Goöͤrgei er— 
bauten Galgen! 

Nun griff die Demoraliſation in dem bei Lugos 
ſtehenden Heere immer weiter um ſich; Bem aber 
ging mit den Ueberreſten deſſelben nach Dobra, wo 
er am 16. Auguſt anlangte, und daſelbſt die Reſte 
des Stein'ſchen Corps antraf. 

Bem war ſehr erzürnt, daß Stein die Brücke 
bei Piski nicht behauptet und ſelbſt Déva aufgegeben 
habe. Allein dies Schloß war durch die unvorſichtige, 
oder verrätheriſche Behandlung einer alten Mine mit 
100 Honveds in die Luft geſprengt worden und bei 
Lesnek erfuhr Bem den traurigen Zuſtand der Sie— 
benbürger Armee. Stein, ein tüchtiger Offieier, war 
bei der Armee ſehr unpopulair und galt ſogar 
Manchem, obgleich ganz grundlos, als Verräther. 
Unter feinen Truppen griff die Inſubordination fo , 


122 


um ſich, daß Niemand mehr unter ſeinem Befehl 
kämpfen wollte. Wem rief in Lesnek die Oberoffi— 
ciere zuſammen, erzählte ihnen den Verrath Görgei's, 
ſuchte ihnen Muth und Zuverſicht einzuflößen und 
ernannte Oberſt Beke zum Befehlshaber des Corps. 
Unterdeſſen zogen die von Kacjet anrückenden Trup— 
ven nach Dobra und ihr Beiſpiel riß alle Andern 
zur Deſertion in Maſſe fort, indem ſie den Glauben 
verbreiteten, der Friede ſei abgeſchloſſen und man 
wolle ſie unnützer Weiſe von der Heimath entfernt 
balten. Natürlich wurden die Meiſten von den 
Streifpatrouillen der Oeſterreicher gefangen und aſ— 
ſentirt, andere von den Mozen beraubt und gemordet. 

Am 17. Auguſt überzeugte ſich Bem, daß mit 
den demoraliſirten Reſten der einſt ſo wohlgeordneten 
Armee nichts Anderes zu erreichen ſei, als der Rück— 
zug in die Türkei, wohin man ſich aber den Weg 
durch die den Engpaß bei Deva ſchließenden ruſſi— 
ſchen Colonnen bahnen mußte. Ein zuverläſſiger 
Officier mit 4 Kanonen ſollte den Rückzug der Un— 
garn vor den nachdrängenden Oeſterreichern ſchützen. 
Die Armee, kaum noch 6000 Mann ſtark, brach gegen 
die in Déva ſtehenden 25,000 Ruſſen auf, entſchloſ— 
ſen, ſich durchzuſchlagen. Die Ruſſen wichen von 
Deva zurück, eingeſchüchtert durch das energiſche 
Auftreten Bem's gegenüber einen ihm geſandten 
Parlamentair und am 18. Auguſt Morgens rückten 
die Ungarn in Déva ein. Die Ruſſen unter Lüders 
boten nun einen 24jtündigen Waffenſtillſtand an, 
welcher gewährt wurde. Als aber der in Dobra 
zur Deckung des Rückzugs gegen die Oeſterreicher 


358 


zurückgelaſſene Officier meldete, daß ihm alle feine 
Leute, bis auf 9 Mann, deſertirt ſeien, wurde Bem 
inne, daß an ein Entkommen für die demoraliſirte 
Armee nicht zu denken ſei. Bem ſtellte ſich in Deva 
mitten auf die Straße, bat, befahl, beſchwor die 
Honveds, ſich an ihn anzuſchließen und lieber mit 
ihm im ehrenvollen Kampfe zu fallen, als durch 
öſterreichiſche Söldner hängen zu laſſen. Alles ver— 
gebens; die Entmuthigung war zu groß, die Auflö— 
ſung zu allgemein, kein Gott hätte die Armee zuſam— 
menhalten können! Da übergab er das Commando 
an Oberſt Beke, welcher nach abgelaufenem Waffen— 
ſtillſtande kapituliren ſollte und beſchloß über Ruszberg 
auf einem Gebirgswege die türkiſche Grenze zu ſuchen. 
Herzbrechend war der Anblick, als im letzten Augen— 
blicke 10 Officiere des 37. Honvedbataillons mit der 
Fahne zu Bem kamen und ſprachen: „Veéeſey hat die 
Waffen geſtreckt, unſere Leute ſind auseinanderge— 
gangen; wir haben dies heilige Pfand der Ehre ge— 
rettet und wollen es, unter Ihrer Führung, General, 
zur Todtenfeier auf das Schlachtfeld tragen“! Unter 
Thränen umarmte die Braven der greiſe Feldherr. 
Beke ſtreckte bei Piski die Waffen vor Lüders — 
ſonderbare Fügung des Schickſals! Von Sibo und 
Banfi Hunyad ging der Ruhm der Siebenbürger 
Armee aus, erreichte bei Piski ſeinen höchſten Glanz 
und gerade da mußten die edlen Krieger die Waffen 
ſtrecken. 0 vanitas rerum! — Am 19. Auguſt Mit⸗ 
tags, fuhr Bem mit Guyon und 20 Officieren, unter 
Geleit von 2 Compagnien Elite und einigen Hundert 
Palatinalbufaren nach Lesnek, wo er Stein antraf. 


350 


Dort beſtieg er ein Pferd, nahm ſein kleines leinenes, 
mit feinen Habſeligkeiten gefülltes, Päckchen zu ſich, 
und zog, ohne einen Kreuzer Geld, auf Gebirgspfaden 
über die türkiſche Grenze. Die bei Deva unter 
Läzär ftebenden Truppen unterwarfen ſich dem Ge— 
neral Simbſchen, welchem Beiſpiele das Hatszeger 
Corps folgte. — Es gab keine ungariſche Armee mehr. 
Finis Hungariae! 


Obgleich die Acten über die ungariſche Revolu— 
tion und zumal über die letzte Kataſtrophe noch lange 
nicht als geſchloſſen anzufeben find und wir unſere 
Erzäblung auch nur als einen weitern Beitrag, kei— 
nesweges aber als eine abgeſchloſſene Geſchichte Sie— 
benbürgens in dieſer Epoche betrachten, ſo drängt 
ſich uns doch die Frage unwillkürlich auf: Wie kam 
es, daß das Genie Bem's ein Land, welches er mit 
6 bis 8000 Mann unfertiger Truppen glorreich er— 
oberte, mit einer tüchtigen Armee von 25,900 Mann 
nicht zu behaupten vermochte? Hier wirkten politiſche 
und militairiſche Fehler zuſammen. Ein politiſcher 
Fehler war es, daß die Regierung ihr Reduit, Sie— 
ben bürgen, nicht mehr im Auge behielt, daß fie Bem 
nicht kräftiger in deſſen Behauptung unterſtützte. Die 
Wallachen mußten um jeden Preis gebändigt und 
entwaffnet, Carlsburg, der Stützpunkt öſterreichiſcher, 
ſächſiſcher und wallachiſcher Beſtrebungen, jedenfalls 
erobert, Sachſen und Wallochen mußten erſt entwaff— 


360 


net und dann durch Amneſtie und Ertheilung 
volksthümlicher Inſtitutionen unſchädlich gemacht wer— 
den, ehe man Bem mit dem Kern ſeiner Truppen 
ins Bannat rief. Denn ſo ließ man nicht allein 
ein widerſtandsfähiges und dazu bereites Volk zurück, 
ſondern entblößte auch Siebenbürgen von tüchtig ge— 
ſchulten Kräften, deren es zu ſeiner eigenen Verthei— 
digung noch nothwendig bedurfte. Hier bedurfte es 
einer langen einheitlichen, zugleich milde, gerecht und 
energiſch wirkenden, Militair-Dictatur. Als nun der 
Hauptangriff abſeiten der vereinigten Ruſſen und 
Oeſterreicher erfolgte, fehlte es an Zeit und Material 
tüchtige Widerſtandskräfte auszubilden. Die Szekler— 
Rekruten beſaßen freilich Muth, aber keine Disciplin, 
und mit Lanzen vertreibt man keine geregelte Ueber— 
macht. Auch hatte Bem Mangel an Cavalerie, deren 
Werth er im Anfang ſelbſt wohl zu niedrig anſchlug; 
denn was vermögen 2000 ungeübte Reiter gegen 
12 bis 15,000? Man hätte überdies im Lande vor 
Allem die ſchwierige Vertheidigung der Päſſe ſichern 
ſollen, deren es außer dem Rothen-Thurm, dem 
Tömöſer, Tölgyeſer oder Ojtoſer und Borgoer 
noch eine Menge kleinerer gab. Denn war ein 
Paß verloren, ſo erſchien der übermächtige Feind den 
Vertheidigern im Rücken und vermochte die ſchwachen 
ungariſchen Corps einzeln aufzureiben. Das Unglück 
wollte, daß, kurzſichtig genug, die ungariſche Regierung 
bis zum letzten Augenblick, nicht an eine ernſthafte 
Müwirkung der Ruſſen, von den Donaufürſtenthü— 
mern aus, glaubte und ſelbſt dieſen Unglauben gegen 
Bem und feine Unterbefeblsbaber zuverſichtlich aus 


361 


ſprach. So meinte man nur mit den demoraliſirten 
Oeſterreichern zu ſchaffen zu haben und gegen dieſe 
waren die getroffenen Anſtalten allerdings ganz ge— 
nügend. Als nun die Ruſſen zugleich den Tömöſer 
und Borgoer Paß forcirten, während Bem mit der 
Organiſation feiner Reſerven in Maros-Vaſarhely 
beſchaͤftigt war, verwandelte ſich der an Tollkühnbeit 
ſtreifende Angriffsmuth der Szekler nach den erſten 
Schlappen in Niedergeſchlagenheit und Unluſt. We— 
der Gal noch Dobay waren im Stande, die herein— 
brechende Demoraliſation zu hemmen: Bem allein, 
welcher doch nicht überall ſein konnte, vermochte dies. 
Wo er erſchien, da erwachte die alte Begeiſterung 
und Todesverachtung wieder und Siegeshoffnung 
zog ein in die Gemüther der jungen Szekler, aber 
nur ſo lange Bem's Gegenwart dauerte. Mußte er 
zu einem andern Corps eilen, ſo ſank den Verlaſſenen 
auf's Neue der Muth und die alten tüchtigen Unter— 
befehlshaber waren nicht mehr zur Stelle, ſondern 
durch andere, minderfäbige, erſetzt. Hinzu kam, daß 
die Ruſſen Haromſzek das Bollwerk der Szeklerfrei— 
heit ſchmählich verwüſteten, während die Oeſterreicher 
mit ibrem Gold, eine ſeltne Erſcheinung im armen 
Gebirgslande, die zurückgebliebenen Szekler zu bewe— 
gen ſuchten, ihre Sohne und Verwandten aus der 
Bem'ſchen Armee, deren Lage man als hoffnungslos 
ſchilderte, abzurufen. Als nun Bem, ſeit der Affaire 
bei Schäsburg, beſtändig unterlag, entliefen die Szek— 
ler ſchaarenweiſe und verbargen ſich und ihre Waffen 
in die heimathlichen Wälder. Seit Schäsburg und 
Szeredfaͤlva war Siebenbürgen verloren und Alles 


362 


Folgende trug nur den Charakter eines hoffnungslo— 
ſen, verzweiflungsvollen Vertheidigungskampfes. Man 
muß hier die Energie und Zähigkeit des Bem'ſchen 
Charakters bewundern, ſeinen Hannibalshaß gegen 
die Ruſſen und ähnliche Despoten; man muß es 
ehren, daß durch jede trübe Wolke des Mißgeſchicks 
dem Auge des gereiften Mannes das Sehnſuchtsbild 
des freilich geſtorbenen, aber dereinſt wieder erwa— 
chenden Polen, entgegen blickte. Solcher Erſcheinun— 
gen zählte die Geſchichte nicht viele und es fragt ſich, 
ob man Joſeph Bem nicht im gewiſſen Sinne den 
letzten Polen unſeres Jahrhunderts wird nennen 
können! | 
Das Vaterland hat gelitten, geblutet für die 
heilige Sache der freien Nationalität, aber es iſt 
nicht verblutet. Mögen auch Tauſende gefallen ſein, 
Tauſende die Kerker bevölkern, Tauſende dem Des— 
potenheeren mit Gewalt einverleibt ſein, Tauſende 
fern von der theuren Heimath ſchmachten im freiwil— 
ligen oder gezwungenen Exile; die Kraft des Volkes 
iſt ungebrochen und ſobald der junge Tag den 
Himmel röthet, werden mit dem erſten Hahnenrufe 
aus dem Boden der Muttererde die geharniſchten 
Rächerſchaaren erwachſen, denn die Feinde haben 
treulich eine Drachenſaat geſäet. Dann werden die 
Jahrhunderte lang angebeteten Götzen vor den Fuß— 
tritten der Freiheitskämpfer fallen und das Wort des 
Dichters ſich wieder erfüllen: 
Einſt wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinſinkt, 
Priamus auch und das Volk des lanzenkundigen Königs! 


. 


Sechszehntes Capitel. 


Gharalteriſtil Beme und feiner Helden: Alexander Kiß, Mikes 
Kelemen, Auguſt Toth, Bethlen Gergely, Kemeny Farkas, 
Gal Sandor, Johann Banffy, Gabor Aron, Inczedy Samu, 
Riczko Ignace, Alerius Forrs, Marimilian Stein, Feleky 
Sandar. 


— — 


J. Bem. 


Bems Geburt und Antecedentien ſind der deutſchen 
Leſewelt bereits in ſo vielen wahren und falſchen Schilde— 
rungen der jüngſten Ereigniſſe in Ungarn und in ſonſtigen 
Werken aufgetiſcht worden, daß ich hier blos abſchreiben 
oder wiederholen müßte. Ich will daber verſuchen, Bem 
ſo darzuſtellen, wie er mir erſchien, und wie ich ihn im 
Laufe eines ganzen Feldzuges gefunden habe. 

Bems Erſcheinung, der äußeren Geſtalt nach, iſt 
eben nicht impoſant. Eine, im Verhältniß, mehr kleine 
Geſtalt mit zartem Gliederbau, eine polniſche, ovale 
Pbyſiognomie, die Naſe klein und aufgeſtülpt, an der 
rechten Wange eine Narbe, die ibm vom Streifen einer 
Kugel geblieben war; der Mund und die Stirne ge 
wöhnlich, graue, etwas loſe Haare auf dem Haupte, 
einen Stab in der Hand, auf den er ſich ſtützt, wenn er 
ſeinen mit drei offenen Knochenwunden bedeckten rechten 
Fuß nachſchleppt, ſein trippelnder Gang, der eine Folge 
dieſes Zuſtandes iſt: Dieß Alles zuſammengenommen, 
und einen braunen, dem erſten beſten angepaßten Hon⸗ 
ved⸗Attila darüber, giebt uns das Portrait Bems, wie 
derſelbe zum erſten Male in Szilägy Somlyß das Of: 
ficiercorps der ungariſch-ſiebenburgiſchen Armee musterte. 
Und in dieſer Erſcheinung an und für ſich, hätte wahr— 


364 


lich Keiner von uns den Helden gefucht, der uns fpäter 
von Sieg zu Sieg führte, und uns die Geheimniſſe 
der Kriegführung ſo genial enthüllte. Es bedurfte ſogar 
einer eigenen Proklamation Koſſuths, um die Armee zum 
Vertrauen auf den erprobten Helden von Oſtrolenka auf— 
zufordern. 

Als aber Bem ſein durchdringendes, feuriges Auge, 
in dem allein ſich der göttliche Funke des Genies offenbart, 
an uns vorübergleiten ließ, und in verſtändlichem, ob— 
ſchon polniſch accentuirten Deutſch ſeinen Willen kund gab, 
als er die Worte ſprach: „Meine Herren! ich fordere 
von Ihnen den ſtrengſten Gehorſam. Wer nicht gehorcht, 
wird todtgeſchoſſen. Ich werde zu belohnen, aber auch zu 
beſtrafen wiſſen. Sie können abtreten.“ Da blieben 
wir Alle erſtaunt vor dem kleinen Manne ſtehen, denn 
wir fühlten, daß wir es mit einem Manne, einem er— 
probten Soldaten, zu thun hatten, der keinen Spaß ver— 
ſteht. Eine heilſame Achtung für den Führer erwachte 
in der Armee durch den Einfluß der Offieiere und durch 
Bems erſte Armeebefehle und Anordnungen. Dieſe Ach— 
tung fteigerte ſich immer mehr, als wir die rieſenhafte, 
raſtloſe Thätigkeit ſahen, welche der kleine Mann ent— 
wickelte, und Bems Eigenheiten fingen an, unſeren Bei— 
fall zu erhalten. Zu dieſen Eigenheiten gehörte z. B. 
daß er wohl für ſeinen Generalſtab eine eigne Küche 
hielt, aber ſtets allein in ſeiner eignen Stube ſpeiſte; 
daß er ſelbſt ſehr einfach in Kleidung und Equipirung 
war, aber ſeine Umgebung gern in Glanz und Pracht 
ſah. Nur einmal, als ihm das Großkreuz des ungariſchen 
Verdienſt-Ordens in Brillanten durch eine Deputation 
des Landtags überbracht wurde, ſpeiſte er in Saͤsz Sebes 
an der Tafel feiner Officiere, und dieſe können wohl 
jenen Tag ſchwerlich vergeſſen. Es war dies ein Zeichen 
der Anerkennung, die er ſeiner Armee, ſeinen wackeren 
Söhnen zollte. Insbeſondere gefiel es uns Ungarn, daß 
Dem bei feinem ſolitairiſchen Diner, wo es nur möglich 
war, immer Champagner trank. Wir fingen an, den 


— 


ſonderbaren Mann liebzugewinnen, und als er endlich, 
wie der Sturmwind von Nagy Bänva gegen Dies 
vorrückte, und, Alles vor ſich niederwerfend, mit Blitzes— 
ſchnelle Klauſenburg wieder eroberte, dieſes uns fo tbeure 
Klauſenburg, wo fo viele unferer barrten, da hatte Bem 
unſer Vertrauen, unſer Herz gewonnen. Wir ftanden 
für ibn mit Leib und Secle ein, und was er ſprach 
und verordnete, war heilige Schrift, und Frevel wäre 
es geweſen, darüber raiſonniren zu wollen. 

Bem war im Dienſte von eiſerner Strenge, und 
ahndete jedes militairiſche Vergeben ſehr ſtreng: er forderte 
von feinen Soldaten die äußerſte Anſtrengung der Kraft, 
des Muthes und der Aufopferung, aber er ſelbſt ging 
mit dem beſten Beiſpiel voran, ſchlief in der elendeſten 
Hütte mit 30— 40 Honveds zuſammen, oder ruhte viel- 
mebr ein, zwei Stunden, und ſtudirte in der Karte, wäh— 
rend alle Uebrigen ſchliefen: er wachte ſtets für Alle, 
las die verſchiedenen Berichte ſelbſt, ſchrieb eigenhändig 
ſeine Anordnungen und ließ nur das Allgemeine und 
Unweſentliche durch feine Kanzelei beſorgen. Bems Kor: 
derungen an ſeine Untergebenen waren ſtreng, zuweilen 
überſpannt, aber ſeine Belohnungen waren auch groß, 
unerwartet, verſchwenderiſch. Nach jedem foreirten 
Marſch, den glückliche Erfolge begleiteten, nach jeder 
Schlacht, die große Mube koſtete, nach jedem Siege, 
regnete es Avancements und Gratis-Löhnungen und Gratis— 
Gagen. Aber darum konnte auch Bem verlangen, was 
er wollte, es geſchah, und, hätte Bem die Hölle ſtürmen 
wollen, wir wären ihm freudigen Mutbes in die Hölle 
gefolgt, denn wir wußten, daraus konne nur Vortheil 
für unſere gerechte Sache entſpringen; wir wußten, 
daß Bem auch da, wie überall, der Erſte in der Linie 
fein würde beim Avarcıren, und der Letzte, wenn es zum 
Rückzug kam. Bem bielt nie einen Kriegsrath, und 
dies Verfahren hatte den Vortheil, daß ſeine Pläne 
nie verrathen wurden, da ſie Niemand kannte. Nur 
dann und wann, in mißlichen Umſtänden, befragte er 


366 


den Oberſten Czetz, der mit dem Kriegsſchauplatz, den 
Verhältniſſen des Landes, den Sitten und Gebräuchen 
der verſchiedenen Volksſtämme bekannt war, über das, 
was zu thun war, und verſagte ſelten einer begründeten 
ehrerbietigen Vorſtellung die Beachtung. 

Dieſes Iſoliren des Feldherrn iſt wohl eine der 
beſten Eigenfchaften eines Führers, denn fie hält ihn 
vom Contact fremder Ideen frei, und erlaubt ihm, in 
ſtiller Einſamkeit ſeine Pläne frei und ſelbſtſtändig zu 
überdenken, zu erwägen und hält ſeinen moraliſchen Muth 
ungeſchwächt, ſelbſt wenn Alles um ihn her von Klein— 
muth erfaßt wird; ſie ſichert vor Verrath, der in Re— 
volutionskriegen fo häufig vorkommt, und umgiebt end— 
lich mit einer gewiſſen Glorie von Unfehlbarkeit, die 
allein vertrauensvolle Zuverſicht und blinde Ergebenheit 
gebiert, dieſen Urquell aller großer Erfolge. Nur muß 
derjenige, der ſich iſolirt, wie Bem, ſeiner Aufgabe 
auch ganz gewachſen, und ein redlicher Vertreter ſeiner 
Sache ſein. 

Bem war nicht nur groß als Soldat, er war auch 
groß als Menſch. Er war edel, großmüthig, human 
und von ſehr wohlthätigem Sinne. Wer ihn bei Der: 
mannſtadt den Tod des Oberſten Mikes Kelémen und 
ſeines Adjutanten Térey, die gefallenen Wiener Legionaire 
und Honveds bedauern geſehen hat; wer die zarte Sorg— 
falt geſehen, die er für den daſelbſt verwundeten Stabs— 
Officier Meſſéna und andre bewiefen; wer die Thränen 
in ſeinem Auge glänzen ſah, als er bei Piski über das 
todtenbedeckte Schlachtfeld ritt; wer die Beſorgniß ge— 
hört, die er bei Hermannſtadt für einen höheren Offieier 
äußerte, als dieſer, im Abenddunkel für längere Zeit 
von ihm abweſend, den Kampf bei den Verſchanzungen 
geleitet, die väterliche Aengſtlichkeit, mit der er Adju— 
tanten und Galopins zu deſſen Aufſuchung entſendete, 
und die Freude, die er bei deſſen Wiedererſcheinen be— 
zeugte, der wird in Bem den edlen hochherzigen Menſchen 
bewundern und lieben. Wer endlich ſein politiſches 


367 


Wirken in Siebenburgen, fein Verfahren gegen Sachſen 
und Wallachen und gegen beſiegte Kaiſerliche betrachtet, 
muß der nicht mit Staunen Bewunderung zollen der 
Großmutb und der Humanität dieſes erhabenen Freiheits— 
belden? Bem war in der Regel ernſt und kalt, kurz 
und bundig im Befeblen, und was er einmal ausgeſpro— 
chen, bielt er getreu dem Buchſtaben nach. So hatten 
zwei Wachtmeiſter von Koburg-Huſaren einſt auf dem 
Marſche von Maros-Väſärbely nach Schäsburg ſich 
eines Subordinations-Vergebens gegen ihren Rittmeiſter 
ſchuldig gemacht. Bem ließ ſie vor ein Kriegsgericht 
ſtellen, und dieſes verurtheilte ſie zum Tode durch Pul⸗ 
ver und Blei. Bem beſtätigte das Urtheil, und befahl 
die Execution an dem Tage, als die Armee gegen Her: 
mannſtadt aufbrach. Auf dem Marſche ließ er die 
Truppen halten, Carrée formiren, und den Delinquenten 
das Urtheil publiciren. 

Dem öfterreichifchen Dienſtgebrauch gemäß, kamen 
zwei Kameraden, für ſie zu bitten. Bem ſprach: „Kein 
Pardon!“ Hierauf kamen zwei Officiere der Escadron 
und baten gleichfalls, da die Leute ausgezeichnet brav 
und der Rittmeiſter in der Sache ſelbſt ſchuldig war. 
Bem fragte den Oberſt Czetz, ob dieß Gebrauch, oder 
erlaubt wäre? Und erſt als dieſer bejahte, ſah er den 
Officieren die bereits verhängte Arretirung nach. Auch 
Oberſt Alexander Kiß, der Tapferſte der Tapfern, bat 
für die Verurtheilten. Bem blieb unerbittlich, und das 
Per of wurde vollzogen. Ja Bem, nahm es Kiß fogar 
übel, daß er ſich in dieſe Angelegenheit gemengt. Ich 
ſage, Bem war ſtreng; aber nicht grauſam, denn dieſe 
Execution, und den Fall ausgenommen, als er bei der 
Retraite von Müblenbach einen Unterofficier, der nicht 
weiter geben wollte, stante pede erſchießen ließ, kam 
kein Fall von Execution vor. Bem wußte aber immer 
Zeit und Ort für eremplarıfche Beſtrafungen zu wählen, 
und dieß wirkte. Dieß machte ſeine Armee aus regel— 
loſen Haufen fo wohl disciplinirt, und von gutem mili- 


368 


tairiſchen Geiſt befeelt. Dieſelbe Maxime beobachtete er 
in den Belohnungen. Gewöhnlich avaneirte er die Offi— 
ciere auf dem Schlachtfelde, oder unmittelbar nach einer 
Affaire, und dabei ohne Rückſicht auf Anteeedentien. 
Daher die blinde Ergebenheit und die fanatiſche Liebe 
zu Bem, das grenzenloſe Vertrauen in den greiſen 
Führer. Bem war in Kleidung und Lebensart einfach. 
Er bezog nie eine Gage, ſondern ſchenkte alles Geld, 
was ihm zukam, ſeinen Soldaten, oder den armen vor— 
ſpannleiſtenden Landbewohnern. Ueberhaupt erſetzte er 
jeden Schaden, und jede Lieferung, ſo lange und ſo oft 
nur Geld in der Kaſſe war. Bem hatte daher auch nie 
einen Kreuzer Geld, und auf dem berühmten Rückzuge 
hatte der Verfaſſer das Glück, die gerettete Baarſchaft 
mit ihm zu theilen, und Oberſt Bethlen verſah ihm mit 
Wäſche in Déva. Ueberhaupt ſorgten ſeine Adjutan— 
ten für ſein Equipement, und er hatte ſtets eine kin— 
diſche Freude, wenn man ihm einen neuen Attila oder 
ein Paar neue Hoſen brachte. Er trug während des 
ganzen Feldzugs in Siebenbürgen nur einen Rock und 
einen Mantel, dieſen berühmten groben Honved-Mantel, 
in dem wohl 8— 10 Kleingewehrkugeln ihre Spuren 
zurückgelaſſen haben mochten, aber nicht mehr, und erhielt 
erſt nach beendigter Eroberung Siebenbürgens eine Ge— 
nerals-Uniform; überhaupt gefiel er ſich nach dem Ba— 
nater-Feldzug in ſauberer Uniform und netter Erſchei— 
nung, was ſeinen Grund mitunter auch darin hatte, 
daß er ein ſo großes Werk vollführt, und in Mehadia 
durch einige Bäder feinen fatiguirten Körper gekräftigt 
hatte. Seine Offieiere ſah er übrigens mit Wohlgefallen 
ſchmuck und fein einhergehen. Insbeſondere hatte er 
Sorge für die Truppen-Commandanten, ſeine Oberſte, 
welche er als ſeine Marſchälle betrachtete. Dieſe alle 
ſollten ihre eigene Equipage, ihren Stab haben, und 
von den Plackereien des gewöhnlichen Dienſtes möglichſt 
verſchont bleiben, und deſto mehr Zeit behalten ſich der 
höheren Taktik und Strategie zu widmen. Dagegen 


369 


erwartete er von ihnen, daß fie, wenn er ihnen 
ein Paar Bataillons, einige Escadronen und Bat⸗ 
terien angewieſen, damit die ihnen geſtellten Aufgaben 
jederzeit glänzend loſen würden. Er ward hierin auch 
nur telten getauſcht. Den Umgang mit dem Civil mied 
Bem moͤglichſt, und nichts war ihm unwillkommner, 
als Couferenzen mit Regicrungs-Commiſſatren, und der 
Empfang gratulirender Deputationen. Koſſuth liebte er, 
und wollte auch in Dienſtſachen von Niemand Anderem 
Etwas wiſſen, was das Kriegsmimiſterium bäufig appre— 
bendirte. Nur, als ihm einmal Koſſuth das Geld für 
die Armee verweigert, das Kriegsmimiſterium aber in 
dem Babel der Amtirung zufällig geſchickt hatte, ſöhnte 
er ſich mit demſelben aus, und nannte Meszaros einen 
braven Mann. 

Bem war unanſehnlich von Geſtalt, aber er hatte 
eine eiſerne Conſtitution, die weder die Schneefelder 
Polens, noch die Sandwüſten Algiers zu ſchwächen ver— 
mochten, und ſeine Energie ſiegte über alle Schmerzen. 
So ließ er ſich ſeine drei offenen Wunden täglich ver— 
binden und ritt unabläffig, ohne den geringſten Schmerz, 
an Schlachttagen zwiſchen feinen Truppen umber. Nach: 
dem er den Finger verloren, trug er fortwährend den 
Arm in der Binde, und ließ ſich aufs Pferd beben, 
von dem er nicht abſtieg, bis die Affaire entſchieden 
war. Auf dem Marſche fuhr er bei der Avantgarde in 
ſeinem Wagen. 

Gegen Damen war Bem ganz der artige Franzoſe, 
zu dem ihn Temperament“) und Urſprung nebſt Er: 
ziehung ſtempelten. Damen mochten bitten, um was 
ſie wollten, es ward ihnen jedesmal gewährt, wenn es 
anders Staatsintereſſen nur halbwegs zuließen. Dabei 


») Man leſe den Brief Bems an die Gattin des Oberſten 
Grafen Mikes Kelemen, und man wird den ritterlichen Sinn 
Bems und deſſen Anerkennung jedes Verdienſtes gewiß bewundern. 


24 


370 


aber beſaß er doch eine Abneigung gegen das Frauen— 
geſchlecht, und es war ihm überall unheimlich, wo er 
es mit einer Dame vom Hauſe, und mochte ſie noch 
ſo liebenswürdig ſein, zu thun hatte. Er mied auch 
möglichſt ſolche Einquartierungen. Die Damen hin— 
gegen intereſſirten ſich ungemein für den greiſen Hel— 
den, und die von Klauſenburg ſtickten ihm eine reiche 
Chabraque, ein ganzes Kopfgeſtell für ein Schlachten— 
roß, einen Gürtel und eine prachtvolle Scheide für Ra: 
koczys Säbel, den man ihm verehrte. Er empfing alle 
dieſe Artigkeiten mit höflichem aber kaltem Dank, und 
war froh, ſich aus Klauſenburg bald entfernen zu können. 
Denn ihn feſſelte nur der Donner der Kanonen und 
das Blitzen der Gewehre, durch welches hindurch er 
immer das Bild des befreiten Polens erblickte. Dieß 
war das Ziel aller ſeiner Gedanken und Handlungen, 
die einzige Hoffnung, die er in der Bruſt hegte. Dieß 
iſt gewiß auch die Urſache feines Uebertritts zum Is— 
lam, denn hier hofft er am Eheſten Gelegenheit zu 
haben, wie Hamilkar gegen Rom, ſo er gegen Rußland 
zu fechten. 

Bem gewann während des Kampfes die Ungarn, 
insbeſondere die Szekler ſehr lieb. Dieſe, an perſönlicher 
Bravour und Todesverachtung, alle übrigen Nationen 
übertreffend, paßten gerade zu Bem, und wenn es irgend 
einen harten Strauß, auszufechten, irgend eine Schanze 
zu erſtürmen, irgend eine Batterie zu erobern galt, da 
ſagte Bem ſchmunzelnd: „Ach, die Szekler, meine jungen 
Szekler, die werden's ſchon machen!“ Und in der That, 
die Schanze ward geſtürmt, die Batterie genommen. 
Dem brauchte nur „Elöre flaim“ (Vorwärts, meine 
Söhne) zu ſagen, und der Szekler rief: „Eljen Bem 
ap“ (Es lebe Vater Bem)! und ſtürzte blind auf den 
Feind, raſch wie die Windsbraut, überall Tod und Ver— 
derben ſäend. 

Folgende zwei Anecdoten werden zeigen, wie Bem 
mit den Szeklern umzugehen pflegte. In der Affaire 


a 


* 
bei Vaiszlova hatten zwei Szekler, ganz allein, zwei 
eiſerne Kanonen erobert, nachdem der Feind durch die 
vorangegangene Wirkung des Bemſchen Geſchützes den 
Platz verlaſſen und nur ein paar Mann der Bedienungs— 
mannſchaft dabei zurückgeblieben waren, die dieſe nieder: 
machten. Bem klopfte ihnen auf die Schulter, decorirte 
fie mit dem Verdienſtorden, und ſchenkte jedem 100 Gul⸗ 
den C. M. Von dieſer Zeit an verſchworen ſich die Szekler, 
ſich gar nicht mehr in Tiraillcurgefechte einzulaſſen, 
ſondern nur gleich auf die Kanonen loszugehen, da dieß 
der Geſchichte am ſchnellſten ein Ende macht, und oben— 
drein reichlichern Lohn bringt. Und ſie haben ihr Wort 
im Banat gehalten. Bei Szäszka ward in der Nacht 
bivouaquirt. Der Regen goß in Strömen herab und 
loͤſchte die Lagerſener aus, nur in Bems Wagen brannten 
die Laternen. Bem ſaß nachdenkend, im Mantel gehüllt, 
im Wagen. Da kommt ein Szekler hin, und fängt an, 
beim Schein der Laterne ſein Gewehrſchloß mit einem 
Zipfel des Mantels zu reinigen. Dieß gefiel Bem und 
er ſchenkte ihm 5 fl. C. M. Dieſer geht weg, und 
bald darauf erſcheint ein andrer Szekler auf der andern 
Seite des Wagens, und ſieht ſich während des Putzens 
des Gewehrs ſtets nach Bem um. „Ich habe ihn aber 
nicht geſehen,“ ſagt Bem, „ſonſt hätte ich meine ganze 
Kriegskaſſe ausleeren müſſen. 

Von den Ungarn nun pflegt Bem zu ſagen: „die 
Ungarn ſind brav, tapfer, kühn, entſchloſſen, tüchtig, 
aber ſie wollen nicht ſchreiben. Rapporte machen, das 
iſt nicht ihre Sache. Sie reiſen lieber 15 Meilen, als 
daß ſie ein Wort ſchreiben mögen.“ Er liebte ſie übri— 
gens, und bielt viel auf ſie, nur apprehendirte er die 
Hufaren, weil dieſe nicht in jeder Affaire wenigſtens 
eine Batterie eroberten. Ueberhaupt forderte er von der 
Cavalerie Unmögliches, und brachte ſie durch ſeine Kreuz— 
und Querzüge ungeheuer herab. Er dachte ſich die Er: 
gänzung der Cavalerie viel leichter, als dies in der 
That der Fall iſt, und das war ein großer Irrtbum, 


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den er auch während des zweiten Theils des Feldzugs, 
mit den Ruſſen, ſchwer gebüßt hat. 

Die Polen gefielen ihm im Revolutionskriege gar 
nicht, und er organiſirte zwar polniſche Laneciers und 
Infanterie, verwendete ſie aber ſo ſelten als möglich. 
Er haßte ihren ewigen Disputati nsgeiſt. 

Gegen die beſiegten Feinde war Bem überaus hu— 
man und großmüthig. Er ließ die Verwundeten gleich 
den eigenen verpflegen, kleidete die Gefangenen, und 
gab ihnen mehr Löhnung, als ſie von Oeſterreich be— 
zogen, die Officiere durften auf Ehrenwort unangefochten 
wohnen wo ſie wollten, und erhielten ihre Gagen, Witt— 
wen ihre Penſionen, Gattinnen konnten ihren Männern 
in die Wallachey nachreiſen, wie dieß mit der Frau des 
kaiſerlichen Oberlieutenants Weſton der Fall war, welche 
von Carlsburg bis zum rothen Thurm-Paß durch Bems 
Adjutanten begleitet wurde. Und dieß Alles ohne Affecta— 
tion, ohne Prahlerei, gerade als ob es ſo und nicht 
anders geſchehen müßte. Bems Humanität entwaffnete 
ſogar den Haß der Sachſen und Wallachen, und ſie 
liebten und achteten Bem, wenigſtens war dieß beim 
Landvolk der Fall. 

So war Bem, einfach, erhaben und groß! Sein 
Genie beurkundete ſich in Allem, was er that, und ſein 
Name glänzt für alle Zeiten in der erſten Reihe der 
Helden für Freiheit und Recht. Möge Gott ihn noch 
lange erhalten, zum Wohle ſeines Vaterlandes, zum 
Glück der Menſchheit und als Hort der Civiliſation 
und der Völkerfreiheit, an dem romantiſchen Ufer des 
Bosporus. Möge er volle Kraft und Geneſung finden, 
um gerüſtet zu ſein, wenn das Geſchick ihn ruft. 

Zum Schluſſe über Bem füge ich noch bei, was 
er über Görgei mir oft im Winter 1849 wiederholte: 
„Mein junger Freund,“ ſprach er, „Görgei iſt kein 
General, denn wer von Schwechat bis Schemnitz, ohne 
einmal Stand zu halten, läuft, der verdient nicht den 
Namen General. Und dann geben Sie Acht, Görgei 


iſt ein ſchlechter Menſch.“ Bem hat leider wahr ge 
ſprochen. 


J. Oberſt Alexander Kiß. 


Alexander Kiß, früber Rittmeiſter bei den Szekler— 
Huſaren, fpäter Oberſt und Brigadier in Bems Armee, 
geziert mit dem ungariſchen Verdienſt-Orden, war, in 
mittleren Jahren, einer der ſchmuckſten Huſaren-Officiere. 
Klein, gedrungen von Natur, batte er die beſte Propor— 
tion für den Huſaren, und, wenn man ihn ſah, mit den 
feurigen, geiſtvollen Augen, dem feinen, wobl friſirten 
Schnurrbart, der netten Uniform, toujours à quatre 
epingles, da freute man ſich des wobltbuenden Eindrucks, 
den ein ſolcher Militair gewährt. Wenn man ihn aber 
dann an der Spitze einer Huſaren-Abtheilung erblickte, 
wenn er flink und gewandt fein Pferd berumtummelte; 
wenn man das feurige Blitzen dieſer Augen gewahrte, 
und die Ungeduld, die durch den ganzen Körper zuckte, 
wenn fein heißes, tbatendurftiges Blut, durch die kalte 
Berechnung der Vernunft einen Moment zurückgebalten, 
dann in ſturmiſchem Brauſen auf den Feind zujagte, 
überall der Erſte unter den Tapferſten, da ward man 
von Bewunderung und Liebe ergriffen für den jungen 
Helden. Wenn man ibn dann im Kriegsratbe hörte, 
wie klar, wie einſichtsvoll er die Lage der Dinge auf— 
zufaſſen und darzuſtellen, wie er gediegen, kenntnißreich, 
taktiſche und ſtrategiſche Dispoſitionen zu entwerfen, und 
die Chancen zu combiniren verſtand; wenn man ihn 
dann in der Burgerverfammlung zu Kronſtadt gewahrte, 
wie er die Fruchte tiefer, philoſophiſcher Forſchung dem 
ungebildeten Volke der unteren Klaſſe mundgerecht zu 
machen, die Reaction und ihre Anhänger ſcharf und 
beißend zu kritiſiren und die Menge für ſeine Anſichten 


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hinzureißen verſtand, da beugte man ſich voll Achtung 
vor ihm, und zollte ihm die Ehrfurcht, die ihm als 
Soldaten und gebildeten, denkenden Forſcher in ſo hohem 
Grade gebührte. 

Das war Kiß, der Unermündliche, der ewige Pa— 
trouilleur und Recognoscent während des Krieges, der 
geiſtreiche Staatsmann während der Ruhe. 

Hätte Kiß einen größeren Wirkungskreis gehabt, 
er wäre einer der glänzendſten Charaktere der ungariſchen 
Revolution geworden, aber es genügte ihm, in dem klein— 
ſten Kreiſe ſeine Pflicht zu thun, als Bürger und Soldat. 
Er trachtete nicht nach Ruhm und Ehren, ihn befriedigte 
das Bewußtſein erfüllter Pflicht. 

Seine Schwäche war, daß er Kronſtadt, oder viel— 
leicht Jemand in Kronſtadt zu ſehr liebte, und mit der 
Erlangung des Militair-Commandos daſelbſt alle Wünſche 
erfüllt ſah. 

Wir kennen ſein Thun und Wirken aus dem Feld— 
zuge, und können nur ſein Ende berichten. Er ſoll, nach 
öſterreichiſchen Blättern, von feinen bei Tömös erhal: 
tenen Wunden geneſen und nach Czernowiez gefangen 
abgeführt worden ſein. Hier wurde er vor das Kriegs— 
gericht geſtellt, und, da er den Tod der Schurken am 
Galgen nicht wollte, nahm er vegetabiliſches Gift. — 
Friede ſeiner Aſche! — 


III. Oberſt Mikes Kelemen. 


Ein ſchöner ſtattlicher Mann, mit graziöſen ariſto— 
kratiſchen Manieren, ein vortrefflicher, kühner Reiter, 
als Soldat guter Cavaleriſt, prächtiger Kamerad, und 
auf dem Schlachtfelde tapfer, entſchloſſen, kühn. Er war 
ehedem öͤſterreichiſcher Officier, quittirte aber den lang— 


weiligen Friedensdienſt, und ſtand ein, da ihn das Vaters 
land rief. Ihm und dem Oberſten Betblen bat es das 
Vaterland zu danken, daß das Regiment Koſſuth⸗Huſaren 
wirklich ins Leben trat; denn Berzenezey, der mit deſſen 
Organiſation beauftragt war, batte ohne dieſe Beiden 
wohl nie den Zweck erreicht. Oberſt Mikes hat ſich in 
allen Schlachten bervorgetban durch Bravour und Ge: 
ſchicklichkeit. Bem hatte ihn darum ſehr lieb gewonnen, 
und wollte ibm nach der Einnahme von Hermannſtadt 
das Commando der Siebenbürger Armee übertragen. 
Da ereilte ibn das Geſchick. Er fiel bei der erſten 
Affaire vor Hermannſtadt durch eine Kanonenkugel Man 
ließ fpäter feine Leiche noch auffuchen und in der Fa— 
miliengruft beſtatten. 


IV. Oberſt Auguſt Toth. 


Ein Mann von hohem, graziöſem Wuchs, einneh— 
menden Aeußern, feinem ariſtokratiſchen Tact und gründ— 
licher, militairiſcher und humaniſtiſcher Bildung. Von 
unbemittelten Eltern, ächt ungariſchen Blutes, abſtam— 
mend, batte er ſeine Studien in einer der militairiſchen 
Lebranſtalten Oeſterreichs mit mehr als gewöhnlichem 
Erfolg vollendet, war hierauf in die Armee getreten, 
bald zum Officier avaneirt und von der Linien-Infan⸗ 
terie, in Folge ſeiner Kenntniſſe und Verwendbarkeit, 
dem kaiſerl. öſterreichiſchen Generalſtab zugetheilt wor: 
den. Hier arbeitete er neun volle Jahre, wie ein 
Laſtthier, als einer der geſchickteſten Mappeurs und 
militairiſchen Landesbeſchreiber, und konnte es bei dem 
Kaſtenweſen dieſes Corps nicht erreichen, bei noch ſo 
glänzenden Verdienſten, in den Etat des Quartiermeiſter— 
ſtabs aufgenommen zu werden. Er ließ ſich daher als 


376 


Capitain wieder zur Linie verſetzen, und heirathete 
eine ſchöne Wienerin, gerade als die Revolution aus— 
brach. Beim ungariſchen Regimente Preußen dienend, 
kam er auf Befehl des ungariſchen Miniſteriums im 
September aus Galizien nach Ungarn, und erhielt bald 
in Folge feines bekannten Talentes und wohlverdienten 
militäriſchen Rufes die Organiſation des 31. Honveéd— 
bataillons, als deſſen Major und Chef. Dieſe vollen— 
dete er in kurzer Zeit mit bewundernswürdiger Sach— 
kenntniß, und kam mit dem Bataillon unter das Com— 
mando Bems. Was er im Feldzuge geleiſtet, iſt bekannt. 
Erwähnenswerth iſt alſo nur noch, daß er die Zeit, 
welche ihm die drängenden Ereigniſſe gönnten, zu lite— 
rariſchen Arbeiten benutzte, und in dem neuen Sieben— 
bürger Boten die gediegenſten Aufſätze über die Lage 
Ungarns in Europa nach dem 14. April erſcheinen ließ. 
Später erhielt er ein Corps, im Bannat ſchlug er, ge— 
meinſchaftlich mit General Vetter, Jelaéic bei Höreg 
und Bleskeres (?) und ward am Ende der Revolution 
von den Oeſterreichern zu 18jährigem Feſtungsarreſt in 
Eiſen verurtheilt. 

Oberſt Toth war zweifelsohne einer der erſten 
militairiſchen Capacitäten der ungariſchen Armee, und 
es war ihm vom Schickſal nur der Wirkungskreis ver— 
ſagt, der ſeinen Talenten entſprochen hätte. Er war 
ein höchſt intereſſanter, in den Augen der Klauſenburger 
Damen ſehr liebenswürdiger Mann; Republikaner aus 
Ueberzeugung, aber Ariſtokrat in den Manieren. Er 
war verſchloſſen und zurückhaltend, wähleriſch in ſeinen 
Bekanntſchaften, ehrgeizig bis zum Uebermaß, und 
dieſer Ehrgeiz ließ ihn ſogar zuweilen die Reſſorts der In— 
trigue gebrauchen, dabei aber war er ein durch und durch 
ehrlicher und aufrichtiger, warmer, redlicher Patriot. Möge 
ihn der Himmel, für das Wohl ſeines Landes und der 
Menſchheit, im Kerker nicht zu Grunde gehen laſſen! 


377 


V. Graf Oberſt Bethlen Gergely. 


Ein Spröfling der Familie der großen Sieben— 
burger Fürſten Bethlen Gabor, war er durch Blut und 
Ueberzeugung Patriot, und ſchlug als ſolcher Hab und 
Gut und Leben fürs Vaterland freudig in die Schanze. 
Durch Geburt und Erziebung Cavalier, auf Reifen e 
bildet, bebielt er innern Werth genug, um in 
Augenblicke, da ihn die Pflicht für Recht und Geſetz 
zum Kampfe rief, keinen Augenblick zu ſchwanken. Von 
Jugend auf tummelte er ſich auf den edelſten Pferden 
berum, und ward fo einer der vorzüglichften, wenn nicht 
der beſte, Reiter unter allen Siebenburgiſchen Gentlemans. 
Theorie und Praxis der Reiterkunſt waren in ihm per— 
ſonificirt, und auf den Ruf Vay's errichtete er, mit Mikes 
Kelemen im Bunde, die erſte Diviſion Maͤtyäs-Huſaren 
in Klauſenburg. Er weihte ſich, da er ſich entſchloſſen, 
auch ganz dem Dienſte, ſchlief mit der Mannſchaft 
in der Caſerne, richtete jeden Reiter einzeln ab, und 
ſtudirte in den Mußeſtunden Murats Reiterthaten. Von 
Natur mit ſebr glücklichem militairiſchen Takte und 
bohem perſönlichen Muth begabt, war er im Entwurfe 
von Dispoſitionen einfach, aber treffend, in der Aus— 
führung unvergleichlich. Wenn man ihn in der Schlacht 
auf ſeinem kleinen, rabenſchwarzen Araberhengſt, mit keck 
nach der linken Seite aufgeſetztem Czako daherbrauſen 
fab, hier die Müden durch einen Scherz aufmunternd, 
dort die Feigen durch flache Hiebe ſpornend, dann an 
der Spitze der Huſaren kuhn auf feindliche Maſſen ans 
ſprengend, immer voran, immer unermüdlich, da lachte 
dem Soldaten das Herz, und der Vaterlandsfreund ſandte 
die heißeſten Wünſche für einen glücklichen Erfolg ihm 
nach. Bethlen war ein echter Adeliger, und von Hoch 
und Gering gleich geehrt und geliebt. Er war der ritter— 
lichſte Mann in Bems Armee, und Koſſuth hat ſeine 


375 


militairiſchen Verdienſte durch das Ehrenkreuz zweiter 
Klaſſe zu würdigen gewußt. Was er that, that er aus 
lauterer Ueberzeugung. Das Vaterland kennt und be— 
wundert ihn, ſeine Freunde aber weihen ihm das achtungs— 
vollſte, liebendſte Andenken; die Wallachen werden ſeiner 
gedenken, wenn ſie einſt wieder eine Erhebung gegen die 
Magyaren verſuchen möchten *)! 


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1 


VI. Oberſt Baron Kemény Farkas. 


Verwandt mit dem großen Vorkämpfer für das 
Geſetz, dem Leiter der Oppoſition Dionys Kemeny, 
war er gleich dieſem ein Ungar von ächtem Schrot und 
Korn. Die Union fand ihn, nahe an 50 Jahr alt, in 
ſtiller Zurückgezogenheit in Thorda. Die Nationalgarde 
wird organiſirt, da werden die Erinnerungen ſeiner Ju— 
gend wach, er war nämlich Soldat geweſen, und er läßt 
ſich zum Nationalgarde-Major erwählen, müht ſich ab 
mit der Organiſation und Abrichtung derſelben, und 
geht frohen Muthes beim Rückzug der Ungarn aus 
Klauſenburg mit feinen Garden den Honveds nach. Hier— 
auf bleibt er Soldat, und macht die Campagne in Sie— 
benbürgen mit, wobei er Bems Liebe und die Achtung 
der Armee gewinnt. Der rüſtige Alte übertrifft an 
Muth und Energie die Jugend, iſt raſtlos thätig und 
erhält unter feinem Corps ſtets die größte Mannszucht. 
Er war nicht zum Anführer gebildet, aber, was man 
ihm auftrug, führte er aus, wie Keiner. Er war einer 


) Bethlen, der Murat der Bem'ſchen Armee, wie ſein Freund 
Telely Sändor find den Haynauſchen Krallen, wie wir eben er: 
jahren, glücklich entronnen, und nach intereffanter Flucht über die 
Türkei nach Frankreich gelangt. 


379 


der Koryphäen der Bemſchen Armee, und wenn feine 
Entwürfe der Strategie und Taktik auch ermangelten, 
fo wußte der graue Krieger durch Feſtigkeit, Unerſchrocken⸗ 
beit und Verachtung der Gefahren viel zu leiſten. Sein 
Alter machte ihn liebenswerth, ſeine Kühnheit erwarb 
ibm Achtung und ſein gerader Charakter führte ihm die 
Herzen ſeiner Kameraden und Untergebenen zu. Nach 
der Nieverlage der Ungarn verſchwand er dem 
der Rächer, und das Vaterland fiebt bange feinem 
tauchen aus dem Dunkel feiner Abgeſchiedenheit entg 
Als varadores Beiſpiel feines Patriotismus führen 
nur an, daß er, beim Uebertritt der magyariſchen Re⸗ 
gierung auf revolutionairen Boden, feine Tochter, die 
an einen kaiſerl. Oberſten vermählt war, in öffentlichen 
Blättern als Vater und Ungar von dem Söldner eines 
treubruchigen Könige reelamırte. 


VII. Oberſt Gil Sandor. 


Ein Szekler von Geburt, jung, feurig, kühn; Sol- 
dat vermöge der Erziehung, energiſcher Redner ver: 
möge natürlicher Anlage. Als Militair wußte er ſtets 
die am Beſten und Schnellſten zum Zweck führenden Mittel 
zu wählen, die ſchwächſte Seite des Gegners zu ergrüns 
den, und dieſe traf er dann mit der ganzen Wucht jenes 
Talents, das da weiß, ein Volk zu beherrſchen. Oberſt 
Gal batte ſich ſchon vor der Revolution in der ungariſchen 
Militair⸗Literatur geachtet und bekannt gemacht. Als die 
Bewegung anbrach, ward er Honved und ging mit Ber— 
enezei ins Szeklerland, wo er allein an der Organi— 
— der Koſſuth-Huſaren und des I2ten Bataillons 
raſtlos arbeitete. Er leitete hierauf die Vertheidigung 
Haromszékls ebenſo kühn, als zweckmäßig, und lieferte 


380 


ſpäter durch feine durchgreifenden Maßregeln Bem dieſe 
Maſſe von Recruten, die des letzteren Armee ſo ver— 
mehrten. Zuletzt beſtand er allein die ganze Wucht 
der ruſſiſchen Dränger in Häromszék, mit hoher Ein— 
ſicht und wahrem Heldenmuth, und bewies durch die 
Rettung ſeines Corps inmitten zweier feindlichen ſieg— 
reichen Armeen glänzend ſein Anführer-Talent. Gäl 
war der Abgott der Szekler, die in ihm den genialen 

ndsmann verehrten, und ihm zu Liebe Alles thaten: 

al brauchte nur zu winken, und was er wollte, geſchah. 
Dieß machte den jungen Mann natürlich eitel und zu 
ſehr nach Popularität haſchend, woher es kam, daß er 
eine große Zahl untüchtiger Individuen zu Officieren 
beförderte, die ihm und dem Lande im Drange der Ge— 
fahr wenig Ehre machten. Im Uebrigen gehört Gäl 
Sändor zu den tüchtigſten Köpfen des Landes, und kann 
einſt ein mächtiger Hort ſeiner Freiheit werden. Er 
ſoll durch die Türkei nach Griechenland entkommen ſein. 


VIII. Oberſt Baron Johann Bänffy. 


Von Kindheit auf militairiſch erzogen, mit ſcharfem 
Blick und hohem Muth begabt, war Oberſt Bänffy der 
bravſte von Bems Soldaten und durch raſtloſe Thätig— 
keit, eiſerne Strenge gegen ſeine Untergebenen, Schnellig— 
keit im Entwerfen, Kühnheit in der Ausführung, einer 
der beſten Corps-Commandanten. Bänffys Aeußere im 
Feldzuge, war das des Soldaten, der den Krieg nicht 
aus Mode oder aus Zeitvertreib mitmacht. Denn es 
gab ſolche Erſcheinungen im ungariſchen Heere in Fülle. 
Der ſonn- und wettergebräunte Teint, der gewaltige 
Schnurrbart und das behaarte Kinn mit der wohlgebil— 
deten Naſe und der hohen, muthigen Stirne deuteten 


* 381 


auf etwas Martialiſches und die feurigen duſterglänzenden 
Augen verrietben die nimmer rubende Arbeitſamkeit des 
Geiſtes. Bänffy war ein dem Auge gefallender Mann, 
aber niemals ſchöͤner, als wenn er im heißeſten Kampf— 
gewübl, mit dem gezogenen Säbel auf dem ſtattlichen 
Roß in den großen Reiterſtiefeln, immer der erſte vor 
der Infanterie, fein Corps zum Sturme führte. Bänffy 
war Ropaliſt und als ſolcher kein Freund der Debreczi— 
ner Regierung, aber er war ein glübender Patriot, » 
wagte willig fein Leben für das gute Recht feines Va— 
terlandes. Bem liebte ibn wegen feiner Tapferkeit und 
vielſeitigen Verwendbarkeit. Er vertraute ihm bei ſeiner 
Rückkehr das Commando des Siebenbürger Armee-Corps 
im Bannat, wo aber Bänffy, zum großen Nachtheile der 
Sache, bald erkrankte und ſo vom Schauplatze abtreten 
mußte, ebe noch die Kataſtrophe von Vilagos berein— 
brach. Gott gebe dem Vaterlande viele ſo wackere Krie— 
ger, als er war; dann hat es nichts zu fürchten. 


IX. Major Gabor Aron. 


Ein ſchlichter, einfacher Szekler, ohne beſondere 
Weltbildung und von einem Acuferen, aus welchem ſelbſt 
der größte Phyſiognom nichts berausgeleſen hätte, einen 
unerſchrockenen, todesverachtenden Soldaten abgerechnet. 
Gabor Aron war eines Grenzers Sobn, und als ſolcher 
militairpflichtig. Er war in die Grenz-Artillerie eingereiht 
worden, da er fchon früb große Geſchicklichkeit in der 
Drechsler- und Zimmermannsarbeit bewies, und hatte 
in der Feſtung Carlsburg von dem Artillerieweſen ſo 
viel profitirt, wie ein Artillerie-Corporal gerade nöthig 
bat. Es kümmerte ſich daher auch Niemand darum, 
daß er zum Zeitvertreibe ganze Tage bei den Geſchützen 


* 


zubrachte, und zuweilen in roher Form, als Naturzeichner, 
ſich Kanonen-, Haubitz- und Mörſerröhre auf ein Stück— 
chen Holz oder auf ein vergilbtes Papierſchnitzel abzeich— 
nete. Niemanden wäre es damals eingefallen, wohl ihm 
ſelbſt nicht, daß er einſt berufen ſein würde, ſelbſt ſolche 
Geſchütze anzufertigen, deren Portrait er damals ſo un— 
geſchickt entworfen. Er diente ſeine Zeit aus und ward 
in den Stand der Halb-Invaliden verſetzt. Hier be— 
ſchäftigte er ſich, da er für einen Landmann ziemlich 
wohlhabend war, mit allerlei mechaniſchen Arbeiten; er 
verſuchte es mit Sägemühlen, Schleuſen-Conſtruetionen 
u. dgl. Dingen, wo es beſonders Holz zu ſchnitzeln 
und Räder nach gewiſſen Normen in Bewegung zu ſetzen 
gab, und war, dieſer Manie wegen, die ihm obendrein 
einen großen Theil ſeiner Habe koſtete, das Stichblatt 
des Witzes ſeiner unwiſſenden Nachbarn. Da bricht die 
ungariſche Revolution aus, und wir wiſſen aus der Er— 
zählung des Feldzugs, was Gabor Aron geleiſtet. Hin— 
zufügen können wir nur noch, daß Ungarn und Bem es 
Gäbor Aron allein verdanken, daß Häromszsék ſich fo 
heldenmüthig gehalten, und der moraliſche Muth der 
Szekler nicht gleich im Anfange erſchlafft iſt. Ohne ihn 
wäre der Siebenbürger Feldzug nie ſo glänzend aus— 
gefallen. Und doch war dieſes geniale Kind der Natur 
in den Epochen ſeines höchſten Glanzes ſo einfach, als 
wie ehedem, beſcheiden, anſpruchslos, gleichgültig für 
Auszeichnung und nur immer mit ſeinen Kindern, den 
6 und 12pfündigen Kanonenröhren und deren ſchöner 
Ausſtattung beſchäftigt. Er wollte ſogar ſeine Ernen— 
nung zum Major ablehnen und nur die ſchmeichelhafte 
Zuſchrift Bems und des Gouverneurs von Ungarn be— 
wogen ihn hinzu. Er war ein großer Freund ſeines 
Landes und ein für demokratiſche Einrichtungen begei— 
ſterter Mann. 

Er endete ruhmvoll ſein thätiges Leben neben ſei— 
nen Kanonen, in der Affaire mit den Ruſſen bei Rötz 
und Beſenyö, am 9. Juli 1849. In der Geſchichte 


* 


m 


wird er unvergeſſen bleiben, und noch nach Decennien 
wird der Szekler mit Stolz ſeinen Kindern von dieſem 
merkwurdigen, großen Landsmann erzählen. 


X. Oberſtlieutenant Inczedy Samu. 


Ebemals Militair, quittirte er den Friedensdienſt, 
der ibn langweilte, und lebte als Landedelmann auf ſei— 
nen Gütern bei R. Enyed. Beim Beginnen des raiziſchen 
Feldzugs ließ er ſich zum Honvedofficier ernennen und 
machte die drei Schlachten vor St. Tamas und den 
ganzen beſchwerlichen Feldzug bis Ende October mit. 
Hierauf ging er nach Siebenbürgen und commandirte 
die Enveder Nationalgarde gegen die Wallachen. Bald 
darauf kam er zum 11. Honvedbataillon, und erhielt 
nach Banfi das Commando deſſelben. Ein Held durch 
Entſchloſſenbeit und Kühnbeit, war er würdig, dieß Ba- 
taillon Honvedhelden anzuführen. 

Er und ſein Bataillon gaben in allen Schlachten 
den Ausſchlag, und waren das Muſter einer für Freiheit 
und Recht begeiſterten Heldenſchaar. Bei Mediaſch ward 
er verwundet, und nur mit Gewalt vermocht, ſich zu 
feiner Heilung nach Vaſärhely zu verfügen, und kaum 
war er geneſen, da ſaß er wieder zu Pferde und com— 
mandirte bei Szasz Régen eine Brigade gegen die 
Ruſſen. Er liebte den Wein und luſtiges Leben und 
fühlte ſich nie glücklicher, als im Kampfgewühle; aber 
er beſaß auch eine gute Doſis Eigenſinn, und hatte 
während der Campagne in Siebenbürgen dreimal feine 
Entlaſſung verlangt, war aber ſtets froh, daß man dies 
Geſuch unbeachtet ad acta legte. Denn, hätte er ſie 
auch erbalten, er wäre am folgenden Tage wieder als 
gemeiner Honved eingetreten. Die Antwort, die er 
Schlick in Arad gab, als er nach der Waffenſtreckung 
Kaczinczis dahin abgeführt worden, zeichnet ihn beſſer, 


7 


381 * 


als alle Schilderungen. Schlick fragte die gefangenen 
Stabsofficiere nach Namen und Rang. Als die Reihe 
an ihn kam, ſprach er: „Ich bin der Oberſtlieutenant 
Inczédy, der unter dem großen Bem das 11. Helden— 
bataillon geführt hat.“ Schlick klopfte ihm, zum Zeichen 
der Achtung auf die Schulter, hinderte aber nicht, daß 
ihn das Kriegsgericht zu 12 Jahren Feſtung verurtheilte. 


XI. Oberſt Riczkö Ignace. 


Ein ſchöner Mann in den beſten Jahren. Früher 
Huſarenofficier und Werbe-Commandant in Großwardein, 
von Strategie ohne Idee. Bei Bildung des Miniſteriums 
in Ungarn ward er Nationalgarde-Major im Biharer 
Comitat, und ſpäter, wie wir aus der Erzählung wiſſen, 
Oberſt. Er beſaß viel Eitelkeit, aber auch den hohen 
Muth des ächten Huſaren, war guter Patriot, und ſtarb 
bei Wargersdorf den Heldentod. 


XII. Oberſt Alexius Forrô. 


Früher Gardelieutenant, vollendete er ſeine mili— 
tairiſche Ausbildung in der königl. ungariſchen Leibgarde 
in Wien mit ganz beſonderem Erfolge, ward hierauf zum 
Oberlieutenant und ſpäter zum Rittmeiſter bei den Szekler— 
Huſaren befördert und kam als ſolcher im Auguſt 1848 
nach dem raiziſchen Lager bei Verbasz, wo er bis zur 
Rückkehr der Szekler-Huſaren-Diviſion nach Siebenbür— 
gen verweilte. Oberſt Korr6 zeichnete ſich durch ſcharfen, 
kritiſchen Verſtand, vielſeitiges, ſelbſterlerntes Wiſſen, 
klare und treffende Auffaſſung militairiſcher Operationen 
und eine Ruhe aus, die durch Nichts zu erſchüttern 
war, und ihn zum beſten Vollſtrecker militairiſcher Com— 


385 


binationen befäbigte. Das regelmäßige ovale Geſicht 
mit dem unerläßlichen Schnurrbart, die hohe, ſelten ge— 
faltete Stun, die etwas tiefliegenden Augen, die nur 
dann und wann Funken ſpruhten, welche das innere 
Leben in dieſer kalten Form verriethen, die hohe robuſte 
Geſtalt, dies Alles machte Forré zu einem impoſanten 
Krieger, und ſein ſtrenges, abgeſchloſſenes Weſen, aus 
welchem doch ein freundliches und wohlwollendes Herz 
berauszufüblen war, erwarben ihm die Liebe und Acht⸗ 
ung von Hoben und Niedern, und ſein Patriotismus 
feſſelte insbeſondere die Szekler, ſeine Landsleute, an 
ibn. Forrö wäre fürs Vaterland ein unerſetzlicher Ver: 
luſt, möge ihn Gott ſchützen. 


XIII. Oberſt Baron Maximilian Stein. 


Ein gedienter, erfahrener Militair, der ſchon unter 
den Carliſten die Vorſchule eines Revolutionskrieges 
durchgemacht hatte. Die Neuerungen des Jahres 1848 
trafen ibn als Bau-Officier in der Feſtung Peterwardein, 
und das neue ungariſche Minifterium ſaye er, als öfter: 
reichiſch kaiſerlicher Officier, nicht ſehr gerne. Da aber 
das Handbillet des Kaiſers und Königs Ferdinand V 
allen Truppen, und allen Officieren, die ſich in Ungarn 
placirt fanden, zur Pflicht machte, den Eid auf 
die ungariſche Conſtitution zu leiſten, ſo legte ihn auch 
Stein mit den übrigen Officieren beſagter Feſtung ab; 
und von dieſem Momente war er ganz für die ungariſche 
Sache. Es widerſtrebte ihm, als Ehrenmann, mit Schwü⸗ 
ren zu ſpielen. Er ward jetzt der Wortführer der Sache 
Ungarns und ſeine ausgebreiteten humaniſtiſchen und 
militairiſchen Kenntniſſe, ſein beißender Witz, ſein ſcharfes, 
treffendes Raiſonnement machten bald die Gegner ſchwei— 
gen und ließen in Stein, über kurz oder lang einen der 
wichtigſten militairiſchen Lenker der ungariſchen Bewe— 

25 


386 


gung gewahren. F. M. L. Hrabovsky wurde zum bevoll⸗ 
mächtigten königl. Commiſſair gegen Jellacic ernannt. 
Stein war ſeine rechte Hand, und führte die äußerſt 
verwickelten, diplomatiſchen Correſpondenzen ſehr ge— 
ſchickt. Später entwarf er den, wegen Mangel an 
Energie von Oben, nicht ganz ausgeführten Plan zur 
Einnahme von Karlovitz, beſchrieb die Gegenden der 
Baeska, von Peterwardein bis Verbasz, und entwarf 
einen Plan zur Decupirung von Szt Tamäs; wurde 
hierauf Chef des Generalſtabs der ungariſchen Baesks— 
Banater-Armee und ſpäter General-Adjutant des Kriegs— 
miniſteriums, und Chef der Militair-Central-Kanzlei. 
Dieſe Zeit ſeines Wirkens war die fruchtbarſte, und 
man muß anerkennen, daß ohne ſeinen thätigen, um— 
faſſenden Geiſt, ohne ſeine raſtloſe Energie, in das Chaos 
des ungariſchen Heeres nach dem Rückzuge über die 
Theiß wohl ſchwerlich in ſo kurzer Zeit eine ſolche wohl— 
gegliederte Ordnung gekommen wäre. Aber Stein hatte 
ſich das Vertrauen Koſſuths erworben, und was er 
wollte, geſchah. Seine Sarkasmen ließen ihn fürchten, 
und die Officiere thaten lieber nach Steins Willen, als 
daß ſie ſich zur Zielſcheibe ſeiner giftigen Pfeile machten. 
Stein ſoll man es verdanken, daß der Landtag in 
in Debreezin in einem Moment der Bedrängniß und des 
Schreckens nicht auseinanderging, ſein kalter Hohn machte 
die redſeligen Herren ſtutzen, und Niemand verließ 
Debreezin. Steins weiteres Wirken im Winter und 
ſein Einfluß beim Entwurf der Operationspläne wird 
wahrſcheinlich von ihm ſelbſt der Welt kund gemacht 
werden, wir ſind auch zu wenig unterrichtet, um hier— 
über Etwas ſagen zu konnen; die obige Erzählung läßt 
uns Steins Thaten in Siebenbürgen kennen und beur— 
theilen. Wir haben alſo nur noch beizufügen, daß er ein 
Mann iſt von mittlerer, wohlhabiger Statur, mit ins 
Graue ſpielenden Haaren, feinen Mund und geiſtreichen 
feurigen Augen. Seine Kenntniſſe und Erfahrungen weiht 


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er, als Ferbad Paſchab, jegt der türkiſchen Armee, 
welcher er jederzeit zur Zierde gereichen wird. 


XIV. Oberſt Graf Teleky Sandor. 


Hat mit Stein und Lichnowsky den Carliſten-Feld⸗ 
zug mitgemacht und war auch eine Zeitlang in den Händen 
der Spanier. In Siebenbürgen begann er feine mili— 
tairiſche Laufbahn mit der Niederlage Katona Miklos 
bei Dées, kam als Freiwilliger zu Bem, der ihn An⸗ 
fangs als Gallopin verwendete, kurz darauf aber ſeiner 
nie rubenden Thätigkeit und Gefchäftigfeit in der Ge: 
neral-Intendantur der Armee ein weites Feld eröffnete. 
Dieſen Poſten hat er auch mit vieler Energie ausgefüllt, 
er war überall, wo es für Lebensmittel zu ſorgen, wo 
Kleidungsſtücke aufzutreiben, wo für Munitionstrans⸗ 
porte ſchneller Vorſpann zu ſchaffen war, wo es an Geld 
für die Mannſchaft fehlte und raſch welches herbei— 
geſchafft werden mußte. Da war Telefy Sandör der 
promptefte und geſchickteſte Ausbilfsmann. Ueberdies 
binderten ihn dieſe Geſchäfte nicht, an jedem Treffen 
Theil zu nebmen, und im Kampfe war er brav, wie 
jeder ungariſche Cavalier, und klagte nie über Strapazen. 
Telefy war der ewige Courier der Armee noch allen 
Richtungen des Landes, unter Feind und Freund. Er 
wurde von Bem mit dem Verdienſtorden 3. Klaſſe de— 
corirt, wegen feiner Bravour bei Gälfalva. Wichtiger 
war jedoch fein politiſches Wirken. 


Bei Hoffmann und Campe in Hamburg find ferner 
erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Thlr. Sgr. 
Feldzug der ungariſchen Haupt⸗ 
armee im Jahre 1849. Selbſterleb⸗ 
tes von Theophil Lapinski, Hauptmann 


der ungariſchen Artillerie. Geh.. . 1 — 
Der Centralſtaat und der Föde— 

rativſtaat Oeſterreich. Geh... — 15 
Glockenruf 1 N 

Geh 2% . ee einne 


Enthüllungen aus Oeſterreichs 
jüngſter Vergangenheit. Von einem 
Mitgliede der Linken des aufgelöſten öſter— a 
reichiſchen Reichstages. Geh. .. 115 

Graf Ludwig Battbyany, ein poll 
tiſcher Märtyrer aus Ungarns Revolu— 
tionsgeſchichte, und der 6. October 1849 
in Ungarn. Von S. Horvath. Geh. — 10 

Politiſche Bilder aus Ungarns 
Neuzeit. Von Dr. Reiſinger. Geh. . — 25 

Die Ruſſiſche Intervention nebſt 
diplomatiſchen Aktenſtücken von Graf La— 
dislaus Teleki, ungar. Geſandten bei der 
. Republik. Geh. .. — 7½ 
Der Wahrheit noch eine Gaſſe, 
dem Frieden eine Bahn. Geh. 7 


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DB Czetz, Johann 


740 Bem!s Feldzug in Sieben- 
09 bürgen in den Jahren 1848- 
1849 


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