Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commcrcial parties, including placing technical restrictions on automatcd qucrying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send aulomated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogX'S "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct andhclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http : //books . google . com/|
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .corül durchsuchen.
I
RSITY OF MICHIGAN LIBRARIES
T
\
p^'.
il i'(N-v;\'-"
/v
» >
ÜBER DIE SÜNDE
,\ > ♦ - \
„s^
WELCHE
vaiiNLA^Ü 1.^ WEST ÖSTLRÜIEH lll('irni\(J IHIRlIf
S()HEIDEi\ SOLLEi\.
INAUGUML-DISSEKTATION
ZUR
KilLAX(iri\(i DER nilLOSOPHIS(:iiK.\ ROdOKni ill>K
WELCHE MIT
GENEHMIGUNG DER PIllLOSOPniSCUEN FACULTÄT
DER
VEREINIGTEN FRIEDRICHS-UNIVERSITÄT HALLE-WITTENBERG
SAMMT DEN ANGEHÄNGTEN THESEN
AM )\, OCTOBER 1885 MITTAGS 12 UHR
f')b'FKNTLlCH YERTHEIDIGKN Willi'
CARL KRAHMER
AUSFALLE A. S.
OPPONENTEN :
ERNST WILKE, cand. phil.
HEINRICH HERTZBERQ, cand. ptiil.
HALLE A. S.
GEBAUEH-SCHWETSCHKK'SCnE BÜCnORUCKERKI.
1885.
i
K SB
11031^15- l^^l
Es existirt bis zum heutigen Tage noch keine zusam-
menfassende Darstellung unserer geographischen Kenntnisse
f| von Grönland, obwohl dasselbe von allen Polarländern ohne
Zweifel das am gründlichsten erforschte ist. Die Beobacht-
ungen und Forschungen, die bisher ausgeführt wurden, sind
also noch zerstreut in den Berichten der grösseren Expe-
ditionen oder der einzelnen Beisenden, und in diesem Um-
stände hat man auch die Ursache dafür zu suchen, dass
so manche Frage der physischen Geographie von Grönland
noch niemals erschöpfend und umfassend behandelt worden
ist. Jeder Bericht hält sich natürlich immer nar an ein
bestimmtes, begrenztes Untersuchungsfeld und nimmt wohl
dann und wann auch Bezug auf die in anderen Gebieten
Grönlands gesammelten Erfahrungen; will man aber über
irgend welchen Zweig der physikalischen Geographie de»
ganzen Landes sich Belehrung verschaffen, so ist man ge-
nöthigt, eine grosse Anzahl von Büchern durchzugehen;
denn selbst für dieses Polarland hat die geographische Li-
teratur allmählich einen bedeutenden Umfang gewonnen^
ist es doch ein Eldorado für eiszeitliche Forschungen und
Sitz von ständigen europäischen Niederlassungen.
Es soll die Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, eine
auf die Topographie Grönlands bezügliche Frage eingehend
zu erörtern, die Frage nämlich, ob Grönland — abgesehen
natürlich von den äusseren Küsteninseln — ein von Süden
nach Norden und Osten nach Westen ununterbrochen zu-
sammenhängender Länderraum oder aber nur ein Archipel
von Inseln ist.
Schon in den ältesten über Grönland vorhandenen
Karten und den frühesten gedruckten Berichten wird diese
Frage berührt und in dem einen oder dem anderen Sinne
entschieden; unsere Untersuchung muss desshalb auch auf
die Anhänge der Entwicklung unserer geographischen
Kenntnisse von Grönland zurückgreifen.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden
wie von Dänemark so auch von England wiederholt Schiffe
nach dem unbekannten NW. ausgesandt ^)', während aber
die dänischen Schiflfe den Seeweg nach Grönland wieder
auffinden und die seit dem Anfang oder doch spätestens
seit der Mitte des 15. Jahrhunderts abgebrochene Verbind-
ung mit den dortigen Normannen-Kolonien wieder herstellen
sollten, war es das Ziel der Engländer, auf diesem Wege
die für überschwenglich reich gehaltenen Länder des ö.
Asiens zu erreichen. Zu den englischen Expeditionen dieser
Art gehören u. a. auch die drei Reisen des Martin Frobi-
sher in den Jahren 1576 — 1578. Es greift jedoch über
unser Interesse hinaus, den Verlauf dieser Beisen hier im
einzelnen zu verfolgen 2) ; es genügt hervorzuheben, dass
Frobisher auf jeder seiner Expeditionen den nach ihm
benannten Busen von Baffinsland erreichte, dass er selbst
aber diesen Busen für eine Meeresstrasse hielt; das ferner
in Folge der Ungenauigkeit des über Grönland und die
benachbarten Gebiete damals vorhandenen Kartenmateriales,
in Folge der höchst mangelhaften Längenbestimmungen und
in Folge von irrigen Schlüssen Froljishers selbst über den
Zusammenhang des Grönlands unserer Tage, dessen Süd-
spitze er passirt hatte, mit den w. davon gelegenen Ländern,
auf den nach jener Zeit erscheinenden Karten die „Fro-
bisher -Strasse" als ein Sund quer durch das südliche
1) Hans Egede, Beschreibung und Naturgeschichte von Grönland,
üebersetzt von D. Job. Ge. Krünitz. Berlin 1763. pag. 50 ff . —
Account of Iceland, Greenland and the Faroe Islands, with Illsustra-
tions of their natural History. Edinburgh 1840. p. 277 ff. — Die
zweite deutsche Nordpolfahrt ; 1. Bd. pag. 250 ff. — Anton v. Etzel,
Grönland geographisch und statistisch beschrieben. Stuttgart 1860.
pag. 61, 62.
2) Das Ausland. Jahrgang 1878. pag. 421, 454, 464, 488. —
Friedrich von Hellwald, Im ewigen Eis. Stuttgart 1881. pag. 332—39.
Grönland gezeichnet wurde ^). Die Ungenauigkeit der zur
Zeit Frobisher's kursirendeu Karten über die nw. Gebiete
des Atlantischen Oceans ist leicht erklärlich, waren sie ja
nur nach den von den Normannen tiberlieferten Sagas und
nach den Reiseberichten der Gebrüder Zeni und des Por-
tugiesen Gaspar Cortereal entworfen worden 2); alle diese
Berichte waren aber ohne Längen- und Breitenbestimm-
ungen, erfuhren desshalb auch mehrfache Deutung und
trugen dadurch natürlich auch sehr zur Verwirrung der
Kartenbilder bei'*).
Der Irrthum aber, der darin bestand, dass die „Fro-
bisher - Strasse" in das südliche Grönland eingezeichnet
wurde und an dieser Stelle also eine ofTene, fahrbare
Meerenge existiren sollte, musste um so allgemeinere Ver-
breitung finden, weil zur Zeit Frobisher's eine neue Aera
der Befahrung der w. von Grönland gelegenen Meerestheile
begann; denn in das £nde des 16. und in das 17. Jahr-
hundert fallen nicht nur die Grönland -Expeditionen der
Dänen und die Versuche der Engländer, auf nw. Wege
Ghatai und Ostindien zu erreichen, sondern es schickten
nun auch die verschiedensten europäischen Nationen Wal-
fischfahrer-Flotten nach der Davis-Strasse und Baffins-Bai,
um den Fischreichthum jener Meere auszubeuten*). Vor
allen thaten dies die Holländer; daher waren sie es auch,
welche die besten Karten über jene Gebiete lieferten^), und
somit der Ansicht, dass die „Frobisher- Strasse" als ein
Sund das südlichste Grönland durchschneide, seit dem An-
fang des 17. Jahrhunderts weite Verbreitung verschafften.
Ein Vergleich der alten holländischen und nach diesen ent-
1) Kapitain C. Normann in Geografisk Tidskrift (Kjobenhavn) II.
1878. pag. 54 Anm. — Ausland. Jahrgang 1878. pag. 490. — Pe-
Bchel, Geschichte der Erdkunde. München 1865. pag. 272.
2) Anton von Etzel, Grönland, pag. 4.
3) Vergh dazu: Peschel, Geschichte der Erdkunde, pag. 93, 271,
358-359
4) Peschel, pag. 286. — F. v. Hellwald, Im ewigen Eis, pag,
349, 373. — David Cranz, Historie von Grönland; 2. Aufl. Barby
1770. pag. 7.
5) David Cranz, pag. 7.
1*
worfenen übrigen Karten mit den im Laufe des vorigen
Jahrhunderts von den dänischen Ansiedlern constmirten
zeigt, dass die „Frobisher- Strasse' in der Breite des Ser-
miUarBuk- Fjordes stLdlich von Frederiksbaab eingezeiehnet
zu werden pflegte.
Die Gesehiehte der Geographie Grönlands bietet uns
noch ein zweites Mal den Fall dar, dass ohne jedwede
Beobachtung und Erfahrung an Ort und Stelle selbst die
Meinung von einer das ganze Land von 0. nach W. durch-
ziehenden Meeresstrasse auftaucht. •
Es ist bekannt, dass im Laufe des 14. Jahrhunderts
der bis dahin mit den Normannen -Kolonien in Grönland
von Dänemark und Island aus unterhaltene Verkehr immer
seltener und spärlicher wird und im Beginn des 15. Jahr-
hunderts gänzlich aufhört; nicht nur, dass in Folge dessen
die Kenntniss des Seeweges zu den Brüdern im fernen
Polarland verloren ging, ja man liess im Mutterlande für
geraume Zeit auch völlig ausser Acht, dass überhaupt jen-
seits des Oceans Stammesgenossen lebten, deren Existenz
man früher durch Tausch und Handel gefördert hatte. Der
Drontheimer Erzbischof und Kanzler des Königs Christian IL
(1513—23) Eirik Axelson WalkendorflF hat das Verdienst^
zuerst wieder den Gedanken an die Normannen in Grön-
land wachgerufen und zur Wiederanknüpfung des Verkehrs
mit ihnen angeregt zu haben. 2) WalkendorflF fiel nun aller-
dings bei seinem König zu bald in Ungnade, so dass er
seine Pläne nicht praktisch ausfuhren konnte; er hat aber
von schriftlichen Berichten und den bei seinen Zeitgenossen
noch kursirenden mündlichen üeberlieferungen in Bezug
auf Grönland alles gesammelt und in Eins zusammenge-
stellt, dessen er habhaft werden konnte. In seine Sammlung
nahm er u. a. auch eine Beschreibung Grönlands auf 3), die
1) David Cranz, Historie von Grönland, pag. 25, 27. — - Karl
Giesecke in The Edinburgh Encyclopaedia; conducted by David
Brewster. vol. X. Edinb. 1830. pag. 488.
2) Die zweite deutsche Nordpolfahrt. 1. Bd. 236. — Anton v.
Etzel, Grönland, pag.' 60. — Hans Egede, Beschreibung und Natur^
gesehiehte von Grönland, pag. 49.
3) Zweite Deutsche Nordpolfahrt. 1. Bd. pag. 237.
von lyar Bardarson, welcher Verweser^) der zum grönlän-
dischen Bisthum Gardar gehörigen Güter gewesen war,
herrtthrt. In Bezug auf einen der auf der Ostkttste gele-
genen Busen berichtet Bardarson^), dass derselbe so lang
sei, dass Niemand das Ende desselben kenne ^); dieser Bu-
sen wurde desshalb „der allerlängste*' , ollum lengri oder
öUum-lengri^) genannt. Diese kurze von Bardarson uns
überlieferte Charakteristik eines grönländischen Fjordes hat
vermuthlich schon Walkendorff veranlasst, auf der Karte,
die er zu seiner Sammlung grönländischer Berichte entwarf,
zwischen 66 ^ und 69 " Breite einen Sund quer durch Grön-
land zu zeichnen, wodurch er nach zwei Seiten hin Schöpf-
ungen seiner Phantasie gleichsam als durch Erfahrung ge-
wonnene Data der geographischen Eenntniss von Grönland
seiner Mitwelt vorlegte. Denn erstens geht aus Bardarsons
Beschreibung nicht hervor und wird darin auch nicht ein-
mal als Yermuthung ausgesprochen, dass der als öllum-lengri
bezeichnete Meerbusen das ganze Land bis zur gegenüber-
liegenden Küste als offene Meeresstrasse durchsetze, und
zweitens schliesst die Lokalisirung desselben zwischen 66^
und 69® n. Br. eine grosse Willkür in sich, denn es ist
nach K. von Maurer durch nichts erwiesen, ob Bardarson
die Einbuchtungen und Inseln der Ostküste in der Richtung
1) „Ivar Bereis BeschreibuDg von GrOnland, mit einer Karte
und Vorrede von Arent Aschlund." Kopenhagen 1833. Vorwort,
pag. 6. — Det skandinaviske Litteraturselskabs Skrifter; 20. Jahr-
gang, Kjöbenhavn 1824. pag. 275—276.
2) EggerB nennt denselben Ivar Bardsen, noch Andere Bory,
Bere oder Bort. „Ueber die wahre Lage des alten Ostgrönlands durch
Heinrich Peter von Eggers \^ Kiel 1794. pag. 14. Daselbst wird auch
angegeben, dass Bardarson seine Nachrichten über Grünland am Ende
des 14. oder Anfang des 15. Jahrh. niedergeschrieben haben muss.
3) In „Ivar Bere's Beschreibung von Grönland** heisst es pag. 7 :
^Weiter östlich liegt ein Busen, welcher der Allerlängste heisst; der-
selbe ist an der äussersten Mündung schmal, aber weiter hinein ein
breiter, und so lang, dass Keiner das Ende desselben kennt. Er hat
keine Strömung und ist voll kleiner Inseln, auf denen es Vögel und
Eier giebt. Auf beiden Seiten ist ebenes Land, wo so hohes Gras
wächst, desgleichen man zuvor nie gesehen hat.^
4) Die zweite deutsche Nordpolfahrt. 1. Bd. pag. 248.
6
von S. nach N. oder N. nach S. oder überhaupt in irgend
welcher Reihenfolge aufzählt.^)
Ist unsere Annahme richtig, dass bereits der Erzbischof
Walkendorff seine Karte in der angedeuteten fehlerhaften
Weise entworfen hat, so würde also schon seit dem zweiten
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, mithin lange bevor die
zweite Aera der Besiedelung Grönlands durch Europäer
begann, in Dänemark und von Dänemark aus auch unter
den übrigen Nationen durch Landkarten die Ansicht ver-
breitet worden sein, dass die beiden Meere im 0. und W.
von Grönland durch einen das Land in der angegebenen
Breite durchschneidenden Kanal mit einander in Verbindung
ständen; mit Sicherheit können wir aber das aussprechen,
dass die Karte, die Torfaeus, der Historiograph Norwegens,
seinem Werke Groenlandia Antiqua (seu veteris Groenlan-
diae descriptio. Hafniae 1706) beigab, mit dem in Rede
stehenden Fehler behaftet gewesen sein muss; denn die
Karte des Torfaeus wurde von Hans und Faul Egede be-
nutzt bezw. copirt^), wie dies Paul Egede selbst angiebt,
und wir sehen, wie sie auf ihren Karten einen das Land
zwischen 66 und 69 ^ n. Br. durchschneidenden Sund an-
deuten. Hans Egede, dem wir — abgesehen von den islän-
dischen Sagas — die ersten ausführlichen und genauen
landeskundlichen Mittheilungen über Grönland verdanken,
legt die w. Mündung dieses Sundes in die Breite des „Ise
Fioerd", an dessen Mündung später die Kolonie Jakobs-
havn angelegt wurde. Für unsere weiteren Betrachtungen
müssen wir es im Auge behalten, dass also nach den durch
die beiden Egede und deren Vorgänger publicirten Karten
am Eisfjord von Jakobshavn von späteren Reisenden die
Einfahrt in einen solchen Sund zu suchen war. Die ö.
Mündung desselben bezeichnet Hans Egede als Fioerd oUum
longri, und das deutet doch entschieden darauf hin, dass
die einzigen ^) über den letzteren vorhandenen Nachrichten,
1) Die zweite deutsche Nordpolfahrt; 1. Bd. pag. 248 Anm.
2) Hans Egede: Beschreibung und Naturgeschichte von Grön-
land. Deutsch, Berlin 1763. — Paul Egede: Nachrichten von Grön-
land. Aus einem Tagebuche, geführt von 1721—1788. Kopenhagen 1790.
3) Die zweite deutsche Nordpolfahrt. 1. Bd. pag. 248 Anm. 2.
nämlich die von Bardarson, spätestens vpn Torfaeas, jeden-
falls aber von irgend einem früheren Kartenzeichner derart
gedeutet und kartographisch verwendet sein müssen, dass
der Meerbusen als ein ganz Grönland durchziehender Ka-
nal erschien. Ueber das wirkliche Vorhandensein einer
solchen Strasse oder Meerenge aber konnte Hans Egede
zum ersten Male in Europa aus an Ort und Stelle gemach-
ten Beobachtungen Aufklärung geben : er schrieb in den
Sund hinein „Soll vor diesem ein offener Fass gewesen
seyn; ist aber anjetzt mit einer Eisbrücke belegt**.
Wir konnten uns also bisher überzeugen, wie in Folge
irrthümlicher Deutung der Resultate der Beisen Frobishers
und auf Grund der falschen, nur nach schriftlichen Be-
schreibungen entworfenen Karten der damaligen Zeit seit
dem Ende des 16. bezw. dem Anfang des 17. Jahrhunderts
die Ansicht besonders durch holländische Karten verbreitet
wird, dass Grönland im S. von der „Frobisher- Strasse"
durchzogen werde ; wir sahen femer ebenfalls an der Hand
der Geschichte der geographischen Erforschung Grönlands,
dass — höchst wahrscheinlich schon im 2. Jahrzehnt des
17. Jahrhunderts, spätestens aber seit dem Jahre 1706 —
in Folge allzufreier Auslegung aus der Normannenzeit herrüh-
render Berichte zwischen 66 und 69^ n. Br. eine zweite
Strasse, die auf Grund jener Berichte Fioerd öUum-lengri
benannt wurde, in die grönländischen Karten eingezeichnet
worden sein muss. Diese beiden Sunde erschienen also auf
den Landkarten bevor Grönland nach dem Untergange der
Normannen von Neuem besiedelt- worden war und bevor,
abgesehen von den in den Sagas enthaltenen Notizen, ge-
naue Beobachtungen über grönländische Naturverhältnisse
bekannt waren.
Was nun die ältesten Berichte aus der Zeit der Be-
siedelung durch die Dänen betrifft, so werden wir leider
sehen, dass dieselben nicht dazu angethan sind, die Fehler
der Karten von vornherein als solche zu kennzeichnen und
einer richtigen Anschauung mit Entschiedenheit Bahn zu
brechen. Hans und Paul Egede, David Cranz und Karl
Giesecke konnten nämlich die in die Karten eingezeichne-
ten Sunde nicht auf ihren Ursprung zurückführen, sie
8
theilten desshalb mit ihrer Zeit die Ansicht , dass die
Eenntniss derselben irgend welchem älteren Beobachter zu
verdanken sei und unternahmen es trotz ihrer in dem ver-
gletscherten Polarlande selbst gewonnenen Anschauungen
natürlich nicht, auch das Yorhandengewesensein solcher
Sunde zu bestreiten, wenn sie auch ihrer Mitwelt wenig-
stens das verkündeten, dass sie das Vorhandensein der-
selben nicht mehr hätten constatiren können. >) Im Gegen-
theil, sie führten noch Beobachtungen an, denen man in
Europa, wo man noch jeder irgend wie genauen Eenntniss
der Natur Grönlands entbehrte, Glauben schenken musste,
und die anscheinend kräftige Stützen dafUr sind, dass ehe-
mals an gewissen Punkten Meeresarme das Land in seiner
ganzen Breite durchschnitten haben.
Der Hinweis auf das Binneneis, das bereits von den
Normannen beobachtet und im „Königsspiegel'S ^incm zwi-
schen dem Schluss des 12. und der Mitte des 13. Jahrhun-
derts in Norwegen verfassten Werk 2), erwähnt wird 3); der
Hinweis darauf, dass das Binneneis angesichts seiner Mäch-
tigkeit von über 100 m und der geringen Niederschläge,
wie sie für die centralen Partien des Landes anzunehmen
sind^), eine Formation ist, die sich nur in geologischen
Zeiträumen bilden konnte; der Hinweis endlich darauf,
dass man überall in Dänisch Grönland, wo man von der
Westküste aus nach dem Binnenlande zu vorgedrungen ist,
1) Karl Giesecke in The Edinburgh Encyclopaedia, vol. X, pag.
481 und 488—489. — David Cranz, Historie von Grönland; pag. 25,
27. — Hans Egede, Beschreibung und Naturgeschichte von Grön-
land ; pag. 33. — Siehe auch die im Folgenden angeführten Citate. —
„Herrn Johann Anderson ...Nachrichten von Island, Grünland und
der Strasse Davis...". Hamburg 1746. pag. 159—160.
2) Die zweite deutsche Nordpolfahrt-, 1. Bd. pag. 241. — Dr. H.
Kink, Danish Greenland, its People and its Products. Edited by Dr.
Robert Brown. London 1877. pag. 39.
3) Dr. H. Rink, pag. 40. — v. Eggers, die wahre Lage des alten
Ostgrönlands; pag. 87, 89.
4) In der vorliegenden Arbeit werden Einzelheiten über das
Binneneis und weiterhin über die Oroplastik Grönlands nur in dem
Umfange gegeben, als es zur Erörterung der hier angeregten Frage
nothwendig ist. Die gesammte Landeskunde von Grönland wird der
Verfasser erst später zur Darstellung bringen.
auf den Band des Binneneises gestossen oder das Ende
der Fjorde erreicht bat *) könnte genügen, um die Behaupt-
ung zurückzuweisen, dass der Mensch in früheren Jahrhun-
derten freie Wasserstrassen durch das ganze Land sich habe
ziehen sehen. Da aber andererseits die zu erwähnenden
Berichte bei nur oberflächlicher Betrachtung den Eindruck
entschiedener Beweiskraft machen, und da ferner die in
den ältesten Karten aufgetauchten und durch diese Be-
richte beglaubigten irrigen Ansichten sich bis in unsere
Tage erhalten haben und hie und da auch noch Anhänger
finden^), so ist es nothwendig, das Fehlerhafte jedes ein-
zelnen der hierher gehörigen Berichte nachzuweisen.
Bei Paul Egede lesen wir 3): „Die welche am Iseßord
wohnen^), glauben, dass in alten Zeiten ein Sund quer
durch das Land, bis zur östlichen Küste hin gewesen ist,
welches sie daher schliessen, weil sowohl Harpunen als
Stücke von Speck mit dem Strome herausgekommen sind
und nie zarückgehen." Es muss nun zwar zugegeben wer-
den, dass die Eskimos, gleichwie sie über einen scharfen
Ortssinn verfügen, feine und ausgezeichnete Beobachter der
Natur überhaupt sind; aber bei ihren Erzählungen den
Fremden gegenüber ist entschieden ihre Sucht nach Ge*
schenken, nach Belohnung das massgebende und leitende
Moment für sie.^) Oft fälschen sie deshalb die Berichte
über ihre Erlebnisse und Beobachtungen in beliebiger Weise
oder erfinden und erdichten gar Neues dazu, sobald sie
Hoffnung haben, so mit ihren Erzählungen besser zu ge-
fallen oder ihnen in den Augen der Fremden grössere
Wichtigkeit, sich selbst aber in Folge dessen ein desto
1) Petermanns MittheUungen. 1871. pag. 389. — Dr. H. Rink,
Danish GreenlancL pag. 41.
2) Nach Dr. H. Rink in Geografisk Tidskrift, I. 1877.. pag. 14.
— Dr. R. Brown in Petermanns Mittheilungen. 1871. pag. 389. —
Dr. E. K. Kane: „The ü. S. Grinnell Expedition in Search of Sir
John Franklin." London und New York 1854. pag. 53, 54. —
H. Rink : Om Grönlands Indland og. Muligheden af at berejse samme.
Kopenhagen 1875. pag. 10, 12 ff.
3) Paul Egede, Nachrichten von Grönland, pag. 151.
4) Er meint die Eskimos am EisQord von Jakobshavn.
5) yergl. A. v. Etzel, Grönland, pag. 340.
10
grösseres Geschenk zu verschaffen.^) So mögen es auch
die Eskimos Faul Egede gegenüber gethan haben, der auf
Grund der Karten seiner Zeit, wie wir oben sahen '^), Ur-
sache hatte, in der Gegend des Eisfjords von Jakobshavn
nach einem ganz Grönland durchziehenden schmalen Meeres-
arm zu suchen und seine Fragen an die Eskimos auch in
entsprechender Weise gestellt haben wird. „Wir wollen
noch hinzufügen", sagt Dr. Heinrich Eink, unstreitig der
beste Kenner der Landes- und Volkskunde von Grönland,
„dass die grönländischen Sagen, in denen man eine Be-
kräftigung für das ehemalige Vorhandensein von Sunden
zu haben glaubt, jeden Grund zu dieser Annahme vermissen
lassen, und zum grossen Theil hervorgerufen zu sein schei-
nen durch die Anfragen der Europäer über diesen Gegen-
stand."^) Die Eskimos selbst konnten das Vorhandensein
eines Sundes auch nur „in alte Zeiten" zurückversetzen;
in der Zeit, in der Egede unter ihnen weilte, sahen sie
ebenso wie Egede selbst, wie ein gewaltiger Binnengletscher
den Abschluss jenes Fjordes nach dem Binnenlande zu
bildete — wer möchte aber daraus schliessen wollen, dass
früher einmal, d. h. seit dem der Mensch diesen Boden
betreten hat, an dieser Stelle eine Meeresstrasse bis hinüber
zur Ostküste geführt hat!
Paul Egede giebt ferner an, dass während seines
Aufenthaltes in Grönland in der Davis -Strasse einmal von
einem holländischen Walfischfänger ein bereits harpunirter
Walfisch erbeutet worden sei. Der betr. Commandeur des
Schiffes habe das Zeichen an der Harpune als das eines
ihm befreundeten Walfischfahrers erkannt, und durch Ver-
gleich der Tagebücher sei nachher constatirt worden, dass
der Walfisch drei Tage bevor er in der Davisstrasse ge-
fangen wurde von dem letztgedachten Walfischfahrer, der
auf Spitzbergen gesegelt war, harpunirt wurde. ^) Zwischen
1) siehe Prof. Laube in „die zweite deutsche Nordpolfahrt. **
1. Bd. pag. 142.
2) siehe 'pag. 6.
3) H. Rink: Om Grönlands Indland...; pag. 14.
4) Paul Egede, Nachrichten von Grönland, pag. 151 Anm. und
die am Schlüsse des Werkes angeführten Berichtigungen.
11
den Zeilen ist es bei Faul Egede zu lesen, dass der Wal-
fisch, um in der Zeit von drei Tagen aus dem Meere öst-
lich von Grönland nach der Davis -Strasse zu gelaugen,
nicht den weiteren Weg um die Südspitze Grönlands herum,
sondern einen weit kürzeren, der sich nach seiner Ansicht
in dem vermeintlichen, Grönland durchquerenden Sunde
darbot, benutzt haben muss. Die Eisdecke, die sich zu
seiner Zeit bereits über diesem Sunde ausbreitete, konnte
für den Walfisch nach Egede's Ansicht kein Hinderniss sein,
war ihm ja der Charakter dieser Eisdecke völlig unbekannt.
Indessen, ohne dass wir es als möglich hinstellen wollen,
dass ein Walfisch in der Zeit von drei Tageu den in Frage
kommenden Weg um Kap Farvel herum zurücklegen könnte
— es fehlt nämlich jede Angabe darüber, an welcher
Stelle des Spitzbergischen Meeres der Walfisch zum ersten
Male harpunirt und an welchem Punkte der Davis -Strasse
er gefangen worden ist; man kann sich also den zurück-
zulegenden Weg mehr oder weniger lang denken — und
ohne dass wir auf den grossen Zufall hinweisen wollen,
der darin liegt, dass der Walfisch von den vielen Ein-
buchtungen, die sich an der grönländischen Ostküste öfi^nen,
gerade in diejenige seinen Weg gefunden hat, die — zu-
gegeben, dass es eine solche gebe — bis nach der West-
küste Grönlands hinüber führt, besitzt Egede's Argument
doch keine Beweiskraft für die von ihm getheilte Ansicht.
Sein Bericht entbehrt jeder Quellenangabe über die Zeit
und den genaueren Ort des Vorfalles sowie über die Namen
die dabei mitgespielt haben, so dass man unmöglich mit
voller Glaubwürdigkeit an denselben herantreten kann.
In gewissen Jahreszeiten wäre es z. B. als unmöglich an-
zusehen, dass ein Walfisch aus den Gewässern bei Spitz-
bergen, wo derselbe möglicher Weise harpunirt worden ist,
sich nach der Ostküste Grönlands zurückzöge; eine solche
Annahme würde sich nämlich dann verbieten, wenn die
Grönland benachbarten Meerestheile noch mit dichtem
Schollen- und Packeis bedeckt sind, denn die Wale pflegen
sich nur am Rande des Packeises, wo dasselbe weniger
12
dicht liegt; aufzuhalten^), in Gebieten heisst das, die die
zum Athmen nothwendigen eisfreien Stellen darbieten.
Wenn sich Egede selbst auf eine glaubwürdige Quelle
gestutzt hätte, so dürfte diese auch die bei ihm fehlenden
Angaben enthalten haben; und es ist bei der sonstigen
grossen Weitläufigkeit und Breite seiner Erzählung nicht
zu denken, warum er grade in dem vorliegenden Falle
seinen Text so sehr gekürzt haben sollte.
Auch den Berichten unseres Landsmannes Karl Giesecke
kann man bei kritischer Betrachtung keinen Glauben
schenken. Während seiner mineralogischen Reise schreibt
derselbe in seinem Tagebuche, ähnlich wie vor ihm schon
> Paul Egede, dass nach der Tradition der Eskimos der Eis-
Qord im Distrikt Jakobshavn eine früher nach Ostgrönland
führender Sund gewesen sei.*^) Nach Giesecke ist das
Verschwinden dieses Sundes durch die beständige Aus-
breitung des das Innere Grönlands erfüllenden Eises zu
erklären; dass jedoch durch Traditionen der Eskimos eine
solche Erscheinung nicht als erwiesen zu betrachten ist,
versteht sich von selbst. Der Meinung Giesecke's nach liess
sich das Vorhandensein einer solchen eisbedeckten Meer-
enge, die bis nach der Ostküste Grönlands hinüberführen
musste, auch aus seinen eigenen Beobachtungen erschliessen;
er führt dazu Folgendes an:
„Durch den obengenannten IsQord geht noch ein star.
ker Stromfall, der wahrscheinlich von Zeit zu Zeit das über
dem Wasser gewölbte Eis ausspült, welches sodann bersten
und aus Mangel an hinlänglicher Unterstützung niederstürzen
muss. Zuweilen treiben auch Holzstücke, welche sich nie
unter dem gewöhnlichen Treibholze der Davisstrasse finden,
auch nicht auf dieser Seite des Landes wachsen, zum
Exempel: Buchen- und Eichenholz, auch abgerollte Bim-
steinstücke, wahrscheinlich von Island, deren einige ich
selbst am Strande aufgelesen habe, durch den Fjord heraus.
1) Manuftl und InstructioDS for the Arctic Expedition. 1875.
London 1875; Manual pag. 80—81.
2) Gieseckes Mineral ogiske Rejse i Grönland ved F. Johnstrup.
Kjöbenhavn 1878. pag. 82.
13
Aneh auf Grönlands Südostseite babe ich dergleicben Stttcke
im Treibeise eingefroren gefunden." i).
Nach unserer Meinung ist unter dem ^^über dem Wasser
gewölbten Eid" das sich in das Wasser vorschiebende Ende
des den Hintergrund des Fjordes bildenden «Gletschers zu
denken; Giesecke nennt diese Eismasse mit fiecht desshalb
über dem Wasser gewölbt, weil sie nur eine obere steife
Decke über dem Wasser des Fjordes bildet. Das „bersten^*
dieses Eises kann dann nichts anderes sein als das Ab-
trennen dieser Gletscherzunge von der Hauptmasse des
Gletschers, d. h. das Kalben des Gletschers. Verzeihlich
ist es, wenn Giesecke den „starken Stromfall" als die Ur-
sache des Berstens der Eismasse anspricht: es ist die erst
als eine Folge des Kalbens eintretende grosse Aufregung
der Wasseroberfläche. Nachdem wir so die Worte Gie-
secke's gleichsam in unsere heutige Sprache übersetzt haben,
können wir auch die Ansicht, die Giesecke mit seinen
Worten verband, zurückweisen; der „Stromfall" pflanzt sich
nicht etwa unter der Eisdecke des Fjordes fort, er breitet
sich nicht etwa unter einer über dem einst freien Sunde
entstandenen Eisdecke von der Ostküste bis hin zar West-
küste aus, ist also auch durchaus nicht als ein Beweis dafür
aufzufassen, dass jemals an dieser Stelle eine fahrbare, of-
fene Strasse existirt habe. Giesecke giebt selbst zu, dass
über dem Eisfjord von Jakobshavn, seinem vermeintlichen
Sunde, eine Eisdecke sich ausbreitet; wir konnten hinzu-
fügen, dass er das Ende des grossen in den Fjord mün-
denden Binnengletschers als solche gedeutet hat : wenn aber
die Verlängerung des Fjordes von eiszeitlichen Gletscher-
massen eingenommen wird, so ist es klar, dass auf diesem
Wege keine Treibholz- und Bimssteinstücke aus dem ost-
grönländischen Meere nach Westgrönland gelangen können. 2)
Giesecke mag immerhin Treibholz- und Bimssteinstücke
1) Giesecke's Mineral ogiske Rejse. pag. 82.
2) Die Treibhölzer sind zweifelsohne asiatischen Ursprunges und
-auf ihrem Wege zunächst in das ostgrönländische Meer getrieben
worden; die Bimssteinstücke sind höchst wahrscheinlich in Island aus-
geworfen, vielleicht aber auch in einer noch unbekannten innerarkti"
sehen Vulkaninsel.
14
zwischen den an der MUndung des Fjordes liegenden Inseln
eingesammelt haben — mit dem Treibholz geschieht dies
ja heut auch noch, — aber direkt von Osten waren die-
selben keineswegs herbeigeschwommen, vielmehr von N.
oder S. durch Strömungen herbeigeführt worden, i)
Indessen knüpft sich nicht blos an den EisQord von
Jakobshavn der Glaube, dass er die Mündung einer ehemals
freien, sich durch ganz Grönland hindurchziehenden Meer-
enge sei; Gleiches berichtet Karl Giesecke auch von dem
Bärsund ^) im Distrikt Godthaab, was David Cranz nach
der Angabe der ihm vorliegenden alten Karten bestätigt^).
Ueber eine weitere derartige Strasse endlich theilte
Giesecke im Jahre 1823 dem jüngeren Scoresby Folgen-
des mit*):
„Es ist aber eine andere Bucht, die ich wegen der
ungeheueren Eismassen, die aus ihr herausgingen, nicht bis
zum Hintergrunde untersuchen konnte, und welche von
den Eingeborenen Ikek oder Ikaresak (Sund) genannt wird.
Sie läuft zwischen Karsarsuk und Kingitok, und ihre Länge
von Karsarsuk bis ans Ende beträgt etwa 15 deutsche Mei-
len; sie liegt in 72® 48' und das Meer ist an ihrem Ein-
gange mit zahlreichen Inseln bedeckt. Alle Eingeborenen
in der Nachbarschaft derselben versicherten mir einmüthig,
dass dort ehedem ein Durchweg nach der anderen Seite
des Landes stattgefunden habe. Sie setzten noch hinzu,
dass sie sehr besorgt wären, das Eis möchte bei heftigen
Nordost- Winden wieder losgehen und dann das Volk von
der anderen Seite, das sie als grausam und wild beschrie-
ben, herüberkommen und sie todtschlagen. Sie behaup-
teten, dass von Zeit zu Zeit todte Walfische, die auf der
1) Der Bimsstein kann auch auf das Binneneis geschleudert wor-
den sein und wäre dann mit den Eisbergen des Jakobshavner oder
irgend welchen anderen Gletschers in das Meer gelangt.
2) Gieseckes Mineralogiske Rejse. pag. 154.
3) „Historie von Grönland." pag. 11.
4) William Scoresby's des Jüngeren Tagebuch einer Beise auf
dem Walfischfang...; aus dem Engl, übersetzt von Fr. Eries. Ham-
burg 1825. pag. 324—325. — Journal of a Voyage to the Northern
Whale-Fishery...; by William Scoresby Junior. Edinburgh 1823.
Appendix VIII.
15
anderen Seite getödtet worden wären, Holz und Bruch-
stücke von Geräthen aus der Bucht hervorgetrieben würden."
Hier ist es ganz offenkundig, dass die Angaben der
Eskimos reine Erfindungen sind; Giesecke mochte ihnen
trauen und sie als Beweis dafür auffassen, dass die Bucht
Ikaresak einst als Sund dem Blicke des Menschen sich
dargeboten habe, eine solche Anschauung vertrug sich zu-
dem auch mit seinen Vorstellungen über die Eisdecke des
Binnenlandes. Nach unseren heutigen Erfahrungen über
eiszeitliche Erscheinungen und über die Natur Grönlands
muss man jedoch erklären, dass ein solcher Standpunkt
sich überlebt hat.
Woher sich die Ansicht schreibt, dass der EisQord von
Jakobshavn und die Frobisher-Strasse etwa in der Breite
von 62® als eine Meerenge von der West- nach der Ost-
küste Grönlands hinüber gereicht haben soll, wurde oben
bereits angegeben; aus welchen Ursachen nun diese An-
sicht auch auf die Bucht Ikaresak und den Bärsund aus-
gedehnt wurde, lässt sich nur vermuthungsweise — aller-
dings mit viel Wahrscheinlichkeit — aussprechen.
Engländer, Franzosen und Holländer waren es, die
dem Walfischfang in den Gewässern der Davis-Strasse und
Baffins-Bai mit grossem Eifer im 17. und 18. Jahrhundert
nachgingen. Die Holländer Hessen sich sogar in Tausch-
handel mit den Eskimos in Grönland ein und besuchten
dabei die Küste bis herab zur Südspitze ; ^) an vielen Punk-
ten der Küste erschienen sie folglich noch viel früher als
die ersten dänischen Ansiedler. Der Umstand, dass die
Küstenfront bei der Annäherung an dieselbe den Eindruck
macht, als ob sie aus einem Gonglomerat von Inseln be-
stehe; die vielen Buchten und Einfahrten, die sich dem
Seefahrer darbieten, sowie endlich die Thatsache, dass so
mancher dieser Sunde um eine oder mehrere Küsteninseln
herumführt, wenn man auch nur eine kurze Strecke auf
ihnen vordringt, musste bei den Holländern entschieden
die Vermuthung auftauchen lassen, dass das mit dem Namen
Grönland bezeichnete Gebiet nur ein Archipel von Inseln
1) A. V. Etzel, Grönland, pag. 67.
16
sei. Wird doch sogar noch Ton E. K. Kane die Häufung
von Inseln und Ettsteneinschnitten als eine Stütze für die
von Karl Gieseoke ausgesprochene Meinung aufgefasst. ^)
Fttgen wir dem noch hinzu, dass die Holländer, denen ja
nur der Tauschhandel mit den am äusseren Ettstensaum
angesiedelten Eingeborenen, nicht aber die weitere geogra-
phische Erforschung des Landes am Herzen lag, keinen
der langen Fjorde bis zu seinem hinteren Ende verfolgten ;
dass sie auch keine richtigen Aufschlüsse darüber hatten,
wie es kommt, dass aus einzelnen der Fjorde — - den Eis-
Qorden — alljährlich so viele und grosse Eisberge hervor-
schwimmen, während dies bei anderen dicht dabei liegen-
den Fjorden nicht der Fall ist2); dass sie dieses Phänomen
dadurch erklärten, dass sie die Eisberge aus dem durch
seinen Reichthum an schwimmenden Eise bekannten ost-
grönländischen Meere in Sunden oder Meerengen nach
Westgrönland hinüber treibend dachten; dass endlich be-
reits damals durch die ältesten Karten die Behauptung in
Umlauf gebracht worden war, dass im S. Grönlands die
„Frobisher- Strasse", weiter im N. der Fjord öUum-lengri
eine fahrbare Verbindung zwischen den ost- und westgrön-
ländischen Meeren bilde, so kann es uns nach dem Gesagten
nicht in Verwunderung setzen, wenn die Holländer an-
nahmen, dass noch weitere Meerengen solcher Art existirten.
Ist diese Ueberlegung richtig, so lässt sich voraussetzen,
dass die Holländer in ihre grönländischen Karten solche
Sunde an dieser oder jener Stelle einzeichneten („Bärsund",
Ikaresak) und dadurch die dänischen Ansiedler und Rei-
senden veranlassten, von den eingeborenen Eskimos Be-
stätigungen hierfür einzusammeln.
Als die Berichte der beiden Egede, von David Cranz
und Karl Giesecke erschienen, konnte man den Werth ihrer
Aussagen über das ehemalige Vorhandensein von Sunden
natürlich noch nicht beurtheilen. Man nahm sie deshalb
für baare Münze hin und Hess sich durch sie und die ihnen
verausgegangenen Karten in der Ansicht bestärken, dass
vordem offene und fahrbare, im grossen Ganzen ostwestlich
1) E. K. Kane: „The ü. S. Grinnell Expedition..." pag. 53,54.
2) Vergl. H. Rink: Om Grönlands Indland. pag. 14.
17
gericbtete Strassen aus den Meeren im 0. nach deftett im
W. Grönlands geführt hätten, dass aber bis znm 17. und
18. Jahrhundert sich eine Eisdecke^) über dieselben aus-
gebreitet habe — über das Wesen dieser Eisdecke 2) fehlte
1) CraDz , Historie von Grönland, pag. 25 : „ . . . Die ehemalige
Frobischer- Strasse, die nunmehr ganz mit £is verstopft ist'' ähnlich
auf pag. 27. — „Herrn Johann Anderson... Nachrichten von Island,
Grönland und der Strasse Davis", pag. 159: Vergebens hat man bis-
her versucht,, auf den Meeresstrassen mit dem Boote nach der Ost-
küste zu gelangen. „Indessen hat sich bey dieser Gelegenheit... ge-
zeiget, dasd die so genannte Forbisserstrasse entweder ein irriges
Vorgeben, oder nun mehro mit Eis and Schnee dergestalt ausgefüllet
und verdecket, dass sie nicht mehr zu kennen, vielweniger zu passiren
ist.** Auf der Karte, die Anderson seinem Werke beigab, ist auf der
Ostküste unter 62 Br. eingeschrieben: Hie ponendum esset notum
Geographis Fretum Forbischeri quod hodie saltem glacie tectum est.
Siehe auch die in Anm. 2 dieser Seite über die Entwicklung unserer
Kenntnisse vom Binneneis gemachten Angaben.
2) Der „Königsspiegel" (siehe pag. 8 Anm. 2) dürfte den ersten
urkundlichen Nachweis des Binneneises enthalten, möglich ist es in-
dessen auch, dass ihm irgend welche der frühesten isländischen Sagas
hierin den Rang streitig macht. Der betr. Passus des „Königssrpie-
gels*' lautet nach Bink, Danish Greenland, pag. 40: „Nur ein kleiner
Theil des Landes ist frei von Eis, das ganze übrige Land ist von
demselben bedeckt. Die Bewohner wissen auch nicht, ob ihr Land
gross ist oder nicht, weil eben alle Berge und alle Thäler unter dem
Eis verborgen sind und kein Weg durch das Land hindurch vorhan-
den ist." Im „Königsspiegel" werden sogar auch schon schwimmende
Eisberge erwähnt: „Die zweite deutsche Nordpolfahrt'', Bd. 1, pag.
24:B: „Dagegen glebt es in diesem Meere auch wieder Eismassen,
welche von anderer Beschaffenheit sind und \(^elche die Grönländer
„falljöklar** nennen. Ihre Gestalt ist ganz so, wie wenn ein hoher
Berg aus der See hervorragte..." Man kann aber weder aus dieäer
kurzen' Erwähnung der Eisberge noch aus dem Über die Eisbedeckubg
des Landes selbst Gesagten von der wirklichen Beschaffenheit dieser
Eisdecke auch nur annähernd' eine Vorstellung sich bilden. Dasselbe
gilt überhaupt von sämmtlichen Berichten, die vor uüsere^ Zeit er-
schieiien. Anderson schreibt z. B*. in seinen „Nachrichten von Island,
Grönland und der Strasse Davis" pag. 158: „Allein, da findet sich auf
der Westküste die ganze Länge her eine Kette von ^^Ififen, die mit
uimmei' schmelzendem Schnee utid Ei&' bedecket, auch die dkzwischän
gelegeiie Thäler eben damit dermassen ängefüllet sind, dass wegen der
^turzfälle, der grossen Klüfte und Schrundeü und d6ä btüchigeti fal-
schen Eises ganz unmöglich ist, darüber hinzukoiiimen." t>en Ein-
di'uck, dads die das Biiinenlaiid und dai^ Innere der Ei^lQord'e be-
deckenden Eismassen nur der sich auf dem Polarmeer bildenden Win-
2
18
Batürlicb, wie überhaupt auf dem Gebiete der Glacialgeo-
logie, jedes Urtbeil.
terlichen Eisdecke gleich zu achten seien, verbreitete der Kaufmann
Lars Dalager in seinen „Grönlandske Relationer", die zum ersten
Male in Kopenhagen im Jahre 1752 erschienen ; Dalagers Anschauungen
sind nach mündlichen Mittheilungen bei Cranz, Historie von Grönland,
pag. 27 — 30 wiedergegeben.
Man könnte erwarten, dass Karl Giesecke, der 1806—1813 in
Dänisch Grönland gereist war, nach eigenen Beobachtungen und Er-
kundigungen eine der Natur der Sache entsprechende, richtige Cha-
rakteristik oder doch wenigstens der Wahrheit sieh nähernde Angaben
giebt; andererseits müssen wir ihm gegenüber auch Nachsicht üben,
wenn er noch nicht zu der richtigen Erkenntniss der Dinge kam,
waren es doch erst die Beobachtungen in vergletschert gewesenen
Gebieten, vor allen Dingen in den Alpen, der Schweiz und in Skan-
dinavien, die zur Vorstellung von 100 und 1000 m mächtigen Glet-
schermassen führten. Im Grunde genommen war es von Giesecke
auch schon desshalb nicht zu verlangen, dass er von einem von S.
nach N. und 0. nach W. unterbrechungslos zusammenhängenden Eis-
ocean von über 100 oder 200 m Mächtigkeit spricht, weil zu seiner
Zeit noch Niemand in das eigentliche Innere vorgedrungen war-, dass
jedoch seine Anschauungen noch so sehr den wirklichen Verhältnissen
zuwider laufen, ist immerhin bemerkenswerth und lässt sich nur da-
durch erklären, dass er von Anfang an von der Idee geleitet wurde,
nach der Ostküste hinüberreichende Sunde mussten einst vorhanden
sein. Die Eisdecke des Binnenlandes nennt er Continental ice [The
Edinb. Encyclop.; vol. X. p. 497] oder Continental glacier [eben da,
pag. 490, 488—89], doch hielt er es, wie wir sahen, für möglich, dass
dieselbe sich gebildet haben könnte während der Zeit, in der die Es-
kimos hier weilten, und dass Gegenstände unter dieser Eisdecke von
der Ost- nach der Westküste herüber schwimmen könnten. Er ver-
band also damit durchaus nicht den Sinn, den wir heutzutage mit dem
Worte Binneneis verknüpfen, sondern dachte nur an eine wenig mäch-
tige Lage von Gletschereis.
Die erste richtige Darstellung der Vergletscherung Grönlands
verdanken wir dem Königl. dän. Jastizrath Dr. Heinrich Rink in
Kopenhagen, der sich durch zahlreiche Schriften über die Landes-
kunde nicht minder unsterbliche Verdienste erworben hat als durch
seine erfolgreichen Bemühungen um die Förderung des materiellen
Wohles der Bewohner von Grönland. Die betr. Schrift von Rink er-
Bchiea 1852 unter dem Titel: „Om de geographiske Beskaffenhed af
de danske Handelsdistrikter i Nordgrönland". — Neben Dr. Rink ist
es dann Freiherr A. E. von Nordenskiöld, der durch seine Binneis-
Reisen für die Erforschung Grönlands bisher einzig Dastehendes ge-
leistet hat.
19
Dass die beiden Egede noch den Fjord öllum-lengri als
mit Eis überdeckte Strasse in ihre Karten einzeichneten,
wurde bereits erwähnt ; wir sehen ferner, wie David Granz
auf der seine „Historie von Grönland" (2. Auflage 1770)
begleitenden Karte die Lage der Frobisher-Strasse, des Bär-
sundes und des Fjordes öllum-lengri nach holländischen Vor-
lagen^) andeutet; überhaupt erschien die Frobisher-Strasse
nicht nur bis zum Schluss des vorigen Jahrhunderts auf den
Karten über Grönland^), auch auf der Karte, die dem zu
Leipzig im Jahre 1823 erschienenen Buche „George William
Manby's Beise nach Grönland im Jahre 1821. Aus dem Eng-
lischen übersetzt von D. C. F. Michaelis" beigegeben ist, wird
noch Bezug auf den Bärsund und die Frobisher-Strasse ge-
nommen; indem der Verfasser des genannten Buches an ent-
sprechender Stelle zwei punktirte Linien durch das Land hin-
durchführte, wollte er zweifelsohne der Ansicht Ausdruck ver-
leihen, dass früher hier zwei kanalartige Strassen vorhanden
gewesen seien. Wir hatten sogar Gelegenheit, darauf hin-
zuweisen (siehe pag. 9), dass selbst noch in unseren Tagen
in Folge der angeblichen Traditionen der Eskimos und
weil sich in die älteren Karten thatsächlich einige Sunde
eingezeichnet finden der Ansicht gehuldigt wird, Grönland
wäre früher eine Gruppe kleinerer, durch fahrbare Meer-
engen von einander getrennter Landmassen gewesen, die
durch eine im Läufe späterer Jahrhunderte entstandene
Eisdecke überbrückt und zu einem Ganzen verbunden wor-
den sind.
Für uns kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass
die durch die ältesten Karten angedeuteten fahrbaren
Strassen auf diesen Karten erschienen bevor und ohne dass
irgend welche Beobachtung an Ort und Stelle, die dazu
hätte Anlass geben können, gemacht worden war; sowie
dass ferner diejenigen älteren Berichte, welche Beweise für
das frühere Vorhandensein solcher Sunde bringen und die'
Aussagen dieser ältesten Karten rechtfertigen wollten, keine
«
1) Cranz, Historie von Grönland, pag. 27.
2) The Edinburgh Encyclopaedia; vol. X. pag. 481. — Geografisk
Tidskiift. II. 1878. pag. 54 Anm. — Det skandinaviske Litteratur-
selskabs skrifter; X. Jahrgang. 1814. pag. 3ö3.
2*
20
Beweiskraft besitzen, dass sie vielmehr die in ihnen aus-
gesprochene Behauptung vollständig ansschliessen , da sie
b^eits des Binneneisea unserer Zeit Erwähnung' thun.
Weit grössere Bedeutung als die im Vorhergebenden
angefahrten älteren Berichte hat flir eine Landeskunde von
Grönland natürlich die Behauptung, dass noch gegenwärtig
ostwestlich gerichtete Meeressunde das Land in eine Reihe
von Inseln bezw. kleineren Landmassen zertheilen- Da es
ferner kein geringerer als der jüngere William Seoresby
ist, der diese Behauptung aufstellt, ein Mann also, der
dnrch vie\jährige Erfahrungen, durch Studien und Schriften
sich bei seiner Zeit in den Ruhm einer Autorität auf dem
Gebiete arktischer Länderkunde gebracht hatte, da er femer
zur Stütze seiner Behauptung eigene Erfahrungen anführt
und andererseits nur die Traditionen der Eskimos, nicht
aber die Aussagen älterer Karten berücksichtigt, ist es er-
forderlich, hier näher auf seine Ausführungen einzugehen.
William Scoresby fuhr im Jahre 1822 zum zehnten
Male auf den Walfischfang nach dem Spitzbergischen Meere
und führte in diesem Jahre, angeregt durch den in dama-
liger Zeit mit grossem Eifer geführten Streit, ob die Ey-
stribygd der alten Normannen auf der Ostkttste gelegen
habe oder nicht , sowie durch das Dunkel , das sich noch
um diese Küste hüllte^) die ersten Untersuchungen und
genaueren Aufnahmen auf der Küstenstrecke zwischen
69 <> 13' und 75® aus. Die Aufnahmen wurden in der Zeit
vom 10. Juni bis 24. August theils vom Schiffe aus, tbeils
bei dem viermaligen Landen selbst ausgeführt, wobei sein
Vater, dessen Schiff „The Farne ^ er in der Mtt(nduiig des
nach demselben benannten Scoresby - Sundes antraf, sowie
der sich ebenfalls in dem Landwasser jener Breiten auf-
haltende Kapitain ILloyd vom „Trafalgar** einen Theil
der Arbeiten übernahmen. Ton den For^hungsresultat^n
1) Bevor Skn^x^slry seine Entdeokucgba^ machte, waren ^^n der
Ostküste nur einzelne Vorgebirge oder sonstige Ktistenpunkte von
Walfischfahrem ans der Ferne erblickt worden; siehe: J, D« Whit-
ney: The €Iimatio Changes of Latear Geolögicae Time»; Cambridge
1882. pag. 303 Anm. — Paul Egede, Nachrichten^ von GrOidand;
pag. 322—323. — „William Sooresbys de» Jüngeren Tagebueh;" pag. llö.
21
der drei Eapitaine mteressiren uns an dieser Stelle natttr*
lieh, nur diejenigen, anf denen der jüngere Scoresby seine
Ansicht über das Vorhandensein von Grönland durchschnei-
denden Meeresarmen aufbaute. Vierfach verschiedene Ur-
sachen erzeugten in Scoresby eine solche Meinung: 1. der
auf pag. 14 angeführte Brief Karl Giesecke's, wonach
die Eskimos unter 72^/4^ n. B. zu jener Zeit sichere An-
zeichen einer solchen bis zur Ostküste reichenden Wasser-
Verbindung beobachtet haben wollen ; 2. die Länge der von
ihm und seinem Vater nur in den Mündungsgegenden be-
fahrenen Sunde, des Scoresby- und des Davy- Sundes, zu-
sammen mit den übertriebenen Schätzungen Karl Oiesecke's
über die Länge des in ähnlicher Breite auf der Westküste
einschneidenden Fjordes; 3. die im Davy -Sunde von Sco-
resby beobachtete ostwestlich, also nach dem Innern Grön-
lands gerichtete Oberflächenströmung; und 4. der Umstand,
das sich gleich das Küstengebiet, soweit Scoresby vorzu-
dringen vermochte, durch die zahlreichen in ostwestlicher
Richtung eindringenden und im Innern sich wieder mehr-
fach verzweigenden B^'orde in einen Haufen von Inseln auf-
zulösen schien.
Als Scoresby seinen Reisebericht verfasste, waren , wie
oben angegeben wurde, noch ganz widersinnige Ansichten
über die Natur des Binneneises ausgebreitet und desshalb
ist es auch erklärlich, wie derselbe eine so eigenartige Vor-
stellung über die Topographie Grönlands unter dem Ein-
fluss seiner eigenen Beobachtungen in sich aufkommen lassen
konnte ; wenn wir aber heut in*s Auge fassen, was uns von
den Glacialgeologen über den Charakter eines Binneneises
im Allgemeinen und von den einzelnen Reisenden über das
grönländische Binneneis im Besonderen*) gelehrt wird, so
1) In dänisch Grönland, innerhalb dessen der von Scoresby an-
genommene Sund seinen Ausgang haben sollte, hat man die Erfahrung
gemacht, dass alle Fjorde nach 0. zu entweder durch gletscherfreies ber-
giges Land oder durch einen Binnen gl etscher begrenzt und abgeschlos-
sen werden. ^ Der w. Rand des Binneneises hat keine Unterbrechung,
sondern bildet gleichsam eine continuirliche Mauer. — Ansteigen des
Binneneises nach 0. zu von allen Punkten des Küstenlandes sowie
auf den nach dem Inneren ausgeführten Reisen beobachtet. — Es
22
verbietet es sich schon angesichts dessen, der Scoresby*schen
Ansicht zuzuneigen; abgesehen hiervon lässt sich aber auch
jedes einzelne von Scoresby's Argumenten als fehlerhaft
und haltlos nachweisen.
In Bezug auf das erste derselben, die Traditionen der
Eskimos, weisen wir auf das zurück, was oben in dieser
Hinsicht angegeben wurde.
Der Scoresby-Sund war von dem älteren Scoresby bis
auf 60 engl. Meilen, von der Mündung an gerechnet, be-
fahren worden 1), ohne dass das Ende der beiden Arme
desselben erreicht worden war; wir können ihm desshalb
nicht gerade eine Uebertreibung vorwerfen, wenn er schätz-
ungsweise annahm, dass dieselben 90 engl. Meilen in das
Innere eindringen würden 2), ist doch von der zweiten deut-
schen Expedition der berühmte Kaiser Franz Josefs -Fjord
in dem einen seiner Arme ebenso weit verfolgt worden.
Irre geführt wurde ScQresby aber durch eine, wie es scheint
briefliche, Mittheilung Karl Giesecke's, dass die „Jakobs-
bucht", Jakobshavns Isfjord der heutigen Karten, sich nach
0. zu unbegrenzt ausdehne 3). Wie Scoresby angiebt, hätte
Giesecke diese Bucht auf eine Erstreckung von ungefähr
150 engl. Meilen befahren „und hier [d. h. weiter ostwärts]
dehnt sie sich in ein anscheinend unbegrenztes Meer aus...
Die innere Beschaffenheit der Bucht ist von der Art, dass
es die grösste Wahrscheinlichkeit hat, dass sie quer durch
das ganze Land geht und sich mit Scoresby's Sund, und
vielleicht auch mit einigen anderen nördlicheren Einbuchten
vereinigt"^). Diese Angaben weichen ganz von den That-
sachen ab: den Hintergrund des EisQordes [69 ® 10' n. Br.],
an dessen Mündung Jakobshavn liegt, nimmt nämlich in
seiner ganzen Breite ein Binnengletscher erster Grösse ein,
und zwar ist das Ende dieses Gletschers noch nicht einmal
10 engl. Meilen von Jakobshavn entfernt; wahrscheinlich
lässt sich mit Gewissheit annehmen, dass das Binneneis von N. nach
S. und 0. nach W. unterbrechungslos zusammenhängt.
1) „William Scoresby's Tagebuch einer Reise..."; pag. 225.
2) „William Scoresby's des Jüngeren Tagebuch"-, pag. 323.
3) ebenda.
4) ebenda.
23
ist es, dass Giesecke den s. oder n. Seitenzweig von Ja-
kobshavns Isfjord, in die er der ayf ihnen schwimmenden
Eisberge wegen nicht eindringen konnte und deren Ende
er vielleicht auch zu Lande nicht erreicht hat, für das
^^anscheinend unbegrenzte Meer'' gehalten hat, — soviel
ersehen wir deutlich, dass Scoresby's Ansicht in der Natur
des Eisfjordes von Jakobshavn keine Stütze findet. Ebenso
wenig ist aber auch irgend einer der übrigen Fjorde von
dänisch Grönland geeignet, dem von ihm ausgesprochenen
Satze auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit zu ver-
leihen.
Während seines Aufenthaltes in der Nähe des Davy-
Sundes bemerkte Scoresby ein ununterbrochenes Einsrömen
des Wassers in denselben ^); diese sowie die weitere Beo-
bachtung, dass aus keinem der in der Nähe befindlichen
Sunde ein Auswärtsströmen, also die Rückkehr der Wasser-
massen der ersten Strömung zu constatiren war, Hess ihn
einen „inneren Kanal" annehmen, der einen Abzug für
jenes Wasser bilden sollte. Zunächst lässt sich einwenden,
dass dieser Schluss auf einen Abzugskanal durch das In-
nere Grönlands voreilig gefasst war, denn Scoresby ver-
weilte viel zu kurze Zeit in der Nähe des Davy- Sundes
und lernte auch viel zu wenig weitere Fjordmündungen
kennen, um sagen zu können, dass die durch die erwähnte
Oberflächenströmnng bewegten Wassermassen nicht wieder
nach dem Landwasser der Ostküste zurückkehrten; wenn
wir ferner in Berücksichtigung ziehen, wie schwierig es
selbst für die ein Jahr hier verweilenden Gelehrtem der
„Germania" war, in diesem mit Eis bedeckten Meere ein
sicheres Urtheil über eine regelmässige und constante
Strömung zu gewinnen 2), dann uns auch vergegenwärtigen,
dass Scoresby fast von Tag zu Tag den Standort seines
Schiffes änderte, so sind uns seine Erfahrungen sicherlich
kein Beweis dafür, dass wirklich keine nach aussen ge-
richtete Strömung in einem der dem Davy -Sunde benach-
barten Fjorde vorhanden wäre. Sodann aber deutet die
1) „Scoreaby's des Jüngeren Tagebuch"; pag. 325.
2) „Die zweite deutsche Nordpolfahrt^^ ; 1. Bd. pag. 321.
24
WahrnehmuDg Scoresby's keineswegs darauf hin^ dass wirk-
lich, wie er sagt, ein „nnanterbrochenes^^ d. h. nie auf-
hörendes Einströmen des Wassers in den Davysnnd statt-
finde. Es ist hier nicht am Platze, ausführlich darüber zu
handeln, wie wechselnder Natur die Strömungen in den
Gewässern der Ost- und Westküste sind; hier genüge
die Bemerkung, dass die stets wechselnden Winde, die
ebenso veränderliehen Verhältnisse in der Bedeckung mit
Pack- und Treibeis sowie die Conturen der Küste die lo-
cale Strömungen bedingenden Faktoren sind. Wie leicht
ist es nun denkbar, dass bei vorherrschenden NO- oder 0-
Winden oder auch ohne diese in dem vielleicht gerade eis-
freien Landwasser eine Stauung eines Theiles der sich
ohnehin mit 5 — 10 Seemeilen ^) Geschwindigkeit nach SSW.
fortbewegenden Wassermassen der Grönland- Strömung durch
die dem Davis -Sund vorgelagerten Inseln und in Folge
dessen eine Ablenkung derselben nach W. gerade in jener
verhältnissmässig kurzen Zeit zu bemerken war, als Sco-
resby an dieser Stelle kreuzte. Ferner aber lässt sich auch
aus den momentan in einem Fjord oder an dessen Mündung
herrschenden Strömungsverhältnissen durchaus kein Schluss
auf die Oberflächengestaltung des Landes ziehen, denn
diese Strömungen sind als Ausfluss von rein localen Ur-
sachen von viel zu mannigfaltiger und häufig wechselnder
Art: beobachtete doch Scoresby selbst in dem Scoresby-
Sunde eine die Eisberge nach aussen treibende Unter-
strömung, zugleich aber eine so starke westlich gerichtete
Oberflächenströmung, dass die Schiffe bei dem gerade herr-
schenden SO-Wind wenig oder gar nicht vorwärts kommen
konnten 2); in dem Kaiser Franz Josefs -Fjord gelang es
der 2. deutschen Polar -Expedition trotz sorgfältiger Beob-
achtung nicht, eine Strömung in irgend welcher Richtung
festzustellen 3) ; während schliesslich — in Folge. Mitwirkung
der Gletscherbäche -^ an der Fjordktiste und in der Mitte
des Fjordes sogar einander entgegengesetzte Strömungen
1) Julius Payer: Die österreichisch -ungarische Nordpol-Expedition
in den Jahren 1872—1874. Wien 1876. pag. 467.
2) „William Scoresby's des Jüngeren Tagebuch"; pag. 244—245.
3) „Die zweite deutsche Nordpolfahrt"-, 1. Bd. pag. 665.
25
herracfaen können^). Jedenfalls geht ans dem Gesagten
hervor, dass Scoresby in voreiliger Weise auf Grund einer
von ihm während kurzer Zeit beobachteten Strömung, für
die jede andere Deutung mehr am Platze ist, weit tragende
Schlüsse auf das fast continentgrosse Gebiet von Grönland
zog. Ebenso wenig stichhaltig wie dieses erweist sich auch
das letzte der von ihm angeführten Argumente.
Schon oben wurde angegeben, dass der ältere Scoresby
60 engl. Meilen von der Mündung an gerechnet auf dem
Scoresby-Sunde nach W. vordrang; noch nicht einmal so
weit war der jüngere Scoresby und der Kapitain Lloyd auf
den anderen Sunden in das Land hinein gekommen; ganz
richtig ist immerhin die Bemerkung^), dass man kaum da-
ran zweifeln könne, dass sich die äussere Küstenzone in
Jenen Breiten der Ostküste durch die vielen Fjorde und
I^ordstrassen in eine Reihe von Inseln und Halbinseln auf-
löse, denn das ist eben der Charakter aller Fjordküsten.
Wie darf man aber, wenn es sich um Urographie und Oro-
plastik handelt, die Erscheinungen, die man auf 60 See-
meilen wahrgenommen hat, auch auf die nächsten 600 über-
tragen, wenn ein solcher Schluss durch nichts weiter als
durch eine allerdings im Bereich der Möglichkeit liegende
Analogie der Verhältnisse nahe gelegt wird?
Mit derselben Entschiedenheit, mit der wir die Be-
Behauptung zurückweisen mussten, dass in den ersten Zeiten
der Besiedelung Grönlands fahrbare, offene Kanalverbind-
ungen zwischen der Davis-Strasse und Baffins-Bai einerseits
und dem ostgrönländischen Meere andererseits bestanden
hätten, ist also auch, wie sich von vornherein schon sagen
liess, der Idee entgegenzutreten, dass eine solche Annahme
für unsere Zeit durch irgend welche Beobachtung über die
physikalischen Verhältnisse Grönlands in den Bereich der
Möglichkeit gerückt oder gar zur Gewissheit erhoben
würde. —
Erst in den letzten Jahrzehnten sind unsere Kennt-
nisse auf dem Gebiete der Glacialgeologie in hervorragender
1) „Anmärkninger over de tre forste Böger af. Hr. David Crantzes
Historie om Grönland." Kjöbenhavn 1771. 8» pag. 58.
2) William Scoresby'ß des Jüngeren Tagebach; pag. 322.
26
Weise erweitert und vertieft worden, erst neuerdings ist
das ganze Gebäude dieses Zweiges der Geologie in Folge
mannigfaltiger Beobachtungen durch eine Reihe allgemein
anerkannter Lehren gestützt worden. Auf der anderen
Seite sind auch unsere geographischen Kenntnisse von
Grönland, wie sich ohne Uebertreibung aussprechen lässt,
in den letzten dreissig Jahren mehr gefördert worden als
in allen voraufgegangenen Jahrhunderten. U. a. ist man
durch die vieljährigen Forschungen von Dr. Heinrich Eink,
durch die Binneneis -Reisen von Nordenskiöld (1870 und
1883) und von Jensen (1878) sowie durch die Berichte von
Amund Heiland (1875) und einer Reihe dänischer Ge-
lehrten (seit 1876) zu der Erkenntniss gelangt, dass Grön-
land — was in diesem Umfange von keinem anderen
Länderraum der Polarzone gilt — theils die Wirkungen
und Spuren einer vergangenen, theils das Abbild einer
noch vorhandenen Eiszeit darbietet. In Folge dieser Er-
weiterung und Bereicherung unseres Wissens auf dem Ge-
biete der Glacialgeologie im Allgemeinen und der Geographie
Grönlands im Besonderen nimmt in den neueren Reise-
berichten die von uns in Bezug auf die Topographie Grön-
lands ventilirte Frage auch eine andere Form an.
Julius V. Payer spricht sich in dem Bericht über die von
der zweiten Deutschen Nordpol - Expedition in Oötgrönland
1869 — 70 angestellten Forschungen dahin aus ^), dass Grön-
land nur ein unter einer gemeinsamen Eisdecke begrabener
Inselcomplex sei; die peripherischen Partien von diesem
Archipel sind eisfrei, alles übrige aber unter dem mächtigen
Binneneis verborgen, so dass man nur scheinbar den Ein-
druck bekommt, dass man ein geschlossenes Landgebiet
vor sich habe. Payer kannte die Intensität der Ver-
gletscherung Ostgrönlands ai^s eigener Anschauung und
über die von Westgrönland war man damals schon durch
die trefflichen Arbeiten von Rink informirt; und wenn er
die Ansicht aufstellte, dass die centralen Partien von Grön-
land kein zusammenhängendes Landgebiet, sondern ein
Archipel von Inseln seien, so that er dies unabhängig von
1) Petermanns Mittheilungen. 1871. pag. 121, 195.
27
den bekannten Traditionen der Eskimos und den älteren
Karten, sondern stützte sich lediglich auf eigene Beobacht-
ungen über die Oroplastik der ö. Küstenzone zwischen 73
und 77® n. Br. Aus diesen Ursachen erscheint seine Be-
hauptung in ganz anderem Lichte als die von Giesecke und
Kranz, die ja auch annehmen, dass Grönland nur eine
Gruppe von eisbedeckten Inseln sei; ihnen fehlten aber alle
Anschauungen über den Charakter der Vergletscherung
Grönlands und irgend welche Beobachtung, die ihrer
Meinung hätte eine Stütze verleihen können, hatten sie
nicht gemacht. In gleichem Sinne wie Julius von JPayer
spricht sich auch Dr. Robert Brown aus*), der im Jahre
1867 einen Theil von Dänisch Grönland bereist und auch
eine kurze Strecke nach 0. zu auf dem eigentlichen Bin-
neneise vorgedrungen war.
An sich ist es ja möglich, dass Gletscher von eis-
zeitlicher Mächtigkeit und Ausdehnung zwischen Inseln
liegende Meeresbecken, Sunde oder Kanäle ausfüllen und
über solchen neben einander befindlichen Erhöhungen und
Vertiefungen der Erdkruste ein gleiches Niveau einnehmen
können. Das skandinavische Binneneis füllte die Ostsee
und ihre Anhängsel, den Bottnischen, Finnischen und Bigi-
schen Busen aus und drang, unter allmählicher Abdachung
seiner Oberfläche, bis in's Herz Russlands vor 2); im S.
wurden die Meeresstrassen zwischen und um den dänischen
Inseln von den Gletschermassen, die erst an den n. Ab-
hängen der mitteldeutschen Gebirge ihr Ende erreichten,
überdeckt und ausgefüllt; das Nordseebecken wurde von
den von Skandinavien westwärts und von Grossbritannien
ostwärts vordringenden Riesengletschern gemeinschaftlich
überschwemmt; und was die w. Erstreckung des skandi-
navischen, schottischen und irischen Binneneises betrifft,
so dürfte dieselbe noch über das Gebiet hinaus gereicht
haben, das heut zwischen der Küste und der Hundert
Faden -Linie liegt. Die Shetland- Inseln wurden z.B. noch
durch von Skandinavien her sich bewegende Gletscher-
1) Petermanns Mittheilungen. 1871. pag. 888, 389.
2) siehe Jamea Geikie, Prehistoric Europe. 1881. Karte D.
28
maasen überdeckt, wie es darch die Biehtung der daselbst
gefandenen Gletscherschliffe dargethan wird^). Die hori«
sontale und verticale Gliederong des eben umschriebenen
Gebietes war nun allerdings während der Eiszeit nicht
genau dieselbe wie heutzutage, denn in postglacialer Zeit
haben mancherlei Niyeauyerschiebungen stattgefunden ; Ter-
rainunterschiede beträchtlicher Art sowie ein Ineinander-
greifen der Hydrosphäre und Lithosphäre ähnlich dem
heutigen waren aber im nw. Europa entschieden vor dem
Eintritt der Eiszeit ausgeprägt: Der Eisocean breitete sich
trotz dieser Niveauunterschiede seines Liegenden über das
ganze Gebiet aus; seine Oberfläche gab, wie es beim
grönländischen Binneneise beobachtet worden ist, die
Unebenheiten der Unterlage jedenfalls nur in geringerem
Grade wieder nnd war vor allen Dingen durch ein An-
steigen von den randlichen Partien nach dem Gentrum der
Vergletscherung zu ausgezeichnet
Nehmen wir an, dass Grönland ein Archipel von Inseln
ist, die durch eine Binneneisdecke überdeckt und dadurch
zu einem Ganzen zusammen gefasst werden, so lässt sich
zu diesem so gedachten Grönland unserer Tage aus der
Eiszeit der n. Hemisphäre sogar auch eine analege Er-
scheinung anführen; wir meinen die Faeröer in jener
Periode, als die eiszeitlichen Gletscher zu schwinden be-
gannen. Wie nämlich Amund Heiland^) und James Gei-
kie^) nachgewiesen haben, trugen die Faeröer in der Eis-
zeit im Gegensatz zu den Orkney- und Shetland- Inseln
ein eigenes, d. h. auf ihnen selbst entstandenes Binneneis.
Während der Zeit, in der dies im Abnehmen begriffen war,
mussten dann die Faeröer, und zwar besonders der nörd.
Inselcomplex derselben, da hier die einzelnen Inseln sehr
nahe an einander gerückt sind, sicherlich einmal in jenen
1) Amund HellÄnd in „Zeitsohr. d. D. Geol. Ges." XXXI. 1879.
pag. 717.
2) Zeitschrift der Deutsch. Geol. Ges.; XXXI. 1879. pag. 717
und 718 flf. — Amund Heiland: Om Faeroernes Geologie. Kjobenhavn
1881 (Sep.-Abd aus der Geografisk Tidskr.)-, pag. 3.
3) James Geikie : On the Geology of the Faeröe Islands (Trans.
Roy. Soc. of Edinb. 1882; pag. 217—269); pag. 218.
29
Zustand eintreten, dass die kleis»ten der äusseTen Inseln
— ' überhaupt ein Kranz ringa um diese p. Inselgruppe —
eisfrei waren, während von den grösseren inneren loseln,
dem Gentrum der Yergletscberung, noch primäre Gletscher
ausgingen. Diese Gletscher drangen in die Fjorde und
jetzigen Sunde ein, an welchen sich in post^acialer Zeit
eine positive Niveauversehiebung vollzog und welche, wenn
me das mensehliche Auge in jener Periode hätte tiber-
schauen können, im kleineren Masstabe denselben Anblick
wi« die heutigen Eis^orde Grönlands dargeboten haben
würden: von ihrer Mündung hatte dich das Gletscherende
zurückgezogen, im Hintergrunde aber kalbte noch ein von
mehreren seitlichen Firnmulden gespeister Binnengletscher
und an den Fjordwänden hingen die Zungen kleinerer
Gletscher mehr oder weniger weit herab.
Nach Sir Wyville Thomson^) ist das noch unbekannte
Südpolargebiet keineswegs mit Bestimmtheit als ,,antarkti-
scher Continent'' anzusehen, sondern viel wahrscheinlicher
ist es, dass hier gebirgiges und Flachland in Inselform
an einander heran treten, ganz wie es nach Payer und
Brown in Grönland der Fall sein würde.
Prüfen wir nun die Gründe, auf denen diese Letzteren
ihre Ansicht aufbauen.
Brown nennt die von ihm ausgesprochene Meinung „ein
auf wirklicher Beobachtung beruhendes Faktum" 2)^ führt
aber, um dies zu erhärten, nur an, dass es in der Tradition
der Eskimos noch fortlebe, wie durch den Eisfjord von
Jakobshavn und an anderen Stellen der Westküste früher
Wasserstrassen nach der Os&üste hinüber geführt hätten ^) ;
jetzt beständen dieselben nicht mehr, folglieh müssten sie
durch die eingetretene Ausbreitung des Binneneises zu-
geftlllt und die einst isolirt liegenden kleineren Landmassen
dadurch zu einem Ganzen zusammen gefasst worden sein.
Die Traditionen der Esldmos sind an sieh schon werthlos,
weil sie von d^n ersten Dänen selbst erst in die Gemttther
1) The Americau JournAl of tScienee and Arts. Editors^ James,
Bana, SillimHn. DiMfte Serie; Bmd' X¥I. 187a pag. 355 -- 356.
^) PöterrasiMis Mitl^eUttngeu 167i; pag. 3S9.
3) ebenda.
30
1) Wir sind natürlich nicht im Stande, ein Yerzeichniss aller
einschlägigen Beobachtungen zu geben. Vergleiche: James Geikie,
Prehistoric Europe. London 1881. pag. 422, 437, 497, 500, 503, 515,
516, 520—522, 524, 525—530, 555. — James Geikie, Changes of
Cümate inPost-Glacial Times. (.Sep.-Abdr. aus „Scottisk Naturalist",
Janr. 1880) pag. 1—9. — James Geikie : The Great Ice Age. 1. Aufl.
London 1874. pag. 497, 498, 499 Anm. — A. E. Frherr. v. Norden-
skiöld: Umsegelung Asiens und Europas auf der Yega. 1. Band
pag. 345. — Sherard' Osbom: The Discovery of the North -West
Passage by H. M. S. „Investigator" , Capt. B. M'Clure. London
1856. — pag. 208, 209 Anm. — Transactions of the Geol. Soo. of
Glasgow, vol. V. 1873—76. pag. 239—242. — A. E. von Norden-
skiöld: üdkast tili Isfjordens och Beisounds geologi. (Sep.-Abdr.)
pag. 372—73. — James Geikie: On the Geology of the Faeröe Is-
lands, pag. 266. — J. D. Whitney: The Climatic Changes of Later
Geol. Times. Cambridge 1882. pag. 240, 241. — Albert Heim, Hand-
buch der Gletscherkunde. 1885, pag. 512 ff.
der Eskimos gepflanzt worden sind ; aber selbst wenn man
davon absieht, n^ttssen wir entschieden die Annahme zurück-
weisen, dass die Eskimos in Grönland — wo sie doch ^
noch später erschienen als auf dem nordamerikanischen '
Archipel — schon so lange ansässig sind, dass sie es err ^
leben konnten, wie 600 — 700 engl. Meilen lange Meer-
engen mit Gletschereis - Massen von über 100, vielleicht
sogar von über 200 m Mächtigkeit ausgefüllt wurden, denn
das würde Elimaänderungen voraussetzen, wie sie sich nur
in geologischen Zeiträumen vollziehen können. Koch mehr
als das; wir können vor allen Dingen dem nicht bei-
stimmen, dass in der Polarzone nach der Eiszeit das Klima
sich so weit gemildert hatte, dass wo möglich alles Glet-
schereis in Grönland verschwunden war, damit die etwa
vorhandenen Meerengen sichtbar und frei wurden. Es ist
allerdings Thatsache, dass in den arktischen wie in mitt-
leren Breiten in postglacialer Zeit einmal ein milderes
Klima geherrscht hat als in der Jetztzeit, aber annehmen
zu wollen, dass in jener wärmeren Periode die Gletscher
Grönlands in ungeheurem Masse oder gar vollständig ge-
wichen waren, ist angesichts der bisher gemachten Beob-
achtungen^) durchaus unzulässig. Wenn aber die Ver-
schlechterung des grönländischen Klimas noch in den letzten
31
sechs bis acht Jahrhunderten vor sich gegangen sein sollte ^),
so kann dies nur in so geringem Umfange der Fall ge-
wesen sein, dass man sagen kann, die Ausdehnung des
Binneneises hat sich seit der Normannenzeit nicht verändert^).
Brown's Argument ist also zu nichts weniger angethan, als
die Archipel -Katur Grönlands als „Faktum^ hinzustellen.
Bedeutungsvoller sind Payers Ausführungen, waren es
doch mehrfache eigene Beobachtungen, die ihn zu seinem
Urtheil geführt haben. Er bezeichnet zunächst den „gänz-
lichen Abgang grosser Längsthäler, wie solche Continente
voraussetzen und charakterisiren"^) als einen höchst auf-
fälligen Zug in demjenigen Theile Ostgrönlands, den er zu
durchforschen Gelegenheit hatte. Wenn aber eine gebirgige
Küste zwanzig Breitengrade oder noch mehr durchmisst,
so ist es doch wohl nicht als auffällig zu bezeichnen, wenn
auf einem kleinen Bruchtheil dieses Gebietes, auf vier
Breitengraden, die durchaus noch nicht im Detail erforscht,
1) Die zweite Deutsche Nordpolfahrt; 1. Bd. pag. 243, 245, —
V. Eggers : Die wahre Lage des alten Ostgrönlandes ; pag. 89, 91. —
The Geographical Magazine. Edited by Cl. R. Markham. IV. 1877.
pag. 268. — Sir G. S. Nares: Narrative of a Voyage to the Polar sea
during 1875—76. . . . London. 1878. Bd. 2. pag. 191, 344. — Med-
delelser an Grönland. Kjöbenh. VL Bd. 1888. pag. 72, 73, 75. —
Hans Egede : Beschreibung und Naturgeschichte von Grönland pag.
67, 70, 71. — Hans Egede: Des alten Grönlands neue Perlastration.
Aus dem Dänischen übersetzt ]730. Frankfurt. 1 Thl. pag. 16. —
Isaac J. Hayes: The Land of Desolation. London 1871. pag. 47. —
Th. M. Fries: Grönland, dess* Natur och Inneyfinare. Upsala 1872.
pag. 44, 5S, 64. — Sir John Leslie etc.: Discoyeries and Adven-
tures in the Polar Seas and Begions. London 1853. pag. 55. — Die
zweite Deutsche Nordpolfahrt 1869 — 70. Vorträge und Mittheilungen.
Herausgegb. von dem Verein f. die Deutsche Nordpolfahrt zu Bremen.
Berlin 1871. pag. 57. — Siehe auch K. v. Maurer: Island von seiner
ersten Entdeckung bis zum Untergänge des Freistaates. München
1874. pag. 12, 13, 14—17, 18, 426.
2) H. Bink: Danisch Greenland. pag. 40. — siehe. auch: A. E.
y. Nordenskiöld: Udkast tili Isfjordens och Belsonnds geologi;
(Sep.-Abdr.). pag. 247. — Nordenskiöld in „The Geological Maga-
zine". New^eries; yol. IIL 1876. pag. 18, 19.
3) Petermanns Mittheilungen. 1871. pag. 121. — Julius Payer:
Die Oesterreichisch- ungarische Nordpol -Expedition in den Jahren
1872—74. pag. 558.
32
sondern deren Hocbgebirgscharakter nur von einigen
wenigen seitliehen Gipfeln ans erkannt ist, keine grossen
Läingsthäler beobaehtet worden sind. Naeb unserm DafUr-
bulten ist anch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass
eine eingehendere geologische Erforschung, als sie die Ge-
lehrten der „Germania^ bewerkstelligen konnten, die Exi-
stenz Yon LSUigsthälern in Ostgrönland — falls es wirklich
welche geben sollte — noch nachweisen könnte. Zugegeben
aber, dass grosse Längsthäler in Ostgrönland zwischen
73 und 77® n. Br. wirklich nicht vorkommen, so folgt
daraus doch nicht, dass ganz Grönland nur eine Gruppe
von nahe an einander herantretenden Inseln sei.
Denn erstens wissen wir nicht genau, wie die Wasser-
scheide zwischen Ost - und Westküste im Inneren des noch
wenig bekannten Gebietes verläuft. Eine ausführliche Be-
trachtung des uns über das Binneneis zu Gebote stehenden
Wissens wird uns an anderer Stelle den Schluss ziehen
lassen, dass diese Wasserscheide entschieden näher an der
Ost - als an der Westküste liegt ^) ; denkbar ist es, dass im
Verhältniss zur Breite des ganzen Gebietes nur eine schmale
Zone nach der Ostküste entwässert, besonders kann dies
streckenweise der Fall sein, da ja eine Wasserscheide nicht
durchweg gradlinig verläuft. Es kann also schob durch
die Lage der Wasserscheide bedingt sein, dass grosse
Längsthäler in diesem Gebiete Ostgrönlands fehlen, be-
sonders gilt das vot 70—80 deutsche Meilen langen Erosions-
spalten, wie sie Payer unter der Annahme postulirt^), dass
die Wasserscheide in der Mitte zwischen Ost- und West-
küste zu suchen sei. In Norwegen z. B. liegt die Wasser-
scheide im Maximum nur 70 km vom atlantischen Obean
öÄtfernt»).
1) Yergl. Prof. Laube in „Sitzungsber. der math.^uaturwiss.
Blasse der Kais. Akad. d. WisEk zu Wien. Bd. 68, 1. Abthlg. 1874.
p. 48. ^ Bink in aeografisk Tidskrift; I. 1877. pag. 117. -- Bink:
Om Grönlands Indlaüd« pag« 27, 28. — Für die Entscheidung dieser
Frage lassen sich jet^t yfel tviohtiget^e Argumente anfthren.
2) Petermanns ttittheilungeti. 1871. pag. 122. — Julius Fayer:
die Östereichisch- ungarische Nordliol - Expe^tAon. pag. 559.
3) Guthe- Wagner, Lehrbuch der Geographie.. 2. Theil.. p. 3^:
33
Zweitens müssen wir nns die Frage vorlegen : Können
nicht die oroplastischen Züge von König Wilhelms -Land,
das „wie in einzelne Stücke zerbrochen'^ erscheint und wo
besonders das Fehlen von Längsthälern und Kettengebirgen
auffällig ist, gedacht werden, auch wenn Grönland ein zu-
sammenhängender Landcomplex ist?
In der Gebirgszone von Ostgrönland fehlen nach Payer's
Untersuchungen Parallelketten zwischen dem 73. und 77. Pa-
rallelkreis gänzlich ; isolirte, steilwandige Gruppen von durch-
schnittlich 16 — 1700, stellenweise über 3800 Meter hohen
Hörnern, Spitzen und Zacken oder steil abfallende Kämme
mit überragenden thurm- und pyramidenähnlichen Kuppen
steigen unmittelbar an der Meeresküste empor und bilden ein
Relief von seltener Wildheit 0- Dieselben spitzen Gipfel und
die Zerrissenheit und Zusammenhangslosigkeit der Küsten-
front finden wir auch südlich von den von der zweiten deut-
schen Expedition besuchten Breiten wieder, wie die Berichte
von Prof. Laube 2) und William Scoresby 3) angeben. Von der
Küste auf dem 71. Breitengrade sagt Scoresby: „Hier zeigt
sich nichts ebenes, mildes oder unbedeutendes. Die Berge
bestehen aus einer Keihe unzähliger Piks, Kegel, Pyra-
miden mit den schroffesten Felsen, die aus den Seiten her-
vorragen. Sie erheben sich unmittelbar vom Ufer und
steigen in steilen und abschüssigen Wänden hinan. **
Eine solche Bodenplastik deutet aber keineswegs darauf
hin, dftss Grönland nur eine Inselgruppe sei, sondern kann sehr
wohl noch an eine zusammenhängende grössere Erdscholle
gebunden sein. Bedenken wir nur, dass die Konfiguration
eines Landes sieh in erster Linie abhängig erweist von dem
petrographiscfaen Charakter der anstehenden Gesteine, von
dem Alter, der Grösse und Art der stattgehabten Dis-
lokationen, sowie von dem Charakter der in Wirkung ge-
1) PetennannB Mittheilangen. 1871. pag. 122, 123, 197, 199. —
Julius Payer: Die Osterr. - uogar. Nordpol -Expedition, pag. 559—60.
— Edward Sabine: An Account of Experiments to determine the
Fignre of the Earth. 40. London 1825. pag. 417.
2) Sitzungsberichte -Wien, math.-naturwi8a. Klasse. Bd. 68.
1. Abthlg. 1874 pag. 24.
3) William Scoresby 's des Jüngeren Tagebuch; pag. 210.
3
34
tretenen erodireoden und denudirenden Faktoren; die Grösse
des Areales wird nur selten und dann auch erst in zweiter
Linie bei der Herausbildung und allmählichen Entstehung
des Reliefs ursächlich mitwirken, flir gewöhnlich dürfte sie
von denselben Verhältnissen bedingt sein wie die Oro-
plastik im Einzelnen.
Versuchen wir nun, Analoga zu der eigenartigen
Bergbildnng Ostgrönlands aus anderen grösseren Land-
massen anzuführen, um so der Idee Payers entgegen
zu treten, dass in Folge des Fehlens von Kettengebirgen
und langen Querthälern in König Wilhelms- Land Grön-
land nur ein Archipel von Inseln sein könnte. In Norwegen
fehlen auch Parallelketten und Kämme vollständig; die
gebirgige Zone der skandinavischen Halbinsel ist eine
Aneinanderreihung von breiten, durch tief ausgefurchte
Thäler von einander getrennten Plateaus, die steil nach
W. und ganz allmählich nach 0. abfallen: nirgends treten
die einzelnen Kuppen oder Zinnen, die über diese Hoch-
flächen hinweg ragen, zu Bergketten zusammen. Auch in
Island lässt man den Blick vergebens nach irgend welcher
Kettenbildung umherschweifen, die ganze Insel lässt sich
als ein Plateau auffassen, das die Wirkungen einer früheren
Glacialzeit und von noch fortdauerndem Vulkanismus zur
Schau trägt. Fügen wir dem noch hinzu, dass auch Franz
Josefs- Land ^) und die Westküste von Grönland keine,
West-Spitzbergen 2) und Nowaja-Semlja^) nur wenige An-
deutungen von Parallelfalten der Erdkruste aufweisen, dass
ferner in den zuletzt' genannten Ländern auch die Form
der Berge die strengste Aehnlichkeit mit der für Ost-
grönland charakteristischen darbietet, so erscheint es natür-
lich, wenn wir weitere Argumente fordern, bevor wir
Payer's Ansicht zur unserigen machen.
1) Julius Payer: Die Oesterr.-uugar. Nordpol -Expedition; p. 267.
2) A. E. V. Nordenskiöld : Sketch of the Geology of Spitzbergen.
Stockholm 1867. pag. 12, 13^ — „Die schwed. Expeditionen nach
Spitzbergen und Bären -Eiland ausgeführt in d.J. 1861, 1864 und 1868
unter Leitung von 0. Torell und A. E. Norden skiöld". — Deutsch,
Jena 1869. pag. 297. — „Das Ausland" 1880. pag. 493, — Peter-
manns Mittheilungen. 1874. pag. 220. 1863 pag. 401—402.
3) Petermanns Mittheilungen. 1874. pag. 293.
35
Grössere Längsthäler fehlen auch an der Westküste
Yon Grönland, wenigstens in dem dänischen Antheil der-
selben, wo man doch dadurch, dass man alle Fjorde bis
zu ihrem hinteren Ende verfolgt hat, den Eindruck er-
laugt, dass das Binneneis auf einer ununterbrochen zu-
sammenhängenden Festlandsscholle aufruht. Dieser Hin-
weis auf Dänisch Grönland deutet uns auch an, dass das
Fehlen der Längsthäler in König Wilhelms -Land kein
genügender Beweis dafür ist, dass das Binnenland von
Grönland nur eine Gruppe von Inseln sei.
Durch die in der arktischen Zone so weit verbreitete
und, wie an anderer Stelle weiter auszuführen ist, für sie
charakteristische Form der Berggipfel dürfte das Fehlen
von Längsthälern in den weniger intensiv vergletscherten
Küstenzonen sich erklären lassen ; es mag jedoch auch hier
vorkommen, und namentlich wird dies im Bereiche des
eigentlichen Binneneises der Fall sein, dass etwa vor-
handene Längsthäler der enormen Vergletscherung wegen
gar nicht in Augenschein genommen werden könuen^].
Diese Vergletscherung bringt es auch mit sich, dass
die in Grönland vorhandenen Wasserläufe höchstens so lang
sind, als der Rand des Binneneises von der Meeresküste
abliegt, wie die für Dänisch Grönland vorliegenden Karten,
auf denen die Grenze des Binneneises verzeichnet ist, deut-
lich erkennen lassen. Denn abgesehen von solchen Wasser-
adern des Yderlandes, des binneneisfreien Küstensaumes,
die zur Zeit der Schneeschmelze temporär sich bilden und
von solchen, die durch das aus dem Erdboden hervor-
tretende Quellwasser gespeist werden, treten die grön-
ländischen Flüsschen entweder unter Gletscherzungen oder
an einer beliebigen anderen Stelle des Binneneises unter
demselben hervor. Der Band des Binneneises oder die
Firnmulden des Yderlandes sind aber nur kurze Strecken
von der Meeresküste entfernt^) und es ist folglich etwas
1) Diese Ansicht, dass die Längsthäler durch die Gletscher-
massen verhüllt würden, wird von H. Bink geltend gemacht.
2) Auf der Westküste, 80 engl. Min. nördlich von Cap Farewell,
ist das Binneneis so weit vorgeschoben , dass es von der See aus
gesehen wird. Hink, Danish Greenland. pag. 58.
3*
36
ganz Selbstverständliches, wenn Payer bemerkte, dass
in König Wilhelms - Land die grössten Wasserläufe nur
fünf dentsche Meilen Längenentwickelung ^) hatten; mit
dieser Thatsache aber den Satz stützen zu wollen, dass
lange Erosionsspalten in OstgrOnland fehlen, geht doch
nicht an.
Wir nahmen bisher an, dass Payers Untersuchungen
das eigentliche Binnenland Grönlands, das mit dem Binnen-
eis bedeckte Haupt- und Centralgebiet, wirklich berührt
hätten ; möglich ist es ja auch, dass die Halbinseln, die auf
der Karte von König Wilhelms -Land eingezeichnet sind,
Glieder des Hauptlandes von Grönland, wenn wir so sagen
dürfen, sind und dass der Kaiser Franz Josefs -Fjord, der
Scoresby-Sund, Davy-Sund u. s. w. nach Art der Eis-
florde von Dänisch Grönland mehr oder weniger tief in
dieses Hauptland einschneiden. Weit mehr aber entspricht
CS den gemachten Beobachtungen, wenn auch nicht alle
so doch viele der hervorspringenden Partien von König
Wilhelms -Land, von denen vorläufig nur die Halbinsel-
Natur erwiesen ist, als grosse, durch Fjordstrassen von
dem Hauptland abgetrennte Inseln aufzufassen. So giebt
uns Payer an 2), dass er von dem Gipfel der 7100 engl.
Fuss hohen, seinen Namen führenden Spitze (am südlichen
Ufer des Franz Josefs -Fjordes) erkannt habe, dass sich
dieser Fjord,, vom ö. Küstensaum an gerechnet, bis in's
erste Drittel Grönlands verzweige und dass das gleich-
zeitig zu beobachtende Verschwinden des Landes in sw.
Bichtting die Vermuthnhg habe auftau<shen lassen, dass der
genannte Fjord durch ein grosses Wasserbecken oder eine
breite Fjordstrasse mit dem südlich davon gelegenen
Scoresby- oder Davy- Sunde in Verbindung stände. Und
während femer bei anderen Fjorden, die nach dem Binnen-
lande zu einen sichtbaren Abschluss finden, der Salzgehalt
des Wassers in Folge der einmündenden Gletscherwasser
nach dem Hintergrunde zu abnimmt, zeigte der Franz
1) Petenaanns Mittheilapgen. 1871. pag. 121. — Julius Payer:
Die Osten*. - UDgar. Nordpol -Exped. pag. 558.
2) Petermanns Mittheilasgen. 1871. pag. 121. Id9.
37
Josefs-Fjord trotz der starken Zafuhr von Süsswasser keine
solche Verringerung seines Salzgebaltes , ein Umstand, der
jener Vennuthnng eine kräftige Sttttze verleiht, da er auf
eine den Ausgleich ermöglichende Verbindung des Fjord-
innneren mit einem Seewasserbecken hindeutet. Ferner
liess es die Bichtung der Fjorde als möglich erscheinen,
dass der n. Arm des Franz Josefs -Fjordes mit dem Tiroler-
Fjord^), dass der Ardencaple - Inlet mit den in die Bessel-
und Dove-Bai einmündenden Fjorden in Verbindung steht ^).
Der Ausspruch Payer's von dem Fehlen von Längs-
thälern gilt also höchst wahrscheinlieh nur von den vor-
gelagerten Küsteninseln, und es wäre an sich schon ge-
wagt, mit Payer annehmen zu wollen, dass seine Be-
obachtung sich ohne Weiteres auf das eigentliche Binnen-
land bezieht. Fehlen die Längsthäler in der östlichen
H9.1fte von Grönland aber wirklich, so sagt uns ein Blick
auf dessen westliche Hälfte, auf Norwegen, Island u. s. w.
dass damit in Bezug auf die Topographie des betreffenden
Gebieten noch nicht ausgemacht ist, ob es eine Gruppe von
Inseln oder ein zusammenhängendes Landgebiet ist; wir
können ferner auch entgegnen, dass es in der Hochgebirgs-
zone, in der Payer verweilte, der enormen Vergletscherung
wegen unmöglich gewesen sein dürfte, ein sicheres Urtheil
über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von
Längsthälern abzugeben.
Der ganze peripherische Saum von Grönland setzt sich
aus verschieden grossen Inseln zusammen; dieser Umstand
sowie das von ihm beobachtete Fehlen von Kettengebirgen
und Längsthälern in der Richtung nach dem Inneren des
Landes zu und die Zerrissenheit und Zusammenhangs-
losigkeit in der Bergbildung überhaupt, lässt Payer den
für die Urographie Grönlands hochwichtigen Satz aus-
sprechen, dass dasselbe nur als ein Complex von Inseln
aufzufassen sei^). Aus der Eiszeit kennen wir, wie wir
1) Petermanns Mittheilungen. 1871. pag. 197. Julius Payer,
Oesterr.- Ungar. Nordpol- Exped., pag. 638.
2) Petermanns Mittheilungen. 1871. pag. 191. Die zweite
Deutsche Nordpolfahrt. 1. Bd. pag. 490.
3) Petermann's Mittheilungen. 1871. pag. 121, 194, 195.
.38
sahen, die Tbatsache, dass ein Binneneis Sunde und Meer-
engen ausfüllen und Inseln dadurch zu einem Ganzen ver-
binden kann: für das auf unserem Planeten jetzt noch be-
stehende Binneneis von Grönland liegt also eine solche Er-
scheinung auch im Bereich der Möglichkeit. Bedenken
wir aber, dass nichts dazu berechtigt, die in der Eüsteu-
zone ringsum beobachtete Insularität auf den ganzen Baum
von Grönland auszudehnen, dass andererseits der Insel-
reichthum dieser Küste seine natürliche Erklärung darin
findet, dass während der einst grösseren Ausbreitung des
Binneneises hier wie an anderen gebirgigen Küsten (z. B.
Norwegen, Patagonien, Nordwest -Amerika) Fjorde und
Fjordstrassen ausgehöhlt und dadurch, theils auch durch
spätere positive Niveauschwankung Inseln geschaflfen werden
mussten, bedenken wir ferner, dass in der Plastik der
Ktistenzone, d. h. dem Fehlen von Längsthälern und
Parallelketten und der Schroffheit und Zerrissenheit der
Gebii^serhebung, auch keine Andeutungen auf die Archipel-
Natur des Inneren liegen, so müssen wir auch sagen: er-
wiesen ist es durch die bisherigen Beobachtungen nicht,
dass Grönland eine Gruppe von gletscherüberbrückten
Inseln ist.
Der ganze Küstensaum auf der Westseite ist von Cap
Farewell bis zum nördlichsten bisher erreichten Punkte
gebirgiger Natur. In Dänisch Grönland schwankt die
Mittelhöhe der Berge zWischen 4000—5000 engl. Fuss
[1200— 1500 m] 0; auf der Strecke von 67«— 68V2^ ». Br.
ist das Land am niedrigsten, so dass man daselbst selten
Höhen von 600 m antrifft 2), während sich die grössten Höhen
von 2000 m und darüber nördlich der Halbinsel Noursoak,
in der Gegend des 71. Breitenkreises, finden^). Die un-
gefähre Mittelhöhe der n. Hälfte des w. Küstengürtels an-
zugeben, ist wegen der geringen in diesem Gebiete ge-
sammelten Erfahrungen natürlich nicht möglich, so viel
1) H. Bink: Danish Greenland. pag. 52, 54.
2) Petermanns Mittheilungen. 1883. pag. 131.
3) Mittheilungen des Ver. f. Erdkunde zu Leipzig: 1876. pag. 34.
— Archiv for Mathematik og Naturvidenskab. Kristiania. 1. Bd. 1876.
pag. 62.
39
lässt sich indessen aussprechen, dass jenseits 76^ die ab-
solute Erhebung des Landes gegenüber der von Dänisch
Grönland abnimmt^).
Sehen wir von kleineren Fetzen von jüngeren Sedi-
mentgesteinen ab, so lässt sich sagen, dass diese ganze 6e-
birgszone geognostisch ein einheitliches Gebiet bildet, da
sonst nur noch Granit, Gneiss und Varietäten derselben
vorkommen. Schon diese Thatsache gestattet den Schluss
zu ziehen, dass Westgrönland, in dem wir heut eine der
buchtenreichsten, zersägtesten und zerrissensten Küsten auf
unserm Planeten antreffen, einst eine einheitlich zusammen-
hängende Küstenlinie und ein ebenso einheitliches Küsten-
gebirge besessen haben wird. Gestützt wird dieser Schluss
noch dadurch, dass wir deutlich angeben können, durch
welche Faktoren und in welcher Weise die jetzigen Ver-
hältnisse aus den ehemaligen entstanden sind; ferner da-
durch, dass wir uns schwer vorstellen können, wie eine
solche Vielzahl von Inseln, die für ihre Grösse ansehnlich
hoch sind, dicht neben einander liegen und nicht um ein
gemeinsames Gentrum, sondern in eine Reihe geordnet sind,
anders als durch die Zerstörung einer ausgedehnten Faltung
der Erdkruste entstanden sein können; und endlich da-
durch, dass hier an den Küsten der Davis -Strasse und
Baffins-Bai die Möglichkeit einer solchen Auffaltung der
1) Von der Hayes-Halbinael heisst es: ,,Das Lnnd steigt überall
unmitteibar zu einer Höhe von 300 bis 1500 engl. Fuss auf [90—
450 mj; dieser Steilküste folgt ein mehr oder' weniger gebirgiges
Land, über dessen Höhe wir freilich nur einige vage Andeutungen
haben . . . Hayes giebt den fernsten von ihm erreichten Punkt mit
5000 Fuss [1525 m] an." Petermanns Mitth. 3867. pag. 183. — E. K.
Kane : The U. S. Grinnell Expedition, pag. 142 : In dem Artic High-
lands beobachtete Kane Gipfel von 600 m. — E. K. Kane : Arctic
Explorations. London und Philadelphia 1856. Bd. 1. pag. 222: Mittl.
Höhe des Tafellandes südlich vom Humboldt-Gletscher 275m ; höchster
Punkt an der Küste 396 m ; nach dem Inneren bis 500 m ansteigend.
— Nares, Narrative of a Voyage; l.Bd. pag. 96: höchster Punkt von
Washington -Land 1800 m [soweit der Blick vom Schiffe reichte];
Küste selbst nur 300 m hoch (pag. 105); pag. 111: Cap Tyson und
Cap Gleverley an der n. Küste des Petermann -Fjordes 460 m. —
EmilBessels: Die Amerikanische Nordpolexpedition; pag. 265: Wände
der Bessels-Bai nicht über 800 m hoch etc. etc.
40
Erdkruste geboten war, da ja Eammgebirge sieh regel-
mässig längs jetzigen oder früheren Eüstenlinien vorfinden.
Neben jenen als Homologien oder Homeomorpfaien be-
zeichneten Erscheinungen von geringerer Begelmässigkeit
ergeben sich bei einer Betrachtung der Morphologie der
Festlandsräume nur zwei Gesetze:
1) dass sich die Continente nach N. zu verbreitem,
nach S. zuspitzen;
2) dass sich an den steilen Abhang einer Gebirgs-
erhebung Tiefebene oder eine noch grössere Depression,
d. h. das Meer, unmittelbar anschliesst, während der
andere Abhang, den man allgemein als den continentalen
bezeichnen kann, in Gestalt einer Hochebene oder in Ge-
stalt von Bergland sich allmählich herabsenkt. (Vergleiche
die Anden in Süd -Amerika, die Cordilleren in Nord-
Amerika, die Alpen, den Himalaya, Caucasus, französischen
Jura u. s. w.).
Das zweite der angeführten Gesetze lässt uns darauf
schliessen, dass sich an das Ktistengebirge von Westgrön-
land ^) nach der dem Meere abgewendeten Seite eine
breitere Zone von Festland, das in unmittelbarer Nähe des
Gebirges nicht Tiefebene sein kann, anschliessen muss;
eine Betrachtung des Binneneises erhärtet dies Besultat,
denn man kann mit Sicherheit annehmen, dass dasselbe in
seinen w. Bezirken auf einer Hochebene 2) oder auf Berg-
land von niedrigerer Erhebung als das vorgelagerte Küsten-
gebirge aufliegt. In dem w. Gürtel dieses Hochlandes er-
heben sich die „Nunataks** 3), jedenfalls durch Circum-
denudation entstandene Ueberreste von ö. Seitenzweigen
1) Wir sehen jetzt von der während und vor der Eiszeit er-
folgten Bildung tiefer Erosionsspalten und der dadurch und durch
nacheiszeitliche positive filiveauschwankang hergestellten Auflösung
desselben in Inseln und Halbinseln ab.
2) Des Genaueren wird dies später erörtert werden; siehe vor-
läufig: V. Etzel, Grönland, pag. 89. H. Bink, Danish Greenland.
pag. 42. -^ H. Bink: Oin den geographiske Beskaffenhed af de danske
Handelsdistrikter i Nordgrönland; pag. 45.
3) Archiv for Mathematik og Naturvidenskab. 1876. 1. Bd.
pag. 64. — A. V. Etzel, Grönland, pag. 88.
41
des Küstengebirges ^) , wie es ja auch E. J. V. Steenstrup
möglieb war, dareb Beobacbtung des Binneneis- Horizontes
mit dem Femrohr in der Umgebung des Umanaksfjordes
naebznweisen y dass sieb sogar ganze Gebirgsrücken unter
dem Binneneis vom Ettstengebirge aus landeinwärts fort-
setzen^).
Was wir bier von Westgrönland ausgeführt haben, gilt
auch von Ostgrönland. Allerdings ist hier die Küste von
65® 15' n. Br., bis wohin Graab 1829 vorgedrungen war,
bis 69 ® 13 ' n. Br,, dem südlichsten von Scoresby kartirten
Funkte, bisher von keinem Europäer betreten worden; wir
können aber nach dem, was uns von den übrigen Küsten-
strichen bekannt ist, und nach den in Bezug auf jenes noch
unbetretene Gebiet aus der Ferne (so zuletzt von den Hansa-
Männern) gemachten Wahrnehmungen aussprechen, dass
auch Ostgrönland ein Küstengebirge besitzt, ein Küsten-
gebirge, das in den von der zweiten deutschen Expedition
besuchten Breiten mehr als doppelt so grosse Höhen auf-
weist, als sie in ganz Westgrönland überhaupt vorkommen.
Von dieser wenigstens stellenweise beträchtlicheren Er-
hebung des ostgrönl. Küstengebirges ausgehend , darf man
es als möglich hinstellen, dass das Innere Grönlands d. b.
das von den beiderseitigen Küstengebirgen umschlossene
Gebiet — sei es in Form von Terrassen oder von unregel-
mässig undulirtem Bergland oder aber in Form einer all-
mählich und regelmässig ansteigenden Hochebene — im
0. ein höheres Niveau einnimmt ^s im W. Eine glänzende
Bestätigung erhält diese Vermuthung durch Beobachtungen
über die Natur des grönländischen Binneneises: man weiss,
dass die Oberfläche desselben nach 0. zu allmählich an-
steigt ^), und dies muss mit darin begründet sein, dass auch
1) Aehnlich dem ,,Hoheii8taufen", dem „HohenzoUem'' und
anderen Vorbergen der Schwäbischen Alp. — Kaum durften es vul-
kanische Kuppen sein.
2) „Meddelelser om Grönland." IV. Bd. 1883. pag. 74, 75. —
Die Handesheimer Berge bei Wien sind solche Ausläufer der Central-
kette der Alpen.
3) Archiv for Mathematik og Natnrvidenskab. 1876. pag. 64 und
67: Heiland beobachtete ein solches Ansteigen von verschiedenen
J
42
das Liegende desselben nach 0. zu sich erhebt, üeber-
haupt liegt unserer Ansicht nach das Centrum der Ver-
gletscherung Grönlands in der ö. Hochgebirgszone.
Auch von dem Spitzbergen- Archipel, auf dem wie in
Grönland granit- und gneissartige Gesteine die Unterlage
der jüngeren Sediment- Gesteine bilden, wissen wir, dass
die im Durchschnitt 1200-2500 Fuss hohen Gebirge vor-
nehmhch a n den Küsten auftreten t), und wir können ferner
hohen Gipfeln des Yderlandes in Dänisch Nordgrönland. Dass. in
Quarteiay Journa of the Geological Society of London. Jahrgang
RnvL!! üeberhaupt ist ein solches Ansteigen des Binneneis-
s^Zp!r ''"'' '^i'° ^'^^^^ ^«« Küstenlandes aus zu beobachten:
rSnlf". '''l'o^'**^'^^^^ ^883- P*g- 133. ~ Anton vonEtzel,
Grönland, pag. 88. - h. Rink. Danish Greenland. pag. 42. - h!
i Te^li ^^ ^ö geografiske Beskaffenhed af de Danske Handelsdistrikter
Vori^'''' ""^ ' ^^^- ^^- - (>eografisk Tidskrift. I. 1877. pag. 115.
auch „*®^ . f^S^^S der Oberfläche des Binneneises konnten sich
nach l^^®J®^igen überzeugen, welche Vorstösse auf demselben
^ß • zu gemacht haben; sehen wir ab von jenen Versuchen, die
r grossen Hindemisse wegen schon unfern des Randes ihr Ziel
anaen, so ist dieses Emporsteigen auf dreien solcher Reisen con-
C'nll ^^^ gemessen worden. — Ueber die Expeditionen von Norden-
f s^A *^* ^^^ "^^^^^ 1^*^^ "^^ 1883 vergleiche: The arctic Voyages
iL "^"^ Nordenskiöld 1858-^1879. London 1879. pag. 158, 159,
p ! ^^'^' "7 -^^ E- Nordenskiöld : Redogörelse för en Expedition tili
Grönland Ar 1870. Stockholm 1871. pag. 24, 34. - Geografisk Tids-
snft. VII. 1883—84. pag. 58. — „Ymer". Tidskrift udgiven af
svenska Sällskapet för Antropologie och Geografie. 1883. pag. 229 ff.
Die von dem Mitglied der Expedition, Herrn C. J. 0. Kjellström ent-
worfene Karte. — In Bezug auf die Expedition von Lieutenant
Jensen aus dem Jahre 1878 siehe: Petermanns Mittheilungen. 1880.
pag. 103 und 104. Dass ein Binneneis vom Rande nach dem Centrum
zu an Mächtigkeit zunehmen und folglich nach dem Ausgangspunkt
der Vergletscherung hin ansteigen muss, ist von James Groll auch
auf dem Wege theoretischer Betrachtungen gefunden worden; siehe
„Olimate and Time", pag. 374 und „On the Thickness of the ant-
arctis ice and its relations to that of the glacial Epoch." London
1879; pag. 24. — Schliesslich wäre noch hervorzuheben, dass es
durch mannigfaltige Beobachtungen unzweifelhaft festgestellt ist,
dass auch das skandinavische und das alpine Binneneis vom Centrum
nach dem Rande zu sich herabsenkten.
1) M. Th. V. Heuglin: Reisen nach dem Nordpolarmeer in den
Jahren 1870 und 1871. Braunschweig 1872. III. Bd. pag. 339. Pe-
termanns Mittheilungen. 1861. pag. 50: An der Westküste von Gross-
Spitzbergen Gipfel von 5000 Fuss,
43
aus den Angaben der Schwedischen Expeditionen über die
Höhe des Binneneises in Gross -Spitzbergen, in Kordostland,
in Barents-Land und Stans Foreland den Schluss ziehen,
dass auch anf jeder dieser Inseln das Binneneis auf einer
niedrigeren Fläche aufliegt als die mittlere Höhe der peri-
pheripherischen Gebirgszone angiebt.
Die Beobachtung eines Eüstengebirges im W. wie im
0. Grönlands^) und das mit Sicherheit zu erschliessende
Vorhandensein von sich nach dem Inneren des Landes an
diese beiden Eüstengebirge anschliessenden Hochebenen oder
vielleicht auch welligem Bergland 2) berechtigt zu der An-
nahme, dass an dieser Stelle unseres Planeten eine zusam-
menhängende Festlandsscholle vorhanden sein muss oder
doch wenigstens vorhanden gewesen sein muss. Ziehen
wir nun noch in Erwägung, dass den überwiegenden Haupt-
antbeil von den anstehenden Gesteinen im 0. wie im W.
Urgesteine, d. h, also Gesteine von demselben Alter und
derselben petrographischen Beschaffenheit, bilden, so wird
jene Annahme zu einem über allen Zweifel erhabenen
Faktum. Wir haben in Grönland eine uralte Festlands-
scholle vor uns, ähnlich wie in Südafrika oder im Süd-
westen von Australien, an die sich im Laufe der Ent-
wickelung unserer Erdoberfläche anscheinend nur im N.
jüngere Gebilde angegliedert oder aufgesetzt haben. Diese
sich schon frühzeitig über das Niveau des Meeresspiegels
erhebende Insel wurde Zusammenfaltungen und Zusam-
menschrumpfungen unterworfen , und in gesetzmässiger
Uebereinstimmung mit den topographischen Verhältnissen
anderer Erdgegenden finden wir auch hier die Hauptfalt-
1) Die Bichtnng derselben stimmt überein mit der in der Neuen
Welt herrschenden Nord -Süd -Kichtüng der Kettengebirge.
?) Dass die von uns in dieser Beziehung angestellten Ueberleg-
ungen richtig sind, ist durch die Erfahrungen Nordenskiölds, der im
Jahre 1883 unter GS^ Br. bis in das Herz Grönlands vordrang, dar-
gethan: ,,Nordenskiöld selbst hebt hervor, dass er in Uebereinstim-
mung mit dem Programm der Expedition diejenige Form des Landes
gefunden hat, welche eine nothwendige Bedingung für die Bildung
eines Binneises ist: nämlich ein Bergland, welches langsam und regel-
mässig nach dem Meere zu abfällt/' Geografisk Tidskrift. VIl.
1883—84. pag. 59.
i
44
ungen an den Meeresküsten i), den Steilabfall derselben
nach dem Meere zu, einen allmählichen Abfall, jedenfalls
in Form yon Hochebene, nach der dem Meere abgewendeten
Seite.
Die Möglichkeit ist nun nicht ausgeschlossen, dass
eine Erdscholle von der eben skizzirten Topographie
durch eintretende positive Kiveauschwankung sowie durch
präglaciale und glaciale Erosion und Denudation in einen
Archipel von Inseln aufgelöst werden kann; da es aber
noch an Beobachtungen fehlt, welche mit Sicherheit auf
solche Veränderung schliessen lassen, dürfte es sich
empfehlen, Grönland jetzt noch als zusammenhängende
Landmasse hinzustellen.
Erfreulich ist es für uns, zu sehen, wie Amund Hei-
land, der von ganz anderen Gesichtspunkten ausgeht, zu
derselben Ansicht gelangt, die wir eben als das Resultat
unserer Untersuchung hinstellen konnten. Heiland knüpft
an das Auftreten der Fjorde an und führt Folgendes aus:
„Ueber die Konfiguration des inneren Landes kann man
nur auf dem Wege des Analogieschlusses ein wahrschein-
liches Resultat erzielen. Selbst bei den neuesten Polar-
reisenden, die Grönlands Küsten gesehen haben, findet man
es ausgesprochen, dass Grönland nur ein Aggregat von
Inseln sei; die zwischenliegenden Sunde seien mit Eis aus-
gefüllt, so dass das Ganze den Eindruck eines Festlandes
mache ^). Ein solcher Gedanke steht aber in entschiedenem
Widerspruch mit der Art und Weise, wie die Fjorde überall
auf unserem Planeten auftreten. Grönland ist ein ebenso
1) Wir wollen nicht unterlassen, darauf hinzuweissen, dass Vorder-
indien, welches im Wesentlichen eine Gneissplatte zu sein scheint,
ein striktes Analogen auch zu der vertikalen Gliederung Grönlands
darbietet: wie von Cap Farvel so begleitet auch vom Cap Comorin
aus ein Gebirge die Ost* und die Westküste nach N., während das
Innere von einem einseitig sich absenkenden niedrigeren Plateau ein-
genommen wird.
2) Zu dieser Ansicht neigen ausser Julius von Payer und
Dr. Robert Brown auch Professor Dr. Laube (Sitzungsberichte —
Wien; math.-naturw. Klasse. 68. Bd., 1. Abthlg. 1874 pag. 42) und
Josef Ohavanne in Wien (Petermanns Mittheilungen. 1874. pag.391).
45
ausgeprägtes Fjordenland wie die Westktlste von Nor-
wegen oder die Westküste von Nordamerika» Will man
sich nun eine Meinung ttber die Konfigoration des mit Eis
bedeckten Theiles von Grönland bilden, so gibt es kein
anderes Mittel, als die Fjordbildnngen in denjenigen
Ländern zu studiren, die nicbt mehr mit Eis bedeckt sind.
Es fällt dabei in die Augen, dass grosse, tiefe und typisch
ausgeprägte Fjorde nicht wie Sunde quer durch das Land
setzen, sondern dass sie sich nach dem Inneren des Landes
zu verzweigen, als Fjorde aufhören und als Fjordthäler
fortsetzen, bis sie sich allmählich ganz verlieren. Ist man
aber zu der Erkenntniss gekommen, dass das, was man
Fjord nennt, eine eigenthümliche geologische Bildung von
derselben Art in Norwegen wie in Grönland ist^), so muss
ihr Auftreten in beiden Ländern im grossen Ganzen das-
selbe sein, und es gehört eben mit zu der Eigenthümlichkeit
der Fjorde, dass sie nach dem Inneren des Landes zu sich
in Thäler verzweigen und allmählich aufhören. Es scheint
also höchst wahrscheinlich, dass die grönländischen Fjorde,
wenn sie plötzlich eisfrei würden, wie die Fjorde an anderen
Stellen unseres Planeten auftreten würden; sie würden
kürzere oder längere Strecken in das Land eindringen,
dann in Thäler übergehen und sich allmählich ganz ver-
lieren. Grönland kann also kein Gomplex von Inseln sein,
sondern ist gleich wie Norwegen ein zusammenhängendes
Land, aus dem zahlreiche Fjorde dicht bei einander her-
vortreten, ohne dass sie jedoch das Land in Inseln zer-
theilten»)/«
Diese Worte Amund Heilands bedürfen weiter keiner
Erläuterung; wir können also nicht nur aus den Ge-
birgserhebungen des Küsten- und Binnenlandes und dem
petrographischen Charakter der eisfreien Landestheile darauf
schliessen, dass das grönländische Gebiet in geologischer
Vorzeit einmal eine zusammenhängende Festlandsinsel ge-
1) Vergleiche dazu auch: Archiv for Mathematik og Natar-
videnskab. 1876, pag. 60 nnd 63; 1877, pag. 428. — Petermanna Mit-
theilungeiu 1883. pag. 389. — Sitzungsberichte — Wien; math.-natnr-
wisB. Klasse. 68. Bd. 1. Abthlg. 1874. pag. 34.
2) Archiv for Mathematik ogNaturvidenskab; 1876. pag. 69,70.
Imlittil IHUIM, wir Winsen aucti, daae keine der bisher
littrn lleülmohtungen es auch nur als Vermuthnng aus-
nii lUHNt, daHH uQtor dorn EinfluBse präglacialer und
er Kropiiun und Denudation und positiver Kiveau-
ikuUK dloHea gOBchlossone Landgebiet in eine Reihe
inbIu Hufgoirtst Bol, ja das Vorkommen von pjorden
' UKt- wie an der Westküste ist sogar ein direkter
lolierer lUnwoia darauf, dasa ihr Hinterland kein
«\ »t'iw kann.