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DAS PHYSIOLOGISCHE
nIVAT-LABORATORIUM
AN DER UNIVERSITÄT LEIPZUi
XrEDE
GEHALTEN AM 21 . DKCKMBEH IS7'>. BEI GKLKfiKKHElT
KKUFKM N(i Si;i\KS t n HttlTU lUTK RN
D" JOHANN N. CZERMAK,
MIT :, HULZSCHNITTEN.
LEIPZIG.
-VEKI.A(i VON WILHELM liNOKLMANN
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SüSifiÖEi
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PRIVAT-LA BORATOR lUM
AN UEft UNIVERSITÄT LEIPZI«.
n E r> E
IAM2t.l)ECEMBER 1872, BEIGELEÜENHIilT
iHiFFNIING SEINKS AMPBITnCATEItS
D" JOHANN N. CZERMAK,
[ krr ä HOLZSCHNITTES.
LEIPZIG,
VBBI>A» VON WII.HBLM ENOELMANN
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Hochverehrte Anwesende!
A.m 13. V. M. waren es gerade drei Jahre her, dass ich
in meiner Antrittsvorlesung *) eine Art Programm für meine
Thätigkeit an der hiesigen Hochschule aufstellte. Ich be-
zeichnete es als meine besondere Aufgabe die Hilfsmittel der
physiologischen Demonstration in einer bisher noch nicht
erreichten Vollkommenheit und Ausdehnung auszubilden
und herbeizuschaffen , um — wenn dies gelungen wäre —
den Versuch zu ermöglichen die Physiologie zum ersten
Mal in. wirklich allgemein-fasslicher, auf unmittelbare An-
schauung basirter Darstellung zu behandeln.
Es sollte sich die Physiologie als ein integrirendes Ele-
ment des höheren Bildungsganges , wie ihn die Universität
zu bieten und zu vermitteln hat, ähnlich den allgemeinen
philosophischen und historischen CoUegien in den Studien-
plan eines jeden Studenten, mag ihn sein künftiger Spe-
cialberuf welcher Fakultät immer zugeführt haben, einfügen
*) »Die Physiologie als allgemeines Bildungs-Element.« Antritts-
Vorlesung gehalten zu Leipzig am 13. Nov. 1869 von Dr. Joh. N.
Ozermak, ordentl. Honorar -Professor an der Universität. Leipzig.
W. Engelmann. 1870.
1*
I9^^t
'•
können, wozu bisher noch nirgendwo Gelegenheit und
Mittel geboten sind.
Selbstverständlich dachte ich dabei auch an gebildete
und eine allgemeine Bildung anstrebende Männer aller
Stände — selbst wenn sie ihre Universitätsstudien längst
hinter sich hätten oder vielleicht auch niemals eine Univer-
sität bezogen haben sollten, — ja — unter Umständen und
gewissen Einschränkungen selbst an ein gebildetes Damen-
publikum. —
Prof. Lazarus hat in seinem, am 20. Januar 1872, in
der Singakademie zu Berlin, gehaltenen Vortrag » als einen
»den Geist unserer Tage charakterisirenden Gesichtspunkt,
»das Streben hervorgehoben, die mechanische Weltan-
»schauung auszubauen, eine Weltanschauung, in welcher
»es sich vor Allem nur um das Verhältniss der Causalität,
»um die Feststellung von Ursache und Wirkung handelt,
»imi die Zusammenstellung der Gesetze , welche die Ereig-
»nisse beherrschen. Darum steht im Vordergrunde aller
»geistigen Bestrebungen die Naturwissenschaft — die Na-
»turwissenschaft in ihrer mannigfachen Zerlegung. AUge-
»waltig ist ihre Herrschaft — dergestalt, dass Alles, was
»irgend wie auf irgend einem Gel)iete zu einer wahrhaften
»Erkenntniss zu kommen strebt , in die Wege der Natur-
»wissenschafi einbiegt.« —
Ich bin nun seit langer Zeit der innigsten Ueberzeugung,
dass von allen Zweigen der Naturwissenschaft die Phy-
siologieoder Biologie eine geradezu centrale Stellung
im^ weiten Gebiete der geistigen und materiellen Bestre-
bungen einnimmt , in so fern ihr Object die Erforschung
des »Lebens« ist, und es daher gar keine Leistungen und
Beziehungen oder Interessen des Menschen geben kann.
welche nicht in einem mehr oder weniger innigen solidari-
schen Zusammenhang mit dieser Wissenschaft stehen wür-
den. Auch dürfte nach meiner Meinung keine andere
Wissenschaft im Stande sein in wirksamerer Weise die
wahre Aufklärung zu fördern, als eben die heutige
Physiologie, welche im Sinne der mechanischen Welt-
'anschauung alle, die dunklen und in ihren Consequenzen
die freie Forschung hemmenden Vorstellungen von der
Existenz und Wirksamkeit einer besonderen mysteri-
ösen »Lebenskraft« erfolgreich bekämpft und aufzuhellen
sucht.
Tch verstehe hier (nach einem Citate Lecky's) unter
der wahren Aufklärung, mit Kant, »den Ausgang des Men-
»schen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, ün-
»mündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne
»Leitung eines Anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist
»diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am
»Mangel des Verstandes, sondern derEntschliessung und des
»Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu
»bedienen. Sapere aude! Habe Muth dich deines
»eigenen Verstandes zu bedienen ! « —
Beiläufig bemerkt habe ich denn auch diesen Wahl-
spruch der Aufklärung hier in diesem Saale mit Lapidar-
schrift anbringen lassen. Ihm gegenüber steht, nicht blos
zur Wahrung der Symmetrie , sondern als ein nicht minder
in diesen Raum passender Spruch oder Zuruf, welcher den
Besuchern des hiesigen Gewandhaussaales so geläufig ist :
»Resseveraest verum gaudium.« —
Der Werth und die Tragweite eines Unternehmens,
dessen Ziel nicht die oberflächliche sog. »Popularisirung((,
sondern die möglichste Verbreitung einer möglichst g r ün d-
6
liehen Bekanntschaft mit der heutigen Physiologie ist,
dürfte hiemach wohl einleuchtend genug sein. •
Die Edancherlei Bedenken, die ungewöhnlichen Schwie-
rigkeiten, welche sich der Art der Durchführung dieses
Unternehmens, wie sie mir als die allein zum Ziele führende
vorschwebt, entgegenstellen, habe ich niemals verkannt
und in jener Antrittsvorlesung auch ausdrücklich betont
und hervorgehoben.
Ich scheue mich nicht geradezu zu bekennen, dass sich
mir jene Bedenken und Schwierigkeiten in dem Maasse
steigerten, als ich mich vor nunmehr drei Jahren mit ihrer
Beseitigung und üeberwindung praktisch zu beschäftigen
begann, und zur Herstellung und Ausführung von beson-
deren Baulichkeiten und von gewissen optisch - mechani-
schen Einrichtungen fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen
angewiesen war.
Es ist mir schmerzlich hinzufügen zu müssen, dass
namentlich zwei auswärtige Optiker und Mechaniker , wel-
chen ich überdies gerade mein vollstes Vertrauen geschenkt
hatte, in der unverantwortlichsten Weise durch ihre Unzu-
verlässigkeit und sonstiges Verhalten mein Vertrauen miss-
braucht und mich im Stich gelassen haben, so dass ich noch
vor Beendigung des grösseren Theiles meiner Aufträge
alle ihre Arbeiten sistiren musste. Auch andere widrige
Umstände , die mit der Ausführung irgend welcher bauli-
chen Anlagen unvermeidlich verknüpft zu sein scheinen,
dann die Schwierigkeit einen geeigneten Assistenten zu
finden*), u. s. w. haben, sowohl im Grossen und Ganzen
*) Nachträglich bemerke ich , dass ich noch immer einen jungen
Mann suche, der praktische physikalische und chemische Kenntnisse,
Verzögerungen und Hemmungen herbeigeführt, als auch
Einzebies, was mir besonders nothwendig und wünschens-
werth erschien , zum Theil wohl für immer, ganz vereitelt,
so dass , trotz aller Mühe und Zeit , die ich aufgewendet,
trotz aller materiellen Opfer, welche ich gebracht habe, das
Wenigste von Dem bereits herbeigeschafft und vollendet
worden ist, was ich für absolut unentbehrlich erachte, um,
wie ich hoffen durfte, schon jetzt einen Anfang mit dem be-
absichtigten »physiologischen Anschauungsunter-
richt« zu machen.
Ja ich kann mir heute , Ihnen gegenüber , das offene
Geständniss nicht ersparen , dass ich noch gar nicht abzu-
sehen vermag, wann endlich meine diesbezüglichen Vor-
bereitungsarbeiten , in einer mich befriedigenden Weise,
vollendet sein werden, und ob und inwieweit überhaupt
es mir bei dem andauernd leidenden Zustand meiner Ge-
sundheit möglich sein wird dieselben zu einem derartigen,
vorläufigen Abschluss zu bringen , dass ich auch jenen
Theil der Ziele und Zwecke meines, an der hiesigen Uni-
versität errichteten physiologischen Privatlaboratoriums
zu erreichen gestimmt und im Stande sein werde, welcher
sich auf meine eigene regelmässige öffentliche Lehrthätig-
keit bezieht.
Denn bei der Errichtung meines Laboratoriums ver-
folgte ich nicht ausschliesslich Unterrichtszwecke,
sondern die neue Anstalt sollte mir vor Allem unabhängige
Gelegenheit und Mittel zu meinen wissenschaftlichen For-
schungen und Arbeiten bieten, welche ich allerdings für
längere Zeit ganz unterbrochen hatte, um mich mit den
manuelleGeschicklichkeit und mechanischeFertigkeiten besitzt. Gelehrte
Bildung ist nicht erforderlich. Anträge würden mir willkommen sein !
8
weitläufigen Vorbereitungen für den neuen physiologi-
schen »Anschauungsunterricht« zu beschäftigen, welche ich
aber sofort wieder au&unehmen gedachte, wenn diese letz-
teren vollendet sein würden , oder — was ich freilich nickt
ahnen konnte — verhältnissmässig allzugrosse Opfer an
Zeit und Mühe kosten sollten, um rasch und glatt durchge-
führt zu werden.
Es ist mir ein wahres Bedürfhiss mich über Alles dies
öffentlich auszusprechen, denn es g^t die vielfachen, unge-
duldigen Anfragen Einzelner über das Ziel und den if ort-
gang meines Unternehmens auf einmal definitiv zu beant-
Worten und der Entstehung mancherlei missverständlicher
Vorstellungen ui>d Erwartungen vorzubeugen.
Desshalb habe ich mir erlaubt die Einladung zur
heutigen Eröffiiungs - Versammlung ergehen zu lassen,
welcher Sie m. H. ! — wie ich mit Dank und Freude
constatire — so zahlreich gefolgt sind — trotz der irre-
leitenden Notiz, welche das hiesige »Tageblatt« über den
Tag der Versammlung heut Morgen gebracht hat.
Denn indem ich heute dieses Amphitheater feierlieh
eröffne und speciell dem h. Rectorate unserer Hochschule
zu üniversitätszwecken fiir Einzelne der Herren Collegen
zur Verfügung stelle, die solche Bäume brauchen und sich
mit mir über deren Benutzung ins Einvernehmen setzen
wollen, wünsche ich auch öffentlich Bericht zu erstatten, so-
wohl über Das , was ich bereits gethan und erreicht habe,
als über Das, was ich noch zu thun und zu erreichep beab-
sichtige, wenn mir die Kraft und die Freude an der Arbeit
vollends wiederkehrt und dauert.
Ich will hier nicht näher auf die vielfachen, die Durch-
führung meiner ursprünglichen Absichten vereitelnden und
über Gebühr verzögernden Hemmungen und Hindernisse
eingehen, welche mir theils aus höchst unliebsamen, schon
oben berührten, äusseren Umständen, theils aus ganz indivi-
duellen, durch einige jener Umstände bis zur Unerträglich-
keit verschlimmerten Gemüths- und Gesundheits- Verhält-
nissen erwuchsen. Es mag die beiläufige Andeutung ge-
nügen, dass mir hierdurch auf lange Zeit alle Arbeitskraft
geraubt, ja mein ganzes Unternehmen, bis zum Entschlüsse
es völlig aufzugeben, verleidet worden war, und ich mich
erst mit der allmäligen Wiederherstellung meines gestörten
gemüthlichen Gleichgewichtes, bei gleichzeitig beginnender
und langsam fortschreitender körperlicher Erholung, ohne
*
welche es keine Schaffensfreude, kein Gelingen giebt, von
jenem äussersten Entschlüsse abbrachte, und meinen wissen-
schaftlichen Arbeiten, sowie meinen alten Ideen und Plänen
für den physiologischen Anschauungsunterricht an der
Universität wieder zuzuwenden begann ! —
Dagegen will ich eingehend berichten welche Ideen
und Pläne dies waren und was ich davon , zum bleibenden
Gewinn für unsere Universität, bereits realisirt habe, indem
ich einen für demonstrative Zwecke speciell eingerichteten
Hörsaal erbaute und herstellte, welcher mit den zu wissen-
schaftlichen Untersuchungen bestimmten Arbeitsräumen
meines physiologischen Privatlaboratoriums zusammen-
hängt. —
Gestatten Sie, dass ich Ihnen zunächst jene Stelle
meiner Antrittsvorlesung in Erinnerung bringe, wo ich
die Schwierigkeiten der Einbürgerung des »physiologischen
Anschauungsunterrichts« an der Universität hervorhob,
welche in der Natur und dem Umfang des Gegenstandes
selbst, in der zur Erreichung des angestrebten Zweckes ge-
10
forderten Art seiner Behandlung, und endKch in der Aus-
wahl und Disposition der zu behandelnden Materien
li^en.
Es heisst a. a. O. pag. 20 u. f. :
i»Soll sich nämlich die Physiologie als ein werthvolles
»Element des höheren Bildungsganges, wie ihn die Univer-
xHsität zu bieten und zu vermitteln hat, daselbst bewähren
»und einbürgern, dann genügt es, wie ich meine, keines-
»wegs in dogmatischer Weise, ex cathedra, eine erklärende
»Uebersicht der Lebenserscheinungen zu geben und die
»fertigen Resultate der physiologischen Forschung mit mehr
»oder weniger rhetorischem Geschick und oratorischem Glanz
»zu besprechen.a
»Es liegt vielmehr in der Eigenthümlichkeit des Gegen-
»standes, dass die so mannigfaltigen und dem gewöhnlichen
»Sinne so unzugänglichen und fremdartigen Vorgänge, um
»deren Erkenntniss und Erklärung sichs handelt, sowie die
»Methoden und Hilfsmittel, welche die physiologische For-
»schung zur Erreichung ihrer Ziele anwendet, der unmit-
»telbaren Anschauung der Zuhörer im Detail darge-
»boten werden müssen, wenn sie, zu innigem Verständniss
»gebracht, jene aufklärenden und veredelnden Wirkungen
»in den Geistern hervorbringen und hinterlassen sollen,
»welche von der eingehenden Beschäftigung mit der moder-
»nen Physiologie sicher zu erwarten sind.«
»Dazu kommt noch, dass, indem die Physiologie alle
»Lebensäusserungen als Verrichtungen bestimmter Organe
»festzustellen und aus den elementaren Bedingungen d. h.
»aus dem anatomischen Bau und der physikalisch-chemi-
»schen Constitution derselben mit Nothwendigkeit herzu-
»leiten — oder was dasselbe sagen will — nach mechanischen
11
»Principien zu erklären hat, der Vortrag, welcher, bei dem
»gemischten Zuhörerkreise , keinerlei specielle Faehkennt-
»nisse voraussetzen darf, mit der Darstellung der descriptiven
))und mikroskopischen Anatomie und der physikalisch-che-
»mischen Eigenschaften der functionirenden Theile be-
»ginnen muss.«
»Auch bei diesen Darstellungen ist es wieder nur die
»unmittelbare Anschauung, welche ein eingehendes
»und richtiges Verständniss zu vermitteln im Stande
»ist . — und so sehen sie m. h. A. ! es häufen
»und steigern sich die mir unerlässlich erscheinenden For-
»derungen an die demonstrativen und experimentellen
»Hilfsmittel des Vortrags und demgemäss die inneren und
Ȋusseren Schwierigkelten des ganzen Unternehmens zu
»einer fast abschreckenden Höhe.«
»Endlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass in
»dem eventuellen Erfolg des Unternehmens selbst eine Ge-
wfahr für dessen glückliche Durchführung liegt. Ich meine:
»mit der Grösse des Zuhörerkreises und mit seinem Wachs-
»thum, welches nicht ausbleiben kann, wenn Form und
»Inhalt der Vorträge ein wirkliches Bedürfaiss zu befrie-
»digen geeignet befunden werden sollten, muss sich natür-
»li^ auch die Bequemlichkeit — theilweise sogar die Mög-
»lichkeit, all' das Erforderliche ohne gan^ besondere Veran-
»staltungen in entsprechender und ausreichender Weise zu
»demonstriren, vermindern, und dies könnte leicht in einem
»so bedenklichen Grade geschehen , dass die unerlässliche
»unmittelbare Anschauung, auf welcher der didaktische Er-
»folg zum grössten Theil beruht, illusorisch würde.«
»Es muss also von vornherein die skrupulöseste Vor-
*»sorge getroffen werden, dass alle die verschiedenartigen
12
»Demonstrationen einen ganz besonderen Grad von Ersieht-
»lichkeit und Vollendung erhalten und dass das Vorlesungs-
»lokal ausreichende Dimensionen habe, und mit eigenthüm-
»lichen Einrichtungen ad hoc versehen werde , welche das
»Lokal aus einem blossen Auditorium zugleich recht eigent-
»lich zu einem — sit venia verbo — Spectatorium zu
»machen geeignet sind.«
»Zu diesen Einrichtungen rechne ich vor Allem die
»Form und Anordnung der Sitzplätze, dann die centrale
»Stellung und intensive Beleuchtung des Raumes wp sich
»der Vortragende befindet und wo die Experimente vorge-
»nommen werden, endlich die bequeme Disposition aller
»jener Hilfsmittel, welche stets zur Hand sein müssen, weil
»sie einzeln oder in mancherlei Combinationen bei fast allen
»Demonstrationen in Anwendung kommen, wie z. B. elek-
»trische Leitungen für den constanten Strom, mechanische
»Transmissionen, Gas- und Wasserleitung, Wandflächen
»oder Schirme zum Aufhängen gemalter, oder zum Auf-
»fangen optisch projicirter Bilder, Beleuchtungs- und Ver-
»dunkelungsvorrichtungen u. s. w. u. s. w.« —
Erfüllt und begeistert von diesen meinen damaligen
Ideen nahm ich denn vor drei Jahren mit wahrer Schaffens-
freudigkeit die Realisirung derselben in Angriff. Ich habe
mir die Sache wahrlich nicht leicht gemacht, sondern man-
nigfachen, emstenj'[Ueberlegungen und Vorstudien mich
hingegeben, um den richtigen und kürzesten Weg zum
Ziele zu finden und einzuschlagen.
Allein anstatt zuerst und vor Allem jene physio-
logischen Thatsachen und Erscheinungen möglichst voll-
ständig und im Detail zusammenzustellen , welche für die
Zwecke des angestrebten physiologischen Anschauungs-
13
Unterrichts zu demonstriren wären, und zugleich die
möglichst vollendeten Methoden und Hilfsmittel, vermittelst
welcher sie einem grossen Zuhörerkreise schlagend und ele-
gant demonstrirt werden könnten, zu ersinnen, auszubilden
und in provisorischen Bäumen praktisch zu erproben ;
und dann erst an die Errichtung eines völlig zweckent-
sprechenden Auditoriums zu gehen ; — begnügte ich mich,
im Allgemeinen zu überlegen, welche verschiedenen Arten
von alten und neuen Experimenten* und von besonderen
D^nionstrationshilfsmitteln der physiologische Anschauungs-
unterricht erfordern dürfte , und ging sogleich und zu-
erst an die meine ganze Aufmerksamkeit und Thätigkeit
absorbirende Ausarbeitung und Ausführung eines Planes für
mein physiologisches Privatlaboratorium mit einem mäch-
tigen »Spectatoriuma im Sinne der vorhin citirten Stelle
meiner Antrittsvorlesung.
So ist denn zwar ein in manchen Richtungen muster-
giltiger Versammlungsraum für demonstrative Zwecke ent-
standen, wie ihn wohl kaum eine andere unserer deutschen
Universitäten besitzen dürfte, aber die besonderen und weit-
läufigen Vorkehrungen für den geplanten physiologischen
Anschauungsunterricht fehlen noch fast gänzlich, und wer-
den erst sehr allmälig — vorausgesetzt dass mir, wie gesagt,
die Kraft und die Freude an der Arbeit vollends wiederkehrt
und dauert, herbeizuschaffen sein, denn ich kann und will
mich nicht wieder zu übermässigen, für meine Individualität
aufreibenden Anstrengungen drängen oder drängen lassen.
Durch die somit problematisch gewordene Aussicht auf
meine eigene regelmässige Lehrthätigkeit soll aber Das, was
ich hier geschaffen habe, nicht der sofortigen Verwer-
thung für Lehiz wecke entzogen bleiben. Ich wiederhole.
daes ich dieses Amphitheater mit allen seinen bisher vtillenj
deten Einrichtungen dem Herrn Itector Magnificus bezü]
lieh iluer, mit mir zu vereinbarenden Benutzung für Univei
sitätBzwecke zur Verfügung stelle. —
Doch ich wollte berichten wie ich vor drei Jahren ä
Realisiruiig meiner damaligen Ideen und Pläne mit der Aui
arbeitung uud Ausführung des Spectattiriums und der a
dasselbe atosseiKlen Arbeitaraume in Angriff nahm.
Zu diesem Ende reiste ich noch vor Weihnachten 18®
nach London um die mir von friiherher wohlbekannten, .vie^
fach erprobten Hörsäle der Royal Institution , der Roy?
Sßhool of Miiies und des polytechnischen Institute nochm
genauer in Augeuscheiu zu nehmen.
Dercollegialcn Liebenswürdigkeit H u xl e y's verdanl
ich das werthvoUe Geschenk einer genau und schön ausg
führten architektonischen Planskizzc des auf circa 300 ZkI
hörer berechneten Auditoriums der R, School of Min
(Yermynfltreet) ; durch die freundliche Vermitteluug Tynj
dall's durfte ich mir den an 1000 Personen fassenden l
rühmten Hörsaal der Royal Institution (Albcmarlestreet) v
einem englischen Architekten ausmessen und architektonisc
entwerfen lassen. Die Hörsäle des polytechnischen lustitid
und andere Räumlichkeiten dieser Art, welche ich besuchbl
habe ich mir selbst flüchtig skizzirt. Ich kann hierbei nid
unerwähnt lassen, dass ich vor Jahren, nochdurchFaradaj|
selbst, an einen der Lecturers des polytechnischen Instituta
empfohlen worden war — und so dauerhaft und treu bö4
währen sich einmal geschlossene freundliche Beziehungen
in England, dass ich auch diesmal die wärmste, meine Abjj
sichten förderlichste Aufnahme und Unterstützung bei de*
leitenden Personal jene« Institutes fand, obschon der Hetf
15
an den mich F a r a d a y damals empfohlen hatte, zufällig gar
nicht anwesend war.
Noch muss ich dankend erwähnen, dass mir T y n d a 1 1
ein Exemplar von Rogers Smith's : »Rudimentary treatise on
the Acoustics of public Buildings« (London, 1861) verehrte,
bei dessen Durchsicht ich auf Lachez' Brochure »Acousti-
qüeetOptiquedes salles de r6unions publiques« (Paris, 1848)
aufmerksam wurde, die ich mir dann später in Leipzig durch
Herrn A. Dürr verschaffte.
So hatte ich rasch ein ansehnliches , weiterhin noch
vermehrtes Material gewonnen, welches^ mir Muster und
Vorlagen zur Entwerfung des eigenen Auditoriumplanes
lieferte.
Nun handelte es sich darum ausser einem geeigneten
Bauplatz, der bei dem definitiven Entwurf natürlich berück-
sichtigt werden musste , auch einen Architekten zu finden,
welcher auf die technische Ausführung meiner Ideen einzu-
gehen gewillt und befähigt war.
Die Verhandlungen wegen Ueberlassung eines Bau-
platzes in den Hof- und Gartenräumen des Augusteum's,
welche ich zunächst einleitete, zerschlugen sich, dagegen
erwarb ich im Frühjahr 1870 ein zwischen der Querstrasse
und Salomonstrasse gelegenes Grundstück, auf welchem
ich mein Familienwohnhaus zu bauen gedachte, — und bei
dieser Gelegenheit lernte ich nicht nur in Herrn Gustav
Müller einen kenntnissreichen und für die Ausführung des
von mir geplanten Laboratoriums nebst Spectatorium als-
. bald in hohem Grade sich interessirenden Architekten
kennen , sondern ich fand auch den geeignetsten Bauplatz
für das letztere — mitten im Garten des glücklich acquirir-
ten Grundstückes selbst, welches weder von der inneren
16
Stadt und dem Augueteura, noch vom Juhaniiisth&l, wo a
die neuen Institute und Ijaboratorien der Universität l
sammensteken, allzuweit entfernt ist.
Fig. 1. OrundriiB.
. Anplittheilcr und Oiiilrnibe; S. Ariwiu- und Wol
!,a,S, 4dLE4TKppeii.
- \
19
Ich habe mich nach langen Erwägungen für die defi-
nitive Annahme des allgemeinen Grundrisses des berühm-
Hörsaals der londoner Royal Institution entschlossen, in wel-
chem Davy, Faraday und Tyndall ihre didaktischen
Triumphe gefeiert haben, — obschon, wie ich später zeigen
werde, aus dieser Grundrissform gewisse Unzukömmlich-
keiten erwachsen mussten. Dafür aber entschied ich mich
für eine nichts zu wünschen übrig lassende, streng nach
den von Lachez entwickelten geometrischen Constructions-
regeln durchgeführte Anlage von amphitheatralisch auf-
steigenden Sitzreihen.
Den schönen, hufeisenförmigen Raum unter den Sitz-
reihen bestimmte ich zur Garderobe, in welche das Publikum
zuerst eintritt, um von da aus auf zwei besonders angebauten
Wendeltreppen die Höhe des Amphitheaters, so zu sagen,
von rückwärts zu Ersteigen. Von der Höhe der breiten
obersten Stufe des Amphitheaters, welche zugleich an 100
• Stehplätze darbietet, führen dann vier Stiegen herab zu den
Sitzreihen, welche hierdurch in drei grosse Abtheilungen, eine
mittlere und zwei seitliche zerschnitten werden. Die Steil-
heit dieser Stiegen machte die Anbringung eiserner Stütz-
stäbe, die zugleich die Nummer der Sitzreihen und der in
ihnen enthaltenen Sitze tragen, nothwendig.
Bevor ich in der Beschreibung fortfahre, muss ich vor
Allem hervorheben, dass die in Lachez' Schriftchen behan-
delten, übrigens wahrscheinlich schon im klassischen Alter-
thum aufgefundenen, höchst einfachen geometrischen Con-
structionsregeln für Amphitheater nur wenig bekannt zu
sein scheinen, oder aber gar nicht verstanden und nach
Gebühr gewürdigt werden, denn sonst könnte man nicht in
fast allen, selbst in den neuen und neusten Hörsälen die
2*
j ■»
20
Sitzieihen entweder einfach auf einet mehr oder weniger
steil ansteigenden schiefen Ebene au%e8tellt, oder — was
wunderbarer Weise auch vorkommt — nach einer ganz b e -
liebig gewählten Curve aufsteigend angeordnet linden,
ohne irgend welche bewusste und beabsichtigte Be-
ziehung zu einem bestimmten für jeden Zuschauer ganz
freien, aMen gemeinschaftlichen Sehfeld, und ohne Rück-
sicht darauf, dass auch die Zuschauer auf den entfemteBten
Sitzen möglichst nahe an den zu demonstrirenden Ob-
jecten sich befinden sollen. Um diesen beiden Forderungen
zu genügen , ist es nur in sehr beschränkter Weise gestattet
seinem willkürlichen Belieben freien Lauf zu lassen.
Hat man nämlich die Entfernung der ersten Sitzreihe
von dem Grenzpunkt des von allen Zuschauem gemein-
schaftlich und frei zu übersehenden Raumes festgesetzt, und
die Maasse für den Abstand der einzelnen Sitzreihen von
einander, für die Höhe der Sitzöächen vom Fussboden, so
wie für die mittleren Grrössenverhältnisse der zu pla^irenden
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flg. 4. Zur Erlftuterung der TiScheE'BcheQ CoitBtTuctioii8regel
fQr Amphitheater.
21
Menschen, als const ante Werthe, einmal angenommen,
so ist die allein richtige Curve, nach welcher die Sitze
aufsteigen oder überhaupt angeordnet werden müssen, um
ihrem doppelten Zweck zu entsprechen, unbedingt gege-
ben, und wird auf folgende Weise construirt.
Es seien (Fig. 4) Ax und Ay die beiden Axen eines
rechtwinkeligen Coordinatensystems, a der den Zuschauem
nächste Grenzpunkt einer horizontalen Tischplatte T oder
der tiefste Grenzpunkt einer verticalen Tafel T , in welchem
sich noch alle Sehlinien müssen kreuzen können , wenn die
Tischplatte oder die Tafelebene von allen Zuschauern in
ganzer Ausdehnung, frei übersehen werden soll, — so ist
at ^2 0-3 ^4 die Krümmung der gesuchten Curve;
nachdem man die Entfernung der ersten Sitzreihe vom
Punkte a (= x^ x^ ) und den Abstand der Sitzreihen von ein-
ander [xx'Xi = X2 x^ = x^ Xj^ = x^ x^) willkürlich bestimmt
hat, errichtet man in den Punkten x^ X2 x^ . , , , die den
aequidistanten [x^ x^ = X2 0P2 = x^ x^ . . , .) Sitzreihen
entsprechenden Ordinaten. Auf der ersten Ordinate markirt
man ebenfalls noch ganz willkürlich aber als ein für allemal
angenommene constante Grössen die Höhe des Sitzes
über dem Boden bei s^, die Höhe, in welche das Auge des
auf Sx sitzenden Menschen über dem Sitze zu stehen kommt,
bei «1, und endlich die mittlere Scheitelhöhe über dem Auge
bei li .
Nach Feststellung dieser dem freien Belieben überlasse-
nen Werthe, ist nun nichts mehr dem Belieben oder der
Willkür anheimgegeben. Man zieht die erste Sehlinie « Oi
und die zweite a li, welche man verlängert, bis sie die zweite
Ordinate {x^ y^) schneidet. In dem Punkte a^, wo sich beide
Linien schneiden , befindet sich nothwendig das Auge des
22
Zuschauers, welcher in der zweiten Reihe sitzt und, unge-
hindert durch seinen Vordermann, den Grenzpunkt a sehen
soll. Von diesem Punkte «2 sius, markirt man auf die zweite
Ordinate (x2 y^) nach unten die als constant angenommene
verticale Entfernung des Auges Vom Sitze [a^ 5^=02*2)
und weiter die Höhe des Sitzes vom Fussboden [s^ x^ =«2 ^2)^
nach oben aber die mittlere Scheitelhöhe 04 ^ = «2 ^ ^^^d
findet auf diese Weise die nothwendige Erhebung des Fuss-
bodens und des Sitzes über die Horizontale für die zweite
Sitzreihe , so wie die Erhebung des Scheitelpunktes der in
dieser Reihe sitzenden Menschen. Genau so verfahrt man
nun für die 3., 4., 5. etc. Ordinate oder Sitzreihe und erhält^
indem man die Punkte a^ a^ a^ a^^ durch eine Linie
verbindet, jene Curve, nach welcher die Sitzreihen mit ihren
Sitzen [sx «2 *3 ^4 • • • •) ^^d der Fussboden [x^h^h^b^ , , . ,),
auf welchem sie stehen, aufsteigen müssen , wenn alle Zu-
schauer eine horizontale Tischplatte bis zum allemächsten
Grenzpunkte a , oder eine verticale Tafel bis zum tiefstea
Grenzpunkte a, sollen frei übersehen können und wenn zu-
gleich selbst die in den entferntesten Bänken sitzenden
Zuschauer unter übrigens gleichen Umständen d. h. bei der-
selben Zuschauermenge, bei derselben Anzahl und Entfer-
nung der Sitzreihen von einander und der ersten Augenreihe
von den Sehobjecten, so nahe als möglich bei den letz-
teren pla^irt sein sollen.
Es versteht sich von selbst, dass die Curve, welche man
nach diesen Constructionsregeln erhält, sehr verschiedene
Formen annehmen muss, je nachdem man die willkürlichen
Annahmen, entsprechend den verschiedenen speciellen
Zwecken, welche man erreichen will, verändert, immer
aber wird sie die einzig richtigen Anhaltspunkte zur
23
rationellen Construction und Anordnung der Subsellien in
Versammlungsräumen geben, in welchen nicht nur gehört,
sondern auch möglichst gut gesehen werden soll.
Die Brauchbarkeit, ja Unentbehrlichkeit dieser
Constructionsregeln ist so einleuchtend und auf der Hand
liegend^ dass sie vernünftiger Weise bei keiner neuen (.on-
struction vernachlässigt werden dürfen.
In meinem Hörsaal habe ich sie, wie gesagt, streng
durchführen lassen, und damit erreicht, dass in diesem nicht
aUzu grossen Kaum 409 sitzende und an 100 stehende —
also in runder Zahl 500 Zuschauer Platz finden, welche
alle, ohne Lücken und Spalten zwischen den Köpfen ilirer
Vordermänner suchen zu müssen, den mittleren Raum — die
Arena für den Experimentator — ganz frei übersehen und zu-
gleich selbßt die Entferntesten verhältnissmässig so na-
he als möglich pla^irtsind. Um aber die auch absolute
Entfernung jener, von den in der Arena befindlichen Sehob-
jecten entferntesten Zuschauer, welche sich in den höchsten
und hintersten Reihen befinden , möglichst zu verkleinern,
und überdies die absolut grösste Menge Menschen in dem
gegebenen Räume unterzubringen, habe ich gar keine festen
pultartigen Breter zum Auflegen von Schreibheften an den
Rückenlehnen der Sitze, und zugleich die minimalsten Di-
stanzen zwischen den Sitzreihen in Anwendung bringen
lassen. In einem »Spectatorium«, wo es sich in erster Linie
um das Sehen handelt, schien mir die Rücksicht auf das
Nachschreiben in die zweite Linie zu gehören ; übrigens
lassen sich Notizen sehr gut mit Bleistift in ein freigehal-
tenes , steifgebundenes Büchlein machen und für Einzelne,
welche sich ohne Nachschreiben nicht behelfen können, —
»denn was man schwarz auf weiss besitzt, kann man getrost
24
nach Hause tragen« ! — wäre durch frei zwischen die Sitz-
reihen einstellbare Pulte, wie Sie dort eines s^hen, leicht
Bath zu schaffen.
Um aber bei der aus guten Gründen gewählten, absicht-
lich minimalen Distanz der Sitzreihen von einander die freie
Communication zu ermöglichen, wurden die einzelnen Plätze
wie Sperrsitze, zum Aufklappen eingerichtet, und habe ich,
um wenigstens einen Ersatz für die nothwendige und ab-
sichtliche Raumbeschränkung in dieser Richtung durch be-
sondere Bequemlichkeit der Sitze und der Rückenlehnen zu
bieten, dieselben nach einer auch meinen Wunsch von Herrn
G. Müller eigens zu diesem Zweck entworfenen mittleren
Schattenrisscurve von bequem sitzenden Menschen aus-
schweifen und gegen einander neigen lassen.
Ich zweifle nicht m. H. !, dass Ihnen ein bedeu-
tender Unterschied zwischen unseren Sitzen und gewöhn-
lichen Auditoriums-Bänken angenehm auffallen wird, wenn
Sie sich auf ihren Plätzen gehörig zurücksetzen und zurück-
lehnen ! — So frei und möglichst gleich gut nun auch alle
Anwesenden diesen mittleren Raum — die Arena des Expe-
rimentators — und Alles, was daselbst vorgeht , übersehen
können. Vieles von Dem, was hoffentlich später einmal in
diesem Saale vorgezeigt werden dürfte, wird sich den Blicken
auf der hinter dem Rücken des Vortragenden befindlichen
grossen freien Wand darbieten. Dieser Wandfläche gegen-
über befinden sich aber die Anwesenden nicht alle in
einer verhältnissmässig so gleich guten Lage , um Alles zu .
sehen, was den Blicken geboten wird, wie gegenüber der
centralen Arena.
Zwar die mustergiltige Anordnung der Sitzreihen in
verticaler Richtung ermöglicht Allen das ganze Mittelfeld
25
der Wand von oben bis unten zu übersehen — allein die
Sehlinien Derjenigen , welche auf der rechten oder linken
Seite Tom Mittelfelde der Wand sitzen, müssen nothwendig
einen um -so spitzeren Winkel mit demselben machen, je
näher ihre Plätze der Wand selbst liegen und je weiter sie
zugleich vom Wandemittelpunkt in seitlicher Richtung ent-
fernt sind.
Dies hat zur Folge, dass sich die Büder, welche auf
jenem >Gttelfelde der Wand zu sehen sind , in wachsender
Verkürzung prasentiren, welche für die äussersten seitlichen
Eckplätze zunächst der beiden, längs der Wand herabfuhren-
den Stiegen einen das Erkennen der Bilder wesentlich be-
einträchtigenden Grrad erreicht.
Dieser unter den vclHiandenen Verhältnissen unver-
meidliche Uebelstand ist in den höheren Sitzreihen, weit
merklicher und störender, als in den unteren, so dass der
Raum, in welchem die wenigen, in dieser Hinsicht unbrauch-
baren Sitze beiderseits liegen, die Gestalt eines rechtwinke-
ligen Dreiecks hat, dessen Spitze etwa in die Gegend des
Eckplatzes der dritten und vierten Sitereihe fallt, während
die Basis desselben die letzten 3—4 Sitze der höchsten Reihe
umfasst.
Dieser Uebelstand ist es , auf welchen ich schon Ein-
gamgs als auf eine der Unzukömmlichkeiten hingewiesen
hatte, die bei den gegebenen Verhältnissen aus der dem be-
rühmten Hörsaal der Royal Instition entlehnten Grundriss-
form erwachsen mussten.
Nach den bisher gemachten Erfahrungen würde ich
heute diese Grundrissform trotz ihrer sonstigen Vorzüge
wesentlich modificiren und namentlich die in jenen todten
Dreiecken liegenden — freilich nur in der einen, ange-
26
deuteten Beziehung ungünstigen Sitze wahrscheinlich ganz
opfern, weil sich in der grossen Wandfläche, gegen welche
sie eine allzu nahe und seitliche Position haben, nicht nur
die drei schwarzen Tafeln zum Schrpben und Zeichnen be-
finden, sondern weil diese Fläche auch zum Aufhängen
aller gemalten und zum Auffangen aller optisch-projicirten
Bilder und Darstellungen bestimmt ist.
Die mittlere schwarze Tafel ist nach unten verschieb-
bar und deckt einen verglasten Hejrdraum zu chemischen
Zwecken, der stark zu ventiliren ist. Zu den zwei seitlichen
Schreibtafeln, welche wegen der verhältnissmässig be-
schränkten Ausdehnimg der mittleren imbedingt nöthig
waren, habe ich die oberen Hälften der beiden Holzthüren
selbst verwerthet, die in den anstossenden Vorbereitungs-
und Arbeitsraum führen. Der schwarze Anstrich der Tafeln
ist noch etwas zu glatt und spiegelnd und wird bald durch
einen rauheren und matteren ersetzt werden.
Zum Aufhängen von gemalten Bildern befindet sich
an der Wand ein langer horizontaler Stab, der an zwei
dünnen Seilen, welche im Nebenzimmer um eine mit Kurbel
und Sperrhaken versehene Welle gehen, in jede beliebige
Höhe hinaufgezogen und herabgelassen werden kann.
Auf diesem Stabe sind eine Anzahl von Messingringen
mit Häkchen aufgeschoben, die zum Einhängen der mit
-Oesen versehenen Bilderstäbe dienen und je nach der An-
zahl der Bilder und sonstigem Bedürfniss auseinanderge-
stellt werden können.
Jetzt befinden sich alle architektonischen Skizzen upd
sonstigen Darstellungen, welche ich für meine heutige An-
27
Sprache blrauche, an dem Stabe — und Sie mögen selbst
erkennen, wie praktisch diese Einrichtung ist*).
Zum Auffangen der optisch zu projicirenden Bilder,
Schattenrisse und anderen Lichtphänomene, welche ich zu
den demonstrativen Zwecken des physiologischen Anschau-
ungsunterrichtes in einer neuen und ganz besondem Weise
auszubilden und zu verwerthen gedachte, ist nicht nur die
grosse gegypste und sorgfältig mattgeschliffene weisse Kreis-
fläche in der Mitte der Wand selbst bestimmt, sondern auch
noch ein kolossaler, mit einem eigenthümlichen weissen
Anstrich versehener Leinwandvorhang angebracht, welcher
knapp vor der Wand, bis zu den zwischen den schwarzen
Tafeln vorspringenden Waschbecken herabgelassen werden
kann ; er hat eine Area von mehr als 6 Meter D .
Ich komme hier auf einen Gegenstand von allgemeinem
Interesse für Demonstrationszwecke, den ich an sich mit
*j NacTitrSglich will ich hier mittheilen, welche Vorkehrungen ich
ersonnen habe, um die zahlreichen Bilder, welche in jedem Institut zu
einer kaum zu bewältigenden Last anwachsen, bequem aufzubewahren.
Die Bilder werden nicht gerollt, sondern entweder frei an ihren Stä-
ben herabhängend in hohe Schränke geschoben , deren Thüren an der
schmalen Seite sich befinden und deren je nach Format der Bilder aus-
einanderstehende horizontale Scheidewand und Decke an ihren unteren
Flächen dichtgedrängte umgekehrt T förmige Leistenreihen (_LJ._LJ.)
tragen , zwischen welchen die von der Seite eingeschobenen Stäbe und
Fapierdicken gerade Flatz haben ; o de r die Bil^erstäbe sind zum Ab-
nehmen eingerichtet [aus zwei zusammenklappbaren Leisten) und die Bil-
der kommen ohne alle Stäbe in ein kolossales Portefeuille mit Bretter-
deckelU; weichesauf die Kante gestellt, in einer Vertiefung in der Wand
eingelassen ist und daher gar keinen Kaum wegnimmt. — Ich habe auf
diese Weise Hunderte von Tafeln, nach Format und Grösse zusammen-
geordnet und fortlaufend nummerirt in einem sehr kleinen Räume
untergebracht. Ein Katalog, der die Bilder sachlich geordnet auf-
führt und bei jedem Bilde die fortlaufende Nummer angiebt, erlaubt
jeden Augenblick das Gesuchte sicher zu finden.
28
Vorliebe und vielleicht zu Nutz' und Frommen der Sache
behandeln würde, den ich aber mit Bezug auf die bis jetzt
zu Stande gebrachten Einrichtungen — verglichen mit den
ursprünglich von mir beabsichtigten, nicht eingehender be-
sprechen könnte, ohne sogleich in jene tiefe Verstimmung
zurückzufallen, welche mir im vorigen Sommer meine ohne-
hin etwas angegriffene Gesui^dheit bedenklich erschüttert
und alle Kraft und Schaffensfreude gelähmt hat.
Ich beschränke mich daher auf die einfache Vorführung
Dessen, was ich mit unverhältnissmässig grossen
Opfern erreicht habe; — dass auch hiervon noch ein be-
reits wohlerworbener Theil fehlt, mögen Jene verantworten,
deren unqualificirbares Verhalten daran Schuld ist. —
Dort oben, gerade gegenüber der grossen Projections-
wand, befindet sich zwischen den beiden Treppenhäusern,
die aus der Garderobe zum Amphitheater heraufführen, ein
einfensteriger Baum, durch Schiebethüren verschliessbar.
Er enthält die optischen Apparate, welche auf die vor dem
Raum befindliche, mit einem Geländer eingeteriedete Piat-
form vorgeschoben, ihre Bilder, über die Köpfe der Zu-
schauer hinweg, auf die Kreisfläche oder den Vorhang der
Projectionswand werfen.
Diese Apparate bestehen aus zwei Camera's mit mäch-
tigen Achromaten, und Drummond'schen Kalklichtbrennern
welche letzteren als eine sehr reine, stätige und kräftige
Lichtquelle dienen. Die Leuchtgas- und Sauersto%asometer
zur Erzeugung der Knallgasflamme, welche die Kalkcylin-
der in Weissgluth versetzt, befinden sich in den Keller-
räumen des Vordergebäudes und senden ihre Leitungen bis
in das optische Zimmerchen hinauf. Auf ihrem Wege geben
diese Leitungen Zweige ab, welche, durch Hähne absperr-
29
bar, sowohl im anstossenden Vorbereitungs- und Arbeits-
raum^ als hier in der Arena des Amphitheaters unter kaum
sichtbaren Klappen im Fussboden münden, um die Be-
nützung des Drummond'schen Lichtes eventuell auch an
diesen Orten zu ermöglichen.
Die beiden Camera's geben grosse und äusserst scharfe
Bilder von durchsichtigen oder durchscheinenden Objecten,
Photographien u. dgl.^sie geben aber auch vorzüglich scharfe
Schattenrisse undurchsichtiger Gebilde.
Die Bilder beider Camera's lassen sich nach Art der
Dissolving-views zur gegenseitigen Deckung bringen, wo-
durch besondere optische Effecte zu erzielen sind.
Nebst den beiden grossen Achromaten ist noch eine
schärfere, sehr lichtstarke achromatische Linse für kleinere
Objecte vorhanden und ein Reversionsprisma, welches ohne
übermässigen Verlust an Helligkeit die auf den Kopf ge-
stellten Camerabilder umkehrt und in dieselbe aufrechte
Stellung bringt, in welcher sich das Object selbst befindet.
Ich bin mit der mannigfaltigen Verwerthung dieser
Demonstrationshilfsmittel für physiologische Zwecke be-
schäftigt^ und darf hoffen doch noch einen Theil meiner
ursprünglichen Ideen in dieser Richtung zu realisiren,
worüber ich mich jedoch nicht weiter verbreiten will ; da-
gegen werde ich mir erlauben Ihnen am Schlüsse meiner
Rede einige Proben von der verschiedenen Verwerthbarkeit
und optischen Leistungsfähigkeit meiner wenigen Apparate
zu geben.
Beiläufig will ich nicht verschweigen, dass der mecha-
nische Theil der Apparate leider wesentlicher Verbesse-
rungen und Modificationen wegen unpraktischer Einrich-
tung bedarf und dann noch verschiedener neuer Neben-
30
Vorrichtungen, deren Herstellung sehr zeitraubend und
mühselig ist.
Bezüglich des optischen Zimmerchens ist noch hervor-
zuheben, dass es behufs thierisch- elektrischer, thermo-
elektrischer etc. Demonstrationen auch zur Aufstellung eines
Spiegelgalvanometers bestimmt ist, dessen Eeflexbildchen
auf eine an der Projectionswand angebrachte grosse Grad-
eintheilung fallen wird , um die Tangente des Ablenkungs-
winkels ersichtlich zu machen. Bei dieser Anordnung bilden
die Lichtstrahlen einen gewichtlosen Fühlhebel von circa
13 Meter Länge, wodurch schon die allerkleinsten Ablen-
kungen überaus deutlich werden müssen.
Endlich hebe ich auch noch hervor , dass das Fenster
des optischen Zimmerchens unmittelbar nach Süden sich
öfinet, so dass es vermittelst eines Heliostaten ermöglicht ist
Sonnenlicht direct auf die Projectionswand zu bekommen.
Ich gehe nun zur Besprechung der Beleuchtungs- und
Verdunkelungs-Einrichtungen über. Die Erleuchtung des
ganzen grossen Raumes wird durch ein einziges kolossales
Deckenfenster bewerkstelligt, üb er dessenmatten Glasschei-
ben am Abend ein Sonnenbrenner und 96, theils in der Priphe-
rie theils, im Centrum, an einem um eine verticale Axe dreh-
baren Lustre angebrachte Argand-Gasbrenner angezündet
werden, welche eine überaus angenehm-difiuse, tageslicht-
ähnliche Beleuchtung geben. Dieselbe genügt zwar voll-
kommen, um sowohl die in der Arena befindlichen Dinge,
als die an der Wand hängenden Bilder und die Kreide-
striche auf den schwarzen Tafeln zu sehen, allein ich habe
doch noch dafür gesorgt, dass einzelne Objecto mit ganz
besonderer Intensität beleuchtet werden können. Hierzu
dient einerseits ein Sounenbrenner mit parabolischem Re-
31
flector, welcher auf einem von Herrn Müller entworfenen,
etwas zu complicirten, auf Rollen stehenden Gestell nach
allen Richtungen beweglich angebracht ist, andererseits die
Kalklicht-Camera im optischen Zimmerchen. Eignet sich
der Softnenbrenner besonders zur intensivere^ Erleuch-
tu ag der in der Arena befindlichen Gegenstände , so ist die
Camera, in welche passende Diaphragmen eingeschoben wer-
den, zur Verstärkung der Beleuchtung der einzelnen Wand-
bilder unübertrefllich.
Die D ä m p f u n g der Intensität des vom Oberlicht aus-
gehenden Gaslichtes kann , vom Hörsaal aus, durch Hand-
habung eines, rechts von den schwarzen Schreibtafeln, aus-
schliesslich in die Gasleitung für die 96 Oberlichtflammen
eingesetzten Hahnes bewerkstelligt werden.
Zur vollständigen Verdunkelung des Raumes
bei Tag oder Nacht dient aber eine schwarze Filztuchgar-
dine, welche unmittelbar über den matten Glasscheiben des
Oberlichts, zwischen diesen und den Argandgasbrennem
läuft und, von ihrer Welle abgewickelt, das ganze Plafond-
fenster lichtdicht deckt.
Dieses Abwickeln der Verdunkelungs - Gardine von
ihrer Welle und das Wiederaufwickeln derselben geschieht
vorläufig durch Menschenhand , doch soll dies , da ich, wie
ich gleich angeben werde , über eine hinreichende mecha-
nische Kraftquelle verfüge, in Zukunft durch letztere ge-
m
leistet werden. Und zwar sind die nöthigen Einrichtungen
unter der persönlichen Leitung unseres überaus tüchtigen
Mechanikers Herrn E. Hoflmann im Werke, um hier vom
Saale aus, durch einen einfachen Zug an einer Handhabe
die gewünschte Bewegung in Gang zu bringen. Ich kann
hier die beiläufige Bemerkung nicht unterdrücken, dass ich.
32
Wie auf so manches Andere, um von Schlimmerem nicht zu
reden, auch auf die Beendigung dieser längst völlig ins Reine
gebrachten Einrichtungen seit mehr als einem vollen
Jahre vergeblich warte. Da soll Einem die Kraft und die
Schaffensfreude nicht vergehen — namentlich wenn man
sonst schon leidend und reizbar ist. —
In einem Laboratorium, in welchem alle Arten von
wissenschaftlichen Arbeiten im Sinne der heutigen Expe-
rimental-Physiologie sollen vorgenommen werden können,
ist eine jeden Augenblick zur Verfügung stehende mecha-
nische Kraftquelle — wenn auch nicht unentbehrlich — so
doch ausserordentlich bequem und vortheilhaft.
Ich habe es mir daher nicht versagt eine solche fär
mein Laboratorium zu beschaffen , und da ich dieselbe fiun
einmal hatte, so habe ich mir ihre Wirkungen durch Trans-
missionen nicht nur in den eigentlichen Arbeitsräumen,
Hondorn auch hier in diesem Amphitheater zu blossen De-
nionstrationszwecken dienstbar zu machen beschlossen.
Icli habe schon angegeben, dass«ie die Verdunkelungs-
gardine in Bewegung zu setzen haben wird — ich füge hin-
xu, dasH ich eine Transmission einrichten liess, vermittelst
welcher hier im Saale selbst mechanische Triebkraft jeden
Allgenblick zur Verfügung steht, wie ich Ihnen sogleich
zeigen werde.
Docli zuvor muss ich von dem Motor selbst sprechen.
Icli liabe hierzu versuchsweise eine Nagel & Kaemp'sche
I^artial-Turbinc mit Selbstregulirung gewählt, welche durch
(une Wassersäule von 10 Meter Höhe getrieben wird. Zu
diesem Ende wurde die Turbine in einen der Kellerräume
des Vordergebäudes gesetzt, während ein durch die städti-
sclie Wasserleitung gespeistes grosses Reservoir mit
33
Schwimmhahn in dem senkrecht darüber befindlichen Bo-
denraum angebracht wurde.
Ich öffne nun hier im Fussboden ein Klappe und ziehe
einen Treibriemen herror, den ich über das Rad dieser
Welle lege, welche von einem festen tischartigen Gestell
getragen wird.
Drehe ich jetzt an diesem an der Wand befindlichen
Rad nach links , so öffne ich vermittelst eines über Rollen
gehenden Gutta-Perchastranges den Triebhahn der Tur-
bine im Keller. Sie hören an einem fernen dumpfen Ge-
räusch, dass sich die Maschine in Bewegung gesetzt hat.
Die Welle läuft, wenn ich den Auslösungshebel einstelle,
und ich kann nun jeden mit der Stufenscheibe der Welle
durch eine Schnur in Verbindung gesetzten Apparat z. B.
den Blasebalg zur künstlichen Athmung, irgend einen Re-
gistrir-Apparat, eine Centrifuge u. dgl. treiben.
Zur Regulirung der Geschwindigkeit des Ganges der
Apparate dient nicht nur die Stufenscheibe der Welle,
sondern es ist auch möglich, abgesehen von der Kraftregu-
lirung der Turbine im Keller unten, durch beliebige Ein-
stellung- des Partial - Fächerrades , die Umdrehungsge-
schwindigkeit der Welle selbst in weiten Grenzen von hier
aus zu varüren, indem man an jenem zweiten Rade an der
Wand dreht, wodurch die mit zwei Coni's versehene Trans-
mission den Treibriemen, bei gleichbleibender Kxaflent-
wicklung der Turbine, rascher oder langsamer um»
laufen macht.
Noch hätte ich die Heizungs- und Ventilations-Ein-
richtungen des Amphitheaters zu besprechen, doch ich be-
gnüge mich mit den folgenden Andeutungen, da Herr
Architekt Müller mit meiner Zustimmung eine detailirte
3
\
\
34
und illustrirte Beschreibung meines ganzen Laboratoriums
für Bauverständige zu publiciren gedenkt.
Es sind im mittleren Kellerraum, gerade unter der Arena
des Amphitheaters vier Caloriferen angebracht, welche je nach
der Einstellung grosser Ventile entweder aus dem Zuhörer-
raum selbst oder durch unterirdische Canäle aus der freien
Atmosphäre Luft entnehmen. Die frische erwärmte Luft
dringt in unmerklichem Strome, theils aufeinemUmwege
durch die Garderobe, welche hierdurch ebenfalls temperi^t
wird, theils direct in den Zuhörerraum, von wo sie fort-
während durch grosse Ventilations-Canäle abgesaugt wird,
so dass ohne den geringsten wahrnehmbaren Zug eine con-
tinuirliche Circulation der Luft erreicht und jede störende
Anhäufung von Hitze und Ausdünstungsproducten vermie-
den ist. Leider hat Herr Kelling aus Dresden die Anlage
allzusehr complicirt, so dass deren Bedienung zu viel Auf-
merksamkeit erfordert und Weitläufigkeiten verursacht, die
wohl hätten vermieden werden können, ohne ihrer Leistungs-
fähigkeit wesentlich Abbruch zu thun.
Bei den wenigen einzelnen Vorträgen, welche ich zu
Ende des vorigen Winters, zum Theil in der Absicht das
Auditorium einer Sitz-, Hör- und Sehprobe zu unterwerfen,
gehalten habe, war beispielsweise nach dem IY2 stündigen
Aufenthalt von mehr als 400 Menschen die Temperatur,
selbst in den höchsten Käumen des Amphitheaters allerdings
noch^nicht um 3*^R gestiegen.
Nachdem ich nur noch hervorgehoben haben möchte,
dass die Akustik des Raumes sowohl in Bezug auf die Lqich-
tigkeit des Sprechens als des Hörens gar nichts zu wünschen
übrig lässt — eile ich zum Schluss meiner S^de.
35
Hochverehrte Anwesende !
Ich habe mich aus naheUegenden Gründen gedrungen
gefühlt meine Ideen und Pläne für die Einbürgerung eines
wirklich allgemein fasslichen und gründlichen physiolo-
gischen Anschauungsunterrichts an der Universität, welche
ich vor nunmehr drei Jahren bekannt gab und mit rück-
sichtslosem Eifer zu realisiren begann, nochmals zu be-
sprechen , nachdem ich theils durch äussere Umstände der
widrigsten Art, theils durch den andauernd leidenden, und
in Folge einzelner jener äusseren Umstände so sehr ver-
schlimmerten Zustand meines Befindens viele Monate hin-
durch an jeder geistigen Thätigkeit überhaupt und speciell
an der Verfolgung und Ausführung jener Ideen und Pläne
gehindert war.
Auch jetzt noch ist mir die Kraft und die Freude an
dieiser letzteren Arbeit nicht in vollem Maasse wiedergekehrt,
und überdies mag ich die Befriedigung nicht länger missen,
die die ernste, stille, wissenschaftliche Forscherarbeit
gewährt, welcher ich während der letzten drei Jahre —
allerdings mit Absicht — allzuviel Zeit zu Gunsten jener
mehr äusserlichen Thätigkeit entzogen habe.
Weil ich nun aber die Zeit und die allmälig wieder-
kehrende Kraft gar sehr zu ßathe halten muss, so werden
die unvollendet gebliebenen und nach meinem Sinne und
Urtheil noch ganz unzureichenden Vorbereitungen für den
geplanten physiologischen Anschauungsunterricht — wenn
überhaupt — nur sehr allmälig zu einem solchen vor-
läufigen Abschluss gelangen können , dass er mich in die
Lage und Stimmung zu versetzen vermöchte mit dem Unter-
rieht selbst zu beginnen.
Ich habe jedoch viel zu viel für diese Sache gethan und
36
erreicht, als dass ich die Beschäftigung mit derselben, trotz-
dem sie mir durch ein solches Unmaass menschlich be-
greiflichen Unmuths über gescheiterte Ziele, unerfüllte
Hoflhungen sachlicher und persönlicher Art völlig verlei-
det worden war, schon jetzt ganz aufgeben und fallen lassen
wollte und könnte, und überdies muss ich lebhaft wünschen^
dass Das, was ich dabei durch die Errichtung dieses Specta-
toriums zum bleibenden Gewinn für unsere Universität ge-
leistet zu haben glaube, dem öffentlichen Unterricht womög-
lich sofort zu Gute komme.
Desshalb habe ich nicht länger zögern wollen — da
doch Alles auch seine richtige äussere Form und Art haben
will, — zur heutigen »Eröffiiungsversammlung« einzuladen^
um diesen Saal, mit seinen eigenthümlichen und zum Thöil
hinreichend beendeten Einrichtungen zu inauguriren und
speciell dem h. Rectorate unserer Universität öffentlich und
feierlich zur Verfügung zu stellen. —
Nachschrift.
Nach Schluss vorstehender Rede wurde das Amphitheater
vollständig verfinstert und ich demonstrirte vermittelst der er-
wähnten Kalklicht- Camera's vom optischen Zimmerchen aus,
folgende Bilder, Präparate und lebendige Vorgänge.
1. wurde eine jener wundervollen embryologischen
Photographien von Prof. His, welche das Vollendetste «sind,
was in dieser Richtung bisher geleistet ist, auf den grossen Lein-
wandvorhang projicirt; es war dies ein überaus gelungenes Original-
Negativ auf Glas, dessen Benützung ich der Güte meines genann-
ten Herrn Collegen verdankte. Es stellte den mikroskopisch ver-
grösserten Querschnitt eines Hühnerembryo aus früher.Zeit dar, an
welchem nicht nur die einzelnen Organe, wie das Rückenmark mit
seinem spaltförmigen Centralcanal, die Chorda dorsalis, die Urwir-
37
belmassen, dieSeitenplatten, die Lumina und Wandungen der bei-
den AusfÜhrungsgänge der Wol ff sehen Körper und der beiden
Aorten, das Darmdrüsenblatt und die Anlage der Iieibeshöhle mit
der Uebersichtlichkeit einer schematischen Zeichnung erschienen,
sondern an welchem auch die histologischen Elemente mit über-
raschender Deutlichkeit und Schärfe hervortraten ; namentlich sei
erwähnt, dass an einer der Aorten eine Überaus klar gezeichnete
Gruppe von embr}'onalen Blutkörperchen hängen geblieben war,
die zum Theil frei in das Lumen derselben hineinragte.
Um eine Idee von der Ausdehnung und Grösse des projicir-
ten Bildes zu geben, brauche ich nur anzuführen , dass es den
mehr als 6 Meter breiten Leinwandvorhang in querer Richtung
vollständig deckte.
2. wurden zwei grosse, dünngeschliffene Knochendurch-
schnitte, welche ich der Freundlichkeit meines geehrten Collegen
Prof. Braune verdankte, in scharfem Schattenriss gezeigt, um
die in neuerer Zeit von H. Meyer u. A. einer besondern Auf-
merksamkeit gewürdigte Architektonik der spongiösen Substanz
zu illustriren.
Der eine Durchschnitt umfasste den Kopf, Hals, Trochanter
und das obere Drittel eines menschlichen Femur*s , der andere
das ganze obere Gelenksende der Tibia. Die Schattenrisse
deckten in senkrechter Richtung über Y5 — Y4 des Vorhangs. —
Nachdem der leinwandne Projectionsvorhang wieder ganz
in die Höhe gezogen worden war , demonstrirte ich auf der frei-
gewordenen gegypsten Kreisfläche der Wand :
3. eine genau nach dem Original transparent colorirte Pho-
tographie des Bildes vom Hundeknie mit den primitiven Lymph-
wegen der sehnigen Gebilde aus der bekannten Abhandlimg von
■
Ludwig und Schweig er -Seidel.
4. wurde jene umgrenzte Stelle dieses Bildes, welche die
blau injicirten netzförmigen Lymphbahnen und die roth gefüllten
Blutgefässverästelungen enthält, mit der stärkeren Linse meines
Apparates in bedeutenderer Vergrösserung projicirt, so dass die
feinsten Ramiflcationen mehr als fingerdick erschienen und
ausserordentlich scharf und deutlich hervortraten.
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5. wurde eine zweite genau nach dem Originalbilde von
Prof. K e c 1 a m transparent cplorirte Photographie des Durch-
schnittes der menschlichen Haut projicirt, welche mit den roth
injicirten Blutgefässen , den Haarbälgen sammt Talgdrüsen, den
Unterhautfettzelleninseln , den Schweissdrdsen , dem Papillär-
körper und der Malpighi' sehen und Oberhautschichte eine recht
hübsche Illustration der »Hautstructur darstellt, — nur schade
dass die Schweissdrüse und ihr in Wirklichkeit korkzieherförmig
gedrehter Ausführungsgang auf dem Original nicht glücklich
wiedergegeben sind! —
6. zeigte ich mein neues künstliches Kreislauf-
schema, bei welchem ein ausgeschnittenes, fortschlagendes
Froschherz als natürli-
cher Motor dient*) . Der
kleine Apparat , sammt
dem pulsirenden Frosch-
herzen, wurde ,um allen An-
wesenden deutlich sichtbar
gemacht zu werden , in
scharfem Schattenrias auf
^6 gegypste Kreisfläche
projicirt und erschien —
da das Reversionsprisma
eingeschaltet wurde — in
aufrechter Stellung. Der-
selbe erläutert die funda-
mentale Thatsache des
Blutkreislaufs mit solcher
Anschaulichkeit und Ele-
ganz , und empfiehlt sich
^. . ^ 1- 1. V • 1 r u : überdies so sehr durch
Flg. 5. Künstliches Kreislaufschema mit
lebendigem Motor (Froschherz). leichteHerstellbaxkeit^dasB
^
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*) Ein ähnliches , freilich viel gröberes Schema mit einem todte^
Säugethierherz, an welchem mit der Hand gejjumpt wurde , pflegte ich
schon vor Jahren zu demonstriren. Vgl. meinen Vortrag )>Üeber das
Herz etc.« Leipzig, J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, 1871. pag. 16 u. f.
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ich ihn genauer heschreiben will, um mir den Dank der praktischen
Lehrer der Physiologie zu erwerben . denn jeder von ihnen wird
mein Schema als Collegienversuch sehr brauchbar finden.
Ein Stativ S mit schwerem Fuss trftgt einen horizontalen
Qlasstab i^), auf welchen zwei länglich viereckige Korkstücke
(k,k') aufgeschoben sind. In der verticalen Bohrung jedes dieser
Korke ist ein kurzes Stück einer dickwandigen KautschuckrOhre
(c,c') durchgeschoben und eingeklebt, welches nach unten etwa
1 Cm. weit frei hervorsteht. In die obere Oeffnung der einen Kaut-
schuckrOhre wird das untere Ende der Steigröhre (a), welche an
ihrem oberen Ende in eine feine, umgebogene Spitze ausgezogen
ist, senkrecht festgesteckt; in das zweite Kautsch uckrOhrchen
kommt ebenso ein Glastrichterchen (v) . In die unteren Oeff-
nungen der K autsch uckföhrchen wird einerseits die gerade glä-
serne Kanüle (a') eingeschoben , welche in den einen Hauptast
des bulbus aortae (ba) des Froschherzens (h) eingebunden ist,
während andererseits die passend gebogene Kanüle (v^) einge-
führt wird, welche in der Vena cava inf. vermittelst einer Ligatur
befestigt wurde , die alle übrigen Venen des Froschherzens mit-
umschnürt.
Nun füllt man den Venentrichter mit Blutserum oder VsVo
Kochsalzlösung, saugt mit einer capillar ausgezogenen Glasröhre
alle sich etwa bildenden Luftblasen auf oder entfernt sie auf
andere Weise — imd sieht nun wie das kräftig fortschlagende
Froschherz die Flüssigkeit in die Steigröhre (a'a) emportreibt
und aus dem ausgezogenen und umgebogenen Ende derselben
in rhythmisch unterbrochenem Strahl in den Venen trichter hinein-
spritzt. So ist denn ein wirklicher Kreislauf der Flüssigkeit
in sehr zierlicher und anschaulicher Weise hergestellt, den man
halbe Stunden lang und mehr beobachten und erläutern kann.
Anfangs filtrirt die Kochsalzlösung , wenn ihr nicht etwas
gummi arab. zugesetzt ist, oft ziemlich stark durch die Herz-
wandungen hindurch , und man muss dann von Zeit zu Zeit et-
was Flüssigkeit in den Venen trichter nachfüllen, später vermin-
dert sich das Durchfiltriren und hört meist vollständig auf. —
7. Endlich habe ich das fortpulsirende Froschherz dieses
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Kreislaufschemas in einen mit Kochsalzlösung gefüllten Glastrog
mit planparallelen Wänden getaucht und in scharfem^ th eilweise
durchscheinendem Schattenriss vermittelst der stärker vergrössern-
den Linse meines Apparates auf das gegypste Wandfeld projicirt,
um den Rhythmus und die Formveränderungen der einzelnen
pulsirenden Herzabschnitte zu demonstriren. Selbstverständlich
wurde das Keversionsprisma eingeschaltet,^ damit das schlagende
Froschherz in aufrechter Stellung erscheine und seine Beziehungen
zum Zuge der Schwere in natürlicher Richtung erkennen lasse.
Um eine Idee von der Schaubarkeit dieser überraschenden
Demonstration zu geben, erwähne ich nur, dass der Längsdurch-
messer des an der Wand erscheinenden Schattenrisses des schla-
genden Herzens an 2 Meter betrug.
Diese neuartige Demonstration des lebendigen Herz-
schlages hat aber auch einen wissenschaftlichen Werth, indem
bei der Schärfe der Conturen des Schattenrisses und bei der be-
deutenden Vergrösserung der Bewegungen Details der Con-
tractionen der Herzabschnitte zu beobachten sind, welche dem
unbewaffneten Blicke entgehen oder kaum sichtbar werden. In
dieser Beziehung hebe ich hervor ^ dass die unregelmässigen
tetanischen und peristaltischen Contractionen beim all-
mäligen Absterben des Herzens durch zunehmende Erwärmung
in einer Mannigfaltigkeit auftreten , von der man bisher kaum
eine genügende Vorstellung hatte.
Schliesslich ergreife ich mit Freuden die Gelegenheit den
Herren Dr. Ernst Fleischl aus Wien und Dr. L uc i a n i aus
Bologna für die gefällige und geschickte Assistenz, die sie mir
bei diesen Demonstrationen zu leisten die Güte hatten, meinen
herzlichsten Dank öffentlich auszusprechen.
Leipzig, 22. XÜ. 1872.
Prof. Joh. Czermak.
■
.
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
Ve rbesserungen.
S. "i.i Z. It) V. o. statt »Um aber die auch absolute Entfernung« —
lies: »Um aber auch die absolute Entfernung« ;
S. 24 Z. 11 v.o. statt »nach einer auch meinen "Wunsch« —
lies: »nach einer auf meinen Wunsch« .
Bei Wllb. Engelmann in Leipzig erBchien ferner:
Die Physiologie
als allgemeines Bildungselenient
Antritts- Vorlesung
gehalten zu I^eipzig am 13. November 1869
von
llr« Joh. A'« Czerniak,
o. Ilonorar-ProlVijfior an der Universität.
}:r. S. 1S70. br. 7^Xgr.
Der
Kehlkopfspiegel
und seine
Verwerthong für Physiologie und Medioin.
Kiiie >loiiograpliie
von
Dr. Joh. N. Czermak
in Prag.
VorraalK onlentl. Professor der Physiologie an der k. k. Universit&t Prag.
Zweite, theilweise umgearbeitete und
vermehrte Auflage.
Mit 3 Tafeln und 26 Holzschnitten,
gr. b. 1SG3. broch. 1 Thlr. 7V2 Ngr.
Bei Carl Czermak in Wien erschien:
Physiologische Vortrage
j::ehalten im aeademischen Rosensaale
zu .lt*na.
in den Jahren
1867-1868—1869.
von
Prot Dr. Job« 1. 0sermak.
Mit 8 Steindrucktafeln und 34 Holzschnitten.
gr. 8. 1869. brocb. l Thir. 10 Ngr.
gebunden 1 Thlr. 20 Ngr.
J^nick von Broilkopf und HUrtel in LHipz:^'.
^,MEOK«. "»*«''
To-tS'^yS
F5? Czerm&lf, J.N. 79408
L5C9 aber das physlologl-
1875 sehe ~ " '