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Full text of "Über die Verletzungen des Auges : mit besonderer Rücksicht auf deren gerichtsärztliche Würdigung"

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ÜBER 


DIE  VERLETZUNGEN  DES  AUGE 


MIT  BESONDERER  RUCKSICHT 


AUF  DEREN 


GERICHTSÄRZT 


VON 


DR-  FERDINAND  RITTER  YON  ARLT 


PROFESSOR  DER  AUGENHEILKUNDE. 


WIEN,  1875. 


WILHELM     BRAU  MULLER 

K.  K.  HOP-  UND  UNIVERSITÄTSBÜCHHÄNDLER. 

«38£> : 


Ophthalmologische  Werke 

aus  dem  Verlage 

von  Wilhelm  Braumüller,  k.  k.  M  und  Uairersitätsbaefabändler  in  Wien. 

Von  demselben  Verfasser: 
Horizontaler    Durchschnitt    des    menschlichen   Auges,    nach    den 
Präparaten    des    Verfassers     gezeichnet    von    Dr.    Elfinger.     1862. 
1   Tafel  Fol.  in  Umschlag.    1875.  1  fl.  —   2   M. 

Adler,  Dr.  Haus,  ord.  Augenarzt  des  k.  k.  Krankenhauses  Wieden  und 
des  St.  Josef- Kinderspitales.  Die  während  und  nach  der  Variola 
auftretenden  Augenkrankheiten.  Mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  in  der  Wiener  Blattern-Epidemie  1872  —  1873  gemachten  Beob- 
achtungen,  gr.   8.    1875.  60   kr.   —   1    M.   20   Pf. 

Becker,  Dr.  Otto,  Professor  der  Augenheilkunde  an  der  Universität 
in  Heidelberg.  Vier  Tafeln  zur  Bestimmung  des  Astigmatismus. 
Folio.   1868.  1  fl.    50   kr.   —   3   M. 

Atlas  der  pathologischen  Topographie  des  Auges.  Ge- 
zeichnet von  Carl  Heitzmann.  I.  Lieferung.  Mit  9  Tafeln  und 
7  Holzschnitten.  4.  1874.  cart.  9  fl.  —  18  M. 
(II.  Lieferung  unter  der  Presse.) 

Bericht  über  die  Augenklinik  der  Wiener  Universität  1863—1865. 
Unter  Mitwirkung    des   Prof.   Dr.    Ferd.   Al'lt,    herausgegeben    von 

Dr.  Max  Tetzer,   Dr.   Lucian  Rydel   und  Dr.  Otto   Becker. 

Mit  6  Tafeln  und  Holzschnitten,   gr.   8.    1867.      2  fl.   50   kr.    —    5   M. 


Donders,  Dr.  F.  C,  Professor  an  der  Universität  in  Utrecht.  Die  Ano- 
malien der  Refraction  und  Accommodation  des  Auges.  Deutsche 
Original-Ausgabe  unter  Mitwirkung  des  Verfassers  herausgegeben  von 
Dr.  Otto  Becker.  Mit  193  Holzschnitten  und  einer  lithographirten 
Tafel,   gr.   8.    1866.  6  fl.   50   kr.  —   13   M. 

Gerold,  Dr.  HugO,  Geh.  Hofrath  und  Professor  an  der  Universität 
in  Giessen.  Die  ophthalmologische  Physik  und  ihre  Anwendung 
auf  die  Praxis.  Für  Aerzte  und  Studierende.  2  Theile.  Mit  273  Holz- 
schnitten,   gr.   8.   1869  —  70.  7  fl.   50   kr.  —   15  M. 

Lunda,  Dr.  Josef,  k.  k.  Oberfeldarzt.    Die  Augenblennorrhöe  vom 

fei d ärztlichen  Standpunkte  betrachtet,   nebst  einem  Anhange:    Ueber 
das  granulöse  Augenleiden,    gr.   8.    1861.     80  kr.  —  1  M.  60  Pf. 

Mauthner,    Dr.   Ludwig,    k.    k.   o.   ö.  Professor  der  Augenheilkunde 

an    der    Universität  Innsbruck.     Vorlesungen    über    die  optischen 

Fehler     des     Auges.     I.     Abtheilung.    Allgemeiner    Theil.     Mit 

51   Holzschnitten  und   2   Tafeln,  gr.   8.   1872.    2  fl.   50  kr.  —   5  M. 

(II.  Abtheilung  unter  der  Presse.) 


ÜBER 


I  VERLETZUNGEN  DES  AUGE 


l 


MIT  BESONDERER  RUCKSICHT 


AUF  DEREN 


GERICHTSÄRZTLICHE  WÜRDIGUNG. 


VON 


DE-  FERDINAND  RITTER  TON  ARLT 


PROFESSOR  DER  AUGENHEILKUNDE. 


WIEN,  1875. 
WILHELM      BRAUMÜLLER 

K.  K.  HOF-  UND  UNIVERSITÄTSBUCHHÄNDI.ER. 


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tt  S)  tu 


EINLEITUNG. 


Als  Mitglied  der  Begutachtungscommission  der  medicini- 
schen  Facultät  habe  ich  oft  wahrgenommen,  dass  Aerzte,  selbst 
wenn  sie  als  Gerichtsärzte  fungiren,  bei  Verletzungen  des  Auges 
sowohl  in  der  Aufnahme  des  Thatbestandes  als  in  der  Beur- 
theilung  desselben  und  der  Folgen  sehr  oberflächlich  zu  Werke 
gehen.  Man  kann  selbst  aus  gewissenhaft  abgefassten  Gut- 
achten oft  entnehmen,  dass  der  Verfasser  in  diesem  speciellen 
Gebiete  nicht  gehörig  orientirt  war.  Mir  scheint  der  haupt- 
sächlichste Grund  davon  darin  gelegen  zu  sein,  dass  den 
Meisten  die  Gelegenheit  fehlt,  sich  über  dieses  schwierige 
Capitel  genügend  zu  unterrichten.  Dasselbe  pflegt  weder  bei 
den  klinischen  Vorträgen  noch  in  den  gangbaren  Hand-  und 
Lehrbüchern  der  Augenheilkunde  abgesondert  und  übersichtlich 
behandelt  zu  werden,  und  die  Monographien  darüber  —  ich 
kenne  nur  die  (im  weiteren  Verlaufe  citirten)  von  W.  Cooper 
und  von  Zander  u.  Geissler  —  sind  beinahe  durchaus  nur 
im  Besitze  von  Specialisten,  den  meisten  praktischen  Aerzten 
unbekannt  oder  schwer  zugänglich.  Ich  entschloss  mich  dess- 
halb  zum  Entwürfe  einer  kurzen  übersichtlichen  Schilderung 
der  Verletzungen  des  Auges  mit  besonderer  Berücksichtigung 
dessen,  was  zunächst  den  Gerichtsärzten  noth  thut. 

Ich  wählte  zur  Veröffentlichung  meiner  Abhandlung  zu- 
nächst die  vielverbreitete  ..Wiener  medicinische  Wochenschrift ' 

v.  Arlt.  Die  Verlpt^uug.-n  de«  Auges.  1 


—     2     — 

von  Dr.  Wittelshöfer  (1874),  weil  ich  hoffte,  dass  ich  auf 
diese  Weise  am  ehesten  meinen  Zweck  erreiche,  nämlich  eine 
sorgfältige  Untersuchung  und  eine  richtige  Beurtheilung  der 
Verletzungen  des  Auges  in  dem  grösseren  ärztlichen  Publicum 
anzuregen.  Das  Urtheil  vieler  Fachgenossen  über  diese  Arbeit 
und  die  lebhafte  Nachfrage  nach  den  (50)  bald  vergriffenen 
Separatabzügen  bestimmten  mich  Ende  desselben  Jahres,  eine 
besondere  (unveränderte)  Ausgabe  zu  veranstalten  und  in  den 
Buchhandel  zu  bringen. 

Specialisten  werden  in  diesem  Büchel  nur  wenig  Neues 
finden ;  wenn  sich  jedoch  einer  derselben  entschliessen  möchte, 
dieses  Thema  ausführlich  und  streng  wissenschaftlich  in  Form 
einer  Monographie  zu  behandeln,  so  dürfte  ihm  das  von  mir 
entworfene  Schema  wohl  nicht  unwillkommen  sein. 

Ich  muss  voraussetzen,  dass  der  Leser  mit  den  neueren 
Untersuchungsmethoden  bekannt  sei,  nicht  nur  mit  der  Be- 
stimmung des  Refractionszustandes  und  seiner  Anomalien  und 
mit  der  Eruirung  der  Sehschärfe  des  directen  Sehens  sowohl 
als  des  indirecten  (Einschränkung  des  Gesichtsfeldes),  sondern 
auch  mit  der  ophthalmoskopischen  Untersuchung.  Deren  Dar- 
stellung, wenn  auch  noch  so  fasslich  und  gründlich,  würde 
ohne  praktische  Unterweisung  dennoch  fruchtlos  bleiben.  Wenn 
also  ein  Arzt,  der  als  Gerichtsarzt  auftreten  soll,  diese  Kennt- 
nisse und  Fertigkeiten  nicht  besässe,  so  könnte  ihm  nur  der 
Rath  ertheilt  werden,  dass  er  den  Fall  an  einen  damit  ver- 
trauten Collegen  abtrete.  Ohne  genaue  objective  Erhebung 
des  Thatbestandes  ist  das  Abgeben  eines  gewissenhaften  Gut- 
achtens geradezu  unmöglich.  Und  doch  waren  bisher  Gut- 
achten über  Verletzungen  des  Auges,  in  denen  man  sogar  die 
Angabe  vermisste,  in  welcher  Weise  und  in  welchem  Grade, 
nach  Sehproben  bestimmt,  das  Sehvermögen  beeinträchtigt 
war,  nicht  gerade  etwas  Seltenes.  Möchte  ich  im  Stande  sein, 
zu  bewirken,  dass  solche  Opprobria  artis  et  scientiae  medicae 
fernerhin  nicht  mehr  vorkommen,  so  wäre  der  Zweck  dieser 
kleinen  Arbeit  genügend  erreicht. 


—     3     — 

Ich  theile  sämmtliche  Verletzungen  des  Auges  in  drei 
Hauptgruppen  ein: 

I.  Verletzungen  durch  plötzliche  Zusammendrückung  oder 
Erschütterung  des  Auges; 

II.  Verwundung  durch  Eindringen  eines  mechanisch  wir- 
kenden Körpers  in  das  Gewebe:  a)  ohne  oder  b)  mit  Hinter- 
lassung eines  fremden  Körpers  an,  in,  neben,  hinter  dem  Bul- 
bus. Die  Verwundung  der  Lider,  der  Thränenorgane,  des 
Knochengerüstes  etc.  dürften  der  Kürze  wegen  füglich  in  das 
Gebiet  der  Chirurgie  verwiesen  werden  können; 

III.  Verbrühungen  und  Aetzungen  des  Bulbus  und  der 
Lider,  sofern  sie  durch  ihr  Vorkommen  daselbst  eine  aus- 
nahmsweise Berücksichtigung  erheischen. 

Den  Schluss  sollen  IV.  einige  Bemerkungen  über  das 
Erkennen  absichtlich  hervorgerufener,  übertriebener  oder  vor- 
geschützter Augenleiden  bilden. 

In  jeder  der  genannten  Gruppen  wurde  die  anatomische 
Anordnung  (nach  den  einzelnen  Gebilden)  als  die  zweck- 
mässigste  gewählt,  und  das  darüber  zu  Sagende  in  die  Rubri- 
ken :  Diagnose,  Prognose  und  Therapie  eingereiht,  weil  es  mir 
schien,  dass  es  nur  auf  diese  Weise  möglich  sei,  für  compli- 
cirte  Verletzungen  die  nöthige  Orientirung  zu  gewinnen.  Die 
Angabe  der  Grundzüge  der  Therapie  hielt  ich  desshalb  für 
nothwendig,  weil  ja  oft  auch  die  Frage  vorkommt,  ob  der 
schlimme  Ausgang  einer  Verletzung  etwa  ganz  oder  theilweise 
der  Vernachlässigung  oder  verfehlter  Behandlung  zuzuschrei- 
ben sei. 

Zum  Schlüsse  halte  ich  noch  einige  allgemeine  Bemer- 
kungen nicht  für  überflüssig. 

Bei  der  Aufnahme  des  Thatbestandes  prüfe  man  jeder- 
zeit die  Sehschärfe  nicht  nur  des  verletzten,  sondern  auch  des 
andern  Auges,  und  zwar  abgesondert.  Es  kann  gerade  das 
verletzte  Auge  dasjenige  sein,  auf  welchem  bisher  die  Erwerbs- 
fähigkeit beruhte.  Es  kann  später,  wenn  sympathische  Affec- 
tion  des  zweiten  Auges  eintritt,  nöthig  sein,  seine  Functions- 
tüchtigkeit  zur  Zeit    der  Verletzung    (kurz    darnach)   constatirfc 


—    4    — 

zu  haben.  Die  Unterscheidung-  von  Licht  und  Schatten  (quan- 
titative Lichtempfindung)  kann  für  einige  Zeit  (durch  reichli- 
chen Bluterguss  im  Glaskörper)  oder  für  immer  erloschen  sein. 
Bei  noch  bestehendem  qualitativen  Sehen  muss  der  Grad  der 
centralen  Sehschärfe  ziffermässig  angegeben  werden,  z.  B.  in 
welcher  Entfernung  bei  mittlerem  Tageslichte  Finger  nicht 
mehr  gezahlt,  Buchstaben  oder  Gegenstände  von  bestimmter 
Grösse  —  etwa  die  Snellen'schen  oder  Jag  ersehen  Probe- 
buchstaben —  noch  erkannt  werden.  Dabei  ist  zu  ermitteln, 
ob  das  Erkennen  solcher  Objecte  in  bestimmten  Abständen, 
etwa  durch  Vorhalten  sphärischer  (oder  cilindrischer)  Concav- 
oder  Convexgläser  vermittelt  oder  verbessert  werden  könne, 
und  ob  die  Notwendigkeit  einer  solchen  Correctur  nicht  als 
Folge  der  Verletzung  (z.  B.  der  Form  Veränderung,  des  Man- 
gels der  Linse)  zu  betrachten  sei.  Nicht  minder  wichtig  ist 
die  Prüfung  des  indirecten  Sehens,  seine  Herabsetzung,  sein 
theilweiser  oder  gänzlicher  Ausfall.  Wo  es  nicht  auf  feinere 
Distinctionen  ankommt,  wird  es  genügen,  bei  geschlossenem 
zweiten  Auge  den  Kranken  das  verletzte  unverrückt  auf  ein 
etwa  zwei  Fuss  entferntes  Object,  z.  B.  einen  Finger,  richten 
zu  lassen,  und  nun  von  verschiedenen  Punkten  der  Peripherie 
des  Sehfeldes  Finger  (oder  im  dunklen  Räume  eine  Kerzen- 
flamme) gegen  die  Mitte  desselben  allinälig  hereinzuschieben 
und  deren  Zahl  angeben  zu  lassen.  Nur  dann,  wenn  weder 
das  centrale  noch  das  periphere  Sehen  geschädigt  erscheint, 
und  wenn  eine  solche  Schädigung  auch  im  weiteren  Verlaufe 
nicht  eintritt,  darf  man  die  ophthalmoskopische  Untersuchung 
als  nicht  nothwendig  betrachten. 

Bei  der  Ermittlung  des  Verhältnisses  zwischen  dem  Be- 
funde und  der  Causa  nocens  wird  man  sich  stets  gegenwärtig 
zu  halten  haben,  dass  an  dem  Auge  gar  nicht  selten  bedeu- 
tende Abnormitäten  vorkommen,  welche  schon  vorher  bestan- 
den, ohne  dass  der  Betroffene  eine  Ahnung  davon  hatte,  da- 
mit man  nicht  der  Verletzung  zuschreibe,  was  sie  gar  nicht 
oder  höchstens  theilweise  verschuldet  hat. 


I.  Abschnitt. 


Plötzliche  Zusammendrückung  und 
Erschütterung  des  Bulbus. 


§.  1.  Allgemeine  Bemerkungen.  In  diese  Kategorie 
reihen  wir  zunächst  jene  Verletzungen  ein?  welche  durch  gewalt- 
same Einwirkung  eines  stumpfen  Werkzeuges  auf  den  Bulbus 
gesetzt  werden  und  deren  Folge  in  einer  Verschiebung  der 
Formelemente  gegeneinander,  resp.  in  Aufhebung  des  Zusammen- 
hanges besteht,  ohne  dass  das  Agens  in  das  Gewebe  selbst 
eingedrungen  ist.  Der  Bulbus  ist  dabei  entweder  an  einer 
kleinen  Stelle  gequetscht  oder  eingeknickt,  oder  aber  durch 
einen  mehr  ausgebreiteten  Druck  momentan  abgeplattet  worden. 
Daran  schliessen  sich  die  Fälle,  wo  der  Bulbus  durch  eine 
Gewalt,  welche  ihn  selbst,  den  Kopf,  den  ganzen  Körper  ge- 
troffen hat,    in  rasche    und  starke  Schwingung  versetzt  wurde. 

Ein  auf  solche  Weise  verletztes  Auge  zeigt,  abgesehen 
von  den  Lidern,  sofort  oder  nach  kurzer  Zeit:  Blutunterlaufung 
der  Bindehaut,  Trübung  mit  nachfolgender  Entzündung  — 
Eiterung  —  der  Hornhaut  (bald  ohne,  bald  mit  relativ  geringer 
Continuitätsstörung  an  der  Oberfläche),  Berstung  der  Sklera 
unweit  der  Cornea  (sehr  selten  im  hinteren  Umfange),  Blut- 
erguss  in  der  Kammer,  mehr  weniger  deutliche  Zerreissung  an 


—     6     — 

der  Iris,  Lähmung  des  Sphinkters  (selten  spastische  Contraction), 
Lähmung-  der  Accommodation,  Berstung  der  Linsenkapsel, 
Dehnung-  oder  Zerreissung  der  Zonula  Zinnii  mit  mehr  weniger 
deutlicher  Lage-  und  Formveränderung  der  Linse,  Berstung 
in  der  Aderhaut  mit  Bluterguss  in  den  Glaskörper,  Störung 
der  Netzhautfunction  durch  andere  als  die  eben  genannten  Ver- 
änderungen. Nach  den  Untersuchungen  von  Dr.  B  erlin  (vide§.  18) 
kommen  Blutaustretungen  auch  in  der  Gegend  des  Corpus  ciliare 
als  Folge  subitaner  Compression  des  Bulbus  vor,  sind  jedoch 
direct  nicht  nachweisbar,  ausser  post  mortem.  Es  kann  eine 
einzige  dieser  unmittelbaren  Folgen  vorhanden  sein  ;  man  findet 
aber  meistens  mehrere  derselben  zugleich. 

Die  Wahrnehmung  vieler  der  genannten  Veränderungen 
kann  eine  Zeit  lang  durch  Bluterguss  in  der  Kammer  oder  im 
Glaskörper  und  weiterhin  durch  Producte  der  reactiven  Ent- 
zündung oder  durch  consecutive  Linsentrübung  verhindert  oder 
doch  sehr  erschwert  werden.  Daher  lässt  sich  in  vielen  Fällen 
über  den  Sitz,  den  Grad  und  die  Folgen  der  gesetzten  Ver- 
änderungen erst  nach  wochen-,  monatelang  fortgesetzter  Beob- 
achtung ein  bestimmtes  Urtheil  abgeben. 

Unser  Augenmerk  wird  sehr  oft,  wenn  nicht  schon  durch 
die  Anamnese,  so  durch  Zeichen  von  Contusion  der  Cutis  an 
den  Lidern,  am  Orbitalrande,  am  Kopfe  überhaupt  auf  Ver- 
letzungen dieser  Art  gelenkt;  es  kann  aber  leicht  geschehen, 
dass  man  beim  Vorfinden  von  Wunden  (§.  20)  oder  Ver- 
brühungen (§.  31)  verleitet  wird,  nicht  nach  einer  Complication 
mit  Contusion  oder  Erschütterung  des  Auges  zu  forschen. 

Um  das  Zustandekommen  der  unmittelbaren  Folgen  subi- 
taner Compression  zu  begreifen,  halte  man  sich  gegenwärtig, 
dass  der  nicht  compressible  flüssige  Inhalt  des  Bulbus  — 
Kammerwasser  und  Glaskörper  —  von  Membranen  umspannt 
wird,  welche  nur  in  geringem  Grade  elastisch  dehnbar  sind, 
und  dass  das  Gehäuse  des  Bulbus  in  mehr  als  der  Hälfte  seines 
Umfanges  gleichmässig  von  dem  eminent  elastischen  und  mäch- 
tigen Fettgewebe  der  Orbita  umschlossen  wird,  welches  zwischen 
Bulbus  und  Knochengerüst  eingeschaltet,  ein  Angepresstwerden 


dieses  Gehäuses  an  die  Knochen  höchstens  beim  Eindringen 
sehr  grosser  fremder  Körper  in  die  Orbita  möglich  macht. 
Eine  partielle  Compression  des  Bulbus  an  der  dem  Angriffs- 
punkte diametral  entgegengesetzten  Seite  wird  vermöge  der 
gleichmässigen,  dicken  und  elastischen  Auspolsterung  des  Lagers 
des  Bulbus  nicht  zu  Stande  kommen  können  und  desshalb  wird 
man  auf  circumscripte  Compression  an  der  entgegengesetzten 
Wand  des  Bulbus  nicht  recurriren  dürfen ,  wenn  es  sich  um 
die  Erklärung  von  Veränderungen  handelt,  welche  man  dort 
vorfindet,  wie  dies  u.  A.  Dr.  Berlin  anzunehmen  geneigt 
scheint.  (Zur  sogenannten  Commotio  retinae  in  Zehen  de  r's 
klin.  Monatsbl.  1873,  p.  42). 

Wenn  ein  fremder  Körper  mit  einer  gewissen  plötzlichen 
Gewalt  auf  die  Hülle  des  Bulbus  wirkt  und  vermöge  seiner 
physikalischen  Eigenschaften  (Grösse,  Stumpfheit)  diese  nicht 
durchbohrt,  so  kann  sich  seine  Action  in  blosser  Quetschung 
der  getroffenen  Fläche  erschöpfen  oder,  je  nach  seiner  Grösse 
und  Form,  zu  localer  Einknickung  oder  zu  Abplattung  führen, 
während  in  demselben  Momente  vielleicht  noch  keine  erheb- 
liche Verschiebung  des  Bulbus  in  toto  gegen  das  Fettpolster 
oder  gegen  die  Lider  (bei  von  rückwärts  kommender  Gewalt) 
eingetreten  ist.  Eine  Einknickung  sowohl  als  eine  Abplattung 
ist  aber  wegen  der  Incompressibilität  des  flüssigen  Inhaltes 
nicht  denkbar  ohne  gleichzeitige  Formveränderung  des  Bulbus 
in  toto.  Der  Bulbus  muss,  wenn  man  den  Angriffspunkt  als 
Pol,  die  Richtung  des  Stosses  als  Achse  einer  Kugel  betrachtet, 
im  Aequator  dieser  Kugel  erweitert  werden.  Ein  Widerstand 
an  der  entgegengesetzten  Wand,  auf  eine  grosse  Fläche  ver- 
theilt,  kann  diese  Formveränderung  nur  steigern.  Das  Vor- 
kommen einer  Lücke  oder  eines  circumscripten  harten  Körpers 
an  der  Wand,  gegen  welche  der  Bulbus  verdrängt  wird,  wäre 
wohl  geeignet  zu  bewirken,  dass  entsprechend  der  Lücke  eine 
Ausbuchtung  oder  Durchbrechung,  und  entsprechend  dem  harten 
Körper  eine  Einknickung  oder  Durchbohrung  der  Bulbuswand, 
resp.  der  Sklera  entstünde.  Solche  Bedingungen  sind  aber 
wohl  kaum  jemals  vorhanden.    Eben  so  wenig  kann  der  Stoss 


—     8     — 

innerhalb  des  Bulbus  gegen  den  dem  Angriffspunkte  diametral 
entgegengesetzten  Punkt  fortgepflanzt  werden,  wenn  wir  näm- 
lich supponiren,  die  Richtung  des  Stosses  sei  senkrecht  auf  die 
tangirende  Ebene  des  Angriffspunktes  erfolgt.  Bei  nicht  senk- 
rechtem Auftreffen  der  Gewalt  (auf  die  tangirende  Ebene)  geht 
ein  Theil  der  comprimirenden  Kraft  verloren.  Es  pflanzt  näm- 
lich der  Glaskörper  so  gut  wie  das  Kammerwasser  den  Druck 
nach  allen  Theilen  der  umschliessenden  Wandung  fort.  Dem 
entsprechend  konnte  man  auch  nie  die  Zeichen  von  Compression 
oder  Zerreissung  der  Netzhaut ,  die  doch  zunächst  getroffen 
werden  musste,  an  der  dem  Angriffspunkte  diametral  entgegen- 
gesetzten Stelle  constatiren.  —  Die  Veränderungen,  welche 
man  an  der  gegenüberstehenden  Wand  in  der  Chorioidea  findet, 
in  analoger  Weise  erklären  zu  wollen,  wie  das  Zustandekommen 
von  Knochenfissuren  und  intracraniellen  Blutergüssen  bei  Ver- 
letzungen des  Schädels,  also  durch  Gegenstoss,  wie  Knapp 
(Archiv  für  Augen-  und  Ohrenheilkunde  I.  #,  6)  versucht  hat, 
ist  schon  aus  dem  Grunde  unzulässig,  weil  die  Sklera  weder 
die  Härte  noch  die  absolute  Unausdehnbarkeit  der  Schädel- 
knochen besitzt,  hauptsächlich  aber  desshalb,  weil  man  ent- 
sprechend der  Stelle,  wo  die  Blutung  oder  Berstung  in  der 
Aderhaut  vorkam,  noch  nie  eine  Skleralberstung  nachweisen 
konnte,  und  alles  darauf  hindeutet,  dass  an  diesen  Stellen 
Skleralberstungen  für  gewöhnlich  gar  nicht  vorkommen. 

Wird  der  Bulbus  in  der  Gegend  des  vorderen  Poles  ab- 
geplattet, und  das  ist  ja  der  häufigste  Fall,  so  muss  er  momentan 
im  Aequatorialdurchmesser  grösser  werden,  mindestens  dann, 
wenn  der  Bulbus  in  der  Gegend  des  hinteren  Poles  an  das 
elastische  Fettpolster  angedrückt  wird.  Die  Erweiterung  wird 
in  der  Aequatorialzone  ihr  Summum  erreichen,  aber  auch  dies- 
wie  jenseits  noch  erheblich  gross  sein.  Die  Chorioidea  ist 
vorne  mit  dem  Corneoskleralringe  mittelst  des  Ciliarmuskels 
(Brücke's  Tensor  chorioideae),  hinten  an  der  Eintrittsstelle 
des  Sehnerven  so  zu  sagen  unzertrennlich  fest,  dazwischen  aber 
nur  sehr  lose  (und  offenbar  leicht  verschiebbar)  mit  der  Sklera 
verbunden.     Ungefähr   in    der  Mitte    zwischen   den   genannten 


—     9    — 

unzertrennlichen  Verbindungen,  nämlich  an  den  Uebergangs- 
punkten  der  Wirbelvenen  von  der  Chorioidea  zur  Sklera,  sind 
diese  beiden  Membranen  nicht  nur  durch  diese  dicken  Gefäss- 
stämme,  sondern  auch  durch  festes  straffes  Bindegewebe  in 
ziemlicher  Ausdehnung  fest  mit  einander  verbunden.  Dadurch 
aber,  dass  nächst  der  vorderen  Verbindung  Arterien  und  Venen 
ein-  und  austreten,  rings  um  den  Sehnerven  und  besonders  in 
der  Gegend  des  hinteren  Poles  die  hinteren  kurzen  Ciliar- 
arterien  von  der  Sklera  in  die  Chorioidea  gehen,  wird  das 
Gebiet  der  festeren  Verbindung  dieser  Membranen  mit  einander 
beträchtlich  erweitert.  Wird  nun,  vermöge  der  Abplattung  des 
Bulbus,  die  äquatoriale  Zone  der  Chorioidea  peripher  gedrängt, 
während  der  Druck  des  Glaskörpers  auf  Retina  und  Chorioidea 
überall  der  gleiche  bleibt,  so  muss  die  Dehnung  der  Chorioidea 
von  einer  relativ  kleinen  Partie  getragen,  kann  somit  das  Mass 
ihrer  Dehnbarkeit  leicht  erschöpft  werden;  es  kommt  zur 
Berstung  von  Gefässen,  von  Gewebe,  und  die  Risse  im  Gewebe 
müssen  nothwendiger  Weise  quer  zur  Richtung  des  Zuges, 
also  concentrisch  zum  hinteren  Pole  (oder  was  nahezu  dasselbe, 
zur  Peripherie  der  Papilla)  verlaufen*).  Es  kann  ein  Riss  er- 
folgen, der  sich  vielleicht  zwieselig  spaltet,  es  können  aber 
auch  noch  Nebenrisse,  alle  in  concentrischer  Richtung,  ein- 
treten, und  es  darf  uns  nicht  irre  machen,  wenn  wir  hie  und 
da  einmal  einen  Ausläufer  eines  Risses  aus  der  Hauptrichtung 
heraustreten  sehen. 

Wahrscheinlich  können  auch  in  der  Nähe  des  vorderen 
Fixpunktes  der  Chorioidea  auf  ganz  analoge  Weise  Gefäss- 
berstungen  bewirkt  werden;  sie  lassen  sich  jedoch  hier  wohl 
nur  post  mortem  direct  nachweisen.  Vergl.  §.  18  Dr.  Berlin's 
Experimente.  Risse  in  der  Chorioidea  vor  dem  Aequator  sind 
aber  bisher  nur  in  Fällen  beobachtet  worden,  wo  der  Bulbus 
in  dieser  Gegend  von  einem  stumpfkantigen  Gegenstande  ge- 
troffen worden  war.     Hier  dürfte  der  Chorioidealriss  wohl  nur 


*)  U.  A.  haben  auch  Sä  misch  (klin.  Mon.  18(36  p.  112)  und  von 
Stell  wag  (Lehrbuch  4.  Auflage  p.  322)  für  Dehnung  als  Ursache  der  Rup- 
turen in  der  Chorioidea  sich  ausgesprochen. 


—     10     — 

durch  Einknickung  der  Sklera  an  dieser  Stelle  erklärt  werden 
können,  gleichwie  auch  viele  Blutungen  aus  dem  Ciliarkörper 
auf  Quetschung  desselben  durch  Prellung*  der  darüber  liegenden 
Skleralpartie  zurückzuführen  sein  mögen.  Der  in  solchen  Fällen 
weiter  rückwärts  und  zwar  in  demselben  Meridian  gelegene 
Chorioidealriss,  gleichfalls  concentrisch  zur  Papillenperipherie 
streichend,  lässt  sich  dann  ganz  ungezwungen  von  der  durch 
die  Einknickung  entstandenen  Yonvärtszerrung  der  rückwärts 
davon  gelegenen  Chorioidealpartie  ableiten. 

Am  schwierigsten  ist  unstreitig  die  Deutung  der  Riss- 
wunden, welche  man  nach  der  Einwirkung  einer  stumpfen 
Gewalt  auf  den  Bulbus  in  der  vorderen  Zone  der  Sklera  be- 
merkt, und  welche  sich  nicht  bloss  auf  die  Sklera,  sondern 
-  auch  durch  den  Uvealtiactus  erstrecken.  Es  ist  auffallend, 
dass  diese  Risse,  durch  welche  augenblicklich  mehr  weniger 
von  dem  flüssigen  Bulbusinhalte,  ja  selbst  ein  Theil  der  Iris 
und  wohl  auch  die  ganze  Linse  herausgedrängt  wird,  jedesmal 
ganz  oder  nahezu  concentrisch  zum  Hornhautrande  verlaufen, 
und  dass  sie  fast  ausnahmslos  nach  oben,  meistens  nach  oben- 
innen  vorkommen.  Wir  dürfen  jedoch  keineswegs  ausser  Acht 
lassen,  dass  mitunter  ein  solcher  Riss  auch  nach  unten  oder 
unten-innen  beobachtet  worden  ist. 

Gegen  die  von  Zander  und  Geissler  (die  Verletzungen 
des  Auges,  Leipzig  und  Heidelberg,  1864,  p.  373)  aufgestellte 
Ansicht,  dass  der  Bulbus  unten  oder  unten-aussen  an  der 
Sklera  getroffen  und  nach  oben  oder  oben-innen  gegen  den 
Orbitalrand  gedrückt  werde  und  an  diesem  einen  unüberwind- 
lichen Widerstand  finde,  wodurch  das  Einreissen  der  Sklera 
und  weiterhin  das  Austreten  der  Linse  (vermöge  der  noch  in 
derselben  Richtung  fortwirkenden  Gewalt)  bewirkt  werde,  hat 
sich  bereits  Manz  klin.  Monatsbl.  1865,  p.  177)  erklärt.  ..Man 
muss  dabei  darauf  achten,  dass  nicht  die  beiden  direct  ge- 
pressten  Partien  des  Augapfels  (die  eine  durch  das  Instrument, 
die  gegenüberliegende  durch  die  unnachgiebige  Orbitalwand) 
es  sind,  welche  zerreissen  können,  sondern  dass  dies  an  einer 
relativ  freien  Stelle  stattfinden  wird,  welche,  während  sie  sich 


—    11    — 

im  höchsten  Grade  der  Spannung  befindet,  die  relativ  geringste 
Cohäsion  (soll  wahrscheinlich  heissen:  geringste  Unterstützung) 
besitzt,  und  das  ist  eben  die  dem  inneren  und  oberen  Horn- 
hautrande sich  zunächst  anschliessende  Sklera."  Nimmt  man 
an,  dass  grössere  fremde  Körper  den  Bulbus  nicht  leicht  von 
anderswoher  als  von  unten  oder  unten-aussen  treffen  können, 
und  dass  das  Auge  im  Momente  der  hereinbrechenden  Gefahr 
wohl  meistens  (mit  dem  Hornhautcentrum  i  nach  oben  oder 
innen-oben  flieht,  so  fällt  der  Angriffspunkt  wühl  meistens  unten 
oder  unten-aussen  zwischen  Cornealrand  und  Aequator  bulbi 
auf  die  Sklera.  Dann  kommt  aber  die  Stelle  des  Skleralrisses 
ziemlich  genau  in  den  Kreis  zu  liegen,  welcher  in  Bezug  auf 
die  Verbindungslinie  zwischen  Angriffs-  und  Gegenpunkt  als 
Aequator  bezeiehnet  werden  kann.  Kein  Wunder  also,  dass 
die  Sklera  in  diesem  Kreise  die  grösste  Spannung  erfahren  niuss, 
und  dass  sie  in  jener  Gegend  dieses  grössten  Kreises  bersten 
wird,  welcher  in  actu  laesionis  relativ  am  wenigsten  von  aussen 
unterstützt  ist.  Trifft  aber  einmal  der  Stoss  den  Bulbus  auf 
die  obere-äussere  Partie  der  vorderen  Skleralzone,  wie  in  dem 
auf  Euete's  Klinik  beobachteten,  von  Schröter  (klin.  Monatsbl. 
1866,  p.  245)  publicirten  Falle,  so  erfolgt  nach  dem  eben  er- 
örterten Gesetze  die  Uveoskleralruptur  nach  unten-innen.  Jeden- 
falls bleibt  der  Satz  aufrecht,  dass,  wenn  die  vordere  Skleral- 
zone unten  getroffen  wurde,  der  Uveoskleralriss  oben  erfolgt, 
dass  ein  solcher  Riss,  an  der  Nasenseite  beobachtet,  auf 
Einwirkung  des  Druckes  von  der  Schläfenseite  bezogen 
werden  muss,  und  dass,  weun  die  Berstung  unten  vorgefunden 
wird,  dies  eine  subitane  Compression  des  Bulbus  oberhalb 
der   Cornea    voraussetzt*).     Dass    der    Skleralriss    fast    aus- 


*)  Ein  Dienstkuecht  erhielt  von  dem  Hufe  eines  Pferdes  einen  Schlag 
gegen  die  rechte  Schläfe  auf  die  obere-äussere  Partie  des  rechten  Auges. 
Vierzehn  Tage  später  fand  mau  mehrere  verheilte  Wunden  in  der  rechten 
Schläfegegend.  Orbitalwand  unversehrt,  Bulbus  ziemlich  stark  verkleinert, 
sehr  weich.  Conjunct.  bulbi  nur  noch  massig  injicirt.  Parallel  dem  innern- 
untern  Hornhautrande  eine  circa  1"'  von  demselben  abstehende,  etwas  nach 
einwärts  verzogene  frische  Narbe  mit  eingeheiltem  pigmentirten  ( Iris-  oder 
Chorioideal-)    Gewebe;    Hornhaut    rund,    etwas    flacher,    an    Umfang    wenig 


—     12     — 

nahmslos  concentrisch  zum  Cornealrande  verläuft,  dazu  trägt 
wohl  der  Umstand  mit  bei,  dass  die  Fasern  der  Sklera  im 
Bereiche  der  Zone  des  Ciliarkörpers  vorwaltend  concentrisch 
zum  Cornealrande  verlaufen. 

Die  Berstungen  im  Bereiche  der  Iris  (namentlich  die 
Iriodialysis)  erklären  sich  unschwer  aus  der  durch  die  Corneal- 
abplattung  gesetzten  Erweiterung  des  Corneoskleralringes,  mit 
welchem  wohl  der  Ciliarmuskel,  nicht  aber  die  Iris  fest  ver- 
bunden ist.  Risse,  welche  die  Iris  in  radiärer  Richtung  treffen, 
dürften  überdies  Verengerung  der  Pupille  und  Angedrängt- 
werden der  Linse  an  die  gespannte  Iris  im  Momente  der 
Cornealabplattung  als  Bedingung  voraussetzen. 

Die  Dehnung  oder  Zerreissung  der  Zonula  und  die 
Berstung  der  vorderen  (oder  hinteren)  Kapsel  und  die  damit 
verbundene  Form-  und  Lageveränderung  der  Linse  mag  wohl 
in  vielen  Fällen  gleichfalls  der  momentanen  Erweiterung  des 
Corneoskleralringes  zuzuschreiben  sein,  sie  kommt  aber  factisch 
auch  ohne  solche  Erweiterung  vor,  namentlich  bei  blosser  Er- 
schütterung des  Auges,  und  ist  dann  wohl  so  zu  deuten,  dass 
die  Gewalt,  welche  das  Auge  trifft  oder  in  Schwingung  ver- 
setzt, auch  die  relativ  zum  Kammerwasser  und  Glaskörper  spe- 
cifisch  schwerere  Linse  in  eine  starke  Excursion  versetzt. 

Für  das  Zustandekommen  der  Lähmung  des  Irissphinkters 
und  des  Accommodationsmuskels  eine  genügende  Erklärung 
zu  geben,  sind  wir  vorläufig  nicht  im  Stande,  während  das 
Dunkel,  das  bisher  über  der  sogenannten  Commotio  retinae 
schwebte,  auf  dem  Wege,  den  Dr.  Berlin  (1.  c.)  eingeschlagen, 
allmälig  mehr  und  mehr  aufgehellt  werden  dürfte.  Siehe  §.  18. 

Bei  der  Mehrzahl  der  in  diese  Kategorie  gehörenden 
Verletzungen   steht    die    dabei   gesetzte    Veränderung    nicht   in 


verkleinert,  an  ihrer  Hinterfläche  mit  feinem  fibrinösen  Belage,  sonst  klar. 
Linse  und  Iris  fehlten;  von  letzterer  stand  nur  noch  nach  aussen  ein 
schmaler  halbmondförmiger  Saum  mit  gerissenem  zackigen  Rande.  „Ohne 
Zweifel  war  hier  im  Augenblicke  des  Schlages  die  Linse  in  ihrer  Kapsel 
aus  dem  Auge  herausgeschleudert  worden  und  hatte  die  Iris  mit  heraus- 
gerissen."     (Schröter  1.   c.) 


—     13     — 

Proportion  zu  der  angewendeten   Gewalt  und    ist    vielmehr    als 
das  Product  einer  »besonderen  Beschaffenheit  des   K 
persa   (des  Auges)  und  des  Actes  der  Verletzung  aufzufa- 
wobei  der  letztere  sograr  die  untergeordnete  Rolle  spielen  kann. 

it  nur  das  Alter  mit  seiner    erhöhten  Brüehigkeit    der 
webe,  sondern  auch  der  Refractionszustand  (höhere  Grade  von 
Kurzsichtigkeit    und  präv  vorher    oft    wenig    oder   gar 

nicht  beachtete  Ektopie  des  Krystallkörpers  können  hier  bei 
dem  Urtheile  über  die  Verletzung  (deren  Gewaltthätigkeit  sehr 
schwer  in  die  Wagschale  fallen.  Auch  die  mehr  weniger 
flache  und  tiefe  Lage  des  Bulbus  wird  mitunter  hier  in  An- 
schlag gebracht  werden  müssen. 

2.  Eine  sehr  Läufige  Folge  des  Anprallens  stumpfer 
Körper  an  das  Auge  (Lider,  Orbitalrand  •  ist  Bluterguss 
unter  der  Conjunctiva  bulbi.  in  dem  lockeren  sul 
junctivalen  Bindegewebe.  Derselbe  kann,  wenn  auch  Anfangs 
vielleicht  von  geringem  Umfange,  durch  wiederholte  Nach- 
schübe ohne  nachweisbare  Veranlassung  (beim  Husten.  Schneu- 
che  Ausbreitung  und  Mächtigkeit  erlangen,  dass 
die  suffundirte.  mehr  weniger   dunkelrothe    und   mehr    weniger 

annte  Bindehaut  die  Cornea  thei.  _  -  im  wall- 

artig üb-        _  nach  Tagen     auf"  hymoma 

subconjunctivale  erregt  den  Verdacht,  dass  bei  de:  A  erietxang 
ein  Bluterguss  in  der  Tiefe  der  I  Berlin,    L 

pag. 

Diagnose.  Progr.  handlang.    An  und  für  sich 

hat  dieser,    bloss  temporal  tellnng    und    allenfalls    Druck 

oder  Spannung  veranlassende  Zustand  nichts  zu  bedeuten.    Er 

fordert  aber  jederzeit  zu  sorgfältiger  Prüfung  der  Function  des 

gea  und.  wo  diese  nicht  vollkommen  befriedigt,  zur  ophthalmo- 

ischen  Untersuchung  auf.  weil  nebstdem  noch  Veränderun- 
gen ernster  Natur    im    Innern    des   Auges    oder   hinter   di 
erfolgt  sein  können.     Das  Blut  wird  im  Verlaufe  einiger  Tage 
oder   Wochen    resorbirt:    gelbe   Tingirung    des    Weinen    kann 
lange  zurückbleiben,   oder,    bei    Bluterguss    in    der    T: 
nach    Verlauf   einige]    7  _  ...  —  Di  Scheidung 


—     14    — 

von  der  chemotischen  Schwellung-  der  Bindehaut,  welche  als 
Symptom  von  Entzündung  auftritt,  gibt  der  Nachweis  des  Ab- 
ganges anderweitiger  Erscheinungen  einer  solchen  Entzündung, 
welche  jedenfalls  sehr  heftig  sein  muss,  bevor  sie  einen  blut- 
rothen  Wall  um  die  Cornea  bewirkt. 

In  einigen  Fällen  wurde  subconjunctivale  Cysten- 
bildung  als  Folge  einer  Contusion  an  der  betreffenden  Stelle 
constatirt  (auch  von  mir). 

Kalte  Umschläge  allein  oder  mit  Zusatz  von  Weingeist, 
allenfalls  auch  mit  Tinct.  arnicae  und  Vermeidung  dessen, 
was  den  Blutrückfluss  durch  die  absteigenden  Hohlvenen  be- 
hindert, sind  zu  empfehlen.  Incisionen  werden  kaum  jemals 
nöthig  werden. 

§.  3.  Prellung  der  Hornhaut  durch  einen  relativ  klei- 
nen, die  Substanz  derselben  gar  nicht  oder  unerheblich  trennen- 
den Körper  gibt  sehr  häufig  die  Veranlassung  zur  Entstehung 
einer  Hornhautentzündung  mit  Eiterung,  welche  meistens 
als  Abscess,  seltener  als  Geschwür  verläuft  und  zu  den 
gefährlichsten  Augenentzündungen  gehört. 

Die  Veranlassung  dazu  geht  selten  von  einer  zweiten 
Person  aus ;  meistens  ist  ein  schlimmer  Zufall  oder  Unvor- 
sichtigkeit des  Verletzten  selbst  Schuld  daran,  das  Anprallen 
eines  Stückes  Metall,  Stein,  Holz  u.  dgl.,  das  Anstossen  an 
einen  Halm,  eine  Aehre  u.  s.  w.  Ob  diese  Folge  auch  dann 
eintreten  könne,  wenn  der  contundirende  Körper  nur  durch 
das  Lid,  nicht  direct  auf  die  Hornhaut  wirkte,  ist  mindestens 
nicht  sichergestellt. 

Diese  Keratitis  kommt  ungleich  häufiger  bei  älteren  als 
bei  jugendlichen  Individuen  vor,  daher  man  wohl  berechtigt 
ist,  dem  höheren  Alter  eine  „besondere  Disposition"  beizulegen. 
Man  findet  überdies  bei  Leuten  mit  Hornhautabscessen  so  oft 
zugleich  eine  Blennorrhoe  des  Thränensackes,  dass  man  nicht 
umhin  kann,  dieser  Complication  einen  Theil  der  Bösartigkeit 
der  Folgen  zuzuschreiben.  Dem  entsprechend  ist  auch  der 
Rath  wohl  motivirt,  dass  man  in  einem  solchen  Falle  sofort 
die  Beseitigung   (Verminderung)    der  Thränenstauung    anstrebt 


—    15    — 

—  durch  Schlitzung  eines  Thränenröhrchens  und  Sondenein- 
legung  —  und  dass  man  an  Augen  mit  Thränenstauung,  falls 
eine  Operation  an  der  Cornea  nöthig  würde,  erst  diese  Com- 
plication  beseitigt.  Der  nachtheilige  Einfluss  der  Thränen- 
stauung  auf  die  verwundete  Hornhaut  wurde  eben  durch  die 
Statistik  der  Staaroperationen  (Extraction)  sichergestellt. 

Diagnose.  An  der  getroffenen  Stelle  der  Cornea  ent- 
wickelt sich  unter  zonenförmiger  Ciliarinjection  um  die  Cornea 
eine  scheibenförmige,  matte  und  lichtgraue  Trübung,  welche 
später  um  so  gesättigter  eitergelb  aussieht,  je  mehr  Eiter- 
schichten hinter  einander  in  der  Cornea  liegen. 

Bekommt  man  den  Hornhautabscess  erst  dann  zu  sehen, 
wenn  ein  Theil  des  Eiters  bereits  aus  dem  Herde  fortgeschafft 
ist,  so  erscheint  dieser  nur  an  den  mehr  weniger  wulstigen 
Rändern  intensiv  getrübt,  in  der  Mitte  ungleichmässig  grau 
und  mehr  weniger  deutlich  eingesunken.  Es  kann  dann  zweifel- 
haft sein,  ob  man  ein  Geschwür  oder  noch  einen  eigentlichen 
Abscess  vor  sich  habe,  was  indess  von  keiner  praktischen  Be- 
deutung ist,  da  in  dem  einen  wie  in  dem  andern  Falle  Aus- 
breitung des  Herdes  nach  der  Peripherie  hin  am  meisten  zu 
befürchten  ist.  Desshalb  kann  man  auch  nach  Sä  misch  die 
gemeinschaftliche  Bezeichnung:  „ulcus  corneae  serpens"  ge- 
brauchen. Es  erfolgt  diese  Ausbreitung  nicht  selten  auch  nach 
Abnahme  aller  anderen  entzündlichen  Zufälle  (Ciliarinjection, 
Schmerz,  Lichtscheu,  Thränenfluss),  und  zwar  nach  oben  oder 
zur  Seite  nicht  minder  leicht,  als  nach  unten.  Ein  ominöser 
Vorbote  dieses  Fortschreitens  pflegt  ein  lichtgrauer  Halo  zu 
sein,  der  sich  an  den  geschwellten  und  saturirten  (eitrig  infil- 
trirten)  Rand  des  Herdes  anschliesst. 

Neben  der  Eiterbildung  in  der  Cornea  findet  man  fast 
ohn e  Ausnahme  auch  Eiter  in  der  vordem  Kam m e r  in 
verschiedener  Menge,  unten  oft  kaum  wahrnehmbar  wegen 
Senkung  hinter  die  Corneoskleralfalze,  nicht  selten  aber  die 
Hälfte,  zwei  Drittel  der  Kammer  ausfüllend.  Durch  Hinzu- 
treten von  Iridokyklitis  können  dann  selbst  bei  massiger  Eiter- 
ansammlung    äusserst     heftige,     Tag     und    Nacht    anhaltende 


—     16     — 

Schmerzen  hervorgerufen  werden,  gegen  welche  es  kein  wirk- 
sameres Mittel  gibt,  als  die  Eröffnung  der  vordem  Kammer. 
Ueber  das  Zustandekommen  der  Eiteransammlung  in  der 
Kammer  hat  Prof.  Homer  (Inauguraldiss.  der  Buk owa  Marie 
über  Hypopiumkeratitis,  Zürich,  1871)  beachtenswerthe  Andeu- 
tungen gegeben.  (Zeh.  klinische  Mon.  1871,  p.   182.) 

Prognose.  Nach  jedem  Abscesse  bleibt  mindestens  eine 
unheilbare,  mehr  weniger  gesättigte  Trübung  zurück,  welche 
bald  mehr  durch  Reflexion,  bald  mehr  durch  Diffusion  des 
Lichtes  das  Sehen  beeinträchtigt,  da  Abscesse  entweder  —  wie 
meistens  —  die  mittlere  Region  der  Cornea  einnehmen  oder 
doch  sich  bis  in  diese  hinein  erstrecken.  Es  kann  aber  auch 
selbst  beim  besten  Verhalten  des  Kranken  und  bei  correcter 
Behandlung  die  Cornea  so  weit  zerstört  werden,  dass  nicht 
einmal  die  Aussicht  auf  Iridektomie  übrig  bleibt.  Die  weiteren 
Folgen  ausgebreiteter  oder  totaler  Hornhautvereiterung  (Sta- 
phylombildung,  Phthisis  bulbi  etc.)  brauchen  hier  wohl  nicht 
erörtert  zu  werden. 

Behandlung.  Gleich  nach  der  Verletzung  sind  wohl 
kalte  Umschläge  angezeigt;  sobald  jedoch  Eiterbildung  einge- 
treten ist,  nützen  sie  nichts,  müssen  sie  in  der  Regel  sehr  bald 
mit  lauwarmen  Fomentationen  vertauscht  werden  (kleine,  nicht 
zu  dicke,  mit  Chamillenblütenaufguss  getränkte  Compressen). 
Im  Allgemeinen  ist  es  gerathen,  solche  Kranke  nicht  im  Freien 
herumgehen  zu  lassen,  Atropin  einzuträufeln,  beide  Augen 
gegen  grelles  Licht  zu  schützen,  das  kranke  unter  Charpie- 
verband,  mit  mehr  weniger  starker  Compression  zu  halten.  In 
vielen  Fällen  kann  man  darauf  rechnen,  dass  unter  mehrmals 
des  Tages  durch  10 — 20  Minuten  aufgelegten  feuchtwarmen 
Umschlägen  und  Charpieverband  in  der  Zwischenzeit  der 
Eiterungsprocess  zum  Stillstande  gebracht  werde.  Sprechen  die 
obgenannten  Symptome  für  Progression  oder  ist  diese  unter 
1 — 2tägiger  Beobachtung  evident  geworden,  ist  der  Eiter  in 
der  Kammer  bis  zum  Pupillarrande  oder  darüber  gestiegen, 
oder  leidet  der  Kranke  an  heftigen  Schmerzen,  dann  soll  ein 
operativer  Eingriff  durchaus  nicht    weiter   verschoben   werden. 


—    17     — 

Jedes  dieser  Momente  gibt  an  und  für  sich  die  Anzeige  zur 
unversäumten  Vornahme  der  Operation,  nicht  bloss  ihre  Curnu- 
lation.  Am  besten  hat  sich  bisher  das  Verfahren  von  Sa- 
na i  seh  in  Bonn  (Ulcus  corneae  serpens,  1869)  bewährt. 

Der  Kranke  werde  zu  Bette  gebracht,  denn  viele  bekom- 
men unmittelbar  nach  der  Operation  heftige,  wenn  auch  nicht 
lange  anhaltende  Schmerzen,  und  manche  werden  ohnmächtig. 
Meistens  ohne  Narkosis  wird  bei  gut  fixirtem  Bulbus  das 
Gräfe'sche  Messer  mit  vorwärts  gerichteter  Schneide  an  dem 
einen  Rande  des  Eiterherdes  noch  in  normalem  Hornhaut- 
gewebe eingestochen,  dicht  hinter  dem  Herde  in  der  Kammer 
vorgeschoben  und  zu  dem  entgegengesetzten  Rande  weiter  ge- 
führt, so  dass  die  Contrapunction  wo  möglich  wieder  in  nor- 
males Gewebe  fällt.  Dann  wird,  ohne  Fixation,  in  kleinen 
langsamen  Zügen  die  Durchschneidung  von  hinten  nach  vorn 
vollendet,  wobei  der  Rücken  des  Messers  gegen  den  Krüm- 
mungsmittelpunkt der  Cornealoberfläche  gerichtet  bleibt.  Nähme 
z.  B.  der  Eiterherd  gerade  die  mittlere  Region  der  Cornea 
ein,  so  könnte  man  den  Ein-  und  Ausstichspunkt  so  wählen, 
dass  der  Schnitt  gerade  im  horizontalen  Meridian  verliefe, 
mithin  die  Cornea  in  eine  obere  und  untere  Hälfte  getheilt 
würde.  Es  wäre  aber  in  diesem  Falle  auch  zulässig,  zum 
Durchführen  des  Messers  eine  weiter  unten  oder  weiter  oben 
streichende  Linie  in  der  infiltrirten  Partie  zu  wählen,  nur 
müsste  dann  bei  weiter  unten  geführtem  Schnitte  die  Schneide 
etwas  abwärts  gerichtet  sein,  und  umgekehrt.  Der  Schnitt 
soll  nämlich  die  Cornea  senkrecht  (auf  ihre  Oberflächen) 
durchsetzen,  es  soll  kein  Bogen-,  sondern  ein  streng  linearer, 
d.  h.  ein  in  einem  grossten  Kreise  der  Cornealwölbung  sich 
haltender  Schnitt  geführt  werden,  weil  nur  ein  solcher  Schnitt 
nachher  jenen  Grad  von  Klaffung  der  Wunde  bietet,  welcher 
hier  zur  Erreichung  des  Heilzweckes  nöthig  ist.  Mit  einem 
Lanzenmesser,  welches  kurz  nach  dem  Einstechen  gesenkt 
werden  muss,  um  das  Spiessen  der  Iris  oder  der  Kapsel  zu 
verhüten,  lässt  sich  ein  hinreichend  langer  linearer  Schnitt 
nicht  bewerkstelligen. 

v.  Ar  lt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  2 


—     18    — 

Der  Humor  aqueus  soll  langsam  abfliessen.  Der  Eiter  in 
der  Kammer  wird  nicht  absichtlich  entfernt,  sondern  der 
Resorption  überlassen.  Manchmal  hängen  nach  Abfluss  des 
Kammerwassers  ganze  Eiterklumpen  aus  der  Wunde  und  lassen 
sich  mit  einer  Pinzette  fassen  und  ganz  herausziehen,  indem 
die  Eiterzellen  durch  eine  zähe,  fibrinöse  Bindemasse  zusammen- 
gehalten werden.  —  Der  Operirte  soll  1 — 2  Stunden  ruhig  auf 
dem  Rücken  liegen;  dann  wird  Atropin  eingeträufelt  und  der 
Schutzverband  angelegt.  Tritt  nicht  bald  Erweiterung  der 
Pupille  ein,  so  müssen  die  Einträuflungen  alle  2 — 3  Stunden 
wiederholt  werden.  Die  Wunde  muss  in  Zwischenräumen  von 
12 — 24  Stunden  gesprengt  werden,  indem  man  statt  des  Messers 
eine  dünne  Sonde  oder  das  Weber'sche  Thränensackmesserchen 
durchführt,  bis  entschiedene  Abnahme  der  Eiterinfiltration  und 
Klärung  des  Herdes,  namentlich  der  Ränder  und  Verschwinden 
des  oberwähnten  trüben  Hofes  eingetreten  ist  und  andauert. 
Auch  das  Fortbestehen  oder  Wiederauftreten  fibrinöser  Exsu- 
datmassen hinter  dem  Herde  indicirt  die  Wiederholung  der 
Wundsprengung  oder  neuerliche  Spaltung  an  derselben  oder 
an  einer  anderen  Stelle.  Es  kann  sein,  dass  schon  nach  der 
blossen  Spaltung  entschieden  und  stetig  fortschreitende  Besse- 
rung eintritt;  es  kann  aber  auch  vorkommen,  dass  dieses  Re- 
sultat erst  nach  1 — lOmaliger  Wiedereröffnung  erzielt  wird. 
Unter  einer  grösseren  Zahl  von  Kranken,  welche  auf  diese 
Weise  behandelt  werden,  wird  man  jedoch  trotz  richtigen  Ver- 
haltens seitens  des  Kranken  und  des  Arztes  immer  den  Ver- 
lust eines  und  des  andern  Auges  zu  beklagen  haben.  Es 
scheint,  dass  die  durch  Iridokyklitis  gesetzten  Veränderungen, 
auf  welche  man  aus  einer  breiten  dunkelrothen  Zone  rings  um 
die  Cornea  und  aus  grosser  Empfindlichkeit  beim  Betasten 
derselben  schliessen  kann,  die  Ursache  der  Erfolglosigkeit 
jeder  Therapie  sind  und  das  Auge  unaufhaltsam  der  Phthisis 
zuführen. 

§.  4.  Berstung  des  Bulbus.  Ob  in  Folge  subitaner 
Compression  eine  Berstung  der  Cornea  erfolgen  könne,  ist 
zweifelhaft;    in  den  wenigen  Fällen,    wo  man   dies    beobachtet 


-     19    — 

haben  will,  ist  der  Verdacht  nicht  ausgeschlossen,  dass  die 
Cornea  direct  durch  eine  mehr  weniger  scharfe  Kante  oder 
Ecke  des  Werkzeuges  getroffen  worden  war. 

Berstungen  im  Corneoskleralborde  sind  streng  ge- 
nommen schon  den  Skleralberstungen  beizuzählen. 

Fälle  von  Berstung  der  Sklerotica  sind  nicht  selten. 
Der  Riss  erstreckt  sich  dann  ohne  Ausnahme  auch  durch  das 
Corpus  ciliare.  Von  Berstung  im  hinteren  Umfange  der  Sklera, 
welche  übrigens  erst  nach  der  Enucleation  des  Bulbus  erkannt 
wurde,  ist  nur  ein  Fall  von  Bowman  bekannt  geworden 
(White  Cooper  On  Wounds  and  Injuries  of  the  Eye,  London 
1859,  p.  197). 

Diagnose.  Der  Skleralriss  ist  linear  oder  etwas 
bogenförmig,  mehr  weniger  zackig,  6-  12  Mm.  lang,  streicht 
durchschnittlich  parallel  zum  Hornhautrande,  2 — 5  Mm.  vom 
freien  Limbusrande  entfernt.  Nur  in  einem  Falle  (Schröter, 
klin.  Monatsbl.  1866,  p.  248)  bildete  der  Riss  einen  Zipfel*). 
Wenn  der  Riss  nahe  an  der  Cornea  erfolgte,  dann  pflegt  auch 
die  Conjunctiva  mit  zerrissen  zu  sein,  und  dann  kann  die 
Linse  ganz  oder  grösstenteils  abgegangen  sein  oder  bloss  ein 


*)  Ein  Klempner  von  34  Jahren  fiel  mit  voller  Wucht  auf  den  Amboss, 
dass  die  eine  Ecke  den  unteren  Umfang  des  1.  A.  in  der  Nähe  des  inneren 
Lidwinkels  traf.  Man  fand  an  demselben  Tage  u.  A.:  1.  einen  Einriss  in 
der  Sklera  und  der  darüber  liegenden  Bindehaut,  welcher  sich  von  dem 
äusseren  Cornealrande  im  horizont.  Meridian  einige  Linien  nach  aussen  er- 
streckte. Nach  4  Tagen  war  die  Conj.  weniger  chemotisch,  und  nun  sah 
man  in  der  Sklera  einen  2.  längeren  Riss,  der,  zum  Theil  von  Conjunot. 
bedeckt,  von  dem  äusseren  Ende  des  ersten  parallel  zum  Hornhautrande 
nach  innen-oben  verlief,  so  dass  durch  beide  Risse  ein  etwas  spitzwinkliger 
Lappen  der  Sklera  begrenzt  wurde,  der  sammt  der  Hornhaut  nach  innen 
und  unten  verschoben  war.  Fünf  Tage  später  liess  die  nur  noch  wenig 
geschwollene  Bindehaut  einen  3.  subconjunctivalen  Einriss  erkennen,  der  in 
der  Sklera  vom  inneren-oberen  Hornhautrande  in  einem  flachen  nach  ab- 
wärts sehenden  Bogen  einige  Linien  nach  innen  verlief.  Unter  Abnahme 
der  Entzündung  trat  eine  Verkleinerung  des  Bulbus,  namentlich  eine  con- 
centrische  Verkleinerung  der  durch  die  mehrfachen  Skleralrisse  entspannten 
Hornhaut  ein.  Die  Linse  war  sicher  bedeutend  dislocirt  worden,  wahrschein- 
lich im  Momente  des  Stosses  ausgetreten. 

2* 


—     20     — 

Theil  der  Iris,  der  Kapsel  (oder  Linse),  des  Glaskörpers  aus 
der  Wunde  heraushängen. 

Ist  die  Bindehaut  ganz  geblieben,  so  bildet  sie  einen  Sack, 
in  welchem  sich  Blut,  Kammerwasser,  Iris,  Linse,  Glaskörper 
befinden  kann.  Durch  diesen  Inhalt  kann  der  Skleralriss  mehr 
weniger  verdeckt  werden.  Die  Weichheit  des  Bulbus,  welche 
selbst  nach  Verklebung  der  Wunde  noch  fortbestehen  kann, 
das  Hingezogensein  einer  Partie  Iris  gegen  die  auf  Ruptur 
verdächtige  Stelle  (scheinbares  oder  wirkliches  Iriskolobom) 
und  allenfalls  auch  der  Nachweis  von  Veränderungen  an  der 
Linse,  falls  nicht  etwa  die  Kammer  voll  Blut  ist,  können  zur 
Diagnosis  führen,  wenn  die  genaue  Besichtigung  der  hügeligen 
Bindehautvortreibung  noch  Zweifel  über  ihre  Entstehung  übrig 
lassen  sollte,  oder  wenn  bereits  allgemeine  Chemosis  dazu- 
getreten  wäre.  Die  Anwesenheit  der  Linse  unter  der  Con- 
junctiva  verräth  sich,  abgesehen  von  der  Grösse  und  Form, 
nach  Resorption  des  Blutes  durch  den  totalen  Lichtreflex  (Glanz) 
am  Rande  der  Kapsel,  nach  eingetretener  Trübung  der  Linse 
durch  die  Farbentöne  der  Cataracta.  Mit  der  Zeit  kann  die 
Linse  bis  auf  kleine  Reste  von  Fett-  und  Kalksalzen  resorbirt 
werden,  doch  wahrscheinlich  nur  dann,  wenn  die  Linse  allein 
oder  sammt  der  eingerissenen  (also  geöffneten)  Kapsel  heraus- 
geschleudert wurde. 

Diese  Berstung  setzt  immer  die  Einwirkung  eines  mit 
grosser  Kraft  und  Schnelligkeit  geführten  stumpfen  Werkzeuges 
voraus.  Die  vorliegenden  Beobachtungen  berechtigen  nicht  zur 
Voraussetzung  einer  besonderen  Disposition,  wenn  gleich  solche 
Berstungen  fast  nur  bei  Erwachsenen  und  ungleich  häufiger  in 
der  2.  Lebenshälfte  beobachtet  wurden. 

Prognose.  Nach  den  bisher  bekannten  Beobachtungen 
hat  es  den  Anschein,  als  ob  sich  die  Wucht  des  Stosses  in 
der  Zerreissung  des  Ciliarkörpers  und  der  Sklera  erschöpfte. 
Die  Netz-  und  Aderhaut  (hinter  der  Ora  serrata)  werden  dabei 
wenig  oder  gar  nicht  verändert.  Der  Umstand,  dass  solche 
Berstungen  vorzugsweise  nach  oben  oder  innen-oben,  selten 
nach  aussen-oben,  am  seltensten  nach  unten  beobachtet  wurden, 


—     21     — 

deutet  darauf  hin,  dass  der  Bulbus  im  vordem  Umfange  ge- 
troffen wurde,  unweit  von  der  Cornea.  Ueber  das  Zustande- 
kommen solcher  Berstungen  wurden  bereits  in  §.  1  Andeu- 
tungen gegeben. 

Die  Reaction  auf  das  Trauma  als  directe  Folge  der  Ver- 
letzung erreicht  nicht  leicht  einen  hohen  Grad,  wahrscheinlich 
wegen  der  länger  andauernden  Entspannung  der  Hülle  des 
Bulbus. 

Die  Gefahr  liegt  vorzugsweise  in  zu  reichlichem  Glas- 
körperverluste, welcher  zu  subchorioidealer  Blutung  führen 
kann,  und  in  späterer  Reizung  der  Iris,  sei  es  durch  Ein- 
klemmung in  der  sich  consolidirenden  Narbe,  sei  es  durch  die 
ganz  oder  theilweise  im  Bulbus  verbliebene,  auf  Iris  und 
Ciliarkörper  drückende  Linse.  Vergl.  §.  14.  In  einem  Falle 
(Dr.  Schräg,  Inauguraldiss.  über  Skleral-  und  Chorioideal- 
Ruptur,  Leipzig  1870),  wo  nach  dem  Anprallen  eines  Holz- 
stückes Skleralruptur  mit  Irisvorfall  und  Hämophth.  ant.  bei 
Abgang  jeder  Lichtempfindung  entstanden  war,  kam  es  nach 
4  Wochen  zu  sympathischer  Erkrankung  des  anderen 
Auges  (Zehender  klin.  Monatsbl.  1871,  p.  157).  Dieselbe  Folge 
hatte  ein  Stoss  durch  einen  Vorübergehenden  bei  einer  69jähri- 
gen  Frau,  wahrscheinlich  wegen  Andrückung  des  luxirten 
Krystallkörpers  an  den  Ciliarkörper  (Schröter  im  klin.  Monatsbl. 
1866,  p.  249). 

Wenn  viel  Glaskörper  in  die  Wunde  eintrat,  so  steht 
entweder  heftige  Reaction  wegen  zu  beträchtlichen  Collapsus 
des  Bulbus  oder  starke  Chorioidealblutung  sogleich  zu  besorgen, 
oder  es  besteht  die  Gefahr  allmäliger,  erst  nach  Wochen, 
Monaten  sich  manifestirender  Netzhautabhebung. 

Viel  weniger  hat  die  Anfülliiug  der  vorderen  Kammer 
mit  Blut  zu  bedeuten.  Es  liegen  zahlreiche  Beobach- 
tungen vor,  wo  Leute  nach  totalem  Austritte  der  Linse 
aus  dem  Bulbus  mittelst  Staarbrillen  ungefähr  eben 
so  gut  sehen  konnten,  wie  Staaroperirte,  und  in  diesem 
Zustande  jahrelang  verblieben. 


—     22     — 

Behandlung.  Die  nächste  Aufgabe  ist,  weitere  Ent- 
leerung des  Bulbusinhaltes  zu  verhüten.  Dazu  ist  in  den  ersten 
Tagen  nicht  nur  ruhige  Kückenlage  (unter  Anwendung  kalter 
Umschläge),  sondern  auch  Hemmung  des  Lidschlages  (Ver- 
schluss beider  Augen)  und  Abhaltung  alles  dessen  wünschens- 
werth,  was  im  Stande  ist,  den  Rückfluss  des  Blutes  durch  die 
absteigenden  Hohlvenen  zu  hemmen  (Husten,  Stuhlzwang  u.  dgl.). 
Hängt  eine  grössere  Portion  von  Glaskörper  oder  von  Iris  aus 
der  Wunde  heraus,  so  könnte  man  bei  einigermassen  ruhigen 
Individuen  wohl  eine  Abkappung  vornehmen,  nothwendig  ist 
diese  jedoch  nicht.  Die  zu  Tage  liegende  Glaskörpermasse 
wird  nach  einigen  Tagen  trüb,  an  der  Basis  eingeschnürt,  end- 
lich abgestossen,  die  Iris  wird  in  der  Pforte  fixirt,  allmälig 
von  Exsudat  und  Bindehaut  überbrückt  und  abgeflacht.  Wo 
nicht,  so  soll  man  sie  abkappen.  Drückt  die  Linse  auf  die 
Iris  oder  auf  den  Ciliarkörper,  so  suche  man  sie  zu  extrahiren. 

Wo  die  Bindehaut  nicht  eingerissen,  nur  sackförmig  vor- 
getrieben ist,  warte  man  mit  der  Eröffnung  und  Entleerung 
des  Sackes  so  lange,  bis  man  annehmen  darf  (nach  der  Span- 
nung des  Bulbus),  dass  sich  der  Riss  in  der  Sklera  und  Uvea 
bereits  geschlossen  hat. 

Entwickelt  sich  Panophthalmitis  (Protrusion  des  im  Innern 
mit  Eiter  erfüllten  Bulbus),  so  ist  der  Ausgang  in  Phthisis 
bulbi  kaum  mehr  aufzuhalten,  am  ehesten  noch  durch  Com- 
pressivverband,  und  können  nur  die  heftigen  Schmerzen  ge- 
mildert und  abgekürzt  werden,  anfangs  durch  eiskalte,  später 
durch  lauwarme  Umschläge  unter  Zuhilfenahme  von  Opiaten 
oder  Chloramydrat;  endlich,  wenn  der  Durchbruch  des  Eiters 
durch  eine  sich  etwas  aufwölbende  Partie  der  Sklera  lange 
zögert,  kann  ein  Einstich  an  der  am  meisten  vorgetriebenen 
Stelle  das  einzige  Mittel  sein,  den  Kranken  rasch  von  seinen 
Qualen  zu  befreien. 

Die  schlimmsten  Fälle  sind  jene,  wo  wegen  Zerrung  und 
Einklemmung,  oder  wegen  Druckreizung  der  Iris  (des  Ciliar- 
körpers)  durch  die  luxirte  oder  quellende  (entkapselte)  Linse 
im  Auge,  oder  wo  durch  späteren  Bluterguss  in  den  Glaskörper- 


—     23     — 

räum  eine  langwierige  Entzündung  im  Uvealtractus  (mit  Druck- 
steigerung) eingeleitet  und  unterhalten  wird,  weil  in  solchen 
Fällen  auch  die  Gefahr  sympathischer  Iridokyklitis  des  zweiten 
Auges  gegeben  ist.  Vergl.  den  Aufsatz  über  sympathische 
Ophthalmie  vom  Jahre  1873.  Jänner  und  Februar.  (Wiener 
medic.  Wochenschrift). 

§.  5.  Berstung  in  den  Binnenhäuten  (Iris,  Zonula, 
Kapsel,  Chorioidea,  Retina). 

Berstung  im  Uvealtractus  (Iris,  Chorioidea)  verräth 
sich  im  Allgemeinen  durch  Bluterguss  im  Kammerwasser  oder 
im  Glaskörper  (Hämophthalmus). 

Bluterguss  in  der  vorderen  Kammer  an  einem  früher 
nicht  entzündeten  Auge  (Fälle  von  Scorbut  und  von  Neoplasmen 
im  Bulbus  ausgenommen)  deutet  stets  auf  Erschütterung  des 
Auges  oder  auf  eine  penetrirende  Wunde.  Es  stammt  in  der 
Regel  aus  der  Iris,  selten  aus  den  Ciliarfortsätzen  oder  aus 
der  hinteren  Hälfte  des  Bulbus. 

Blut  kann  die  ganze  Kammer  ausfüllen,  aber  auch  in  so 
geringer  Menge  vorhanden  sein  (in  dem  Falze  zwischen  Iris 
und  Corneoskleralrand),  dass  man  es  nur  nach  sorgfältigem 
Nachsuchen,  vielleicht  nur  bei  Focalbeleuchtung  findet.  Es 
lagert  meist  unten,  kann  jedoch  auch  oben  oder  seitlich,  oder 
zwischen  Irisfasern  haften  an  der  Stelle,  wo  ein  Einriss  der 
Iris  stattfand.  Es  ist  dann  vielleicht  nur  mittelst  Focal- 
beleuchtung zu  erkennen. 

In  früher  gesunden,  namentlich  in  jugendlichen  Augen 
kann  Blut,  welches  die  ganze  Kammer  erfüllte,  binnen  36  Stunden 
resorbirt  sein;  aber  es  bleibt  meistens  Blutfarbestoff  im  Kammer- 
wasser längere  Zeit  zurück  und  verändert  die  Farbe,  besonders 
lichter  Regenbogenhäute,  wie  ein  gelber  oder  blassrother  Ueber- 
zug,  durch  welchen  die  Faserung  der  Iris,  wenn  diese  nicht 
entzündet  ist,  deutlich  wahrgenommen  werden  kann. 

§.  6.  Bluterguss  im  Glaskörper  nach  Erschütterung 
mit  Chorioidealberstung  (oder  nach  penetrirenden  Wunden  jen- 
seits des  Linsensystemes)  macht  je  nach  seiner  Reichlichkeit 
und  Oertlichkeit  Sehstörung    in   verschieden  hohem  Grade  bis 


—     24     — 

zur  blossen  Unterscheidung  zwischen  voller  Beschattung  und 
starker  Beleuchtung.  Mächtige  Blutmassen  im  Glaskörper  sind 
an  und  für  sich  im  Stande ,  alles  Licht  zu  absorbiren,  mithin 
die  quantitative  Lichtempfindung  wohl  auch  auf  Null  zu  reduciren. 
Wenn  wegen  gleichzeitigen  Blutergusses  in  der  vorderen 
Kammer  oder  wegen  Trübung  der  Linse  (der  Cornea)  die  Ein- 
sicht in  die  Tiefe  des  Auges  mittelst  des  Spiegels  nicht  ge- 
stattet ist,  so  kann  uns  dasselbe  Verfahren,  welches  man  seit 
Gräfe  bei  Cataracta  anwendet,  um  die  Functionstüchtigkeit 
der  Netzhaut  zu  prüfen,  ziemlich  genaue  Auskunft  geben,  ob 
wir  es  bloss  mit  reichlicher  Blutansammlung  im  Glaskörper 
oder  nebstdem  noch  mit  Abhebung  der  Netzhaut  (durch  Blut 
oder  Serum  zwischen  Chorioidea  und  Retina),  mit  Zerreissung 
oder  Erschütterung  derselben  (commotio  retinae)  zu  thun  haben. 
„Existirt,  wenn  der  Kranke  im  dunklen  Zimmer  mit  der  Lampe 
untersucht  wird,  ein  völlig  präciser  Lichtschein,  ungefähr  so, 
wie  bei  einer  reifen  Cataracta,  und  wird  derselbe  nach  allen 
Richtungslinien  beinahe  gleich  deutlich  wahrgenommen,  so  kann 
freilich  noch  eine  ziemlich  umfangreiche  Blutung  im  Glaskörper, 
aber  sicher  keine  Netzhautablösung  vorhanden  sein.  Ist  die 
quantitative  Wahrnehmungsfähigkeit  massig  herabgesetzt  und 
der  Lichtschein  in  der  unteren  Region  des  Gesichtsfeldes  etwas 
deutlicher  als  nach  oben,  so  darf  auch  der  Schluss  einer  Netz- 
hautablösung noch  nicht  gezogen  werden,  sondern  eine  sehr 
starke  Blutung  in  die  Glaskörperhöhle  mit  Senkung  der  Blut- 
coagula  im  Glaskörper  kann  die  Herabsetzung  und  Ungleich- 
mässigkeit  erklären.  Liegt  in  solchen  Fällen  viel  daran,  die 
Prognose  früh  zu  fixiren,  d.  h.  den  Verdacht  einer  Netzhaut- 
ablösung abzustreifen  oder  zu  begründen,  so  lasse  man  den 
Kranken  wiederholt  sein  Auge  schnell  nach  oben  bewegen,  um 
die  im  Glaskörper  verweilenden  Coagula  aufzurühren,  und  ver- 
gleiche dann,  ob  die  Ungleichmässigkeit  des  Lichtscheines  sich 
in  irgend  einer  Weise  ändert.  Man  kann  auch  den  Kranken 
längere  Zeit  auf  einer  Seite  liegen  lassen  und  dann  beobachten, 
ob  die  Gegend  des  undeutlichen  Lichtscheines  sich  entsprechend 
ändert.  Ist  endlich  eine  enorme  Differenz  zwischen  dem  Licht- 


—     25    — 

scheine  nach  oben  und  nach  unten  vorhanden  und  der  Licht- 
schein überhaupt  sehr  beträchtlich  herabgesetzt,  so  kann  eine 
Netzhautabhebung  diagnosticirt  werden.  Man  darf,  wie  bei 
reifen  mit  Netzhautablösung  complicirten  Cataracten  natürlich 
auch  hier  nicht  erwarten,  dass  der  Lichtschein  bei  einer  ge- 
wissen Grenze  im  Gesichtsfelde  vollkommen  verschwindet,  weil 
ja  die  Lichtzerstreuung  durch  das  ergossene  Blut  die  Brech- 
verhältnisse ändert."  Unrichtige  Projection  der  Flamme  kann 
auch  hier  Aufschluss  geben.  „Uebrigens  darf  man  nicht  ausser 
Acht  lassen,  dass  eine  Netzhautablösung  auch  später  hinzu- 
kommen oder  sich  vergrössern  kann,  wenn  die  Opacität  des 
Glaskörpers  abnimmt,  respective  schrumpft.  Ich  will  endlich 
nicht  in  Abrede  stellen,  dass  man  kleine  Netzhautablösungen 
bei  Hämophthalmus  trotz  der  genauesten  Prüfung  des  Licht- 
scheines (wegen  der  Lichtzerstreuung)  übersehen  und  in  manchen 
Fällen  bei  gleichzeitigen  starken  Glaskörperhämorrhagien  unter 
den  oben  angegebenen  Symptomen  im  Ungewissen  bleiben 
kann,  allein  es  liegt  in  der  Prüfung  des  Lichtscheines  bei 
homocentrischem  Lichte  immerhin  gegenüber  der  früheren 
Beurtheilung  ein  grosser  diagnostischer  und  prognostischer 
Fortschritt"  (Gräfe,  Archiv  für  Ophth.  III.  b.  367). 

Prognose  bei  Hämophthalmus  post.  Geringere  Mengen 
extravasirten  Blutes  im  Glaskörper  verursachen  an  und  für 
sich  nur  eine  mehr  weniger  auffallende  Herabsetzung  der  Seh- 
schärfe. Der  Verletzte  beklagt  sich  über  das  Vorschweben 
einer  dunklen  Wolke  oder  Flocke,  sieht  wohl  auch  (Anfangs) 
weisse  Objecto  roth. 

Die  Aufsaugung  erfolgt  hier  viel  langsamer  als  im  Kamnier- 
wasser; selbst  wenn  keine  späteren  Nachschübe  kommen,  können 
5 — 6  Wochen  vergehen.  Sehr  oft  bleiben  bewegliche  Skotome 
lange  oder  für  immer  zurück;  ob  ein  störender  Defect  im  Ge- 
sichtsfelde (ein  fixes  Skotom)  vielleicht  auch  eine  mehr  weniger 
grosse  Gesichtsfeldeinschränkung  zurückbleiben  werde,  das 
hängt  theils  von  dem  Sitze  und  der  Grösse  der  Chorioideal- 
ruptur,  theils  von  den  augenblicklichen  oder  nachfolgenden 
Veränderungen  der  Netzhaut  ab.  Vergl.  §.  8  und  9. 


—     26     — 

So  lange  das  in  der  Kammer  oder  im  Glaskörper  ange- 
sammelte Blut  die  genaue  Einsicht  in  den  Augengrund  verhin- 
dert, verhalte  man  sich  rücksichtlich  der  ProgDOsis  reservirt, 
besonders  wenn  die  Gewalt  der  Verletzung  gross,  oder  wenn 
das  Auge  schon  vorher  nicht  ganz  gesund,  z.  B.  in  höherem 
Grade  kurzsichtig  war.  Sofern  die  quantitative  Lichtempfindung 
durch  massenhaft  im  Glaskörper  angesammeltes  Blut  einige 
Zeit  —  2  bis  3  Wochen  —  aufgehoben  war,  kann  der  Licht- 
schein noch  wiederkehren. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dass  nach  grösseren  Hämorrhagien 
traumatischen  Ursprunges  oft  noch  nach  vielen  Wochen  nicht 
nur  das  Kammerwasser,  sondern  auch  das  episklerale  Binde- 
gewebe eine  gelbe  Tingirung  zeigt. 

§.  7.  Zerreissung  der  Iris  nach  Contusion  des  Bulbus 
kommt  am  häufigsten  am  Ciliarrande  vor,  vom  geringsten  (kaum 
auffindbaren)  Grade  bis  zur  totalen  Ablösung  vom  Ciliarkörper; 
selten  reisst  die  Iris  nebstdem  zugleich  in  radiärer  Richtung 
(vom  Pupillar-  bis  in  den  Ciliarrand)  ein,  und  noch  seltener 
findet  man  kleine  fissurenartige  Einrisse  bloss  am  Pupillen- 
rande, oder  schmale  Spalten  zwischen  den  radiären  Fasern  der 
Iris  als  Quelle  des  Blutes  in  der  Kammer. 

Nach  partieller  Ablösung  am  Ciliarrande  (Iridodialysis) 
findet  der  Sphinkter  an  der  betroffenen  Stelle  keinen  Wider- 
stand seitens  der  Radiärfasern ;  er  geht  an  dieser  Stelle  aus 
der  Form  des  Kreisbogens  in  die  der  Sehne  über,  wodurch  die 
Pupille  eine  Form  erhält,  die  man  schlechtweg  als  nieren- 
förmig  bezeichnen  kann.  Diese  Deformität  ist  zur  Zeit  der 
Untersuchung  bisweilen  das  einzige  Zeichen,  welches  auf  eine 
geringe  Dialysis  deutet.  Durch  nicht  zu  kleine  Lücken  in  der 
Iris  bekommt  man  mittelst  des  Augenspiegels  rothes  Licht  vom 
Augengrunde,  wenn  die  Medien  durchsichtig  sind.  Ausgedehn- 
tere Dialysen  geben  sich  sofort  durch  eine  periphere  Lücke 
(zweite  Pupille)  kund.  Bei  grossen  Lücken  dieses  Ursprunges 
kann  sich  die  abgelöste  Partie  so  lagern,  dass  die  natürliche 
Pupille  in  eine  schmale  Spalte  verwandelt  oder  ganz  ver- 
legt wird. 


—     27     — 

Nach  totaler  (nahezu  totaler)  Dialysis  verschrumpft  die 
Jris  zu  einem  unscheinbaren  aschgrauen  Häutchen. 

Radiäre  Einrisse  bewirken  ein  wahres  Kolobom;  der  eine 
oder  der  andere  Schenkel  der  zugleich  abgelösten  Iris  kann 
gegen  einen  Skleralriss  (wo  ein  solcher  zugleich  erfolgte)  hin- 
gezogen werden,  aber  auch  sich  im  Bereiche  der  natürlichen 
Pupille  an  die  Kapsel  anlegen  und  hier  durch  entzündliche 
Verwachsung  fixirt  werden.  Ich  sah  in  einem  Falle  nach  einem 
Stosse,  der  den  Bulbus  in  der  Gegend  der  Insertion  des 
M.  rectus  inferior  getroffen  hatte,  die  Iris  in  ihrem  oberen 
Drittel  vom  Ciliarkörper  abgelöst  und  zugleich  in  der  Mitte 
vom  (abgelösten)  Ciliar-  bis  durch  den  Pupillarrand  senkrecht 
durchrissen. 

Prognose.  Die  Zerreissung  der  Iris  an  und  für  sich 
ist  nur  dann  von  Bedeutung  für  das  Sehvermögen,  wenn  die 
natürliche  Pupille  dadurch  stark  erweitert,  mithin  Blendung 
verursacht  wird,  oder  wenn  eine  zweite  Pupille  so  gross  und 
so  gelagert  entstanden  ist,  dass  bei  ungenauer  Einstellung  des 
dioptrischen  Apparates  monoculäres  Doppeltsehen  entsteht. 
Ueberdies  kann  dadurch  auch  eine  mehr  weniger  auffallende 
und  bleibende  Entstellung  gesetzt  werden.  Ausgebreitete  Iritis 
wird  dadurch  nicht  veranlasst. 

Behandlung.  Diese  Verletzung  indicirt  kein  besonderes 
therapeutisches  Eingreifen,  bloss  Ruhe  und  Beschattung  der 
Augen,  Anfangs  kalte  Umschläge.  Die  Aufsaugung  des  Blutes 
lässt  sich  wahrscheinlich  nicht  beschleunigen,  obwohl  der  Rath, 
weingeisthältige  Umschläge  mit  Zusatz  von  Tinct.  flor.  arnicae 
anzuwenden,  nicht  geradezu  abzuweisen  sein  möchte.  Unnöthig 
dagegen  ist  bei  einfachem  Hämophthalmus  anterior  die  Eröff- 
nung der  Kammer,  um  das  Blut  zu  entleeren.  Nur  wenn 
zugleich  Zeichen  von  Hämophthalmus  posterior  vorhanden  sind 
(schlechter  Lichtschein,  erhöhte  Spannung)  und  die  Resorption 
lange  zögert,  wird  man  zu  vorsichtiger  und  langsamer  Ent- 
leerung des  Blutes  aus  der  Kammer  schreiten  müssen. 

§.  8.  Berstung  in  der  Ader  haut.  Diese  betrifft  öfters 
nur  ein  oder  das  andere  Gefäss  und  das  ausgetretene  Blut 


—     28     — 

beschränkt  sich  auf  das  Parenchym  der  Chorioidea,  oder  es 
ergiesst  sich  zwischen  Leder-  und  Aderhaut  (in  grösserer 
Menge  nur  nach  Verletzungen  mit  gleichzeitiger  Eröffnung  des 
Bulbus);  oder  es  drängt  die  betreffende  Netzhautpartie  ab,  kann 
diese  selbst  durchbohren  und  in  den  Glaskörper  eindringen; 
als  höherer  Grad  der  Berstung  manifestirt  sich  ein  mehr  weniger 
langer  Ader  haut  riss  an  einer  oder  an  mehreren  Stellen. 

Diagnose  und  Prognose.  Mehr  weniger  zahl-  und 
umfangreiche  Blutaustretungen  im  Gewebe  der  Ader- 
haut sind  nach  Contusionen  des  Bulbus  selbst  ohne  sonst  sicht- 
bare Veränderungen  beobachtet  worden.  Direct  und  an  und 
für  sich  bewirken  diese  flecken-  oder  tüpfeiförmigen  Herde 
keine  Sehstörung.  Sie  verschwinden  auch  in  der  Regel  bald 
ohne  auffallende  Spuren.  Doch  kann  reactive  Entzündung 
eintreten  und  die  Netzhaut  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden. 
Sie  lassen  sich  selbstverständlich  nur  ophthalmoskopisch  nach- 
weisen und  erscheinen  als  blutrothe  Flecke  oder  Tupfe,  vor 
welchen  man  die  Gefässe  der  Netzhaut  ununterbrochen  und 
unabgelenkt  streichen  sieht.  In  manchen  Fällen,  und  das  ge- 
schieht nach  Bertin  (vergl.  §.  18)  auch  bei  kleinen  sub- 
chorioidealen  Extravasaten,  wird  die  davor  liegende  Netzhaut- 
partie auf  einige  Zeit  trüb,  allmälig  —  im  Verlaufe  einiger 
Tage  —  wieder  hell. 

Von  ernsterer  Bedeutung  sind  Gefässberstungen  der  Ader- 
haut, welche  zur  Verdrängung  oder  selbst  zur  Durch- 
reissung  der  anliegenden  Netzhautpartie  geführt  haben. 
Erfolgten  solche  Veränderungen  in  der  Gegend  der  Macula 
lutea,  so  bestimmen  sie  den  Verletzten  zu  Klagen  über  Seh- 
störung; mehr  peripher  erfolgte  können  sich  nebst  Bluterguss 
in  den  Glaskörper  möglicherweise  bloss  bei  der  Prüfung  des 
Gesichtsfeldes  vermuthen  und  dann  ophthalmoskopisch  nach- 
weisen lassen.  In  den  ersten  Tagen  kann  der  Nachweis  durch 
Blut  im  Glaskörper  oder  im  Kammerwasser  erschwert,  ver- 
hindert werden.  Später  kann  die  Abhebung  oder  Durchbohrung 
der  Netzhaut  klar  zu  Tage  treten,  aber  auch  durch  consecutive 
Glaskörpertrübung  mehr  weniger  maskirt  werden. 


—    29    — 

Solche  Risswunden  der  Retina  können  so  verheilen,  dass 
man  die  Narbe  kaum  mehr  erkennt,  und  dass  keine  erhebliche 
Functionsstörung  zurückbleibt.  Auch  abgehobene  Netzhautpartien 
können  nach  Resorption  des  Blutes  wieder  functionstüchtig 
werden.  Ist  Entzündung  dazu  getreten,  so  kann  die  leidlich 
wieder  hergestellte  Function  nachträglich  durch  Schrumpfung 
des  Narbengewebes  wieder  mehr  gestört  werden.  Solche  Fälle 
werden  also  rücksichtlich  des  Endresultates  immer  sehr  lange, 
oft  viele  Monate  in  Beobachtung  gehalten  werden  müssen. 

§.  9.  Aderhaut  risse  sind  vorzugsweise  in  der  Gegend 
des  hinteren  Poles  beobachtet  worden,  mithin  an  der  Schläfen- 
seite der  Sehnervenscheibe,  unter  besonderen  Verhältnissen 
jedoch  auch  an  der  Nasenseite.  Ihre  Entstehungsweise  wurde 
bereits  in  §.  1   erörtert. 

Diagnose.  In  der  ersten  Zeit  wird  der  Riss  verdeckt 
durch  Blut,  welches  theils  in  ihm  lagert,  theils  durch  die  ge- 
sprengte Netzhaut  in  den  Glaskörper  tritt  und  selbst  in  die 
vordere  Kammer  gelangen  kann.  Nach  Klärung  der  Medien 
sieht  man  die  scharf  oder  zackig  begrenzte  Chorioidealspalte 
zunächst  gelb,  später  hellweiss,  indem  das  Licht  dann  nur  von 
der  blossgelegten  Sklera  reflectirt  wird.  Die  Ränder  erschei- 
nen längere  Zeit  roth,  später  oft  stark  pigmentirt.  Ueber  diese 
Spalte  sieht  man  die  Netzhautgefässe  unverändert  verlaufen, 
ausser  wenn  bei  der  Berstung  zugleich  ein  Netzhautgefäss  mit 
durchtrennt  worden  war.  Nebstdem  können  die  Zeichen  reac- 
tiver  Netzhautentzündung  in  der  nächsten  Umgebung,  wohl 
auch  partielle  Faltung  und  Netzhautabhebung  vorhanden  sein. 
Später  durchziehen  oft  Bindegewebsstränge  den  Glaskörper  un- 
mittelbar vor  der  Mitte  des  Risses  oder  in  der  nächsten  Um- 
gebung und  lassen  den  Riss  nur  theilweise  deutlich  sehen. 

Auf  Chorioidealrisse  in  oder  vor  der  Aequatorialgegend 
muss  man  gefasst  sein,  wenn  der  Bulbus  in  dieser  Gegend 
durch  ein  stumpf  kantiges  Werkzeug  getroffen,  eingeknickt 
wurde.  Bisher  sind  hintere  Aderhautrisse  an  der  Nasenseite 
der  Sehnervenpapilla  nur  nach  dem  Anprallen  eines  fremden 
Körpers  an  die  Nasenseite  der  Sklera  beobachtet  worden.  Ein 


—     30     — 

hinterer  Chorioidealriss  an  der  Schläfenseite  des  Opticus 
schliesst  einen  vorderen  Chorioidealriss  an  derselben  Seite  nicht 
aus,  wenn  der  Bulbus  in  oder  etwas  vor  der  Aequatorialgegend 
an  der  Schläfenseite  eingedrückt  wurde. 

In  einem  Falle  war  in  Folge  des  Anspringens  eines  Eisen- 
stückes an  den  inneren  Umfang  des  rechten  Bulbus,  in  der 
Aequatorialgegend  nach  innen  von  dem  Sehnerveneintritte  ein 
zweischenkliger  Riss  in  der  Aderhaut  zu  Stande  gekommen, 
dessen  längerer  Schenkel  2 — 3  Papillendurchmesser  lang  war 
und  vertical  verlief,  während  der  kurze,  etwa  1  Papillendurch- 
messer lange  Schenkel  horizontal  strich  und  mit  dem  oberen 
Ende  des  ersteren  fast  einen  rechten  Winkel  bildete.  In  eini- 
gem Abstände  davon  zeigten  sich  die  wulstigen,  glänzenden, 
fettweissen  Ränder  der  ganz  unregelmässig  durchrissenen  Netz- 
haut, den  rothen  Augengrund  eine  Strecke  weit  verhüllend. 
Jenseits  des  äusseren  Rissrandes  bis  nach  vorne  zur  Ora  ser- 
rata  war  die  Netzhaut  in  Form  einer  faltigen  Blase  abgehoben. 
Der  Glaskörper  erschien  dabei  leicht  getrübt.  Subjectiv  be- 
kundete sich  das  Leiden  durch  eine  sehr  beträchtliche  Herab- 
setzung der  Sehschärfe  und  durch  eine  ausgedehnte  Einschrän- 
kung der  äusseren  Peripherie  des  Gesichtsfeldes.  Stell  wag, 
Lehrb.  4.  Aufl.,  pag.  322. 

In  einem  Falle,  über  welchen  Aub  aus  Knapp's  Klinik 
berichtet  (A.  f.  A.  und  O.  II.  a.  256),  war  das  linke  Auge 
eines  14jährigen  Knaben  an  der  Schläfeseite  von  einem  Stück 
Holz  getroffen  worden.  Vierzehn  Tage  später  konnte  man 
nach  starker  Erweiterung  der  Pupille  an  dem  vordem  äussern 
Theile  des  Augengrundes,  und  zwar  an  der  Vereinigung  der 
Chorioidea  propria  mit  dem  Ciliartheile  eine  Lücke  sehen 
(nach  auf-  und  rückwärts  verlaufend),  deren  Ränder  pigmentirt 
waren.  Später,  nach  Resorption  des  in  den  Glaskörper  er- 
gossenen Blutes,  zeigte  sich  eine  isolirte  Ruptur  der  Chorioidea 
in  der  Gegend  der  Macula  mit  2  Fortsätzen  nach  oben  und 
3  nach  unten.  Die  Ruptur  im  vorderen  Theile  des  Augen- 
grundes war  zu  dieser  Zeit  von  Narbengewebe  eingenommen, 
die  Ränder  noch  pigmentirt. 


—    31     — 

Knapp  (1.  c.,  pag.  27)  bringt  die  Schilderung  und  Ab- 
bildung eines  Auges,  das  ein  Jahr  vorher  durch  einen  Schuss 
aus  einer  bloss  mit  Pulver  geladenen  Pistole  verletzt  worden 
war.  Cornea  und  Sklera  zeigten  zahlreiche  Pulverkörner. 
Der  Patient  zählte  Finger  bloss  bis  1  Fuss  Entfernung;  das 
Sehfeld  war  (von  der  Nasenseite)  stark  eingeengt.  Mit  dem 
Augenspiegel  bemerkte  man  bewegliche  Glaskörpertrübungen, 
welche  den  Augengrund  etwas  verdunkelten.  Dennoch  sah 
man  einen  gekrümmten  weissen  Streifen  die  untere  und  äussere 
Seite  des  Sehnerveneintrittes  umkreisen,  und  im  vordersten 
Theile  des  Augengrundes,  gleichfalls  nach  unten  und  aussen 
eine  grosse  Menge  unregelmässiger  weisser  Flecken,  welche 
ohne  weiters  als  Defecte  des  Aderhautgewebes  und  Bloss- 
legung  der  Sklera  gedeutet  werden  konnten.  Die  grösseren 
Chorioidealgefässe  waren  hier  erhalten  und  die  Retinalgefässe 
sah  man  ohne  erhebliche  Veränderungen  durch  diese  Gegend 
ziehen;  an  einer  Stelle  jedoch  war  die  Retina  in  geringer 
Ausdehnung  in  Form    einer    ovalen   bläulichen  Blase    abgelöst. 

Diese  3  Fälle  haben  die  bemerken swerthe  Thatsache  ge- 
meinschaftlich, dass  der  rückwärtige  Aderhautriss  genau  in 
demselben  Meridiane  zur  Beobachtung  kam,  in  welchem  der 
Bulbus  vorne  gewaltsam  getroffen  worden  war.  Sie  sprechen 
gegen  die  Entstehung  des  hinteren  Aderhautrisses  durch  Contre- 
coup  so  gut  wie  durch  Gegendruck  (nach  Bertin).  Dies  möge 
ihre    auszugsweise    Mittheilung   an    dieser    Stelle    rechtfertigen. 

Prognose  und  Behandlung.  Die  traumatische  Reaction 
kann  heftig  werden,  ist  aber  durchschnittlich  eine  geringe. 
Die  Therapie  fällt  demnach  anfangs  mit  der  des  Hämophthal- 
mus  post.  zusammen.  Später,  namentlich  wenn  Netzhautent- 
zündung auftritt,  wird  wochenlang  Schutz  vor  vollem  Tages- 
lichte und  Enthaltung  von  accommodativer  Thätigkeit  des 
andern  Auges  bei  Fortsetzung  eines  entsprechenden  Reg.  diätet. 
nothwendig  sein. 

In  den  meisten  Fällen  ist  das  Sehvermögen  sofort  auf 
quantitative  Lichtempfindung  beschränkt;  in  einigen  Fällen 
konnte  selbst  diese  erst  nach  8 — 14  Tagen    constatirt  werden; 


—     32     — 

Fälle,  wo  das  wiedergekehrte  Sehvermögen  annähernd  oder 
vollständig  den  früheren  Grad  wieder  erlangt,  sind  als  Aus- 
nahmen zu  betrachten.  An  der  Stelle  des  Einrisses  bleibt 
oft  ein  blinder  Fleck  zurück :  in  anderen  tritt  zugleich  mehr 
weniger  erhebliche  Gesichtsfeldeinschränkung  ein.  Diese  ist 
seltener  durch  Zerreissung  von  Opticusfasern  als  durch  reac- 
tive  Entzündung  mit  oder  ohne  consecutive  Netzhautabhebung 
(durch  Narbenschrumpfung)  verursacht  worden.  Die  Functions- 
tüchtigkeit  des  Auges  kann  übrigens  auch  durch  Bindegewebs- 
neubildung  im  Glaskörper  bleibend  geschädigt  werden. 

§.  10.  Erschütterung  des  Kry  stallkörpers  (in  Folge 
vehementer  Stösse,  Schläge,  Peitschenhiebe  u.  dgl.,  oder  in 
Folge  gewaltsamer  Erschütterung  des  Schädels,  des  ganzen 
Körpers)  bewirkt  sehr  selten  Berstung  der  vorderen  Kapsel 
und  deren  Folgen  (§.  24),  jene  Fälle  ausgenommen,  wo  die 
Linse  gegen  einen  Skleralriss  geschleudert  wurde  (§.  4).  Knapp 
(1.  c,  p.  20)  hat  auch  einen  isolirten  Riss  in  der  hinteren 
Kapsel  nach  einem  Schlage  auf  das  Auge  gesehen,  und  Aub 
(A.  f.  A.  u.  O.  II.  a.  256)  beobachtete  einen  solchen  in 
dem  oben  citirten  Falle  von  hinterem  und  vorderem  Chorioi- 
dealrisse. 

Viel  häufiger  erfolgt  eine  partielle  oder  totale  Dehnung 
oder  Zerreissung  des  Aufhängebandes  der  Linse,  der 
Zonula  Zinnii. 

Ein  Mann  von  35  Jahren  war  durch  einen  Schuss  mit 
Schrotkörnern  verletzt  worden.  Unmittelbar  darauf  waren  zwei 
Schrote  aus  der  Stirn  und  vier  aus  dem  oberen  Lide,  eines 
aus  dem  äusseren  Theile  der  Bindehaut  entfernt  worden.  Vier 
Tage  später  fand  Aub  (1.  c,  p.  259)  das  obere  Lid  etwas  ge- 
schwollen, mit  Spuren  von  Schroten,  von  denen  keines  das 
Lid  durchbohrt  hatte.  Bulbus  und  Bindehaut  der  Lider  ge- 
röthet  und  leicht  angeschwollen ;  starke  Röthe  um  die  Cornea. 
Die  Hornhaut  klar,  in  der  vorderen  Kammer  blutiges  Serum, 
die  Pupille  eng,  die  Iris  von  grünlicher  Färbung,  am  oberen 
und  äusseren  Theile  prominent  (etwa  in  !/6  ihres  Umfanges). 
Die  Einzelheiten  des  Augengrundes  nicht  zu  erkennen.  Durch 


—     33     — 

Atropin  wurde  die  Pupille  theilweise  erweitert  und  die  Linse 
zeigte  sich  unverletzt,  jedoch  am  oberen  äusseren  Theile  von 
ihrer  normalen  Lage  nach  der  Hornhaut  hingedrängt  und  gab 
dadurch  zur  Irisprominenz  Anlass.  Der  Glaskörper  war  stark 
getrübt  und  verhinderte  eine  genauere  Untersuchung.  Finger 
konnten  nur  auf  4  Fuss  gezählt  werden,  während  das  Gesichts- 
feld vollkommen  war.  Die  Spannung  des  Auges  war  etwas 
vermindert.  Druck  auf  den  oberen  Theil  nahe  dem  Aequator 
war  schmerzhaft,  doch  konnte  keine  Verletzung  als  Ursache 
dieser  Schmerzhaftigkeit  aufgefunden  werden.  —  Nach  drei 
Tagen  war  der  Augapfel  fast  weiss,  die  Hornhaut  klar,  die 
Kammer  frei  von  Blut,  die  Farbe  der  Iris  normal ;  die  Pupille 
war  ad  maximum  (durch  Atropin)  erweitert,  aber  der  obere 
äussere  Theil  der  Iris  noch  immer  durch  die  Linse  vorwärts 
gedrängt.  Man  konnte  jetzt  den  Augengrund  in  seinen  Einzel- 
heiten sehen  und  fand  ihn  bis  auf  leichte  Hyperämie  normal. 
Patient  zeigte  aber  eine  merkwürdige  Metamorphopsie.  Das 
obere  und  äussere  Ende  eines  geraden  Stabes,  welcher  diagonal 
vor  diesem  Auge  vorgehalten  wurde,  erschien  dicker,  wrährend 
das  untere  innere  Ende  dünner  erschien.  Wurde  der  Stab 
nun  um  die  Sehlinie  gedreht,  so  nahm  diese  abnorme  Erschei- 
nung allmälig  ab  und  verschwand  gänzlich,  wenn  er  in  einem 
rechten  Winkel  zu  seiner  ersten  Lage  gehalten  wurde.  Finger 
konnten  ohne  Gläser  auf  12  Fuss  gezählt  werden,  und  mit 
einem  concaven  cyli ndrischen  Glase  von  20  Zoll  Brennweite, 
das  obere  Ende  der  Achse  ungefähr  20  Grad  nach  innen  ge- 
dreht, war  S  =  20/ioo«  —  Nach  weiteren  sechs  Tagen  war  das 
Auge  von  aller  Entzündung  frei,  Linse  und  Glaskörper  völlig 
klar  und  die  Iris  hatte  die  genannte  Prominenz  verloren.  Die 
Metamorphopsie  war  verschwunden,  mit  cylindrischen  Gläsern, 
auch  mit  den  schwächsten,  wurde  schlechter  gesehen,  dagegen 
mit  sphärisch  concav  S  =  2%0>  ohne  Gläser  S=  2o,-)().  Das 
Atropin  und  die  Einreibungen  grauer  Salbe  an  der  Stirne 
wurden  nun  weggelassen  und  24  Tage  nach  der  Verletzung 
war  die  Sehschärfe  =  2,l/2o,  die  Refraction  eminetropisch,  die 
Accommodation  vollständig. 

v.  Ar  lt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  3 


—    U    — 

Aub  bemerkt  nun,  dass  man  die  Prominenz  der  Iris  von 
einer  unvollständigen  Luxation  der  Linse  hätte  erklären  können ; 
er  entschied  sich  aber  für  einen  Riss  oder  eine  Relaxation 
(Dehnung)  der  Zonula,  welche  der  Linse  gestatteten,  in  dieser 
Gegend  sich  mehr  der  Kugelgestalt  zu  nähern  (Vergl.  §.11 
und  12),  weil  die  Dislocation  der  Linse  nicht  genügte,  die 
Metamorphopsie  zu  erklären.  Man  darf  wohl  hinzufügen,  dass 
dann  auch  die  Accommodation  nie  mehr  ihre  normale  Breite 
wieder  erlangt  haben  würde.  „Das  optische  System  war  in 
dem  oberen  äusseren  Theile,  wo  die  Anschwellung  der  Linse 
(als  Folge  der  Dehnung  und  Erschlaffung  oder  Zerreissung 
der  Zonula  daselbst)  sich  befand,  myopisch  geworden  und 
scheint  hier  mehr  weniger  die  Form  und  Wirkung  einer  koni- 
schen Linse  angenommen  zu  haben,  deren  Achse  von  oben- 
aussen  nach  unten-innen  gerichtet  war."  Die  Richtigkeit  der 
Thatsachen  und  ihrer  Deutung  vorausgesetzt,  wird  man  zu  der 
Annahme  berechtigt  sein,  dass  partielle  Dehnung  oder  Zer- 
reissung der  Zonula  ohne  Nachtheil  vorübergehen  können. 

Ob  Erschütterung  des  Auges,  wenn  weder  Berstung  der 
Kapsel  noch  Zerreissung  der  Zonula  stattfand,  direct  Linsen- 
trübung bewirkt  habe,  darüber  liegen  keine  verlässlichen 
Angaben  vor;  es  wird  nur  gewöhnlich  so  angenommen.  Die 
Trübung  in  der  vorderen  Corticalsubstanz,  welche  Berlin 
(1.  c,  p.  47)  durch  Prellung  von  Kaninchenaugen  mit  einem 
elastischen  Stabe  erhielt,  spricht  allerdings  für  directe  Erzeu- 
gung von  Cataracta  durch  Contusion  des  Auges. 

Wenn  unilaterale  Cataracten  mehr  weniger  lange  Zeit 
nach  einer  Verletzung,  wobei  der  Bulbus  contundirt  wurde, 
zur  Beobachtung  gelangen,  so  kann  die  ohne  Läsion  der 
Kapsel  und  Zonula  (was  in  jedem  Falle  erst  constatirt 
werden  muss)  bestehende  Cataracta  auch  in  Folge  der  durch 
das  Trauma  zunächst  gesetzten  Berstung  der  Aderhaut  ent- 
standen sein,  nämlich  mittelbar  durch  Hämorrhagie  und  deren 
weitere  Folgen,  durch  die  reactive  Ader-  und  Netzhautentzün- 
dung, durch  die  consecutive  Netzhautabhebung.  Es  ist  seit 
langer  Zeit  bekannt,  dass  man  gerade  bei  Cataracta  nach  einer 


—    35    — 

Contusion,  auf  die  sich  der  Kranke  vielleicht  nur  nach  ein- 
gehendem Befragen  erinnert,  sehr  oft  Amaurosis  oder  Amblyopie 
findet,  welche  füglich  nur  von  einer  Verletzung  der  Ader-  und 
Netzhaut  (durch  die  Contusion,  vielleicht  auch  durch  einen, 
der  Untersuchung  entgangenen,  nebenbei  mit  eingedrungenen 
kleinen  fremden  Körper)  abgeleitet  werden  können,  und  der 
Causalnexus  zwischen  Cataracta  und  entzündlichem  Chorioideal- 
leiden,  insbesondere  aber  zwischen  Cataracta  und  Netzhaut- 
abhebung ist  in  neuerer  Zeit  bestimmt  nachgewiesen  worden. 
In  sehr  vielen  der  hieher  gehörenden  Fälle  unilateraler  Cata- 
racta lässt  sich,  nachdem  das  Vorangegangensein  eines  Trauma 
constatirt  ist,  diese  mittelbare  Entstehung  der  Cataracta 
schon  aus  einer  gewissen  Missfärbigkeit  der  Iris  trotz  deutli- 
cher Faserung  und  aus  partieller  oder  totaler  Erweiterung 
der  Pupille  vermuthen.  Synchysis  corporis  vitrei  bei  un ver- 
rückter Linsenlage  deutet  noch  bestimmter  auf  die  genannte 
mittelbare  Entstehung  der  Cataracta.  Bei  Cataracta  in  Folge 
von  Netzhautabhebung  sind  hintere  Synechien,  meistens  unbe- 
merkt (ohne  erhebliche  Röthe  um  die  Cornea  und  ohne  Schmer- 
zen) entstanden,  ein  ganz  gewöhnliches  Vorkommen,  die  Netz- 
hautabhebung mag  wie  immer  verursacht  sein. 

Diese  Synechien  sind  nicht  zu  verwechseln  mit  unregel- 
mässigen Pigmentgruppen  an  der  vorderen  Kapsel, 
welche  man  (seit  Beer)  nach  manchen  Verletzungen  mit  Er- 
schütterung des  Bulbus  findet,  auch  wenn  sich  weder  Continui- 
tätsstörung  in  der  Iris  oder  in  der  Zonula  noch  Vorausgegangen- 
sein von  Iritis  nachweisen  lässt. 

Zur  Ermittlung  des  fraglichen  Causalnexus  in  speciellen 
Fällen  ist  nebst  der  Betastung  des  Bulbus  die  Prüfung  des 
Lichtscheines  und  des  Gesichtsfeldumfanges  von  unersetzlichem 
Werthe.  Bei  Cataracta,  direct  und  bloss  durch  Erschütterung 
der  Linse  bewirkt,  würde  sich  das  Auge  jenseits  des  Linsen- 
systemes  normal  verhalten. 

§.  11.  Dehnung,  Zerreissung  der  Zonula.  Um  die 
Veränderungen,  welche  in  Folge  von  Erschütterung  an  der 
Zonula  und  weiterhin  an  der  Linse  auftreten,  diagnostisch  und 

3* 


—     30     — 

prognostisch  gehörig  zu  würdigen,  müssen  wir  vorerst  die  hohe 
Bedeutung  dieses  zarten  Gebildes  einer  recapitulirenden  Be- 
trachtung unterziehen. 

Die  Zonula  ist  es,  welche  der  Linse  ihre  feste  Lage  in 
der  tellerförmigen  Grube  sichert;  die  unverrückte  Anlagerung 
der  hinteren  Kapsel  an  den  Glaskörper  löst  sich;  sobald  die 
Zonula  ganz  oder  in  grossem  Umfange  aufgehört  hat,  die  Linse 
fest  mit  den  Ciliarfortsätzen  zu  verbinden.  Vermöge  ihrer 
Breite  zwischen  ihrer  Insertion  am  Rande  der  vorderen  Kapsel 
und  den  Firsten  der  Ciliarfortsätze  gestattet  sie  unbeschadet 
der  Verbindung  mit  dem  Glaskörper  Excursionen  des  Krystall- 
körpers  nach  vorn  und  nach  hinten,  ja  auch  seitlich,  wenn- 
gleich solche  Verschiebungen  im  physiologischen  Zustande  nicht 
vorkommen.  Die  Linse  kann  relativ  zu  den  Ciliarfortsätzen 
um  2 — 3  Mm.  vorwärts  rücken  (bei  Abzapfung  von  Kammer- 
wasser) und  wahrscheinlich  um  ebensoviel  rückwärts  (bei  Aus- 
tritt von  Glaskörper  durch  die  Sklera,  bei  Schrumpfung  des 
Glaskörpers),  ohne  dass  die  Zonula  zerreisst,  vorausgesetzt, 
dass  die  Locomotion  nicht  plötzlich  erfolgt. 

Die  Zonula  kann  ohne  Continuitätsstörung  bis  zu  2  Mm., 
vielleicht  selbst  darüber,  gedehnt  werden,  wenn  sie  einem  all- 
mäligen  Zuge  ausgesetzt  ist.  Wir  sehen  dies  bei  hohen  Graden 
von  Myopie  und  bei  dem  sogenannten  Buphthalmus,  sowie  bei 
staphylomatöser  Ausdehnung  des  Bulbus  in  der  Gegend  des 
Corpus  ciliare;  wir  finden  es  in  Augen  mit  concentrisch  ge- 
schrumpfter oder  gegen  eine  Hornhautnarbe  vorwärts  gezogener 
Linse,  wir  können  eine  solche  partielle  Dehnung  endlich  nach- 
weisen bei  angeborener  Ektopie  der  Linse   (§.   14). 

Beim  Bestände  einer  solchen  Dehnung  kann  eine  mehr 
weniger  umfangreiche  (totale)  Zerreissung  der  Zonula  erfolgen 
ohne  oder  auf  eine  geringfügige  Veranlassung,  z.  B.  Bücken 
oder  Niederfallen  des  Körpers,  um  so  mehr  aber  nach  einer 
sonst  vielleicht  unschädlichen  Verletzung  des  Auges  oder  des 
Kopfes  mit  Erschütterung.  Während  also  in  dem  einen  Falle 
eine  vorgefundene  Verschiebung  des  Krystallkörpers  einzig  und 
allein  einem  heftigen  Schlage,  Hiebe,  Stosse  u.  dgl.  zugeschrie- 


—     37     — 

ben  werden  muss,  kann  sie  in  einem  anderen  vorzugsweise 
wegen  „besonderer  Beschaffenheit  des  Körpers  des  Verletzten", 
respective  des  Auges  erfolgt  sein.  Man  wird  also  vor  der 
Abgabe  eines  Urtheiles  über  die  Gewalt,  mit  welcher  eine  Ver- 
letzung beigebracht  wurde,  so  gut  wie  möglich  den  Zustand 
des  Auges  vor  der  Verletzung  zu  erfahren  suchen  müssen. 
Angeborene  Ektopie  des  Kry  Stallkörpers,  welche  ganz  vorzüg- 
lich zur  gänzlichen  Ablösung  der  Linse  aus  ihrer  natürlichen 
Verbindung  disponirt,  verräth  sich  nicht  nur  durch  Kurz-  und 
Schwachsichtigkeit,  sondern  kommt  erfahrungsgemäss  auch  fast 
immer  bilateral  vor.  Ein  hochgradig  kurzsichtiger  Bau,  gleich- 
falls meistens  bi-  mitunter  jedoch  auch  unilateral,  lässt  sich 
wohl  auch  nach  der  Verletzung  constatiren,  wenigstens  dann, 
wenn  diese  nicht  zur  Durchtrennung  der  Bulbuskapsel  geführt 
hat.     Und  hier  kommen  ja  nur  solche  Fälle  in  Betracht. 

§.  12.  Diagnose  der  Subluxation  des  Krystall- 
körpers.  Vermöge  ihrer  Spannung,  welche  durch  die  Action 
des  Ciliarmuskels  behufs  Einstellung  des  Auges  für  das  Erkennen 
naher  Objecte  vermindert  werden  kann,  leistet  die  Zonula  dem 
Streben  der  Linse,  in  die  Kugelform  überzugehen,  entsprechen- 
den Widerstand,  und  erhält  diese  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
abgeplattet.  Wo  dieser  Zug  fehlt,  wegen  ausgedehnter  oder 
totaler  Zerreissung  der  Zonula,  wird  der  durchsichtige  Krystall- 
körper  in  den  Aequatorialdurchmessern  kleiner,  im  Achsen- 
durchmesser grösser.  Das  Auge  ist  schon  wegen  dieser 
Form  Veränderung  der  Linse  kurzsichtig,  und  eine  Ab- 
rückung  der  Linse  von  der  Netzhaut  gegen  die  Cornea  hin 
kann  diese  Ametropie  nur  noch  steigern. 

Mit  der  vollständigen  und  umfangreichen  Zerstörung  der 
Zonula  ist  zugleich  ein  wesentlicher  Faktor  des  Accommo- 
dations Vermögens  aufgehoben;  alsdann  gibt  es  nur  eine 
ganz  bestimmte  Entfernung  vor  dem  Auge,  in  welche  das  Object 
des  directen  Sehens  gebracht  werden  muss,  damit  die  von  ihm 
zur  Netzhaut  gelangenden  Strahlen  gerade  auf  dieser  zur  Ver- 
einigung gebracht  werden. 


—     38     — 

Sobald  die  Linse  nicht  mehr  fest  an  die  Ciliarfortsätze 
angezogen  wird,  wird  sie  bei  den  Bewegungen  des  Auges  in 
Schwingungen  versetzt,  welche  sich  der  Iris  mittheilen  und  bei 
rasch  erfolgtem  Stillhalten  des  Bulbus  nach  einer  stärkeren 
Excursion  desselben  als  Zittern  oder  Schlottern  der  Iris 
gleichsam  nachklingen.  Doch  hat  dieses  Symptom  an  und  für 
sich  keinen  positiven  Werth,  weil  man  bei  durchsichtiger  Linse 
nicht  sicher  entscheiden  kann,  ob  die  Schwingungen  der  Iris 
von  der  beweglichen  Linse  stammen.  Denn  die  Iris  kann  auch 
selbstständig  in  solche  Schwingungen  versetzt  werden,  wenn 
sie  am  Pupillarrande  frei  und  hinter  ihr  mehr  Kammerwasser 
angesammelt  ist,  als  im  normalen  Zustande.  Bei  Kurzsichtig- 
keit mit  tiefer  Kammer  kann  man  nicht  selten  solche  Schwin- 
gungen am  grossen  Kreise  der  Iris  beobachten,  und  bei  Syn- 
chisis  corporis  vitrei  mit  tieferer  Lage  der  Linse  sieht  man 
Schwingungen  der  Iris  sehr  oft  in  hohem  Grade. 

§.  13.  Schiefstellung  des  Krystallkörpers.  Nach 
partieller,  unter  Umständen  wohl  auch  nach  totaler  Zerreissung 
der  Zonula  kann  der  Krystallkörper  eine  Zeit  lang  so  vor  der 
tellerförmigen  Grube  liegen  bleiben,  dass  seine  Achse  wenig 
oder  gar  nicht  von  der  optischen  Achse  abweicht;  meistens 
jedoch  wird  der  Krystallkörper  schief  gestellt,  so  dass 
er  mit  irgend  einem  Theile  seines  Randes  weiter  nach  vorne 
ragt,  und  dann  ist  er  überdies  mehr  weniger  seitlich  gewichen, 
so  dass  der  weiter  rückwärts  gelegene  Theil  seines  Randes  den 
Ciliarfortsätzen  näher  liegt  als  vorher. 

Daraus  resultirt  nebst  den  in  §.  12  genannten  Verände- 
rungen nicht  nur  eine  mehr  weniger  beträchtliche  Herabsetzung 
der  Sehschärfe  wegen  unregelmässiger  Strahlenbrechung  (Astig- 
matismus), sondern  auch  ein  diagnostisch  sehr  werthvolles 
Zeichen,  nämlich  die  ungleiche  Tiefe  der  Kammer.  Der 
vorwärts  gedrängte  Theil  des  Linsenrandes  drängt  die  ent- 
sprechende Partie  der  Iris  vorwärts. 

Bei  starker  Erweiterung  der  Pupille  (pathologisch  oder 
künstlich)  lässt  sich  die  Schiefstellung  des  Krystallkörpers  bis- 
weilen dadurch  erkennen,    dass    man  neben  dem  nach  vorn 


—    39    — 

gerückten  Rande  mit  dem  Augenspiegel  in  die  Tiefe 
sehen  kann.  Der  Rand  selbst  erscheint  dann  als  ein  dunkler 
Meniscus,  indem  das  vom  Augengrunde  zurückgeworfene 
Licht  durch  totale  Reflexion  am  Linsenrande  dem  Beob- 
achter entzogen  wird,  während  durch  die  Linse  sowohl,  falls 
sie  noch  durchsichtig  ist,  als  durch  die  Lücke  zwischen  Linsen- 
rand und  Ciliarfortsätzen  der  Augengrund  hell  erleuchtet  (roth) 
erscheint,  vorausgesetzt,  dass  weder  Bluterguss  oder  dessen 
Folgen  im  Glaskörper,  noch  Netzhautabhebung  dahinter  vor- 
handen sind. 

§.  14.  Seitliche  Verschiebung  des  Krystallkör- 
pers.  Vermöge  der  totalen  Reflexion  des  Lichtes,  welches  von 
vorn  auf  den  Rand  einer  noch  durchsichtigen  und  nicht  ent- 
kapselten Linse  auffällt  und  in  das  Auge  des  Beobachters  ge- 
worfen wird,  erscheint  ein  aliquoter  Theil  desselben  als  ein 
glänzender  Meniscus,  so  dass  man  unwillkürlich  an  einen 
auf  Wasser  schwimmenden  Oeltropfen  erinnert  wird.  Dieses 
Phänomen  kann  man  bei  gewissen  Stellungen  zu  einer  solchen 
Linse  sehen,  sobald  die  Linse  soweit  dislocirt  ist,  dass  die  Iris 
nicht  hindernd  dazwischen  tritt,  also  mit  freiem  Auge,  wenn 
eine  solche  Linse  in  der  vorderen  Kammer  liegt,  oder  wenn 
ein  Theil  ihres  Randes  hinter  der  Iris  in  das  Pupillargebiet 
hineinragt,  oder  nur  mit  dem  Augenspiegel,  wenn  die  Linse 
tiefer  in  den  Glaskörper  gedrängt  oder  versunken  ist.  In 
letzterem  Falle  kann  es  auch  sein,  dass  der  Kranke  angibt,  er 
sehe  einen  dunklen  Reifen  oder  eine  dunkle,  in  der  Mitte 
etwas  lichtere  Scheibe  vor  sich,  wenn  sich  nämlich  die  Linsen- 
lagerung- und  Lichteinfallsverhältnisse  so  gestalten,  dass  ver- 
möge der  totalen  Reflexion  des  einfallenden  Lichtes  am  Rande 
die  dahinter  gelegene  Netzhautpartie  beschattet  wird. 

Wenn  die  nicht  entkapselte  und  noch  durchsichtige  Linse 
derart  verschoben  ist,  dass  sie  nur  einen  Theil  des  Pupillar- 
gebietes  hinter  der  Iris  einnimmt,  so  kann  sie  bewirken,  dass 
der  Kranke  doppelt  sieht  (auch  bei  Verschluss  des  2.  Auges 
—  monoculares  Doppeltsehen).  Wäre  beispielsweise  eine 
solche  Linse  hinter  der  Iris  so  herabgesunken,  dass  ihr  oberer 


—     40     — 

Rand  ungefähr  mitten  durch  das  Pupillargebiet  striche,  so 
würde  der  obere  Theil  des  von  einem  entfernten  leuchtenden 
Punkte  durch  die  Pupille  eindringenden  Lichtes  durch  die 
Cornea,  das  Kammerwasser  und  den  Glaskörper  zur  Netzhaut 
gelangen  und  in  der  Gegend  der  Mac.  lutea  einen  Zerstreuungs- 
kreis (ein  undeutliches  Bild)  entwerfen,  weil  die  betreffenden 
Strahlen  erst  hinter  der  Netzhaut  zur  Vereinigung  gelangen 
könnten;  der  untere  Theil  dagegen  würde  nebstdem  noch  durch 
den  oberen  Abschnitt  der  Linse  gehen  und  desshalb  nicht  nur 
früher,  also  vor  der  Netzhaut  zur  Vereinigung  gebracht  (wie 
im  kurzsichtigen  Auge),  sondern  überdies  auch  nach  unten 
abgelenkt  werden,  da  dieser  Abschnitt  zugleich  wie  ein  Prisma 
(mit  abwärts  gerichteter  Basis)  wirkt;  die  durch  die  Linse  ge- 
drungenen Strahlen,  schon  vor  der  Netzhaut  vereinigt,  würden 
also  auf  der  Netzhaut  einen  Zerstreuungskreis  (undeutliches 
Bild)  unterhalb  der  Macula  lutea  entwerfen,  und  der  Kranke 
würde  demnach  den  Eindruck  haben,  als  befände  sich  ober- 
halb des  direct  gesehenen  Objectes  noch  ein  zweites.  Durch 
entsprechende  Annäherung  des  Objectes  könnte  allerdings  eine 
Stellung  gefunden  werden,  bei  welcher  die  durch  die  Linse 
gehenden  Strahlen  nicht  vor,  sondern  in  der  Netzhaut  vereinigt 
werden,  und  umgekehrt  könnte  der  Ausfall  an  Brechung  der 
oberen  Strahlen  durch  Vorhalten  eines  entsprechenden  Convex- 
glases  ersetzt  werden.  Der  präexistente  Refractionszustand, 
respective  der  Bau  des  Auges  vor  der  Verletzung  würde  bei 
dieser  Untersuchung  selbstverständlich  mit  in  Anschlag  gebracht 
werden  müssen. 

Prognose  und  Behandlung.  Die  Subluxation  des  Kry- 
stallkörpers  hat  jedenfalls  eine  bleibende  Sehstörung  zur  Folge, 
welche  auch  im  günstigsten  Falle  das  genaue  Sehen,  nament- 
lich die  Beschäftigung  mit  Lesen,  Schreiben,  Nähen  u.  dgl. 
unmöglich  macht.  Sie  gibt  erfahrungsgemäss  bald  früher  bald 
später  (nach  vielen  Jahren)  an  sich  oder  wegen  gleichzeitig 
eingeleiteter  Veränderungen  in  der  Chorioidea  oder  im  Glas- 
körper   Veranlassung    zu    Trübung    der    Linse    oder    sie    geht 


—    41     — 

allmälig  von  selbst  oder  nach  sonst  unschädlichen  Emotionen 
in  complete  Luxation  über.    Vergl.  §.  16  und  17. 

Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  Risse  in  der  Zonula, 
welche  einmal  Schiefstellung  oder  gar  Verschiebung  des  Krystall- 
körpers  zur  Folge  hatten,  wieder  so  verheilen,  dass  dieser  die 
normale  Lage  und  Befestigung  wieder  erlangen  könnte.  Es  ist 
auch  nicht  wahrscheinlich,  dass  den  Folgezuständen  durch 
diätetische  Vorschriften  sicher  werde  vorgebeugt  werden  können. 
Es  würde  die  Aufgabe  dieses  Aufsatzes  überschreiten,  auszu- 
führen, unter  welchen  Umständen  der  Zustand  des  Verletzten 
später  durch  Iridektomie,  Iridesis  oder  Linsenbeseitigung  erträg- 
licher und  minder  gefährlich  gemacht  werden  könne.  Das  Auge 
bleibt  mindestens  für  immer  verstümmelt. 

§.  15.  Luxation  der  Linse.  Der  völlig  aus  seinen 
Verbindungen  gelöste  Krystallkörper  kann  sich  eine  Zeit  lang 
ganz  so  verhalten,  wie  ein  theilweise  noch  durch  die  Zonula 
an  den  Ciliarfortsätzen  fixirter,  einfach  schief  gestellter  oder 
zugleich  mehr  weniger  verschobener;  er  pflegt  jedoch  über 
kurz  oder  lang  eine  beträchtliche  Lageveränderung  einzugehen, 
wenn  er  dieselbe  nicht  schon  im  Acte  der  Verletzung  erhielt. 
Es  gibt  auch  Fälle,  wo  die  anfangs  unvollständige  Luxation 
von  selbst  oder  nach  neuerlicher  Erschütterung  des  Auges  in 
eine  vollständige  übergeht. 

Der  vollständig  luxirte  Krystallkörper  kann  seine  Durch- 
sichtigkeit wochen-,  monate-,  jahrelang  beib  ehalten.  Wenn 
er  eine  beträchtliche  Ortsveränderung  erlitten  oder  allmälig 
angenommen  hat,  so  findet  man  ihn  unten  im  Glaskörper, 
der  alsdann  verflüssigt  ist,  oder  in  der  vorderen  Kammer, 
oder  in  der  Pupillaröffnung  der  Iris  eingeklemmt. 

In  einem  Falle  sah  ich  nach  einem  Hiebe  über  das  linke 
Auge  die  Linse  nach  innen  oben  verschoben  und  an  die  Iris 
angedrückt,  dabei  die  Pupille  beinahe  so  stark  wie  nach  Atropin 
erweitert,  so  dass  man  durch  einen  Meniscus  (unten-aussen) 
den  Hintergrund  des  Auges,  doch  nicht  deutlich,  sehen  konnte. 
Hier  war  ausnahmsweise  die  luxirte  Linse  unbeweglich-,  der 
Bulbus  fühlte  sich  härter  an.     Finger   wurden  nur  bis  5  Fuss 


-     42     — 

Abstand  gezählt;  durch  eine  kleine  OefFnung  in  einer  dunklen 
Platte  konnte  nur  Schrift  von  Jag.  Nr.  10  aufwärts  erkannt 
werden.  Anderweitige  Veränderungen  Hessen  sich  nicht  auffinden. 

Er  kann  auch  aus  einer  der  genannten  Lagen  in  eine 
andere  übergehen,  er  kann  abwechselnd  bald  vor,  bald  hinter 
die  Iris  gelagert  werden*).  Die  dadurch  bewirkten  Zufälle, 
abgesehen  von  der  dioptrischen  Störung,  können  sehr  gering 
sein,  sogar  jahrelang,  aber  auch  amaurotische  Erblindung,  hart- 
näckige Entzündung  im  Uvealtractus  und  selbst  eitrige  Zer- 
störung des  Bulbus  herbeiführen.  Dass  die  Linse  (gewöhnlich 
ohne  Kapsel)  durch  einen  Skleralriss  unter  die  Conjunctiva 
gelangt,  aber  auch  trotz  eines  solchen  Einrisses  ganz  oder 
theilweise  im  Auge  geblieben  sein  kann  (in  der  Nähe  des 
Ciliarkörperrisses),  wurde  schon  in  §.  4  bemerkt. 

§.  16.  Dass  der  Krystallkörper  in  der  vorderen 
Kammer  liege,  ist  leicht  zu  erkennen,  bei  Durchsichtigkeit 
desselben  an  der  blassweingelben  Farbe  und  an  dem  Glänze 
des  Randes.  Der  Krystallkörper  füllt  die  Kammer  nie  ganz 
aus,  obgleich  er  die  Iris  rückwärts  drängt.  Vergl.  §§.  11  und  12. 
Ist  die  Linse  trüb  geworden  und  später,  oft  viele  Jahre  nach 
dem  luxirenden  Trauma,  in  die  Kammer  vorgefallen,  so  ist  sie 
meistens  schon  durch  Fettmetamorphose  und  durch  Kalkabla- 
gerungen an  der  inneren  Fläche  der  Kapsel  erheblich  ver- 
kleinert, kreide  weiss,  wohl  auch  uneben,  bald  mehr  kugel-  bald 
mehr  placentaförmig.  Sie  kann  frei  und  beweglich,  aber  auch 
eingeklemmt  und  an  die  Cornea  oder  an  die  Iris  angelöthet  sein. 

War  die  Linse  zur  Zeit  des  Vorfallens  in  die  Kammer 
schon  getrübt,  so  war  von  dem  Kranken  nicht  nur  die  Functions- 
störung,  sondern  auch  die  (meist  intensiv  weisse)  Trübung  in 
der  Pupille  schon  vorher  bemerkt  worden.  Die  Diagnose 
unterliegt  also  in  keinem  Falle  einer  Schwierigkeit. 

*)  Ich  beobachtete  längere  Zeit  einen  Tischler  mit  Versenkung  des 
durchsichtigen  Krystallkörpers  in  den  Glaskörper,  welcher,  wenn  er  lesen 
wollte,  das  Buch  nahe  an  die  Brust  hielt,  um  durch  die  Abwärtsrichtung 
der  Sehachse  zu  bewirken,  dass  sich  die  Linse  hinter  die  Iris  lege  und  so 
das  Nahesehen  vermittle.     (Arlt,  Krankh.  des  Auges,  Prag  1856,  III.  p.  5.) 


-      43     — 

Prognose.  Der  in  der  vorderen  Kammer  liegende 
Krystallkörper  kann  mit  der  Zeit  trüb  und  kleiner,  aber  nie- 
mals resorbirt  werden.  Bleibt  er  lange  am  Boden  liegen,  mit- 
hin an  die  Cornea  angelagert,  so  wird  die  betreffende  Corneal- 
partie  allmälig  trüb,  und  diese  Trübung  verliert  sich  auch  nach 
gelungener  Extraction  des  Krystallkörpers  niemals.  Man  hat 
auch  beobachtet,  dass  die  betroffene  Cornealpartie  mit  der  Zeit 
in  sulzige  Erweichung  überging  und  dass  dann  die  Cornea 
durch  Verschwärung  zerstört  wurde.  Obwohl  solche  Linsen  oft 
viele  Jahre  ohne  sonderliche  Beschwerden  ertragen  werden,  so 
geschieht  es  doch  in  vielen  Fällen,  dass  sie  eine  schleichende 
Iridokyklitis  mit  mehr  weniger  heftigen  Schmerzanfällen  er- 
regen. Es  kommt  zunächst  zu  vermehrter  seröser  Ausschei- 
dung in  dem  Räume,  den  die  Linse  früher  einnahm,  zu  ent- 
zündlicher Erweichung  der  dem  Corpus  ciliare  entsprechenden 
Skleralzone  und  zu  birnförmiger  Formveränderung  des  Bulbus, 
indem  die  verdünnte  und  ausgedehnte  Skleralpartie  ein  Vorwärts- 
rücken der  Cornealbasis  in  der  Hälfte  oder  ringsherum  ge- 
stattet. Es  kann  weiterhin  auch  zu  serösem  Ergüsse  in  den 
Glaskörper,  zu  vermehrter  Spannung  des  ganzen  Bulbus,  zu 
glaukomatöser  Erblindung  (Druckexcavation  des  Sehnerven) 
kommen.  Trotzdem  aber  kann  es  bis  zu  hochgradiger  Ver- 
kalkung der  Linse  gekommen  sein,  ohne  dass  der  hintere  Ab- 
schnitt des  Bulbus  wesentlich  gelitten  hat.  Ich  selbst  habe  in 
den  ersten  Jahren  meiner  Praxis  einen  herumziehenden  Musi- 
kanten durch  die  Extraction  mit  Lappenschnitt  von  einer  bei- 
nahe ganz  verkalkten,  seit  einer  Reihe  von  Jahren  in  der 
Kammer  gelegenen  Linse  befreit,  so  dass  er  dann  ohne  Führer 
herumgehen  konnte  (denn  das  andere  Auge  war  phthisisch) ; 
Staargläser  nützten  ihm  wenig,  wahrscheinlich  wegen  der  Horn- 
hauttrübung unter  der  Mitte  der  Cornea,  da  wo  die  Cataracta 
angelegen  war. 

Behandlung.  Der  Vorfall  des  Krystallkörpers  (Linse 
in  der  uneröffneten  Kapsel)  indicirt  unbedingt  die  Extraction 
mittelst  eines  Bogenschnittes  nach  unten.  Man  warte  nicht 
länger    als   bis    eine    etwa    durch    die    Verletzung   mitbedingte 


—     44     — 

Chemosis  vorüber  ist.  Der  Kranke  nehme  eine  halbsitzende 
Stellung  im  Bette  ein,  damit  die  Linse  nicht  etwa  durch  die  Pu- 
pille rückwärts  sinke.  Ob  das  Messer  vor  oder  hinter  der 
Linse  oder  vielleicht  durch  diese  selbst  durchzuführen  sei,  kann 
der  Operateur  meistens  erst  vor  dem  Einstechen  entscheiden. 
Das  beste  Instrument  ist  ein  schmales  Beer'sches  Messer,  denn 
es  verursacht  die  relativ  geringste  Zerrung.  Die  Wunde  muss 
ein  leichtes  Austreten  gestatten  ;  wo  dieses  nicht  schon  bei  Be- 
endigung des  Schnittes  erfolgt,  muss  die  Linse  mit  einem 
Daviel'schen  Löffel,  mit  einem  Häckchen  oder  mit  einer  Pin- 
cette  hervorgeholt  werden.  Druck  auf  ein  solches  Auge  kann 
leicht  übermässigen  Glaskörperverlust  zur  Folge  haben.  Aus 
diesen  Gründen  ist  die  Extraction  mittelst  linearen  Schnittes 
ungleich  mehr  gewagt. 

§.  17.  Versenkung  des  Krystallkörpers  in  den 
Glaskörper  kann  unter  Umständen  leicht,  aber  auch  bei 
gleichzeitigem  Hämophthalmus  schwer  oder  für  einige  Zeit  gar 
nicht  zu  erkennen  sein.  Ist  weder  Blutaustretung  noch  Zer- 
reissung  oder  Lähmung  der  Iris  vorhanden,  so  verhält  sich  ein 
solches  Auge  wie  ein  rein  aphakisches,  die  Iris  liegt  in  toto 
etwas  tiefer  und  durchaus  in  einer  und  derselben  Ebene  (was 
annähernd  nur  noch  bei  Kurzsichtigkeit  vorzukommen  pflegt) 
und  zeigt  nach  jeder  raschen  Blickänderung  starkes  Schlottern; 
die  Pupille  ist  eng  und  auffallend  rein  schwarz,  sobald  die  im 
Glaskörper  liegende,  wenn  auch  normal  durchsichtige  Linse 
nicht  etwa  nahe  hinter  der  Iris  einen  Theil  des  Pupillarbereiches 
deckt.  Der  relativ  zum  Glaskörper  specifisch  schwerere  Krystall- 
körper,  an  der  Peripherie  des  Bulbus  gelegen  und  zwar  mei- 
stens vor  dem  Aequator  nächst  der  unteren  Wand,  wird 
bei  jeder  raschen  Bewegung  des  Auges  verschoben,  z.  B.  bei 
rasch  nach  oben  gewendetem  Blicke  auf-  und  vorwärts  ge- 
schleudert, um  sofort  wieder  nach  hinten-unten  zu  sinken.  Der 
Kranke  sieht,  wenn  nicht  Hindernisse  seitens  der  Netzhaut 
oder  des  Lichtzutrittes  zu  dieser  obwalten,  in  der  Rückenlage 
den  Kry stallkörper  mittelst  des  Schattens,  den  dieser  auf 
der  Netzhaut  entwirft.     Er  kann  wohl  auch  durch   längere 


—    45    — 

Vorwärtsneigung  des  Kopfes  bewirken ,  dass  die  Linse  sich 
gerade  hinter  die  Pupille  lagert.  Vergl.  §§.  13  und  14.  End- 
lich lässt  sich  bei  nicht  zu  enger  Pupille  und  hinreichender 
Durchsichtigkeit  der  Medien  der  durchsichtige  Krystallkörper 
an  den  in  den  §§.  13  und  14  angegebenen  Reflexphänomenen, 
der  getrübte  an  seiner  Grösse,  Form  und  Farbe  mittelst  des 
Augenspiegels  leicht  erkennen.  Zum  Ueberflusse  könnte 
man  auch  noch  das  Fehlen  der  Purkinje'schen  Spiegelbilder 
als  Beweis  für  das  Nichtvorhandensein  des  Krystallkörpers  un- 
mittelbar hinter  der  Iris  verwerthen. 

Prognose  und  Behandlung.  Wenn  das  Auge  sonst 
keinen  Schaden  erlitten  hat,  so  kann  es  wohl  jahrelang  gleich 
einem  aphakischen  fungiren.  Es  kann  aber  auch,  wahrschein- 
lich durch  häufig  wiederkehrende  Insultation  der  Iris  und  des 
Ciliarkörpers  in  schleichende  Entzündung  mit  seröser  Aus- 
schwitzung, in  glaukomatöse  Erblindung  versetzt  werden.  Der 
Krystallkörper  kann  auf  halbem  Wege  zur  vordem  Kammer  in 
der  Pupille  eingeklemmt  werden,  aus  welcher  er  um  jeden 
Preis  entfernt  werden  muss,  wenn  das  Auge  nicht  durch  hef- 
tige Entzündung  vernichtet  werden  soll.  Der  Vorfall  in  die 
vordere  Kammer  ist  wohl  das  Beste,  was  man  wünschen  kann, 
um  sodann  die  Extraction  vornehmen  zu  können.  Starke  My- 
driasis und  leichtes  wiederholtes  Anklopfen  an  das  Auge  bei 
abwärts  gerichteter  Pupille  (Vorwärtsneigung  des  Kopfes)  können 
diesen  Vorfall  zu  Stande  bringen,  worauf  man  durch  energische 
Kalabaran  wen  düng  die  Pupille  eng  zu  erhalten  trachtet.  Als- 
dann wird  man  zur  Extraction  wie  in  §.  16  schreiten,  jedoch 
jedenfalls  auf  mehr  weniger  Verlust  von  Glaskörper  gefasst  sein 
müssen.  Die  Disscission  im  Glaskörper  ist,  wenn  nicht  un- 
möglich, mindestens  sehr  schwierig  und  kaum  minder  gefähr- 
lich als  die  Extraction  mit  Glaskörperverlust.   Vergl.  §.  29. 

§.  18.  Theilnahme  der  Netzhaut  bei  Contusion 
oder  Erschütterung  des  Bulbus.  Nicht  nur  vor,  sondern 
auch  nach  der  Einführung  des  Augenspiegels  in  die  Praxis 
war  man  bis  auf  die  jüngste  Zeit  geneigt,  bei  Sehstörung  nach 
solchen    Verletzungen,    falls    weder  äusserlich  noch  ophthalmo- 


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skopisch  hinreichend  erklärende  Veränderungen  aufgefunden 
werden  konnten  und  falls  auch  keine  genügenden  Anzeichen 
vorlagen,  auf  Begründung  derselben  in  der  Schädelhöhle  zu  re- 
curriren,  zur  Erklärung  der  bald  transitorischen,  bald  bleiben- 
den Sehstörung  den  Ausdruck  Cornmotio  retinae  zu  gebrau- 
chen und  dabei  entweder  eine  minimale  Verschiebung  der 
Netzhautelemente  (etwa  in  der  Stäbchen-  und  Zapfenschicht) 
oder  einen  Einfluss  der  durch  Erschütterung  gelähmten  vaso- 
motorischen Nerven  zu  supponiren.  Dr.  Berlin  (vide  §.  1) 
gebührt  das  Verdienst,  auf  die  Haltlosigkeit  dieser  Supposition 
hingewiesen  und  den  Weg  exakter  Forschung  in  diesem  dun- 
keln Gebiete  eingeschlagen  zu  haben.  Für  jene,  welche  sich 
die  klin.  Monatsbl.  von  Zehen  der  nicht  verschaffen  können, 
will  ich  hier  einen  kurzen  Auszug  der  Originalarbeit  nieder- 
schreiben : 

„Wenn  wir  die  verschiedenen  Formen  der  sogen.  Corn- 
motio retinae  in  Bezug  auf  die  Aetiologie  betrachten,  so  müssen 
wir  zwei  Ilauptgruppen  unterscheiden;  solche,  in  welchen  der 
Orbitalrand  allein  oder  hauptsächlich,  und  solche,  in 
welchen  nur  der  Augapfel  getroffen  wurde.  Von  den  Fällen, 
wo  man  hierüber  nichts  Zuverlässliches  eruiren  kann,  nament- 
lich von  Erschütterung  durch  Blitzschlag  oder  durch  ein  vor- 
überfliegendes Geschoss,  sehe  ich  vor  der  Hand  völlig  ab,  weil 
das  vorliegende  Beobachtungsmaterial  noch  zu  dürftig  ist,  um 
ein  Urtheil  über  die  Pathogenese  dieser  Verletzungen  zu  er- 
möglichen. Auch  auf  den  hypothetischen  Zusammenhang  von 
Verletzung  des  Nervus  supraorbitalis  mit  Amaurose  glaube  ich 
hier  nicht  eingehen  zu  sollen." 

„Was  die  1.  Gruppe  angeht,  so  ist  die  grössere  Zahl 
dieser  Fälle  mit  derartigen  intracraniellen  Symptomen 
verbunden,  dass  wir  allen  Grund  haben,  eine  directe  oder  in- 
directe  Läsion  des  Sehnerven,  wohl  meist  jenseits  des  Foramen 
opticum,  oder  seiner  Centren  anzunehmen.  Die  Abwesenheit 
intracranieller  Symptome  schliesst  aber  die  Möglichkeit  einer 
stattgehabten  Läsion  des  Sehnerven  keineswegs  aus.  Ich  habe 
bisher  keinen  dieser  Gruppe  angehörenden  Fall  beobachtet,  in 


—     47     — 

welchem  sich  nicht  bei  fortgesetzter  Beobachtung  ophthalmo- 
skopische Zeichen  von  Atrophie  des  Sehnerven  eingestellt  hätten." 

„Mit  mehr  Wahrscheinlichkeit  dürften  wir  dann  eine  Er- 
schütterung der  Netzhaut  voraussetzen ,  wenn  der  Augapfel 
allein  und  direct  von  der  stumpfen  Gewalt  getroffen  wurde. 
Diese  Gruppe  scheidet  sich  in  solche  Fälle,  in  denen  die  Seh- 
störung sehr  hochgradig  und  meist  mit  Störung  des 
excentrischen  Sehens  verbunden,  bleibend  oder  wenig- 
stens von  langer  Dauer  ist,  und  in  solche,  welche  nur  eine 
unbedeutende  Beeinträchtigung  und  zwar  bloss  des 
centralen  Sehens  zeigen,  die  meistens  in  wenigen  Tagen 
völlig  wieder  ausgeglichen  wird."  —  „Ich  schliesse  mich  nach 
meiner  zahlreichen  Erfahrung  der  Ansicht  von  Geissler  und 
Knapp  an,  dass  Amaurose  oder  hochgradige  Sehstörung 
nach  Erschütterungen  des  Augapfels  selbst  ohne 
ophtalmoskopischen  Befund  äusserst  selten  sind." 

Was  nun  bezüglich  der  Erklärung  der  leichteren  Fälle  die 
Annahme  der  Verschiebung  von  Gewebselementen  gegen  ein- 
ander betrifft,  so  ist  dieselbe  für  die  Netzhaut  ebensowenig  nach- 
gewiesen., wie  für  das  Gehirn,  und  rücksichtlich  der  Hypothese 
von  der  Lähmung  der  vasomotorischen  Nerven  konnte  Berlin 
eine  Erweiterung  der  Arterien  sowohl  als  der  Venen  selbst 
beim  sorgfältigsten  Vergleiche  mit  dem  nicht  verletzten  Auge 
(beim  Menschen  wie  bei  Kaninchen)  niemals  constatiren.  Berlin 
gelangte  nach  den  sogleich  folgenden  Beobachtungen  und  Ex- 
perimenten zu  der  Annahme,  dass  es  sich  in  allen  Fällen, 
wo  nach  Erschütterung  des  Bulbus  unbedeutende  cen- 
trale Sehstörung  ohne  improportionale  Herabsetzung 
des  excentrischen  Sehens  und  in  kurzer  Zeit  Heilung 
eintritt,  nur  um  vorübergehenden  unregelmässigen 
Astigmatismus  handelt.  Diese  Annahme  stützt  sich  theils 
auf  die  constante  Renitenz  der  Iris  gegen  Atropin,  theils  auf 
die  bei  den  Experimenten  an  Kaninchen  vorgefundenen  anato- 
mischen Veränderungen  im  vordem  Bulbusabschnitte.  ,,Wenn 
ein  mehr  weniger  harter  stumpfer  Körper  den  Augapfel  selbst 
getroffen  hatte,  ohne  eine  wesentliche  Verletzung  der  Formhäute 


—     48     - 

oder  der  inneren  Gebilde  zu  setzen,  so  fanden  wir  zunächst  un- 
mittelbar nach  dem  Trauma  eine  massige  Herabsetzung 
der  centralen  Sehschärfe  ohne  improportionale  Beein- 
trächtigung des  excentrischen  Sehens;  falls  nicht  kleine 
Epithelabschilferungen  der  Hornhaut  oder  kleine  Blutergüsse  in 
der  vorderen  Kammer  concurrirten,  fand  sich  in  den  von  mir 
beobachteten  8  Fällen  die  S  zwischen  l5/100  und  l5/40.  Zugleich 
fanden  wir  ausnahmslos  eine  heftige  episklerale  Injection 
und  eine  hochgradige  Renitenz  des  Sphinkter  iridis 
gegen  Atropinwirkung.  Nach  etwa  1  Stunde  sahen  wir  an 
einer  bestimmten  Stelle  des  Augenhintergrundes  eine  matt- 
graue wolkige  Trübung,  die  sich  alsbald  durch  Confluiren 
kleinerer  Trübungen  vergrösserte  und  intensiver  wurde  (bis  zu 
einem  blendenden  Weiss) ;  2  Mal  wurden  in  der  Nähe  derselben 
minimale  Blutungen  beobachtet.  —  Die  Trübung  befand  sich  in 
4  Fällen  um  die  Papilla  und  Macula  lutea  herum ,  2  Mal  an 
der  äusseren  Seite  des  Augenhintergrundes  und  2  Mal  fanden 
sich  2  grosse  getrennte  Bezirke  der  Retina  getrübt;  in  diesen 
2  Fällen  gehörte  je  eine  Trübung  der  vorderen  Hälfte  der 
Netzhaut  und  je  eine  dem  hinteren  Bulbusabschnitte  an.  Die 
Trübung  pflegt  nach  24—36  Stunden  ihre  Höhe  erreicht  zu 
haben ;  nach  2  oder  3  Mal  24  Stunden  ist  durchschnittlich  nichts 
mehr  davon  zu  sehen.  Bei  Controlirung  der  Sehschärfe  stellte 
sich  heraus,  dass  es  auf  den  Grad  derselben  ohne  Einfluss  war, 
ob  die  Retinal trübung  in  der  Gegend  der  Macula  lutea  oder 
excentrisch  gefunden  wurde,  und  dass  constant  die  Sehstörung 
schon  beträchtlich  abgenommen  hatte ,  während  die  Retinal  - 
trübung  noch  zunahm  oder  auf  der  Höhe  der  Entwicklung  stand. 
Die  Verbesserung  der  Sehschärfe,  welche  in  den  ersten  24  Stun- 
den rapide  Fortschritte  macht,  geht  aber  von  da  ab  wieder 
langsamer  von  statten,  und  wenn  sich  die  ophthalmoskopischen 
Veränderungen  schon  gänzlich  zurückgebildet  haben,  pflegt  noch 
für  mehrere  Tage  eine  bis  zu  i/2  oder  */3  verminderte  S  zurück- 
zubleiben. „Ich  habe  in  den  ersten  Stunden  nach  dem  Trauma 
selbst  auf  6  —  8  malige  Atropineinträuf hingen  niemals  eine  voll- 
ständige   Erweiterung    der    Pupille    entstehen    sehen.      Dieser 


—    49     — 

Reizzustand  des  Sphinkter  iridis  nimmt  zwar  schnell  ab,  aber 
er  überdauert,  wenn  auch  in  massigem  Grade,  ebenso  wie 
die  Sehstörung  die  ophthalmoskopischen  Retinalveränderungen 
und  mit  seiner  Rückbildung  scheint  auch  die  Restitution  des 
Sehvermögens  gleichen  Schritt  zu  halten."  —  „Veränderungen 
in  den  Spannungsverhältnissen  des  Bulbus  konnte  ich  nicht 
feststellen." 

Aus  Experimenten  an  Kaninchen  ergab  sich  ophthalmo- 
skopisch, dass,  wenn  die  Gewalt  die  Sklera  getroffen  hatte, 
man  zunächst  an  demjenigen  Retinalabschnitte,  welcher  der 
direct  getroffenen  Skleralpartie  entsprach,  ausgedehnte  Trübung 
vorfand,  ausserdem  aber  auch  eine  solche  an  einem  der  direct 
getroffenen  Stelle  annähernd  gegenüberliegenden  Theile  des 
Augenhintergrundes.  Anatomisch  ergab  sich  der  wichtige  Be- 
fund, dass  die  Retinaltrübung  nur  als  acutes  Oedem  der 
Retina  aufgefasst  werden  konnte,  welchem  constant  sowohl 
an  der  direct  als  an  der  indirect  getrübten  Stelle  eine  aus- 
gedehnte Blutung  zwischen  Chorioidea  und  Sklera 
zu  Grunde  lag.  „Wenn  der  Schlag  die  Hornhaut  getroffen 
hat,  so  linden  wir  regelmässig  ausser  der  subchorioidealen 
Blutung  in  der  Gegend  des  hintern  Poles  stets  Blutungen 
von  geringerer  Ausdehnung  zwischen  dem  Ciliar- 
muskel,  respective  vordem  Chorioidealabschnitte 
einer-  und  der  Sklera  andererseits."  „Wenn  auch  nicht 
mit  dieser  absoluten  Regelmässigkeit,  so  finden  wir  doch  häufig 
ausserdem  Blutungen  zwischen  Pars  ciliaris  retinae  und  der 
Chorioidea,  ferner  umschriebene  Blutergüsse  an  der  hinteren 
Wand  der  Iris  und  Blutungen  in  dem  Canalis  Schlemmii." 
„Es  handelte  sich  also  bei  unseren  Experimenten  im  Wesent- 
lichen um  eine  Ruptur  von  Aderhautgefässen,  manch- 
mal, wenn  sich  Blut  subretinal  ergossen  hatte,  um  eine,  wenn 
auch  kleine,  so  doch  vollständige  Zerreissung  der  Ader- 
haut." 

Die  subchorioideale  Blutung  als  solche  kann  die  Sehstörung 
nicht  verursachen,  und  diese  kann  nach  dem  oben  Gesagten 
auch  nicht  von  der  Retinaltrübung  abgeleitet  werden,  denn  die 

v.  Ar  lt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  4 


—    50    — 

Retinatrübung ,  respective  die  Chorioidealblutung  im  Bereiche 
der  ophthalmoskopisch  sichtbaren  Retina  kann  in  solchen  Fällen 
auch  fehlen.  Berlin  sah  2  Fälle  „von  Verletzungen  des 
Auges  durch  stumpfe  Gewalt,  bei  welchen  trotzdem,  dass  Seh- 
störungen von  demselben  Grade  und  von  demselben  Verlaufe 
wie  bei  der  oben  beschriebenen  Gruppe  vorhanden  waren,  mit 
dem  Augenspiegel  keine  Veränderungen  in  der  Retina  gefunden 
wurden.  Beide  Fälle  zeigten  aber  lebhafte  pericorneale  In- 
jection  und  hochgradige  Renitenz  des  Sphinkter  iridis  gegen 
Atropin,  welcher  Reizzustand  sich  einmal  zu  einer  heftigen 
Iritis  steigerte."  „Dagegen  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dass 
Blutungen  in  der  unmittelbai^Ln  Umgebung  der  Linse 
—  und  solche  wurd^m^x^rimWnJ^il  nachgewiesen  - 
auf  die  Form,  unt/r^mstan'Tj^ia^a^cv^iuf  die  Stellung 
der  Linse  einwirken  un«/  im  ^Verein  mlE^er  krampfhaften 
Contraction  des  Sphinkter  n&U^den  irregulären  Astigmatismus, 
die  Sehstörung  bewirkeN^/i^Mit  der  Voraussetzung,  dass  die 
Form-  und  Lageveränderung^^^ßijQ^^auf  den  mechanischen 
Einfluss  von  kleinen  Blutansammlungen  zurückzuführen  wären, 
würde  der  Verlauf  und  der  Grad  der  Sehstörung  sehr  wohl 
übereinstimmen.  Namentlich  wäre  die  schnelle  anfängliche 
Besserung  aus  der  schnelleren  Resorption  der  flüssigen  Blut- 
bestandtheile  ungezwungen  abzuleiten.  Ebenso  würde  es  ver- 
ständlich sein,  dass  der  Reizzustand  der  Iris  und  die  Sehstörung 
auch  ihrer  Dauer  nach  ziemlich  genau  zusammenfallen,  wenn 
wir  annehmen,  dass  beide  erst  mit  der  vollendeten  Resorption 
des  Blutes  ihre  völlige  Restitution  erreichen." 

Dass  ich  in  Bezug  auf  das  Zustandekommen  der  Ber- 
stungen (einzelner  Gefässe,  ganzer  Gewebspartien)  im  hintern 
Umfange  der  Chorioidea  der  Ansicht  Berlin's  nicht  beistimmen 
kann,  habe  ich  bereits  bei  den  allgemeinen  Betrachtungen  über 
Compression  und  Erschütterung  des  Bulbus  in  §.  1  erörtert. 
Ich  will  nur  noch  hinzufügen,  dass  die  Uvealrupturen  im  vor- 
dem Bulbusabschnitte  theils  direct  von  der  Quetschung  der 
unter  der  getroffenen  Skleralpartie  gelegenen  Aderhautpartie, 
respective  des  Ciliarkörpers,  theils  von  der  Abplattung  der  Cornea 


—    51     - 

und  der  momentanen  Erweiterung  des  Corneoskleralringes  ab- 
zuleiten sind,  während  der  coneentrisch  zum  Cornealrande  ver- 
laufende Sklerouvealriss  als  Folge  plötzlicher  Ausdehnung  des 
Bulbus  in  jenem  Kreise  oder  Ringe  aufzufassen  ist,  von  welchem 
dieser  Riss  eben  einen  kleinen  Theil  oder  Bogen  bildet. 

§.  19.  Ziemlich  im  Unklaren  sind  wir  über  die  Ent- 
stehungsweise der  Lähmung  des  Irissphinkters  und  des 
Accommodationsmuskels  nach  momentaner  starker  Contusion 
des  Bulbus.  Wir  finden  nach  solchen  Verletzungen  die  Pupille 
mehr  weniger  stark  erweitert,  kreisrund  oder  oval,  die  Iris  un- 
beweglich sowohl  auf  Lichtreiz  als  bei  steigender  Convergenz 
der  Sehachsen  und  gegen  Reizung  der  Binde-  oder  Hornhaut, 
wobei  sich  vielleicht  sogar  weder  in  der  Iris  noch  im  Krystall- 
körper  (seiner  Befestigung),  noch  auch  in  der  Chorioidea  oder 
Netzhaut  eine  traumatisch  entstandene  Veränderung  nachweisen 
lässt.  Da  sich  eine  Continuitätstrennung  in  den  Ciliarnerven 
kaum  denken  lässt,  ohne  dass  es  zugleich  irgendwo  zu  einer 
Gefässberstung  gekommen  wäre,  so  liegt  die  Annahme  eines 
durch  Druck  schädlichen  Extravasates  zwischen  Chorioidea  und 
Sklera  viel  näher,  als  die  einer  Dehnung  oder  Zerreissung  von 
Ciliarnerven ;  bei  förmlichen  Chorioidealrissen  ist  indess  letztere 
mindestens  nicht  unwahrscheinlich.  Der  anatomische  Nachweis 
aber  fehlt. 

Die  traumatische  Lähmung  des  Sphinkters  und  des  Accom- 
modationsmuskels ist  in  ihren  höheren  Graden  eine  bleibende; 
geringere  Grade  hat  man  selbst  nach  wenigen  Tagen  spurlos 
vorüber  gehen  gesehen.  Spirituös-aromatische  Fomentationen, 
frühzeitig  angewendet,  sollen  sich  in  leichteren  Graden  nützlich 
erwiesen  haben. 

Krankengeschichten. 

1.    Traumatische   Subluxation    der    Linse    gegen    die    Mitte    des 
Glaskörpers.     Extractlon ;  Heilung. 

Einem  54  Jahre  alten  Schuhmachermeister  aus  Ungarn 
war    '/-i  Jahr  vor  der  Aufnahme    in    die  Augenklinik  ein   Stein 


—    52    — 

gegen  das  rechte  Auge  geworfen  worden.  Die  Blutung  aus 
einer  leichten  Hautwunde  und  die  Röthe  des  Auges  in  den 
nächsten  Tagen  scheinen  unbedeutend  gewesen  zu  sein,  ebenso 
die  Sehstörung.  Diese  wurde  erst  nach  1/i  Jahre  auffallend 
und  bestimmte  den  Mann  zur  Reise  nach  Wien.  Gutgenährter, 
kräftiger  Mann  mit  tiefliegenden  Augen.  Das  linke  Auge 
gesund;  das  rechte  zeigt  ausser  einigen  erweiterten  Conjunctival- 
gefässen  nächst  dem  äusseren  Hornhautrande  keine  Zufälle  von 
Entzündung  oder  Reizung;  die  Cornea  normal,  die  Pupille  ad 
maximum  erweitert  (Iridoplegie),  in  der  Mitte  derselben  sieht 
man  den  Rand  des  nach  oben-iimen  luxirten  Krystallkörpers. 
Die  äussere  Hälfte  der  Pupille  rein  schwarz,  hinter  der  inneren 
die  leicht  getrübte  Linse,  rauchgrau  bis  auf  eine  circa  1  Mm. 
breite  Randzone,  welche  ungetrübt  erscheint  und  die  Reflex- 
phänomene sowohl  bei  auffallendem  Lichte  als  bei  Beleuchtung 
des  Augengrundes  sehr  deutlich  zeigt.  Dass  der  Kern  leicht 
getrübt  sei,  wurde  bei  der  ophthalmoskopischen  Untersuchung 
constatirt.  Der  nach  innen  (oben-innen)  noch  an  den  Ciliar- 
fortsätzen  haftende  Krystallkörper  flottirte  schon  bei  geringen 
Augenbewegungen  sehr  deutlich  und  senkte  sich  mit  dem  äusseren 
Rande  bei  Rückwärtsbeugung  des  Kopfes  um  3 — 4  Mm.  (bei- 
läufige Schätzung)  nach  hinten.  Spannung  des  Bulbus  normal. 
Augenspiegelbefund  negativ.  Mit  Linse  -\-  3*/4  wurden  durch 
den  linsenfreien  Pupillarraum  Snellen's  Schriftproben  Nr.  40 
in  20  Fuss  erkannt;  mit  -f-  2'/2  konnte  Jag.  Nr.  2  gelesen 
werden.  Am  27.  Mai  1873  Extraction  mit  flachem  Bogenschnitt 
nach  unten.  Halbsitzende  Lage  des  Kranken  im  Bette.  Fixation 
der  Lider  mittelst  der  Finger.  Fixation  des  Bulbus  mit  einer 
Pincette  und  Einführung  einer  gekrümmten  Reclinationsnadel 
nicht  unter-  sondern  oberhalb  des  horizontalen  Meridianes  und 
zwar  an  der  Nasen seite,  um  die  Linse  von  hintenher  anzu- 
stechen und  zu  fixiren;  sodann  Erhaltung  der  massig  gegen  die 
Iris  vorgedrängten  Linse  in  dieser  Lage  durch  einen  zweiten 
Assistenten  und  sofort  Eröffnung  der  Kammer  mittelst  eines 
verjüngten  Beer'schen  Staarmessers  (30  Mm.  Länge,  5  Mm. 
Basis)    auf   circa    11  Mm.  Länge    und    2 — 3  Mm.   Bogenhöhe; 


—    53    — 

hierauf  Einführung  eines  Daviel'schen  Löffels,  Umgreifung" 
der  Linse  von  hinten  und  Hervorziehung  derselben  bei  gleich- 
zeitiger Zurückziehung  der  Nadel.  Eine  wulstartig  vor  die 
Wunde  gedrängte  Glaskörperpartie  wurde  mit  der  Scheere  ab- 
gekappt, das  Auge  verbunden  (ebenso  das  andere).  Am  16.  Juni 
war  die  Wundheilung  vollständig  beendet,  das  Auge  ganz  blass 
und  reizlos,  die  Pupille  vollkommen  schwarz,  etwas  nach  unten 
verzogen.  Sehschärfe:  mit  +  3'/2  Sn.  20/L,  mit  2l/2  Jäger  3. 

2.  Traumatische  Luxation  des  KrystallkÖrpers  in  die  vordere 
Kammer,  präexistente  (angeborene^)  Ektopie  desselben,  conse- 
cutive  Kylditis  mit  Drucksteigerung.    Extraction,    unvollkommene 

Heilung. 

Eine  Frau  von  25  Jahren  erhielt  vor  4  Wochen  beim 
Dreschen  einen  Schlag  mit  dem  Flegel  über  das  rechte  Auge. 
Verlässliche  Auskunft  über  die  Folgen  ist  nicht  zu  erhalten; 
sie  meint  früher  mit  beiden  Augen  gut  gesehen  zu  haben,  was 
offenbar,  wie  wir  weiter  nachweisen  konnten,  nicht  der  Fall 
war.  Die  Schmerzen  im  Auge  und  in  der  Umgebung  verloren 
sich  nach  kalten  Umschlägen,  kehrten  aber  nach  kurzer  Zeit 
wieder  und  verschwanden  nie  ganz.  Drei  heftigere  Anfälle 
bald  nacheinander  bestimmten  sie,  Hilfe  zu  suchen.  Bei  der 
Aufnahme  am  16.  December  1873:  das  rechte  Auge  wird  wenig 
geöffnet,  thränt  leicht,  ist  lichtscheu  und  zeigt  dicht  netzför- 
mige pericorneale  Röthe,  besonders  in  der  unteren  Partie.  Die 
Cornealbasis  ist  besonders  in  der  unteren  Hälfte  deutlich  nach 
vorn  gerückt,  offenbar  weil  die  angrenzende  Partie  der  Sklera 
in  Folge  entzündlicher  Erweichung  ausgedehnt  ist,  daher  die- 
selbe hier  auch  violettroth,  stellenweise  auch  schiefergrau  er- 
scheint. Die  untere  Hälfte  der  Cornea  leicht  diffus  getrübt 
und  matt,  die  Iris  kaum  über  2  Mm.  breit,  zwischen  beiden 
liegt  der  blassgelbe  durchsichtige  Krystallkörper,  im  Aequa- 
torialdurchmesser  kleiner,  in  der  Achse  dicker,  also  mehr  kugel- 
als  linsenförmig,  daher  kann  man  auch  oben  zwischen  ihm  und 
dem  Pupillarrande    in    die    Tiefe    sehen    und   rothes  Licht    aus 


-     54     — 

dem  Auge  mit  dem  Augenspiegel  erhalten.  Am  Linsenrande 
der  bekannte  Glanz  wahrzunehmen.  Der  Bulbus  fühlt  sich 
nicht  härter  an,  ist  jedoch  gegen  Betastung  in  der  Gegend  des 
Ciliarkörpers  entschieden  schmerzhaft.  Finger  werden  in  circa 
4'  gezählt,  der  Schein  einer  Kerzenflamme  wird  in  10'  wahr- 
genommen. Am  17.  December  Extraction  mit  dem  schmalen 
Beer'schen  Messer,  9—10  Mm.  Schnittlänge,  etwa  2  Mm. 
Lappenhöhe.  Beim  Anlegen  des  Daviel'schen  Löffels,  um  die 
Linse  hervorzuholen,  trat  diese  rasch  aus  und  mit  ihr  etwas 
verflüssigter  Glaskörper,  wesshalb  sofort  der  Verband  angelegt 
wurde.  Der  Krystallkörper  zeigte  4'/2  Mm.  Aequatorial-,  3  Mm. 
Achsendurchmesser;  die  Kapsel  war  unversehrt.  Beim  Nach- 
sehen am  18.  und  19.  fand  man  guten  Wundschluss;  am  20. 
war  der  Lappen  etwas  vorgedrängt,  Iris  an  die  Cornealnarbe 
angelegt,  diese  jedoch  etwas  gedehnt  und  desshalb  die  untere 
Cornealhälfte  dachförmig  gegen  die  Narbe  ansteigend.  Dieser 
Zustand  änderte  sich  bis  zum  Tage  der  Entlassung,  7.  Jänner, 
so  wenig,  dass  die  Kranke  nur  mittelst  horizontal  vorgehaltener 
Spalte  des  stenopäischen  Apparates  Finger  in  höchstens  12  Fuss 
Abstand  zählen  konnte,  woran  wohl  theilweise  noch  eine  leichte 
Trübung  der  Cornea  an  der  früheren  Anlagerungsstelle  des 
Krystallkörpers  schuld  war.  Die  genauere  Untersuchung  des 
Augengrundes  war  theils  durch  die  Trübung,  theils  durch  die 
veränderte  Wölbung  der  Cornea  erschwert  und  konnte  mit 
Bestimmtheit  nur  Druck  excavation  der  Sehnervenscheibe  con- 
statirt  werden.  Ich  habe  diesen  Fall  vorzüglich  desshalb  mit- 
getheilt,  weil  wir  rücksichtlich  der  Entstehung  des  Vorfalles 
der  Linse  in  die  Kammer,  unbefriedigt  durch  die  Angaben 
der  Kranken,  in  den  letzten  Tagen  die  Pupille  des  linken, 
angeblich  gesunden  (gut  sehenden)  Auges  durch  Atropin  er- 
weiterten und  nun  sehr  leicht  und  bestimmt  Luxation  des 
Krystallkörpers  nach  oben  nachweisen  konnten.  Diese  Person 
hatte  also  gewiss  von  Jugend  auf  eine  (angeborene)  Ektopie 
des  Krystallkörpers  auf  beiden  Augen.  Ohne  Untersuchung 
des  linken  Auges  hätte  man  die  Verletzung  des  rechten  gewiss 
unrichtig  beurtheilt. 


—    55     — 


S.  Traumatische. Dehnung  der  Zonula,  Form-  und  Lageveränderung 
der  Linse,  Myopie. 

Ein  Schmied  von  42  Jahren  fuhr  beim  Schwingen  des 
Hammers  in  beengtem  Räume  durch  Ausgleiten  mit  seiner 
Faust  gegen  das  linke  Auge.  Da  das  kurz  darauf  wahrge- 
nommene Schlechtsehen  anhielt,  kam  er  am  19.  Tage  ins 
Spital.  Wir  fanden  das  rechte  Auge  normal,  am  linken  die 
Conjunctiva  bulbi  im  unteren  Umfange  gelb  (von  früherer 
Blutaustretung),  die  Cornea  intact,  die  Kammer  auffallend  enger 
als  rechts,  durch  gleichmässige  Vorwärtsdrängung  der  Iris  in 
toto  „die  Iris  träge  reagirend,  grünlich  verfärbt,  ohne  Spur 
von  Entzündung,  die  Pupille  etwas  grösser  als  rechts, 
nicht  ganz  kreisrund.  Auf  der  Kapsel  einige  Pigmeat- 
flocken,  kein  Schlottern  (weder  an  der  Linse  noch  an  der 
Iris).  Finger  in  18  Fuss,  mit  concav  6  S.  20/XL,  mit 
freiem  Auge  Jag.  Nr.  2  in  6  Zoll.  Mit  concav  8  konnte  der 
Augengrund  deutlich  gesehen  werden.  Das  rechte  Auge  zeigte 
mit  concav  36  S.  20/XX.  Da  wir  keinen  Grund  hatten,  der 
Angabe  zu  misstrauen,  dass  der  Mann  früher  mit  dem  linken 
Auge  so  gut  gesehen  habe,  wie  mit  dem  rechten,  so  glaubten 
wir  uns  das  Resultat  der  Untersuchung  nur  durch  Dehnung 
der  Zonula,  Vorwärtsrückung  und  stärkere  Convexität  der 
Linse  erklären  zu  können.  Eine  längere  Beobachtung  war  uns 
leider  nicht  gestattet. 

4.  Berstung  der  Chorioidea  und  Retina  am  hinteren  Pole,  Blut- 
er guss    in  den    Glaskörper   und   Iridoplegie,  wahrscheinlich  auch 
Subluxatio  lentis  nach  einem  Steinwurfe  gegen  das  rechte  Auge; 
reactive  Entzündung,  bleibender  Gesichtsfelddefect. 

S.  J.,  35  Jahre  alt,  wurde  am  7.  October  1873  durch 
einen  gegen  das  rechte  Auge  geworfenen  Stein  so  stark  ver- 
letzt, dass  er  wohl  j/4  Stunde  bewusstlos  lag  und  stark  blutete. 
Nachdem  die  darauf  eingetretene  Geschwulst  (der  ganzen  Seite 
des  Gesichtes)  unter  Anwendung  kalter  Umschläge  geschwun- 


—    56     — 

den  war  und  das  Auge  wieder  geöffnet  werden  konnte,  be- 
merkte der  Verletzte ,  dass  er  mit  diesem  Augo  nicht  sah. 
Am  24.  October:  an  dem  obern  Lide  von  der  äussern  Com- 
missur  bis  zur  Mitte  des  Lides  eine  fast  zolllange  lineare 
oberflächliche  Hautnarbe;  am  äusseren  Rande  der  Cornea  ein 
seichtes  sichelförmiges  Geschwür  und  dem  entsprechend  stärkere 
Röthe  der  Bindehaut,  überdies  aber  rings  um  die  Cornea  massig 
starke  episklerale  Röthe.  Das  Kammerwasser  rein,  die  Pupille, 
weiter  als  die  linke,  bei  Lichtreiz  nicht  verändert,  erweiterte 
sich  auf  Atropin  gegen  die  Nase  hin  mehr,  als  gegen  die 
Schläfe.  Die  Iris  schlotterte  deutlich  bei  Bewegungen  des  Auges; 
ob  die  durchsichtige  Linse  daran  theilnahm,  wurde  nicht  con- 
statirt;  auf  ihrer  Kapsel  sah  man  einige  Pigmentpunkte  haften. 
Im  Glaskörper  sah  man  mit  dem  Spiegel  grosse  Massen  in 
Form  von  Punkten,  Flocken  und  Membranen  schwanken,  ohne 
deutliche  Beimengung  von  Blut;  Netzhautabhebung  liess  sich 
nirgends  auffinden;  neben  der  Papilla  schien  eine  grössere 
Blutanhäufung  statt  zu  finden.  Es  wurden  nur  die  Bewegungen 
der  Hand  wahrgenommen,  Finger  nicht  gezählt.  Ruhiges  Ver- 
halten im  massig  verdunkelten  Zimmer,  Eisumschläge.  Am 
3.  November  hatte  sich  der  Glaskörper  so  weit  aufgehellt,  dass 
man  den  Augenhintergrund  sehen  konnte.  Die  Papille  erschien 
leicht  verschleiert,  blass,  ihre  Gefässe  wenig  gefüllt,  eng.  Die 
Hauptveränderungen  fanden  sich  an  der  Schläfenseite  der 
Papille  und  umfassten  diese  mit  leicht  geschweiften  auf-  und 
abwärts  streichenden  Ausläufern  in  nahezu  zwei  Drittel  ihres 
Umfanges.  Von  der  Papilla  bis  über  die  Mac.  lutea  hinaus 
sah  man  ein  bläulich  weisses  glänzendes  Gitterwerk  mit  ova- 
lären  Zwischenräumen  oder  Lücken,  in  denen  man  theils  Blut, 
theils  Pigmentanhäufungen  wahrnahm.  Dieses  Gitterwerk,  offen- 
bar vor  der  Netzhaut  durch  den  Glaskörper  streichend  und 
wohl  von  Bindegewebe  gebildet,  bedeckte  einen  Raum  von 
ungefähr  4  Papillengrössen,  indem  es  vom  Hauptherde  (Gegend 
der  Macula)  besonders  nach  innen-oben  Ausläufer  absendete. 
Diese  Trabekeln  deckten  deutlich  einige  Netzhautgefässe  und 
eines  liess  sich  von  unten-aussen  bis  zur  Gefässpforte  vor  der 


—    57     — 

Papille  verfolgen,  während  ein  zweites  viel  breiteres  und  längeres 
die  aufwärts  ziehenden  Retinalge  fasse  deckte.  Ungefähr  l/2  Pa- 
pillendurchmesser  unterhalb  der  Papille  sah  man  einen  hell- 
gelben konischen  Streifen,  der  am  unteren  Rande  der  Binde- 
gewebsneubildung  auftauchte,  in  seinem  Verlaufe  nach  innen, 
also  unterhalb  der  Papilla  von  einer  Netzhautvene  überbrückt 
wurde,  und  erst  weit  jenseits  der  Papille  spitz  endete.  Dieser 
Streifen  konnte  nach  seiner  Farbe,  Form  und  Lage  kaum  für 
etwas  anderes  als  für  einen  Ausläufer  des  Chorioidealrisses 
gedeutet  werden;  seine  Ränder  waren  blutig  suffundirt.  Ein 
ganz  analoger  heller  Streifen  kam  knapp  neben  dem  genannten 
Streifen  gleichfalls  am  untern  Umfange  des  Bindegewebsgitter- 
werkes  zum  Vorschein  und  verlief  gerade  nach  unten  tendirend 
und  auf  halbem  Wege  gleichfalls  von  einer  Netzhautvene  über- 
brückt, in  eine  dünne,  spaltenförmige  Spitze  aus.  Das  Centrum 
und  der  obere  Theil  des  Chorioidealrisses  schien  offenbar  durch 
die  genannten  Bindegewebsstränge  verdeckt  zu  sein.  Man 
konnte  jetzt    auch    deutlich  Blutflocken    im  Glaskörper    sehen. 


II.  Abschnitt. 

Verwundung  des  Augapfels. 


A)  Ohne  Hinterlassung  eines  fremden  Körpers  im  Auge. 

(Die  Constatirung  einer  Wunde  überhebt  den  Arzt  nicht 
der  Pflicht,  nachzuforschen,  ob  nicht  nebstdem  noch  ein  fremder 
Körper  an,  in,  neben  oder  hinter  dem  Bulbus  vorhanden  sei. 
Siehe  §.  25—31.) 

§.  20.  Wunden  der  Bindehaut  sind,  wenn  sie  nicht 
den  Uebergangstheil  betreffen,  im  Allgemeinen  leicht  zu  er- 
kennen und  erlangen  nie  eine  hohe  Bedeutung,  sie  mögen  nun 
bloss  nebenbei  oder  ausschliesslich  als  Folge  einer  Verletzung 
vorkommen. 

Anfangs  verräth  sich  die  Continuitätsstörung  durch  Blu- 
tung, durch  blutige  Unterlaufung  und  Schwellung  der  Ränder, 
bei  starker  Klaffung  durch  Blossliegen  der  Sklera.  Weiterhin 
kommt  es  nach  starker  Retraction  oder  nach  wirklichem  Sub- 
stanzverluste zu  einem  lichtgrauen  Ueberzuge  der  Wundfläche, 
unter  welchem  sich  Wundgranulationen  entwickeln,  welche  ent- 
weder die  Aneinanderziehung  der  Wundränder  vermitteln  oder 
sich  mehr  weniger  hoch  über  die  Umgebung  erheben  und  dann 
allmälig  an  ihrer  Basis  schmäler  werden,  schliesslich  nur  mittelst 
eines  ganz  dünnen  Stieles  aufsitzen.  Dann  kann  man  sie  leicht 


—    59     — 

mit  einem  Scheerenschlage  abtreimen,  wogegen  das  Betupfen 
derselben  mit  Lapis  infernalis,  so  lange  sie  breit  aufsitzen,  sehr 
oft  wiederholt  werden  muss.  Die  resultirende  Narbe  kann 
unsichtbar,  linear  oder  strahlenförmig  sein;  in  letzterem  Falle 
haftet  sie  jederzeit  fest  an  der  Sklera.  Nur  wenn  der  Substanz- 
verlust gross  war  und  viel  von  der  benachbarten  Bindehaut 
zu  dessen  Deckung  herangezogen  werden  musste,  kann  die 
Beweglichkeit  des  Bulbus,  wohl  auch  die  Fortleitung  der  Thränen 
(durch  Formveränderung  des  Thränensee's)    behindert  werden. 

Prognose  und  Behandlung  ergeben  sich  aus  dem 
Gesagten  und  aus  allgemeinen  medicinischen  Grundsätzen.  Bei 
Wunden,  welche  die  Conj.  palp.  und  zugleich  die  gegenüber- 
liegende Conj.  bulbi  getroffen,  wäre  auf  die  Verhütung  von 
Symblepharon  zu  denken.  Vergl.  §§.  36,  37.  Nur  das  möge 
noch  erwähnt  werden,  dass  man  gegenwärtig  die  Anlegung 
einer  Sutur  bei  weit  klaffenden  Bindehautwunden  nicht  mehr 
scheut  und  mit  grossem  Vortheil  übt. 

§.  21.  Wunden  der  Bindehaut  mit  Durchtren- 
nung eines  der  geraden  Augenmuskeln  (theilweise  oder 
ganz),  deren  Diagnose  wohl  kaum  einer  Schwierigkeit  unter- 
liegen dürfte,  können  leicht  Behinderung  der  freien  Beweglich- 
keit und  secundäre  Ablenkung  des  Auges  mit  Doppeltsehen, 
also  bleibende  Entstellung  und  Functionsstörung  zur  Folge 
haben. 

In  frischen  Fällen  würde  man  bemüht  sein,  durch  Anle- 
gung einer  tiefer  eingreifenden  Bindehautnaht  diese  Folgen  fern 
zu  halten ;  in  späterer  Zeit  würde  die  Ablösung  und  Vornähung 
des  zu  weit  hinten  (an  die  Sklera,  an  die  Tuniea  vaginalis) 
angewachsenen    Muskels    wohl    noch   Abhilfe    erwarten    lassen. 

§.  22.  Wunden  der  Bindehaut  mit  penetrirender 
Ski eral wunde  gewinnen  durch  letztere  eine  hohe  Bedeutung, 
sofern  entweder  das  Corpus  ciliare  mit  getroffen  wurde  —  vgl. 
Wunden  in  der  Corneoskleralgrenze  pag.  66  —  oder  weil  sich 
mehr  weniger  Glaskörper   entleert  hat.      Vgl.  Skleralriss  §.  4. 

Frische  penetrirende  Skleralwunden  erkennt  man  an 
verminderter   Spannung    des  Bulbus,    an    dem    Sichtbarwerden 


—     60     — 

von  Bestandteilen  des  Uvealtractus  (besonders  Pigment),  an 
vorgedrängtem  Glaskörper.  Narben  zeigen  Fixirung  der  Binde- 
haut, Pigmentirung,  strahlige  Einziehung;  sehr  kleine  können 
sich  der  Wahrnehmung  ganz  entziehen.  —  Grosse  Skleral wunden 
können  durch  reichlichen  Glaskörperverlust  oder  durch  starke 
intraoculäre  Blutung  ominös  werden.  In  anderen  Fällen  führen 
sie  durch  nachfolgende  Kyklitis  zur  Bedrohung  des  verletzten, 
selbst  des  anderen  Auges  (sympathische  Kyklitis).  Es  gibt 
aber  auch  Fälle,  besonders  mit  weiter  rückwärts  gelegenen 
penetrirenden  Skleralwunden,  wo  man  nach  scheinbar  günstig 
abgelaufener  Vernarbung  allmälig  Einziehung  (mehr  weniger 
deutlich,  oft  trichterförmig)  der  Sklera,  dann  Einschränkung 
des  Gesichtsfeldes,  endlich  auch  gänzliche  Erblindung  bemerkt. 
Diese  ist  dann,  wie  Gräfe  (A.  f.  O.  III.  b  391)  nachgewiesen 
hat,  durch  Netzhautabhebung  als  Folge  der  Abzerrung  der 
Netzhaut  gegen  die  Skleralnarbe  bedingt,  während  sie  in  an- 
deren Fällen  durch  schrumpfende  Glaskörpermembranen  be- 
wirkt wird. 

Man  gebe  also  über  die  Tragweite  einer  penetrirenden 
Skleralwunde ,  namentlich  wenn  sie  sich  in's  Bereich  oder  in 
die  Nähe  der  Netzhaut  erstreckt,  kein  definitives  Urtheil  ab, 
bevor  nicht  mehrere  Monate  ohne  jeden  Nachtheil  und  nament- 
lich ohne  Einziehung  der  Sklera  verstrichen  sind.  Das  von 
Windsor,  Bowman,  Lawson  und  Pol ey  geübte  Zusammen- 
nähen langer  Skleralwunden  (allg.  Wr.  med.  Ztg.  1874  Nr.  8) 
möchte,  falls  es  ohne  weiteren  Verlust  von  Glaskörper  aus- 
geführt werden  kann,  wohl  als  ein  Fortschritt  in  der  Behand- 
lung solcher  Wunden  zu  bezeichnen  sein.  Ohne  dasselbe  wird 
jedenfalls  ein  längeres  ruhiges  Verhalten  und  sorgfältiges  An- 
legen eines  Schutzverbandes  (§.  23)  nöthig  sein. 

§.  23.  Wunden  der  Cornea  und  ihre  unmittelbaren 
Folgen  sind  bald  sehr  leicht,  bald  schwer  und  nur  mittelst  be- 
sonderer Untersuchungsmethoden  zu  erkennen. 

Diagnose.  Wenn  man  das  Cornealspiegelbild  eines  nicht 
zu  nahen  Fensters  nach  und  nach  von  verschiedenen  Stellen  aus 
betrachtet,    indem    man    die    Stellung   der  Cornea   relativ  zum 


—    61     — 

Fenster  und  zum  Beobachter  wechseln  lässt,  so  kann  man  die 
geringste  Vertiefung  oder  Erhöhung  an  der  Oberfläche  der 
Cornea  leicht  erkennen.  Kleine  Bläschen  von  Schaum,  welche 
analog  den  Seifenblasen  durch  häufig  wiederholten  Lidschlag 
aus  dem  öligen  Secrete  der  Meibom'schen  Drüsen  und  aus  der 
mehr  weniger  schleimige  Bestandtheile  führenden  Thränen- 
Flüssigkeit  entstehen,  lassen  sich  von  persistenten  Erhöhungen 
an  der  Spiegelfläche  der  Cornea  leicht  durch  ihre  Verschiebbar- 
keit oder  Unbeständigkeit  unterscheiden. 

Lässt  man  in  einem  dunklen  Zimmer  das  Licht  einer 
Kerzenflamme  aus  beiläufig  1  Fuss  Entfernung  durch  eine 
Convexlinse  von  1 — 2  Zoll  Brennweite  auf  die  Hornhaut  fallen, 
indem  man  diese  anfangs  etwas  weniger  weit,  als  ihre  Brenn- 
weite beträgt,  von  der  Cornea  entfernt  und  so  vorhält,  dass  die 
Achse  der  Linse  mit  der  geraden  Linie  zusammenfällt,  welche 
Cornea  und  Flamme  verbinden  würde,  so  erhält  man  eine 
lichte  Scheibe  an  der  Oberfläche  des  Bulbus,  deren  Beleuchtungs- 
intensität mit  dein  Abrücken  des  Glases  von  der  Cornea  steigt, 
bis  diese  in  der  entsprechenden  Vereinigungsweite  des  Glases 
steht,  und  welche  entweder  während  dieses  Abrückens  oder 
während  leichter  seitlicher  Verschiebungen  des  Glases  jede  trübe 
Stelle  der  Cornea  sichtbar  macht,  die  bei  gewöhnlicher  Beleuch- 
tung dem  freien  Auge  vielleicht  entgeht.  Seit  der  Einführung 
dieser  Untersuchungsmethode,  der  seitlichen  oder  Focal- 
beleuchtung  nach  Helmholtz  (Archiv  für  Ophth.  I.  Bd. 
1.  A.  74)  weiss  man,  dass  die  feinsten  Stichwunden  der  Cornea 
(z.  B.  bei  Keratonyxis  behufs  Kapseldisscission)  nicht  spurlos 
verheilen ,  was  man  früher  selbst  bei  Schnittwunden  annahm, 
sondern  eine  Trübung  hinterlassen,  und  dass  nach  so  manchem 
Hornhautsubstanzverluste  eine  Trübung  der  Cornea  sich  vor- 
findet, wo  man  früher  eine  ganz  durchsichtige  Cornea  vor  sich 
zu  haben  vermeinte. 

Ohne  Benützung  des  Spiegeins  der  Hornhaut  und  ohne 
künstliche  Focalbeleuchtung  lässt  sich  kein  verlässliches  Urtheil 
über  die  Wölbung  und  Durchsichtigkeit  der  Hornhaut  abgeben. 


—     62     - 

Bei  der  Untersuchung  frischer  Hornhaut  wunden  ist 
vor  allem  zu  ermitteln  ,  ob  die  Wandung  des  Bulbus  (Cornea, 
angrenzende  Skleralpartie)  durchbohrt  sei  oder  nicht. 

Für  Perforation  sprechen :  Aufgehobensein  oder  gerin- 
gere Tiefe  der  vorderen  Kammer  bei  verminderter  Spannung 
des  Bulbus,  Anlagerung  einer  Partie  Iris  an  die  Wunde,  Ver- 
zogensein der  Pupille  gegen  die  Wunde,  Hervorgedrängtsein 
der  Iris  oder  (bei  Wunden  an  der  Corneoskleralgrenze)  von 
Glaskörper.  Faden-  oder  kegelförmige  Verbindung  zwischen 
der  vorderen  und  hinteren  Wand  der  Kammer,  so  wie  kleine 
Pigmentreste  von  der  Iris  an  der  Hornhaut  verrathen  meistens 
erst  in  späterer  Zeit  die  vorausgegangene  Perforation.  Sie 
werden  gewöhnlich  nur  bei  Focalbeleuchtung  sichtbar.  Blut  in 
der  vorderen  Kammer  kann  auf  Mitverwundung  der  Iris  deuten, 
aber  auch  durch  Berstung  von  Gefässen  des  Uvealtractus  wegen 
gleichzeitig  erfolgter  Compression  des  Bulbus  dorthin  gelangt 
sein.  Wäre  das  Instrument  bis  durch  die  vordere  Kapsel  im 
Bereiche  der  Pupille  eingedrungen,  so  würde  man  schon  wenige 
Stunden  nachher  eine  Trübung  der  Linse  bemerken;  hätte 
der  eingedrungene  Körper  die  Iris  getroffen,  so  würde  sich  in 
dieser  ein  Riss,  eine  Lücke,  ein  Blutcoagulum  auflinden  lassen. 

Später,  wenn  entzündliche  Reaction,  namentlich  mit  Eite- 
rung und  mit  mehr  weniger  Trübung  der  Umgebung  eingetreten 
ist,  lassen  sich  die  Fragen  über  die  Richtung,  Form  und  Tiefe 
der  Hornhautwunde  mitunter  gar  nicht  mehr  beantworten,  und 
es  kann  sogar  unentschieden  bleiben,  ob  die  Verletzung  mehr 
durch  Eindringen  des  verletzenden  Körpers  in  das  Gewebe  (Con- 
tinuitätstrennung  direct  durch  den  Fremdkörper  —  Verwundung) 
oder  mehr  durch  Quetschung  (subitane  Compression  §.  3)  gesetzt 
worden  sei. 

Prognose.  1.  Wunden,  welche  direct  oder  mittelst 
nachfolgender  Eiterung  nur  eine  oberflächliche  Trennung 
oder  nur  einen  oberflächlichen  (mindestens  nicht  bis  nahe  an 
die  D  escemet'sche  Haut  reichenden)  Substanzverlust 
setzen,  können  heilen,  ohne  dass  eine  persistente  (bloss  eine 
transitorische)    Trübung    zurückbleibt.      Man    darf    auf    diesen 


—     63     - 

Ausgang  um  so  weniger  rechnen,  je  tiefer  der  Substanz verlust 
reichte,  je  mehr  in  Jahren  vorgerückt  oder  je  mehr  in  der  Er- 
nährung horabgekommen  das  Individuum  ist.  Die  darnach  re- 
sultirenden  Trübungen  stören  die  Function  meistens  mehr  durch 
Blendung  (Diffusion  alles  auffallenden  Lichtes,  Erleuchtung  der 
ganzen  Netzhaut)  als  durch  Abhaltung  von  Lichtstrahlen,  welche 
vom  Sehobjecte  zur  Netzhaut  gelangen  sollen. 

Blosslegung  der  Cornealnerven  (durch  oberflächlichen 
directen  Substanzverlust)  pflegt  heftige  und  anhaltende  Schmer- 
zen zu  verursachen,  während  ihre  Durchtrennung  selbst  bei 
umfangreichen  Wunden,  z.  B.  bei  der  Staarextraction  nur  wenig 
schmerzhaft  zu  sein  scheint. 

Abschürfung  der  Hornhaut  oder  auch  nur  seichte 
Anritzung,  wobei  nicht  bloss  das  Epithel  abgestreift,  sondern 
auch  die  oberflächlichen  Faserlagen  (gewöhnlich  Bowman'sche 
Membran  genannt)  mit  interessirt  sind,  habe  ich  zwar  nur  nach 
zufälligen  Verletzungen,  beim  Anstreifen  mit  einem  Besen- 
rüthchen,  mit  einem  Haarkamme,  meistens  mit  einem  Finger- 
nagel (bei  Müttern,  Kinds  Wärterinnen)  beobachtet,  ich  zweifle 
aber  nicht,  dass  sie  auch  in  Folge  einer  sträflichen  Handlung 
vorkommen  könne.  Der  durch  die  Blosslegung  der  Corneal- 
nerven erregte  heftige  Schmerz,  die  Sehstörung,  pericorneale 
Injection,  Lidkrampf,  Lichtscheu  und  Thränenfluss  pflegen  wohl 
unter  Anwendung  kalter  Umschläge  nach  einigen  Tagen  vorüber 
zu  gehen ;  was  aber  solche  Verletzte  zu  mir  trieb ,  war  das 
Wiederauftreten  derselben  Zufälle  nach  einigen  Wochen  an- 
scheinender Genesung,  ja  die  3 — 4malige  Wiederkehr  solcher 
tagelang  anhaltender  Anfälle  in  Intervallen  von  5 — 8  Wrochen. 
Man  könnte  einen  solchen  späteren  Aufall  für  eine  Neuralgie 
halten,  wenn  die  Schmerzen  einen  gewissen  Typus  zeigten; 
bei  genauer  Untersuchung  mittelst  des  successiven  Spiegeln- 
lassens  aller  Cornealpartien  findet  man  aber  die  Cornea  irgend- 
wo abgeschürft,  und  erst  beim  Nachfragen  nach  der  Veranlas- 
sung erhält  man  Auskunft  über  eine  ihrerzeit  kaum  beachtete 
Verletzung.  Eine  Frau  aus  der  Gegend  von  Krems  war  vor 
Kummer    um    ihr    Auge ,    nachdem    sie    4mal    ein  Kecidiv    von 


—     64     — 

8 — 10  Tagen  erlitten,  ganz  herabgekommen.  Erst  über  nach- 
drückliches Befragen  nach  einer  Verletzung  erinnerte  sie  sich, 
dass  sie  ihr  Kind  mit  dem  Nagel  vor  etwa  einem  halben  Jahre 
gestreift  habe. 

Das  Leiden  ist  leicht  dauernd  zu  beheben,  wenn  man  das 
Auge  bis  zur  vollständigen  Herstellung  des  Glanzes  an  der 
betroffenen  Stelle  Tag  und  Nacht  unter  einem  gut  anschlies- 
senden Schutzverbande  hält  und  beim  täglichen  Erneuern  des- 
selben Atropin  einträufelt.  Durchschnittlich  sind  hiezu  8 — 14 
Tage  nothwendig. 

2.  Tiefer  eindringende  Wunden  hinterlassen,  auch 
wenn  sie  per  primam  Intentionem  heilen,  stets  eine  persistente 
Trübung.  Der  Einfluss,  welchen  diese  auf  die  Functionsstörung 
und  Entstellung  übt,  ist  nach  dem  Sitze  (central)  und  der  Aus- 
dehnung zu  bemessen.  Veränderung  der  Wölbung  der 
Cornea  und  somit  unregelmässige  Strahlenbrechung  ist  nach 
nicht  perforirenden  Wunden  seltener  bleibend  zu  befürchten. 
Für  einige  Zeit  können  indess  auch  lineare  Einritzungen  der 
Cornealsubstanz  vermöge  Retraction  der  Wundränder  und  ver- 
möge geringerer  Widerstandsfähigkeit  gegen  den  Druck  des 
Kammerwassers  ein  dachförmiges  Ansteigen  der  Wundränder 
bewirken,  um  so  deutlicher  ausgesprochen,  je  tiefer  und  länger 
die  Wunde  ist,  und  noch  mehr,  wenn  die  Wunde  bogen-  oder 
Vförmig  verläuft. 

3.  Bei  manchen  Wunden  steht  Eiterung  bestimmt  oder 
wahrscheinlich  zu  befürchten.  Je  mehr  die  Trennung  der  schar- 
fen (kegel-  oder  keilförmigen)  Beschaffenheit  des  eingedrun- 
genen Körpers  zugeschrieben  werden  muss,  desto  günstiger  die 
Prognose  im  Gegensatze  zu  den  mehr  weniger  gequetschten 
Wunden.  Lappen,  Zipfel  und  Zacken,  auch  ohne  Perfora- 
tion, stehen  der  Heilung  per  primam  schon  vermöge  der  Ten- 
denz, sich  einzurollen  oder  aufzukrämpen,  hindernd  entgegen. 
Wurden  zugleich  mechanisch  oder  chemisch  wirkende 
Substanzen  mit  an  (in)  die  Wunde  gebracht  (Staub,  Tinte 
faulende  Substanzen),  so  kann  schon  dadurch  allein  Eiterung 
erregt    werden.     Bei    älteren    oder    schlecht   genährten 


-     65    — 

Individuen  und  bei  Thränenstauung  ist  die  Gefahr  der 
Eiterung  grösser.  Dass  endlich  ein  in  Aussicht  stehender 
günstiger  Ausgang  auch  durch  schlechtes  Verhalten  (Ver- 
unreinigung, Anwendung  von  Reizmitteln)  vereitelt  werden  kann, 
ist  hinreichend  bekannt. 

Auf  die  Schilderung  der  Hornhautgeschwüre  und 
ihrer  Folgen  einzugehen,  würde  die  Aufgabe  dieser  Arbeit 
überschreiten. 

4.  Bei  penetrirenden  Hornhautwunden  kommen 
nebst  den  unter  1 — 3  erörterten  Momenten  noch  folgende  in 
Erwägung : 

a)  Penetrirende  Wunden,  welche  vermöge  ihrer  Form 
und  geringen  Ausdehnung  einen  dauerhaften  Abschluss 
der  Bulbuskapsel  bereits  wieder  darbieten  oder  in  nahe  Aus- 
sicht stellen,  sind  ungleich  günstiger,  als  sehr  lange  lineare, 
bogen-  oder  Vförmige.  Denn  diese  bieten  die  Möglichkeit 
eines  grossen ,  zu  arger  Verziehung ,  zu  Verschliessung  der 
Pupille  führenden  Irisvorfalles,  zu  mannigfacher  Wölbungs- 
veränderung der  Cornea  (unregelmässiger  Strahlenbrechung), 
sei  es  durch  Einheilung  von  Iris,  sei  es  durch  Schrumpfung 
des  Narbengewebes ,  endlich  besonders  bei  nicht  geradlinigem 
Verlaufe  zur  Abdrängung  und  Vereiterung  des  Hornhautlappens, 
zu  allgemeiner  Augapfelentzündung  mit  eitriger  Consumtion 
(Phthisis  bulbi). 

b)  Penetrirende  Wunden,  welche  die  Cornea  schräge 
durchsetzen,  zeigen,  sofern  sie  nicht  Zipfel  oder  Lappen 
von  erheblicher  Bogenhöhe  bilden,  weniger  Tendenz  zum  Auf- 
klaffen, als  gleich  lange  Wunden,  welche  die  Cornea  senkrecht 
durchsetzen,  d.  h.  solche  geradlinige  Wunden,  bei  deren  Setzung 
die  Schneide  gegen  den  Krümmungsmittelpunkt  der  Corneal- 
wölbung  gerichtet  war. 

c)  Penetrirende  Hornhaut  wunden,  welche  bloss  zu  Iris- 
vorfall führten,  gestatten  noch  immer  eine  günstige  Prognose, 
sofern  die  Pupille  nicht  zu  stark  gegen  die  Peripherie  hin- 
gezogen oder  gar  verschlossen,  und  sofern  die  Cornealwölbung 
nicht  bleibend    verändert   wird.     Aber    auch    in    diesen    Fällen 

v.  Ar  lt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  5 


—     66     — 

und  selbst  nach  Entwicklung  eines  förmlichen  Partial  staphylo  ms 
ist  die  Wahrscheinlichkeit  der  Wiederherstellung  des  Seh- 
vermögens durch  Iridektomie  gegeben ,  vorausgesetzt,  dass  die 
allgemeinen  Bedingungen  dazu  nicht  fehlen.  Bleibt  die  einen 
Irisvorfall  überkleidende  Narbe  ektatisch ,  so  ist  das  Auge 
vor  früher  oder  später  nachfolgender  Drucksteigerung  (glauko- 
matöser Erblindung)  nicht  gesichert. 

d)  Penetrirende  Wunden  an  der  Corneoskleral- 
grenze  gehören,  auch  wenn  sie  nicht,  wie  sehr  oft,  mit  Vorfall 
von  Iris  oder  Glaskörper  verbunden  sind,  zu  den  bedenklichsten 
Verletzungen  des  Auges. 

a)  Es  kann  cystoide  Vernarbung  mit  oder  ohne  sicht- 
bare Iriseinklemmung  erfolgen,  indem  nur  die  Wundränder  der 
Bindehaut,  nicht  aber  die  des  Corneoskleralgewebes  (Skeral- 
bordes)  fest  mit  einander  verwachsen  und  die  oberflächliche, 
nicht  resistente  Hülle  in  Form  einer  Cyste,  eines  Wulstes  durch 
Kammerwasser  (mit  oder  ohne  Iris)  vorgetrieben  wird.  Hie- 
durch  kann  eine  permanente  Reizung  des  Ciliarkörpers  und 
Drucksteigerung,  wohl  auch  Kyklitis  des  anderen  Auges  (sym- 
pathische Affection),  aber  auch  eiterige  Entzündung  im  Uveal- 
tractus  (eitrige  Iridochorioiditis)  und  Phthisis  des  verletzten 
Auges  eingeleitet  werden. 

ß)  Nach  unscheinbaren  Stich-  oder  Schnittwunden  im 
Skleralborde  ist  mitunter  in  späterer  Zeit  Cystenbildung  in 
der  Iris  beobachtet  worden.  Wahrscheinlich  war  in  solchen 
Fällen  der  verwundende  Körper  nur  bis  in  den  peripheren 
Theil  der  Iris  eingedrungen,  hatte  aber  (nach  Rot  hm  und' s 
plausibler  Ansicht,  Klin.  Monatsbl.  1871  p.  397)  Epithelialzellen 
von  der  Oberfläche  mit  bis  in  die  Iris  hineingedrängt,  und  diese 
scheinen  den  Anstoss  zur  Bildung  einer  dünnen  Cyste  zu  geben, 
deren  Innenfläche  meistens  mit  Epithel  ausgekleidet  gefunden 
wurde.  Diese  Entwicklung  scheint  ohne  auffallende  Zufälle 
und  sehr  langsam  zu  erfolgen ;  die  Betroffenen  —  ich  sah  deren 
bisher  9  —  stellen  sich  erst  dann  vor ,  wenn  die  Cyste  von 
der  Peripherie  her  schon  mehr  weniger  weit  bis  ins  Pupillar- 
gebiet  vorgerückt   ist  und  Sehstörung,    wohl  auch    Schmerzen, 


—     67     — 

Ciliarinjection  und  Lichtscheu  erregt,  meistens  nach  einer  län- 
geren Reihe  von  Jahren.  Die  Narbe  präsentirt  sich  als  ein 
weisser  Punkt  oder  Streifen  am  Hornhautrande,  zum  Theil  wohl 
auch  in  das  Skleralgewebe  hineinreichend.  Der  Inhalt  der 
Cyste,  die  man  allenfalls  für  einen  Cysticercus  oder  für  eine 
Haarbalggeschwulst  (Gräfe  A.  f.  O.  III.  Bd.  412)  zwischen 
Cornea  und  Iris  halten  könnte,  ist  wasserklar  und  wegen  der 
Dünnheit  der  Hülle  leicht  zu  durchleuchten.  Die  vordere 
Wand,  in  mehr  weniger  grosser  Ausdehnung  dicht  an  die  M. 
Descemeti  angedrängt,  besteht  aus  der  vordersten,  nur  gegen 
den  Pupillarrand  hin  bisweilen  etwas  Pigment  führenden  Binde- 
gewebslage  der  Iris ;  die  hintere,  welche  schliesslich  auch  zur 
Verdrängung  und  Trübung  der  Linse  geführt  haben  kann,  er- 
scheint vermöge  des  reichen  Pigmentgehaltes  dunkel  und  un- 
durchsichtig. Von  der  umgebenden  normalen  Iris  erscheint  die 
Cyste  durch  eine  Einschnürung  oder  Furche  streng  abgegrenzt. 
Gefässentwicklung  fehlt  oder  kommt  nur  in  der  Cornea  vor  der 
Cyste  vor. 

Es  ist  mir  in  allen  Fällen,  bis  auf  einen,  wo  die  Cyste 
kaum  3  Mm.  Durchmesser  haben  mochte,  gelungen,  durch  An- 
stechen der  Cyste  vom  Skleralborde  aus  mit  einem  breiten 
Lanzenmesser  zu  bewirken,  dass  sich  die  Hülle  nach  aussen 
stülpte  und  dann  gefasst  und  abgetragen  werden  konnte.  Andere 
haben  die  Kammer  dicht  neben  der  Cyste  eröffnet  und  diese 
dann  hervorzuziehen  gesucht.  Nach  dieser  Methode  ist  öfters 
eine  Recidive  beobachtet  worden. 

y)  Nach  penetrirenden  Wunden  in  dieser  Gegend  hat 
man  auch  Cataracta  beobachtet,  bald  oder  nach  längerer 
Zeit,  offenbar  weil  der  Linsenäquator  mit  getroffen  wurde,  ohne 
dass  man  das  sofort  bemerken  konnte.  Sie  blieb  mitunter  par- 
tiell und  stationär. 

S)  Am  gefährlichsten  sind  penetrirende  Wunden  an  der 
Corneoskleralgrenze  unstreitig  wegen  gleichzeitiger  Verletzung 
des  Ciliar körpers,  in  welchem  sich  dann  sehr  oft  eine 
schleichende  oder  eine  acute  Entzündung  entwickelt,  welche  zur 
Bildung  eiterigen  Exudates  in  der  Kammer  und  im  Glaskörper 

5* 


-     68     — 

führen  kann  und  auch  ausserdem  nicht  nur  das  betroffene 
Auge  dem  Ruine  entgegenfahrt ,  sondern  auch  leicht  sympa- 
thische Iridokyklitis  des  zweiten  Auges  zur  Folge  hat,  deren 
Auftreten  wohl  oft ,  aber  nicht  immer  durch  sorgfältiges  Ver- 
halten seitens  des  Verletzten  verhütet  werden  kann.  Vergl. 
den  Aufsatz  über  symp.  Ophthalmie  in  Nummer  5,  6  und  7 
der  Wiener  med.  Wochenschr.  1873. 

e)  Die  Mitverletzung  der  Iris  gewinnt  nur  bei  gleich- 
zeitiger Ve  rletzung  des  Krystallkörpers  eine  besondere 
Bedeutung.  Die  Folgen  der  letzteren  werden  in  §.  24  beson- 
ders besprochen  werden.  An  der  Iris  können  übrigens  auch 
bei  Wunden  der  Cornea  die  nach  subitaner  Compression  des 
Bulbus  auftretenden  Veränderungen  (§.  7)  vorkommen. 

Behandlung.  Gegen  die  allgemein  verbreitete  Ansicht, 
nach  einer  Verletzung  des  Auges  müssen  kalte  Umschläge  an- 
gewendet werden,  ist  bei  frischen  Hornhautwunden  insofern 
nichts  einzuwenden,  als  darüber  nicht  andere  wichtigere  Anzei- 
gen ausser  Acht  gelassen  werden.  Gegenwärtig  gibt  es  wohl  nur 
wenige  Augenärzte,  welche  nach  einer  Staarextraction,  also  bei 
einer  grossen  penetrirenden  Hornhautwunde,  sofort  kalte  Um- 
schläge machen  oder  gar  den  Operirten,  wie  es  früher  hie  und 
da  üblich  war,  tagelang  mit  Eisumschlägen  belästigen.  Hatte 
doch  Beer  (Repertorium,  Wien  1799)  den  für  seine  Zeit  denk- 
würdigen Ausspruch  gemacht:  „Die  Natur  allein  heilt  einfache, 
mit  einem  scharfen  reinen  Messer  geschnittene  Wunden  ohne 
Beihilfe  des  Wundarztes". 

Was  vor  allem  noth  thut,  das  ist  ein  richtiger  Verschluss 
der  Lidspalte,  Hemmung  des  Lidschlages  und  bei  penetrirenden 
Wunden  die  Abhaltung  jedes  Druckes  (wenigstens  jedes  un- 
gleichmässigen)  von  aussen,  sowie  jeder  Drucksteigerung  im 
Innern  (Stauung  in  den  Binnengefässen  beim  Niessen,  Husten, 
Bücken,  Lastenheben  u.  dgl.).  Wo  der  Zustand  der  Lider  (bei 
gleichzeitiger  Verwundung)  es  gestattet,  polstere  man  die  Grube 
zwischen  Nasenrücken  und  Supraorbitalrand  successive  mit 
dünnen  Charpielagen  oder  mit  Baumwolle  auf  unterlegter  Charpie 
aus  und    befestige  dieselbe    mittelst    eines  Monoculus,    welcher 


—     69     — 

aus  einem  elastisch  dehnbaren  Mittelstück  (feinem  Flanell)  und 
zwei  ungefähr  .ellenlangen  (nicht  glatten)  Bändern  von  minde- 
stens y2  Zoll  Breite  besteht.  Das  eine  Ende  des  elliptisch  zu- 
geschnittenen ,  spannenlangen  und  (in  der  Mitte)  2 — 2'/.2  Zoll 
breiten  Flanellstreifens  kommt  unterhalb  des  Ohrläppchens,  das 
andere  am  Stirnhöcker  (der  andern  Seite)  zu  liegen ;  das  Wei- 
tere geschieht  wie  bei  der  Application  einer  Achtertour.  Das 
Liegenbleiben  dieser  Binde  in  unverrückter  Lage  kann  durch 
eine  Cirkeltour  um  Stirn  und  Hinterhaupt  (mit  einem  zollbreiten 
rauhen  Bande)  gesichert  werden.  Vorausgehen  muss  sorgfältige 
Reinigung  der  Wunde  und  des  Bindehautsackes,  in  der  Regel 
auch  das  Einträufeln  von  Atropin. 

Steht,  wie  namentlich  bei  Risswunden,  ein  schmaler  Zipfel 
Cornealsubstanz  so  stark  ab,  dass  auf  Wiederanheilen  nicht  zu 
rechnen  ist,  so  trage  man  ihn  mit  der  Scheere  ab.  Dasselbe 
geschehe  mit  einem  aus  der  Wunde  heraushängenden  Zipfel 
der  Iris.  Glaskörper,  aus  der  Wunde  heraushängend,  braucht 
nicht  abgetragen  zu  werden;  er  hindert  die  Heilung  per  primam 
nicht,  und  wird  allmälig  abgestossen.  Bei  Vorfall  der  Iris  ist 
vielseitig  gerathen  worden,  denselben  mit  einer  Sonde,  dem 
Daviel'schen  Löffel  u.  dgl.  zurückzuschieben,  da  man  auf  Re- 
traction  selbst  unter  Anwendung  von  Belladonna  oder  Calabar 
nicht  rechnen  kann.  Diese  Reposition  könnte  nur  dann  mit 
Aussicht  auf  Erfolg  versucht  werden ,  wenn  die  Verhältnisse 
der  Wunde  solche  wären,  dass  man  nach  Entfernung  der  Iris 
aus  derselben  auf  guten  Wundschluss  rechnen  könnte.  Sie 
darf  aber  nur  bei  ganz  ruhiger  Haltung  des  Bulbus  (daher 
meistens  nur  unter  Narkosis)  unternommen  werden,  da  man 
leicht  die  Kapsel  verletzen  könnte,  und  man  darf  nicht  ver- 
gessen, dass  die  Iris  auf  Quetschung  leicht  mit  Entzündung 
antwortet. 

Wenn  die  vorgefallene  Irispartie  sogleich  oder  erst 
später  die  Form  einer  Blase  oder  eines  Darm  Stückes  (mit  re- 
lativ enger  Basis)  angenommen  hat,  so  schreite  man  zur  Ab- 
kappung (unter  Fixirung  des  Bulbus) ;  wenn  dagegen  der 
Prolapsus  die  Form  eines  runden  oder  langgestreckten  Hügels 


—     70     — 

(also  eine  relativ  breite  Basis)  hat,  so  darf  man  erwarten, 
dass  er  durch  Bindegewebsentwicklung  an  seiner  Oberfläche 
allmälig  überzogen,  eingeschnürt  und  endlich  fest  zurückgehalten 
werde.  Vermag  aber  das  Narbengewebe  nicht  den  Prolapsus 
abzuplatten  und  steht  eine  bleibende  Ektasie  zu  besorgen,  so 
ist  zunächst  eine  Abzapfung  des  Kammerwassers  vorzunehmen, 
indem  man  mit  einem  flach  durch  die  Blase  geführten  Staar- 
messer  eine  kleine  Bogenwunde  setzt,  hierauf  den  Schutzverband 
anlegt  und  dieses  Verfahren  wiederholt,  bis  die  Bildung  einer 
flachen  Narbe  erreicht  ist.  Sollte  dieses  Verfahren  nicht  ver- 
fangen oder  sollte  mit  Rücksicht  auf  die  Wiederherstellung  der 
Sehfunction  eine  künstliche  Pupille  oder  wegen  bereits  ein- 
getretener Drucksteigerung  (als  Folge  der  ektatischen  Hornhaut- 
narbe) die  Iridektomie  angezeigt  erscheinen,  so  werde  diese 
nicht  weiter  verschoben. 

Die  Iridektomie  wird  auch  vorzunehmen  sein,  wenn  sich 
eine  Hornhautfistel  entwickelt  hat  und  der  Verschluss  nicht 
binnen  8,  längstens  14  Tagen  unter  Schutz  verband  und  Ein- 
träufeln von  Opiumtinktur,  allenfalls  auch  nach  vorsichtiger 
Betupfung  mit  einem  fein  zugespitzten  Lapis  erreicht  werden 
konnte.  Die  Operation  ist  dann  schwierig  wegen  geringer 
Tiefe  (Mangel)  der  vorderen  Kammer  und  wegen  grosser  Weich- 
heit des  Bulbus,  aber  sie  ist  das  verlässlichste  Mittel,  den  Bulbus 
vor  allmähliger  Atrophie  zu  schützen.  Von  Atropin  sowohl  als 
von  Calabar  ist  wahrscheinlich  niemals  ein  Abziehen  der  Iris 
aus  dem  Bereiche  der  Fistel  zu  erwarten  (nach  meiner  Er- 
fahrung). 

§.  24.  Verwundung  des  Krystallkörpers.  Sehen 
wir  von  der  Continuitätstrennung  ab,  welche  in  Folge  momen- 
taner Compression  des  Augapfels  vorkommen  kann,  §.  4  und 
10,  so  setzt  jede  Kapselwunde  das  Eindringen  entweder  eines 
längeren  stechenden,  schneidenden,  vielleicht  auch  reissenden 
Werkzeuges  oder  eines  relativ  kleinen  fremden  Körpers  (Körn- 
chen, Splitter  von  Stein,  Glas,  Metall)  voraus,  welcher  sofort 
in  der  Kammer,  in  der  Linse  oder  hinter  dieser  zu  suchen 
sein  wird. 


—     71     — 

Die  Einbruchspforte  ist  zunächst  (und  zumeist)  in  der 
Hornhaut  zu  suchen  und  lässt  sich  nicht  nur  nach  erfolgter 
Vernarbung,  sondern  bisweilen  auch  in  ganz  frischen  Fällen 
vielleicht  nur  unter  sorgfältiger  Focalbeleuchtung  auffinden. 
Hat  der  verletzende  Körper  zugleich  die  Iris  passirt,  so  kann 
die  dadurch  entstandene  Irislücke  an  einer  von  der  Hornhaut- 
wunde sehr  entfernten  Stelle  liegen  und  sehr  schwer  auffindbar 
sein.  Liegt  die  Einbruchspforte  in  der  Corneoskleralgrenze  oder 
in  der  Sklera  allein,  so  ist  sie  vor  der  völligen  Vernarbung  wohl 
leicht  an  der  Röthe  oder  gelben  Verfärbung  im  episkleralen 
Gewebe,  nach  derselben  jedoch  mitunter  schwer,  vielleicht  auch 
gar  nicht  aufzufinden. 

In  frischen  Fällen  darf  man  jedenfalls  nicht  unterlassen 
die  Spannung  des  Bulbus  zu  prüfen.  Nach  Vernarbung  der 
Einbruchspforte  kann  sie  normal,  vermindert,  aber  auch  be- 
trächtlich vermehrt  sein. 

Die  Verwundung,  respective  Eröffnung  des  Kapselsackes 
verräth  sich  entweder  gleich  oder  binnen  wenigen  Stunden 
durch  Trübung  von  Linsensubstanz.  Diese  Trübung  ist 
nächst  der  Wunde  zumeist  durch  den  Contakt  der  Linsen- 
substanz mit  dem  Kammerwasser  bedingt,  daher  sie  vorerst  an 
der  Kapselöffnung  auftritt,  sie  kann  aber  auch  als  Folge  von 
Verschiebung  der  Formelemente  der  Linse  gegen  einander  auf- 
gefasst  werden  müssen,  sofern  die  Trübung  entweder  längs  der 
Bahn,  welche  der  Eindringling  genommen,  oder  auch  weit  ent- 
fernt von  der  Wunde  namentlich  in  der  hinteren  Cortical- 
substanz  und  in  grosser  Ausdehnung  vorkommt.  Die  Ansicht, 
dass  der  Contakt  der  Linse  mit  dem  Kammerwasser  allein  die 
Ursache  der  Linsentrübung  nach  Verletzungen  sei,  könnte  leicht 
zu  der  Meinung  verleiten,  dass  die  Gefahr  der  Linsentrübung 
zur  Grösse  der  Kapselöffnung  in  geradem  Verhältnisse  stehe. 
Je  tiefer  bei  gleichgrosser  Kapselöffnung  der  Fremdkörper  in 
die  Linse  eingedrungen  und  je  härter  die  Schichten,  die  er 
passiren  musste,  desto  sicherer  erfolgt  ausgebreitete  Linsen- 
trübung. 


-     72     — 

Prognose.  Die  Verwundung  des  Krystallkörpers  führt 
in  der  Regel  zu  totaler  Trübung  der  Linse  mit  mehr 
weniger  auffallender  Verschrumpfung. 

Ausnahmsweise  bleibt  eine  partielle  stationäre  Trü- 
bung zurück,  von  deren  Sitz  und  Ausdehnung  die  Prognose 
über  die  fernere  Functionstüchtigkeit  seitens  der  Linse  abhängt. 
Mitunter  verschwindet  nach  einigen  Wochen  oder  Monaten  auch 
ein  Theil  der  partiellen  Trübung.  (Rydel,  Bericht  über  die 
Wiener  Augenklinik.  1867  p.  87.) 

Bei  jugendlichen  Individuen  tritt  nicht  selten  eine  mehr 
weniger  vollständige  Resorption  der  Linse  ein;  die 
Functionstüchtigkeit  eines  solchen  Auges  kann  sich  dann  wie 
die  eines  einfach  aphakischen  verhalten,  sofern  sich  die  Kapsel 
aus  dem  Bereiche  der  Pupille  hinreichend  weit  zurückgezogen 
hat.  Bleibt  dagegen  die  vordere  Kapsel  im  Pupillar- 
bereiche,  so  kann  das  Sehen  schon  dadurch  beeinträchtigt 
werden  ,  dass  dieselbe ,  indem  sie  sich  an  die  nur  wenig  vor- 
gerückte hintere  Kapsel  anlegt,  leichte  Fältchen  oder  Runzeln 
bildet.  In  solchen  Fällen  kann  nach  völligem  Ablauf  aller 
entzündlichen  Zufälle  leicht  durch  Disscission  Abhilfe  geschafft 
werden. 

Sind  aber  nach  Verheilung  der  Kapselwunde  noch  mehr 
weniger  mächtige  Linsenelemente  zwischen  der  vor- 
deren und  hinteren  Kapsel  (im  Pupillargebiete)  einge- 
schlossen, oder  hat  sich  an  der  Innenfläche  der  vorderen  Kapsel 
durch  Wucherung  des  Kapselepithels  und  durch  darin  ein- 
geschlossene kalkige,  fettige  u.  dgl.  Reste  von  Linsenfasern  ein 
Beschlag  gebildet,  welcher  mit  der  Kapsel  unzertrennlich  fest 
zusammenhängt  und  derselben  ein  kreidiges,  sehnenartiges 
oder  knorpeliges  Aussehen  gibt,  so  ist  die  Prognose  für  Wieder- 
herstellung einer  reinen  Pupille  um  so  weniger  günstig,  je 
dichter  die  Membran  aussieht  und  je  mehr  sie  an  der  Peri- 
pherie mit  den  Ciliarfortsätzen ,  nach  vorn  mit  der  Iris  oder 
mit  einer  Hornhautnarbe  in  Verbindung  steht.  Bisweilen  lässt 
sich  in  solchen  Fällen  nach  starker  Erweiterung  der  Pupille 
eine    Stelle    entdecken,  wo    ein    solches    Diaphragma    ungleich 


—     73     — 

dünner  ist,  vielleicht  noch  rothes  Licht  von  dem  beleuchteten 
Augengrunde  her  durchtreten  lässt.  Dann  kann  eine  Iridek- 
tomie  vor  dieser  Stelle  leichter  zum  Ziele  führen,  als  die  Dis- 
scission,  Dislaceration  oder  Extraction  der  schwartenformigen 
Partie. 

In  den  meisten  Fällen  müssen  Augen  mit  Verwun- 
dung des  Krystallkörpers  als  sehr  gefährdet  oder  ge- 
radezu als  verloren  erklärt  werden  und  zwar  nicht  blos  wegen 
der  gleichzeitigen  Verletzung  der  Cornea,  der  Iris,  des  Ciliar- 
körpers  und  abgesehen  vom  Zurückbleiben  fremder,  bis  hinter 
die  Linse  eingedrungener  Körper,  sondern  schon  an  und  für 
sich  wegen  des  Druckes,  welchen  die  dem  Kammerwasser  aus- 
gesetzte Linse  vermöge  rascher  Quellung  oder  wegen  Dis- 
lokation auf  die  Cornea,  die  Iris  oder  auf  den  Ciliarkörper  aus- 
übt. Wenn  dann  auch  ein  solches  Auge,  wie  sehr  oft,  nicht 
durch  Entzündung  mit  faserstoffig  plastischem  oder  mit  eitrigem 
Exsudate  zu  Grunde  gegangen,  ja  selbst  die  Linse  vielleicht 
nach  langen  Qualen  des  Kranken  endlich  resorbirt  ist,  so  kann 
das  Auge  durch  Druckexcavation  des  Sehnerven  oder  durch 
ausgebreitete  Chorioiditis  mit  Atrophie  der  Retina  amaurotisch 
geworden  sein. 

Halten  wir  uns  gegenwärtig,  dass  die  Linse  durch  die 
Spannung  der  vordem  Kapsel  stets  mehr  weniger  abgeplattet 
erhalten  wird,  demnach  zwischen  der  weichen  Corticalsubstanz 
und  der  Kapsel  immer  ein  gegenseitiger  Druck  obwaltet,  and 
ferner,  dass  die  Corticalis,  sobald  sie  dem  Kammerwasser  preis- 
gegeben ist,  mehr  weniger  aufquillt  und  zwar  um  so  rascher, 
je  weniger  sie  bereits  durch  vorausgegangene  Trübung  ver- 
ändert ist  und  um  so  umfangreicher,  je  zahlreicher  die  Be- 
rührungspunkte mit  dem  Kammerwasser  sind,  so  begreifen  wir, 
dass  bei  allen  Kapselwunden,  welche  vermöge  ihrer  Grösse 
ein  Durchtreten  von  Linsenelementen  gestatten,  Linsensubstanz 
gegen  den  Humor  aqueus  hervortreten  und  dass,  sofern  Humor 
aqueus  zu  der  hinter  der  Kapsellücke  liegenden  Corticalis 
zutreten  kann,  die  Lücke  leicht  vergrössert  werden  kann. 
Es    resultirt    hieraus    das    Auftreten    einer     flocken-     oder 


—     74     — 

kegelförmigen  trüben  Masse  vor  der  Kapsel  Öffnung, 
deren  Basis  und  Höhe  (gegen  die  Cornea)  besonders  bei  Focal- 
beleuchtung  und  seitlicher  Betrachtung  ziemlich  genau  abge- 
schätzt werden  kann. 

Während  der  Resorption  der  in  die  Kammer  hervorragen- 
den, vielleicht  auch  in  dieser  zu  Boden  gefallenen  Linsenpartie 
befindet  sich  das  Auge  in  gereiztem  Zustande  (vermehrte  Ciliar - 
injection,  Thränenfluss ,  Lichtscheu)  und  kann  deshalb  leicht 
von  Iritis  befallen  werden.  Werden  nach  und  nach  frische 
Partieen  vorgeschoben,  so  sieht  man  den  Aequatorialdurchmesser 
der  Linse  kleiner  werden,  doch  kommt  es  kaum  jemals  zur 
völligen  Expulsion  und  Resorption;  die  vordere  Kapsel  legt 
sich ,  ehe  noch  alle  Reste  verschwunden  sind ,  an  die  hintere 
an  und  bildet  im  Vereine  mit  dieser  eine  mehr  weniger  plane 
Scheidewand  zwischen  Glaskörper  und  Kammerwasser,  welche 
durch  die  Zonula  zwischen  den  Firsten  der  Ciliarfortsätze 
gespannt  erhalten  wird,  mehr  weniger  metamorphosirte  Linsen- 
substanz zwischen  ihren  zwei  Blättern  einschliesst  und  in 
günstigen  Fällen  gerade  hinter  der  Pupille  nur  aus  der  hinte- 
ren Kapsel  besteht,  nachdem  sich  die  in  der  Mitte  durch- 
brochene Vorderkapsel  gegen  die  Peripherie  hin  eingerollt  oder 
zusammengezogen  hat. 

Durchschnittlich  sind  zwei  bis  drei  Monate  bis  zur  Be- 
endigung dieses  günstigsten  der  Ausgänge  einer  Linsenverletzung 
mit  klaffender  Kapselwunde  erforderlich;  ist  das  Individuum 
über  25  Jahre  alt,  demnach  schon  ein  mehr  weniger  harter 
Linsenkern  vorhanden,  so  kann  die  doppelte  Zeit  vergehen,  ja 
eine  völlige  Resorption  gar  nicht  mehr  eintreten.  (Vgl.  den 
letzten  Absatz  Linsenblähung.) 

Der  eben  beschriebene  günstige  Vorgang  kann  zu  jeder 
Zeit  sistirt  werden,  wenn  die  Kapselwunde  sich  organisch 
verschliesst,  durch  Entstehung  einer  dünnen,  durchsichtigen, 
die  Lücke  der  Kapsel  ausfüllenden  Membran,  welche  (wenig- 
stens manchmal)  als  Produkt  der  Kapsel  selbst  betrachtet  wer- 
den muss,  indem  sie  in  manchen  Fällen  ganz  bestimmt  auch 
ohne  Anlagerung  von  Iris  oder  von  Irisexsudat  an  die  Kapsel 


-     75    — 

zu  Stande  kommt.  Meistens  sind  es  nur  kleine  Loch-  oder 
kurze  Schlitzwunden ,  welche  sich  auf  diese  Weise  schliessen. 
Es  ist  dann  entweder  gar  nicht  zum  Austreten  von  Linsen- 
substanz gekommen,  oder  das  weitere  Austreten  hört  auf,  man 
sieht  nichts  mehr  in  das  Kammerwasser  hervorragen,  die  Linse 
verkleinert  sich  dann  noch  etwas,  bleibt  aber  endlich  als  mehr 
weniger  geschrumpfter  Staar  stationär.  Zipfel-  oder  längere 
lineare  Wunden  pflegen  nur  dann  in  der  genannten  Weise  oder 
durch  eine  trübe  (bindegewebige)  Masse  verschlossen  zu  werden 
und  zwar  oft  schon  in  früher  Zeit,  wenn  sie  mit  dem  Pupillar- 
rande  oder  mit  einer  verwundeten  Partie  der  Iris  in  Contact 
stehen ,  oder  wenn  in  Folge  von  Keratitis ,  Iritis ,  Kyklitis 
faserstoffiges  Exsudat  sich  an  die  Kapselwunde  anlagert.  Nicht 
selten  wird  solches  Exsudat  vom  Corpus  ciliare  aus  in  der  hin- 
teren Kammer  gesetzt  und  allmälig  in  Sehwarten  verwandelt, 
welche  dann  zunächst  die  Iris  bucklig  vorwärtsdrängen,  weiter- 
hin aber  eine  feste  unzertrennliche  Verbindung  der  mehr 
weniger  geschrumpften  und  durch  Auflagerung  auf  ihrer  Innen- 
fläche verdickten  Kapsel  mit  den  Ciliarfortsätzen  bewirken. 
Solche  Verbindungen  lassen  sich  manchmal  nach  Erweiterung 
der  Pupille  erkennen,  manchmal  aber  erst  beim  Versuche,  eine 
solche  Cataracta  aus  dem  Bereiche  der  Pupille  zu  entfernen. 
An  die  Fälle,  wo  die  Cataracta  traumatica  mit  der  Iris 
oder  mit  den  Ciliarfortsätzen  in  Verbindung  getreten  ist,  schlies- 
sen sich  jene  an,  wo  eine  Art  Narbenstrang  zwischen  der 
Kapsel-  und  Hornhautnarbe  (meistens  auch  mit  einer  Partie 
Iris)  entstanden  ist,  wie  schon  oben  angedeutet  wurde.  Das 
Narbengewebe,  an  der  Cornea  am  dicksten,  breitet  sich  dann 
meistens  fächerartig  über  eine  mehr  weniger  grosse  Partie  der 
Kapsel  aus.  Ist  dann,  wie  nicht  selten,  noch  ein  Theil  des 
Pupillarrandes  der  Iris  frei,  so  fällt  es  nicht  schwer,  wenigstens 
nach  einer  (etwa  nöthig  erscheinenden)  Iridektomie,  eine  Partie 
zu  finden,  wo  die  restirende  Linsensubstanz  von  normaler  Kapsel 
umschlossen  wird,  um  dort  durch  Disseission  der  Aufsaugung 
nachzuhelfen. 


—     76     — 

So  günstig  auch  grössere,  namentlich  mit  Zipfelbildung 
bestehende  Kapselwunden  für  die  Vollendung  des  Resorptions- 
processes  und  für  die  nachträgliche  Retraction  der  Vorder- 
kapsel aus  dem  Pupillargebiete  sind,  so  müssen  sie  doch,  ab- 
gesehen von  der  Wunde  der  Cornea,  der  Iris  u.  s.  w.,  aus  dem 
Grunde  für  gefährlich  erklärt  werden,  weil  sie  sehr  leicht  zu 
stürmischer  Quellung  in  grossem  Umfange  und  zu  deren 
Nachtheilen  führen.  Sobald  die  Linse  in  grösserer  Ausdeh- 
nung dem  unmittelbaren  Contacte  mit  dem  Kammerwasser  aus- 
gesetzt ist,  quillt  sie  gleichzeitig  an  vielen  Punkten  auf  und 
setzt  hiemit  nicht  nur  Druck  (mechanische  Beleidigung)  auf  die 
Iris,  selbst  auf  die  Ciliarfortsätze,  sondern  auch  erhöhten  Druck 
auf  die  gesammten  Umhüllungsmembranen  des  Auges  (Steige- 
rung des  intraoculären  Druckes)  und  hiemit  auch  Störung  der 
Circulation.  Die  mechanische  Insultation  der  Iris  lässt  sich 
beispielsweise  recht  gut  entnehmen,  wenn  ein  Linsenstück  in 
die  vordere  Kammer  vorgefallen  ist,  und  nur  entsprechend  der 
Stelle,  wo  dasselbe  zwischen  Iris  und  Cornea  haftet,  Ciliar- 
injection  auftritt.  In  anderen  Fällen  wird  die  Iris  in  toto  oder 
nur  an  einer  Partie  nach  vorn  gedrängt.  Stellen,  wo  der 
Ciliarkörper  gereizt  wird,  geben  sich  theils  durch  partielle  oder 
partiell  intensivere  Ciliarinjection,  theils  durch  gesteigerte 
Empfindlichkeit  bei  Betastung  der  betroffenen  Stelle  mit  einem 
glatten  Griffel  kund.  Der  entzündliche  Prozess  in  der  Iris  oder 
im  Ciliarkörper  wird  überdies  sehr  oft  durch  Hypopium  an- 
gezeigt und  die  Stauung  in  den  Gefässen  durch  Hyphaema. 
Bei  allgemeiner  Drucksteigerung  wird  der  Bulbus  spontan  und 
auf  Betastung  schmerzhaft,  die  Schmerzen  verbreiten  sich  auf 
das  Gebiet  des  1.  und  2.  Astes  des  Trigeminus;  reichliches 
Thränen,  starke  Empfindlichkeit  gegen  Licht  begleiten  den  Zu- 
stand, und  der  Bulbus  fühlt  sich  entschieden  hart  an;  Oedem 
der  Conjunctiva  bulbi,  selbst  der  Lider,  deutet  bereits  auf  hohe 
Gefahr,  dass  Verlust  durch  heftige  Entzündung  im  Uvealtractus 
oder  durch  Compression  der  Retina,  respective  der  Sehnerven- 
papille  bereits  im  Gange  ist. 


-     77     — 

Obwohl  es  bekannt  ist,  dass  Wunden  im  Kindesalter  re- 
lativ weniger  ungünstig  zu  verlaufen  pflegen ,  so  ist  gerade  in 
Bezug  auf  die  Verwundung  des  Krystallkörpers,  insbesondere 
auf  die  Quellung  der  Linse  ausdrücklich  hervorzuheben,  dass 
sowohl  die  mechanische  Insultation  der  Iris  und  des  Ciliar- 
körpers  als  die  Drucksteigerung  im  Kindes-  und  selbst  noch 
im  Jünglingsalter  viel  leichter  vertragen  wird,  als  im  Mannes- 
oder gar  im  Greisenalter.  Gewiss  eignet  sich  eine  weiche  Linse 
eher  zu  rascher  Quellung,  als  eine  wenigstens  im  Kerne  bereits 
hart  gewordene ;  aber  einerseits  ist  im  jugendlichen  Alter  der 
Stoffwechsel  (mithin  auch  die  Resorption)  ein  viel  mehr  reger, 
als  in  späteren  Jahren ,  andererseits  scheint  aber  die  Nach- 
giebigkeit der  jugendlichen  Bulbuskapsel,  in  specie  der  Sclero- 
tica  zur  Erklärung  der  genannten  Thatsache  in  Anspruch  ge- 
nommen werden  zu  müssen.  Ohne  Zweifel  muss  bei  der 
Beurtheilung  einer  einschlägigen  Verletzung  und  ihrer  Folgen 
diese  „besondere  Körperbeschaffenheit",  mit  in  Anschlag  ge- 
bracht werden. 

Behandlung.  Sobald  die  Setzung  einer  Kapselwunde 
constatirt  ist,  und  so  lange  als  nicht  Wiederverschluss  derselben 
nachgewiesen  werden  kann,  besteht  die  Aufgabe  der  Therapie 
rücksichtlich  des  Krystallkörpers  darin,  dass  man  das  Ent- 
stehen hinterer  Synechien  so  viel  wie  möglich  zu  verhüten  und 
bereits  gesetzte  zu  zerreissen  suche  (durch  energische  Atropin- 
anwendung),  und  dass  man  die  Folgen  der  mechanischen  Irri- 
tation (der  Iris,  des  Ciliarkörpers)  oder  der  Steigerung  des 
intraoculären  Druckes  hintanzuhalten  oder  möglichst  zu  tempe- 
riren  bemüht  sei  (durch  entsprechende  Antiphlogose ,  durch 
Anodyna). 

Wo  starke  Linsenquellung  droht  oder  bereits  eingetreten 
ist,  wo  Iritis  oder  Kyklitis,  sei  es  wegen  Quellung  oder  gleich- 
zeitiger Dislocation  der  Linse,  oder  wegen  Mitverletzung  der 
Iris  (des  Ciliarkörpers)  im  Anzüge  oder  bereits  ausgebrochen  ist, 
tritt  strenge  Antiphlogose,  selbst  präventiv,  in  den  Vordergrund 
der  Anzeigen.  Unter  Umständen  wird  bei  kräftigen  erwach- 
senen Individuen  ein  Aderlass  gerechtfertigt  sein,  während  man 


—    78     — 

sonst  wohl  mit  örtlichen  Blutentziehungen  (an  der  Schläfe, 
hinter  dem  Ohre)  ausreicht.  Stürmische  Linsenquellung  mit 
ihren  Folgen  kann,  wie  ich  vielfach  beobachtet  habe,  durch 
nichts  so  energisch  niedergehalten  werden,  wie  durch  continuir- 
liche  Anwendung  eiskalter  Umschläge  (am  besten  kleine  Eis- 
beutel). Daneben  sind  bei  heftigen  Schmerzen  Morphium- 
einspritzungen, bei  Schlaflosigkeit  Chloralhydrat  nicht  ausser 
acht  zu  lassen. 

Bisweilen  lassen  sich  die  Zufälle  und  die  Gefahr  der 
Quellung  bedeutend  vermindern  durch  langsame  Abzapfung  des 
Kammerwassers.  Nach  richtiger  Fixirung  des  Kopfes,  der  Lider 
und  des  Bulbus ,  nötigenfalls  unter  Narkosis  mache  man  mit 
einem  knieförmig  gebogenen  Lanzenmesser  einen  4  —  5  Mm. 
langen  Einstich  längs  des  Hornhautrandes  an  einer  Stelle,  wo 
man  erwarten  kann,  dass  bei  laugsamem  Zurückziehen  der 
Klinge  (ohne  Drehung  um  deren  Achse  und  unter  Vermeidung 
jedes  Druckes  auf  den  Bulbus)  bloss  Kammerwasser  austreten 
und  keine  Linsenpartikelchen  sich  in  die  Wunde  einzwängen 
werden.  Durch  ein  solches  Ventil,  welches  von  Zeit  zu  Zeit 
mittelst  des  Daviel'schen  Löffels  leicht  geöffnet  werden  kann, 
wird  nicht  nur  das  Auge  temporär  entlastet,  sondern  auch  die 
Resorption  der  Linse  wesentlich  befördert.  Nebenbei  sei  noch 
hier  bemerkt,  dass  man  von  diesem  Verfahren  (welches  Wernek 
in  Salzburg  zuerst  empfohlen  zu  haben  scheint)  auch  in  jenen 
Fällen  profitiren  kann,  wo  es  wünschenswerth  erscheint,  die 
durch  organischen  Verschluss  der  Kapselwunde  sistirte  Resorp- 
tion der  Linse  wieder  in  Gang  zu  bringen ;  denn  beim  Abfluss 
des  Kammerwassers  zerreisst  das  die  Kapselöffnung  verschlies- 
sende  Häutchen,  indem  der  Glaskörper  das,  was  vor  ihm  liegt, 
vorwärts  drängt. 

Die  Entfernung  der  Linse  durch  eine  ähnliche,  jedoch 
etwas  grössere  Hornhautöffnung  ist  schon  mehr  als  Reme- 
dium  anceps  zu  betrachten,  weil  es  nur  selten  gelingt,  die 
Linse  ganz,  ja  auch  nur  grösstentheils  zu  entfernen,  somit  die 
Gefahr  des  mechanischen  Reizes  sowohl  als  der  Drucksteigerung 
nicht  beseitigt,  vielleicht  sogar  erhöht  werden  kann.    Nur  wenn 


—     79     — 

ein  harter  Kern  in  der  Pupille  eingeklemmt  ist  oder  wenn  die 
in  die  vordere  Kammer  vorgefallene  Linse  bedenkliche  Zufälle  zu 
erregen  beginnt,  ist  dieses  Remedium  anceps  melius  quam  nulluni. 

Ist  der  Pupillarrand  nicht  bloss  an  einer  oder  der  anderen 
Stelle  an  die  Kapsel  angewachsen,  sondern  in  grösserem  Um- 
fange, oder  lässt  die  Dehnung  oder  Zerrung  einer  angewach- 
senen Partie  schliessen,  dass  in  dieser  allein  oder  vorzugsweise 
ein  Grund  der  fortdauernden  Reiz-  oder  Entzündungserschei- 
nungen, vielleicht  selbst  der  Steigerung  des  intraoculären 
Druckes  liege,  so  wird  man  am  besten  thun,  eine  ausgiebige 
Iridektomie  vorzunehmen.  Auch  hier  ist  es  im  allgemeinen 
besser,  es  nicht  auf  die  Entleerung  der  Linse  anzulegen,  weil 
eine  vollständige  Entleerung  hier  so  gut  wie  bei  der  Punction 
selten  ausführbar  ist.  Wo  gerade  keine  Gefahr  im  Verzuge 
ist,  warte  man,  falls  die  Iris  stark  vascularisirt  oder  aufgelockert 
erscheinen  sollte,  wo  möglich  bis  zu  einer  besseren  Gestaltung 
dieser  Verhältnisse,  weil  man  riskirt,  wenig  von  der  mürben 
Iris  heraus,  dafür  aber  starke  Blutung  in  der  Kammer  zu  be- 
kommen. 

Augen,  welche  nach  einer  Kapselverletzung  der  gänzlichen 
oder  theilweiser  Linsenresorption  entgegen  gehen }  sind,  auch 
wenn  keine  Synechien  entstanden,  so  lange  in  gereiztem  Zu- 
stande, bis  der  Kapselsack  wieder  völlig  abgeschlossen  ist,  sei 
es  durch  die  Bildung  eines  die  Lücke  verschliessenden  Häut- 
chens, sei  es  durch  Anlöthung  der  vordem  an  die  hintere 
Kapsel.  So  lange  müssen  sie  unter  ärztlicher  Obhut  bleiben, 
soll  das  Licht  durch  Schutzbrillen  temperirt,  soll  accommodative 
Anstrengung  des  zweiten  Auges  vermieden  werden.  Mitunter 
ist  der  Verschluss  nur  ein  scheinbarer,  reicht  wenigstens  ein 
geringfügiger  Umstand,  z.  B.  ein  Druck  aufs  Auge  hin,  die 
Oeffnung  zu  sprengen,  das  Heraustreten  oder  Vorfallen  von 
Linsensubstanz  und  dessen  Folgen  zu  veranlassen.  Sind  aber 
Synechien  oder  ist  gar  Pupillarabschluss  erfolgt,  dann  bleibt 
ein  solches  Auge  so  lange  den  Gefahren  chronischer  Iritis  und 
Kyklitis  ausgesetzt,  bis  nicht  eine  entsprechende  Iridektomie 
gemacht  worden  ist. 


—     80     — 

Rücksichtlich  der  Encheiresen  gegen  die  verschiedenen 
Formen  der  Cataracta  traumatica  selbst  muss  hier  auf  ein  Hand- 
oder Lehrbuch  der  Operationslehre  verwiesen  werden.  Für  den 
Nichtspecialisten  (NichtOperateur)  genügt  die  Entscheidung  der 
Frage,  ob  Aussicht  vorhanden  sei,  dass  man  durch  irgend  eine 
Operation  ein  (mehr  weniger  brauchbares)  Sehvermögen  werde 
herstellen  können,  und  hiezu  ist  vor  allem  nöthig,  dass  der 
Kranke,  wenn  kein  qualitatives  Sehen  (kein  Erkennen  von  Ob- 
jecten  der  Form  nach)  stattfindet,  den  Schein  einer  Kerzen- 
flamme in  15 — 20  Fuss  wahrnehme  und  dass  er  eine  von  ver- 
schiedenen Stellen  der  Peripherie  des  Gesichtsfeldes  her  in 
dieses  vorgeschobene  Kerzenflamme  auch  richtig  projizire,  d.  h. 
an  den  Ort  versetze,  wo  sich  dieselbe  befindet,  und  nicht  etwa 
bloss  angebe,  ob  es  vor  dem  betreffenden  Auge  licht  oder 
dunkel  sei. 

B)  Mit  Zurücklassung  eines  fremden  Körpers. 

§.  25.  Allgemeine  Bemerkungen.  Die  Frage,  ob  man 
es  mit  einem  fremden  Körper  an,  in,  neben,  hinter  dem  Auge 
zu  thun  habe,  ist  bald  sehr  leicht,  bald  nur  nach  der  umsich- 
tigsten und  sorgfältigsten  Untersuchung  und  bei  Berücksichtigung 
der  amanestischen  Momente  zu  beantworten;  mitunter  ist  ein 
bestimmter  Ausspruch  erst  nach  längerer  Beobachtung  möglich. 
Dasselbe  gilt,  falls  der  fremde  Körper  nicht  sieht-  oder  tastbar 
ist,  auch  von  der  Ermittlung  des  Sitzes  und  der  physikali- 
schen Eigenschaften  desselben,  welche  die  Prognose  und  The- 
rapie wesentlich  beeinflussen.  Die  Ableitung  einer  Functions- 
störung  oder  Entzündung  von  einem  fremden  Körper  wird 
mitunter  dadurch  erschwert,  dass  ein  kleiner  fremder  Körper 
beim  Eindringen  und  auch  geraume  Zeit  darnach  keine  alar- 
mirenden  Zufälle  hervorrief.  In  der  Orbita  gilt  diess  mitunter 
auch  von  beträchtlich  grossen  Fremdkörpern.  Ueberdies  darf 
man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  bei  Setzung  einer  Wunde 
durch  ein  Werkzeug,  welches  sicher  wieder  entfernt  wurde,  ein 
fremder  Körper,  z.  B.  eine  Cilie,  mit  hineingetrieben  oder  durch 


—     81    — 

Abstreifen  oder  Abbrechen  zurückgelassen  worden  sein,  sowie 
dass  nebst  einem  sichtbaren  wohl  auch  noch  ein  un- 
sichtbarer fremder  Körper  vorhanden  sein  kann. 

Wo  irgend  der  Verdacht  vorliegt,  es  könne  ein  fremder 
Körper  in  das  Innere  des  Auges  eingedrungen  sein,  prüfe  man 
in  frischen  Fällen  die  Spannung  des  Bulbus,  dessen  Herab- 
setzung in  der  Regel  auf  Durchbohrung  der  Bulbuswand  deutet, 
und  durchmustere  man  in  frischen  wie  in  älteren  Fällen  (nach 
geschlossener  Wunde)  die  ganze  sichtbare  Oberfläche,  nament- 
lich mittelst  Focalbeleuchtung,  um  die  Einbruchspforte, 
frisch  oder  vernarbt,  aufzufinden.  Narben  in  der  Sklera  nach 
dem  Eindringen  kleiner  fremder  Körper  können  mitunter  gar 
nicht  mehr  aufgefunden  werden.  Nur  selten  wird  man  sie  an 
der  Cutis  der  Lider  oder  der  nächsten  Umgebung  zu  suchen 
haben,  und  auch  da  wird  die  Einbruchspforte  nur  ausnahms- 
weise jenseits  des  Fornix  conjunctivae  zu  versetzen  sein.  Fin- 
det sich  die  Einbruchswunde  oder  Narbe  im  Bereiche  der 
Cornea  oder  im  Skleralborde,  so  untersuche  man  mittelst  Focal- 
beleuchtung  (bei  auffallendem  Lichte),  und  mittelst  des  Augen- 
spiegels (bei  durchfallendem  Lichte),  ob  sich  nicht  ein  Riss 
oder  eine  Lücke  (Lochwunde)  in  der  Iris  auffinden  lässt, 
welche  übrigens  auch  durch  Blut  gedeckt  sein  könnte.  Trübung 
der  Linse  (ohne  nachweisbare  Oeffnung  oder  Narbe  in  der 
Kapsel  —  bei  möglichst  starker  Atropinerweiterung)  kann  auch 
durch  blosse  Erschütterung  derselben  entstanden  sein.  Uebri- 
gens  lassen  Kapselwunden  und  deren  Folgen  an  und  für  sich 
noch  nicht  direct  auf  das  Eindringen  und  Verweilen  eines  fremden 
Körpers  (in  oder  jenseits  der  Linse)  schliessen. 

Ueber  den  Sitz  des  fremden  Körpers  gibt  in  den  äussern 
Umhüllungsmembranen  die  Besichtigung,  allenfalls  auch  die 
Betastung  (mit  dem  Finger,  mit  einer  Knopfsonde)  wohl  mei- 
stens hinreichenden  Aufschluss.  In  den  durchsichtigen 
Medien  lässt  sich  seine  Anwesenheit  selbst  dann,  wenn  be- 
reits Trübung  eingetreten  ist,  meistens  noch  mittelst  Durch- 
leuchtung des  trüben  Hofes  (Focalbeleuchtung)  constatiren, 
nachdem  die   Wahrnehmung  mit  dem  Augenspiegel  nicht  mehr 

v.  Arlt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  6 


—    82    — 

möglich  ist.     Trübung  in  der  Gegend  der  Wunde  allein,   ohne 
Durchscheinen  eines  fremden  Körpers,  gestattet  natürlich  keine 
positive  Deutung    auf  Anwesenheit    eines    solchen.    Wo    beide 
Mittel  versagen,  kann  das  Auffinden  einer  Stelle  des  vor- 
deren   Abschnittes    der    Sklera,    welche    sich    durch    aus- 
schliessliche   oder    intensivere    Röthe    und    durch    gesteigerte 
Empfindlichkeit  mit  einem  glatten  Griffel  (Elfenbein,  gehärteter 
Kautschuk)  markirt,  bisweilen  noch  Aufschluss  über  die  Nähe 
eines  fremden  Körpers  geben.    Das  Eingehen  mit  einer  Sonde 
in  den  Bulbus  zu  diagnostischen  Zwecken  ist  wohl  nur  unter 
Anwendung  der  grössten  Vorsicht  unschädlich.    Die  anamnesti- 
schen Angaben  sind   bezüglich   des  Sitzes  wohl  oft,  aber  nicht 
immer  zu  verwerthen.    Denn  der  fremde  Körper  kann  an  einem 
ganz  anderen  Orte  liegen,  als  wo  man  ihn  nach  der  Einbruchs- 
pforte und  nach  den  Angaben  des  Verletzten  vermuthen  möchte, 
wegen  Senkung    oder  wegen  Ablenkung   von   der  anfänglichen 
Richtung,    sei    es    durch    Veränderung    der   Bulbusstellung   im 
Momente  des  Eindringens,    sei    es  durch  Widerstände,  welche 
ihm  im  Vordringen  begegneten.    Er  kann  auch  durch  Zurück- 
prallen von  der  Wand,    welche  der  Einbruchsstelle   gegenüber 
liegt,  gegen   diese    zurückgeworfen   worden    und  im  Rückwege 
nach  abwärts  gesunken  sein. 

Dr.  Berlin  (Arch.  für  Ophth.  XIII.  b.  275)  betont  mit 
Recht  ein  gewisses  Missverhältniss  zwischen  den  äussern 
Verletzungsspuren  zu  der  Intensität,  Dauer  und  hart- 
näckigen Wiederkehr  innerer  Entzündung  als  bedeutsam 
für  das  Vorhandensein  eines  fremden  Körpers  im  Innern  des  Bulbus. 
Die  physikalischen  Eigenschaften  des  Eindringlings, 
namentlich  seine  Grösse  und  Gestalt,  sind,  mit  Ausnahme  von 
Schrott-  oder  Pulverkörnern,  selten  genau  zu  bestimmen,  man 
müsste  ihn  denn  klar  vor  sich  liegen  haben,  z.  B.  in  der  Cor- 
nea, in  der  vorderen  Kammer,  wohl  auch  in  der  Linse  oder 
in  noch  durchsichtigem  Glaskörper.  Seine  Grösse  kann  man 
aus  der  Einbruchspforte,  selbst  wenn  sie  noch  offen  ist,  nur 
annäherungsweise  errathen,  denn  er  kann,  wenn  er  nicht  kugelig 
oder   kubisch    ist,   mit  dem  kleinsten  Durchmesser  eingetreten 


—    83    — 

sein,  und  wenn  die  Propulsivkraft  eine  sehr  grosse  war,  so 
pflegt  die  Wunde  relativ  kleiner  auszufallen.  Besonders  sind 
es  Zündhütchen,  welche  in  Bezug  auf  Grösse  und  Gestalt  sehr 
leicht  eine  zu  glimpfliche  Taxirung  veranlassen.  Es  sind  halbe, 
ja  ganze  Metallkapseln  vorgefunden  worden,  wo  man  nur  ein 
kleines  Fragment  vermuthet  hatte. 

Nach  Constatirung  der  Anwesenheit,  des  Sitzes  und  der 
physikalischen  Eigenschaften  eines  fremden  Körpers,  so  weit 
letztere  beiden  möglich  sind,  entsteht  die  Frage,  ob  es  zulässig 
sei,  ihn  zu  belassen  oder  ob  man  ihn  entfernen  müsse,  weiter- 
hin ob  die  zur  Entfernung  nöthigen  Eingriffe  sicheren  Erfolg 
(auf  Entfernung)  versprechen  oder  möglicher  —  ja  wahrschein- 
licher Weise  fruchtlos  sein  und  das  Auge  noch  grösserer  Ge- 
fahr aussetzen  werden,  als  das  Zurücklassen,  endlich  ob  es 
mit  Rücksicht  auf  die  Unsicherheit  der  Entfernung  und  die 
weiter  zu  erwartenden  Folgen  (mit  oder  ohne  Extractions- 
versuch)  nicht  gerathen  erscheint,  sogleich  oder  nach  einigem 
Zuwarten  lieber  den  Bulbus  zu  enucleiren. 

In  zweifelhaften  frischen  Fällen  sehe  man  unter  sorg- 
fältiger antiphlogistischer  Behandlung  und  Ueberwachung  des 
Auges  einige  Tage  zu,  ob  sich  nicht  aus  dem  Verlaufe  weitere 
Anhaltspunkte  für  die  Prognose  und  das  operative  Einschreiten 
ergeben. 

Doch  sind  die  Grundsätze,  dass  man  den  fremden  Körper 
je  eher  je  lieber  entfernen  und  dass  man  es  in  unzweifelhaften 
Fällen,  z.  B.  bei  grösseren  und  irritirenden  fremden  Körpern 
nicht  erst  auf  heftige  Reaction  ankommen  lassen  solle,  trotzdem 
niemals  ausser  Acht  zu  lassen. 

Die  Schwierigkeit  der  Entscheidung  liegt  darin,  dass  einer- 
seits die  Betroffenen  schwer  zu  operativen  Eingriffen,  nament- 
lich zur  Enucleatio  bulbi  zu  bestimmen  sind,  andererseits  aber 
laut  Erfahrung  manche  fremde  Körper  vertragen  werden  (in 
gewissen  Gebilden)  ohne  Reaction  zu  erregen,  und  dass  bei 
anderen  diess  nach  entzündlicher  Reaction  durch  Einkapselung 
(bleibend  oder  temporär)  vermittelt  wird,  während  in  einer 
grossen    Reihe  von    Fällen   (um  nicht  zu  sagen:    in  der  Regel) 

6* 


—    84    — 

eine  schleichende  oder  acute  Entzündung  zum  Ruin  des 
betroffenen  und  wohl  auch  zu  sympathischer  Affection  des 
anderen  Auges  führt. 

Da  diese  Verschiedenheit  der  Folgen  nicht  nur  von  der  Be- 
schaffenheit des  fremden  Körpers,  sondern  auch  von  dem  Sitze 
desselben  abhängt,  so  werden  wir  auch  diese  Art  von  Verletzungen 
nach  den  einzelnen  Gebilden,  jedoch  so  viel  wie  möglich  unter 
Berücksichtigung  der  Eigenschaften  des  fremden  Körpers  ein- 
theilen  und  das  über  die  (dabei  mitvorhandene)  Continuitäts- 
trennung  Gesagte  als  bekannt  voraussetzen. 

Der  fremde  Körper  sitzt,  abgesehen  von  den  sogenannten 
Nebenorganen  des  Auges,  entweder  in  den  Umhüllungsmem- 
branen, Conjunctiva,  Cornea,  Sklera,  und  ist  dann  leicht  zu 
finden  und  sicher  zu  entfernen,  oder  er  steckt  nach  Setzung 
einer  penetrirenden  Wunde  entweder  im  vorderen  Abschnitte 
(Kammer,  Iris,  Corpus  ciliare,  Linse)  oder  im  hinteren  (Glas- 
körper, Netzhaut,  Aderhaut).  In  die  Tiefe  neben  oder  hinter 
den  Bulbus  können  fremde  Körper  nach  doppelter  Durchboh- 
rung der  Hülle  des  Bulbus,  vom  Fornix  conj.  aus  oder  nach 
Durchbohrung  der  Lider  oder  der  knöchernen  Orbitalwand  ge- 
langt sein. 

§.  26.  In  die  Bindehaut  gerathen  fremde  Körper  wohl 
meistens  durch  Zufall  (z.  B.  Luftströmung)  oder  Unvorsichtig- 
keit des  Betroffenen,  mitunter  jedoch  auch  in  Folge  einer  sträf- 
lichen Handlung. 

Die  Zufälle  darnach  können  gleich  so  heftig  sein,  dass 
sie  sofort  den  Verdacht  auf  eine  Verletzung,  respective  auf  die 
Gegenwart  eines  fremden  Körpers  erregen;  sie  können  aber 
auch  gering  sein  und  unbeachtet  bleiben,  bis  das  Auftreten  von 
Entzündung  zur  Entdeckung  der  Ursache  führt.  Es  kommen 
auch  Fälle  vor,  namentlich  bei  Kindern,  wo  sowohl  die  anfäng- 
lichen Reiz-  als  die  späteren  Entzündungszufälle  gar  nicht  einer 
Verletzung,  sondern  irgend  einer  anderen  Ursache  zur  Last  ge- 
legt werden.  Es  kann  endlich  auch  sein,  dass  man  es  mit  einer 
absichtlich  durch  das  Einbringen  fremder  Substanzen  erregten 
Reizung  oder  Entzündung  zu  thun  hat.     (Siehe  IV.  Abschnitt.) 


-     85    — 

Kleine  fremde  Körper  können  sich  wegen  Durchsichtig- 
keit leicht  dem  Blicke  entziehen,  sie  können  von  Schleim  um- 
hüllt oder  auch  durch  Wundgranulationen  oder  starke  Schwellung 
(der  Bindehaut,  der  Karunkel)  gedeckt,  förmlich  umschlossen 
sein.  Grössere,  besonders  längere  Körper  können  tiefer  in  die 
subconjunctivalen  Gebilde  eingedrungen  sein,  besonders  vom 
Fornix  aus  oder  neben  der  Karunkel,  und  nur  mit  einem  klei- 
nen Theile  in  den  Bindehautsack  hineinragen,  wohl  auch  nur 
durch  Sondirung  in  der  Tiefe  zu  entdecken  sein. 

Wie  überall  ist  auch  hier  vor  allem  genaue  Untersuchung 
nöthig,  mit  freiem  Auge,  mit  der  Loupe,  mittelst  Focalbeleuch- 
tung,  mittelst  einer  Knopfsonde,  bei  verschiedenen  Positionen 
des  Bulbus,  nach  Umstülpung  der  Lider.  Mitunter  kann  zu 
dieser  Untersuchung  die  Narkosis  nöthig  werden  (bei  unüber- 
windlichem Lidkrampfe).  Man  muss  schliesslich  sicher  sein, 
dass  die  vorhandenen  Zufälle  nicht  von  der  Anwesenheit  eines 
fremden  Körpers  oder  dessen  Spuren  abstammen  und  ebenso, 
dass  ein  fremder  Körper,  den  man  nur  an  der  Oberfläche  des 
Bulbus  suchen  zu  müssen  glaubte,  nicht  etwa  tiefer  eingedrun- 
gen, somit  in,  neben,  hinter  dem  Bulbus  zu  suchen  sei. 

Prognose  und  Therapie.  Die  Prognose  ist  im  Allge- 
meinen günstig,  sofern  nicht  etwa  die  Cornea  durch  das  längere 
Zurückbleiben  des  fremden  Körpers  in  bedenkliche  Mitleiden- 
schaft gezogen  wurde.  Auch  die  Beseitigung  wird  den  Arzt 
kaum  in  Verlegenheit  bringen.  Nur  kleine  Körner  (Pulver) 
oder  Splitter  an  Stellen,  wo  die  Bindehaut  sehr  locker  aufsitzt, 
lassen  sich  meistens  weder  abstreifen  noch  herausgraben,  son- 
dern müssen  sammt  ein  wenig  Bindehaut  gefasst  und  abgetragen 
werden.  Ebenso  ist  die  Abtragung  überwuchernder  Granula- 
tionen der  Beseitigung  durch  Abätzung  vorzuziehen. 

§.  27.  In  der  Hornhaut  lässt  sich  die  Anwesenheit 
eines  fremden  Körpers  mit  freiem  Auge,  mit  der  Loupe,  mit- 
telst des  Spiegelnlassens  und  mittelst  Focalbeleuchtung  sicher 
nachweisen.  Lichtgefärbte  Körper  werden  bei  Blickrichtungen, 
wobei  die  Pupille  dahinter  zu  stehen  kommt,  leichter  wahr- 
genommen, dunkle  dagegen  eher  vor   einer   lichtfarbigen   Iris. 


—    86    — 

Nur  wenn  bereits  entzündliche  Reaction  eingetreten  ist,  kann 
es  schwierig  sein,  zu  entscheiden,  ob  die  trübe  Masse  noch 
einen  fremden  Körper  berge.  Schwieriger,  doch  bei  seitlicher 
Beleuchtung  wohl  immer  möglich,  ist  die  Bestimmung,  wie  tief 
und  in  welcher  Richtung  der  fremde  Körper  eingedrungen  sei. 
Auch  über  die  physikalische  Beschaffenheit  des  fremden  Kör- 
pers vermag  die  Autopsie  eher  verlässlichen  Aufschluss  zu 
geben,  als  die  Angaben  des  Verletzten.  Wenn  hie  und  da  ein- 
mal die  braunschwarze  Decke  eines  Insectenflügels  oder  die 
Hälfte  einer  Samenhülse  auf  der  Cornea  für  einen  Irisvorfall, 
oder  umgekehrt,  wenn  ein  solcher  für  den  noch  in  der  Cornea 
haftenden  fremden  Körper  nach  einer  Verletzung  gehalten 
wurde,  so  war  die  Untersuchung  jedenfalls  eine  sehr  mangel- 
hafte gewesen. 

Prognose  und  Therapie.  Nur  Schiesspulver  (Holzkohle) 
und  mitunter  kleine  Kalktheilchen  oder  winzige  Kupferblätt- 
chen  (wie  ich  unlängst  mit  der  Loupe  sah)  können  in  der 
Cornea  sitzen  bleiben,  ohne  Eiterung  zu  erregen.  In  allen 
anderen  Fällen  ist  die  Entfernung  dringend  angezeigt,  weil  man 
nicht  wissen  kann,  wie  weit  die  Eiterung  in  der  Cornea  ge- 
deihen werde ,  welche  im  günstigsten  Falle  zur  Ausstossung, 
jedoch  mit  Hinterlassung  einer  mehr  weniger  ausgebreiteten 
und  intensiven  Trübung,  aber  auch  zum  Hornhautdurchbruch 
und  dessen  Folgen  oder  zu  consecutiver  Entzündung  der  Iris, 
wohl  auch  des  Corpus  ciliare  und  zu  Eiteransammlung  in  der 
vordem  oder  hintern  Kammer ,  selbst  im  Glaskörper  (eiterige 
Kyklitis,  PanOphthalmitis)  führen  kann. 

Bei  Kindern  und  selbst  bei  Erwachsenen  kann  zur  Ent- 
fernung des  (der)  fremden  Körpers  die  Narkosis  nöthig  werden, 
denn  die  Operation  ist  sehr  schmerzhaft  und  unvermuthete 
Bewegungen  erschweren  dieselbe  bis  zur  Unmöglichkeit,  be- 
sonders bei  tiefem  Sitze  des  fremden  Körpers.  Solche  Augen 
sind  durchschnittlich  sehr  empfindlich  gegen  das  Licht,  beson- 
ders wenn  der  Körper  schon  von  Laien  attaquirt  wurde,  wenn 
bereits  starke  Ciliarinjection  oder  gar  schon  Iritis  dazu  getre- 
ten ist,     Desshalb    ist   es  nützlich,  für  Verschluss  des  zweiten 


—     87     — 

Auges  zu  sorgen  und  den  Verletzten  so  zu  setzen  oder  zu 
lagern,  dass  das. Licht  nur  seitlich  und  nur  von  einem  Fenster 
her  einfällt,  dass  aber  auch  der  Glanz  des  Spiegelbildes  den 
Operateur  nicht  blende.  Kopf  und  Lider  werden  von  einem 
Assistenten  fixirt;  in  Ermangelung  eines  solchen  kann  man 
verständige  Individuen  auf  einen  Sessel  mit  hoher  Lehne  setzen 
und  mit  der  nicht  operirenden  Hand  das  Andrücken  des  Kopfes 
an  die  Lehne,  allenfalls  auch  das  Aufwärtsfixiren  des  obern 
Lides  (mittelst  des  Daumens)  übernehmen.  Auch  kann  das 
Fixiren  des  Kopfes  von  einem  Laien,  das  Fixiren  der  Lider 
mittelst  eines  Sperrelevateurs  und  das  Fixiren  des  Bulbus  mit 
einer  Fixationspincette  besorgt  werden.  Wenn  man  das  Fixiren 
des  obern  Lides  mit  dem  Daumen  der  einen  Hand  besorgt, 
kann  man  das  Ausweichen  der  Cornea  nach  oben  oft  dadurch 
verhindern,  dass  man  das  untere  Lid  mittelst  des  Ringfingers 
der  operirenden  Hand  ab-  und  rückwärts  drängt,  während 
Daumen-,  Mittel-  und  Zeigefinger  das  Instrument  führen.  Manche 
finden  es  bequemer,  sich  hinter  den  auf  einem  niederen  Stuhle 
sitzenden  Patienten  zu  stellen,  den  Kopf  desselben  gegen  ihre 
Magengrube  anzudrücken  und  dann  kopfüber  zu  operiren.  Das 
Fixiren  der  Lider  und  das  Verhindern  des  Ausweichens  der 
Cornea  nach  oben  kann  dann  meistens  mit  der  anderen  Hand 
efFeetuirt  werden.  Die  Entfernung  bei  künstlicher  Focalbe- 
leuchtung  empfiehlt  sich  bei  Körpern ,  welche  vermöge  ihrer 
Kleinheit  oder  Farblosigkeit  bei  Tageslicht  kaum  gesehen 
werden  können. 

Ist  der  fremde  Körper  nur  ein  kleiner  Metall-  oder 
Steinsplitter,  so  dürfte  eine  gerade  lanzettförmige  Staarnadel 
das  geeignetste  Instrument  sein,  ihn  herauszugraben  und  sodann 
auch  den  etwa  zurückbleibenden  Beschlag  der  Wunde  gleich 
einer  Schale  auszulösen  oder  abzuschaben.  Andere  bedienen 
sich  dazu  einer  hohlmeiselartig  geformten  Nadel.  Reicht  ein 
etwas  compacter  Körper  tiefer,  so  muss  man  gleich  anfangs 
vom  Rande  her  unter  (hinter)  denselben  zu  gelangen  suchen 
und  zu  diesem  Zwecke  allenfalls  mit  der  Nadel  oder  mit  einem 
Staarmesser  einen    Schnitt    führen,   welcher    diesen    Zweck    zu 


—    88     — 

fördern  geeignet  ist.  Das  Zurücklassen  kleiner  Partikeln  des 
Körpers  oder  des  Beschlages  ist  in  der  Regel  nachtheilig,  denn 
mehr  die  Fremdartigkeit  als  die  Grösse  des  Eindringlings  erregt 
Reiz  und  Entzündung. 

Nach  vollständiger  Beseitigung  gehen  die  Zufälle  (Schmerz, 
Lichtscheu,  pericorneale  Röthe)  bald  zurück  und  der  Verletzte 
braucht  oft  keine  weitere  Schonung ;  wenn  er  aber  erst  mehrere 
Tage  nach  dem  Unfälle  sich  vorstellt  oder  wenn  der  Körper 
tiefer  eingedrungen  so  findet  man  meistens  Iritis  ausgesprochen 
oder  im  Anzüge  (Farbenveränderung  der  Iris,  Engheit  der 
Pupille);  dann  ist  mindestens  Atropin  und  1 — 2tägige  Ueber- 
wachung  des  Auges  nöthig.  Bei  grösserem  Substanzverluste 
oder  bei  bereits  vorhandenem  Hornhautgeschwüre  sind  diese 
entsprechend  zu  behandeln  (Atropin,  Schutz  verband). 

Ist  der  fremde  Körper  grösser  und  lang  oder  platt 
(Metall,  Stein,  Holz,  u.  dgl.),  und  hat  man  durch  die  Focal- 
beleuchtung  ermittelt,  wie  schräg  oder  steil  und  wie  tief  er  die 
Cornea  durchstreicht  und  überdies,  ob  er  bis  in  die  Kammer 
eingedrungen  und  ob  ein  Theil  desselben  vor  der  Cornea  zu 
Tage  liegt,  so  sind  diese  Momente  und  die  physikalischen  Eigen- 
schaften des  Körpers  massgebend  für  die  Encheiresen,  welche 
man  in  dem  vorliegenden  Falle  zu  wählen  hat.  Hier  ist  in  der 
Regel  etwas  tiefere  Narkosis  angezeigt  und  muss  wenigstens  ein 
geübter  Assistent  zur  Hand  sein. 

Ist  der  Körper  mehr  schräg  eingedrungen;  etwa  wie  ein 
Holzsplitter  unter  den  Nagel  eines  Fingers,  und  lässt  sich  nicht 
erwarten ,  dass  man  ihn ,  wenn  er  noch  theilweise  zu  Tage 
liegt,  mit  einer  starken  gerieften  Pincette  fassen  und  ausziehen 
könne,  so  spalte  man  die  ihn  bedeckende  Hornhautschichte  mit 
einem  Staar-  oder  Lanzenmesser,  mitten  davor  oder  längs  eines 
Randes  des  Körpers,  um  ihn  sicher  fassen  zu  können. 

Bei  mehr  steil  eingedrungenen,  länglichen  oder  platten 
Körpern,  welche  gar  nicht  oder  nur  so  weit  zu  Tage  liegen, 
dass  man  sie  nur  mit  Gefahr  weiteren  Hineindrängens  fassen 
kann,  habe  ich  durch  eine  seitwärts  angebrachte  Hornhaut- 
Öffnung   den    Da  viel' sehen    Löffel   hinter   den   Körper   in    die 


—     89     — 

Kammer  gebracht  und  damit  denselben  auswärts  gedrängt  oder 
doch  so  gestützt,  dass  ich  ihn  dann  sicher  fassen  konnte. 
Desmarres  hat  seine  Paracentesennadel  in  die  Kammer  ein- 
geführt und  zum  Zurückdrängen  des  fremden  Körpers  oder 
als  feste  Unterlage  benützt,  um  auf  ihr  denselben  ausziehen 
oder  ausheben  zu  können. 

Es  kann  auch  sein,  dass  man,  wenn  sich  der  in  die 
Kammer  hineinragende  Körper  voraussichtlich  nicht  durch 
die  EinbruchsöfFnung  wird  zurückdrängen  oder  ausziehen  lassen, 
durch  eine  an  geeigneter  Stelle  angebrachte  Wunde  mit  einer 
Pincette  in  die  Kammer  eingehen  muss,  wobei  freilich  Iris  und 
Kapsel  leicht  beschädigt  werden  können.  Beim  Zurückziehen 
des  Messers  ist  rascher  Abfluss  des  Kammerwassers  nach  Mög- 
lichkeit zu  verhüten.  (Kein  Druck  aufs  Auge,  keine  Drehung 
des  Messers  um  die  Einführungsachse.) 

§.  28.  In  die  vordere  Kammer  oder  in  (hinter)  die 
Iris  gelangen  fremde  Körper  meistens  durch  die  Cornea,  selten 
durch  die  Sklera.  In  frischen  Fällen  wird  es  nicht  schwer 
sein,  die  Einbruchsstelle  aufzufinden ;  meistens,  ausser  bei  reich- 
lichem Hämophthalmus,  wird  sich  auch  der  Bulbus  noch  weich 
anfühlen.  Schrottkörner  oder  Zündhütchenstücke  können  auch 
von  rückwärts,  meistens  nach  Durchbohrung  des  obern  Lides, 
durch  die  Sklera  und  Linse  oder  neben  dieser  in  die  Kammer  ge- 
langt sein.  Ausserdem  kann  es  sein,  dass  der  fremde  Körper 
eine  Zeit  lang  in  der  Cornea  haftete  und  von  selbst  (beim  Reiben) 
oder  bei  misslungenen  Extractionsversuchen  in  die  Kammer 
fiel.  Eben  so  kann  ein  anfangs  in  den  Krystallkörper  ein- 
gedrungener Körper  später  aus  diesem  in  die  Kammer  gedrängt 
worden  sein. 

Der  fremde  Körper  kann  wegen  geringer  Grösse  und 
peripherer  Lage  (meistens  nach  Senkung  unten)  durch  den 
Skleralbord  verdeckt  werden.  Umschriebene  Röthe  und  Empfind- 
lichkeit gegen  Betastung  an  der  entsprechenden  Stelle  der 
Sklera  können  seinen  Sitz  andeuten,  so  wie  auch  Verzogensein 
des  Pupillarrandes  nach  diesem  Punkte  hin ;  die  Focalbeleuch- 
tung  wird  Aufschluss   geben,  wenn  nicht  Blut,  Exsudat,  trübe 


—     90     — 

Linsenstücke  oder  Trübung  der  Cornea  das  verhindern.  An 
der  Iris  könnten  dunkle  Pigmentpunkte,  die  in  späteren  Jahren 
oft  ohne  pathologische  Bedeutung  vorkommen,  vielleicht  mit 
Pulverkörnern  oder  Eisensplittern  verwechselt  werden.  In  vielen 
Fällen  (Geissler,  Hörn  er,  Berlin)  verrieth  sich  die  An- 
wesenheit eines  fremden  Körpers  in  der  Kammer  nach  bereits 
eingetretener  Entzündung  durch  eine  in  der  Mitte  intensiv 
gelbe  oder  weissgelbe  hügelartige  Masse  als  Hülle  des- 
selben oder  durch  eine  Spitze  des  fremden  Körpers,  welcher 
durch  die  Iris  in  die  vordere  Kammer  vorragte  und  bei  seit- 
licher Beleuchtung  erkannt  werden  konnte. 

Am  häufigsten  waren  es  Stücke  oder  Splitter  von  Metall 
(Fragmente  von  Zündhütchen,  von  Stahl  oder  Eisen,  Schrott- 
körner), von  Stein,  Porzellan,  Glas,  seltener  von  Holz,  Stacheln, 
ausnahmsweise  auch  Wimperhaare,  welche  in  der  Kammer 
oder  an   (in)  der  Iris  vorgefunden  worden  sind. 

Prognose.  In  manchen  Fällen  wurden  fremde  Körper 
in  der  Kammer  ohne  Reaction  vertragen,  namentlich  Cilien, 
aber  auch  kleine  und  selbst  massig  grosse  Fragmente  der  eben 
aufgezählten  Körper.  So  fand  z.  B.  Pagenstecher  eine  Cilie, 
welche  10  Jahre  lang  ohne  Reizung  vertragen  worden  war, 
und  Prof.  Jäger  (Staar  und  Staaroper.  Wien  1854,  p.  68) 
ein  metallglänzendes,  1  Quadratlinie  grosses  Zündhütchenstück, 
welches  nur  leicht  an  die  Iris  angeheftet,  5  Jahre  in  der  Kam- 
mer lag  und  auch  nach  einer  zufälligen  Erschütterung  des 
Auges  keine  Entzündung  erregt  hatte.  In  einem  von  Jacobs 
in  Dublin  beobachteten  Falle  hatte  ein  Steinstück  in  der  vor- 
deren Kammer  erst  nach  4  Jahren  einen  erheblichen  Reizzustand 
bewirkt. 

Einige  verlässliche  Beobachtungen  (von  Lawrence,  War- 
drop, Cooper  u.  A.)  sprechen  dafür,  dass  kleine  Fragmente 
von  Stahl  oder  Eisen  (abgebrochene  Staarnadeln  oder  Messer- 
spitzen) in  der  vorderen  Kammer  durch  Oxydation  und  Resorp- 
tion verschwinden  können. 

In  anderen  Fällen  kam  es  zu  bleibender  oder  temporärer 
Einkapselung  bald  unter  geringen,  bald  unter  beträchtlichen, 


—     91     — 

einmaligen  oder  wiederholten  Entzündungserscheinungen.  Dabei 
kann  das  Auge,  seine  Form  und  selbst  seine  Function  mehr 
weniger  gut  behalten ,  meistens  aber  wird  es  in  Folge  des 
Uebergreifens  der  Entzündung  auf  die  ganze  Iris  und  selbst 
auf  das  Corpus  ciliare  mehr  weniger  ernstlich  geschädigt,  oft 
atrophisch,  und  bedroht  nicht  selten  auch  das  andere  Auge  mit 
Ruin  durch  Iridokyklitis. 

In  den  meisten  Fällen  erfolgt  heftige  Entzündung  mit 
Eiterung  sogleich  oder  nach  temporärer  Einkapselung.  Wird 
alsdann  die  Cornea  mit  in  den  Entzündungs-  und  Schmelzungs- 
process  gezogen,  und  zwar  theilweise,  so  kann  der  fremde 
Körper  ausgestossen  und  das  Auge  noch  so  weit  erhalten 
werden,  dass  die  Function  einfach  oder  mittelst  operativer 
Nachhilfe  (Iridektomie,  Staaroperation)  leidlich  hergestellt  wer- 
den kann ;  in  der  Regel  jedoch  tritt  unrettbar  Verlust  der 
Function  und  Form  ein.  Wenn  nach  dem  Auftreten  heftiger 
Reaction  die  Cornea  nicht  frühzeitig  durchbrochen  wird,  so  ent- 
wickeln sich  die  bekannten  Erscheinungen  von  ausgebreiteter 
eiteriger  Keratitis  oder  von  Iritis  und  Kyklitis  mit  Eiterung 
und  weiterhin  deren  traurige  Folgen,  unter  denen  die  der 
Panophthalmitis  mit  schliesslicher  Elimination  des  fremden  Kör- 
pers noch  als  relativ  günstig  zu  bezeichnen  sind,  weil  dann 
wenigstens  kaum  jemals  eine  Gefährdung  des  zweiten  Auges 
gegeben  ist. 

Behandlung.  Auf  Vertragenwerden  eines  fremden  Kör- 
pers in  der  Kammer  oder  in  der  Iris  ist  in  der  Regel  nicht 
zu  rechnen  und  ebenso  nicht  auf  dauerhafte  Einkapselung. 
Besonders  günstige  Beschaffenheit  des  Eindringlings  und  Gering- 
fügigkeit der  Verwundung,  namentlich  aber  der  Mangel  von 
Reizzufällen  trotz  Ablauf  geraumer  Zeit  gestatten  weiteres  Tem- 
porisiren,  jedoch  nur  unter  steter  Ueberwachung.  Frischer 
Hämophthalmus  oder  starke  Chemosis,  wenn  diese  mehr  der 
Verwundung  als  der  Irritation  durch  den  fremden  Körper  zu- 
zuschreiben ist,  machen  einen  Aufschub  des  Extractionsversu- 
ches  unter  strenger  Antiphlogose  wünschenswerth ,  vielleicht 
nothwendig.     Bei    florider    Iritis    oder    Iridokyklitis    wird    es 


—    92    — 

allerdings  gerathen  sein ,  die  Zufälle  durch  Blutentziehungen, 
kalte  Umschläge,  —  später  mit  feuchtwarmen  zu  vertauschen  — 
durch  Abführmittel  und  Narcotica  zu  temperiren  zu  suchen ; 
wenn  jedoch  nicht  in  kurzer  Zeit  ein  sichtlicher  Nachlass  er- 
folgt, so  darf  die  Operation  nicht  weiter  hinausgeschoben  wer- 
den. Deuten  Zeichen  an  der  Wunde  und  Nähe  des  Fremd- 
körpers hinter  derselben  auf  bevorstehende  Expulsion,  so  kann 
Temporisiren  unter  Anwendung  feuchtwarmer  Umschläge  voll- 
kommen gerechtfertigt  sein.  Bei  ausgebreiteter  Eiterung  kann 
vielleicht  eine  ausgiebige  Spaltung  des  Abszesses  in  der  Gegend 
des  fremden  Körpers  den  Process  abkürzen. 

Die  Operation  selbst  wird  in  manchen  Fällen  bloss  die 
Extraction  des  fremden  Körpers  bezwecken,  welche  allerdings 
nicht  gar  oft  ohne  gleichzeitige  Excision  einer  Partie  Iris  aus- 
geführt werden  kann;  in  anderen  Fällen,  namentlich  bei  bereits 
erfolgter  Pupillensperre,  wird  zugleich  auf  die  Anlegung 
einer  zweckdienlichen  Pupille  angetragen  werden  können  oder 
müssen,  und  bei  bereits  bestehender  oder  während  der  Ex- 
traction des  fremden  Körpers  unvermeidlicher  Verletzung  der 
Linse  wird  in  Vorhinein  zu  überlegen  sein,  ob  man  mit  der 
Extraction  des  fremden  Körpers  die  der  Linse  werde  combi- 
niren  müssen. 

Zur  Entfernung  des  fremden  Körpers,  respective  zur  Ein- 
führung der  Pincette,  deren  Stärke  nach  der  Grösse  des  Fremd- 
körpers und  nach  allenfalls  bestehenden  Adhäsionen  zu  wählen 
ist,  kann  bisweilen  eine  noch  bestehende  oder  eine  wenig  fest 
verklebte  Wunde  benützt  werden,  welche  man  nöthigenfalls  mit 
einer  Sonde  sprengt  oder  mit  einem  durchgeführten  Staarmesser 
neuerdings  eröffnet  und  nach  Bedarf  mit  einer  Scheere  er- 
weitert. Dieses  an  sich  unschädliche  Verfahren  kann  aber  oft 
wegen  ungünstiger  Lage  der  Wunde  relativ  zum  Fremdkörper 
oder  wegen  gleichzeitig  nöthiger  Iridektomie  oder  Linsenextrac- 
tion  nicht  verwerthet  werden.  Meistens  muss  die  Kammer 
neuerdings  mit  einem  Lanzen-  oder  Staarmesser  eröffnet  werden, 
was  bei  enger  oder  aufgehobener  Kammer  schwer,  doch  nicht 
unmöglich  ist,  aber  auch  vielleicht  wegen  der  Grösse  und  Form 


—    93    — 

des  fremden  Körpers  viel  Ueberlegung  und  Gewandtheit  er- 
fordern kann.  Sofern  man  nicht  weiss,  wie  gross  der  fremde 
Körper  ist  und  welche  Dimensionen  er  hat,  wird  man  aller- 
dings lieber  eine  etwas  längere  Wunde  machen,  aber  dennoch 
darauf  vorbereitet  sein  müssen,  dass  man  die  Wunde,  wenn 
sich  der  angezogene  Körper  darin  stemmt,  mit  einer  Scheere 
oder  mit  einem  Messer  werde  erweitern  lassen  müssen,  durch 
den  früher  instruirten  Assistenten.  Besser  eine  grössere,  selbst 
bogenförmige,  als  eine  gequetschte  oder  gerissene  Wunde. 

Im  allgemeinen  sind  periphere ,  im  Skleralbord  liegende 
Wunden  vorzuziehen ,  besonders  wenn  dabei  das  Messer  ganz 
oder  theilweise  hinter  dem  fremden  Körper  vorgeschoben  wer- 
den kann.  Doch  darf  man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  bei 
solchen  Wunden,  wenn  sie  länger  sind  (über  ]/A  des  Hornhaut- 
umfanges),  leichter  Prolapsus  Iridis  entsteht,  also  Irisexcision 
schon  aus  diesem  Grunde  nöthig  werden  kann.  In  anderen  Fällen 
ist  eine  in  der  mittleren  Region  der  Cornea  angebrachte  Wunde 
besser  oder  einzig  geeignet,  den  Zugang  zum  sichern  Erfassen 
und  Ausziehen  des  fremden  Körpers  zu  verschaffen.  Durch 
die  Stelle,  Richtung  und  Grösse  des  Schnittes  muss  dafür  ge- 
sorgt sein,  dass  man,  mit  der  Pincette  an  einer  zum  festen 
Erfassen  passend  erscheinenden  Stelle  angelangt,  diese  ohne 
Verschiebung  des  fremden  Körpers  gehörig  öffnen  und  vor- 
schieben kann,  und  dass  man,  wo  es  sich  um  Schonung  der 
Iris  und  besonders  der  Kapsel  handelt,  die  Einleitung  in  die 
Wunde  ohne  viel  Drehung  und  Wendung  des  fremden  Körpers 
ausführen  kann. 

Ist  die  Kapsel  geöffnet  und  ein  mehr  weniger  harter 
Linsenkern  (wie  meistens  nach  dem  30.  Jahre)  vorhanden, 
worüber  seitliche  Beleuchtung  Aufschluss  geben  kann,  so  trage 
man  gleich  bei  Setzung  der  Wunde  auf  Linsenextraction  an 
oder  erweitere  die  Wunde  nachträglich.  Bei  jugendlichen  Indi- 
viduen kann  man  sich  nach  Entfernung  des  fremden  Körpers 
mit  der  Iridektomie  begnügen,  vielleicht  auch  die  Linse  ein- 
fach der  Resorption  überlassen,  oder  die  einfache  Linearextrac- 
tion    (mit    oder    ohne    Irisexcision)    nachfolgen    lassen,    wobei 


—     94    — 

jedoch  darauf  zu  sehen  ist,  dass  weder  Linsenreste  noch  etwas 
von  der  Iris  in  der  Wunde  eingeklemmt  bleiben. 

Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich  von  selbst,  dass  man  sich 
auf  die  Extraction  eines  fremden  Körpers  aus  der  Kammer 
oder  der  Iris  in  der  Regel  nicht  ohne  Narkosis  und  jedenfalls 
nicht  ohne  geeignete  Assistenz  einlassen  solle. 

§.  29.  Fremde  Körper  in  der  Linse  (nahe  dahinter 
im  Glaskörper)  haben  ihren  Weg  meistens  durch  die  Cornea, 
selten  durch  die  Sklera  genommen.  Die  genaue  Untersuchung 
der  Einbruchspforte  kann  an  sich  und  mit  Hilfe  anamnestischer 
Momente  werthvolle  Anhaltspunkte  über  die  Grösse  des  fremden 
Körpers  geben.  Mitunter  ist  das  Eindringen  unter  so  geringen 
Zufällen  erfolgt,  dass  erst  die  bald  darauf  erfolgte  Sehstörung 
auf  die  Bedeutung  der  Verletzung  aufmerksam  macht.  Durch 
die  Trübung  der  Linse  kann  der  fremde  Körper  schon  nach 
wenig  Stunden  dem  forschenden  Auge  entzogen  werden.  Den- 
noch ist  es  nicht  selten  möglich,  trotz  diffuser  Trübung  den 
Sitz  in  der  Linse  zu  erkennen,  besonders  bei  sorgfältiger  Durch- 
musterung mit  der  Focalbeleuchtung.  Eine  Lücke  in  der  Iris 
oder  eine  Einkerbung  am  Pupillarrande,  so  wie  eine  nachweis- 
bare Lücke  oder  eine  Narbe  in  der  vorderen  Kapsel,  deutet 
wohl  auf  das  Eindringen  eines  verwundenden  Körpers  in  die 
Linse,  kann  aber  nicht  beweisen,  dass  ein  fremder  Körper  noch 
in  der  Linse  hafte. 

Prognose.  In  einzelnen  Fällen  ist  nach  dem  durch  Ein- 
dringen sehr  kleiner  Metallsplitter  durch  einen  mehr  weniger 
peripheren  Theil  der  Linse  von  der  dadurch  gesetzten  Trübung 
ein  Theil  allmälig  wieder  verschwunden ;  es  liegen  sogar  einige 
Beobachtungen  vor,  wo  eine  theilweise  Wiederaufhellung  (bis 
zu  beinahe  normaler  Functionstüchtigkeit)  trotz  des  Zurück- 
bleibens eines  fremden  Körpers  innerhalb  der  Kapsel  ein- 
getreten ist.  (Bericht  über  die  W.  Augenkl.  Wien  1867, 
pag.  87  und  95.)  Ich  muss  zu  der  Bemerkung,  dass  in  diesen 
Fällen  der  verwundende  Körper  nicht  durch  den  Kern 
der  Linse  gegangen  war,  noch  hinzufügen,  dass  die  Fälle  gün- 
stigen   Verlaufes    durchaus    jugendliche    Individuen    betrafen. 


-     95    — 

(In  einem  Falle  von  Desmarres  ist  das  Alter  nicht  ange- 
geben.) 

In  der  Regel  muss  man  auf  totale  und  bleibende  Trü- 
bung gefasst  sein.  Das  Weitere  hängt  dann  meistens  von  dem 
Verhalten  der  Kapselwunde  ab.  Vergl.  §.  24.  Eisensplitter 
können  die  trübe  Linse  ochergelb  färben.  Diese  Färbung  ist 
dann  rings  um  den  Körper  am  intensivsten.  Berlin  (A.  f.  0. 
XIII.  b.  275)  beobachtete  eine  dunkle  Färbung  der  traumati- 
schen Cataracta  in  2  Fällen  auch  bei  Anwesenheit  von  Eisen- 
splittern im  Glaskörper ,  und  ich  sah  einen  Knaben ,  dem  vor 
2  Jahren  ein  Stückchen  Kupferblech  (Zündhütchen)  in  die  Linse 
eingedrungen  war,  diese  in  der  Mitte  mit  einer  etwa  hirsekorn- 
grossen  intensiveren,  dunkleren,  ins  Röthliche  ziehenden  Trü- 
bung versehen,  dabei  jedoch  nicht  verkleinert,  das  Auge  ohne 
Spur  von  Reizung  und  Entzündung.  Eine  grosse  Gefahr 
fremder  Körper  in  der  Linse  ist,  abgesehen  von  der  Druck- 
steigerung durch  zu  rasche  Quellung  der  Linse  (sogenanntes 
Sekundärglaukom),  durch  die  Möglichkeit  gegeben,  dass  sie  in 
die  Kammer  gedrängt  werden,  und  dann  die  Iris  oder  den 
Ciliarkörper  insultiren. 

Behandlung.  Die  Entfernung  eines  in  der  Linse  haf- 
tenden Körpers  aus  dem  Auge,  in  der  Regel  nur  mit  der  Ex- 
traction  der  Linse  selbst  ausführbar,  ist  in  allen  Fällen  angezeigt, 
wo  ein  Vorfallen  desselben  in  die  Kammer  früher  oder  später 
zu  besorgen  steht.  Bei  noch  offener  Kapsel  ist  kein  längeres 
Aufschieben  zulässig.  Es  kann  sein,  dass  es  gerathen  ist,  erst 
eine  Iridektomie  zu  machen ,  besonders  wenn  ein  Zurück- 
bleiben des  Körpers  hinter  der  Iris  zu  befürchten  steht  oder 
wenn  der  fremde  Körper  noch  von  einer  mächtigen  Lage  Linsen- 
substanz gedeckt  erscheint.  Ein  anderes  Mal  wird  es  vielleicht 
zweckmässig  erscheinen,  die  Trübung  und  Resorption  der  Linse 
durch  eine  Disscission  zu  beschleunigen,  bevor  man  an  die  Ex- 
traction  geht. 

„Ein  Handwerker  hatte  einen  Metallspan  in  das  rechte 
Auge  bekommen;  es  war  seitdem  ein  leichter  Reizzustand  des- 
selben zurückgeblieben  und  schon  Tags  darauf  hatte  sich  das 


—    96    — 

Sehvermögen  getrübt.  Nach  l1  2  Wochen  war  hochgradige 
cataractöse  Trübung  vorhanden ,  und  zeigte  sich  dem  untern- 
innern  Pupillarrande  gegenüber  eine  sehr  feine  Narbe,  wohl 
kaum  '/2  Linie  lang  und  von  unbestimmbar  kleiner  Breite.  Da 
so  feine  Körper  niemals  durch  Contusion  des  Auges  Cata- 
ract  bewirken,  so  lag  schon  deshalb  die  Vermuthung  nahe,  dass 
der  Metallspan  in  das  Innere  des  Auges  eingedrungen  sei.  Als 
nun  für  die  nähere  Bestimmung  die  Pupille  erweitert  und  die 
vordere  Kapselgegend  bei  schiefer  Beleuchtung  untersucht 
wurde,  fand  sich  eine  deutliche  Continuitätstrennung  in  der 
letzteren ;  die  circa  1  Linie  lange,  1/-2  Linie  breite  Kapselwunde, 
durch  welche  bereits  einige  gelockerte  Corticaltheile  sich  in 
den  Humor  aqueus  hervordrängten,  war  nicht  der  Hornhaut- 
narbe gegenüber,  sondern  ziemlich  im  Centrum  der  Pupille  ge- 
legen. Nothwendig  musste,  wenn  beide  Wunden  durch  das 
Eindringen  desselben  Körpers  hervorgerufen  waren,  dieser  letz- 
tere von  innen  und  unten  nach  aussen  und  oben  gegangen  sein. 
Demgemäss  wurde  die  weitere  Aufmerksamkeit  besonders  auf 
den  äussern  obern  Theil  der  Linse  gerichtet.  Die  vorgerückte 
Trübung  war  zum  Glück  noch  durchscheinend  genug,  um  einen 
Einblick  bis  in  die  hinteren  Corticalmassen  zu  gestatten.  Der 
fremde  Körper,  ein  schmaler  Metallsplitter  von  circa  2/s  Linie 
Länge,  wurde  in  der  hintern  Corticalsubstanz,  ungefähr  dem 
äusseren  Rande  der  erweiterten  Pupille  gegenüber  entdeckt. 
Es  handelte  sich  demnach  1.  um  die  Beseitigung  des  Staares, 
2.  um  die  Entfernung  des  fremden  Körpers. 

Letztere  Indication  scheint  mir  entschieden  gerechtfertigt 
zu  sein,  denn  auf  den  glücklichen  Zufall,  dass  fremde  ins 
Innere  des  Auges  eingedrungene  Körper  durch  Einkapselung 
indifferent  werden,  dürfen  wir  niemals  rechnen ;  es  ist  vielmehr 
der  gewöhnliche  Hergang  der,  dass  chronische  Entzündungen 
der  innern  Membranen  entweder  continuirlich  oder  periodisch 
steigend  zur  Aufhebung  des  Sehvermögens  führen.  Ich  gebe 
es  zu,  dass  diese  Regel  für  fremde  Körper  in  der  Iris  oder  im 
Linsensysteme  häufiger  Ausnahmen,  als  für  den  Sitz  in  tieferen 
Gebilden    erleidet,    aber    es    wird    in    Erwägung    sämmtlicher 


—    97    — 

Thatsachen  doch  immer  ein  richtiger  Grundsatz  bleiben  ,  den 
fremden  Körper,  wo  er  irgend  zugängig  ist,  aus  dem  Auge  zu 
entfernen,  so  wie  er  einmal  den  geringsten  innern  Reizzustand 
hervorbringt. 

Am  einfachsten  wären  diese  beiden  Aufgaben  durch  die 
Extraction  des  Linsensystemes  gelöst  worden,  jedoch  war  die 
Cataract  zu  unreif,  um  nicht  erhebliche  Gefahren  sowohl 
von  der  Lappenextraction ,  als  auch  von  der  Linearextraction 
fürchten  zu  lassen,  ausserdem  war  es  noch  zweifelhaft,  ob  bei 
einer  solchen  Extraction  sich  der  kleine  fremde  Körper  nicht 
am  Pupillarrand  oder  an  der  hintern  Fläche  der  Iris  abstreifen 
und  dann  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einen  deletären  Aus- 
gang bedingen  würde.  Ich  fasste  desshalb  einen  anderen  Heil- 
plan. Die  ohnehin  für  eine  rasche  Linsenresorption  etwas  zu 
kleine  Kapselwunde  sollte  mit  einer  Discissionsnadel  etwas  er- 
weitert und  durch  Leitung  dieser  Nadel  in  die  Richtung  des 
fremden  Körpers  die  Imbibition  der  dorthin  gelagerten  Linsen- 
theile  möglichst  beschleunigt  werden;  der  fremde  Körper  musste 
seiner  Schwere  wegen  bei  zunehmender  Imbibition  sich  senken 
und  ich  hoffte,  dass  er  bei  seiner  Verschiebung  gegen  die 
Kapselwunde  oder  bei  seinem  Austritt  durch  dieselbe  in  den 
Humor  aqueus  für  eine  sicherere  Entfernung  zugängig  werden 
würde. 

Dies  ereignete  sich  nun  in  der  That;  die  Lockerung  der 
vorderen  Linsenpartie  nahm  mehr  und  mehr  zu,  und  es  traten 
immer  mehr  Linsenflocken  in  den  Humor  aqueus.  Ungefähr 
14  Tage  nach  der  Operation  lag  der  fremde  Körper  schon  dem 
obern  Rande  der  Kapselwunde  gegenüber  und  nicht  mehr  in 
dem  hintern  sondern  in  dem  mittlem  Theile  des  Linsensystems, 
eine  Woche  später  trat  derselbe  von  imbibirten  Linsenmassen 
umschlossen  in  die  vordere  Kammer.  Ich  glaubte  nun  mit  der 
Entfernung  nicht  länger  zögern  zu  dürfen,  denn  es  stand  zu 
erwarten ,  dass  sich  das  Metallstück  in  der  vordem  Kammer 
senken,  und  wie  gewöhnlich  in  den  Winkel  zwischen  Iris  und 
Cornea  niederlassen  würde.  Wie  schwer  aber  die  Entfernung 
fremder  Körper  aus  diesem  Orte  ist,  wird  mir  jeder  Praktiker 

v.  Ar  lt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  7 


—    98    — 

zugeben,  der  sich  damit  abgemüht  hat;  es  ist  meist  unmöglich 
an  der  Iris  haftende  sehr  kleine  Metallspäne  zu  extrahiren, 
ohne  die  nach  ausgeflossenem  Humor  aqueus  eng  anschliessende 
Iris  mit  zu  ergreifen.  Es  wurde  daher  die  schwebende  Stel- 
lung des  fremden  Körpers  benützt,  das  Lanzenmesser  unter  die 
den  fremden  Körper  enthaltenden  geblähten  Corticaltheile  ge- 
führt und  schon  beim  Ausziehen  des  Instrumentes  entwichen 
diese  letzteren  sammt  dem  Metallspan.  Die  Extraction  der 
übrigen  Linse  geschah  sofort  nach  dem  bekannten  Vorgange  bei 
der  einfachen  Linearextraction."  Gräfe' s  Archiv  für  Ophthalm. 
II.  B.  a.  226. 

Ich  hielt  es  für  zweckmässig,  die  vorstehenden  Bemer- 
kungen von  Gräfe' s  wörtlich  mitzutheilen,  weil  sie  in  eminen- 
ter Weise  den  Grundsatz  illustriren,  dass  man  wie  bei  allen 
Operationen  überhaupt,  insbesondere  bei  Entfernung  fremder 
Körper  sich  nicht  ohne  weitere  Ueberlegung  nach  irgend  einem 
Schema  richten,  sondern  das  in  einem  speciellen  Falle  ein- 
zuschlagende Verfahren  nach  den  gegebenen  Verhältnissen  unter 
Beobachtung  allgemeiner  Erfahrungssätze  zu  wählen  und  zu 
modificiren  habe.  Man  muss  sich  in  jedem  speciellen  Falle 
einen  Operationsplan  entwerfen,  die  Chancen  für  Gelingen  und 
Misslingen  erwägen  und  zugleich  auf  die  Möglichkeit  denken, 
dass  beim  Operationsacte  selbst  noch  eine  oder  die  andere  Ab- 
weichung von  dem  ursprünglichen  Plane  nöthig  werden  kann. 
Man  muss  wenigstens  annähernd  wissen,  was  man  erreichen 
kann  und  wie  weit  man  gehen  darf. 

Liesse  sich  mittelst  seitlicher  Beleuchtung  (oder  mit  dem 
Augenspiegel)  die  Anwesenheit  eines  fremden  Körpers  im  Glas- 
körper nahe  hinter  der  Linse  constatiren,  was  wohl  nur  in 
frischen  Fällen  möglich  sein  dürfte,  so  würde  es  gerathen  sein, 
die  Extraction  der  Linse  (mittelst  Bogenschnitt)  vorzunehmen, 
bevor  derselbe  durch  Senkung  oder  Schleuderung  weit  aus  dem 
Pupillargebiete  und  von  der  tellerförmigen  Grube  sich  entfernt 
oder  bereits  deutliche  Entzündungszufälle  erregt  hat.  (Gräfe 's 
A.  für  Ophthal.  IX.  b.  82.)  Man  muss  jedoch  früher  die  Frage 
aufgeworfen    haben,  ob  man  Aussicht  habe,  des  Körpers  nach 


—    99    — 

dem  Austreten  der  Linse  und  Sprengung  der  hinteren  Kapsel 
habhaft  zu  werden.  Im  bejahenden  Falle  braucht  man  sich  vor 
massigem  Glaskörperverluste  nicht  zu  scheuen.  Dieser  ist  bei 
weiten  nicht  so  ominös,  als  die  Entzündung,  welche  ein  solcher 
Körper  erregt,  wenn  er  sich  vermöge  einer  gewissen  Grösse 
und  Schwere  dem  Uvealtractus  genähert  hat.  Vergl.  §.  30, 
Glaskörper.  Nur  der  Bogenschnitt  gibt  eine  Wunde,  welche 
das  hier  nothwendige  Eingehen  mit  einer  Pincette  ohne  erheb- 
liche Zerrung  gestattet.  In  der  Regel  wird  man  auch  eine 
breite  Iridektomie  machen  oder  vorausschicken  müssen,  theils 
wegen  der  Erleichterung  der  vollständigen  Linsenentfernung, 
theils  um  den  fremden  Körper  leichter  sehen  und  fassen  zu 
können.  Ginge  auch  das  Auge  nach  der  Extraction  zu  Grunde : 
ist  nur  der  fremde  Körper  entfernt,  so  ist  der  Verletzte  noch 
immer  besser  daran,  als  wenn  dieser  Entzündung  erregte ;  ver- 
eitert die  Cornea,  während  der  Körper  noch  nahe  der  teller- 
förmigen Grube  liegt,  so  ist  die  Ausstossung  desselben  höchst 
wahrscheinlich.  Vergl.  Barton's  Verfahren  im  folgenden 
Paragraphe. 

§.  30.  Im  hinteren  Augenraume  (Glaskörper,  Netz- 
und  Aderhaut).  Sehen  wir  ab  von  dem  tiefen  Eindringen 
grosser  Stücke  von  Holz,  Eisen,  Blech,  Glas  u.  dgl.,  welche 
noch  mehr  weniger  in  der  Einbruchspforte  haften  oder  daraus 
hervorragen,  so  haben  wir  es  hier  meistens  mit  Schrottkörnern, 
mit  Zündhütchenfragmenten,  mit  kleinen  Stückchen  oder  Split- 
tern von  Metall,  Glas  oder  Stein  zu  thun. 

Die  Einbruchspforte  kann  bei  Schrottkörnern,  viel- 
leicht auch  bei  Zündhütchen,  hinter  dem  Fornix  conj.  in  der 
Sklera  liegen,  ausserdem  ist  sie  je  nach  der  Grösse  bald  leichter 
bald  schwerer  in  der  Cornea  oder  im  Bereiche  der  Conjunctiva 
auffindbar. 

Auf  die  Verletzung  sind  die  Betroffenen  im  Momente  gar 
nicht  oder  durch  Schmerz,  Funkensehen,  bald  darauf  durch 
Blutung  oder  durch  Sehstörung  aufmerksam  gemacht  wor- 
den.    Die    Sehstörung,    welche    auch    zu    Anfang    selten    ganz 

fehlt,  kann  zunächst  durch  directe  Verletzung  der  Netzhaut  (an 

7* 


—     100    — 

der  Einbruchsstelle  oder  gegenüber)  bedingt  sein,  sie  ist  aber 
meistens  vorerst  von  Bluterguss  oder  von  dem  fremden  Körper 
im  Glaskörper  abhängig  und  wird  in  letzterem  Falle  oft  als 
Fleck,  Wolke,  Nebel  (bedingt  durch  Schatten  auf  der  Netz- 
haut, daher  mitunter  auch  entoptisch  nachweisbar)  bezeichnet. 
Die  etwa  später  auftretende  Einschränkung  des  Gesichts- 
feldes oder  die  bei  genaueren  Sehproben  vorgefundenen  De- 
fecte  im  Sehfelde  können  directe  Folgen  der  Verletzung 
einer  entsprechenden  Netzhautpartie  sein,  aber  auch  erst  als 
Folge  von  Entzündung  der  beschädigten  Netz-  und 
Aderhautpartie  oder  durch  Netzhautabhebung  wegen 
subretinaler  Blutung,  wegen  Zerrung  der  Netzhaut  gegen  die 
Narbe  an  der  Einbruchspforte  oder  dieser  gegenüber,  oder 
wegen  Schrumpfung  der  den  fremden  Körper  umhüllen- 
den Bindegewebsmassen  bedingt  sein.  (Vergl.  0.  Becker, 
Bericht  von  der  Wiener  Augenklinik  1868  und  Berlin,  A.  f.  O. 
XIII.  b.  275). 

Gestattet  es  die  Durchsichtigkeit  der  Medien,  so  kann 
man  die  Anwesenheit  des  fremden  Körpers  im  Glaskörper  oder 
an  dessen  Peripherie  mit  dem  Augenspiegel  nachweisen,  so- 
fern er  nicht  peripher  nahe  an  oder  gar  vor  der  Ora  serrata 
sitzt.  Sieht  man  eine  sträng-  oder  fadenförmige  Trübung 
die  Linse  schräg  oder  gerade  von  vorn  nach  hinten  durch- 
setzen, in  einem  Falle,  wo  das  Eindringen  eines  bloss  stechen- 
den Instrumentes  ausgeschlossen  und  nur  das  Eindringen  eines 
kleinen  fremden  Körpers  zugegeben  werden  kann,  so  ist  an 
der  Gegenwart  dieses  letzteren  in  oder  hinter  der  Linse  nicht 
mehr  zu  zweifeln.  Manchmal  lässt  sich  aus  der  Anwesenheit 
einer  Hornhautwunde  (Narbe)  und  einer  Irislücke  und  aus  deren 
relativer  Lage  schliessen,  dass  ein  fremder  Körper  neben  dem 
Aequator  lentis  eingedrungen  sei.  Ein  andermal  lässt  sich  die 
Bahn,  die  er  im  Glaskörper  durchlaufen  hat,  als  trüber 
Streifen  erkennen.  (Gräfe  A.  f.  0.  III.  b.  341.)  Wenn  sich 
die  Pupille  stark  erweitern  lässt,  so  kann  man  nicht  selten  mit- 
telst Focalbeleuchtung  Aufschluss  über  den  Sitz  in  der 
Nähe    des   Ciliarkörpers    erhalten.      Der    den    fremden    Körper 


—     101     — 

zunächst  umschliessende  Glaskörper  kann  tage-,  wochenlang 
klar  bleiben,  aber  auch  schon  in  kurzer  Zeit  und  selbst  ohne 
erhebliche  Reiz-  oder  Entzündungserscheinungen  trüb  werden. 
Solche  unscheinbare,  halo-ähnliche  Glaskörpertrübungen 
können  fast  ohne  Ausnahme  auf  einen  darin  sitzenden  fremden 
Körper  bezogen  werden ;  bisweilen  lassen  sie  den  dunklen  oder 
glänzenden  Körper  noch  deutlich  durchscheinen.  In  manchen 
Fällen  geschieht  dies  mitten  im  Glaskörper,  in  anderen  erst 
nach  Senkung,  durch  welche  der  fremde  Körper  meistens  in 
der  Gegend  zwischen  Aequator  bulbi  und  Corpus  ciliare  an 
der  untern  Wand  zu  liegen  kommt  (Ed.  v.  Jäger,  Berlin). 
In  manchen  Fällen  bleibt  der  fremde  Körper  nächst  der  Ein- 
bruchsstelle (Jäger),  in  anderen  an  der  gegenüberliegenden 
Wandung  haften ;  meistens  jedoch  gelangt  er  durch  Zurück- 
prallen in  den  Glaskörper  (Berlin).  In  einem  hier  beobach- 
teten Falle  näherte  sich  das  beinahe  in  der  Mitte  des  Glas- 
körpers schwebend  erhaltene  Kupferblättchen  nach  und  nach 
der  Einbruchspforte,  gegen  welche  es  durch  einen  trüben  Strang 
hingezogen  zu  werden  schien. 

Röthe  und  besonders  Schmerzhaftigkeit  gegen  Be- 
tastung an  einer  Stelle  der  Sklera  kann  den  Sitz  oder 
doch  die  Nähe  des  fremden  Körpers  im  Innern  andeuten,  letz- 
tere selbst  wenn  noch  keine  deutliche  Reaction  eingetreten  ist 
(Gräfe  A.  f.  0.  IX.  b.  80).  Manchmal  findet  man  auch  die 
Pupille  nach  jener  Richtung  erweitert,  wo  hinten  der 
fremde  Körper  sitzt.  Auch  auf  partielle  Unempfindlichkeit 
der  Cornea  möge  man  prüfen;  sie  könnte  auf  Durchtrennung 
von  Ciliarnerven  deuten. 

Prognose.  Vieles  hierüber  ist  schon  bei  Besprechung  der 
Diagnosis  angegeben  worden.  Seit  der  Publication  Ed.  v.  Jäger's 
über  das  Verhalten  fremder  Körper  im  Auge  (Oesterr.  Zeitschr. 
für  prakt.  Heilkunde  1857)  sind  so  viele  Fälle  hieher  gehö- 
render Verletzungen  mit  relativ  günstigem  Verlaufe  beschrieben 
worden,  dass  man  zu  der  Meinung  verleitet  werden  könnte, 
fremde  Körper  im  hinteren  Augenraume  seien  durchschnittlich 
oder  doch  relativ  häufig  nicht  gefährlich,  wenn  man  nicht  wüsste, 


—     102    — 

dass  es  sich  seit  eben  jener  Zeit  zunächst  darum  gehandelt 
habe,  dass  man  mit  Hilfe  der  neueren  Untersuchungsmethoden 
eruire,  welche  Folgen  überhaupt  fremde  Körper  daselbst  nach 
sich  ziehen  können.  Wenn  man  nun  auch  annehmen  darf,  dass 
fremde  Körper  bei  gleicher  Verwundung  und  gleicher  physika- 
lischer Beschaffenheit  im  hinteren  Augenraume,  namentlich  jen- 
seits der  Ora  serrata  leichter  vertragen  werden,  als  in  oder 
nahe  an  dem  vorderen  Abschnitte  des  Uvealtractus ,  so  kann 
sich  doch  in  jedem  gegebenen  Falle  die  Scene  schon  wegen 
der  Veränderlichkeit  des  Sitzes  und  wegen  des  oft  genug,  wenn 
auch  mitunter  spät  (nach  Jahren)  erfolgenden  Zerfallens  der 
zu  Stande  gekommenen  Hülle  oder  Kapsel  jeden  Augenblick 
und  wider  Vermuthen  ändern,  können  deletäre  Folgen  eines 
im  Auge  befindlichen  fremden  Körpers  überhaupt  nicht  nur  in 
diesem  sondern  auch  in  dem  anderen  Auge  auftreten.  Erfah- 
rungsgemäss  werden  hier  nur  ganz  kleine  Körper  bleibend  ein- 
gekapselt, nur  ausnahmsweise  auch  solche,  welche  von  vorn- 
herein wegen  ihrer  Grösse,  Schwere,  chemischen  Beschaffenheit 
oder  stachlicher  Oberfläche  wenig  Aussicht  auf  dauerhafte  Ein- 
kap seiung  gewähren. 

Behandlung.  Wo  weder  die  Geringfügigkeit  (der  Man- 
gel) der  Reactionserscheinungen  seit  geraumer  Zeit,  noch  die 
physikalischen  Eigenschaften  auf  einen  weiteren  günstigen  Ver- 
lauf deuten  und  somit  für  weiteres  Temporisiren  unter  gehö- 
rigem diätetischen  Verhalten  sprechen,  hat  man  nur  die  Wahl 
zwischen  der  Extraction,  welche  vielleicht,  wenn  auch  nicht 
die  Function,  so  doch  die  Erhaltung  der  Form  des  Auges  in 
Aussicht  stellt,  und  der  Enukleation  des  Bulbus.  Wo  letztere 
nicht  wegen  sicher  bevorstehender  oder  rasch  um  sich  greifender 
Entzündung  sogleich  vorgenommen  werden  muss,  schlage  man 
dieselbe  erst  nach  Ablauf  einiger  Tage  vor.  Wenn  der  Ver- 
letzte sieht,  dass  energische  und  sorgfältige  Behandlung  nicht 
ausreicht,  die  Schmerzen  zu  mindern,  besonders  aber,  wenn  er 
bemerkt,  wie  das  noch  bestehende  Sehvermögen,  ja  selbst  der 
Lichtschein  mehr  und  mehr  abnimmt,  namentlich  von  der  Peri- 
pherie her,  so  entschliesst  er  sich  eher  zu  dem  schweren  Opfer 


-     103     — 

und  wird  dem  Arzte  nicht  untreu.  Bei  den  Vorboten  oder  bei 
den  ersten  Symptomen  sympathischer  Affection  des  zweiten  Auges 
werden  diese  wohl  allein  schon  den  Entschluss  beschleunigen. 
Ist  indess  schon  Panophthalmitis  ausgesprochen ,  so  kann  die 
Enucleation  nicht  mehr  als  ein  gefahrloser  Eingriff  betrachtet 
werden  (man  hat  in  einigen  Fällen  Trombose  mit  tödtlichem 
Ausgange  beobachtet),  und  wenn  die  Iridokyklitis  des  zweiten 
Auges  bereits  zu  fester  Verlöthung  zwischen  Iris  oder  Ciliar- 
körper  und  der  Kapsel  geführt  hat,  so  gibt  die  Enucleation  des 
verletzten  Auges  beinahe  nur  ausnahmsweise  Aussicht  auf  Sisti- 
rung  des  sympathischen  Processes,  weil  bereits  die  Bedingungen 
zum  selbstständigen  Fortschreiten  der  Iridokyklitis  gegeben 
sind,  ja  man  hat  sogar  mitunter  nach  verspäteter  Enucleation 
eine  Steigerung  des  letzteren  beobachtet,  wenn  die  sympathi- 
sche Iridokyklitis  zur  Zeit  der  Enucleation  eine  floride  war. 

Sitzt  der  fremde  Körper  unweit  hinter  der  Linse  und 
nicht  zu  weit  vom  Pupillargebiete,  so  kann  man  die  Extraction 
der  Linse  vornehmen,  wie  bereits  in  §.  29  gesagt  wurde.  Sitzt 
er  mehr  peripher,  doch  vor,  mindestens  nicht  weit  hinter  dem 
Aequator  bulbi,  so  kann  man  hoffen,  ihn  durch  die  Sklera  ex- 
trahiren  zu  können.  Gräfe  (A.  f.  0.  IX.  b.  78)  durchtrennt, 
um  fremde  Körper,  reclinirte  Linse  oder  Entozoen  aus  dem 
GJaskörperraume  zu  entfernen,  mit  einem  Beer 'sehen  Staar- 
messer,  entsprechend  dem  vermutheten  Sitze  des  Körpers,  am 
liebsten  einige  Millimeter  vor  dem  Aequator  und  diesem  parallel, 
die  Sklera  und  Chorioidea  in  */<.  —  7s  des  entsprechenden 
Parallelkreises.  Punction  und  Contrapunction  sind  so  zu  wählen, 
dass  man  keinen  der  zwei  Muskeln,  zwischen  welchen  man 
operirt,  ganz  durchschneidet. 

Dieser  Eingriff,  nach  welchem  Gräfe  sogar  noch  partielle 
Wiederherstellung  der  Sehkraft  (bei  einem  Kranken  noch 
2  Monate  nach  der  Operation)  erzielte,  wird  nur  „in  frischen 
Fällen  oder  noch  in  jenem  Stadium  anzuwenden  sein,  wo  die 
beginnende  Infiltration  des  Glaskörpers  uns  noch  den  Einblick 
mit  dem  Augenspiegel  gestattet  und  doch  bereits  den  sicheren 
Vorboten  eines  schlechten  Ausganges  liefert.  In  späteren  Stadien, 


—     104    — 

wo  der  Bulbus  mit  Bindegewebsbildungen  ausgefüllt  ist,  kann 
natürlich  von  solchen  Extractionsversuchen  nicht  die  Rede  sein. 
Gelingt  die  Extraction  nicht,  so  ist  der  Verletzte  durch  die 
Operation  in  keinen  schlimmem  Zustand  versetzt,  indem  die 
akutere  eitrige  Chorioiditis,  die  sich  nun  entwickelt,  rascher 
zur  Atrophia  bulbi  führt  und  der  fremde  Körper  entweder  aus- 
gestossen  oder  in  dichte  Bindegewebsmassen  gehüllt  wird,  wo- 
durch er,  wenn  überhaupt,  noch  am  ehesten  erträglich  wird. 
Droht  sympathische  Affection,  so  ist  die  Enucleation  von  vorn- 
herein vorzuziehen". 

Ein  anderes  Verfahren,  welches  sich  zur  Extraction  eines 
fremden  Körpers  besonders  dann  verwenden  lassen  dürfte, 
wenn  man  die  Einbruchswunde  benützen  kann,  vielleicht  bloss 
zu  erweitern  braucht,  habe  ich  mit  Vortheil  bei  Cysticercus 
subret.  in  der  Aequatorialgegend  (nach  innen  unten)  geübt. 
Nach  eingeleiteter  Narkosis  und  nach  Auf-  und  Auswärtsrollung 
des  Bulbus  mittelst  einer  starken  Fadenschlinge  habe  ich  zuerst 
die  Binde-  und  Scheidenhaut  zwischen  dem  M.  rect.  int.  und  inf. 
in  meridionaler  Richtung  von  vorn  nach  hinten  durchschnitten. 
Die  circa  10  Mm.  lange  Wunde  wurde  dann  mittelst  feiner 
Häckchen  auseinandergehalten,  das  Blut  abgetupft.  Alsdann 
setzte  ich  ein  Staarmesser  (mit  dem  Rücken  gegen  den  Bulbus) 
2 — 3  Mm.  weit  vom  Cornealrande  an  und  führte  es  durch  die 
Bulbuswand  gegen  einen  5 — 6  Mm.  in  meridionaler  Richtung 
rückwärts  gelegenen  Punkt  zur  Contrapunction.  Die  Häkchen 
wurden  jetzt  zum  Aufsperren  der  Bulbus  wunde  verwendet  und 
der  Cysticercus  schlüpfte  aus  derselben  heraus.  Man  könnte 
also  auch  mit  einer  gekrümmten  Pincette  eingehen,  den  fremden 
Körper  hervorzuholen.  Eine  meridionale  Wunde  schliesst  sich 
leichter  und  trifft  wenige  der  grösseren  Chorioidealgefässe. 

Ein  Verfahren,  welches  Function  und  Form  des  Bulbus 
opfert,  jedoch  nicht  das  Abschreckende  der  Enucleation  hat,  ist 
zur  Entfernung  fremder  Körper,  welche  im  Glaskörper  sitzen, 
aber  nicht  an  den  Wandungen  haften,  von  Bar  ton  angegeben 
worden.  (Mackenzie,  Traite  prat.  des  mal.  des  yeux,  par 
Warlomont  et  Testelin,  Paris  1857).     Barton  drang,  wenn 


—     105    — 

ein  fremder  Körper  im  Glaskörper  sass,  mit  einem  Beer 'sehen 
Staarmesser  sogleich  durch  die  Linse,  wie  Wenzel  bei  der 
Linsenextraction ,  um  den  Austritt  der  Linse  zu  erleichtern, 
wobei  zugleich  etwas  Glaskörper,  manchmal  auch  der  fremde 
Körper  austrat ;  war  Letzteres  nicht  der  Fall,  so  wurde  mittelst 
Pincette  und  Scheere  der  Hornhautlappen  abgetragen  und 
wurden  dann  auf  die  geschlossenen  Lider  Leinsamenumschläge 
angewendet.  In  allen  Fällen,  wo  ein  fremder  Körper  (Zünd- 
hütchen) eingedrungen  war,  fand  Bar  ton  denselben  nach  einigen 
Tagen  im  Bindehautsacke,  zwischen  den  Lidern  oder  in  dem  Blut- 
pfropfe, welcher  die  OefFnung  verstopft  hatte. 

§.  31.  Fremde  Körper  hinter  oder  neben  dem 
Bulbus.  Bei  jeder  Wunde  an  den  Lidern  (oder  in  deren 
Nähe)  oder  an  der  Bindehaut  (am  Fornix,  an  der  Karunkel), 
selbst  bei  Verbrühungen,  welche  unter  Explosion  erfolgten,  soll 
man  an  die  Möglichkeit  denken,  dass  sie,  obgleich  mit  einem 
Werkzeuge  gesetzt,  das  offenbar  wieder  vollständig  entfernt 
wurde,  dennoch  einen  fremden  Körper  in  der  Tiefe  berge.  Dass 
ein  fremder  Körper  auch  durch  den  Bulbus  selbst  in  die  Tiefe 
eingedrungen  sein  kann,  wurde  schon  oben  erwähnt.  Die  Ein- 
bruchspforte kann  sehr  klein  und  desshalb  oder  wegen  Blut- 
unterlaufung  oder  entzündlicher  Schwellung  schwer  aufzufinden, 
und  ebenso  kann  die  Verfolgung  des  Wundkanales  bis  zum 
fremden  Körper  wegen  der  ausserordentlich  leichten  und  grossen 
Verschiebbarkeit  der  Cutis  sowohl  als  der  Conjunctiva  äusserst 
schwierig  sein.  Es  ist  hier  eine  um  so  grössere  Vorsicht  ge- 
boten, weil  die  Verletzten  von  dem  Eindringen  eines  fremden 
Körpers  mitunter  gar  keine  Ahnung  haben,  ja  ein  solches  viel- 
leicht geradezu  in  Abrede  stellen. 

Andere  ernste  Zufälle,  z.  B.  Gehirnerschütterung  können 
die  Aufmerksamkeit  ablenken.  Schmerz  und  Blutung  können 
hier  sehr  gering  sein.  Es  ist  jedenfalls  gerathen,  wenn  nicht 
bestimmte  Angaben  oder  Anhaltspunkte  vorliegen,  sieh  nach 
den  Umständen,  unter  denen,  und  nach  den  örtlichen  Verhält- 
nissen, wo  die  Verletzung  erfolgte,  möglichst  genau  zu  erkun- 
digen.    Eine   genauere   Besichtigung  des  Werkzeuges,    womit 


—     106    — 

eine  Wunde  gesetzt  wurde ,  lässt  vielleicht  mit  Bestimmtheit 
auf  das  Zurückbleiben  eines  fremden  Körpers  schliessen.  Eines 
sehr  lehrreichen  Falles  erwähnt  Ed.  Jäger  (Staar-  und  Staar- 
operationen  p.  71);  es  war  ein  fast  2  Zoll  langes  Fragment 
eines  zertrümmerten  Raketenstockes  einer  Zuschauerin  bei  einem 
Feuerwerke  zwischen  dem  unteren  Lide  und  dem  Bulbus  tief 
in  die  Orbita  eingedrungen;  Vortreibung  und  Unbeweglichkeit 
des  Bulbus  hatte  zu  genauerer  Betastung  und  somit  zur  Ent- 
deckung des  fremden  Körpers  geführt. 

Nebst  Sonden,  die  man  von  der  Wunde  aus  unter  Berück- 
sichtigung der  anatomischen  Verhältnisse  einführt,  kann  bis- 
weilen auch  das  Einbringen  des  beölten  kleinen  Fingers  in  den 
Bindehautsack  (so  weit  als  möglich  in  den  Fornix  zwischen 
den  Lidern  und  dem  Bulbus)  Aufschluss  geben.  Nebstdem 
können  veränderte  Lage  des  Bulbus,  namentlich  Hervortreibung, 
veränderte  Stellung  oder  gehinderte  Beweglichkeit  (durch  den 
fremden  Körper,  durch  Bluterguss,  durch  Muskeltrennung,  durch 
eingetretene  Entzündung)  den  Verdacht  auf  einen  fremden  Kör- 
per erregen.  Zeichen  von  Erschütterung  oder  von  Verwundung 
am  Bulbus  schliessen  natürlich  die  Möglichkeit  nicht  aus,  dass 
überdies  noch  ein  fremder  Körper  in  der  Tiefe  vorhanden  sei. 
Aufhebung  des  Sehvermögens  kann  bei  Integrität  des  Bulbus 
und  der  Centralorgane  durch  eine  Wunde  oder  einen  fremden 
Körper  im  Sehnerven,  aber  auch  durch  Compression  oder  rasch 
erfolgte  starke  Dehnung  desselben  bedingt  sein,  Zustände, 
welche  meistens  sehr  bald  ophthalmoskopisch  wahrnehmbare 
Veränderungen  an  der  Papilla  n.  opt.  herbeiführen. 

In  nicht  frischen  Fällen  kommt  es  auf  die  weiter  ein- 
geleiteten Veränderungen  an,  ob  man  die  Gregenwart  eines 
fremden  Körpers  zu  erkennen  vermag  oder  nicht.  Hier  kann 
es  nöthig  sein,  an  der  Einbruchspforte  und  an  einer  sonst  geeig- 
net erscheinenden  Stelle  einen  Einstich  zu  machen,  um  sodann 
sondiren  zu  können. 

Prognose.  Eine  hieher  gehörende  Verletzung  wird  nur 
unter  ganz  besonders  günstigen  Verhältnissen  als  eine  leichte 
bezeichnet  werden  können;  in  der  Regel  ist  sie  eine  schwere, 


—     107     — 

oft  eine  mit  Lebensgefahr  verbundene.  Die  Lebensgefahr  hängt 
nicht  bloss  von  der  Verwundung  an  und  für  sich  ab,  falls  etwa 
die  knöcherne  (namentlich  die  obere)  Wand  der  Orbita  arg 
beschädigt  oder  durchbrochen  wurde,  sondern  dass  in  Folge  der 
entzündlichen  Reaction,  namentlich  durch  Abscessbildung  in 
der  Orbita  leicht  die  Organe  in  der  Schädelhöhle  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  werden  können.  Es  ist  erstaunlich,  wie  grosse, 
schwere  und  zackige  Körper  der  verschiedensten  Art,  besonders 
bei  fester  Einkeilung  in  der  Orbita,  jahrelang  ohne  erhebliche 
Zufälle  ertragen  worden  sind,  während  dagegen  viel  kleinere 
aber  bewegliche  nicht  selten  zur  Bildung  eines  Abscesses 
führen,  welcher,  wenn  dem  Eiter  nicht  bald  auf  künstlichem 
Wege  Ausfluss  verschafft  wird,  nicht  nur  das  Auge,  sondern 
auch,  besonders  wenn  sich  der  Herd  nächst  der  Orbitaldecke 
befindet,  das  Leben  ernstlich  bedroht. 

Beschränken  wir  uns  hier,  um  nicht  in  das  weite  Gebiet 
der  Verletzungen  der  Schädel wandung  überzugreifen,  bloss  auf 
die  in  der  Orbita  selbst  verweilenden  fremden  Körper,  so  ist 
zunächst  zu  bemerken,  dass  sich  in  einer  gewissen  Zahl  von 
Fällen  die  Einbruchspforte  schliesst  und  der  Eindringling  fortan 
auf  unbestimmt  lange  Zeit  ohne  besondere  Reiz-  oder 
Entzündungszufälle  vertragen  werden  kann.  Daran  schliessen 
sich  eine  Reihe  von  Fällen,  wo  es  erst  nach  monate-  oder 
jahrelangem  beschwerdelosen  Vertragen  zu  Entzündung  und 
Abscessbildung  kam.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  jedoch  kommt 
es  vor  oder  kurz  nach  völliger  Verheilung  der  äusseren  Wunde 
zur  Abscessbildung  in  der  Tiefe  unter  den  bekannten  Er- 
scheinungen. Wird  nun  nach  spontaner  oder  künstlicher  Eröff- 
nung des  Abscesses  der  fremde  Körper  nicht  entleert,  so  ist 
die  entstandene  Erleichterung  weder  eine  vollständige  noch  eine 
dauerhafte  und  es  kann  sich  die  Oeffnung  wieder  schliessen, 
oder  es  bleibt  eine  Fistel  zurück,  welche,  wenn  der  Arzt  erst 
um  diese  Zeit  consultirt  wurde,  allerdings  das  Auffinden  der 
Ursache  meistens  leicht  ermöglicht,  falls  der  Eiter  nicht  erst 
nach  Senkung  in  verschiedener  Richtung  zum  Durchbruche  an 
die  Cutis  gelangte. 


—     108     — 

Zur  näheren  Orientirung  über  die  hieher  gehörenden  Falle 
halte  ich  es  für  das  Zweckmässigste,  auf  die  Monographie  von 
Zander  und  Geisslcr  über  die  „Verletzungen  des  Auges, 
Leipzig  und  Heidelberg  1864"  zu  verweisen,  welche  auch  zahl- 
reiche einschlägige  Krankengeschichten  enthält.  Eben  so  meine 
ich  mich  rücksichtlich  der  Behandlung  allen  jenen  gegenüber, 
welche  mit  der  topographischen  Anatomie  und  mit  den  allge- 
meinen medicinisch-chirurgischen  Grundsätzen  vertraut  sind, 
aller  weiteren  Bemerkungen  entheben  zu  dürfen,  da  bei  dem 
Abgange  dieser  hier  doch  jede  Auseinandersetzung  unzureichend 
sein  müsste 


III.  Abschnitt. 

Verbrühung  oder  Aetzung. 


§.  32.  Allgemeine  Bemerkungen.  Die  Agentien, 
welche  das  Auge  durch  hohe  Temperatur  oder  durch  che- 
mische Eigenschaften  beschädigen,  treffen  mitunter  bloss 
die  Hörn-  oder  die  Bindehaut  (beide  zugleich) ,  sehr  häufig 
aber  auch  die  Cutis  der  Lider.  Da  überdies  eine  zunächst  auf 
die  Lider  beschränkte  Verletzung  sehr  leicht  schlimme  Folgen 
für  die  Function,  selbst  für  die  Form  des  Auges  nach  sich 
ziehen  kann,  so  wird  es  hier  zweckmässig  sein,  einige  Bemer- 
kungen über  die  einschlägigen  Verletzungen  der  Lider  voraus- 
zuschicken. 

Verbrühung  verschiedenen  Grades  erfolgt  gewöhnlich 
mit  siedend  heissen  Flüssigkeiten  (Wasser ,  Schmalz  etc.),  ge- 
schmolzenen Metallen  (Blei,  Zinn  etc.),  roth-  oder  weissglühen- 
dem  Eisen,  mit  glimmenden  Zigarren,  mit  Schiesspulver,  mit 
Phosphorzündhölzchen  u.  dgl.,  während  die  mehr  weniger  tiefe 
Aetzung  am  häufigsten  durch  Säuren  (Schwefelsäure,  Scheide- 
wasser), oder  durch  Alkalien  (Pottasche,  Laugenessenz,  frisch 
gelöschten  Kalk,  Mörtel,  u.  dgl.),  mitunter  aber  auch  durch 
Einbringen  von  Sublimat,  rothem  Präcipitat,  Kanthariden  oder 
Tabakpulver  u.  dgl.  in  den  Bindehautsack  (letzteres  mitunter 
in  betrügerischer  Absicht)  zu  Stande  gebracht  wird. 


—     110    - 

Die  Extension  der  Verbrühung  sowohl  als  der  Aetzung 
fällt  nur  bei  gleichzeitig  grosser  Intensität  (bei  mehr  weniger 
tief  eingreifender  Verschorfung  der  betroffenen  Gebilde)  schwer 
in  die  Wagschale.  Tief  eingreifende  Verschorfung  kann  selbst 
bei  relativ  geringer  Extension  von  sehr  schlimmen  Folgen  sein, 
sei  es  wegen  Nichtersatz  der  zerstörten  Partie  und  starker 
Schrumpfung  des  Ersatzgewebes ,  sei  es  wegen  der  zur  Elimina- 
tion des  Ertödteten  eingeleiteten  Reaction  und  der  consecutiven 
eitrigen  Schmelzung  des  Angrenzenden. 

§.  33.  Wenn  die  Verbrühung  oder  Aetzung  der 
Lidhaut  nicht  zur  Verschorfung  des  Coriums  geführt  hat,  kann 
man  die 

Prognose  rücksichtlich  der  Stellung  und  Beweglichkeit 
der  Lider  selbst  bei  weiter  Ausbreitung  günstig  stellen.  Wenn 
aber  der  Schorf  die  Cutis  durchsetzt,  oder  selbst  allem  Anscheine 
nach  bis  auf  den  Tarsus  oder  bis  auf  die  Fascia  tarso-orbitalis, 
respective  bis  zur  Beinhaut  des  Orbitalrandes  eingreift,  so 
kann  man  selbst  bei  geringer  Ausbreitung  vor  bedenklichen 
Folgen  nicht  sicher  sein.  Längs  des  freien  Randes  kann  ver- 
worrene Stellung  der  Wimpern,  welche  später  eine  Opera- 
tion erheischt,  veränderte  Stellung  oder  Verwachsung 
der  Thränenp unkte  und,  wenn  beide  Lider  bis  an  die 
äussere  oder  innere  Commissur  wund  sind,  wohl  auch  Anky- 
loblepharon  nachkommen.  Steht  vermöge  tiefer  eingreifender 
Verschorfung  Zerstörung  der  äusseren  Commissur  oder  Bil- 
dung eines  gegen  den  Orbitalrand  ziehenden  Narbenstranges 
oder  endlich  ausgedehnter  (etwa  die  Hälfte  der  Cutis  zwischen 
Lid-  und  Orbitalrand  betragender)  Substanzverlust  zu  besorgen, 
so  wird  das  Zustandekommen  eines  Ektropium,  und  bei  Be- 
theiligung beider  Lider,  ja  selbst  bei  hochgradiger  nur  des 
einen,  besonders  des  oberen  Lides,  das  Zurückbleiben  von 
Lagophthalmus  kaum  mehr  verhütet  werden  können.  In  man- 
chem Falle  ist  schon  während  der  Ausbildung  des  Lagoph- 
thalmus Entzündung  der  Hornhaut  mit  mehr  weniger  in-  und 
extensiver  Eiterung  beobachtet  worden,  und  zwar  ohne  voraus- 
gegangene   directe     Verletzung    der     Cornea.      Ob    diese    bei 


—   111   — 

gehöriger  Obsorge  in  allen  Fällen  verhütet  werden  könne, 
müssen  wir^vorläufig  unentschieden  lassen. 

Behandlung.  Nach  genauer  Untersuchung  der  Lider  und 
des  Bulbus  und  nach  Entfernung  etwa  vorhandener  fremder 
Körper  oder  Verunreinigung-  gleichzeitig  vorhandener  Wunden  — 
nach  einer  unter  Explosion  erfolgten  Verbrühung  oder  Aetzung  — 
sind  in  der  ersten  Zeit  kalte  Umschläge  wohl  das  beste  ört- 
liche Mittel.  Grössere  Blasen  mögen  eröffnet,  der  Nekrosirung 
preisgegebene  Gewebsfetzen  abgetragen  werden.  Wo  die  Epi- 
dermis fehlt  oder  stark  macerirt  erscheint,  bestreiche  man  die 
betreffende  Partie  mit  einer  circa  lOgranigen  Lapislösung  oder 
bedecke  sie  mit  einem  mit  Leinöl  oder  Ceratum  simplex  be- 
legten Leinenfleckchen  oder  mit  beölter  Watta,  worüber  man 
dann  allenfalls  noch  kalte  Umschläge  appliciren  kann.  Später, 
wenn  es  sich  um  die  Abstossung  des  Schorfes  handelt,  können 
feuchtwarme  Umschläge  angenehmer  und  zweckmässiger  er- 
scheinen. Während  der  Wundheilung  durch  Granulationsbildung 
soll  man  —  nach  Makenzie  1.  c.  T.  I.  155  —  wo  möglich 
beide  Augen  tagelang  unter  Charpieverband  geschlossen 
halten  lassen  und  die  Ueberkleidung  mit  Epidermis  von  den 
Rändern  her  durch  entsprechendes  Touchiren  der  Granulationen 
mit  Lapis  infernalis  zu  befördern  suchen.  Unter  Umständen 
wird  man  diese  Ueberkleidung  noch  besser  durch  inselförmige 
Ueberpflanzung  kleiner  Epidermisschollen  nach  Reverdin  zu 
Stande  zu  bringen  vermögen.  Besser  als  das  blosse  Verbinden 
und  behufs  des  Gelingens  der  Reverdin 'sehen  Epidermis- 
transplantation  jedenfalls  nothwendig  ist  das  auch  an  unserer 
Klinik  öfters  geübte  provisorische  Zusammennähen  der  freien 
Augenlidränder  bis  zur  erfolgten  Epidermisüberkleidung  der 
wunden  Flächen,  welches  zuerst  von  Debrou  (Gaz.  des  Hopit. 
1860  N.  33)  dann  auch  von  Gräfe,  in  etwas  anderer  Weise 
empfohlen  worden  ist.    (A.  f.  O.  III.  a.  IV.  b.  und  X.  b.  221.) 

Wo  immer  Keratitis  ex  lagophthalmo  droht,  soll  man 
wenigstens  entweder  durch  Schutzverband  oder  durch  das 
Tragenlassen  muschelförmiger  Schutzbrillen  die  Cornea  vor 
dem   Anfliegen   von    Staub    zu   schützen    und    überdies    durch 


—     112    — 

fleissiges  Abspülen  mittelst  eines  lauen  Decoctes  von  Malva 
oder  Althea  zu  reinigen  suchen.  Nach  Versuchen  von  Snellen 
(Zehender's  Monatsbl.  1864,  p.  242).  Mit  operativen  Ein- 
griffen gegen  ein  bereits  zu  Stande  gekommenes  Ektropium 
ist  jedenfalls  zu  warten,  bis  die  Haut  der  Umgebung  wieder 
ihr  normales  Aussehen  bekommen  hat,  mindestens  die  entzünd- 
liche Schwellung  und  Röthe  ganz  verschwunden  sind. 

§.  34.  Nach  Verbrühung  des  Auges  sieht  man  an  der 
Hornhaut  entweder  blosse  Trübung  oder  Abstossung  des  Epi- 
thels meistens  ohne  förmliche  Blasenbildung,  oder  eine  halb- 
durchsichtige, eine  perlgraue,  eine  gesättigt  weisse  Trübung 
der  Cornealsubstanz  (wie  gesottenes  Eiweiss),  oder  die  Ober- 
fläche der  intensiv  getrübten  Cornea  gelb  und  zugleich  runzlich. 
Die  sehr  bald  auftretenden  Reactionserscheinungen:  Ciliarinjec- 
tion,  Röthe  und  Schwellung  der  Conjunctiva,  Schmerzen,  Licht- 
scheu und  Thränenfluss  verhalten  sich,  auch  wenn  bloss  die 
Cornea  getroffen  wurde,  verschieden,  sind  jedoch  durchschnitt- 
lich der  Intensität  und  Verbrühung  proportionirt.  Trockenheit 
der  getrübten  Partie  der  geringere  (aufgehobene)  Empfindlich- 
keit der  Cornea  sind  als  ominöse  Symptome  anzusehen;  ebenso 
in  der  Regel  hochgradige  Chemosis;  Fiebererscheinungen  können 
auch  anderweitig  bedingt  sein. 

An  der  Conjunctiva  findet  man,  wenn  die  Verbrühung 
nur  einigermassen  intensiv  war,  eine  mehr  weniger  grosse  Partie 
der  Conjunctiva  bulbi  in  einen  weissen,  nicht  glatten,  öfter 
etwas  deprimirten  oder  etwas  prominenten  Fleck  (Schorf)  ver- 
wandelt, an  den  Rändern,  besonders  nächst  der  Cornea,  roth 
gesprenkelt,  wenn  die  Umgebung  nicht  bereits  wallartig  ge- 
schwollen erscheint.  Das  Aussehen  solcher  durch  thermische 
oder  chemische  Agenden  veränderter  Partien  hat  etwas  so 
Charakteristisches,  dass  man  es  nur  einmal  genau  angesehen 
zu  haben  braucht,  um  seinen  Ursprung  in  später  vorkommenden 
Fällen  sofort  wieder  zu  erkennen,  und  dass  nur  allenfalls  noch 
eine  Verwechslung  mit  Conjunctivitis  crouposa  oder  diphtheri- 
tica  möglich  wäre.  Hat  das  thermische  Agens,  z.  B.  ein  Stück 
glühenden  Eisens  die  Conjunctiva  bulbi  verschorft  und  ist  der 


—     113    — 

Schorf  bereits  abgestossen,  so  kann  der  Grund  der  wunden 
Stelle  von  der  entblössten  Sklera  gebildet  werden;  er  liegt 
dann,  umsäumt  von  mehr  weniger  geschwellter  und  punktförmig 
ecchymosirter  Conjunctiva,  mehr  in  der  Tiefe. 

Wenn  die  Verbrühung  nicht  etwa  durch  geschmolzene 
Substanzen:  Blei,  Zinn,  Legirung,  Wachs,  Siegellack,  Pech 
u.  dgl. ,  über  denen  sich  die  Lider  augenblicklich  schliessen 
konnten,  verursacht  wurde,  so  leidet  die  Conjunctiva  palpe- 
brarum mitunter  gar  nicht  mit  oder  nur  an  und  nächst  dem 
freien  Lidrande.  War  diess  dennoch  der  Fall,  weil  das  glühende 
Metall  zwischen  Lid  und  Bulbus  gegen  den  Fornix  Conjunc- 
tivae vorgedrungen,  so  steht  ein  mehr  weniger  tiefes  und  breites 
Symblepharon  in  Aussicht.  Mitunter  findet  man  tief  im  Fornix 
oder  selbst  noch  dahinter  Stücke  der  verbrühenden  oder  einer 
anderen  zufällig  mit  hineingedrängten  Substanz.  Minder  gefähr- 
lich ist  das  Anstossen  an  glimmende  Cigarren  und  das  An- 
fliegen glühender  Köpfchen  von  Phosphorzündhölzchen,  welche 
meistens  den  Lidrand  oder  die  Conjunctiva  bulbi  nächst  dem 
inneren  Winkel  treffen.  Erstere  lassen  gewöhnlich  Asche  zu- 
rück, letztere  pflegen  sich  tief  in  die  Karunkel  oder  in  den 
Lidrand  einzubrennen  und  ausserordentlich  heftigen  Schmerz  zu 
verursachen.  Bei  der  Verbrühung  mit  Pulverkörnern  ist  es  nicht 
so  sehr  diese  selbst  als  das  Eindringen  von  Pulver-  oder  Sand- 
körnern, wohl  auch  von  Metallstückchen  oder  anderen  Sub- 
stanzen in  die  Conjunctiva,  Cornea  oder  noch  tiefer,  welches 
die  Verletzung  zu  einer  schweren  stämpeln  und  das  Krankheits- 
bild verschieden  gestalten  kann. 

§.  35.  Von  den  chemisch  wirkenden  Substanzen 
sind  in  erster  Reihe  der  frisch  gelöschte  Aetzkalk,  in  specie 
der  mit  Sand  vermischte  (Mörtel)  und  die  Schwefelsäure  zu 
nennen.  Die  damit  zugefügten  Verletzungen  sind  auch  am  häu- 
figsten der  Gegenstand  strafgerichtlicher  Untersuchungen.  Die 
deletären  Wirkungen  der  »Säuren  erstrecken  sich  fast  ohne  Aus- 
nahme zugleich  auf  die  Lider,  während  sich  die  des  Mörtels 
meistens  auf  den  Bindehautsack  und  die  Cornea  beschränken. 
Von  der  Verletzung  der  Lider  war  bereits  in  §.  33  die  Rede. 

v.  Ar  lt.  Die  Verletzungen  des  Auges.  8 


—     114     — 

Die  Diagnosis  in  ätiologischer  Beziehung  ist,  abgesehen 
von  dem  Einbringen  chemisch  wirkender  Substanzen  aus  be- 
trügerischer Absicht,  fast  ohne  Ausnahme  durch  die  Anamnesis 
gegeben.  Wenn  jedoch  ätzende  Substanzen  mit  einer  gewissen 
Gewalt,  z.  B.  durch  Anwerfen  einer  Flasche  oder  bei  einer 
Explosion  ans  Auge  geschleudert  wurden,  möge  man  nicht  unter- 
lassen, nach  den  Folgen  mechanischer  Verletzung  (subitane 
Compression,  Eindringen  eines  —  vieler  —  fremder  Körper)  zu 
forschen.  Die  Zerstörungen,  welche  das  chemische  Agens  selbst 
an  der  Cornea,  an  der  Conj.  bulbi  et  palpebrarum  und  an  den 
Lidern  angerichtet  hat,  wird  man  nach  Beseitigung  der  fremden 
Körper,  in  specie  des  Mörtels  aus  dem  Bindehautsacke,  un- 
schwer zu  erkennen  im  Stande  sein.  Sie  unterscheiden  sich 
nicht  wesentlich  von  den  durch  Verbrühung  gesetzten.  In  ana- 
loger Weise  kommt  hier  nebst  der  Ausbreitung  auch  der  Grad 
der  Concentrirung  und  die  Dauer  der  Einwirkung  in  Erwägung 
zu  ziehen,  nebstdem  aber  noch  der  Umstand,  ob  es  möglich 
sei,  alles  fremdartige  (Sand-  und  Kalktheile)  ganz  zu  entfernen. 
Mitunter  haften  Sand-  oder  Kalktheilchen  auch  in  den  ober- 
flächlichen Schichten  der  Hornhaut. 

§.  36.  Prognose.  Die  Folgen  einer  Verbrühung 
oder  Aetzung  können  sehr  leicht  und  transitorisch,  aber  auch 
sehr  schwer  und  irreparabel  sein. 

a)  An  der  Cornea.  Ist  es  in  den  ersten  Tagen  bloss 
zu  Abstossung  des  Epithels  und  allenfalls  auch  zu  hauchartiger 
Trübung  der  Cornea  gekommen,  so  darf  man  auf  Wiederkehr 
der  Integrität  der  Cornea  rechnen.  Die  Restitution  des  Epithels 
beginnt  vom  Rande  her,  schreitet  gegen  das  Centrum  vor  und 
ist  längstens  in  8 — 14  Tagen  vollendet.  (So  habe  ich  es  nach 
der  Einwirkung  siedend  heisser  Flüssigkeiten  gesehen.)  Ist  die 
Cornea  durchaus  oder  in  einer  grösseren  Partie  höchstens  perl- 
grau, demnach  nur  so  getrübt,  dass  der  dunkle  Hintergrund 
noch  mehr  weniger  stark  durchscheint,  vielleicht  selbst  die 
Contouren  der  Pupille  noch  wahrgenommen  werden  können, 
und  dabei  die  Cornea  nicht  unempfindlich,  so  darf  man  auf 
Wiederkehr  ihrer  Durchsichtigkeit  rechnen,  wenn  nicht  eitrige 


—    115    — 

Zerstörung  von  Seite  angrenzender,  verschorfter  Partien  zu 
besorgen  steht  oder  schon  vorhanden  ist.  Partien,  welche  wie 
gesottenes  Eiweiss  aussehen,  dabei  wohl  auch  trocken  und  un- 
empfindlich erscheinen,  verfallen  allmäliger  Schrumpfung  oder, 
gleich  den  schmutzig  gelben  und  runzeligen  Stellen,  brandigem 
Absterben  und  rascher  oder  langsamer  Elimination  durch 
Eiterung,  wobei  das  Auge  auch  der  Form  nach  zu  Grunde  geht. 

Die  Cornea  wird  aber,  da  sich  die  Verbrühung  meistens 
nicht  auf  sie  allein  beschränkt,  nicht  bloss  durch  bleibende 
(partielle  oder  totale)  Trübung  oder  Eiterung  und  deren  Folgen 
bedroht,  sie  kann  auch  mit  einer  angrenzenden  wunden  Partie 
der  Conjunctiva  bulbi  oder  mit  einem,  und  selbst  mit  beiden 
Augenlidern  verwachsen  und  es  kann,  falls  einer  dieser  Zu- 
stände zur  Zeit  der  Beobachtung  nicht  schon  vorliegt,  ganz  un- 
möglich sein,  demselben  vorzubeugen. 

a)  Ist  eine  Partie  der  Cornea  und  der  angrenzenden  Con- 
junctiva bulbi  wund  und  letztere  wulstig  geschwellt,  so  dass 
ein  Theil  ihrer  wunden  Fläche  über  die  wunde  Cornea  hinüber 
geschlagen  wird,  so  kann  Verlöthung  der  sich  berührenden 
Flächen  erfolgen  und  hiemit  ist  der  Anstoss  zur  successiven 
Hinüberziehung  einer  mehr  weniger  grossen  Bindehautpartie 
auf  die  Cornea,  zur  Entstehung  eines  Flügelfelles  gegeben. 
Ein  solches  Flügelfell  unterscheidet  sich  von  jenen,  welche  man 
bei  Leuten  der  körperlich  arbeitenden  Classe  (namentlich  bei 
Maurern,  Kutschern,  Bauern  u.  dgl.)  nach  dem  30.  Lebensjahre 
nicht  selten  ohne  speciell  angebbare  Ursache  findet,  weder 
nosogenetisch  (denn  auch  hier  macht  die  Beschäftigung  das 
Einwirken  mechanisch-chemisch  wirkender  Substanzen  mehr 
als  wahrscheinlich),  noch  pathologisch-anatomisch  und  mikro- 
skopisch, sondern  mehr  dadurch,  dass  sein  Auftreten  nicht 
wie  bei  jenen  an  den  innern  oder  äussern  Winkel  gebunden 
ist,  also  auch  oben  oder  unten  oder  in  diagonaler  Rich- 
tung vorkommt,  dass  sein  Kopf  (gewöhnlich  Spitze  genannt) 
eine  mehr  weniger  ausgebreitete  und  unregelmässige  poly- 
gonale  Narbenmasse   auf   der   Cornea   darstellt,    und    dass    es 

überdies  meistens  gleich  von  Anfang  mit  einem  mehr  weniger 

8* 


—     116    — 

hohen  Grade  von  Symblepharon  zugleich  besteht.  Es  theilt  mit 
diesem  alle  Beschwerden,  behindert  meistens  die  Beweglichkeit 
des  Bulbus  in  eminenter  Weise,  hat  jedoch  gewöhnlich  das  für 
sich,  dass  es,  wenn  einmal  die  Reaction  nach  der  Verletzung 
vorüber  ist,  auf  der  Cornea  nicht  mehr  weiter  schreitet,  sondern 
stationär  bleibt. 

ß)  Kommt  die  wunde  Partie  der  Cornea  an  eine  wunde 
Partie  eines  Augenlides ,  gewöhnlich  des  obern,  zu  liegen  und 
kann  der  anhaltende  Contact  derselben  nicht  verhindert  werden, 
so  entsteht  Verwachsung  derselben,  Symblepharon  corneale, 
ein  Zustand  der  bei  grosser  Verwachsungsfläche  unheilbar  ist, 
und  auch  bei  Betheiligung  von  nur  etwa  dem  dritten  Theile 
des  Cornealareales  kaum  ohne  Gefahr  operativ  behoben  werden 
kann.  Wir  finden  ihn  nicht  selten  als  Fait  accompli  vor.  Er 
darf  nicht  verwechselt  werden  mit  jenem  Zustande,  wo  sich 
von  dem  mit  der  Sklera  verwachsenen  Lide  nur  eine  flügelfell- 
artige  Membran  auf  die  Cornea  erstreckt,  denn  diese  gestattet 
eine  ungleich  günstigere  Prognose. 

b)  An  der  Bindehaut  fällt  vorzugsweise  die  Grösse  des 
verschorften  Areals  und,  wenn  sich  dieses  bis  an  die  Ueber- 
gangsfalte  erstreckt,  die  gleichzeitige  Verbrühung  und  Anätzung 
des  gegenüberstehenden  Bindehautblattes  in  die  Wagschale. 
Substanzverluste  an  der  Bindehaut  selbst  (nicht  bloss  des  Epi- 
thels) werden  niemals  durch  Ersatz,  sondern  immer  nur  durch 
Herbeiziehung  benachbarter  Partien  gedeckt.  Durch  die  Con- 
tractionskraft  des  die  Herbeiziehung  vermittelnden  Narben- 
gewebes kann  der  freie  Lidrand  einwärts  gerollt,  die  Beweg- 
lichkeit des  Bulbus  beeinträchtigt,  die  Tiefe  des  Bindehautsackes 
bedeutend  vermindert  werden.  Reicht  eine  wunde  Fläche  am 
Bulbus  so  tief  bis  in  den  Fornix,  dass  sie  hier  mit  einer  wun- 
den Fläche  am  Lide  zusammen  stösst,  continuirlich  in  diese 
übergeht,  so  erfolgt  die  Verwachsung  der  wunden  Flächen  von 
dem  Winkel  her  mit  unaufhaltsamer  Gewalt,  und  es  kommt  zu 
einem  Symblepharon  sklerale,  von  dessen  Breite  —  in  der 
Richtung  der  Uebergangsfalte  —  es  abhängt,  ob  man  noch  auf 
Abhilfe   durch   eine    später  vorzunehmende  Operation   rechnen 


—     117     — 

darf  oder  nicht.  Ist  die  Uebergangsfalte  gar  nicht  oder  so 
wenig  beschädigt,  dass  es  daselbst  nicht  zur  Verwachsung 
kommt,  man  also  später  eine  Sonde  hinter  dem  Symblepharon 
sklerale  in  der  Richtung  der  Uebergangsfalte  zwischen  Lid 
und  Bulbus  durchführen  kann,  so  ist  wenigstens  die  erste  Be- 
dingung zur  bleibenden  Befreiung  des  Bulbus  vom  Lide  vor- 
handen ,  und  die  Breite  —  längs  des  Tarsus  —  bildet  an  und 
für  sich  kein  Hinderniss  für  die  Wiederherstellung  eines  ganz 
oder  nahezu  normalen  Zustandes. 

Es  ergibt  sich  daraus,  dass  ein  totales,  ja  selbst  ein  kaum 
die  Hälfte  der  Lidbindehaut  einnehmendes  Skleralsymblepharon, 
sobald  es  in  die  Tiefe  reicht  und  dort  nicht  sehr  schmal  ist, 
eben  so  gut  als  unheilbar  zu  betrachten  sein  wird,  wie  ein  circa 
ein  Drittel  der  Hornhautoberfläche  einnehmendes  Cornealsymble- 
pharon. 

In  den  meisten  Fällen  von  Symblepharon  ist,  abgesehen 
von  Sehstörung  und  von  gehinderter  Beweglichkeit  des  Bulbus, 
eine  mehr  weniger  auffallende  Entstellung  des  Gesichtes  und  eine 
mehr  weniger  grosse  Belästigung  durch  Thränenträufeln  gegeben. 

§.37.  Behandlung  nach  Verbrühung  oder  Aetzung 
am  Auge.  Zunächst  sorge  man  für  sorgfältige  Reinigung  des 
Auges  durch  Ab-  und  Ausspülen  mit  lauem  Wasser  und  ent- 
ferne alles,  was  vom  Brand-  oder  Aetzstoffe  noch  im  Bindehaut- 
sacke oder  an  der  Cornea  haftet,  nach  Thunlichkeit  auch  etwa 
vorhandene  fremde  Körper.  Dass  man  Körper,  die  durch 
Aetzung  noch  fortwirken,  z.  B.  Stücke  von  Lapis  infernalis 
von  Aetzkalk  u.  dgl.  so  schnell  und  gut  als  möglich  mechanisch, 
nicht  aber  mit  Wasser,  welches  die  Wirkung  steigern  oder 
weiter  verbreiten  kann,  zu  entfernen  trachten  werde,  sei  hier- 
mit nur  in  Erinnerung  gebracht.  Die  Entfernung  erkalteter 
Metallstücke  oder  Platten  kann  mitunter  einige  Gewalt  erfordern 
und  desshalb  leicht  zu  mechanischer  Verletzung  Anlass  geben. 
In  einem  Falle  von  Ammon  (dessen  Zeitschrift  IL  p.  155) 
wurde  ein  fest  an  der  Cornea  haftender  Tropfen  geschmolzenen 
Peches  durch  Einträufeln  lauwarmen  Baumöles  und  durch 
Ueberschlagen    damit    getränkter    Leinenflecke    flott    gemacht, 


—     118    — 

nachdem  die  einfach  mechanische  Abhebung  misslungen  war. 
Die  meiste  Schwierigkeit  vollständiger  Beseitigung  pflegt  der 
Mörtel  im  Bindehautsacke  zu  bereiten. 

Man  stösst  mitunter  auf  ganze  Nester  von  Sand  und  Kalk, 
welche  in  der  Tiefe  liegen  und  auch  nach  sorgfältiger  Abzie- 
hung  des  untern  und  Umstülpung  des  obern  Lides  nur  schwer 
völlig  aufgedeckt  und  noch  weniger  ganz  von  dem  fest  ad- 
härenten  Beschläge  befreit  werden  können.  Das  Herauskratzen 
und  Hervorholen  mit  einem  Da  viel' sehen  Löffel,  sofern  man 
dabei  nicht  Quetschung  oder  Zerreissung  der  Umgebung  be- 
wirkt, und  das  Ausspülen  durch  Irrigation  ist  jedenfalls  minder 
gefährlich,  als  das  Ausspritzen  mit  einem  kräftigen  Wasser- 
strahle, weil  man  durch  diesen  leicht  Wasser  oder  fremde 
Körper  tiefer  in  das  erweichte,  lockere  subconjunctivale  Ge- 
webe hineintreiben  kann.  Gosselin  (Mackenzie  1.  c.  I.  340) 
empfiehlt  häufiges  Einträufeln  stark  gezuckerten  Wassers,  um 
Kalktheilchen  zu  lösen  und  abzuspülen,  namentlich  wenn  solche 
in  der  Cornea  haften;  das  stark  gesättigte  Zuckerwasser  setzt 
keinen  neuen  Entzündungsreiz. 

Darauf  folge  eine  nach  Erforderniss  strenge  anti- 
phlogistische Behandlung  bei  entsprechender  Augen-  und 
allgemeiner  Diät.  Der  Verletzte  bleibe  im  Bette,  mindestens  im 
Zimmer,  bei  temperirtem  Lichte  und  vermeide  jede  Anstren- 
gung des  anderen  Auges,  falls  er  deren  noch  fähig  sein  sollte, 
bis  die  Gefahr  des  Hinzutretens  von  Iritis  vorüber  ist.  Aus 
Rücksicht  auf  die  Iris  werde  Atropin.  sulphur.  eingeträufelt. 
Eiskalte  Umschläge  mildern  die  Schmerzen  und  halten  die 
Reaction  nieder.  Bleihaltige  Mittel  sind  zu  meiden,  dürfen 
wenigstens  nicht  in  den  Bindehautsack  gelangen.  Blutegel, 
vielleicht  selbst  Aderlässe,  Abführmittel  können  als  Adjuvantia 
zulässig  und  zweckmässig  erscheinen.  Mit  Hautreizen  verschone 
man  die  ohnehin  meistens  sehr  Ergriffenen  und  Aufgeregten. 
Ihr  Nutzen  existirt  wohl  nur  in  der  Einbildung.  Salben  mit 
Belladonna  oder  Opium,  noch  besser  Morphium  innerlich  oder 
endermatisch,  werden  dem  Kranken  die  Qualen  der  Schmerzen 
und  der  Schlaflosigkeit  zu  erleichtern  am  ehesten  im  Stande  sein. 


—     119    — 

Im  weiteren  Verlaufe  wird  die  Behandlung  sich  wohl  zu- 
nächst nach  dem  Zustande  der  Cornea  zu  richten  haben,  nach 
den  bekannten  Regeln  bei  Keratitis  suppurativa,  dabei  aber 
auch  die  Begünstigung  der  Abstossung  verschorfter  Par- 
tien nicht  ausser  Acht  zu  lassen  sein.  An  die  Stelle  der  kalten 
werden  jetzt  meistens  feuchtwarme  Umschläge  durch  10 — 20 
Minuten  in  Intervallen  von  einer  oder  einigen  Stunden  —  je 
nach  der  Wirkung  —  zu  treten  haben.  Dünne,  höchstens 
handtellergrosse,  anschliessende  doch  nicht  drückende  Leinen- 
compressen, in  ein  Infus,  flor.  Chamomillae  getaucht,  bilden  ein 
zweckmässiges  Applicationsmittel  feuchter  Wärme. 

Eine  Hauptaufgabe  besteht  in  der  Verhütung  des  Ver- 
wachsens  wunder  Flächen  miteinander.  Schon  in  den 
ersten  Tagen,  ja  Stunden  nach  der  Verletzung  kann  man  finden, 
dass  durch  eine  zähe  plastische,  anfangs  hyaline,  später  trübe 
und  resistente  Masse,  von  verwundeten  Stellen  geliefert,  die 
Falten  der  geschwellten  Bindehaut  des  Uebergangstheils  mit 
einander  weithin  verklebt  werden,  auch  wenn  sie  selbst  viel- 
leicht nur  hie  und  da  des  Epithels  beraubt  sind.  Dies  kann 
man  im  Uebergangstheile  des  untern,  wohl  auch  des  obern 
Lides  (nach  Umstülpung)  sehen.  Reicht  starkes  Rollen  des 
Bulbus  nach  der  entgegengesetzten  Seite  nicht  hin,  solche 
brückenartige  Verbindungen  zu  lösen,  so  schiebe  man  einen 
Daviel'schen  Löffel  oder  eine  Knopfsonde  in  der  unterliegenden 
Furche  vor,  und  hüte  sich  dabei,  die  erweichte  Bindehaut 
zu  spiessen  oder  einzureissen.  Bisweilen  sind  auch  grössere 
Flächen  noch  nicht  so  fest  verklebt,  dass  man  sie  ohne  Gefahr 
ärgerer  Verletzung  mit  dem  Daviel'schen  Löffel  oder  mit  einem 
schmalen  spateiförmigen  Instrumente  von  Bein,  Schildkrot, 
gehärtetem  Kautschuk  trennen  kann.  (Einen  sehr  interessanten 
Fall  erzählt  E.  Jäger  in  Staar-  und  Staaroperationen,  1854, 
p.  64.)  Alsdann  erwäge  man,  ob  der  Zustand  der  Bindehaut 
es  gestattet,  eine  der  etwas  blutenden  Flächen  mit  einer 
5 — 10  granigen  Lapislösung  zu  bestreichen,  oder  ob  man 
von  (den  gleich  zu  erwähnenden)  Mitteln  Gebrauch  machen 
solle,  welche  eine  dünne  Zwischenlage   zwischen   den    wunden 


—     120     — 

Flächen  zur  Verhütung'  neuerlicher  Verklebungen  abgeben 
sollen. 

Zur  Auseinanderhaltung  grösserer,  einander  gegenüber 
liegender  epithelloser  Flächen  hat  man  von  altersher  verschie- 
dene Mittel  empfohlen.  Hieher  gehören  zunächst  Verfahren, 
welche  bezwecken,  durch  Abziehung  (continuirlich  oder  häutig 
wiederholt)  des  Lides  —  allenfalls  auch  durch  temporäre  Ektro- 
pionirung  Zeit  zu  gewinnen,  bis  die  wunden  Flächen  durch 
Nachwuchs  von  Epithel  oder  durch  Beiziehung  benachbarter 
Partien  gedeckt  werden.  Wo  jedoch  die  wunden  Flächen  in 
der  Gegend  der  Uebergangsfalte  in  einander  übergehen,  sind 
diese  Encheiresen  ein  eitles  Unternehmen,  wenn  sie  auch  trotz 
ihrer  enormen  Lästigkeit  consequent  durchgeführt  würden.  Es 
ist  übrigens  ganz  irrational,  die  Conjunctiva  palpebrarum,  auch 
wenn  sie  nicht  wund  ist,  längere  Zeit  dem  Contacte  mit  der 
Luft  auszusetzen. 

Nicht  minder  unglücklich  und  unfruchtbar  war  die  Idee, 
die  wunden  Flächen  durch  Einlegung  fremder  Körper  aus- 
einander zu  halten.  Man  hat  zur  Realisirung  dieser  Idee  Platten 
oder  Schalen  von  Wachs,  von  Blei,  von  Email  (flach  oder  in 
Form  künstlicher  Augen)  vorgeschlagen  und  verwendet.  Ab- 
gesehen davon,  dass  der  entzündliche  Zustand  der  Conjunc- 
tiva —  von  gleichzeitiger  Verletzung  der  Cornea  gar  nicht  zu 
reden  —  in  der  Regel  gegen  eine  weitere  mechanische  Insul- 
tation derselben  spricht:  wenn  die  Wundflächen  bis  in  den 
Fornix  reichen,  so  erfolgt  die  Vernarbung  von  dort  aus  und 
schreitet  mit  so  unwiderstehlicher  Kraft  gegen  den  freien  Lid- 
rand vor,  dass  von  einem  mechanischen  Widerstände  weiter 
nicht  die  Rede  sein  kann.  Und  doch  werden  diese  Mittel  immer 
wiederholt  in  verschiedenen  Variationen  empfohlen;  aber  ver- 
lässliche Fälle  von  guter  Wirkung  sucht  man  bei  denselben 
Autoren  vergebens. 

Nach  meiner  Erfahrung  bleibt,  so  lange  noch  keine  festere 
Verklebung  eingetreten  ist,  noch  immer  wiederholte  sorgfältige 
Trennung  und  häufiges  Abziehen  der  Lider  in  Verbindung  mit 
darauf  angewendeter  leichter  Touchirung  oder,  wo  diese  nicht 


-     121     — 

zulässig,  mit  Einträuflung  milder,  schleimiger  oder  öliger  Flüssig- 
keiten das  beste  Verfahren.  Hieher  gehören :  frischer  Rahm 
oder  frische,  weiche  Butter,  Creme  Celeste,  frisches  Baum-  oder 
Mandelöl,  Mucilago  semin.  cydon.  Glycerin,  das  sich  sonst 
sehr  gut  eignen  würde,  erregte  meistens  ein  zu  heftiges  Brennen. 
Wie  Wecker  (Traite  des  mal.  des  yeux,  Paris  1867,  T.  I, 
160)  zur  Verwerfung  des  Baum-  und  Mandelöls  (auch  des  fri- 
schen) als  eines  die  Bindehaut  sehr  irritirenden  und  schmerz- 
erregenden Mittels  gekommen  ist,  kann  ich  nach  meiner  Erfah- 
rung nicht  begreifen.  Wenn  ich  mich  öfters  des  Quittenschleimes 
bediene,  so  geschieht  dies  vorzüglich  desshalb,  weil  er  leichter 
an  den  feuchten  Platten  haftet  und  sie  mehr  gleichmässig  deckt. 
Nächstens  will  ich  Versuche  mit  frischem  Leinsamenöl  und  mit 
Sirupus  simplex  an  der  Conjunctiva  vornehmen. 

Die  Resultate,  welche  in  verschiedenen  Regionen  an  der 
Cutis  mit  der  Reverdin'schen  Epidermisinsel-Transplantation 
erzielt  worden  sind,  lassen  erwarten,  dass  zur  Zeit,  wo  bei 
bevorstehendem  Symblepharon  lebhafte  Wundgranulation  vor- 
handen ist,  die  Ueberpflanzung  dünner  Schollen  von  der  Lippen- 
schleimhaut im  Stande  sein  werde,  die  eine  der  Wundflächen 
so  weit  zu  decken,  dass  sie  Schutz  gegen  die  Verwachsung 
gewährt.  In  neuester  Zeit  hat  Prof.  Otto  Becker  (Wiener 
med.  Wochenschr.  1874,  Nr.  46)  gezeigt,  dass  man  zur  Deckung 
solcher  Wundflächen  auch  die  Bindehaut  von  Kaninchen  ver- 
wenden (einheilen)  kann. 

Auch  für  die  operativen  Eingriffe  gegen  ein  bereits  zu 
Stande  gekommenes  Symblepharon  gilt  die  beim  Ektropium  oben 
aufgestellte  Regel,  dass  man  dieselben  nicht  früher  vornehme, 
als  bis  jede  Spur  des  entzündlichen  Processes  vorüber,  bis  das 
Narbengewebe  gehörig  consolidirt  ist.  Es  können  darüber  wohl 
zwei  bis  drei  Monate  vergehen. 


IV.  Abschnitt. 

Künstlich   erzeugte  und   übertriebene 

oder 

vorgeschützte  (fingirte)  Augenübel. 


Es  kann  im  Interesse  einer  Person  liegen,  eine  Augen- 
entzündung künstlich  hervorzurufen  und  zu  unter- 
halten (Ophthalmia  artificialis  nach  Mackenzie,  maladies  de 
l'ceil,  Paris,  T.  IL,  p.  116.).  Einige  haben  die  Lidränder  nach 
Ausziehung  der  Wimpern  mit  Aetzmitteln  bestrichen;  andere 
haben  in  den  Bindehautsack  mechanisch  oder  chemisch  wir- 
kende Substanzen  eingebracht.  Zu  den  letzteren  gehörten  be- 
sonders Sublimat,  rother  Präcipitat,  Kupfervitriol,  Aetzkalk, 
Kantharidensalbe,  Schnupftabak,  Tabaksaft  oder  Asche,  Kochsalz. 

Die  künstliche  Augenlidrandentzündung  möchte  sich  von 
der  spontan  aufgetretenen  Blepharitis  exulcerans  wohl  schon 
durch  den  Abgang  kleiner  trichterförmig  in  die  Tiefe  greifender 
Substanzverluste,  weiterhin  aber  unter  strenger  Ueberwachung 
durch  das  Nachwachsen  der  Cilien  unterscheiden  lassen.  Die 
artiticielle  Bindehautentzündung  könnte,  falls  noch  ein  Schorf 
von  dem  Aetzmittel  vorhanden  wäre,  nur  als  Diphtheritis,  sonst 
aber  wohl  nur  als  acut  oder  chronisch  katarrhalische  Bindehaut- 
entzündung gedeutet  werden.  Die  Diphtheritis  dürfte  bei  Er- 
wachsenen,   ausser   nach   Infection,   nur   unter  ganz  besonders 


-     123    — 

ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  spontan  auftreten  und  zu- 
gleich von  fieberhaften  Erscheinungen  begleitet  sein ;  sie  würde 
übrigens  schon  in  2 — 3  Wochen  zum  Abschlüsse  gelangen, 
während  die  künstlich  erregte  wohl  meistens  länger  unterhalten 
werden  müsste,  wenn  sie  ihren  Zweck  erreichen  soll.  Lässt 
sich  aber  keine  Anätzung  nachweisen,  so  kann  eine  sorgfaltige 
Untersuchung  des  Bindehautsackes  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung sowie  auch  des  Bindehautsecretes  vielleicht  zur  Ent- 
deckung eines  fremden  Körpers  führen  oder  das  Beschränkt- 
sein der  Röthe  und  Schwellung  auf  eine  kleine  Stelle  zeigen, 
dass  man  es  nicht  mit  einer  chronisch-katarrhalischen  oder 
blenorrhoischen  AfFection  zu  thun  habe,  denn  bei  dieser  ist 
die  Bindehaut  durchaus,  von  einem  Winkel  zum  anderen,  in 
gleichem  Grade  geröthet,  geschwellt,  infiltrirt,  und  nur  am 
obern  Lide  allenfalls  nächst  dem  inneren  und  äusseren  Ende 
des  convexen  Randes  des  Knorpels  zugleich  gewöhnlich  etwas 
stärker.  Nach  Mackenzie  hat  man  Soldaten,  welche  im  Ver- 
dachte artificieller  Ophthalmie  standen,  in  der  Nacht  unvermuthet 
geweckt,  ihre  Kleider  bis  aufs  Hemd  mit  frisch  beigebrachten 
wechseln,  und  sie  sodann  in  eine  andere  Wohnung  bringen 
lassen  —  alles  unter  steter  Ueberwachung  —  und  sodann  bei 
der  Visitation  der  früheren  Kleidung  und  Behausung  die  Corpora 
delicti  vorgefunden. 

Nach  Himly  (Krankheit  und  Missbild.  Berlin,  1843,  II.  B., 
pag.  123)  erregte  das  häufige  Vorkommen  von  Mydriasis  bei 
Militärpflichtigen  Verdacht;  man  nahm  sie  ins  Hospital  auf  und 
alle  Effecten  ihnen  ab;  demungeachtet  dauerte  das  Uebel  fort, 
bis  warme  Bäder  ihm  plötzlich  abhalfen.  Die  Betrüger  gestanden, 
auf  Anrathen  eines  Thierarztes  Belladonna-Extract  angewandt 
zu  haben,  welches  sie  unter  dem  Nagel  der  grossen  Zehe  ver- 
borgen hatten. 

Nach  Zander  et  Geissler  (1.  c.  p.  531)  ist  es  vor- 
gekommen, dass  sich  junge  Leute,  um  sich  der  Militärpflicht 
zu  entziehen,  mittelst  Einführung  einer  feinen  Nadel  eine  Cata- 
racta oder  durch  wiederholte  Aetzung  der  Hornhaut  mit  Lapis 
infernalis  eine  Hornhauttrübung  erzeugen  Hessen.    Letztere 


—     124     — 

möchten  sich  wohl  von  anderweitig  entstandenen  durch  einen 
eigenthümlichen  Stich  ins  Grauschwarze  unterscheiden  lassen 
(Argyrosis  conjunctivae  vel  corneae). 

§.  39.  Wenn  Jemand  vorgibt,  er  sei  auf  einem  oder  auf 
beiden  Augen  kurz-  oder  schwachsichtig  (beides  zugleich), 
so  prüfe  man  vor  allem  bei  mittlerem  Tageslichte,  in  welcher 
Entfernung  Gegenstände  von  bestimmter  Grösse  erkannt  werden 
und  ob  ein  Erkennen  derselben  in  grösserem  Abstände  durch 
Concavgläser  von  verschiedener  Brennweite  erzielt  werden 
könne.  Ist  dies  der  Fall,  so  ist  gewiss  Kurzsichtigkeit  vor- 
handen und  kann  die  Brennweite  des  schwächsten  der  Concav- 
gläser, mit  welchem  noch  deutlich  (relativ  am  besten)  gesehen 
wird,  durchschnittlich  zur  Bezeichnung  des  Grades  der  Kurz- 
sichtigkeit benützt  werden.  Sieht  also  das  fragliche  Auge  mit 
concav  10  oder  11  aber  auch  noch  mit  12  entfernte  Objecto 
deutlich  (oder  relativ  am  besten),  mit  concav  14  jedoch  minder 
gut,  so  kann  man  auf  Myopie  yi2  schliessen.  Würden  jedoch 
mit  irgend  einem  Convexglase  —  und  der  Untersuchte  braucht 
ja  nicht  zu  wissen,  was  für  ein  Glas  man  ihm  vorhält  —  noch 
entfernte  Gegenstände  erkannt,  welche  ein  emmetropisches  Auge 
in  demselben  Abstände  und  bei  derselben  Beleuchtung  erkennt, 
so  würde  sich  hiemit  die  angebliche  oder  vermeintliche  Myopie 
vielmehr  als  Hypermetropie  herausstellen. 

Es  können  aber  jugendliche  Personen  namentlich  durch 
Uebung  mit  Concavgläsern  es  dahin  bringen,  dass  sie  durch 
starke  Accommodation  mehr  weniger  starke  Concavgläser  über- 
winden und  somit  einen  höheren  Grad  von  Myopie  vor- 
täuschen. Durch  Lähmung  der  Accommodation  nach  mehrmali- 
gem Einträufeln  von  Atropin  lässt  sich  dieser  Kniff  auspariren. 
Wir  besitzen  indess  in  der  Untersuchung  mit  dem  Augenspiegel 
ein  kürzer  zum  Ziele  führendes  Mittel.  Wir  können  den 
Refractionszustand  des  untersuchten  Auges  ganz  objectiv  mittelst 
des  Augenspiegels  bestimmen,  wie  jedem  mit  der  Ophthalmo- 
skopie Vertrauten  bekannt  ist. 

Schwieriger  ist  die  Bestimmung  der  Sehschärfe,  wenn  der 
Untersuchte   ein   Interesse   hat,    eine   H;erab  setzjung  vjorzu- 


—     125    — 

schützen.  Man  prüfe  zunächst  die  Wölbung  und  Durchsich- 
tigkeit der  Cornea  mittelst  des  Spiegelbildes  und  mittelst  Focal- 
beleuchtung,  und  weiterhin  die  Durchsichtigkeit  der  übrigen 
brechenden  Medien.  Herabsetzung  der  Sehschärfe  durch  nicht 
gar  zu  geringen  regelmässigen  Astigmatismus  kann  objectiv 
mit  dem  Augenspiegel  nachgewiesen  werden  und  ebenso  Ver- 
änderungen des  Augenhintergrundes  (Papilla,  Retina,  Chorioidea) 
als  Ursache  von  Amblyopie.  Aber  die  Sehschärfe  kann  trotz- 
dem, dass  nirgends  eine  Abnormität  zu  entdecken  ist,  dennoch 
sehr  bedeutend  herabgesetzt  sein.  Alsdann  kann  die  Ablen- 
kung des  einen  Auges  von  dem  Objecte,  welches  mit  dem 
anderen  fixirt  wird,  constant  oder  nur  beim  Betrachten  feiner 
Objecte,  noch  für  Gesunkensein  der  Sehschärfe  des  abgelenkten 
Auges  sprechen,  falls  der  Grund  der  Ablenkung  nicht  etwa  in 
abnormem  oder  in  erheblich  differentem  Refractionszustande 
(eines,  beider  Augen)  zu  suchen  ist.  Das  vom  binoculären  Seh- 
acte  wegen  gesunkener  Sehschärfe  excludirte  Auge  weicht  dann 
gewöhnlich  etwas  nach  Aussen  ab,  oft  jedoch  nur  in  so  gerin- 
gem Grade,  dass  man  die  unrichtige  Einstellung  der  Sehachse 
relativ  zum  Objecte  nur  bei  scharfer  Beobachtung  zu  erkennen 
vermag.  Das  nicht  mitiixirende  Auge  pflegt  dann  in  dem  Mo- 
mente, wo  man  zwischen  das  fixirende  Auge  und  das  Object 
einen  Schirm  vorschiebt,  durch  eine  Bewegung  (durch  Ueber- 
gang  aus  der  unrichtigen  Stellung  in  die  richtige)  sein  früheres 
Abgelenktsein  zu  verrathen.  Aber  auch  das  Ausbleiben  dieser 
Erscheinung  berechtigt  noch  nicht  zur  Exclusion  verminderter 
Sehschärfe  des  einen  Auges  (besonders  nicht  in  frischen  Fällen). 
Viele  amblyopische  Augen  mit  durchaus  negativein  Be- 
funde (nach  den  eben  besprochenen  Richtungen)  sehen  nahe 
Gegenstände  besser,  wenn  man  ihnen  (unter  Berücksichtigung 
des  Refractionszustandes)  starke  Convexgläser  vorhält,  weil 
ihnen  dadurch  grössere  und  hellere  Netzhautbilder  geliefert 
werden.  Positive  Resultate  dürfen  wohl  zu  Gunsten  des  Unter- 
suchten sprechen ,  negative  aber  nur  dann ,  wenn  sich  aus 
wiederholten  Versuchen  mit  verschiedenen  Gläsern  keine 
Widersprüche  ergeben.  Die  Controle  der  Angaben  bei  Versuchen 


—     126    — 

mit  Gläsern  verschiedener  Brennweite  (bald  positiver,  bald  ne- 
gativer) ist  in  der  Regel  im  Stande  falsche  Angaben  aufzu- 
decken. In  der  Meinung,  man  halte  ihm  ein  Convex-  oder  ein 
Concavglas  vor,  während  man  eben  ein  Planglas  gewählt  hat, 
gibt  er  wohl  eine  Vergrösserung,  eine  Verkleinerung,  ein  Minder- 
Deutlich-Sehen  an. 

§.40.  Wird  gänzliche  Erblindung  des  einen  Auges 
vorgegeben,  während  die  Functionstüchtigkeit  desselben  gar 
nicht  oder  höchstens  bis  zur  Exclusion  vom  binoculären  Sehen 
verändert  ist,  so  kann  in  der  Regel  schon  das  Verhalten  der  Iris 
Aufschluss  geben,  ob  man  es  mit  einer  Uebertreibung,  resp. 
Simulation  zu  thun  habe.  Man  bedecke  vor  allem  das  sehende 
Auge  mit  einem  Ballen  Charpie  oder  Baumwolle  so,  dass  man 
sicher  sein  kann,  dass  hier  kein  Licht  eindringen  kann.  Als- 
dann lasse  man  das  zu  untersuchende  Auge  gegen  das  Firma- 
ment richten  und  schiebe  sofort  einen  undurchsichtigen  Schirm, 
z.  B.  den  Handteller,  vor  das  Auge,  ohne  dass  dasselbe,  wenn 
es  amaurotisch  wäre,  durch  Anstreifen  an  die  Wimpern,  an  die 
Augenbrauen  u.  dgl.  es  merken  könnte.  Zeigt  die  Iris  bei  un- 
veränderter Augenstellung  einen  deutlichen  Anlauf  zur  Ver- 
engerung der  Pupille,  sobald  der  Schirm  weggezogen  wird,  so 
ist  mindestens  quantitative  Lichtempfindung  vorhanden,  und 
diese  kann  um  so  höher  angeschlagen  werden,  je  rascher  und 
grösser  die  Excursion  des  Sphinkters  ist,  welche  dabei  erfolgt. 
Das  Ausbleiben  solcher  Excursionen  gestattet  aber  noch  nicht 
den  Schluss  auf  Mangel  jeder  qualitativen  oder  quantitativen 
Lichtempfindung,  denn  es  kann  auf  gehemmter  Leitung  in  den 
Ciliarnerven  (auf  Iridoplegie)  beruhen.  Ist  diese  die  Ursache 
der  Trägheit  oder  Unbeweglichkeit  der  Iris,  so  wird  sie  auch 
nach  Freilassung  des  gesunden  Auges  und  bei  wechselnder  Be- 
schattung dieses  letzteren  sich  kund  geben,  und  ist  aufgehobene 
(sehr  herabgesetzte)  Perceptionsfähigkeit  der  Netzhaut  des  zu 
prüfenden  Auges  die  Ursache  der  trägen  oder  ausbleibenden 
Irisreaction,  so  wird  bei  wechselnder  Beleuchtung  und  Beschat- 
tung dieses  Auges  die  Irisreaction  auf  dem  gesunden  Auge 
ganz  oder  nahezu  ausfallen. 


—     127     — 

Gräfe  (A.  f.  0.  II.  a.  266)  hat  uns  in  der  Verwendung 
prismatischer  Gläser  ein  vorzügliches  Mittel  kennen  gelehrt, 
Simulation  einseitiger  Amaurose  zu  entlarven.  Hält  man  ein 
Prisma  von  etwa  15 — 10  Grad  (Brechwinkel)  mit  auf-  oder 
abwärts  gerichteter  Basis  vor  das  gesunde  Auge,  während  die 
Person  angewiesen  ist,  eine  Kerzenflamme  in  einigen  Fuss  Ab- 
stand zu  fixiren,  und  gibt  sie  an,  dass  sie  zwei  Flammen  sehe, 
eine  oben,  eine  unten,  so  ist  es  unzweifelhaft,  dass  dieselbe 
auch  mit  dem  angeblich  amaurotischen  Auge  die  Flamme  sehe. 
Hätte  der  Betreffende  schon  Kenntniss  von  diesem  Kunstgriffe, 
so  könnte  er  angeben,  er  sehe  nur  einfach.  Er  kann  uns 
aber  doch  nicht  so  leicht  entschlüpfen.  Wir  halten  nämlich 
das  Prisma,  die  brechende  Kante,  horizontal  gerichtet,  nach 
und  nach  so  vor  das  gesunde  Auge,  dass  es  die  Pupille  bald 
halb,  bald  ganz  verdeckt;  gibt  er  auch  in  dem  Momente,  wo  das 
Prisma  die  Hälfte  verdeckt,  kein  Doppeltsehen  an,  denn  dieses 
muss  jetzt  ein  monoculäres  sein  und  jedenfalls  eintreten,  so  ist 
an  seiner  betrügerischen  Absicht  nicht  mehr  zu  zweifeln. 

Welz  (Klin.  Monatsbl.  1867  p.  292)  hat  uns  indess  noch 
eine  andere  Verwendung  prismatischer  Gläser  zur  Entdeckung 
von  Simulation  einseitiger  Amblyopie  oder  Amaurose  bekannt 
gegeben,  welches  freilich  nur  beim  Vorhandensein  binoculären 
Sehactes  streng  beweisend  ist,  dafür  aber  auch  den  gerieben- 
sten Simulanten  zu  entlarven  geeignet  ist.  Hält  man  nämlich 
irgend  Jemandem,  der  binoculäres  Sehen  hat,  ein  15 — lOgra- 
diges  Prisma  vor  das  eine  oder  das  andere  Auge,  und  zwar  mit 
der  Basis  nach  innen  oder  nach  aussen,  während  er  angewiesen 
ist,  ein  entferntes  Object  zu  fixiren,  so  übergeht  das  momentan 
entstandene  Doppeltsehen  nach  wenigen  Secunden  in  Einfach- 
sehen unter  unwillkührlicher  Lageveränderung  der  Sehachse, 
respective  Drehung  des  Bulbus  um  seine  verticale  Achse.  Neh- 
men wir  an,  das  linke  Auge  werde  für  amaurotisch  angegeben. 
Der  Betreffende  fixirt  ein  Object,  welches  noch  in  seiner  Seh- 
weite liegt.  Schieben  wir  nun  ein  Prisma  von  z.  B.  12°  von  unten 
her  so  vor  das  rechte  Auge,  dass  wir  dasselbe  von  oben  her 
noch  scharf   beobachten  können.     Gibt   der  Betreffende  an,    er 


—     128     — 

sehe  doppelt,  so  ist  der  Beweis  hergestellt,  dass  er  das  Object 
auch  mit  dem  linken  gesehen  habe.  Gibt  er  an,  er  sehe  einfach, 
so  fixiren  wir  das  rechte  Auge  in  dem  Momente,  wo  wir  das 
Prisma  nach  unten  fortnehmen,  während  der  Betreffende  das 
Object  unverwandten  Blickes  zu  iixiren  hat.  Macht  nun  das 
rechte  Auge  gleich  nach  der  Beseitigung  des  Prisma  eine 
Bewegung  (des  Hornhautcentrums)  nach  innen  (zur  Nase),  so 
erfreut  er  sich  gewiss  binoculären  Sehens. 

Durch  das  Vorschieben  des  Prisma  mit  nasenwärts  ge- 
richteter Basis  wird  das  Bild  des  Objectes  von  der  Macula 
lutea  verschoben,  und  zwar  nasenwärts.  Das  dadurch  momentan 
hervorgerufene  Doppeltsehen  wird  unwillkürlich  und  unwider- 
stehlich durch  den  Drang,  einfach  zu  sehen,  dadurch  beseitigt, 


■; 


dass  durch  erhöhte  Contraction  des  Muse,  rectus  externus  die 
Macula  lutea  nasenwärts  bis  an  die  Stelle  gedreht  wird,  wo  das 
Bild  entworfen  wird.  Dabei  ist  natürlich  auch  das  Hornhaut- 
centrum schläfenwärts  verrückt  worden.  Wird  nun  das  Prisma 
•während  unverrückter  Fixation  des  Objectes  weggezogen,  so 
lässt  aus  demselben  Drange  zum  Einfachsehen  die  erhöhte  Action 
des  M.  r.  externus  nach  und  das  Auge  (das  Hornhautcentruin) 
erleidet  eine  deutlich  sichtbare  Verschiebung,  bis  das  Object- 
bild  wieder  auf  die  Mac.  lutea  fällt.  Man  kann  dann  noch 
ganz  in  derselben  Weise  das  Prisma  vor  das  für  amaurotisch  aus- 
gegebene Auge  vorhalten.  Die  deutlich  gesehene  Bewegung  des 
Auges  flugs  nach  der  Beseitigung  des  Prisma  gibt  den  untrüglichen 
Beweis,  dass  binoculäres  Sehen  während  des  Fixirens  stattfand. 
Kugel  (A.  f.  0.  XVI.  a.  343)  empfiehlt  zur  Constatirung 
von  Simulation  einseitiger  Amaurose  oder  Amblyopie  das  Vor- 
halten farbiger  Gläser  vor  beide  Augen.  „Um  die  Simulation 
zu  entdecken,  setzt  man  das  dunkelgefärbte  durchsichtige  Glas 
vor  das  angeblich  erblindete,  das  gleichgefärbte  jedoch  undurch- 
sichtige Glas  vor  das  angeblich  sehende  Auge",  nachdem  man 
ihn  unmittelbar  vor  diesem  gleichzeitigen  Vorschieben  dieser 
beiden  Gläser  erst  durch  verschiedenfarbige,  jedoch  durchsich- 
tige Gläser  hat  durchsehen  lassen. 


Druck  von  Adolf  Holzhausen  in  Wien 
k.  k.  Universitäts-Buclidi'uckerei. 


Ophthalmologische  Werke 

aus  dem  Verlage 

von  Wilhelm  Braumiiller,  k.  k.  Hof-  und  Onivcrsitätskckliänillcr  in  Wien. 

Meyr^  Dr.  Ignaz^  k.  k.  Kreisarzt,  ehem.  Docent  der  Augenheilkunde 
und  Assistent  der  Augenklinik  an  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 
Compendium  der  Augenheilkunde.  Dritte  umgearbeitete  Auflage. 
Mit   16   Holzschnitten,   gr.   8.    1871.  3  fl.   50   kr.  —   IM. 

ReilSS,  Dr.  Allgv  Assistent  an  der  Augenklinik  der  Wiener  Univer- 
sität und  Dr.  M.  WoinOWj  Privatdocent  der  Augenheilkunde  an  der 
k.  Universität  in  Moskau.  Ophthalmometrische  Studien.  Mit  6  Holz- 
schnitten, gr.   8.    1869.  80   kr.  —   1   M.   60   Pf. 

Schelf ler,  Dr.  Hermann,  in  Braunschweig.  Die  Theorie  der  Augen- 
fehler und  der  Brille.  Mit  68  Holzschnitten,   gr.  8.    1868. 

1  fl.   50   kr.   —    SM. 

Das  vorliegende  Werk  hat  die  Tendenz,  die  Lücken  in  den  physiologischen  Grund- 
principien  auszufüllen,  um  damit  den  Boden  für  eine  rationelle  Theorie  der  Augenfehler  zu 
gewinnen,  aus  welcher  sich  alsdann  von  selbst  eine  ebenso  exacle  Theorie  der  optischen  Hilfs- 
mittel, insbesondere  der  Brille,  ergibt.  Dasselbe  ist  nicht  blos  nach  dieser  allgemeinen  Tendenz 
und  der  damit  zusammenhängenden  Generalisirung  und  Classificirung  der  AugenfVhler,  sondern 
es  ist  auch  in  der  Hinsicht  neu,  dass  es  gewiss  wesentliche  sensuelle  Processe,  welche  bis  jetzt 
in  der  Ophthalmologie  noch  keine  Beachtung  geiunden  haben  und  unbekannt  waren,  namentlich 
die  vom  Verfasser  als  Application  bezeichnete  selbstständige  Augenthätigkeit,  ferner  die  von 
ihm  nachgewiesene  Verschiebung  der  Stäbchen  und  das  von  ihm  aufgefundene  physiolo- 
gische Princip,  auf  welchem  die  Perception  der  Grösse  und  Entfernung  beruht,  in  sach- 
gemässer  Weise  mit  in  Betracht   zieht. 

Sclimidj  Dr.  H.^  ordinirender  Arzt  der  Abtheilung  für  Augenkranke 
im  Stadthospitale  in  Odessa.  Lymphfollikel  der  Bindehaut  des 
Auges.  Histologische  Studie,  bearbeitet  an  der  Conjunctiva  der  Haus- 
thiere.    Mit   3   chromolithographirten  Tafeln,   gr.   8.    1871. 

2  fl.    50   kr.   —    5   M. 

Stellwag  YOn  Carion,  Dr.  Carl,  Professor  an  der  k.  k.  Universität 
in  Wien.  Lehrbuch  der  praktischen  Augenheilkunde.  Vierte 
verbesserte  und  vermehrte  Auflage.  Mit  3  chromolithographirten 
Tafeln  und    109   Holzschnitten,    gr.  8.    1870.  9  fl.   —   18   M. 

—  —  Der  intraoculare  Druck  und  die  Innervationsverhältnisse 
der  Iris  vom  augenärztlichen  Standpunkte  aus  betrachtet,  gr.  8. 
1868.  1  fl.  —   2   M. 

WoinOW,  Dr.  M.,  Privatdocent  der  Augenheilkunde  an  der  k.  Uni- 
versität in  Moskau.  Ueber  das  Verhalten  der  Doppelbilder  bei 
Augenmuskel-Lähmungen.  In   15   Tafeln   dargestellt.   4.   1870. 

2  fl.   50   kr.   —   5   M. 

—  —   Ophthalmometrie.  Mit  23  Holzschnitten,  gr.  8.   1871. 

1  fl.   20   kr.  —   2  M.   40  Pf. 


Druck  von  Adolf  Holzhausen   in    Wien 

k.  k.  UniversilAls-Biichdnickerei. 


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