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ÜBER
DIE VERLETZUNGEN DES AUGE
MIT BESONDERER RUCKSICHT
AUF DEREN
GERICHTSÄRZT
VON
DR- FERDINAND RITTER YON ARLT
PROFESSOR DER AUGENHEILKUNDE.
WIEN, 1875.
WILHELM BRAU MULLER
K. K. HOP- UND UNIVERSITÄTSBÜCHHÄNDLER.
«38£> :
Ophthalmologische Werke
aus dem Verlage
von Wilhelm Braumüller, k. k. M und Uairersitätsbaefabändler in Wien.
Von demselben Verfasser:
Horizontaler Durchschnitt des menschlichen Auges, nach den
Präparaten des Verfassers gezeichnet von Dr. Elfinger. 1862.
1 Tafel Fol. in Umschlag. 1875. 1 fl. — 2 M.
Adler, Dr. Haus, ord. Augenarzt des k. k. Krankenhauses Wieden und
des St. Josef- Kinderspitales. Die während und nach der Variola
auftretenden Augenkrankheiten. Mit besonderer Berücksichtigung
der in der Wiener Blattern-Epidemie 1872 — 1873 gemachten Beob-
achtungen, gr. 8. 1875. 60 kr. — 1 M. 20 Pf.
Becker, Dr. Otto, Professor der Augenheilkunde an der Universität
in Heidelberg. Vier Tafeln zur Bestimmung des Astigmatismus.
Folio. 1868. 1 fl. 50 kr. — 3 M.
Atlas der pathologischen Topographie des Auges. Ge-
zeichnet von Carl Heitzmann. I. Lieferung. Mit 9 Tafeln und
7 Holzschnitten. 4. 1874. cart. 9 fl. — 18 M.
(II. Lieferung unter der Presse.)
Bericht über die Augenklinik der Wiener Universität 1863—1865.
Unter Mitwirkung des Prof. Dr. Ferd. Al'lt, herausgegeben von
Dr. Max Tetzer, Dr. Lucian Rydel und Dr. Otto Becker.
Mit 6 Tafeln und Holzschnitten, gr. 8. 1867. 2 fl. 50 kr. — 5 M.
Donders, Dr. F. C, Professor an der Universität in Utrecht. Die Ano-
malien der Refraction und Accommodation des Auges. Deutsche
Original-Ausgabe unter Mitwirkung des Verfassers herausgegeben von
Dr. Otto Becker. Mit 193 Holzschnitten und einer lithographirten
Tafel, gr. 8. 1866. 6 fl. 50 kr. — 13 M.
Gerold, Dr. HugO, Geh. Hofrath und Professor an der Universität
in Giessen. Die ophthalmologische Physik und ihre Anwendung
auf die Praxis. Für Aerzte und Studierende. 2 Theile. Mit 273 Holz-
schnitten, gr. 8. 1869 — 70. 7 fl. 50 kr. — 15 M.
Lunda, Dr. Josef, k. k. Oberfeldarzt. Die Augenblennorrhöe vom
fei d ärztlichen Standpunkte betrachtet, nebst einem Anhange: Ueber
das granulöse Augenleiden, gr. 8. 1861. 80 kr. — 1 M. 60 Pf.
Mauthner, Dr. Ludwig, k. k. o. ö. Professor der Augenheilkunde
an der Universität Innsbruck. Vorlesungen über die optischen
Fehler des Auges. I. Abtheilung. Allgemeiner Theil. Mit
51 Holzschnitten und 2 Tafeln, gr. 8. 1872. 2 fl. 50 kr. — 5 M.
(II. Abtheilung unter der Presse.)
ÜBER
I VERLETZUNGEN DES AUGE
l
MIT BESONDERER RUCKSICHT
AUF DEREN
GERICHTSÄRZTLICHE WÜRDIGUNG.
VON
DE- FERDINAND RITTER TON ARLT
PROFESSOR DER AUGENHEILKUNDE.
WIEN, 1875.
WILHELM BRAUMÜLLER
K. K. HOF- UND UNIVERSITÄTSBUCHHÄNDI.ER.
7U f
tt S) tu
EINLEITUNG.
Als Mitglied der Begutachtungscommission der medicini-
schen Facultät habe ich oft wahrgenommen, dass Aerzte, selbst
wenn sie als Gerichtsärzte fungiren, bei Verletzungen des Auges
sowohl in der Aufnahme des Thatbestandes als in der Beur-
theilung desselben und der Folgen sehr oberflächlich zu Werke
gehen. Man kann selbst aus gewissenhaft abgefassten Gut-
achten oft entnehmen, dass der Verfasser in diesem speciellen
Gebiete nicht gehörig orientirt war. Mir scheint der haupt-
sächlichste Grund davon darin gelegen zu sein, dass den
Meisten die Gelegenheit fehlt, sich über dieses schwierige
Capitel genügend zu unterrichten. Dasselbe pflegt weder bei
den klinischen Vorträgen noch in den gangbaren Hand- und
Lehrbüchern der Augenheilkunde abgesondert und übersichtlich
behandelt zu werden, und die Monographien darüber — ich
kenne nur die (im weiteren Verlaufe citirten) von W. Cooper
und von Zander u. Geissler — sind beinahe durchaus nur
im Besitze von Specialisten, den meisten praktischen Aerzten
unbekannt oder schwer zugänglich. Ich entschloss mich dess-
halb zum Entwürfe einer kurzen übersichtlichen Schilderung
der Verletzungen des Auges mit besonderer Berücksichtigung
dessen, was zunächst den Gerichtsärzten noth thut.
Ich wählte zur Veröffentlichung meiner Abhandlung zu-
nächst die vielverbreitete ..Wiener medicinische Wochenschrift '
v. Arlt. Die Verlpt^uug.-n de« Auges. 1
— 2 —
von Dr. Wittelshöfer (1874), weil ich hoffte, dass ich auf
diese Weise am ehesten meinen Zweck erreiche, nämlich eine
sorgfältige Untersuchung und eine richtige Beurtheilung der
Verletzungen des Auges in dem grösseren ärztlichen Publicum
anzuregen. Das Urtheil vieler Fachgenossen über diese Arbeit
und die lebhafte Nachfrage nach den (50) bald vergriffenen
Separatabzügen bestimmten mich Ende desselben Jahres, eine
besondere (unveränderte) Ausgabe zu veranstalten und in den
Buchhandel zu bringen.
Specialisten werden in diesem Büchel nur wenig Neues
finden ; wenn sich jedoch einer derselben entschliessen möchte,
dieses Thema ausführlich und streng wissenschaftlich in Form
einer Monographie zu behandeln, so dürfte ihm das von mir
entworfene Schema wohl nicht unwillkommen sein.
Ich muss voraussetzen, dass der Leser mit den neueren
Untersuchungsmethoden bekannt sei, nicht nur mit der Be-
stimmung des Refractionszustandes und seiner Anomalien und
mit der Eruirung der Sehschärfe des directen Sehens sowohl
als des indirecten (Einschränkung des Gesichtsfeldes), sondern
auch mit der ophthalmoskopischen Untersuchung. Deren Dar-
stellung, wenn auch noch so fasslich und gründlich, würde
ohne praktische Unterweisung dennoch fruchtlos bleiben. Wenn
also ein Arzt, der als Gerichtsarzt auftreten soll, diese Kennt-
nisse und Fertigkeiten nicht besässe, so könnte ihm nur der
Rath ertheilt werden, dass er den Fall an einen damit ver-
trauten Collegen abtrete. Ohne genaue objective Erhebung
des Thatbestandes ist das Abgeben eines gewissenhaften Gut-
achtens geradezu unmöglich. Und doch waren bisher Gut-
achten über Verletzungen des Auges, in denen man sogar die
Angabe vermisste, in welcher Weise und in welchem Grade,
nach Sehproben bestimmt, das Sehvermögen beeinträchtigt
war, nicht gerade etwas Seltenes. Möchte ich im Stande sein,
zu bewirken, dass solche Opprobria artis et scientiae medicae
fernerhin nicht mehr vorkommen, so wäre der Zweck dieser
kleinen Arbeit genügend erreicht.
— 3 —
Ich theile sämmtliche Verletzungen des Auges in drei
Hauptgruppen ein:
I. Verletzungen durch plötzliche Zusammendrückung oder
Erschütterung des Auges;
II. Verwundung durch Eindringen eines mechanisch wir-
kenden Körpers in das Gewebe: a) ohne oder b) mit Hinter-
lassung eines fremden Körpers an, in, neben, hinter dem Bul-
bus. Die Verwundung der Lider, der Thränenorgane, des
Knochengerüstes etc. dürften der Kürze wegen füglich in das
Gebiet der Chirurgie verwiesen werden können;
III. Verbrühungen und Aetzungen des Bulbus und der
Lider, sofern sie durch ihr Vorkommen daselbst eine aus-
nahmsweise Berücksichtigung erheischen.
Den Schluss sollen IV. einige Bemerkungen über das
Erkennen absichtlich hervorgerufener, übertriebener oder vor-
geschützter Augenleiden bilden.
In jeder der genannten Gruppen wurde die anatomische
Anordnung (nach den einzelnen Gebilden) als die zweck-
mässigste gewählt, und das darüber zu Sagende in die Rubri-
ken : Diagnose, Prognose und Therapie eingereiht, weil es mir
schien, dass es nur auf diese Weise möglich sei, für compli-
cirte Verletzungen die nöthige Orientirung zu gewinnen. Die
Angabe der Grundzüge der Therapie hielt ich desshalb für
nothwendig, weil ja oft auch die Frage vorkommt, ob der
schlimme Ausgang einer Verletzung etwa ganz oder theilweise
der Vernachlässigung oder verfehlter Behandlung zuzuschrei-
ben sei.
Zum Schlüsse halte ich noch einige allgemeine Bemer-
kungen nicht für überflüssig.
Bei der Aufnahme des Thatbestandes prüfe man jeder-
zeit die Sehschärfe nicht nur des verletzten, sondern auch des
andern Auges, und zwar abgesondert. Es kann gerade das
verletzte Auge dasjenige sein, auf welchem bisher die Erwerbs-
fähigkeit beruhte. Es kann später, wenn sympathische Affec-
tion des zweiten Auges eintritt, nöthig sein, seine Functions-
tüchtigkeit zur Zeit der Verletzung (kurz darnach) constatirfc
— 4 —
zu haben. Die Unterscheidung- von Licht und Schatten (quan-
titative Lichtempfindung) kann für einige Zeit (durch reichli-
chen Bluterguss im Glaskörper) oder für immer erloschen sein.
Bei noch bestehendem qualitativen Sehen muss der Grad der
centralen Sehschärfe ziffermässig angegeben werden, z. B. in
welcher Entfernung bei mittlerem Tageslichte Finger nicht
mehr gezahlt, Buchstaben oder Gegenstände von bestimmter
Grösse — etwa die Snellen'schen oder Jag ersehen Probe-
buchstaben — noch erkannt werden. Dabei ist zu ermitteln,
ob das Erkennen solcher Objecte in bestimmten Abständen,
etwa durch Vorhalten sphärischer (oder cilindrischer) Concav-
oder Convexgläser vermittelt oder verbessert werden könne,
und ob die Notwendigkeit einer solchen Correctur nicht als
Folge der Verletzung (z. B. der Form Veränderung, des Man-
gels der Linse) zu betrachten sei. Nicht minder wichtig ist
die Prüfung des indirecten Sehens, seine Herabsetzung, sein
theilweiser oder gänzlicher Ausfall. Wo es nicht auf feinere
Distinctionen ankommt, wird es genügen, bei geschlossenem
zweiten Auge den Kranken das verletzte unverrückt auf ein
etwa zwei Fuss entferntes Object, z. B. einen Finger, richten
zu lassen, und nun von verschiedenen Punkten der Peripherie
des Sehfeldes Finger (oder im dunklen Räume eine Kerzen-
flamme) gegen die Mitte desselben allinälig hereinzuschieben
und deren Zahl angeben zu lassen. Nur dann, wenn weder
das centrale noch das periphere Sehen geschädigt erscheint,
und wenn eine solche Schädigung auch im weiteren Verlaufe
nicht eintritt, darf man die ophthalmoskopische Untersuchung
als nicht nothwendig betrachten.
Bei der Ermittlung des Verhältnisses zwischen dem Be-
funde und der Causa nocens wird man sich stets gegenwärtig
zu halten haben, dass an dem Auge gar nicht selten bedeu-
tende Abnormitäten vorkommen, welche schon vorher bestan-
den, ohne dass der Betroffene eine Ahnung davon hatte, da-
mit man nicht der Verletzung zuschreibe, was sie gar nicht
oder höchstens theilweise verschuldet hat.
I. Abschnitt.
Plötzliche Zusammendrückung und
Erschütterung des Bulbus.
§. 1. Allgemeine Bemerkungen. In diese Kategorie
reihen wir zunächst jene Verletzungen ein? welche durch gewalt-
same Einwirkung eines stumpfen Werkzeuges auf den Bulbus
gesetzt werden und deren Folge in einer Verschiebung der
Formelemente gegeneinander, resp. in Aufhebung des Zusammen-
hanges besteht, ohne dass das Agens in das Gewebe selbst
eingedrungen ist. Der Bulbus ist dabei entweder an einer
kleinen Stelle gequetscht oder eingeknickt, oder aber durch
einen mehr ausgebreiteten Druck momentan abgeplattet worden.
Daran schliessen sich die Fälle, wo der Bulbus durch eine
Gewalt, welche ihn selbst, den Kopf, den ganzen Körper ge-
troffen hat, in rasche und starke Schwingung versetzt wurde.
Ein auf solche Weise verletztes Auge zeigt, abgesehen
von den Lidern, sofort oder nach kurzer Zeit: Blutunterlaufung
der Bindehaut, Trübung mit nachfolgender Entzündung —
Eiterung — der Hornhaut (bald ohne, bald mit relativ geringer
Continuitätsstörung an der Oberfläche), Berstung der Sklera
unweit der Cornea (sehr selten im hinteren Umfange), Blut-
erguss in der Kammer, mehr weniger deutliche Zerreissung an
— 6 —
der Iris, Lähmung des Sphinkters (selten spastische Contraction),
Lähmung- der Accommodation, Berstung der Linsenkapsel,
Dehnung- oder Zerreissung der Zonula Zinnii mit mehr weniger
deutlicher Lage- und Formveränderung der Linse, Berstung
in der Aderhaut mit Bluterguss in den Glaskörper, Störung
der Netzhautfunction durch andere als die eben genannten Ver-
änderungen. Nach den Untersuchungen von Dr. B erlin (vide§. 18)
kommen Blutaustretungen auch in der Gegend des Corpus ciliare
als Folge subitaner Compression des Bulbus vor, sind jedoch
direct nicht nachweisbar, ausser post mortem. Es kann eine
einzige dieser unmittelbaren Folgen vorhanden sein ; man findet
aber meistens mehrere derselben zugleich.
Die Wahrnehmung vieler der genannten Veränderungen
kann eine Zeit lang durch Bluterguss in der Kammer oder im
Glaskörper und weiterhin durch Producte der reactiven Ent-
zündung oder durch consecutive Linsentrübung verhindert oder
doch sehr erschwert werden. Daher lässt sich in vielen Fällen
über den Sitz, den Grad und die Folgen der gesetzten Ver-
änderungen erst nach wochen-, monatelang fortgesetzter Beob-
achtung ein bestimmtes Urtheil abgeben.
Unser Augenmerk wird sehr oft, wenn nicht schon durch
die Anamnese, so durch Zeichen von Contusion der Cutis an
den Lidern, am Orbitalrande, am Kopfe überhaupt auf Ver-
letzungen dieser Art gelenkt; es kann aber leicht geschehen,
dass man beim Vorfinden von Wunden (§. 20) oder Ver-
brühungen (§. 31) verleitet wird, nicht nach einer Complication
mit Contusion oder Erschütterung des Auges zu forschen.
Um das Zustandekommen der unmittelbaren Folgen subi-
taner Compression zu begreifen, halte man sich gegenwärtig,
dass der nicht compressible flüssige Inhalt des Bulbus —
Kammerwasser und Glaskörper — von Membranen umspannt
wird, welche nur in geringem Grade elastisch dehnbar sind,
und dass das Gehäuse des Bulbus in mehr als der Hälfte seines
Umfanges gleichmässig von dem eminent elastischen und mäch-
tigen Fettgewebe der Orbita umschlossen wird, welches zwischen
Bulbus und Knochengerüst eingeschaltet, ein Angepresstwerden
dieses Gehäuses an die Knochen höchstens beim Eindringen
sehr grosser fremder Körper in die Orbita möglich macht.
Eine partielle Compression des Bulbus an der dem Angriffs-
punkte diametral entgegengesetzten Seite wird vermöge der
gleichmässigen, dicken und elastischen Auspolsterung des Lagers
des Bulbus nicht zu Stande kommen können und desshalb wird
man auf circumscripte Compression an der entgegengesetzten
Wand des Bulbus nicht recurriren dürfen , wenn es sich um
die Erklärung von Veränderungen handelt, welche man dort
vorfindet, wie dies u. A. Dr. Berlin anzunehmen geneigt
scheint. (Zur sogenannten Commotio retinae in Zehen de r's
klin. Monatsbl. 1873, p. 42).
Wenn ein fremder Körper mit einer gewissen plötzlichen
Gewalt auf die Hülle des Bulbus wirkt und vermöge seiner
physikalischen Eigenschaften (Grösse, Stumpfheit) diese nicht
durchbohrt, so kann sich seine Action in blosser Quetschung
der getroffenen Fläche erschöpfen oder, je nach seiner Grösse
und Form, zu localer Einknickung oder zu Abplattung führen,
während in demselben Momente vielleicht noch keine erheb-
liche Verschiebung des Bulbus in toto gegen das Fettpolster
oder gegen die Lider (bei von rückwärts kommender Gewalt)
eingetreten ist. Eine Einknickung sowohl als eine Abplattung
ist aber wegen der Incompressibilität des flüssigen Inhaltes
nicht denkbar ohne gleichzeitige Formveränderung des Bulbus
in toto. Der Bulbus muss, wenn man den Angriffspunkt als
Pol, die Richtung des Stosses als Achse einer Kugel betrachtet,
im Aequator dieser Kugel erweitert werden. Ein Widerstand
an der entgegengesetzten Wand, auf eine grosse Fläche ver-
theilt, kann diese Formveränderung nur steigern. Das Vor-
kommen einer Lücke oder eines circumscripten harten Körpers
an der Wand, gegen welche der Bulbus verdrängt wird, wäre
wohl geeignet zu bewirken, dass entsprechend der Lücke eine
Ausbuchtung oder Durchbrechung, und entsprechend dem harten
Körper eine Einknickung oder Durchbohrung der Bulbuswand,
resp. der Sklera entstünde. Solche Bedingungen sind aber
wohl kaum jemals vorhanden. Eben so wenig kann der Stoss
— 8 —
innerhalb des Bulbus gegen den dem Angriffspunkte diametral
entgegengesetzten Punkt fortgepflanzt werden, wenn wir näm-
lich supponiren, die Richtung des Stosses sei senkrecht auf die
tangirende Ebene des Angriffspunktes erfolgt. Bei nicht senk-
rechtem Auftreffen der Gewalt (auf die tangirende Ebene) geht
ein Theil der comprimirenden Kraft verloren. Es pflanzt näm-
lich der Glaskörper so gut wie das Kammerwasser den Druck
nach allen Theilen der umschliessenden Wandung fort. Dem
entsprechend konnte man auch nie die Zeichen von Compression
oder Zerreissung der Netzhaut , die doch zunächst getroffen
werden musste, an der dem Angriffspunkte diametral entgegen-
gesetzten Stelle constatiren. — Die Veränderungen, welche
man an der gegenüberstehenden Wand in der Chorioidea findet,
in analoger Weise erklären zu wollen, wie das Zustandekommen
von Knochenfissuren und intracraniellen Blutergüssen bei Ver-
letzungen des Schädels, also durch Gegenstoss, wie Knapp
(Archiv für Augen- und Ohrenheilkunde I. #, 6) versucht hat,
ist schon aus dem Grunde unzulässig, weil die Sklera weder
die Härte noch die absolute Unausdehnbarkeit der Schädel-
knochen besitzt, hauptsächlich aber desshalb, weil man ent-
sprechend der Stelle, wo die Blutung oder Berstung in der
Aderhaut vorkam, noch nie eine Skleralberstung nachweisen
konnte, und alles darauf hindeutet, dass an diesen Stellen
Skleralberstungen für gewöhnlich gar nicht vorkommen.
Wird der Bulbus in der Gegend des vorderen Poles ab-
geplattet, und das ist ja der häufigste Fall, so muss er momentan
im Aequatorialdurchmesser grösser werden, mindestens dann,
wenn der Bulbus in der Gegend des hinteren Poles an das
elastische Fettpolster angedrückt wird. Die Erweiterung wird
in der Aequatorialzone ihr Summum erreichen, aber auch dies-
wie jenseits noch erheblich gross sein. Die Chorioidea ist
vorne mit dem Corneoskleralringe mittelst des Ciliarmuskels
(Brücke's Tensor chorioideae), hinten an der Eintrittsstelle
des Sehnerven so zu sagen unzertrennlich fest, dazwischen aber
nur sehr lose (und offenbar leicht verschiebbar) mit der Sklera
verbunden. Ungefähr in der Mitte zwischen den genannten
— 9 —
unzertrennlichen Verbindungen, nämlich an den Uebergangs-
punkten der Wirbelvenen von der Chorioidea zur Sklera, sind
diese beiden Membranen nicht nur durch diese dicken Gefäss-
stämme, sondern auch durch festes straffes Bindegewebe in
ziemlicher Ausdehnung fest mit einander verbunden. Dadurch
aber, dass nächst der vorderen Verbindung Arterien und Venen
ein- und austreten, rings um den Sehnerven und besonders in
der Gegend des hinteren Poles die hinteren kurzen Ciliar-
arterien von der Sklera in die Chorioidea gehen, wird das
Gebiet der festeren Verbindung dieser Membranen mit einander
beträchtlich erweitert. Wird nun, vermöge der Abplattung des
Bulbus, die äquatoriale Zone der Chorioidea peripher gedrängt,
während der Druck des Glaskörpers auf Retina und Chorioidea
überall der gleiche bleibt, so muss die Dehnung der Chorioidea
von einer relativ kleinen Partie getragen, kann somit das Mass
ihrer Dehnbarkeit leicht erschöpft werden; es kommt zur
Berstung von Gefässen, von Gewebe, und die Risse im Gewebe
müssen nothwendiger Weise quer zur Richtung des Zuges,
also concentrisch zum hinteren Pole (oder was nahezu dasselbe,
zur Peripherie der Papilla) verlaufen*). Es kann ein Riss er-
folgen, der sich vielleicht zwieselig spaltet, es können aber
auch noch Nebenrisse, alle in concentrischer Richtung, ein-
treten, und es darf uns nicht irre machen, wenn wir hie und
da einmal einen Ausläufer eines Risses aus der Hauptrichtung
heraustreten sehen.
Wahrscheinlich können auch in der Nähe des vorderen
Fixpunktes der Chorioidea auf ganz analoge Weise Gefäss-
berstungen bewirkt werden; sie lassen sich jedoch hier wohl
nur post mortem direct nachweisen. Vergl. §. 18 Dr. Berlin's
Experimente. Risse in der Chorioidea vor dem Aequator sind
aber bisher nur in Fällen beobachtet worden, wo der Bulbus
in dieser Gegend von einem stumpfkantigen Gegenstande ge-
troffen worden war. Hier dürfte der Chorioidealriss wohl nur
*) U. A. haben auch Sä misch (klin. Mon. 18(36 p. 112) und von
Stell wag (Lehrbuch 4. Auflage p. 322) für Dehnung als Ursache der Rup-
turen in der Chorioidea sich ausgesprochen.
— 10 —
durch Einknickung der Sklera an dieser Stelle erklärt werden
können, gleichwie auch viele Blutungen aus dem Ciliarkörper
auf Quetschung desselben durch Prellung* der darüber liegenden
Skleralpartie zurückzuführen sein mögen. Der in solchen Fällen
weiter rückwärts und zwar in demselben Meridian gelegene
Chorioidealriss, gleichfalls concentrisch zur Papillenperipherie
streichend, lässt sich dann ganz ungezwungen von der durch
die Einknickung entstandenen Yonvärtszerrung der rückwärts
davon gelegenen Chorioidealpartie ableiten.
Am schwierigsten ist unstreitig die Deutung der Riss-
wunden, welche man nach der Einwirkung einer stumpfen
Gewalt auf den Bulbus in der vorderen Zone der Sklera be-
merkt, und welche sich nicht bloss auf die Sklera, sondern
- auch durch den Uvealtiactus erstrecken. Es ist auffallend,
dass diese Risse, durch welche augenblicklich mehr weniger
von dem flüssigen Bulbusinhalte, ja selbst ein Theil der Iris
und wohl auch die ganze Linse herausgedrängt wird, jedesmal
ganz oder nahezu concentrisch zum Hornhautrande verlaufen,
und dass sie fast ausnahmslos nach oben, meistens nach oben-
innen vorkommen. Wir dürfen jedoch keineswegs ausser Acht
lassen, dass mitunter ein solcher Riss auch nach unten oder
unten-innen beobachtet worden ist.
Gegen die von Zander und Geissler (die Verletzungen
des Auges, Leipzig und Heidelberg, 1864, p. 373) aufgestellte
Ansicht, dass der Bulbus unten oder unten-aussen an der
Sklera getroffen und nach oben oder oben-innen gegen den
Orbitalrand gedrückt werde und an diesem einen unüberwind-
lichen Widerstand finde, wodurch das Einreissen der Sklera
und weiterhin das Austreten der Linse (vermöge der noch in
derselben Richtung fortwirkenden Gewalt) bewirkt werde, hat
sich bereits Manz klin. Monatsbl. 1865, p. 177) erklärt. ..Man
muss dabei darauf achten, dass nicht die beiden direct ge-
pressten Partien des Augapfels (die eine durch das Instrument,
die gegenüberliegende durch die unnachgiebige Orbitalwand)
es sind, welche zerreissen können, sondern dass dies an einer
relativ freien Stelle stattfinden wird, welche, während sie sich
— 11 —
im höchsten Grade der Spannung befindet, die relativ geringste
Cohäsion (soll wahrscheinlich heissen: geringste Unterstützung)
besitzt, und das ist eben die dem inneren und oberen Horn-
hautrande sich zunächst anschliessende Sklera." Nimmt man
an, dass grössere fremde Körper den Bulbus nicht leicht von
anderswoher als von unten oder unten-aussen treffen können,
und dass das Auge im Momente der hereinbrechenden Gefahr
wohl meistens (mit dem Hornhautcentrum i nach oben oder
innen-oben flieht, so fällt der Angriffspunkt wühl meistens unten
oder unten-aussen zwischen Cornealrand und Aequator bulbi
auf die Sklera. Dann kommt aber die Stelle des Skleralrisses
ziemlich genau in den Kreis zu liegen, welcher in Bezug auf
die Verbindungslinie zwischen Angriffs- und Gegenpunkt als
Aequator bezeiehnet werden kann. Kein Wunder also, dass
die Sklera in diesem Kreise die grösste Spannung erfahren niuss,
und dass sie in jener Gegend dieses grössten Kreises bersten
wird, welcher in actu laesionis relativ am wenigsten von aussen
unterstützt ist. Trifft aber einmal der Stoss den Bulbus auf
die obere-äussere Partie der vorderen Skleralzone, wie in dem
auf Euete's Klinik beobachteten, von Schröter (klin. Monatsbl.
1866, p. 245) publicirten Falle, so erfolgt nach dem eben er-
örterten Gesetze die Uveoskleralruptur nach unten-innen. Jeden-
falls bleibt der Satz aufrecht, dass, wenn die vordere Skleral-
zone unten getroffen wurde, der Uveoskleralriss oben erfolgt,
dass ein solcher Riss, an der Nasenseite beobachtet, auf
Einwirkung des Druckes von der Schläfenseite bezogen
werden muss, und dass, weun die Berstung unten vorgefunden
wird, dies eine subitane Compression des Bulbus oberhalb
der Cornea voraussetzt*). Dass der Skleralriss fast aus-
*) Ein Dienstkuecht erhielt von dem Hufe eines Pferdes einen Schlag
gegen die rechte Schläfe auf die obere-äussere Partie des rechten Auges.
Vierzehn Tage später fand mau mehrere verheilte Wunden in der rechten
Schläfegegend. Orbitalwand unversehrt, Bulbus ziemlich stark verkleinert,
sehr weich. Conjunct. bulbi nur noch massig injicirt. Parallel dem innern-
untern Hornhautrande eine circa 1"' von demselben abstehende, etwas nach
einwärts verzogene frische Narbe mit eingeheiltem pigmentirten ( Iris- oder
Chorioideal-) Gewebe; Hornhaut rund, etwas flacher, an Umfang wenig
— 12 —
nahmslos concentrisch zum Cornealrande verläuft, dazu trägt
wohl der Umstand mit bei, dass die Fasern der Sklera im
Bereiche der Zone des Ciliarkörpers vorwaltend concentrisch
zum Cornealrande verlaufen.
Die Berstungen im Bereiche der Iris (namentlich die
Iriodialysis) erklären sich unschwer aus der durch die Corneal-
abplattung gesetzten Erweiterung des Corneoskleralringes, mit
welchem wohl der Ciliarmuskel, nicht aber die Iris fest ver-
bunden ist. Risse, welche die Iris in radiärer Richtung treffen,
dürften überdies Verengerung der Pupille und Angedrängt-
werden der Linse an die gespannte Iris im Momente der
Cornealabplattung als Bedingung voraussetzen.
Die Dehnung oder Zerreissung der Zonula und die
Berstung der vorderen (oder hinteren) Kapsel und die damit
verbundene Form- und Lageveränderung der Linse mag wohl
in vielen Fällen gleichfalls der momentanen Erweiterung des
Corneoskleralringes zuzuschreiben sein, sie kommt aber factisch
auch ohne solche Erweiterung vor, namentlich bei blosser Er-
schütterung des Auges, und ist dann wohl so zu deuten, dass
die Gewalt, welche das Auge trifft oder in Schwingung ver-
setzt, auch die relativ zum Kammerwasser und Glaskörper spe-
cifisch schwerere Linse in eine starke Excursion versetzt.
Für das Zustandekommen der Lähmung des Irissphinkters
und des Accommodationsmuskels eine genügende Erklärung
zu geben, sind wir vorläufig nicht im Stande, während das
Dunkel, das bisher über der sogenannten Commotio retinae
schwebte, auf dem Wege, den Dr. Berlin (1. c.) eingeschlagen,
allmälig mehr und mehr aufgehellt werden dürfte. Siehe §. 18.
Bei der Mehrzahl der in diese Kategorie gehörenden
Verletzungen steht die dabei gesetzte Veränderung nicht in
verkleinert, an ihrer Hinterfläche mit feinem fibrinösen Belage, sonst klar.
Linse und Iris fehlten; von letzterer stand nur noch nach aussen ein
schmaler halbmondförmiger Saum mit gerissenem zackigen Rande. „Ohne
Zweifel war hier im Augenblicke des Schlages die Linse in ihrer Kapsel
aus dem Auge herausgeschleudert worden und hatte die Iris mit heraus-
gerissen." (Schröter 1. c.)
— 13 —
Proportion zu der angewendeten Gewalt und ist vielmehr als
das Product einer »besonderen Beschaffenheit des K
persa (des Auges) und des Actes der Verletzung aufzufa-
wobei der letztere sograr die untergeordnete Rolle spielen kann.
it nur das Alter mit seiner erhöhten Brüehigkeit der
webe, sondern auch der Refractionszustand (höhere Grade von
Kurzsichtigkeit und präv vorher oft wenig oder gar
nicht beachtete Ektopie des Krystallkörpers können hier bei
dem Urtheile über die Verletzung (deren Gewaltthätigkeit sehr
schwer in die Wagschale fallen. Auch die mehr weniger
flache und tiefe Lage des Bulbus wird mitunter hier in An-
schlag gebracht werden müssen.
2. Eine sehr Läufige Folge des Anprallens stumpfer
Körper an das Auge (Lider, Orbitalrand • ist Bluterguss
unter der Conjunctiva bulbi. in dem lockeren sul
junctivalen Bindegewebe. Derselbe kann, wenn auch Anfangs
vielleicht von geringem Umfange, durch wiederholte Nach-
schübe ohne nachweisbare Veranlassung (beim Husten. Schneu-
che Ausbreitung und Mächtigkeit erlangen, dass
die suffundirte. mehr weniger dunkelrothe und mehr weniger
annte Bindehaut die Cornea thei. _ - im wall-
artig üb- _ nach Tagen auf" hymoma
subconjunctivale erregt den Verdacht, dass bei de: A erietxang
ein Bluterguss in der Tiefe der I Berlin, L
pag.
Diagnose. Progr. handlang. An und für sich
hat dieser, bloss temporal tellnng und allenfalls Druck
oder Spannung veranlassende Zustand nichts zu bedeuten. Er
fordert aber jederzeit zu sorgfältiger Prüfung der Function des
gea und. wo diese nicht vollkommen befriedigt, zur ophthalmo-
ischen Untersuchung auf. weil nebstdem noch Veränderun-
gen ernster Natur im Innern des Auges oder hinter di
erfolgt sein können. Das Blut wird im Verlaufe einiger Tage
oder Wochen resorbirt: gelbe Tingirung des Weinen kann
lange zurückbleiben, oder, bei Bluterguss in der T:
nach Verlauf einige] 7 _ ... — Di Scheidung
— 14 —
von der chemotischen Schwellung- der Bindehaut, welche als
Symptom von Entzündung auftritt, gibt der Nachweis des Ab-
ganges anderweitiger Erscheinungen einer solchen Entzündung,
welche jedenfalls sehr heftig sein muss, bevor sie einen blut-
rothen Wall um die Cornea bewirkt.
In einigen Fällen wurde subconjunctivale Cysten-
bildung als Folge einer Contusion an der betreffenden Stelle
constatirt (auch von mir).
Kalte Umschläge allein oder mit Zusatz von Weingeist,
allenfalls auch mit Tinct. arnicae und Vermeidung dessen,
was den Blutrückfluss durch die absteigenden Hohlvenen be-
hindert, sind zu empfehlen. Incisionen werden kaum jemals
nöthig werden.
§. 3. Prellung der Hornhaut durch einen relativ klei-
nen, die Substanz derselben gar nicht oder unerheblich trennen-
den Körper gibt sehr häufig die Veranlassung zur Entstehung
einer Hornhautentzündung mit Eiterung, welche meistens
als Abscess, seltener als Geschwür verläuft und zu den
gefährlichsten Augenentzündungen gehört.
Die Veranlassung dazu geht selten von einer zweiten
Person aus ; meistens ist ein schlimmer Zufall oder Unvor-
sichtigkeit des Verletzten selbst Schuld daran, das Anprallen
eines Stückes Metall, Stein, Holz u. dgl., das Anstossen an
einen Halm, eine Aehre u. s. w. Ob diese Folge auch dann
eintreten könne, wenn der contundirende Körper nur durch
das Lid, nicht direct auf die Hornhaut wirkte, ist mindestens
nicht sichergestellt.
Diese Keratitis kommt ungleich häufiger bei älteren als
bei jugendlichen Individuen vor, daher man wohl berechtigt
ist, dem höheren Alter eine „besondere Disposition" beizulegen.
Man findet überdies bei Leuten mit Hornhautabscessen so oft
zugleich eine Blennorrhoe des Thränensackes, dass man nicht
umhin kann, dieser Complication einen Theil der Bösartigkeit
der Folgen zuzuschreiben. Dem entsprechend ist auch der
Rath wohl motivirt, dass man in einem solchen Falle sofort
die Beseitigung (Verminderung) der Thränenstauung anstrebt
— 15 —
— durch Schlitzung eines Thränenröhrchens und Sondenein-
legung — und dass man an Augen mit Thränenstauung, falls
eine Operation an der Cornea nöthig würde, erst diese Com-
plication beseitigt. Der nachtheilige Einfluss der Thränen-
stauung auf die verwundete Hornhaut wurde eben durch die
Statistik der Staaroperationen (Extraction) sichergestellt.
Diagnose. An der getroffenen Stelle der Cornea ent-
wickelt sich unter zonenförmiger Ciliarinjection um die Cornea
eine scheibenförmige, matte und lichtgraue Trübung, welche
später um so gesättigter eitergelb aussieht, je mehr Eiter-
schichten hinter einander in der Cornea liegen.
Bekommt man den Hornhautabscess erst dann zu sehen,
wenn ein Theil des Eiters bereits aus dem Herde fortgeschafft
ist, so erscheint dieser nur an den mehr weniger wulstigen
Rändern intensiv getrübt, in der Mitte ungleichmässig grau
und mehr weniger deutlich eingesunken. Es kann dann zweifel-
haft sein, ob man ein Geschwür oder noch einen eigentlichen
Abscess vor sich habe, was indess von keiner praktischen Be-
deutung ist, da in dem einen wie in dem andern Falle Aus-
breitung des Herdes nach der Peripherie hin am meisten zu
befürchten ist. Desshalb kann man auch nach Sä misch die
gemeinschaftliche Bezeichnung: „ulcus corneae serpens" ge-
brauchen. Es erfolgt diese Ausbreitung nicht selten auch nach
Abnahme aller anderen entzündlichen Zufälle (Ciliarinjection,
Schmerz, Lichtscheu, Thränenfluss), und zwar nach oben oder
zur Seite nicht minder leicht, als nach unten. Ein ominöser
Vorbote dieses Fortschreitens pflegt ein lichtgrauer Halo zu
sein, der sich an den geschwellten und saturirten (eitrig infil-
trirten) Rand des Herdes anschliesst.
Neben der Eiterbildung in der Cornea findet man fast
ohn e Ausnahme auch Eiter in der vordem Kam m e r in
verschiedener Menge, unten oft kaum wahrnehmbar wegen
Senkung hinter die Corneoskleralfalze, nicht selten aber die
Hälfte, zwei Drittel der Kammer ausfüllend. Durch Hinzu-
treten von Iridokyklitis können dann selbst bei massiger Eiter-
ansammlung äusserst heftige, Tag und Nacht anhaltende
— 16 —
Schmerzen hervorgerufen werden, gegen welche es kein wirk-
sameres Mittel gibt, als die Eröffnung der vordem Kammer.
Ueber das Zustandekommen der Eiteransammlung in der
Kammer hat Prof. Homer (Inauguraldiss. der Buk owa Marie
über Hypopiumkeratitis, Zürich, 1871) beachtenswerthe Andeu-
tungen gegeben. (Zeh. klinische Mon. 1871, p. 182.)
Prognose. Nach jedem Abscesse bleibt mindestens eine
unheilbare, mehr weniger gesättigte Trübung zurück, welche
bald mehr durch Reflexion, bald mehr durch Diffusion des
Lichtes das Sehen beeinträchtigt, da Abscesse entweder — wie
meistens — die mittlere Region der Cornea einnehmen oder
doch sich bis in diese hinein erstrecken. Es kann aber auch
selbst beim besten Verhalten des Kranken und bei correcter
Behandlung die Cornea so weit zerstört werden, dass nicht
einmal die Aussicht auf Iridektomie übrig bleibt. Die weiteren
Folgen ausgebreiteter oder totaler Hornhautvereiterung (Sta-
phylombildung, Phthisis bulbi etc.) brauchen hier wohl nicht
erörtert zu werden.
Behandlung. Gleich nach der Verletzung sind wohl
kalte Umschläge angezeigt; sobald jedoch Eiterbildung einge-
treten ist, nützen sie nichts, müssen sie in der Regel sehr bald
mit lauwarmen Fomentationen vertauscht werden (kleine, nicht
zu dicke, mit Chamillenblütenaufguss getränkte Compressen).
Im Allgemeinen ist es gerathen, solche Kranke nicht im Freien
herumgehen zu lassen, Atropin einzuträufeln, beide Augen
gegen grelles Licht zu schützen, das kranke unter Charpie-
verband, mit mehr weniger starker Compression zu halten. In
vielen Fällen kann man darauf rechnen, dass unter mehrmals
des Tages durch 10 — 20 Minuten aufgelegten feuchtwarmen
Umschlägen und Charpieverband in der Zwischenzeit der
Eiterungsprocess zum Stillstande gebracht werde. Sprechen die
obgenannten Symptome für Progression oder ist diese unter
1 — 2tägiger Beobachtung evident geworden, ist der Eiter in
der Kammer bis zum Pupillarrande oder darüber gestiegen,
oder leidet der Kranke an heftigen Schmerzen, dann soll ein
operativer Eingriff durchaus nicht weiter verschoben werden.
— 17 —
Jedes dieser Momente gibt an und für sich die Anzeige zur
unversäumten Vornahme der Operation, nicht bloss ihre Curnu-
lation. Am besten hat sich bisher das Verfahren von Sa-
na i seh in Bonn (Ulcus corneae serpens, 1869) bewährt.
Der Kranke werde zu Bette gebracht, denn viele bekom-
men unmittelbar nach der Operation heftige, wenn auch nicht
lange anhaltende Schmerzen, und manche werden ohnmächtig.
Meistens ohne Narkosis wird bei gut fixirtem Bulbus das
Gräfe'sche Messer mit vorwärts gerichteter Schneide an dem
einen Rande des Eiterherdes noch in normalem Hornhaut-
gewebe eingestochen, dicht hinter dem Herde in der Kammer
vorgeschoben und zu dem entgegengesetzten Rande weiter ge-
führt, so dass die Contrapunction wo möglich wieder in nor-
males Gewebe fällt. Dann wird, ohne Fixation, in kleinen
langsamen Zügen die Durchschneidung von hinten nach vorn
vollendet, wobei der Rücken des Messers gegen den Krüm-
mungsmittelpunkt der Cornealoberfläche gerichtet bleibt. Nähme
z. B. der Eiterherd gerade die mittlere Region der Cornea
ein, so könnte man den Ein- und Ausstichspunkt so wählen,
dass der Schnitt gerade im horizontalen Meridian verliefe,
mithin die Cornea in eine obere und untere Hälfte getheilt
würde. Es wäre aber in diesem Falle auch zulässig, zum
Durchführen des Messers eine weiter unten oder weiter oben
streichende Linie in der infiltrirten Partie zu wählen, nur
müsste dann bei weiter unten geführtem Schnitte die Schneide
etwas abwärts gerichtet sein, und umgekehrt. Der Schnitt
soll nämlich die Cornea senkrecht (auf ihre Oberflächen)
durchsetzen, es soll kein Bogen-, sondern ein streng linearer,
d. h. ein in einem grossten Kreise der Cornealwölbung sich
haltender Schnitt geführt werden, weil nur ein solcher Schnitt
nachher jenen Grad von Klaffung der Wunde bietet, welcher
hier zur Erreichung des Heilzweckes nöthig ist. Mit einem
Lanzenmesser, welches kurz nach dem Einstechen gesenkt
werden muss, um das Spiessen der Iris oder der Kapsel zu
verhüten, lässt sich ein hinreichend langer linearer Schnitt
nicht bewerkstelligen.
v. Ar lt. Die Verletzungen des Auges. 2
— 18 —
Der Humor aqueus soll langsam abfliessen. Der Eiter in
der Kammer wird nicht absichtlich entfernt, sondern der
Resorption überlassen. Manchmal hängen nach Abfluss des
Kammerwassers ganze Eiterklumpen aus der Wunde und lassen
sich mit einer Pinzette fassen und ganz herausziehen, indem
die Eiterzellen durch eine zähe, fibrinöse Bindemasse zusammen-
gehalten werden. — Der Operirte soll 1 — 2 Stunden ruhig auf
dem Rücken liegen; dann wird Atropin eingeträufelt und der
Schutzverband angelegt. Tritt nicht bald Erweiterung der
Pupille ein, so müssen die Einträuflungen alle 2 — 3 Stunden
wiederholt werden. Die Wunde muss in Zwischenräumen von
12 — 24 Stunden gesprengt werden, indem man statt des Messers
eine dünne Sonde oder das Weber'sche Thränensackmesserchen
durchführt, bis entschiedene Abnahme der Eiterinfiltration und
Klärung des Herdes, namentlich der Ränder und Verschwinden
des oberwähnten trüben Hofes eingetreten ist und andauert.
Auch das Fortbestehen oder Wiederauftreten fibrinöser Exsu-
datmassen hinter dem Herde indicirt die Wiederholung der
Wundsprengung oder neuerliche Spaltung an derselben oder
an einer anderen Stelle. Es kann sein, dass schon nach der
blossen Spaltung entschieden und stetig fortschreitende Besse-
rung eintritt; es kann aber auch vorkommen, dass dieses Re-
sultat erst nach 1 — lOmaliger Wiedereröffnung erzielt wird.
Unter einer grösseren Zahl von Kranken, welche auf diese
Weise behandelt werden, wird man jedoch trotz richtigen Ver-
haltens seitens des Kranken und des Arztes immer den Ver-
lust eines und des andern Auges zu beklagen haben. Es
scheint, dass die durch Iridokyklitis gesetzten Veränderungen,
auf welche man aus einer breiten dunkelrothen Zone rings um
die Cornea und aus grosser Empfindlichkeit beim Betasten
derselben schliessen kann, die Ursache der Erfolglosigkeit
jeder Therapie sind und das Auge unaufhaltsam der Phthisis
zuführen.
§. 4. Berstung des Bulbus. Ob in Folge subitaner
Compression eine Berstung der Cornea erfolgen könne, ist
zweifelhaft; in den wenigen Fällen, wo man dies beobachtet
- 19 —
haben will, ist der Verdacht nicht ausgeschlossen, dass die
Cornea direct durch eine mehr weniger scharfe Kante oder
Ecke des Werkzeuges getroffen worden war.
Berstungen im Corneoskleralborde sind streng ge-
nommen schon den Skleralberstungen beizuzählen.
Fälle von Berstung der Sklerotica sind nicht selten.
Der Riss erstreckt sich dann ohne Ausnahme auch durch das
Corpus ciliare. Von Berstung im hinteren Umfange der Sklera,
welche übrigens erst nach der Enucleation des Bulbus erkannt
wurde, ist nur ein Fall von Bowman bekannt geworden
(White Cooper On Wounds and Injuries of the Eye, London
1859, p. 197).
Diagnose. Der Skleralriss ist linear oder etwas
bogenförmig, mehr weniger zackig, 6- 12 Mm. lang, streicht
durchschnittlich parallel zum Hornhautrande, 2 — 5 Mm. vom
freien Limbusrande entfernt. Nur in einem Falle (Schröter,
klin. Monatsbl. 1866, p. 248) bildete der Riss einen Zipfel*).
Wenn der Riss nahe an der Cornea erfolgte, dann pflegt auch
die Conjunctiva mit zerrissen zu sein, und dann kann die
Linse ganz oder grösstenteils abgegangen sein oder bloss ein
*) Ein Klempner von 34 Jahren fiel mit voller Wucht auf den Amboss,
dass die eine Ecke den unteren Umfang des 1. A. in der Nähe des inneren
Lidwinkels traf. Man fand an demselben Tage u. A.: 1. einen Einriss in
der Sklera und der darüber liegenden Bindehaut, welcher sich von dem
äusseren Cornealrande im horizont. Meridian einige Linien nach aussen er-
streckte. Nach 4 Tagen war die Conj. weniger chemotisch, und nun sah
man in der Sklera einen 2. längeren Riss, der, zum Theil von Conjunot.
bedeckt, von dem äusseren Ende des ersten parallel zum Hornhautrande
nach innen-oben verlief, so dass durch beide Risse ein etwas spitzwinkliger
Lappen der Sklera begrenzt wurde, der sammt der Hornhaut nach innen
und unten verschoben war. Fünf Tage später liess die nur noch wenig
geschwollene Bindehaut einen 3. subconjunctivalen Einriss erkennen, der in
der Sklera vom inneren-oberen Hornhautrande in einem flachen nach ab-
wärts sehenden Bogen einige Linien nach innen verlief. Unter Abnahme
der Entzündung trat eine Verkleinerung des Bulbus, namentlich eine con-
centrische Verkleinerung der durch die mehrfachen Skleralrisse entspannten
Hornhaut ein. Die Linse war sicher bedeutend dislocirt worden, wahrschein-
lich im Momente des Stosses ausgetreten.
2*
— 20 —
Theil der Iris, der Kapsel (oder Linse), des Glaskörpers aus
der Wunde heraushängen.
Ist die Bindehaut ganz geblieben, so bildet sie einen Sack,
in welchem sich Blut, Kammerwasser, Iris, Linse, Glaskörper
befinden kann. Durch diesen Inhalt kann der Skleralriss mehr
weniger verdeckt werden. Die Weichheit des Bulbus, welche
selbst nach Verklebung der Wunde noch fortbestehen kann,
das Hingezogensein einer Partie Iris gegen die auf Ruptur
verdächtige Stelle (scheinbares oder wirkliches Iriskolobom)
und allenfalls auch der Nachweis von Veränderungen an der
Linse, falls nicht etwa die Kammer voll Blut ist, können zur
Diagnosis führen, wenn die genaue Besichtigung der hügeligen
Bindehautvortreibung noch Zweifel über ihre Entstehung übrig
lassen sollte, oder wenn bereits allgemeine Chemosis dazu-
getreten wäre. Die Anwesenheit der Linse unter der Con-
junctiva verräth sich, abgesehen von der Grösse und Form,
nach Resorption des Blutes durch den totalen Lichtreflex (Glanz)
am Rande der Kapsel, nach eingetretener Trübung der Linse
durch die Farbentöne der Cataracta. Mit der Zeit kann die
Linse bis auf kleine Reste von Fett- und Kalksalzen resorbirt
werden, doch wahrscheinlich nur dann, wenn die Linse allein
oder sammt der eingerissenen (also geöffneten) Kapsel heraus-
geschleudert wurde.
Diese Berstung setzt immer die Einwirkung eines mit
grosser Kraft und Schnelligkeit geführten stumpfen Werkzeuges
voraus. Die vorliegenden Beobachtungen berechtigen nicht zur
Voraussetzung einer besonderen Disposition, wenn gleich solche
Berstungen fast nur bei Erwachsenen und ungleich häufiger in
der 2. Lebenshälfte beobachtet wurden.
Prognose. Nach den bisher bekannten Beobachtungen
hat es den Anschein, als ob sich die Wucht des Stosses in
der Zerreissung des Ciliarkörpers und der Sklera erschöpfte.
Die Netz- und Aderhaut (hinter der Ora serrata) werden dabei
wenig oder gar nicht verändert. Der Umstand, dass solche
Berstungen vorzugsweise nach oben oder innen-oben, selten
nach aussen-oben, am seltensten nach unten beobachtet wurden,
— 21 —
deutet darauf hin, dass der Bulbus im vordem Umfange ge-
troffen wurde, unweit von der Cornea. Ueber das Zustande-
kommen solcher Berstungen wurden bereits in §. 1 Andeu-
tungen gegeben.
Die Reaction auf das Trauma als directe Folge der Ver-
letzung erreicht nicht leicht einen hohen Grad, wahrscheinlich
wegen der länger andauernden Entspannung der Hülle des
Bulbus.
Die Gefahr liegt vorzugsweise in zu reichlichem Glas-
körperverluste, welcher zu subchorioidealer Blutung führen
kann, und in späterer Reizung der Iris, sei es durch Ein-
klemmung in der sich consolidirenden Narbe, sei es durch die
ganz oder theilweise im Bulbus verbliebene, auf Iris und
Ciliarkörper drückende Linse. Vergl. §. 14. In einem Falle
(Dr. Schräg, Inauguraldiss. über Skleral- und Chorioideal-
Ruptur, Leipzig 1870), wo nach dem Anprallen eines Holz-
stückes Skleralruptur mit Irisvorfall und Hämophth. ant. bei
Abgang jeder Lichtempfindung entstanden war, kam es nach
4 Wochen zu sympathischer Erkrankung des anderen
Auges (Zehender klin. Monatsbl. 1871, p. 157). Dieselbe Folge
hatte ein Stoss durch einen Vorübergehenden bei einer 69jähri-
gen Frau, wahrscheinlich wegen Andrückung des luxirten
Krystallkörpers an den Ciliarkörper (Schröter im klin. Monatsbl.
1866, p. 249).
Wenn viel Glaskörper in die Wunde eintrat, so steht
entweder heftige Reaction wegen zu beträchtlichen Collapsus
des Bulbus oder starke Chorioidealblutung sogleich zu besorgen,
oder es besteht die Gefahr allmäliger, erst nach Wochen,
Monaten sich manifestirender Netzhautabhebung.
Viel weniger hat die Anfülliiug der vorderen Kammer
mit Blut zu bedeuten. Es liegen zahlreiche Beobach-
tungen vor, wo Leute nach totalem Austritte der Linse
aus dem Bulbus mittelst Staarbrillen ungefähr eben
so gut sehen konnten, wie Staaroperirte, und in diesem
Zustande jahrelang verblieben.
— 22 —
Behandlung. Die nächste Aufgabe ist, weitere Ent-
leerung des Bulbusinhaltes zu verhüten. Dazu ist in den ersten
Tagen nicht nur ruhige Kückenlage (unter Anwendung kalter
Umschläge), sondern auch Hemmung des Lidschlages (Ver-
schluss beider Augen) und Abhaltung alles dessen wünschens-
werth, was im Stande ist, den Rückfluss des Blutes durch die
absteigenden Hohlvenen zu hemmen (Husten, Stuhlzwang u. dgl.).
Hängt eine grössere Portion von Glaskörper oder von Iris aus
der Wunde heraus, so könnte man bei einigermassen ruhigen
Individuen wohl eine Abkappung vornehmen, nothwendig ist
diese jedoch nicht. Die zu Tage liegende Glaskörpermasse
wird nach einigen Tagen trüb, an der Basis eingeschnürt, end-
lich abgestossen, die Iris wird in der Pforte fixirt, allmälig
von Exsudat und Bindehaut überbrückt und abgeflacht. Wo
nicht, so soll man sie abkappen. Drückt die Linse auf die
Iris oder auf den Ciliarkörper, so suche man sie zu extrahiren.
Wo die Bindehaut nicht eingerissen, nur sackförmig vor-
getrieben ist, warte man mit der Eröffnung und Entleerung
des Sackes so lange, bis man annehmen darf (nach der Span-
nung des Bulbus), dass sich der Riss in der Sklera und Uvea
bereits geschlossen hat.
Entwickelt sich Panophthalmitis (Protrusion des im Innern
mit Eiter erfüllten Bulbus), so ist der Ausgang in Phthisis
bulbi kaum mehr aufzuhalten, am ehesten noch durch Com-
pressivverband, und können nur die heftigen Schmerzen ge-
mildert und abgekürzt werden, anfangs durch eiskalte, später
durch lauwarme Umschläge unter Zuhilfenahme von Opiaten
oder Chloramydrat; endlich, wenn der Durchbruch des Eiters
durch eine sich etwas aufwölbende Partie der Sklera lange
zögert, kann ein Einstich an der am meisten vorgetriebenen
Stelle das einzige Mittel sein, den Kranken rasch von seinen
Qualen zu befreien.
Die schlimmsten Fälle sind jene, wo wegen Zerrung und
Einklemmung, oder wegen Druckreizung der Iris (des Ciliar-
körpers) durch die luxirte oder quellende (entkapselte) Linse
im Auge, oder wo durch späteren Bluterguss in den Glaskörper-
— 23 —
räum eine langwierige Entzündung im Uvealtractus (mit Druck-
steigerung) eingeleitet und unterhalten wird, weil in solchen
Fällen auch die Gefahr sympathischer Iridokyklitis des zweiten
Auges gegeben ist. Vergl. den Aufsatz über sympathische
Ophthalmie vom Jahre 1873. Jänner und Februar. (Wiener
medic. Wochenschrift).
§. 5. Berstung in den Binnenhäuten (Iris, Zonula,
Kapsel, Chorioidea, Retina).
Berstung im Uvealtractus (Iris, Chorioidea) verräth
sich im Allgemeinen durch Bluterguss im Kammerwasser oder
im Glaskörper (Hämophthalmus).
Bluterguss in der vorderen Kammer an einem früher
nicht entzündeten Auge (Fälle von Scorbut und von Neoplasmen
im Bulbus ausgenommen) deutet stets auf Erschütterung des
Auges oder auf eine penetrirende Wunde. Es stammt in der
Regel aus der Iris, selten aus den Ciliarfortsätzen oder aus
der hinteren Hälfte des Bulbus.
Blut kann die ganze Kammer ausfüllen, aber auch in so
geringer Menge vorhanden sein (in dem Falze zwischen Iris
und Corneoskleralrand), dass man es nur nach sorgfältigem
Nachsuchen, vielleicht nur bei Focalbeleuchtung findet. Es
lagert meist unten, kann jedoch auch oben oder seitlich, oder
zwischen Irisfasern haften an der Stelle, wo ein Einriss der
Iris stattfand. Es ist dann vielleicht nur mittelst Focal-
beleuchtung zu erkennen.
In früher gesunden, namentlich in jugendlichen Augen
kann Blut, welches die ganze Kammer erfüllte, binnen 36 Stunden
resorbirt sein; aber es bleibt meistens Blutfarbestoff im Kammer-
wasser längere Zeit zurück und verändert die Farbe, besonders
lichter Regenbogenhäute, wie ein gelber oder blassrother Ueber-
zug, durch welchen die Faserung der Iris, wenn diese nicht
entzündet ist, deutlich wahrgenommen werden kann.
§. 6. Bluterguss im Glaskörper nach Erschütterung
mit Chorioidealberstung (oder nach penetrirenden Wunden jen-
seits des Linsensystemes) macht je nach seiner Reichlichkeit
und Oertlichkeit Sehstörung in verschieden hohem Grade bis
— 24 —
zur blossen Unterscheidung zwischen voller Beschattung und
starker Beleuchtung. Mächtige Blutmassen im Glaskörper sind
an und für sich im Stande , alles Licht zu absorbiren, mithin
die quantitative Lichtempfindung wohl auch auf Null zu reduciren.
Wenn wegen gleichzeitigen Blutergusses in der vorderen
Kammer oder wegen Trübung der Linse (der Cornea) die Ein-
sicht in die Tiefe des Auges mittelst des Spiegels nicht ge-
stattet ist, so kann uns dasselbe Verfahren, welches man seit
Gräfe bei Cataracta anwendet, um die Functionstüchtigkeit
der Netzhaut zu prüfen, ziemlich genaue Auskunft geben, ob
wir es bloss mit reichlicher Blutansammlung im Glaskörper
oder nebstdem noch mit Abhebung der Netzhaut (durch Blut
oder Serum zwischen Chorioidea und Retina), mit Zerreissung
oder Erschütterung derselben (commotio retinae) zu thun haben.
„Existirt, wenn der Kranke im dunklen Zimmer mit der Lampe
untersucht wird, ein völlig präciser Lichtschein, ungefähr so,
wie bei einer reifen Cataracta, und wird derselbe nach allen
Richtungslinien beinahe gleich deutlich wahrgenommen, so kann
freilich noch eine ziemlich umfangreiche Blutung im Glaskörper,
aber sicher keine Netzhautablösung vorhanden sein. Ist die
quantitative Wahrnehmungsfähigkeit massig herabgesetzt und
der Lichtschein in der unteren Region des Gesichtsfeldes etwas
deutlicher als nach oben, so darf auch der Schluss einer Netz-
hautablösung noch nicht gezogen werden, sondern eine sehr
starke Blutung in die Glaskörperhöhle mit Senkung der Blut-
coagula im Glaskörper kann die Herabsetzung und Ungleich-
mässigkeit erklären. Liegt in solchen Fällen viel daran, die
Prognose früh zu fixiren, d. h. den Verdacht einer Netzhaut-
ablösung abzustreifen oder zu begründen, so lasse man den
Kranken wiederholt sein Auge schnell nach oben bewegen, um
die im Glaskörper verweilenden Coagula aufzurühren, und ver-
gleiche dann, ob die Ungleichmässigkeit des Lichtscheines sich
in irgend einer Weise ändert. Man kann auch den Kranken
längere Zeit auf einer Seite liegen lassen und dann beobachten,
ob die Gegend des undeutlichen Lichtscheines sich entsprechend
ändert. Ist endlich eine enorme Differenz zwischen dem Licht-
— 25 —
scheine nach oben und nach unten vorhanden und der Licht-
schein überhaupt sehr beträchtlich herabgesetzt, so kann eine
Netzhautabhebung diagnosticirt werden. Man darf, wie bei
reifen mit Netzhautablösung complicirten Cataracten natürlich
auch hier nicht erwarten, dass der Lichtschein bei einer ge-
wissen Grenze im Gesichtsfelde vollkommen verschwindet, weil
ja die Lichtzerstreuung durch das ergossene Blut die Brech-
verhältnisse ändert." Unrichtige Projection der Flamme kann
auch hier Aufschluss geben. „Uebrigens darf man nicht ausser
Acht lassen, dass eine Netzhautablösung auch später hinzu-
kommen oder sich vergrössern kann, wenn die Opacität des
Glaskörpers abnimmt, respective schrumpft. Ich will endlich
nicht in Abrede stellen, dass man kleine Netzhautablösungen
bei Hämophthalmus trotz der genauesten Prüfung des Licht-
scheines (wegen der Lichtzerstreuung) übersehen und in manchen
Fällen bei gleichzeitigen starken Glaskörperhämorrhagien unter
den oben angegebenen Symptomen im Ungewissen bleiben
kann, allein es liegt in der Prüfung des Lichtscheines bei
homocentrischem Lichte immerhin gegenüber der früheren
Beurtheilung ein grosser diagnostischer und prognostischer
Fortschritt" (Gräfe, Archiv für Ophth. III. b. 367).
Prognose bei Hämophthalmus post. Geringere Mengen
extravasirten Blutes im Glaskörper verursachen an und für
sich nur eine mehr weniger auffallende Herabsetzung der Seh-
schärfe. Der Verletzte beklagt sich über das Vorschweben
einer dunklen Wolke oder Flocke, sieht wohl auch (Anfangs)
weisse Objecto roth.
Die Aufsaugung erfolgt hier viel langsamer als im Kamnier-
wasser; selbst wenn keine späteren Nachschübe kommen, können
5 — 6 Wochen vergehen. Sehr oft bleiben bewegliche Skotome
lange oder für immer zurück; ob ein störender Defect im Ge-
sichtsfelde (ein fixes Skotom) vielleicht auch eine mehr weniger
grosse Gesichtsfeldeinschränkung zurückbleiben werde, das
hängt theils von dem Sitze und der Grösse der Chorioideal-
ruptur, theils von den augenblicklichen oder nachfolgenden
Veränderungen der Netzhaut ab. Vergl. §. 8 und 9.
— 26 —
So lange das in der Kammer oder im Glaskörper ange-
sammelte Blut die genaue Einsicht in den Augengrund verhin-
dert, verhalte man sich rücksichtlich der ProgDOsis reservirt,
besonders wenn die Gewalt der Verletzung gross, oder wenn
das Auge schon vorher nicht ganz gesund, z. B. in höherem
Grade kurzsichtig war. Sofern die quantitative Lichtempfindung
durch massenhaft im Glaskörper angesammeltes Blut einige
Zeit — 2 bis 3 Wochen — aufgehoben war, kann der Licht-
schein noch wiederkehren.
Zu bemerken ist noch, dass nach grösseren Hämorrhagien
traumatischen Ursprunges oft noch nach vielen Wochen nicht
nur das Kammerwasser, sondern auch das episklerale Binde-
gewebe eine gelbe Tingirung zeigt.
§. 7. Zerreissung der Iris nach Contusion des Bulbus
kommt am häufigsten am Ciliarrande vor, vom geringsten (kaum
auffindbaren) Grade bis zur totalen Ablösung vom Ciliarkörper;
selten reisst die Iris nebstdem zugleich in radiärer Richtung
(vom Pupillar- bis in den Ciliarrand) ein, und noch seltener
findet man kleine fissurenartige Einrisse bloss am Pupillen-
rande, oder schmale Spalten zwischen den radiären Fasern der
Iris als Quelle des Blutes in der Kammer.
Nach partieller Ablösung am Ciliarrande (Iridodialysis)
findet der Sphinkter an der betroffenen Stelle keinen Wider-
stand seitens der Radiärfasern ; er geht an dieser Stelle aus
der Form des Kreisbogens in die der Sehne über, wodurch die
Pupille eine Form erhält, die man schlechtweg als nieren-
förmig bezeichnen kann. Diese Deformität ist zur Zeit der
Untersuchung bisweilen das einzige Zeichen, welches auf eine
geringe Dialysis deutet. Durch nicht zu kleine Lücken in der
Iris bekommt man mittelst des Augenspiegels rothes Licht vom
Augengrunde, wenn die Medien durchsichtig sind. Ausgedehn-
tere Dialysen geben sich sofort durch eine periphere Lücke
(zweite Pupille) kund. Bei grossen Lücken dieses Ursprunges
kann sich die abgelöste Partie so lagern, dass die natürliche
Pupille in eine schmale Spalte verwandelt oder ganz ver-
legt wird.
— 27 —
Nach totaler (nahezu totaler) Dialysis verschrumpft die
Jris zu einem unscheinbaren aschgrauen Häutchen.
Radiäre Einrisse bewirken ein wahres Kolobom; der eine
oder der andere Schenkel der zugleich abgelösten Iris kann
gegen einen Skleralriss (wo ein solcher zugleich erfolgte) hin-
gezogen werden, aber auch sich im Bereiche der natürlichen
Pupille an die Kapsel anlegen und hier durch entzündliche
Verwachsung fixirt werden. Ich sah in einem Falle nach einem
Stosse, der den Bulbus in der Gegend der Insertion des
M. rectus inferior getroffen hatte, die Iris in ihrem oberen
Drittel vom Ciliarkörper abgelöst und zugleich in der Mitte
vom (abgelösten) Ciliar- bis durch den Pupillarrand senkrecht
durchrissen.
Prognose. Die Zerreissung der Iris an und für sich
ist nur dann von Bedeutung für das Sehvermögen, wenn die
natürliche Pupille dadurch stark erweitert, mithin Blendung
verursacht wird, oder wenn eine zweite Pupille so gross und
so gelagert entstanden ist, dass bei ungenauer Einstellung des
dioptrischen Apparates monoculäres Doppeltsehen entsteht.
Ueberdies kann dadurch auch eine mehr weniger auffallende
und bleibende Entstellung gesetzt werden. Ausgebreitete Iritis
wird dadurch nicht veranlasst.
Behandlung. Diese Verletzung indicirt kein besonderes
therapeutisches Eingreifen, bloss Ruhe und Beschattung der
Augen, Anfangs kalte Umschläge. Die Aufsaugung des Blutes
lässt sich wahrscheinlich nicht beschleunigen, obwohl der Rath,
weingeisthältige Umschläge mit Zusatz von Tinct. flor. arnicae
anzuwenden, nicht geradezu abzuweisen sein möchte. Unnöthig
dagegen ist bei einfachem Hämophthalmus anterior die Eröff-
nung der Kammer, um das Blut zu entleeren. Nur wenn
zugleich Zeichen von Hämophthalmus posterior vorhanden sind
(schlechter Lichtschein, erhöhte Spannung) und die Resorption
lange zögert, wird man zu vorsichtiger und langsamer Ent-
leerung des Blutes aus der Kammer schreiten müssen.
§. 8. Berstung in der Ader haut. Diese betrifft öfters
nur ein oder das andere Gefäss und das ausgetretene Blut
— 28 —
beschränkt sich auf das Parenchym der Chorioidea, oder es
ergiesst sich zwischen Leder- und Aderhaut (in grösserer
Menge nur nach Verletzungen mit gleichzeitiger Eröffnung des
Bulbus); oder es drängt die betreffende Netzhautpartie ab, kann
diese selbst durchbohren und in den Glaskörper eindringen;
als höherer Grad der Berstung manifestirt sich ein mehr weniger
langer Ader haut riss an einer oder an mehreren Stellen.
Diagnose und Prognose. Mehr weniger zahl- und
umfangreiche Blutaustretungen im Gewebe der Ader-
haut sind nach Contusionen des Bulbus selbst ohne sonst sicht-
bare Veränderungen beobachtet worden. Direct und an und
für sich bewirken diese flecken- oder tüpfeiförmigen Herde
keine Sehstörung. Sie verschwinden auch in der Regel bald
ohne auffallende Spuren. Doch kann reactive Entzündung
eintreten und die Netzhaut in Mitleidenschaft gezogen werden.
Sie lassen sich selbstverständlich nur ophthalmoskopisch nach-
weisen und erscheinen als blutrothe Flecke oder Tupfe, vor
welchen man die Gefässe der Netzhaut ununterbrochen und
unabgelenkt streichen sieht. In manchen Fällen, und das ge-
schieht nach Bertin (vergl. §. 18) auch bei kleinen sub-
chorioidealen Extravasaten, wird die davor liegende Netzhaut-
partie auf einige Zeit trüb, allmälig — im Verlaufe einiger
Tage — wieder hell.
Von ernsterer Bedeutung sind Gefässberstungen der Ader-
haut, welche zur Verdrängung oder selbst zur Durch-
reissung der anliegenden Netzhautpartie geführt haben.
Erfolgten solche Veränderungen in der Gegend der Macula
lutea, so bestimmen sie den Verletzten zu Klagen über Seh-
störung; mehr peripher erfolgte können sich nebst Bluterguss
in den Glaskörper möglicherweise bloss bei der Prüfung des
Gesichtsfeldes vermuthen und dann ophthalmoskopisch nach-
weisen lassen. In den ersten Tagen kann der Nachweis durch
Blut im Glaskörper oder im Kammerwasser erschwert, ver-
hindert werden. Später kann die Abhebung oder Durchbohrung
der Netzhaut klar zu Tage treten, aber auch durch consecutive
Glaskörpertrübung mehr weniger maskirt werden.
— 29 —
Solche Risswunden der Retina können so verheilen, dass
man die Narbe kaum mehr erkennt, und dass keine erhebliche
Functionsstörung zurückbleibt. Auch abgehobene Netzhautpartien
können nach Resorption des Blutes wieder functionstüchtig
werden. Ist Entzündung dazu getreten, so kann die leidlich
wieder hergestellte Function nachträglich durch Schrumpfung
des Narbengewebes wieder mehr gestört werden. Solche Fälle
werden also rücksichtlich des Endresultates immer sehr lange,
oft viele Monate in Beobachtung gehalten werden müssen.
§. 9. Aderhaut risse sind vorzugsweise in der Gegend
des hinteren Poles beobachtet worden, mithin an der Schläfen-
seite der Sehnervenscheibe, unter besonderen Verhältnissen
jedoch auch an der Nasenseite. Ihre Entstehungsweise wurde
bereits in §. 1 erörtert.
Diagnose. In der ersten Zeit wird der Riss verdeckt
durch Blut, welches theils in ihm lagert, theils durch die ge-
sprengte Netzhaut in den Glaskörper tritt und selbst in die
vordere Kammer gelangen kann. Nach Klärung der Medien
sieht man die scharf oder zackig begrenzte Chorioidealspalte
zunächst gelb, später hellweiss, indem das Licht dann nur von
der blossgelegten Sklera reflectirt wird. Die Ränder erschei-
nen längere Zeit roth, später oft stark pigmentirt. Ueber diese
Spalte sieht man die Netzhautgefässe unverändert verlaufen,
ausser wenn bei der Berstung zugleich ein Netzhautgefäss mit
durchtrennt worden war. Nebstdem können die Zeichen reac-
tiver Netzhautentzündung in der nächsten Umgebung, wohl
auch partielle Faltung und Netzhautabhebung vorhanden sein.
Später durchziehen oft Bindegewebsstränge den Glaskörper un-
mittelbar vor der Mitte des Risses oder in der nächsten Um-
gebung und lassen den Riss nur theilweise deutlich sehen.
Auf Chorioidealrisse in oder vor der Aequatorialgegend
muss man gefasst sein, wenn der Bulbus in dieser Gegend
durch ein stumpf kantiges Werkzeug getroffen, eingeknickt
wurde. Bisher sind hintere Aderhautrisse an der Nasenseite
der Sehnervenpapilla nur nach dem Anprallen eines fremden
Körpers an die Nasenseite der Sklera beobachtet worden. Ein
— 30 —
hinterer Chorioidealriss an der Schläfenseite des Opticus
schliesst einen vorderen Chorioidealriss an derselben Seite nicht
aus, wenn der Bulbus in oder etwas vor der Aequatorialgegend
an der Schläfenseite eingedrückt wurde.
In einem Falle war in Folge des Anspringens eines Eisen-
stückes an den inneren Umfang des rechten Bulbus, in der
Aequatorialgegend nach innen von dem Sehnerveneintritte ein
zweischenkliger Riss in der Aderhaut zu Stande gekommen,
dessen längerer Schenkel 2 — 3 Papillendurchmesser lang war
und vertical verlief, während der kurze, etwa 1 Papillendurch-
messer lange Schenkel horizontal strich und mit dem oberen
Ende des ersteren fast einen rechten Winkel bildete. In eini-
gem Abstände davon zeigten sich die wulstigen, glänzenden,
fettweissen Ränder der ganz unregelmässig durchrissenen Netz-
haut, den rothen Augengrund eine Strecke weit verhüllend.
Jenseits des äusseren Rissrandes bis nach vorne zur Ora ser-
rata war die Netzhaut in Form einer faltigen Blase abgehoben.
Der Glaskörper erschien dabei leicht getrübt. Subjectiv be-
kundete sich das Leiden durch eine sehr beträchtliche Herab-
setzung der Sehschärfe und durch eine ausgedehnte Einschrän-
kung der äusseren Peripherie des Gesichtsfeldes. Stell wag,
Lehrb. 4. Aufl., pag. 322.
In einem Falle, über welchen Aub aus Knapp's Klinik
berichtet (A. f. A. und O. II. a. 256), war das linke Auge
eines 14jährigen Knaben an der Schläfeseite von einem Stück
Holz getroffen worden. Vierzehn Tage später konnte man
nach starker Erweiterung der Pupille an dem vordem äussern
Theile des Augengrundes, und zwar an der Vereinigung der
Chorioidea propria mit dem Ciliartheile eine Lücke sehen
(nach auf- und rückwärts verlaufend), deren Ränder pigmentirt
waren. Später, nach Resorption des in den Glaskörper er-
gossenen Blutes, zeigte sich eine isolirte Ruptur der Chorioidea
in der Gegend der Macula mit 2 Fortsätzen nach oben und
3 nach unten. Die Ruptur im vorderen Theile des Augen-
grundes war zu dieser Zeit von Narbengewebe eingenommen,
die Ränder noch pigmentirt.
— 31 —
Knapp (1. c., pag. 27) bringt die Schilderung und Ab-
bildung eines Auges, das ein Jahr vorher durch einen Schuss
aus einer bloss mit Pulver geladenen Pistole verletzt worden
war. Cornea und Sklera zeigten zahlreiche Pulverkörner.
Der Patient zählte Finger bloss bis 1 Fuss Entfernung; das
Sehfeld war (von der Nasenseite) stark eingeengt. Mit dem
Augenspiegel bemerkte man bewegliche Glaskörpertrübungen,
welche den Augengrund etwas verdunkelten. Dennoch sah
man einen gekrümmten weissen Streifen die untere und äussere
Seite des Sehnerveneintrittes umkreisen, und im vordersten
Theile des Augengrundes, gleichfalls nach unten und aussen
eine grosse Menge unregelmässiger weisser Flecken, welche
ohne weiters als Defecte des Aderhautgewebes und Bloss-
legung der Sklera gedeutet werden konnten. Die grösseren
Chorioidealgefässe waren hier erhalten und die Retinalgefässe
sah man ohne erhebliche Veränderungen durch diese Gegend
ziehen; an einer Stelle jedoch war die Retina in geringer
Ausdehnung in Form einer ovalen bläulichen Blase abgelöst.
Diese 3 Fälle haben die bemerken swerthe Thatsache ge-
meinschaftlich, dass der rückwärtige Aderhautriss genau in
demselben Meridiane zur Beobachtung kam, in welchem der
Bulbus vorne gewaltsam getroffen worden war. Sie sprechen
gegen die Entstehung des hinteren Aderhautrisses durch Contre-
coup so gut wie durch Gegendruck (nach Bertin). Dies möge
ihre auszugsweise Mittheilung an dieser Stelle rechtfertigen.
Prognose und Behandlung. Die traumatische Reaction
kann heftig werden, ist aber durchschnittlich eine geringe.
Die Therapie fällt demnach anfangs mit der des Hämophthal-
mus post. zusammen. Später, namentlich wenn Netzhautent-
zündung auftritt, wird wochenlang Schutz vor vollem Tages-
lichte und Enthaltung von accommodativer Thätigkeit des
andern Auges bei Fortsetzung eines entsprechenden Reg. diätet.
nothwendig sein.
In den meisten Fällen ist das Sehvermögen sofort auf
quantitative Lichtempfindung beschränkt; in einigen Fällen
konnte selbst diese erst nach 8 — 14 Tagen constatirt werden;
— 32 —
Fälle, wo das wiedergekehrte Sehvermögen annähernd oder
vollständig den früheren Grad wieder erlangt, sind als Aus-
nahmen zu betrachten. An der Stelle des Einrisses bleibt
oft ein blinder Fleck zurück : in anderen tritt zugleich mehr
weniger erhebliche Gesichtsfeldeinschränkung ein. Diese ist
seltener durch Zerreissung von Opticusfasern als durch reac-
tive Entzündung mit oder ohne consecutive Netzhautabhebung
(durch Narbenschrumpfung) verursacht worden. Die Functions-
tüchtigkeit des Auges kann übrigens auch durch Bindegewebs-
neubildung im Glaskörper bleibend geschädigt werden.
§. 10. Erschütterung des Kry stallkörpers (in Folge
vehementer Stösse, Schläge, Peitschenhiebe u. dgl., oder in
Folge gewaltsamer Erschütterung des Schädels, des ganzen
Körpers) bewirkt sehr selten Berstung der vorderen Kapsel
und deren Folgen (§. 24), jene Fälle ausgenommen, wo die
Linse gegen einen Skleralriss geschleudert wurde (§. 4). Knapp
(1. c, p. 20) hat auch einen isolirten Riss in der hinteren
Kapsel nach einem Schlage auf das Auge gesehen, und Aub
(A. f. A. u. O. II. a. 256) beobachtete einen solchen in
dem oben citirten Falle von hinterem und vorderem Chorioi-
dealrisse.
Viel häufiger erfolgt eine partielle oder totale Dehnung
oder Zerreissung des Aufhängebandes der Linse, der
Zonula Zinnii.
Ein Mann von 35 Jahren war durch einen Schuss mit
Schrotkörnern verletzt worden. Unmittelbar darauf waren zwei
Schrote aus der Stirn und vier aus dem oberen Lide, eines
aus dem äusseren Theile der Bindehaut entfernt worden. Vier
Tage später fand Aub (1. c, p. 259) das obere Lid etwas ge-
schwollen, mit Spuren von Schroten, von denen keines das
Lid durchbohrt hatte. Bulbus und Bindehaut der Lider ge-
röthet und leicht angeschwollen ; starke Röthe um die Cornea.
Die Hornhaut klar, in der vorderen Kammer blutiges Serum,
die Pupille eng, die Iris von grünlicher Färbung, am oberen
und äusseren Theile prominent (etwa in !/6 ihres Umfanges).
Die Einzelheiten des Augengrundes nicht zu erkennen. Durch
— 33 —
Atropin wurde die Pupille theilweise erweitert und die Linse
zeigte sich unverletzt, jedoch am oberen äusseren Theile von
ihrer normalen Lage nach der Hornhaut hingedrängt und gab
dadurch zur Irisprominenz Anlass. Der Glaskörper war stark
getrübt und verhinderte eine genauere Untersuchung. Finger
konnten nur auf 4 Fuss gezählt werden, während das Gesichts-
feld vollkommen war. Die Spannung des Auges war etwas
vermindert. Druck auf den oberen Theil nahe dem Aequator
war schmerzhaft, doch konnte keine Verletzung als Ursache
dieser Schmerzhaftigkeit aufgefunden werden. — Nach drei
Tagen war der Augapfel fast weiss, die Hornhaut klar, die
Kammer frei von Blut, die Farbe der Iris normal ; die Pupille
war ad maximum (durch Atropin) erweitert, aber der obere
äussere Theil der Iris noch immer durch die Linse vorwärts
gedrängt. Man konnte jetzt den Augengrund in seinen Einzel-
heiten sehen und fand ihn bis auf leichte Hyperämie normal.
Patient zeigte aber eine merkwürdige Metamorphopsie. Das
obere und äussere Ende eines geraden Stabes, welcher diagonal
vor diesem Auge vorgehalten wurde, erschien dicker, wrährend
das untere innere Ende dünner erschien. Wurde der Stab
nun um die Sehlinie gedreht, so nahm diese abnorme Erschei-
nung allmälig ab und verschwand gänzlich, wenn er in einem
rechten Winkel zu seiner ersten Lage gehalten wurde. Finger
konnten ohne Gläser auf 12 Fuss gezählt werden, und mit
einem concaven cyli ndrischen Glase von 20 Zoll Brennweite,
das obere Ende der Achse ungefähr 20 Grad nach innen ge-
dreht, war S = 20/ioo« — Nach weiteren sechs Tagen war das
Auge von aller Entzündung frei, Linse und Glaskörper völlig
klar und die Iris hatte die genannte Prominenz verloren. Die
Metamorphopsie war verschwunden, mit cylindrischen Gläsern,
auch mit den schwächsten, wurde schlechter gesehen, dagegen
mit sphärisch concav S = 2%0> ohne Gläser S= 2o,-)(). Das
Atropin und die Einreibungen grauer Salbe an der Stirne
wurden nun weggelassen und 24 Tage nach der Verletzung
war die Sehschärfe = 2,l/2o, die Refraction eminetropisch, die
Accommodation vollständig.
v. Ar lt. Die Verletzungen des Auges. 3
— U —
Aub bemerkt nun, dass man die Prominenz der Iris von
einer unvollständigen Luxation der Linse hätte erklären können ;
er entschied sich aber für einen Riss oder eine Relaxation
(Dehnung) der Zonula, welche der Linse gestatteten, in dieser
Gegend sich mehr der Kugelgestalt zu nähern (Vergl. §.11
und 12), weil die Dislocation der Linse nicht genügte, die
Metamorphopsie zu erklären. Man darf wohl hinzufügen, dass
dann auch die Accommodation nie mehr ihre normale Breite
wieder erlangt haben würde. „Das optische System war in
dem oberen äusseren Theile, wo die Anschwellung der Linse
(als Folge der Dehnung und Erschlaffung oder Zerreissung
der Zonula daselbst) sich befand, myopisch geworden und
scheint hier mehr weniger die Form und Wirkung einer koni-
schen Linse angenommen zu haben, deren Achse von oben-
aussen nach unten-innen gerichtet war." Die Richtigkeit der
Thatsachen und ihrer Deutung vorausgesetzt, wird man zu der
Annahme berechtigt sein, dass partielle Dehnung oder Zer-
reissung der Zonula ohne Nachtheil vorübergehen können.
Ob Erschütterung des Auges, wenn weder Berstung der
Kapsel noch Zerreissung der Zonula stattfand, direct Linsen-
trübung bewirkt habe, darüber liegen keine verlässlichen
Angaben vor; es wird nur gewöhnlich so angenommen. Die
Trübung in der vorderen Corticalsubstanz, welche Berlin
(1. c, p. 47) durch Prellung von Kaninchenaugen mit einem
elastischen Stabe erhielt, spricht allerdings für directe Erzeu-
gung von Cataracta durch Contusion des Auges.
Wenn unilaterale Cataracten mehr weniger lange Zeit
nach einer Verletzung, wobei der Bulbus contundirt wurde,
zur Beobachtung gelangen, so kann die ohne Läsion der
Kapsel und Zonula (was in jedem Falle erst constatirt
werden muss) bestehende Cataracta auch in Folge der durch
das Trauma zunächst gesetzten Berstung der Aderhaut ent-
standen sein, nämlich mittelbar durch Hämorrhagie und deren
weitere Folgen, durch die reactive Ader- und Netzhautentzün-
dung, durch die consecutive Netzhautabhebung. Es ist seit
langer Zeit bekannt, dass man gerade bei Cataracta nach einer
— 35 —
Contusion, auf die sich der Kranke vielleicht nur nach ein-
gehendem Befragen erinnert, sehr oft Amaurosis oder Amblyopie
findet, welche füglich nur von einer Verletzung der Ader- und
Netzhaut (durch die Contusion, vielleicht auch durch einen,
der Untersuchung entgangenen, nebenbei mit eingedrungenen
kleinen fremden Körper) abgeleitet werden können, und der
Causalnexus zwischen Cataracta und entzündlichem Chorioideal-
leiden, insbesondere aber zwischen Cataracta und Netzhaut-
abhebung ist in neuerer Zeit bestimmt nachgewiesen worden.
In sehr vielen der hieher gehörenden Fälle unilateraler Cata-
racta lässt sich, nachdem das Vorangegangensein eines Trauma
constatirt ist, diese mittelbare Entstehung der Cataracta
schon aus einer gewissen Missfärbigkeit der Iris trotz deutli-
cher Faserung und aus partieller oder totaler Erweiterung
der Pupille vermuthen. Synchysis corporis vitrei bei un ver-
rückter Linsenlage deutet noch bestimmter auf die genannte
mittelbare Entstehung der Cataracta. Bei Cataracta in Folge
von Netzhautabhebung sind hintere Synechien, meistens unbe-
merkt (ohne erhebliche Röthe um die Cornea und ohne Schmer-
zen) entstanden, ein ganz gewöhnliches Vorkommen, die Netz-
hautabhebung mag wie immer verursacht sein.
Diese Synechien sind nicht zu verwechseln mit unregel-
mässigen Pigmentgruppen an der vorderen Kapsel,
welche man (seit Beer) nach manchen Verletzungen mit Er-
schütterung des Bulbus findet, auch wenn sich weder Continui-
tätsstörung in der Iris oder in der Zonula noch Vorausgegangen-
sein von Iritis nachweisen lässt.
Zur Ermittlung des fraglichen Causalnexus in speciellen
Fällen ist nebst der Betastung des Bulbus die Prüfung des
Lichtscheines und des Gesichtsfeldumfanges von unersetzlichem
Werthe. Bei Cataracta, direct und bloss durch Erschütterung
der Linse bewirkt, würde sich das Auge jenseits des Linsen-
systemes normal verhalten.
§. 11. Dehnung, Zerreissung der Zonula. Um die
Veränderungen, welche in Folge von Erschütterung an der
Zonula und weiterhin an der Linse auftreten, diagnostisch und
3*
— 30 —
prognostisch gehörig zu würdigen, müssen wir vorerst die hohe
Bedeutung dieses zarten Gebildes einer recapitulirenden Be-
trachtung unterziehen.
Die Zonula ist es, welche der Linse ihre feste Lage in
der tellerförmigen Grube sichert; die unverrückte Anlagerung
der hinteren Kapsel an den Glaskörper löst sich; sobald die
Zonula ganz oder in grossem Umfange aufgehört hat, die Linse
fest mit den Ciliarfortsätzen zu verbinden. Vermöge ihrer
Breite zwischen ihrer Insertion am Rande der vorderen Kapsel
und den Firsten der Ciliarfortsätze gestattet sie unbeschadet
der Verbindung mit dem Glaskörper Excursionen des Krystall-
körpers nach vorn und nach hinten, ja auch seitlich, wenn-
gleich solche Verschiebungen im physiologischen Zustande nicht
vorkommen. Die Linse kann relativ zu den Ciliarfortsätzen
um 2 — 3 Mm. vorwärts rücken (bei Abzapfung von Kammer-
wasser) und wahrscheinlich um ebensoviel rückwärts (bei Aus-
tritt von Glaskörper durch die Sklera, bei Schrumpfung des
Glaskörpers), ohne dass die Zonula zerreisst, vorausgesetzt,
dass die Locomotion nicht plötzlich erfolgt.
Die Zonula kann ohne Continuitätsstörung bis zu 2 Mm.,
vielleicht selbst darüber, gedehnt werden, wenn sie einem all-
mäligen Zuge ausgesetzt ist. Wir sehen dies bei hohen Graden
von Myopie und bei dem sogenannten Buphthalmus, sowie bei
staphylomatöser Ausdehnung des Bulbus in der Gegend des
Corpus ciliare; wir finden es in Augen mit concentrisch ge-
schrumpfter oder gegen eine Hornhautnarbe vorwärts gezogener
Linse, wir können eine solche partielle Dehnung endlich nach-
weisen bei angeborener Ektopie der Linse (§. 14).
Beim Bestände einer solchen Dehnung kann eine mehr
weniger umfangreiche (totale) Zerreissung der Zonula erfolgen
ohne oder auf eine geringfügige Veranlassung, z. B. Bücken
oder Niederfallen des Körpers, um so mehr aber nach einer
sonst vielleicht unschädlichen Verletzung des Auges oder des
Kopfes mit Erschütterung. Während also in dem einen Falle
eine vorgefundene Verschiebung des Krystallkörpers einzig und
allein einem heftigen Schlage, Hiebe, Stosse u. dgl. zugeschrie-
— 37 —
ben werden muss, kann sie in einem anderen vorzugsweise
wegen „besonderer Beschaffenheit des Körpers des Verletzten",
respective des Auges erfolgt sein. Man wird also vor der
Abgabe eines Urtheiles über die Gewalt, mit welcher eine Ver-
letzung beigebracht wurde, so gut wie möglich den Zustand
des Auges vor der Verletzung zu erfahren suchen müssen.
Angeborene Ektopie des Kry Stallkörpers, welche ganz vorzüg-
lich zur gänzlichen Ablösung der Linse aus ihrer natürlichen
Verbindung disponirt, verräth sich nicht nur durch Kurz- und
Schwachsichtigkeit, sondern kommt erfahrungsgemäss auch fast
immer bilateral vor. Ein hochgradig kurzsichtiger Bau, gleich-
falls meistens bi- mitunter jedoch auch unilateral, lässt sich
wohl auch nach der Verletzung constatiren, wenigstens dann,
wenn diese nicht zur Durchtrennung der Bulbuskapsel geführt
hat. Und hier kommen ja nur solche Fälle in Betracht.
§. 12. Diagnose der Subluxation des Krystall-
körpers. Vermöge ihrer Spannung, welche durch die Action
des Ciliarmuskels behufs Einstellung des Auges für das Erkennen
naher Objecte vermindert werden kann, leistet die Zonula dem
Streben der Linse, in die Kugelform überzugehen, entsprechen-
den Widerstand, und erhält diese bis zu einem gewissen Grade
abgeplattet. Wo dieser Zug fehlt, wegen ausgedehnter oder
totaler Zerreissung der Zonula, wird der durchsichtige Krystall-
körper in den Aequatorialdurchmessern kleiner, im Achsen-
durchmesser grösser. Das Auge ist schon wegen dieser
Form Veränderung der Linse kurzsichtig, und eine Ab-
rückung der Linse von der Netzhaut gegen die Cornea hin
kann diese Ametropie nur noch steigern.
Mit der vollständigen und umfangreichen Zerstörung der
Zonula ist zugleich ein wesentlicher Faktor des Accommo-
dations Vermögens aufgehoben; alsdann gibt es nur eine
ganz bestimmte Entfernung vor dem Auge, in welche das Object
des directen Sehens gebracht werden muss, damit die von ihm
zur Netzhaut gelangenden Strahlen gerade auf dieser zur Ver-
einigung gebracht werden.
— 38 —
Sobald die Linse nicht mehr fest an die Ciliarfortsätze
angezogen wird, wird sie bei den Bewegungen des Auges in
Schwingungen versetzt, welche sich der Iris mittheilen und bei
rasch erfolgtem Stillhalten des Bulbus nach einer stärkeren
Excursion desselben als Zittern oder Schlottern der Iris
gleichsam nachklingen. Doch hat dieses Symptom an und für
sich keinen positiven Werth, weil man bei durchsichtiger Linse
nicht sicher entscheiden kann, ob die Schwingungen der Iris
von der beweglichen Linse stammen. Denn die Iris kann auch
selbstständig in solche Schwingungen versetzt werden, wenn
sie am Pupillarrande frei und hinter ihr mehr Kammerwasser
angesammelt ist, als im normalen Zustande. Bei Kurzsichtig-
keit mit tiefer Kammer kann man nicht selten solche Schwin-
gungen am grossen Kreise der Iris beobachten, und bei Syn-
chisis corporis vitrei mit tieferer Lage der Linse sieht man
Schwingungen der Iris sehr oft in hohem Grade.
§. 13. Schiefstellung des Krystallkörpers. Nach
partieller, unter Umständen wohl auch nach totaler Zerreissung
der Zonula kann der Krystallkörper eine Zeit lang so vor der
tellerförmigen Grube liegen bleiben, dass seine Achse wenig
oder gar nicht von der optischen Achse abweicht; meistens
jedoch wird der Krystallkörper schief gestellt, so dass
er mit irgend einem Theile seines Randes weiter nach vorne
ragt, und dann ist er überdies mehr weniger seitlich gewichen,
so dass der weiter rückwärts gelegene Theil seines Randes den
Ciliarfortsätzen näher liegt als vorher.
Daraus resultirt nebst den in §. 12 genannten Verände-
rungen nicht nur eine mehr weniger beträchtliche Herabsetzung
der Sehschärfe wegen unregelmässiger Strahlenbrechung (Astig-
matismus), sondern auch ein diagnostisch sehr werthvolles
Zeichen, nämlich die ungleiche Tiefe der Kammer. Der
vorwärts gedrängte Theil des Linsenrandes drängt die ent-
sprechende Partie der Iris vorwärts.
Bei starker Erweiterung der Pupille (pathologisch oder
künstlich) lässt sich die Schiefstellung des Krystallkörpers bis-
weilen dadurch erkennen, dass man neben dem nach vorn
— 39 —
gerückten Rande mit dem Augenspiegel in die Tiefe
sehen kann. Der Rand selbst erscheint dann als ein dunkler
Meniscus, indem das vom Augengrunde zurückgeworfene
Licht durch totale Reflexion am Linsenrande dem Beob-
achter entzogen wird, während durch die Linse sowohl, falls
sie noch durchsichtig ist, als durch die Lücke zwischen Linsen-
rand und Ciliarfortsätzen der Augengrund hell erleuchtet (roth)
erscheint, vorausgesetzt, dass weder Bluterguss oder dessen
Folgen im Glaskörper, noch Netzhautabhebung dahinter vor-
handen sind.
§. 14. Seitliche Verschiebung des Krystallkör-
pers. Vermöge der totalen Reflexion des Lichtes, welches von
vorn auf den Rand einer noch durchsichtigen und nicht ent-
kapselten Linse auffällt und in das Auge des Beobachters ge-
worfen wird, erscheint ein aliquoter Theil desselben als ein
glänzender Meniscus, so dass man unwillkürlich an einen
auf Wasser schwimmenden Oeltropfen erinnert wird. Dieses
Phänomen kann man bei gewissen Stellungen zu einer solchen
Linse sehen, sobald die Linse soweit dislocirt ist, dass die Iris
nicht hindernd dazwischen tritt, also mit freiem Auge, wenn
eine solche Linse in der vorderen Kammer liegt, oder wenn
ein Theil ihres Randes hinter der Iris in das Pupillargebiet
hineinragt, oder nur mit dem Augenspiegel, wenn die Linse
tiefer in den Glaskörper gedrängt oder versunken ist. In
letzterem Falle kann es auch sein, dass der Kranke angibt, er
sehe einen dunklen Reifen oder eine dunkle, in der Mitte
etwas lichtere Scheibe vor sich, wenn sich nämlich die Linsen-
lagerung- und Lichteinfallsverhältnisse so gestalten, dass ver-
möge der totalen Reflexion des einfallenden Lichtes am Rande
die dahinter gelegene Netzhautpartie beschattet wird.
Wenn die nicht entkapselte und noch durchsichtige Linse
derart verschoben ist, dass sie nur einen Theil des Pupillar-
gebietes hinter der Iris einnimmt, so kann sie bewirken, dass
der Kranke doppelt sieht (auch bei Verschluss des 2. Auges
— monoculares Doppeltsehen). Wäre beispielsweise eine
solche Linse hinter der Iris so herabgesunken, dass ihr oberer
— 40 —
Rand ungefähr mitten durch das Pupillargebiet striche, so
würde der obere Theil des von einem entfernten leuchtenden
Punkte durch die Pupille eindringenden Lichtes durch die
Cornea, das Kammerwasser und den Glaskörper zur Netzhaut
gelangen und in der Gegend der Mac. lutea einen Zerstreuungs-
kreis (ein undeutliches Bild) entwerfen, weil die betreffenden
Strahlen erst hinter der Netzhaut zur Vereinigung gelangen
könnten; der untere Theil dagegen würde nebstdem noch durch
den oberen Abschnitt der Linse gehen und desshalb nicht nur
früher, also vor der Netzhaut zur Vereinigung gebracht (wie
im kurzsichtigen Auge), sondern überdies auch nach unten
abgelenkt werden, da dieser Abschnitt zugleich wie ein Prisma
(mit abwärts gerichteter Basis) wirkt; die durch die Linse ge-
drungenen Strahlen, schon vor der Netzhaut vereinigt, würden
also auf der Netzhaut einen Zerstreuungskreis (undeutliches
Bild) unterhalb der Macula lutea entwerfen, und der Kranke
würde demnach den Eindruck haben, als befände sich ober-
halb des direct gesehenen Objectes noch ein zweites. Durch
entsprechende Annäherung des Objectes könnte allerdings eine
Stellung gefunden werden, bei welcher die durch die Linse
gehenden Strahlen nicht vor, sondern in der Netzhaut vereinigt
werden, und umgekehrt könnte der Ausfall an Brechung der
oberen Strahlen durch Vorhalten eines entsprechenden Convex-
glases ersetzt werden. Der präexistente Refractionszustand,
respective der Bau des Auges vor der Verletzung würde bei
dieser Untersuchung selbstverständlich mit in Anschlag gebracht
werden müssen.
Prognose und Behandlung. Die Subluxation des Kry-
stallkörpers hat jedenfalls eine bleibende Sehstörung zur Folge,
welche auch im günstigsten Falle das genaue Sehen, nament-
lich die Beschäftigung mit Lesen, Schreiben, Nähen u. dgl.
unmöglich macht. Sie gibt erfahrungsgemäss bald früher bald
später (nach vielen Jahren) an sich oder wegen gleichzeitig
eingeleiteter Veränderungen in der Chorioidea oder im Glas-
körper Veranlassung zu Trübung der Linse oder sie geht
— 41 —
allmälig von selbst oder nach sonst unschädlichen Emotionen
in complete Luxation über. Vergl. §. 16 und 17.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass Risse in der Zonula,
welche einmal Schiefstellung oder gar Verschiebung des Krystall-
körpers zur Folge hatten, wieder so verheilen, dass dieser die
normale Lage und Befestigung wieder erlangen könnte. Es ist
auch nicht wahrscheinlich, dass den Folgezuständen durch
diätetische Vorschriften sicher werde vorgebeugt werden können.
Es würde die Aufgabe dieses Aufsatzes überschreiten, auszu-
führen, unter welchen Umständen der Zustand des Verletzten
später durch Iridektomie, Iridesis oder Linsenbeseitigung erträg-
licher und minder gefährlich gemacht werden könne. Das Auge
bleibt mindestens für immer verstümmelt.
§. 15. Luxation der Linse. Der völlig aus seinen
Verbindungen gelöste Krystallkörper kann sich eine Zeit lang
ganz so verhalten, wie ein theilweise noch durch die Zonula
an den Ciliarfortsätzen fixirter, einfach schief gestellter oder
zugleich mehr weniger verschobener; er pflegt jedoch über
kurz oder lang eine beträchtliche Lageveränderung einzugehen,
wenn er dieselbe nicht schon im Acte der Verletzung erhielt.
Es gibt auch Fälle, wo die anfangs unvollständige Luxation
von selbst oder nach neuerlicher Erschütterung des Auges in
eine vollständige übergeht.
Der vollständig luxirte Krystallkörper kann seine Durch-
sichtigkeit wochen-, monate-, jahrelang beib ehalten. Wenn
er eine beträchtliche Ortsveränderung erlitten oder allmälig
angenommen hat, so findet man ihn unten im Glaskörper,
der alsdann verflüssigt ist, oder in der vorderen Kammer,
oder in der Pupillaröffnung der Iris eingeklemmt.
In einem Falle sah ich nach einem Hiebe über das linke
Auge die Linse nach innen oben verschoben und an die Iris
angedrückt, dabei die Pupille beinahe so stark wie nach Atropin
erweitert, so dass man durch einen Meniscus (unten-aussen)
den Hintergrund des Auges, doch nicht deutlich, sehen konnte.
Hier war ausnahmsweise die luxirte Linse unbeweglich-, der
Bulbus fühlte sich härter an. Finger wurden nur bis 5 Fuss
- 42 —
Abstand gezählt; durch eine kleine OefFnung in einer dunklen
Platte konnte nur Schrift von Jag. Nr. 10 aufwärts erkannt
werden. Anderweitige Veränderungen Hessen sich nicht auffinden.
Er kann auch aus einer der genannten Lagen in eine
andere übergehen, er kann abwechselnd bald vor, bald hinter
die Iris gelagert werden*). Die dadurch bewirkten Zufälle,
abgesehen von der dioptrischen Störung, können sehr gering
sein, sogar jahrelang, aber auch amaurotische Erblindung, hart-
näckige Entzündung im Uvealtractus und selbst eitrige Zer-
störung des Bulbus herbeiführen. Dass die Linse (gewöhnlich
ohne Kapsel) durch einen Skleralriss unter die Conjunctiva
gelangt, aber auch trotz eines solchen Einrisses ganz oder
theilweise im Auge geblieben sein kann (in der Nähe des
Ciliarkörperrisses), wurde schon in §. 4 bemerkt.
§. 16. Dass der Krystallkörper in der vorderen
Kammer liege, ist leicht zu erkennen, bei Durchsichtigkeit
desselben an der blassweingelben Farbe und an dem Glänze
des Randes. Der Krystallkörper füllt die Kammer nie ganz
aus, obgleich er die Iris rückwärts drängt. Vergl. §§. 11 und 12.
Ist die Linse trüb geworden und später, oft viele Jahre nach
dem luxirenden Trauma, in die Kammer vorgefallen, so ist sie
meistens schon durch Fettmetamorphose und durch Kalkabla-
gerungen an der inneren Fläche der Kapsel erheblich ver-
kleinert, kreide weiss, wohl auch uneben, bald mehr kugel- bald
mehr placentaförmig. Sie kann frei und beweglich, aber auch
eingeklemmt und an die Cornea oder an die Iris angelöthet sein.
War die Linse zur Zeit des Vorfallens in die Kammer
schon getrübt, so war von dem Kranken nicht nur die Functions-
störung, sondern auch die (meist intensiv weisse) Trübung in
der Pupille schon vorher bemerkt worden. Die Diagnose
unterliegt also in keinem Falle einer Schwierigkeit.
*) Ich beobachtete längere Zeit einen Tischler mit Versenkung des
durchsichtigen Krystallkörpers in den Glaskörper, welcher, wenn er lesen
wollte, das Buch nahe an die Brust hielt, um durch die Abwärtsrichtung
der Sehachse zu bewirken, dass sich die Linse hinter die Iris lege und so
das Nahesehen vermittle. (Arlt, Krankh. des Auges, Prag 1856, III. p. 5.)
- 43 —
Prognose. Der in der vorderen Kammer liegende
Krystallkörper kann mit der Zeit trüb und kleiner, aber nie-
mals resorbirt werden. Bleibt er lange am Boden liegen, mit-
hin an die Cornea angelagert, so wird die betreffende Corneal-
partie allmälig trüb, und diese Trübung verliert sich auch nach
gelungener Extraction des Krystallkörpers niemals. Man hat
auch beobachtet, dass die betroffene Cornealpartie mit der Zeit
in sulzige Erweichung überging und dass dann die Cornea
durch Verschwärung zerstört wurde. Obwohl solche Linsen oft
viele Jahre ohne sonderliche Beschwerden ertragen werden, so
geschieht es doch in vielen Fällen, dass sie eine schleichende
Iridokyklitis mit mehr weniger heftigen Schmerzanfällen er-
regen. Es kommt zunächst zu vermehrter seröser Ausschei-
dung in dem Räume, den die Linse früher einnahm, zu ent-
zündlicher Erweichung der dem Corpus ciliare entsprechenden
Skleralzone und zu birnförmiger Formveränderung des Bulbus,
indem die verdünnte und ausgedehnte Skleralpartie ein Vorwärts-
rücken der Cornealbasis in der Hälfte oder ringsherum ge-
stattet. Es kann weiterhin auch zu serösem Ergüsse in den
Glaskörper, zu vermehrter Spannung des ganzen Bulbus, zu
glaukomatöser Erblindung (Druckexcavation des Sehnerven)
kommen. Trotzdem aber kann es bis zu hochgradiger Ver-
kalkung der Linse gekommen sein, ohne dass der hintere Ab-
schnitt des Bulbus wesentlich gelitten hat. Ich selbst habe in
den ersten Jahren meiner Praxis einen herumziehenden Musi-
kanten durch die Extraction mit Lappenschnitt von einer bei-
nahe ganz verkalkten, seit einer Reihe von Jahren in der
Kammer gelegenen Linse befreit, so dass er dann ohne Führer
herumgehen konnte (denn das andere Auge war phthisisch) ;
Staargläser nützten ihm wenig, wahrscheinlich wegen der Horn-
hauttrübung unter der Mitte der Cornea, da wo die Cataracta
angelegen war.
Behandlung. Der Vorfall des Krystallkörpers (Linse
in der uneröffneten Kapsel) indicirt unbedingt die Extraction
mittelst eines Bogenschnittes nach unten. Man warte nicht
länger als bis eine etwa durch die Verletzung mitbedingte
— 44 —
Chemosis vorüber ist. Der Kranke nehme eine halbsitzende
Stellung im Bette ein, damit die Linse nicht etwa durch die Pu-
pille rückwärts sinke. Ob das Messer vor oder hinter der
Linse oder vielleicht durch diese selbst durchzuführen sei, kann
der Operateur meistens erst vor dem Einstechen entscheiden.
Das beste Instrument ist ein schmales Beer'sches Messer, denn
es verursacht die relativ geringste Zerrung. Die Wunde muss
ein leichtes Austreten gestatten ; wo dieses nicht schon bei Be-
endigung des Schnittes erfolgt, muss die Linse mit einem
Daviel'schen Löffel, mit einem Häckchen oder mit einer Pin-
cette hervorgeholt werden. Druck auf ein solches Auge kann
leicht übermässigen Glaskörperverlust zur Folge haben. Aus
diesen Gründen ist die Extraction mittelst linearen Schnittes
ungleich mehr gewagt.
§. 17. Versenkung des Krystallkörpers in den
Glaskörper kann unter Umständen leicht, aber auch bei
gleichzeitigem Hämophthalmus schwer oder für einige Zeit gar
nicht zu erkennen sein. Ist weder Blutaustretung noch Zer-
reissung oder Lähmung der Iris vorhanden, so verhält sich ein
solches Auge wie ein rein aphakisches, die Iris liegt in toto
etwas tiefer und durchaus in einer und derselben Ebene (was
annähernd nur noch bei Kurzsichtigkeit vorzukommen pflegt)
und zeigt nach jeder raschen Blickänderung starkes Schlottern;
die Pupille ist eng und auffallend rein schwarz, sobald die im
Glaskörper liegende, wenn auch normal durchsichtige Linse
nicht etwa nahe hinter der Iris einen Theil des Pupillarbereiches
deckt. Der relativ zum Glaskörper specifisch schwerere Krystall-
körper, an der Peripherie des Bulbus gelegen und zwar mei-
stens vor dem Aequator nächst der unteren Wand, wird
bei jeder raschen Bewegung des Auges verschoben, z. B. bei
rasch nach oben gewendetem Blicke auf- und vorwärts ge-
schleudert, um sofort wieder nach hinten-unten zu sinken. Der
Kranke sieht, wenn nicht Hindernisse seitens der Netzhaut
oder des Lichtzutrittes zu dieser obwalten, in der Rückenlage
den Kry stallkörper mittelst des Schattens, den dieser auf
der Netzhaut entwirft. Er kann wohl auch durch längere
— 45 —
Vorwärtsneigung des Kopfes bewirken , dass die Linse sich
gerade hinter die Pupille lagert. Vergl. §§. 13 und 14. End-
lich lässt sich bei nicht zu enger Pupille und hinreichender
Durchsichtigkeit der Medien der durchsichtige Krystallkörper
an den in den §§. 13 und 14 angegebenen Reflexphänomenen,
der getrübte an seiner Grösse, Form und Farbe mittelst des
Augenspiegels leicht erkennen. Zum Ueberflusse könnte
man auch noch das Fehlen der Purkinje'schen Spiegelbilder
als Beweis für das Nichtvorhandensein des Krystallkörpers un-
mittelbar hinter der Iris verwerthen.
Prognose und Behandlung. Wenn das Auge sonst
keinen Schaden erlitten hat, so kann es wohl jahrelang gleich
einem aphakischen fungiren. Es kann aber auch, wahrschein-
lich durch häufig wiederkehrende Insultation der Iris und des
Ciliarkörpers in schleichende Entzündung mit seröser Aus-
schwitzung, in glaukomatöse Erblindung versetzt werden. Der
Krystallkörper kann auf halbem Wege zur vordem Kammer in
der Pupille eingeklemmt werden, aus welcher er um jeden
Preis entfernt werden muss, wenn das Auge nicht durch hef-
tige Entzündung vernichtet werden soll. Der Vorfall in die
vordere Kammer ist wohl das Beste, was man wünschen kann,
um sodann die Extraction vornehmen zu können. Starke My-
driasis und leichtes wiederholtes Anklopfen an das Auge bei
abwärts gerichteter Pupille (Vorwärtsneigung des Kopfes) können
diesen Vorfall zu Stande bringen, worauf man durch energische
Kalabaran wen düng die Pupille eng zu erhalten trachtet. Als-
dann wird man zur Extraction wie in §. 16 schreiten, jedoch
jedenfalls auf mehr weniger Verlust von Glaskörper gefasst sein
müssen. Die Disscission im Glaskörper ist, wenn nicht un-
möglich, mindestens sehr schwierig und kaum minder gefähr-
lich als die Extraction mit Glaskörperverlust. Vergl. §. 29.
§. 18. Theilnahme der Netzhaut bei Contusion
oder Erschütterung des Bulbus. Nicht nur vor, sondern
auch nach der Einführung des Augenspiegels in die Praxis
war man bis auf die jüngste Zeit geneigt, bei Sehstörung nach
solchen Verletzungen, falls weder äusserlich noch ophthalmo-
— 46 —
skopisch hinreichend erklärende Veränderungen aufgefunden
werden konnten und falls auch keine genügenden Anzeichen
vorlagen, auf Begründung derselben in der Schädelhöhle zu re-
curriren, zur Erklärung der bald transitorischen, bald bleiben-
den Sehstörung den Ausdruck Cornmotio retinae zu gebrau-
chen und dabei entweder eine minimale Verschiebung der
Netzhautelemente (etwa in der Stäbchen- und Zapfenschicht)
oder einen Einfluss der durch Erschütterung gelähmten vaso-
motorischen Nerven zu supponiren. Dr. Berlin (vide §. 1)
gebührt das Verdienst, auf die Haltlosigkeit dieser Supposition
hingewiesen und den Weg exakter Forschung in diesem dun-
keln Gebiete eingeschlagen zu haben. Für jene, welche sich
die klin. Monatsbl. von Zehen der nicht verschaffen können,
will ich hier einen kurzen Auszug der Originalarbeit nieder-
schreiben :
„Wenn wir die verschiedenen Formen der sogen. Corn-
motio retinae in Bezug auf die Aetiologie betrachten, so müssen
wir zwei Ilauptgruppen unterscheiden; solche, in welchen der
Orbitalrand allein oder hauptsächlich, und solche, in
welchen nur der Augapfel getroffen wurde. Von den Fällen,
wo man hierüber nichts Zuverlässliches eruiren kann, nament-
lich von Erschütterung durch Blitzschlag oder durch ein vor-
überfliegendes Geschoss, sehe ich vor der Hand völlig ab, weil
das vorliegende Beobachtungsmaterial noch zu dürftig ist, um
ein Urtheil über die Pathogenese dieser Verletzungen zu er-
möglichen. Auch auf den hypothetischen Zusammenhang von
Verletzung des Nervus supraorbitalis mit Amaurose glaube ich
hier nicht eingehen zu sollen."
„Was die 1. Gruppe angeht, so ist die grössere Zahl
dieser Fälle mit derartigen intracraniellen Symptomen
verbunden, dass wir allen Grund haben, eine directe oder in-
directe Läsion des Sehnerven, wohl meist jenseits des Foramen
opticum, oder seiner Centren anzunehmen. Die Abwesenheit
intracranieller Symptome schliesst aber die Möglichkeit einer
stattgehabten Läsion des Sehnerven keineswegs aus. Ich habe
bisher keinen dieser Gruppe angehörenden Fall beobachtet, in
— 47 —
welchem sich nicht bei fortgesetzter Beobachtung ophthalmo-
skopische Zeichen von Atrophie des Sehnerven eingestellt hätten."
„Mit mehr Wahrscheinlichkeit dürften wir dann eine Er-
schütterung der Netzhaut voraussetzen , wenn der Augapfel
allein und direct von der stumpfen Gewalt getroffen wurde.
Diese Gruppe scheidet sich in solche Fälle, in denen die Seh-
störung sehr hochgradig und meist mit Störung des
excentrischen Sehens verbunden, bleibend oder wenig-
stens von langer Dauer ist, und in solche, welche nur eine
unbedeutende Beeinträchtigung und zwar bloss des
centralen Sehens zeigen, die meistens in wenigen Tagen
völlig wieder ausgeglichen wird." — „Ich schliesse mich nach
meiner zahlreichen Erfahrung der Ansicht von Geissler und
Knapp an, dass Amaurose oder hochgradige Sehstörung
nach Erschütterungen des Augapfels selbst ohne
ophtalmoskopischen Befund äusserst selten sind."
Was nun bezüglich der Erklärung der leichteren Fälle die
Annahme der Verschiebung von Gewebselementen gegen ein-
ander betrifft, so ist dieselbe für die Netzhaut ebensowenig nach-
gewiesen., wie für das Gehirn, und rücksichtlich der Hypothese
von der Lähmung der vasomotorischen Nerven konnte Berlin
eine Erweiterung der Arterien sowohl als der Venen selbst
beim sorgfältigsten Vergleiche mit dem nicht verletzten Auge
(beim Menschen wie bei Kaninchen) niemals constatiren. Berlin
gelangte nach den sogleich folgenden Beobachtungen und Ex-
perimenten zu der Annahme, dass es sich in allen Fällen,
wo nach Erschütterung des Bulbus unbedeutende cen-
trale Sehstörung ohne improportionale Herabsetzung
des excentrischen Sehens und in kurzer Zeit Heilung
eintritt, nur um vorübergehenden unregelmässigen
Astigmatismus handelt. Diese Annahme stützt sich theils
auf die constante Renitenz der Iris gegen Atropin, theils auf
die bei den Experimenten an Kaninchen vorgefundenen anato-
mischen Veränderungen im vordem Bulbusabschnitte. ,,Wenn
ein mehr weniger harter stumpfer Körper den Augapfel selbst
getroffen hatte, ohne eine wesentliche Verletzung der Formhäute
— 48 -
oder der inneren Gebilde zu setzen, so fanden wir zunächst un-
mittelbar nach dem Trauma eine massige Herabsetzung
der centralen Sehschärfe ohne improportionale Beein-
trächtigung des excentrischen Sehens; falls nicht kleine
Epithelabschilferungen der Hornhaut oder kleine Blutergüsse in
der vorderen Kammer concurrirten, fand sich in den von mir
beobachteten 8 Fällen die S zwischen l5/100 und l5/40. Zugleich
fanden wir ausnahmslos eine heftige episklerale Injection
und eine hochgradige Renitenz des Sphinkter iridis
gegen Atropinwirkung. Nach etwa 1 Stunde sahen wir an
einer bestimmten Stelle des Augenhintergrundes eine matt-
graue wolkige Trübung, die sich alsbald durch Confluiren
kleinerer Trübungen vergrösserte und intensiver wurde (bis zu
einem blendenden Weiss) ; 2 Mal wurden in der Nähe derselben
minimale Blutungen beobachtet. — Die Trübung befand sich in
4 Fällen um die Papilla und Macula lutea herum , 2 Mal an
der äusseren Seite des Augenhintergrundes und 2 Mal fanden
sich 2 grosse getrennte Bezirke der Retina getrübt; in diesen
2 Fällen gehörte je eine Trübung der vorderen Hälfte der
Netzhaut und je eine dem hinteren Bulbusabschnitte an. Die
Trübung pflegt nach 24—36 Stunden ihre Höhe erreicht zu
haben ; nach 2 oder 3 Mal 24 Stunden ist durchschnittlich nichts
mehr davon zu sehen. Bei Controlirung der Sehschärfe stellte
sich heraus, dass es auf den Grad derselben ohne Einfluss war,
ob die Retinal trübung in der Gegend der Macula lutea oder
excentrisch gefunden wurde, und dass constant die Sehstörung
schon beträchtlich abgenommen hatte , während die Retinal -
trübung noch zunahm oder auf der Höhe der Entwicklung stand.
Die Verbesserung der Sehschärfe, welche in den ersten 24 Stun-
den rapide Fortschritte macht, geht aber von da ab wieder
langsamer von statten, und wenn sich die ophthalmoskopischen
Veränderungen schon gänzlich zurückgebildet haben, pflegt noch
für mehrere Tage eine bis zu i/2 oder */3 verminderte S zurück-
zubleiben. „Ich habe in den ersten Stunden nach dem Trauma
selbst auf 6 — 8 malige Atropineinträuf hingen niemals eine voll-
ständige Erweiterung der Pupille entstehen sehen. Dieser
— 49 —
Reizzustand des Sphinkter iridis nimmt zwar schnell ab, aber
er überdauert, wenn auch in massigem Grade, ebenso wie
die Sehstörung die ophthalmoskopischen Retinalveränderungen
und mit seiner Rückbildung scheint auch die Restitution des
Sehvermögens gleichen Schritt zu halten." — „Veränderungen
in den Spannungsverhältnissen des Bulbus konnte ich nicht
feststellen."
Aus Experimenten an Kaninchen ergab sich ophthalmo-
skopisch, dass, wenn die Gewalt die Sklera getroffen hatte,
man zunächst an demjenigen Retinalabschnitte, welcher der
direct getroffenen Skleralpartie entsprach, ausgedehnte Trübung
vorfand, ausserdem aber auch eine solche an einem der direct
getroffenen Stelle annähernd gegenüberliegenden Theile des
Augenhintergrundes. Anatomisch ergab sich der wichtige Be-
fund, dass die Retinaltrübung nur als acutes Oedem der
Retina aufgefasst werden konnte, welchem constant sowohl
an der direct als an der indirect getrübten Stelle eine aus-
gedehnte Blutung zwischen Chorioidea und Sklera
zu Grunde lag. „Wenn der Schlag die Hornhaut getroffen
hat, so linden wir regelmässig ausser der subchorioidealen
Blutung in der Gegend des hintern Poles stets Blutungen
von geringerer Ausdehnung zwischen dem Ciliar-
muskel, respective vordem Chorioidealabschnitte
einer- und der Sklera andererseits." „Wenn auch nicht
mit dieser absoluten Regelmässigkeit, so finden wir doch häufig
ausserdem Blutungen zwischen Pars ciliaris retinae und der
Chorioidea, ferner umschriebene Blutergüsse an der hinteren
Wand der Iris und Blutungen in dem Canalis Schlemmii."
„Es handelte sich also bei unseren Experimenten im Wesent-
lichen um eine Ruptur von Aderhautgefässen, manch-
mal, wenn sich Blut subretinal ergossen hatte, um eine, wenn
auch kleine, so doch vollständige Zerreissung der Ader-
haut."
Die subchorioideale Blutung als solche kann die Sehstörung
nicht verursachen, und diese kann nach dem oben Gesagten
auch nicht von der Retinaltrübung abgeleitet werden, denn die
v. Ar lt. Die Verletzungen des Auges. 4
— 50 —
Retinatrübung , respective die Chorioidealblutung im Bereiche
der ophthalmoskopisch sichtbaren Retina kann in solchen Fällen
auch fehlen. Berlin sah 2 Fälle „von Verletzungen des
Auges durch stumpfe Gewalt, bei welchen trotzdem, dass Seh-
störungen von demselben Grade und von demselben Verlaufe
wie bei der oben beschriebenen Gruppe vorhanden waren, mit
dem Augenspiegel keine Veränderungen in der Retina gefunden
wurden. Beide Fälle zeigten aber lebhafte pericorneale In-
jection und hochgradige Renitenz des Sphinkter iridis gegen
Atropin, welcher Reizzustand sich einmal zu einer heftigen
Iritis steigerte." „Dagegen ist es höchst wahrscheinlich, dass
Blutungen in der unmittelbai^Ln Umgebung der Linse
— und solche wurd^m^x^rimWnJ^il nachgewiesen -
auf die Form, unt/r^mstan'Tj^ia^a^cv^iuf die Stellung
der Linse einwirken un«/ im ^Verein mlE^er krampfhaften
Contraction des Sphinkter n&U^den irregulären Astigmatismus,
die Sehstörung bewirkeN^/i^Mit der Voraussetzung, dass die
Form- und Lageveränderung^^^ßijQ^^auf den mechanischen
Einfluss von kleinen Blutansammlungen zurückzuführen wären,
würde der Verlauf und der Grad der Sehstörung sehr wohl
übereinstimmen. Namentlich wäre die schnelle anfängliche
Besserung aus der schnelleren Resorption der flüssigen Blut-
bestandtheile ungezwungen abzuleiten. Ebenso würde es ver-
ständlich sein, dass der Reizzustand der Iris und die Sehstörung
auch ihrer Dauer nach ziemlich genau zusammenfallen, wenn
wir annehmen, dass beide erst mit der vollendeten Resorption
des Blutes ihre völlige Restitution erreichen."
Dass ich in Bezug auf das Zustandekommen der Ber-
stungen (einzelner Gefässe, ganzer Gewebspartien) im hintern
Umfange der Chorioidea der Ansicht Berlin's nicht beistimmen
kann, habe ich bereits bei den allgemeinen Betrachtungen über
Compression und Erschütterung des Bulbus in §. 1 erörtert.
Ich will nur noch hinzufügen, dass die Uvealrupturen im vor-
dem Bulbusabschnitte theils direct von der Quetschung der
unter der getroffenen Skleralpartie gelegenen Aderhautpartie,
respective des Ciliarkörpers, theils von der Abplattung der Cornea
— 51 -
und der momentanen Erweiterung des Corneoskleralringes ab-
zuleiten sind, während der coneentrisch zum Cornealrande ver-
laufende Sklerouvealriss als Folge plötzlicher Ausdehnung des
Bulbus in jenem Kreise oder Ringe aufzufassen ist, von welchem
dieser Riss eben einen kleinen Theil oder Bogen bildet.
§. 19. Ziemlich im Unklaren sind wir über die Ent-
stehungsweise der Lähmung des Irissphinkters und des
Accommodationsmuskels nach momentaner starker Contusion
des Bulbus. Wir finden nach solchen Verletzungen die Pupille
mehr weniger stark erweitert, kreisrund oder oval, die Iris un-
beweglich sowohl auf Lichtreiz als bei steigender Convergenz
der Sehachsen und gegen Reizung der Binde- oder Hornhaut,
wobei sich vielleicht sogar weder in der Iris noch im Krystall-
körper (seiner Befestigung), noch auch in der Chorioidea oder
Netzhaut eine traumatisch entstandene Veränderung nachweisen
lässt. Da sich eine Continuitätstrennung in den Ciliarnerven
kaum denken lässt, ohne dass es zugleich irgendwo zu einer
Gefässberstung gekommen wäre, so liegt die Annahme eines
durch Druck schädlichen Extravasates zwischen Chorioidea und
Sklera viel näher, als die einer Dehnung oder Zerreissung von
Ciliarnerven ; bei förmlichen Chorioidealrissen ist indess letztere
mindestens nicht unwahrscheinlich. Der anatomische Nachweis
aber fehlt.
Die traumatische Lähmung des Sphinkters und des Accom-
modationsmuskels ist in ihren höheren Graden eine bleibende;
geringere Grade hat man selbst nach wenigen Tagen spurlos
vorüber gehen gesehen. Spirituös-aromatische Fomentationen,
frühzeitig angewendet, sollen sich in leichteren Graden nützlich
erwiesen haben.
Krankengeschichten.
1. Traumatische Subluxation der Linse gegen die Mitte des
Glaskörpers. Extractlon ; Heilung.
Einem 54 Jahre alten Schuhmachermeister aus Ungarn
war '/-i Jahr vor der Aufnahme in die Augenklinik ein Stein
— 52 —
gegen das rechte Auge geworfen worden. Die Blutung aus
einer leichten Hautwunde und die Röthe des Auges in den
nächsten Tagen scheinen unbedeutend gewesen zu sein, ebenso
die Sehstörung. Diese wurde erst nach 1/i Jahre auffallend
und bestimmte den Mann zur Reise nach Wien. Gutgenährter,
kräftiger Mann mit tiefliegenden Augen. Das linke Auge
gesund; das rechte zeigt ausser einigen erweiterten Conjunctival-
gefässen nächst dem äusseren Hornhautrande keine Zufälle von
Entzündung oder Reizung; die Cornea normal, die Pupille ad
maximum erweitert (Iridoplegie), in der Mitte derselben sieht
man den Rand des nach oben-iimen luxirten Krystallkörpers.
Die äussere Hälfte der Pupille rein schwarz, hinter der inneren
die leicht getrübte Linse, rauchgrau bis auf eine circa 1 Mm.
breite Randzone, welche ungetrübt erscheint und die Reflex-
phänomene sowohl bei auffallendem Lichte als bei Beleuchtung
des Augengrundes sehr deutlich zeigt. Dass der Kern leicht
getrübt sei, wurde bei der ophthalmoskopischen Untersuchung
constatirt. Der nach innen (oben-innen) noch an den Ciliar-
fortsätzen haftende Krystallkörper flottirte schon bei geringen
Augenbewegungen sehr deutlich und senkte sich mit dem äusseren
Rande bei Rückwärtsbeugung des Kopfes um 3 — 4 Mm. (bei-
läufige Schätzung) nach hinten. Spannung des Bulbus normal.
Augenspiegelbefund negativ. Mit Linse -\- 3*/4 wurden durch
den linsenfreien Pupillarraum Snellen's Schriftproben Nr. 40
in 20 Fuss erkannt; mit -f- 2'/2 konnte Jag. Nr. 2 gelesen
werden. Am 27. Mai 1873 Extraction mit flachem Bogenschnitt
nach unten. Halbsitzende Lage des Kranken im Bette. Fixation
der Lider mittelst der Finger. Fixation des Bulbus mit einer
Pincette und Einführung einer gekrümmten Reclinationsnadel
nicht unter- sondern oberhalb des horizontalen Meridianes und
zwar an der Nasen seite, um die Linse von hintenher anzu-
stechen und zu fixiren; sodann Erhaltung der massig gegen die
Iris vorgedrängten Linse in dieser Lage durch einen zweiten
Assistenten und sofort Eröffnung der Kammer mittelst eines
verjüngten Beer'schen Staarmessers (30 Mm. Länge, 5 Mm.
Basis) auf circa 11 Mm. Länge und 2 — 3 Mm. Bogenhöhe;
— 53 —
hierauf Einführung eines Daviel'schen Löffels, Umgreifung"
der Linse von hinten und Hervorziehung derselben bei gleich-
zeitiger Zurückziehung der Nadel. Eine wulstartig vor die
Wunde gedrängte Glaskörperpartie wurde mit der Scheere ab-
gekappt, das Auge verbunden (ebenso das andere). Am 16. Juni
war die Wundheilung vollständig beendet, das Auge ganz blass
und reizlos, die Pupille vollkommen schwarz, etwas nach unten
verzogen. Sehschärfe: mit + 3'/2 Sn. 20/L, mit 2l/2 Jäger 3.
2. Traumatische Luxation des KrystallkÖrpers in die vordere
Kammer, präexistente (angeborene^) Ektopie desselben, conse-
cutive Kylditis mit Drucksteigerung. Extraction, unvollkommene
Heilung.
Eine Frau von 25 Jahren erhielt vor 4 Wochen beim
Dreschen einen Schlag mit dem Flegel über das rechte Auge.
Verlässliche Auskunft über die Folgen ist nicht zu erhalten;
sie meint früher mit beiden Augen gut gesehen zu haben, was
offenbar, wie wir weiter nachweisen konnten, nicht der Fall
war. Die Schmerzen im Auge und in der Umgebung verloren
sich nach kalten Umschlägen, kehrten aber nach kurzer Zeit
wieder und verschwanden nie ganz. Drei heftigere Anfälle
bald nacheinander bestimmten sie, Hilfe zu suchen. Bei der
Aufnahme am 16. December 1873: das rechte Auge wird wenig
geöffnet, thränt leicht, ist lichtscheu und zeigt dicht netzför-
mige pericorneale Röthe, besonders in der unteren Partie. Die
Cornealbasis ist besonders in der unteren Hälfte deutlich nach
vorn gerückt, offenbar weil die angrenzende Partie der Sklera
in Folge entzündlicher Erweichung ausgedehnt ist, daher die-
selbe hier auch violettroth, stellenweise auch schiefergrau er-
scheint. Die untere Hälfte der Cornea leicht diffus getrübt
und matt, die Iris kaum über 2 Mm. breit, zwischen beiden
liegt der blassgelbe durchsichtige Krystallkörper, im Aequa-
torialdurchmesser kleiner, in der Achse dicker, also mehr kugel-
als linsenförmig, daher kann man auch oben zwischen ihm und
dem Pupillarrande in die Tiefe sehen und rothes Licht aus
- 54 —
dem Auge mit dem Augenspiegel erhalten. Am Linsenrande
der bekannte Glanz wahrzunehmen. Der Bulbus fühlt sich
nicht härter an, ist jedoch gegen Betastung in der Gegend des
Ciliarkörpers entschieden schmerzhaft. Finger werden in circa
4' gezählt, der Schein einer Kerzenflamme wird in 10' wahr-
genommen. Am 17. December Extraction mit dem schmalen
Beer'schen Messer, 9—10 Mm. Schnittlänge, etwa 2 Mm.
Lappenhöhe. Beim Anlegen des Daviel'schen Löffels, um die
Linse hervorzuholen, trat diese rasch aus und mit ihr etwas
verflüssigter Glaskörper, wesshalb sofort der Verband angelegt
wurde. Der Krystallkörper zeigte 4'/2 Mm. Aequatorial-, 3 Mm.
Achsendurchmesser; die Kapsel war unversehrt. Beim Nach-
sehen am 18. und 19. fand man guten Wundschluss; am 20.
war der Lappen etwas vorgedrängt, Iris an die Cornealnarbe
angelegt, diese jedoch etwas gedehnt und desshalb die untere
Cornealhälfte dachförmig gegen die Narbe ansteigend. Dieser
Zustand änderte sich bis zum Tage der Entlassung, 7. Jänner,
so wenig, dass die Kranke nur mittelst horizontal vorgehaltener
Spalte des stenopäischen Apparates Finger in höchstens 12 Fuss
Abstand zählen konnte, woran wohl theilweise noch eine leichte
Trübung der Cornea an der früheren Anlagerungsstelle des
Krystallkörpers schuld war. Die genauere Untersuchung des
Augengrundes war theils durch die Trübung, theils durch die
veränderte Wölbung der Cornea erschwert und konnte mit
Bestimmtheit nur Druck excavation der Sehnervenscheibe con-
statirt werden. Ich habe diesen Fall vorzüglich desshalb mit-
getheilt, weil wir rücksichtlich der Entstehung des Vorfalles
der Linse in die Kammer, unbefriedigt durch die Angaben
der Kranken, in den letzten Tagen die Pupille des linken,
angeblich gesunden (gut sehenden) Auges durch Atropin er-
weiterten und nun sehr leicht und bestimmt Luxation des
Krystallkörpers nach oben nachweisen konnten. Diese Person
hatte also gewiss von Jugend auf eine (angeborene) Ektopie
des Krystallkörpers auf beiden Augen. Ohne Untersuchung
des linken Auges hätte man die Verletzung des rechten gewiss
unrichtig beurtheilt.
— 55 —
S. Traumatische. Dehnung der Zonula, Form- und Lageveränderung
der Linse, Myopie.
Ein Schmied von 42 Jahren fuhr beim Schwingen des
Hammers in beengtem Räume durch Ausgleiten mit seiner
Faust gegen das linke Auge. Da das kurz darauf wahrge-
nommene Schlechtsehen anhielt, kam er am 19. Tage ins
Spital. Wir fanden das rechte Auge normal, am linken die
Conjunctiva bulbi im unteren Umfange gelb (von früherer
Blutaustretung), die Cornea intact, die Kammer auffallend enger
als rechts, durch gleichmässige Vorwärtsdrängung der Iris in
toto „die Iris träge reagirend, grünlich verfärbt, ohne Spur
von Entzündung, die Pupille etwas grösser als rechts,
nicht ganz kreisrund. Auf der Kapsel einige Pigmeat-
flocken, kein Schlottern (weder an der Linse noch an der
Iris). Finger in 18 Fuss, mit concav 6 S. 20/XL, mit
freiem Auge Jag. Nr. 2 in 6 Zoll. Mit concav 8 konnte der
Augengrund deutlich gesehen werden. Das rechte Auge zeigte
mit concav 36 S. 20/XX. Da wir keinen Grund hatten, der
Angabe zu misstrauen, dass der Mann früher mit dem linken
Auge so gut gesehen habe, wie mit dem rechten, so glaubten
wir uns das Resultat der Untersuchung nur durch Dehnung
der Zonula, Vorwärtsrückung und stärkere Convexität der
Linse erklären zu können. Eine längere Beobachtung war uns
leider nicht gestattet.
4. Berstung der Chorioidea und Retina am hinteren Pole, Blut-
er guss in den Glaskörper und Iridoplegie, wahrscheinlich auch
Subluxatio lentis nach einem Steinwurfe gegen das rechte Auge;
reactive Entzündung, bleibender Gesichtsfelddefect.
S. J., 35 Jahre alt, wurde am 7. October 1873 durch
einen gegen das rechte Auge geworfenen Stein so stark ver-
letzt, dass er wohl j/4 Stunde bewusstlos lag und stark blutete.
Nachdem die darauf eingetretene Geschwulst (der ganzen Seite
des Gesichtes) unter Anwendung kalter Umschläge geschwun-
— 56 —
den war und das Auge wieder geöffnet werden konnte, be-
merkte der Verletzte , dass er mit diesem Augo nicht sah.
Am 24. October: an dem obern Lide von der äussern Com-
missur bis zur Mitte des Lides eine fast zolllange lineare
oberflächliche Hautnarbe; am äusseren Rande der Cornea ein
seichtes sichelförmiges Geschwür und dem entsprechend stärkere
Röthe der Bindehaut, überdies aber rings um die Cornea massig
starke episklerale Röthe. Das Kammerwasser rein, die Pupille,
weiter als die linke, bei Lichtreiz nicht verändert, erweiterte
sich auf Atropin gegen die Nase hin mehr, als gegen die
Schläfe. Die Iris schlotterte deutlich bei Bewegungen des Auges;
ob die durchsichtige Linse daran theilnahm, wurde nicht con-
statirt; auf ihrer Kapsel sah man einige Pigmentpunkte haften.
Im Glaskörper sah man mit dem Spiegel grosse Massen in
Form von Punkten, Flocken und Membranen schwanken, ohne
deutliche Beimengung von Blut; Netzhautabhebung liess sich
nirgends auffinden; neben der Papilla schien eine grössere
Blutanhäufung statt zu finden. Es wurden nur die Bewegungen
der Hand wahrgenommen, Finger nicht gezählt. Ruhiges Ver-
halten im massig verdunkelten Zimmer, Eisumschläge. Am
3. November hatte sich der Glaskörper so weit aufgehellt, dass
man den Augenhintergrund sehen konnte. Die Papille erschien
leicht verschleiert, blass, ihre Gefässe wenig gefüllt, eng. Die
Hauptveränderungen fanden sich an der Schläfenseite der
Papille und umfassten diese mit leicht geschweiften auf- und
abwärts streichenden Ausläufern in nahezu zwei Drittel ihres
Umfanges. Von der Papilla bis über die Mac. lutea hinaus
sah man ein bläulich weisses glänzendes Gitterwerk mit ova-
lären Zwischenräumen oder Lücken, in denen man theils Blut,
theils Pigmentanhäufungen wahrnahm. Dieses Gitterwerk, offen-
bar vor der Netzhaut durch den Glaskörper streichend und
wohl von Bindegewebe gebildet, bedeckte einen Raum von
ungefähr 4 Papillengrössen, indem es vom Hauptherde (Gegend
der Macula) besonders nach innen-oben Ausläufer absendete.
Diese Trabekeln deckten deutlich einige Netzhautgefässe und
eines liess sich von unten-aussen bis zur Gefässpforte vor der
— 57 —
Papille verfolgen, während ein zweites viel breiteres und längeres
die aufwärts ziehenden Retinalge fasse deckte. Ungefähr l/2 Pa-
pillendurchmesser unterhalb der Papille sah man einen hell-
gelben konischen Streifen, der am unteren Rande der Binde-
gewebsneubildung auftauchte, in seinem Verlaufe nach innen,
also unterhalb der Papilla von einer Netzhautvene überbrückt
wurde, und erst weit jenseits der Papille spitz endete. Dieser
Streifen konnte nach seiner Farbe, Form und Lage kaum für
etwas anderes als für einen Ausläufer des Chorioidealrisses
gedeutet werden; seine Ränder waren blutig suffundirt. Ein
ganz analoger heller Streifen kam knapp neben dem genannten
Streifen gleichfalls am untern Umfange des Bindegewebsgitter-
werkes zum Vorschein und verlief gerade nach unten tendirend
und auf halbem Wege gleichfalls von einer Netzhautvene über-
brückt, in eine dünne, spaltenförmige Spitze aus. Das Centrum
und der obere Theil des Chorioidealrisses schien offenbar durch
die genannten Bindegewebsstränge verdeckt zu sein. Man
konnte jetzt auch deutlich Blutflocken im Glaskörper sehen.
II. Abschnitt.
Verwundung des Augapfels.
A) Ohne Hinterlassung eines fremden Körpers im Auge.
(Die Constatirung einer Wunde überhebt den Arzt nicht
der Pflicht, nachzuforschen, ob nicht nebstdem noch ein fremder
Körper an, in, neben oder hinter dem Bulbus vorhanden sei.
Siehe §. 25—31.)
§. 20. Wunden der Bindehaut sind, wenn sie nicht
den Uebergangstheil betreffen, im Allgemeinen leicht zu er-
kennen und erlangen nie eine hohe Bedeutung, sie mögen nun
bloss nebenbei oder ausschliesslich als Folge einer Verletzung
vorkommen.
Anfangs verräth sich die Continuitätsstörung durch Blu-
tung, durch blutige Unterlaufung und Schwellung der Ränder,
bei starker Klaffung durch Blossliegen der Sklera. Weiterhin
kommt es nach starker Retraction oder nach wirklichem Sub-
stanzverluste zu einem lichtgrauen Ueberzuge der Wundfläche,
unter welchem sich Wundgranulationen entwickeln, welche ent-
weder die Aneinanderziehung der Wundränder vermitteln oder
sich mehr weniger hoch über die Umgebung erheben und dann
allmälig an ihrer Basis schmäler werden, schliesslich nur mittelst
eines ganz dünnen Stieles aufsitzen. Dann kann man sie leicht
— 59 —
mit einem Scheerenschlage abtreimen, wogegen das Betupfen
derselben mit Lapis infernalis, so lange sie breit aufsitzen, sehr
oft wiederholt werden muss. Die resultirende Narbe kann
unsichtbar, linear oder strahlenförmig sein; in letzterem Falle
haftet sie jederzeit fest an der Sklera. Nur wenn der Substanz-
verlust gross war und viel von der benachbarten Bindehaut
zu dessen Deckung herangezogen werden musste, kann die
Beweglichkeit des Bulbus, wohl auch die Fortleitung der Thränen
(durch Formveränderung des Thränensee's) behindert werden.
Prognose und Behandlung ergeben sich aus dem
Gesagten und aus allgemeinen medicinischen Grundsätzen. Bei
Wunden, welche die Conj. palp. und zugleich die gegenüber-
liegende Conj. bulbi getroffen, wäre auf die Verhütung von
Symblepharon zu denken. Vergl. §§. 36, 37. Nur das möge
noch erwähnt werden, dass man gegenwärtig die Anlegung
einer Sutur bei weit klaffenden Bindehautwunden nicht mehr
scheut und mit grossem Vortheil übt.
§. 21. Wunden der Bindehaut mit Durchtren-
nung eines der geraden Augenmuskeln (theilweise oder
ganz), deren Diagnose wohl kaum einer Schwierigkeit unter-
liegen dürfte, können leicht Behinderung der freien Beweglich-
keit und secundäre Ablenkung des Auges mit Doppeltsehen,
also bleibende Entstellung und Functionsstörung zur Folge
haben.
In frischen Fällen würde man bemüht sein, durch Anle-
gung einer tiefer eingreifenden Bindehautnaht diese Folgen fern
zu halten ; in späterer Zeit würde die Ablösung und Vornähung
des zu weit hinten (an die Sklera, an die Tuniea vaginalis)
angewachsenen Muskels wohl noch Abhilfe erwarten lassen.
§. 22. Wunden der Bindehaut mit penetrirender
Ski eral wunde gewinnen durch letztere eine hohe Bedeutung,
sofern entweder das Corpus ciliare mit getroffen wurde — vgl.
Wunden in der Corneoskleralgrenze pag. 66 — oder weil sich
mehr weniger Glaskörper entleert hat. Vgl. Skleralriss §. 4.
Frische penetrirende Skleralwunden erkennt man an
verminderter Spannung des Bulbus, an dem Sichtbarwerden
— 60 —
von Bestandteilen des Uvealtractus (besonders Pigment), an
vorgedrängtem Glaskörper. Narben zeigen Fixirung der Binde-
haut, Pigmentirung, strahlige Einziehung; sehr kleine können
sich der Wahrnehmung ganz entziehen. — Grosse Skleral wunden
können durch reichlichen Glaskörperverlust oder durch starke
intraoculäre Blutung ominös werden. In anderen Fällen führen
sie durch nachfolgende Kyklitis zur Bedrohung des verletzten,
selbst des anderen Auges (sympathische Kyklitis). Es gibt
aber auch Fälle, besonders mit weiter rückwärts gelegenen
penetrirenden Skleralwunden, wo man nach scheinbar günstig
abgelaufener Vernarbung allmälig Einziehung (mehr weniger
deutlich, oft trichterförmig) der Sklera, dann Einschränkung
des Gesichtsfeldes, endlich auch gänzliche Erblindung bemerkt.
Diese ist dann, wie Gräfe (A. f. O. III. b 391) nachgewiesen
hat, durch Netzhautabhebung als Folge der Abzerrung der
Netzhaut gegen die Skleralnarbe bedingt, während sie in an-
deren Fällen durch schrumpfende Glaskörpermembranen be-
wirkt wird.
Man gebe also über die Tragweite einer penetrirenden
Skleralwunde , namentlich wenn sie sich in's Bereich oder in
die Nähe der Netzhaut erstreckt, kein definitives Urtheil ab,
bevor nicht mehrere Monate ohne jeden Nachtheil und nament-
lich ohne Einziehung der Sklera verstrichen sind. Das von
Windsor, Bowman, Lawson und Pol ey geübte Zusammen-
nähen langer Skleralwunden (allg. Wr. med. Ztg. 1874 Nr. 8)
möchte, falls es ohne weiteren Verlust von Glaskörper aus-
geführt werden kann, wohl als ein Fortschritt in der Behand-
lung solcher Wunden zu bezeichnen sein. Ohne dasselbe wird
jedenfalls ein längeres ruhiges Verhalten und sorgfältiges An-
legen eines Schutzverbandes (§. 23) nöthig sein.
§. 23. Wunden der Cornea und ihre unmittelbaren
Folgen sind bald sehr leicht, bald schwer und nur mittelst be-
sonderer Untersuchungsmethoden zu erkennen.
Diagnose. Wenn man das Cornealspiegelbild eines nicht
zu nahen Fensters nach und nach von verschiedenen Stellen aus
betrachtet, indem man die Stellung der Cornea relativ zum
— 61 —
Fenster und zum Beobachter wechseln lässt, so kann man die
geringste Vertiefung oder Erhöhung an der Oberfläche der
Cornea leicht erkennen. Kleine Bläschen von Schaum, welche
analog den Seifenblasen durch häufig wiederholten Lidschlag
aus dem öligen Secrete der Meibom'schen Drüsen und aus der
mehr weniger schleimige Bestandtheile führenden Thränen-
Flüssigkeit entstehen, lassen sich von persistenten Erhöhungen
an der Spiegelfläche der Cornea leicht durch ihre Verschiebbar-
keit oder Unbeständigkeit unterscheiden.
Lässt man in einem dunklen Zimmer das Licht einer
Kerzenflamme aus beiläufig 1 Fuss Entfernung durch eine
Convexlinse von 1 — 2 Zoll Brennweite auf die Hornhaut fallen,
indem man diese anfangs etwas weniger weit, als ihre Brenn-
weite beträgt, von der Cornea entfernt und so vorhält, dass die
Achse der Linse mit der geraden Linie zusammenfällt, welche
Cornea und Flamme verbinden würde, so erhält man eine
lichte Scheibe an der Oberfläche des Bulbus, deren Beleuchtungs-
intensität mit dein Abrücken des Glases von der Cornea steigt,
bis diese in der entsprechenden Vereinigungsweite des Glases
steht, und welche entweder während dieses Abrückens oder
während leichter seitlicher Verschiebungen des Glases jede trübe
Stelle der Cornea sichtbar macht, die bei gewöhnlicher Beleuch-
tung dem freien Auge vielleicht entgeht. Seit der Einführung
dieser Untersuchungsmethode, der seitlichen oder Focal-
beleuchtung nach Helmholtz (Archiv für Ophth. I. Bd.
1. A. 74) weiss man, dass die feinsten Stichwunden der Cornea
(z. B. bei Keratonyxis behufs Kapseldisscission) nicht spurlos
verheilen , was man früher selbst bei Schnittwunden annahm,
sondern eine Trübung hinterlassen, und dass nach so manchem
Hornhautsubstanzverluste eine Trübung der Cornea sich vor-
findet, wo man früher eine ganz durchsichtige Cornea vor sich
zu haben vermeinte.
Ohne Benützung des Spiegeins der Hornhaut und ohne
künstliche Focalbeleuchtung lässt sich kein verlässliches Urtheil
über die Wölbung und Durchsichtigkeit der Hornhaut abgeben.
— 62 -
Bei der Untersuchung frischer Hornhaut wunden ist
vor allem zu ermitteln , ob die Wandung des Bulbus (Cornea,
angrenzende Skleralpartie) durchbohrt sei oder nicht.
Für Perforation sprechen : Aufgehobensein oder gerin-
gere Tiefe der vorderen Kammer bei verminderter Spannung
des Bulbus, Anlagerung einer Partie Iris an die Wunde, Ver-
zogensein der Pupille gegen die Wunde, Hervorgedrängtsein
der Iris oder (bei Wunden an der Corneoskleralgrenze) von
Glaskörper. Faden- oder kegelförmige Verbindung zwischen
der vorderen und hinteren Wand der Kammer, so wie kleine
Pigmentreste von der Iris an der Hornhaut verrathen meistens
erst in späterer Zeit die vorausgegangene Perforation. Sie
werden gewöhnlich nur bei Focalbeleuchtung sichtbar. Blut in
der vorderen Kammer kann auf Mitverwundung der Iris deuten,
aber auch durch Berstung von Gefässen des Uvealtractus wegen
gleichzeitig erfolgter Compression des Bulbus dorthin gelangt
sein. Wäre das Instrument bis durch die vordere Kapsel im
Bereiche der Pupille eingedrungen, so würde man schon wenige
Stunden nachher eine Trübung der Linse bemerken; hätte
der eingedrungene Körper die Iris getroffen, so würde sich in
dieser ein Riss, eine Lücke, ein Blutcoagulum auflinden lassen.
Später, wenn entzündliche Reaction, namentlich mit Eite-
rung und mit mehr weniger Trübung der Umgebung eingetreten
ist, lassen sich die Fragen über die Richtung, Form und Tiefe
der Hornhautwunde mitunter gar nicht mehr beantworten, und
es kann sogar unentschieden bleiben, ob die Verletzung mehr
durch Eindringen des verletzenden Körpers in das Gewebe (Con-
tinuitätstrennung direct durch den Fremdkörper — Verwundung)
oder mehr durch Quetschung (subitane Compression §. 3) gesetzt
worden sei.
Prognose. 1. Wunden, welche direct oder mittelst
nachfolgender Eiterung nur eine oberflächliche Trennung
oder nur einen oberflächlichen (mindestens nicht bis nahe an
die D escemet'sche Haut reichenden) Substanzverlust
setzen, können heilen, ohne dass eine persistente (bloss eine
transitorische) Trübung zurückbleibt. Man darf auf diesen
— 63 -
Ausgang um so weniger rechnen, je tiefer der Substanz verlust
reichte, je mehr in Jahren vorgerückt oder je mehr in der Er-
nährung horabgekommen das Individuum ist. Die darnach re-
sultirenden Trübungen stören die Function meistens mehr durch
Blendung (Diffusion alles auffallenden Lichtes, Erleuchtung der
ganzen Netzhaut) als durch Abhaltung von Lichtstrahlen, welche
vom Sehobjecte zur Netzhaut gelangen sollen.
Blosslegung der Cornealnerven (durch oberflächlichen
directen Substanzverlust) pflegt heftige und anhaltende Schmer-
zen zu verursachen, während ihre Durchtrennung selbst bei
umfangreichen Wunden, z. B. bei der Staarextraction nur wenig
schmerzhaft zu sein scheint.
Abschürfung der Hornhaut oder auch nur seichte
Anritzung, wobei nicht bloss das Epithel abgestreift, sondern
auch die oberflächlichen Faserlagen (gewöhnlich Bowman'sche
Membran genannt) mit interessirt sind, habe ich zwar nur nach
zufälligen Verletzungen, beim Anstreifen mit einem Besen-
rüthchen, mit einem Haarkamme, meistens mit einem Finger-
nagel (bei Müttern, Kinds Wärterinnen) beobachtet, ich zweifle
aber nicht, dass sie auch in Folge einer sträflichen Handlung
vorkommen könne. Der durch die Blosslegung der Corneal-
nerven erregte heftige Schmerz, die Sehstörung, pericorneale
Injection, Lidkrampf, Lichtscheu und Thränenfluss pflegen wohl
unter Anwendung kalter Umschläge nach einigen Tagen vorüber
zu gehen ; was aber solche Verletzte zu mir trieb , war das
Wiederauftreten derselben Zufälle nach einigen Wochen an-
scheinender Genesung, ja die 3 — 4malige Wiederkehr solcher
tagelang anhaltender Anfälle in Intervallen von 5 — 8 Wrochen.
Man könnte einen solchen späteren Aufall für eine Neuralgie
halten, wenn die Schmerzen einen gewissen Typus zeigten;
bei genauer Untersuchung mittelst des successiven Spiegeln-
lassens aller Cornealpartien findet man aber die Cornea irgend-
wo abgeschürft, und erst beim Nachfragen nach der Veranlas-
sung erhält man Auskunft über eine ihrerzeit kaum beachtete
Verletzung. Eine Frau aus der Gegend von Krems war vor
Kummer um ihr Auge , nachdem sie 4mal ein Kecidiv von
— 64 —
8 — 10 Tagen erlitten, ganz herabgekommen. Erst über nach-
drückliches Befragen nach einer Verletzung erinnerte sie sich,
dass sie ihr Kind mit dem Nagel vor etwa einem halben Jahre
gestreift habe.
Das Leiden ist leicht dauernd zu beheben, wenn man das
Auge bis zur vollständigen Herstellung des Glanzes an der
betroffenen Stelle Tag und Nacht unter einem gut anschlies-
senden Schutzverbande hält und beim täglichen Erneuern des-
selben Atropin einträufelt. Durchschnittlich sind hiezu 8 — 14
Tage nothwendig.
2. Tiefer eindringende Wunden hinterlassen, auch
wenn sie per primam Intentionem heilen, stets eine persistente
Trübung. Der Einfluss, welchen diese auf die Functionsstörung
und Entstellung übt, ist nach dem Sitze (central) und der Aus-
dehnung zu bemessen. Veränderung der Wölbung der
Cornea und somit unregelmässige Strahlenbrechung ist nach
nicht perforirenden Wunden seltener bleibend zu befürchten.
Für einige Zeit können indess auch lineare Einritzungen der
Cornealsubstanz vermöge Retraction der Wundränder und ver-
möge geringerer Widerstandsfähigkeit gegen den Druck des
Kammerwassers ein dachförmiges Ansteigen der Wundränder
bewirken, um so deutlicher ausgesprochen, je tiefer und länger
die Wunde ist, und noch mehr, wenn die Wunde bogen- oder
Vförmig verläuft.
3. Bei manchen Wunden steht Eiterung bestimmt oder
wahrscheinlich zu befürchten. Je mehr die Trennung der schar-
fen (kegel- oder keilförmigen) Beschaffenheit des eingedrun-
genen Körpers zugeschrieben werden muss, desto günstiger die
Prognose im Gegensatze zu den mehr weniger gequetschten
Wunden. Lappen, Zipfel und Zacken, auch ohne Perfora-
tion, stehen der Heilung per primam schon vermöge der Ten-
denz, sich einzurollen oder aufzukrämpen, hindernd entgegen.
Wurden zugleich mechanisch oder chemisch wirkende
Substanzen mit an (in) die Wunde gebracht (Staub, Tinte
faulende Substanzen), so kann schon dadurch allein Eiterung
erregt werden. Bei älteren oder schlecht genährten
- 65 —
Individuen und bei Thränenstauung ist die Gefahr der
Eiterung grösser. Dass endlich ein in Aussicht stehender
günstiger Ausgang auch durch schlechtes Verhalten (Ver-
unreinigung, Anwendung von Reizmitteln) vereitelt werden kann,
ist hinreichend bekannt.
Auf die Schilderung der Hornhautgeschwüre und
ihrer Folgen einzugehen, würde die Aufgabe dieser Arbeit
überschreiten.
4. Bei penetrirenden Hornhautwunden kommen
nebst den unter 1 — 3 erörterten Momenten noch folgende in
Erwägung :
a) Penetrirende Wunden, welche vermöge ihrer Form
und geringen Ausdehnung einen dauerhaften Abschluss
der Bulbuskapsel bereits wieder darbieten oder in nahe Aus-
sicht stellen, sind ungleich günstiger, als sehr lange lineare,
bogen- oder Vförmige. Denn diese bieten die Möglichkeit
eines grossen , zu arger Verziehung , zu Verschliessung der
Pupille führenden Irisvorfalles, zu mannigfacher Wölbungs-
veränderung der Cornea (unregelmässiger Strahlenbrechung),
sei es durch Einheilung von Iris, sei es durch Schrumpfung
des Narbengewebes , endlich besonders bei nicht geradlinigem
Verlaufe zur Abdrängung und Vereiterung des Hornhautlappens,
zu allgemeiner Augapfelentzündung mit eitriger Consumtion
(Phthisis bulbi).
b) Penetrirende Wunden, welche die Cornea schräge
durchsetzen, zeigen, sofern sie nicht Zipfel oder Lappen
von erheblicher Bogenhöhe bilden, weniger Tendenz zum Auf-
klaffen, als gleich lange Wunden, welche die Cornea senkrecht
durchsetzen, d. h. solche geradlinige Wunden, bei deren Setzung
die Schneide gegen den Krümmungsmittelpunkt der Corneal-
wölbung gerichtet war.
c) Penetrirende Hornhaut wunden, welche bloss zu Iris-
vorfall führten, gestatten noch immer eine günstige Prognose,
sofern die Pupille nicht zu stark gegen die Peripherie hin-
gezogen oder gar verschlossen, und sofern die Cornealwölbung
nicht bleibend verändert wird. Aber auch in diesen Fällen
v. Ar lt. Die Verletzungen des Auges. 5
— 66 —
und selbst nach Entwicklung eines förmlichen Partial staphylo ms
ist die Wahrscheinlichkeit der Wiederherstellung des Seh-
vermögens durch Iridektomie gegeben , vorausgesetzt, dass die
allgemeinen Bedingungen dazu nicht fehlen. Bleibt die einen
Irisvorfall überkleidende Narbe ektatisch , so ist das Auge
vor früher oder später nachfolgender Drucksteigerung (glauko-
matöser Erblindung) nicht gesichert.
d) Penetrirende Wunden an der Corneoskleral-
grenze gehören, auch wenn sie nicht, wie sehr oft, mit Vorfall
von Iris oder Glaskörper verbunden sind, zu den bedenklichsten
Verletzungen des Auges.
a) Es kann cystoide Vernarbung mit oder ohne sicht-
bare Iriseinklemmung erfolgen, indem nur die Wundränder der
Bindehaut, nicht aber die des Corneoskleralgewebes (Skeral-
bordes) fest mit einander verwachsen und die oberflächliche,
nicht resistente Hülle in Form einer Cyste, eines Wulstes durch
Kammerwasser (mit oder ohne Iris) vorgetrieben wird. Hie-
durch kann eine permanente Reizung des Ciliarkörpers und
Drucksteigerung, wohl auch Kyklitis des anderen Auges (sym-
pathische Affection), aber auch eiterige Entzündung im Uveal-
tractus (eitrige Iridochorioiditis) und Phthisis des verletzten
Auges eingeleitet werden.
ß) Nach unscheinbaren Stich- oder Schnittwunden im
Skleralborde ist mitunter in späterer Zeit Cystenbildung in
der Iris beobachtet worden. Wahrscheinlich war in solchen
Fällen der verwundende Körper nur bis in den peripheren
Theil der Iris eingedrungen, hatte aber (nach Rot hm und' s
plausibler Ansicht, Klin. Monatsbl. 1871 p. 397) Epithelialzellen
von der Oberfläche mit bis in die Iris hineingedrängt, und diese
scheinen den Anstoss zur Bildung einer dünnen Cyste zu geben,
deren Innenfläche meistens mit Epithel ausgekleidet gefunden
wurde. Diese Entwicklung scheint ohne auffallende Zufälle
und sehr langsam zu erfolgen ; die Betroffenen — ich sah deren
bisher 9 — stellen sich erst dann vor , wenn die Cyste von
der Peripherie her schon mehr weniger weit bis ins Pupillar-
gebiet vorgerückt ist und Sehstörung, wohl auch Schmerzen,
— 67 —
Ciliarinjection und Lichtscheu erregt, meistens nach einer län-
geren Reihe von Jahren. Die Narbe präsentirt sich als ein
weisser Punkt oder Streifen am Hornhautrande, zum Theil wohl
auch in das Skleralgewebe hineinreichend. Der Inhalt der
Cyste, die man allenfalls für einen Cysticercus oder für eine
Haarbalggeschwulst (Gräfe A. f. O. III. Bd. 412) zwischen
Cornea und Iris halten könnte, ist wasserklar und wegen der
Dünnheit der Hülle leicht zu durchleuchten. Die vordere
Wand, in mehr weniger grosser Ausdehnung dicht an die M.
Descemeti angedrängt, besteht aus der vordersten, nur gegen
den Pupillarrand hin bisweilen etwas Pigment führenden Binde-
gewebslage der Iris ; die hintere, welche schliesslich auch zur
Verdrängung und Trübung der Linse geführt haben kann, er-
scheint vermöge des reichen Pigmentgehaltes dunkel und un-
durchsichtig. Von der umgebenden normalen Iris erscheint die
Cyste durch eine Einschnürung oder Furche streng abgegrenzt.
Gefässentwicklung fehlt oder kommt nur in der Cornea vor der
Cyste vor.
Es ist mir in allen Fällen, bis auf einen, wo die Cyste
kaum 3 Mm. Durchmesser haben mochte, gelungen, durch An-
stechen der Cyste vom Skleralborde aus mit einem breiten
Lanzenmesser zu bewirken, dass sich die Hülle nach aussen
stülpte und dann gefasst und abgetragen werden konnte. Andere
haben die Kammer dicht neben der Cyste eröffnet und diese
dann hervorzuziehen gesucht. Nach dieser Methode ist öfters
eine Recidive beobachtet worden.
y) Nach penetrirenden Wunden in dieser Gegend hat
man auch Cataracta beobachtet, bald oder nach längerer
Zeit, offenbar weil der Linsenäquator mit getroffen wurde, ohne
dass man das sofort bemerken konnte. Sie blieb mitunter par-
tiell und stationär.
S) Am gefährlichsten sind penetrirende Wunden an der
Corneoskleralgrenze unstreitig wegen gleichzeitiger Verletzung
des Ciliar körpers, in welchem sich dann sehr oft eine
schleichende oder eine acute Entzündung entwickelt, welche zur
Bildung eiterigen Exudates in der Kammer und im Glaskörper
5*
- 68 —
führen kann und auch ausserdem nicht nur das betroffene
Auge dem Ruine entgegenfahrt , sondern auch leicht sympa-
thische Iridokyklitis des zweiten Auges zur Folge hat, deren
Auftreten wohl oft , aber nicht immer durch sorgfältiges Ver-
halten seitens des Verletzten verhütet werden kann. Vergl.
den Aufsatz über symp. Ophthalmie in Nummer 5, 6 und 7
der Wiener med. Wochenschr. 1873.
e) Die Mitverletzung der Iris gewinnt nur bei gleich-
zeitiger Ve rletzung des Krystallkörpers eine besondere
Bedeutung. Die Folgen der letzteren werden in §. 24 beson-
ders besprochen werden. An der Iris können übrigens auch
bei Wunden der Cornea die nach subitaner Compression des
Bulbus auftretenden Veränderungen (§. 7) vorkommen.
Behandlung. Gegen die allgemein verbreitete Ansicht,
nach einer Verletzung des Auges müssen kalte Umschläge an-
gewendet werden, ist bei frischen Hornhautwunden insofern
nichts einzuwenden, als darüber nicht andere wichtigere Anzei-
gen ausser Acht gelassen werden. Gegenwärtig gibt es wohl nur
wenige Augenärzte, welche nach einer Staarextraction, also bei
einer grossen penetrirenden Hornhautwunde, sofort kalte Um-
schläge machen oder gar den Operirten, wie es früher hie und
da üblich war, tagelang mit Eisumschlägen belästigen. Hatte
doch Beer (Repertorium, Wien 1799) den für seine Zeit denk-
würdigen Ausspruch gemacht: „Die Natur allein heilt einfache,
mit einem scharfen reinen Messer geschnittene Wunden ohne
Beihilfe des Wundarztes".
Was vor allem noth thut, das ist ein richtiger Verschluss
der Lidspalte, Hemmung des Lidschlages und bei penetrirenden
Wunden die Abhaltung jedes Druckes (wenigstens jedes un-
gleichmässigen) von aussen, sowie jeder Drucksteigerung im
Innern (Stauung in den Binnengefässen beim Niessen, Husten,
Bücken, Lastenheben u. dgl.). Wo der Zustand der Lider (bei
gleichzeitiger Verwundung) es gestattet, polstere man die Grube
zwischen Nasenrücken und Supraorbitalrand successive mit
dünnen Charpielagen oder mit Baumwolle auf unterlegter Charpie
aus und befestige dieselbe mittelst eines Monoculus, welcher
— 69 —
aus einem elastisch dehnbaren Mittelstück (feinem Flanell) und
zwei ungefähr .ellenlangen (nicht glatten) Bändern von minde-
stens y2 Zoll Breite besteht. Das eine Ende des elliptisch zu-
geschnittenen , spannenlangen und (in der Mitte) 2 — 2'/.2 Zoll
breiten Flanellstreifens kommt unterhalb des Ohrläppchens, das
andere am Stirnhöcker (der andern Seite) zu liegen ; das Wei-
tere geschieht wie bei der Application einer Achtertour. Das
Liegenbleiben dieser Binde in unverrückter Lage kann durch
eine Cirkeltour um Stirn und Hinterhaupt (mit einem zollbreiten
rauhen Bande) gesichert werden. Vorausgehen muss sorgfältige
Reinigung der Wunde und des Bindehautsackes, in der Regel
auch das Einträufeln von Atropin.
Steht, wie namentlich bei Risswunden, ein schmaler Zipfel
Cornealsubstanz so stark ab, dass auf Wiederanheilen nicht zu
rechnen ist, so trage man ihn mit der Scheere ab. Dasselbe
geschehe mit einem aus der Wunde heraushängenden Zipfel
der Iris. Glaskörper, aus der Wunde heraushängend, braucht
nicht abgetragen zu werden; er hindert die Heilung per primam
nicht, und wird allmälig abgestossen. Bei Vorfall der Iris ist
vielseitig gerathen worden, denselben mit einer Sonde, dem
Daviel'schen Löffel u. dgl. zurückzuschieben, da man auf Re-
traction selbst unter Anwendung von Belladonna oder Calabar
nicht rechnen kann. Diese Reposition könnte nur dann mit
Aussicht auf Erfolg versucht werden , wenn die Verhältnisse
der Wunde solche wären, dass man nach Entfernung der Iris
aus derselben auf guten Wundschluss rechnen könnte. Sie
darf aber nur bei ganz ruhiger Haltung des Bulbus (daher
meistens nur unter Narkosis) unternommen werden, da man
leicht die Kapsel verletzen könnte, und man darf nicht ver-
gessen, dass die Iris auf Quetschung leicht mit Entzündung
antwortet.
Wenn die vorgefallene Irispartie sogleich oder erst
später die Form einer Blase oder eines Darm Stückes (mit re-
lativ enger Basis) angenommen hat, so schreite man zur Ab-
kappung (unter Fixirung des Bulbus) ; wenn dagegen der
Prolapsus die Form eines runden oder langgestreckten Hügels
— 70 —
(also eine relativ breite Basis) hat, so darf man erwarten,
dass er durch Bindegewebsentwicklung an seiner Oberfläche
allmälig überzogen, eingeschnürt und endlich fest zurückgehalten
werde. Vermag aber das Narbengewebe nicht den Prolapsus
abzuplatten und steht eine bleibende Ektasie zu besorgen, so
ist zunächst eine Abzapfung des Kammerwassers vorzunehmen,
indem man mit einem flach durch die Blase geführten Staar-
messer eine kleine Bogenwunde setzt, hierauf den Schutzverband
anlegt und dieses Verfahren wiederholt, bis die Bildung einer
flachen Narbe erreicht ist. Sollte dieses Verfahren nicht ver-
fangen oder sollte mit Rücksicht auf die Wiederherstellung der
Sehfunction eine künstliche Pupille oder wegen bereits ein-
getretener Drucksteigerung (als Folge der ektatischen Hornhaut-
narbe) die Iridektomie angezeigt erscheinen, so werde diese
nicht weiter verschoben.
Die Iridektomie wird auch vorzunehmen sein, wenn sich
eine Hornhautfistel entwickelt hat und der Verschluss nicht
binnen 8, längstens 14 Tagen unter Schutz verband und Ein-
träufeln von Opiumtinktur, allenfalls auch nach vorsichtiger
Betupfung mit einem fein zugespitzten Lapis erreicht werden
konnte. Die Operation ist dann schwierig wegen geringer
Tiefe (Mangel) der vorderen Kammer und wegen grosser Weich-
heit des Bulbus, aber sie ist das verlässlichste Mittel, den Bulbus
vor allmähliger Atrophie zu schützen. Von Atropin sowohl als
von Calabar ist wahrscheinlich niemals ein Abziehen der Iris
aus dem Bereiche der Fistel zu erwarten (nach meiner Er-
fahrung).
§. 24. Verwundung des Krystallkörpers. Sehen
wir von der Continuitätstrennung ab, welche in Folge momen-
taner Compression des Augapfels vorkommen kann, §. 4 und
10, so setzt jede Kapselwunde das Eindringen entweder eines
längeren stechenden, schneidenden, vielleicht auch reissenden
Werkzeuges oder eines relativ kleinen fremden Körpers (Körn-
chen, Splitter von Stein, Glas, Metall) voraus, welcher sofort
in der Kammer, in der Linse oder hinter dieser zu suchen
sein wird.
— 71 —
Die Einbruchspforte ist zunächst (und zumeist) in der
Hornhaut zu suchen und lässt sich nicht nur nach erfolgter
Vernarbung, sondern bisweilen auch in ganz frischen Fällen
vielleicht nur unter sorgfältiger Focalbeleuchtung auffinden.
Hat der verletzende Körper zugleich die Iris passirt, so kann
die dadurch entstandene Irislücke an einer von der Hornhaut-
wunde sehr entfernten Stelle liegen und sehr schwer auffindbar
sein. Liegt die Einbruchspforte in der Corneoskleralgrenze oder
in der Sklera allein, so ist sie vor der völligen Vernarbung wohl
leicht an der Röthe oder gelben Verfärbung im episkleralen
Gewebe, nach derselben jedoch mitunter schwer, vielleicht auch
gar nicht aufzufinden.
In frischen Fällen darf man jedenfalls nicht unterlassen
die Spannung des Bulbus zu prüfen. Nach Vernarbung der
Einbruchspforte kann sie normal, vermindert, aber auch be-
trächtlich vermehrt sein.
Die Verwundung, respective Eröffnung des Kapselsackes
verräth sich entweder gleich oder binnen wenigen Stunden
durch Trübung von Linsensubstanz. Diese Trübung ist
nächst der Wunde zumeist durch den Contakt der Linsen-
substanz mit dem Kammerwasser bedingt, daher sie vorerst an
der Kapselöffnung auftritt, sie kann aber auch als Folge von
Verschiebung der Formelemente der Linse gegen einander auf-
gefasst werden müssen, sofern die Trübung entweder längs der
Bahn, welche der Eindringling genommen, oder auch weit ent-
fernt von der Wunde namentlich in der hinteren Cortical-
substanz und in grosser Ausdehnung vorkommt. Die Ansicht,
dass der Contakt der Linse mit dem Kammerwasser allein die
Ursache der Linsentrübung nach Verletzungen sei, könnte leicht
zu der Meinung verleiten, dass die Gefahr der Linsentrübung
zur Grösse der Kapselöffnung in geradem Verhältnisse stehe.
Je tiefer bei gleichgrosser Kapselöffnung der Fremdkörper in
die Linse eingedrungen und je härter die Schichten, die er
passiren musste, desto sicherer erfolgt ausgebreitete Linsen-
trübung.
- 72 —
Prognose. Die Verwundung des Krystallkörpers führt
in der Regel zu totaler Trübung der Linse mit mehr
weniger auffallender Verschrumpfung.
Ausnahmsweise bleibt eine partielle stationäre Trü-
bung zurück, von deren Sitz und Ausdehnung die Prognose
über die fernere Functionstüchtigkeit seitens der Linse abhängt.
Mitunter verschwindet nach einigen Wochen oder Monaten auch
ein Theil der partiellen Trübung. (Rydel, Bericht über die
Wiener Augenklinik. 1867 p. 87.)
Bei jugendlichen Individuen tritt nicht selten eine mehr
weniger vollständige Resorption der Linse ein; die
Functionstüchtigkeit eines solchen Auges kann sich dann wie
die eines einfach aphakischen verhalten, sofern sich die Kapsel
aus dem Bereiche der Pupille hinreichend weit zurückgezogen
hat. Bleibt dagegen die vordere Kapsel im Pupillar-
bereiche, so kann das Sehen schon dadurch beeinträchtigt
werden , dass dieselbe , indem sie sich an die nur wenig vor-
gerückte hintere Kapsel anlegt, leichte Fältchen oder Runzeln
bildet. In solchen Fällen kann nach völligem Ablauf aller
entzündlichen Zufälle leicht durch Disscission Abhilfe geschafft
werden.
Sind aber nach Verheilung der Kapselwunde noch mehr
weniger mächtige Linsenelemente zwischen der vor-
deren und hinteren Kapsel (im Pupillargebiete) einge-
schlossen, oder hat sich an der Innenfläche der vorderen Kapsel
durch Wucherung des Kapselepithels und durch darin ein-
geschlossene kalkige, fettige u. dgl. Reste von Linsenfasern ein
Beschlag gebildet, welcher mit der Kapsel unzertrennlich fest
zusammenhängt und derselben ein kreidiges, sehnenartiges
oder knorpeliges Aussehen gibt, so ist die Prognose für Wieder-
herstellung einer reinen Pupille um so weniger günstig, je
dichter die Membran aussieht und je mehr sie an der Peri-
pherie mit den Ciliarfortsätzen , nach vorn mit der Iris oder
mit einer Hornhautnarbe in Verbindung steht. Bisweilen lässt
sich in solchen Fällen nach starker Erweiterung der Pupille
eine Stelle entdecken, wo ein solches Diaphragma ungleich
— 73 —
dünner ist, vielleicht noch rothes Licht von dem beleuchteten
Augengrunde her durchtreten lässt. Dann kann eine Iridek-
tomie vor dieser Stelle leichter zum Ziele führen, als die Dis-
scission, Dislaceration oder Extraction der schwartenformigen
Partie.
In den meisten Fällen müssen Augen mit Verwun-
dung des Krystallkörpers als sehr gefährdet oder ge-
radezu als verloren erklärt werden und zwar nicht blos wegen
der gleichzeitigen Verletzung der Cornea, der Iris, des Ciliar-
körpers und abgesehen vom Zurückbleiben fremder, bis hinter
die Linse eingedrungener Körper, sondern schon an und für
sich wegen des Druckes, welchen die dem Kammerwasser aus-
gesetzte Linse vermöge rascher Quellung oder wegen Dis-
lokation auf die Cornea, die Iris oder auf den Ciliarkörper aus-
übt. Wenn dann auch ein solches Auge, wie sehr oft, nicht
durch Entzündung mit faserstoffig plastischem oder mit eitrigem
Exsudate zu Grunde gegangen, ja selbst die Linse vielleicht
nach langen Qualen des Kranken endlich resorbirt ist, so kann
das Auge durch Druckexcavation des Sehnerven oder durch
ausgebreitete Chorioiditis mit Atrophie der Retina amaurotisch
geworden sein.
Halten wir uns gegenwärtig, dass die Linse durch die
Spannung der vordem Kapsel stets mehr weniger abgeplattet
erhalten wird, demnach zwischen der weichen Corticalsubstanz
und der Kapsel immer ein gegenseitiger Druck obwaltet, and
ferner, dass die Corticalis, sobald sie dem Kammerwasser preis-
gegeben ist, mehr weniger aufquillt und zwar um so rascher,
je weniger sie bereits durch vorausgegangene Trübung ver-
ändert ist und um so umfangreicher, je zahlreicher die Be-
rührungspunkte mit dem Kammerwasser sind, so begreifen wir,
dass bei allen Kapselwunden, welche vermöge ihrer Grösse
ein Durchtreten von Linsenelementen gestatten, Linsensubstanz
gegen den Humor aqueus hervortreten und dass, sofern Humor
aqueus zu der hinter der Kapsellücke liegenden Corticalis
zutreten kann, die Lücke leicht vergrössert werden kann.
Es resultirt hieraus das Auftreten einer flocken- oder
— 74 —
kegelförmigen trüben Masse vor der Kapsel Öffnung,
deren Basis und Höhe (gegen die Cornea) besonders bei Focal-
beleuchtung und seitlicher Betrachtung ziemlich genau abge-
schätzt werden kann.
Während der Resorption der in die Kammer hervorragen-
den, vielleicht auch in dieser zu Boden gefallenen Linsenpartie
befindet sich das Auge in gereiztem Zustande (vermehrte Ciliar -
injection, Thränenfluss , Lichtscheu) und kann deshalb leicht
von Iritis befallen werden. Werden nach und nach frische
Partieen vorgeschoben, so sieht man den Aequatorialdurchmesser
der Linse kleiner werden, doch kommt es kaum jemals zur
völligen Expulsion und Resorption; die vordere Kapsel legt
sich , ehe noch alle Reste verschwunden sind , an die hintere
an und bildet im Vereine mit dieser eine mehr weniger plane
Scheidewand zwischen Glaskörper und Kammerwasser, welche
durch die Zonula zwischen den Firsten der Ciliarfortsätze
gespannt erhalten wird, mehr weniger metamorphosirte Linsen-
substanz zwischen ihren zwei Blättern einschliesst und in
günstigen Fällen gerade hinter der Pupille nur aus der hinte-
ren Kapsel besteht, nachdem sich die in der Mitte durch-
brochene Vorderkapsel gegen die Peripherie hin eingerollt oder
zusammengezogen hat.
Durchschnittlich sind zwei bis drei Monate bis zur Be-
endigung dieses günstigsten der Ausgänge einer Linsenverletzung
mit klaffender Kapselwunde erforderlich; ist das Individuum
über 25 Jahre alt, demnach schon ein mehr weniger harter
Linsenkern vorhanden, so kann die doppelte Zeit vergehen, ja
eine völlige Resorption gar nicht mehr eintreten. (Vgl. den
letzten Absatz Linsenblähung.)
Der eben beschriebene günstige Vorgang kann zu jeder
Zeit sistirt werden, wenn die Kapselwunde sich organisch
verschliesst, durch Entstehung einer dünnen, durchsichtigen,
die Lücke der Kapsel ausfüllenden Membran, welche (wenig-
stens manchmal) als Produkt der Kapsel selbst betrachtet wer-
den muss, indem sie in manchen Fällen ganz bestimmt auch
ohne Anlagerung von Iris oder von Irisexsudat an die Kapsel
- 75 —
zu Stande kommt. Meistens sind es nur kleine Loch- oder
kurze Schlitzwunden , welche sich auf diese Weise schliessen.
Es ist dann entweder gar nicht zum Austreten von Linsen-
substanz gekommen, oder das weitere Austreten hört auf, man
sieht nichts mehr in das Kammerwasser hervorragen, die Linse
verkleinert sich dann noch etwas, bleibt aber endlich als mehr
weniger geschrumpfter Staar stationär. Zipfel- oder längere
lineare Wunden pflegen nur dann in der genannten Weise oder
durch eine trübe (bindegewebige) Masse verschlossen zu werden
und zwar oft schon in früher Zeit, wenn sie mit dem Pupillar-
rande oder mit einer verwundeten Partie der Iris in Contact
stehen , oder wenn in Folge von Keratitis , Iritis , Kyklitis
faserstoffiges Exsudat sich an die Kapselwunde anlagert. Nicht
selten wird solches Exsudat vom Corpus ciliare aus in der hin-
teren Kammer gesetzt und allmälig in Sehwarten verwandelt,
welche dann zunächst die Iris bucklig vorwärtsdrängen, weiter-
hin aber eine feste unzertrennliche Verbindung der mehr
weniger geschrumpften und durch Auflagerung auf ihrer Innen-
fläche verdickten Kapsel mit den Ciliarfortsätzen bewirken.
Solche Verbindungen lassen sich manchmal nach Erweiterung
der Pupille erkennen, manchmal aber erst beim Versuche, eine
solche Cataracta aus dem Bereiche der Pupille zu entfernen.
An die Fälle, wo die Cataracta traumatica mit der Iris
oder mit den Ciliarfortsätzen in Verbindung getreten ist, schlies-
sen sich jene an, wo eine Art Narbenstrang zwischen der
Kapsel- und Hornhautnarbe (meistens auch mit einer Partie
Iris) entstanden ist, wie schon oben angedeutet wurde. Das
Narbengewebe, an der Cornea am dicksten, breitet sich dann
meistens fächerartig über eine mehr weniger grosse Partie der
Kapsel aus. Ist dann, wie nicht selten, noch ein Theil des
Pupillarrandes der Iris frei, so fällt es nicht schwer, wenigstens
nach einer (etwa nöthig erscheinenden) Iridektomie, eine Partie
zu finden, wo die restirende Linsensubstanz von normaler Kapsel
umschlossen wird, um dort durch Disseission der Aufsaugung
nachzuhelfen.
— 76 —
So günstig auch grössere, namentlich mit Zipfelbildung
bestehende Kapselwunden für die Vollendung des Resorptions-
processes und für die nachträgliche Retraction der Vorder-
kapsel aus dem Pupillargebiete sind, so müssen sie doch, ab-
gesehen von der Wunde der Cornea, der Iris u. s. w., aus dem
Grunde für gefährlich erklärt werden, weil sie sehr leicht zu
stürmischer Quellung in grossem Umfange und zu deren
Nachtheilen führen. Sobald die Linse in grösserer Ausdeh-
nung dem unmittelbaren Contacte mit dem Kammerwasser aus-
gesetzt ist, quillt sie gleichzeitig an vielen Punkten auf und
setzt hiemit nicht nur Druck (mechanische Beleidigung) auf die
Iris, selbst auf die Ciliarfortsätze, sondern auch erhöhten Druck
auf die gesammten Umhüllungsmembranen des Auges (Steige-
rung des intraoculären Druckes) und hiemit auch Störung der
Circulation. Die mechanische Insultation der Iris lässt sich
beispielsweise recht gut entnehmen, wenn ein Linsenstück in
die vordere Kammer vorgefallen ist, und nur entsprechend der
Stelle, wo dasselbe zwischen Iris und Cornea haftet, Ciliar-
injection auftritt. In anderen Fällen wird die Iris in toto oder
nur an einer Partie nach vorn gedrängt. Stellen, wo der
Ciliarkörper gereizt wird, geben sich theils durch partielle oder
partiell intensivere Ciliarinjection, theils durch gesteigerte
Empfindlichkeit bei Betastung der betroffenen Stelle mit einem
glatten Griffel kund. Der entzündliche Prozess in der Iris oder
im Ciliarkörper wird überdies sehr oft durch Hypopium an-
gezeigt und die Stauung in den Gefässen durch Hyphaema.
Bei allgemeiner Drucksteigerung wird der Bulbus spontan und
auf Betastung schmerzhaft, die Schmerzen verbreiten sich auf
das Gebiet des 1. und 2. Astes des Trigeminus; reichliches
Thränen, starke Empfindlichkeit gegen Licht begleiten den Zu-
stand, und der Bulbus fühlt sich entschieden hart an; Oedem
der Conjunctiva bulbi, selbst der Lider, deutet bereits auf hohe
Gefahr, dass Verlust durch heftige Entzündung im Uvealtractus
oder durch Compression der Retina, respective der Sehnerven-
papille bereits im Gange ist.
- 77 —
Obwohl es bekannt ist, dass Wunden im Kindesalter re-
lativ weniger ungünstig zu verlaufen pflegen , so ist gerade in
Bezug auf die Verwundung des Krystallkörpers, insbesondere
auf die Quellung der Linse ausdrücklich hervorzuheben, dass
sowohl die mechanische Insultation der Iris und des Ciliar-
körpers als die Drucksteigerung im Kindes- und selbst noch
im Jünglingsalter viel leichter vertragen wird, als im Mannes-
oder gar im Greisenalter. Gewiss eignet sich eine weiche Linse
eher zu rascher Quellung, als eine wenigstens im Kerne bereits
hart gewordene ; aber einerseits ist im jugendlichen Alter der
Stoffwechsel (mithin auch die Resorption) ein viel mehr reger,
als in späteren Jahren , andererseits scheint aber die Nach-
giebigkeit der jugendlichen Bulbuskapsel, in specie der Sclero-
tica zur Erklärung der genannten Thatsache in Anspruch ge-
nommen werden zu müssen. Ohne Zweifel muss bei der
Beurtheilung einer einschlägigen Verletzung und ihrer Folgen
diese „besondere Körperbeschaffenheit", mit in Anschlag ge-
bracht werden.
Behandlung. Sobald die Setzung einer Kapselwunde
constatirt ist, und so lange als nicht Wiederverschluss derselben
nachgewiesen werden kann, besteht die Aufgabe der Therapie
rücksichtlich des Krystallkörpers darin, dass man das Ent-
stehen hinterer Synechien so viel wie möglich zu verhüten und
bereits gesetzte zu zerreissen suche (durch energische Atropin-
anwendung), und dass man die Folgen der mechanischen Irri-
tation (der Iris, des Ciliarkörpers) oder der Steigerung des
intraoculären Druckes hintanzuhalten oder möglichst zu tempe-
riren bemüht sei (durch entsprechende Antiphlogose , durch
Anodyna).
Wo starke Linsenquellung droht oder bereits eingetreten
ist, wo Iritis oder Kyklitis, sei es wegen Quellung oder gleich-
zeitiger Dislocation der Linse, oder wegen Mitverletzung der
Iris (des Ciliarkörpers) im Anzüge oder bereits ausgebrochen ist,
tritt strenge Antiphlogose, selbst präventiv, in den Vordergrund
der Anzeigen. Unter Umständen wird bei kräftigen erwach-
senen Individuen ein Aderlass gerechtfertigt sein, während man
— 78 —
sonst wohl mit örtlichen Blutentziehungen (an der Schläfe,
hinter dem Ohre) ausreicht. Stürmische Linsenquellung mit
ihren Folgen kann, wie ich vielfach beobachtet habe, durch
nichts so energisch niedergehalten werden, wie durch continuir-
liche Anwendung eiskalter Umschläge (am besten kleine Eis-
beutel). Daneben sind bei heftigen Schmerzen Morphium-
einspritzungen, bei Schlaflosigkeit Chloralhydrat nicht ausser
acht zu lassen.
Bisweilen lassen sich die Zufälle und die Gefahr der
Quellung bedeutend vermindern durch langsame Abzapfung des
Kammerwassers. Nach richtiger Fixirung des Kopfes, der Lider
und des Bulbus , nötigenfalls unter Narkosis mache man mit
einem knieförmig gebogenen Lanzenmesser einen 4 — 5 Mm.
langen Einstich längs des Hornhautrandes an einer Stelle, wo
man erwarten kann, dass bei laugsamem Zurückziehen der
Klinge (ohne Drehung um deren Achse und unter Vermeidung
jedes Druckes auf den Bulbus) bloss Kammerwasser austreten
und keine Linsenpartikelchen sich in die Wunde einzwängen
werden. Durch ein solches Ventil, welches von Zeit zu Zeit
mittelst des Daviel'schen Löffels leicht geöffnet werden kann,
wird nicht nur das Auge temporär entlastet, sondern auch die
Resorption der Linse wesentlich befördert. Nebenbei sei noch
hier bemerkt, dass man von diesem Verfahren (welches Wernek
in Salzburg zuerst empfohlen zu haben scheint) auch in jenen
Fällen profitiren kann, wo es wünschenswerth erscheint, die
durch organischen Verschluss der Kapselwunde sistirte Resorp-
tion der Linse wieder in Gang zu bringen ; denn beim Abfluss
des Kammerwassers zerreisst das die Kapselöffnung verschlies-
sende Häutchen, indem der Glaskörper das, was vor ihm liegt,
vorwärts drängt.
Die Entfernung der Linse durch eine ähnliche, jedoch
etwas grössere Hornhautöffnung ist schon mehr als Reme-
dium anceps zu betrachten, weil es nur selten gelingt, die
Linse ganz, ja auch nur grösstentheils zu entfernen, somit die
Gefahr des mechanischen Reizes sowohl als der Drucksteigerung
nicht beseitigt, vielleicht sogar erhöht werden kann. Nur wenn
— 79 —
ein harter Kern in der Pupille eingeklemmt ist oder wenn die
in die vordere Kammer vorgefallene Linse bedenkliche Zufälle zu
erregen beginnt, ist dieses Remedium anceps melius quam nulluni.
Ist der Pupillarrand nicht bloss an einer oder der anderen
Stelle an die Kapsel angewachsen, sondern in grösserem Um-
fange, oder lässt die Dehnung oder Zerrung einer angewach-
senen Partie schliessen, dass in dieser allein oder vorzugsweise
ein Grund der fortdauernden Reiz- oder Entzündungserschei-
nungen, vielleicht selbst der Steigerung des intraoculären
Druckes liege, so wird man am besten thun, eine ausgiebige
Iridektomie vorzunehmen. Auch hier ist es im allgemeinen
besser, es nicht auf die Entleerung der Linse anzulegen, weil
eine vollständige Entleerung hier so gut wie bei der Punction
selten ausführbar ist. Wo gerade keine Gefahr im Verzuge
ist, warte man, falls die Iris stark vascularisirt oder aufgelockert
erscheinen sollte, wo möglich bis zu einer besseren Gestaltung
dieser Verhältnisse, weil man riskirt, wenig von der mürben
Iris heraus, dafür aber starke Blutung in der Kammer zu be-
kommen.
Augen, welche nach einer Kapselverletzung der gänzlichen
oder theilweiser Linsenresorption entgegen gehen } sind, auch
wenn keine Synechien entstanden, so lange in gereiztem Zu-
stande, bis der Kapselsack wieder völlig abgeschlossen ist, sei
es durch die Bildung eines die Lücke verschliessenden Häut-
chens, sei es durch Anlöthung der vordem an die hintere
Kapsel. So lange müssen sie unter ärztlicher Obhut bleiben,
soll das Licht durch Schutzbrillen temperirt, soll accommodative
Anstrengung des zweiten Auges vermieden werden. Mitunter
ist der Verschluss nur ein scheinbarer, reicht wenigstens ein
geringfügiger Umstand, z. B. ein Druck aufs Auge hin, die
Oeffnung zu sprengen, das Heraustreten oder Vorfallen von
Linsensubstanz und dessen Folgen zu veranlassen. Sind aber
Synechien oder ist gar Pupillarabschluss erfolgt, dann bleibt
ein solches Auge so lange den Gefahren chronischer Iritis und
Kyklitis ausgesetzt, bis nicht eine entsprechende Iridektomie
gemacht worden ist.
— 80 —
Rücksichtlich der Encheiresen gegen die verschiedenen
Formen der Cataracta traumatica selbst muss hier auf ein Hand-
oder Lehrbuch der Operationslehre verwiesen werden. Für den
Nichtspecialisten (NichtOperateur) genügt die Entscheidung der
Frage, ob Aussicht vorhanden sei, dass man durch irgend eine
Operation ein (mehr weniger brauchbares) Sehvermögen werde
herstellen können, und hiezu ist vor allem nöthig, dass der
Kranke, wenn kein qualitatives Sehen (kein Erkennen von Ob-
jecten der Form nach) stattfindet, den Schein einer Kerzen-
flamme in 15 — 20 Fuss wahrnehme und dass er eine von ver-
schiedenen Stellen der Peripherie des Gesichtsfeldes her in
dieses vorgeschobene Kerzenflamme auch richtig projizire, d. h.
an den Ort versetze, wo sich dieselbe befindet, und nicht etwa
bloss angebe, ob es vor dem betreffenden Auge licht oder
dunkel sei.
B) Mit Zurücklassung eines fremden Körpers.
§. 25. Allgemeine Bemerkungen. Die Frage, ob man
es mit einem fremden Körper an, in, neben, hinter dem Auge
zu thun habe, ist bald sehr leicht, bald nur nach der umsich-
tigsten und sorgfältigsten Untersuchung und bei Berücksichtigung
der amanestischen Momente zu beantworten; mitunter ist ein
bestimmter Ausspruch erst nach längerer Beobachtung möglich.
Dasselbe gilt, falls der fremde Körper nicht sieht- oder tastbar
ist, auch von der Ermittlung des Sitzes und der physikali-
schen Eigenschaften desselben, welche die Prognose und The-
rapie wesentlich beeinflussen. Die Ableitung einer Functions-
störung oder Entzündung von einem fremden Körper wird
mitunter dadurch erschwert, dass ein kleiner fremder Körper
beim Eindringen und auch geraume Zeit darnach keine alar-
mirenden Zufälle hervorrief. In der Orbita gilt diess mitunter
auch von beträchtlich grossen Fremdkörpern. Ueberdies darf
man nicht ausser Acht lassen, dass bei Setzung einer Wunde
durch ein Werkzeug, welches sicher wieder entfernt wurde, ein
fremder Körper, z. B. eine Cilie, mit hineingetrieben oder durch
— 81 —
Abstreifen oder Abbrechen zurückgelassen worden sein, sowie
dass nebst einem sichtbaren wohl auch noch ein un-
sichtbarer fremder Körper vorhanden sein kann.
Wo irgend der Verdacht vorliegt, es könne ein fremder
Körper in das Innere des Auges eingedrungen sein, prüfe man
in frischen Fällen die Spannung des Bulbus, dessen Herab-
setzung in der Regel auf Durchbohrung der Bulbuswand deutet,
und durchmustere man in frischen wie in älteren Fällen (nach
geschlossener Wunde) die ganze sichtbare Oberfläche, nament-
lich mittelst Focalbeleuchtung, um die Einbruchspforte,
frisch oder vernarbt, aufzufinden. Narben in der Sklera nach
dem Eindringen kleiner fremder Körper können mitunter gar
nicht mehr aufgefunden werden. Nur selten wird man sie an
der Cutis der Lider oder der nächsten Umgebung zu suchen
haben, und auch da wird die Einbruchspforte nur ausnahms-
weise jenseits des Fornix conjunctivae zu versetzen sein. Fin-
det sich die Einbruchswunde oder Narbe im Bereiche der
Cornea oder im Skleralborde, so untersuche man mittelst Focal-
beleuchtung (bei auffallendem Lichte), und mittelst des Augen-
spiegels (bei durchfallendem Lichte), ob sich nicht ein Riss
oder eine Lücke (Lochwunde) in der Iris auffinden lässt,
welche übrigens auch durch Blut gedeckt sein könnte. Trübung
der Linse (ohne nachweisbare Oeffnung oder Narbe in der
Kapsel — bei möglichst starker Atropinerweiterung) kann auch
durch blosse Erschütterung derselben entstanden sein. Uebri-
gens lassen Kapselwunden und deren Folgen an und für sich
noch nicht direct auf das Eindringen und Verweilen eines fremden
Körpers (in oder jenseits der Linse) schliessen.
Ueber den Sitz des fremden Körpers gibt in den äussern
Umhüllungsmembranen die Besichtigung, allenfalls auch die
Betastung (mit dem Finger, mit einer Knopfsonde) wohl mei-
stens hinreichenden Aufschluss. In den durchsichtigen
Medien lässt sich seine Anwesenheit selbst dann, wenn be-
reits Trübung eingetreten ist, meistens noch mittelst Durch-
leuchtung des trüben Hofes (Focalbeleuchtung) constatiren,
nachdem die Wahrnehmung mit dem Augenspiegel nicht mehr
v. Arlt. Die Verletzungen des Auges. 6
— 82 —
möglich ist. Trübung in der Gegend der Wunde allein, ohne
Durchscheinen eines fremden Körpers, gestattet natürlich keine
positive Deutung auf Anwesenheit eines solchen. Wo beide
Mittel versagen, kann das Auffinden einer Stelle des vor-
deren Abschnittes der Sklera, welche sich durch aus-
schliessliche oder intensivere Röthe und durch gesteigerte
Empfindlichkeit mit einem glatten Griffel (Elfenbein, gehärteter
Kautschuk) markirt, bisweilen noch Aufschluss über die Nähe
eines fremden Körpers geben. Das Eingehen mit einer Sonde
in den Bulbus zu diagnostischen Zwecken ist wohl nur unter
Anwendung der grössten Vorsicht unschädlich. Die anamnesti-
schen Angaben sind bezüglich des Sitzes wohl oft, aber nicht
immer zu verwerthen. Denn der fremde Körper kann an einem
ganz anderen Orte liegen, als wo man ihn nach der Einbruchs-
pforte und nach den Angaben des Verletzten vermuthen möchte,
wegen Senkung oder wegen Ablenkung von der anfänglichen
Richtung, sei es durch Veränderung der Bulbusstellung im
Momente des Eindringens, sei es durch Widerstände, welche
ihm im Vordringen begegneten. Er kann auch durch Zurück-
prallen von der Wand, welche der Einbruchsstelle gegenüber
liegt, gegen diese zurückgeworfen worden und im Rückwege
nach abwärts gesunken sein.
Dr. Berlin (Arch. für Ophth. XIII. b. 275) betont mit
Recht ein gewisses Missverhältniss zwischen den äussern
Verletzungsspuren zu der Intensität, Dauer und hart-
näckigen Wiederkehr innerer Entzündung als bedeutsam
für das Vorhandensein eines fremden Körpers im Innern des Bulbus.
Die physikalischen Eigenschaften des Eindringlings,
namentlich seine Grösse und Gestalt, sind, mit Ausnahme von
Schrott- oder Pulverkörnern, selten genau zu bestimmen, man
müsste ihn denn klar vor sich liegen haben, z. B. in der Cor-
nea, in der vorderen Kammer, wohl auch in der Linse oder
in noch durchsichtigem Glaskörper. Seine Grösse kann man
aus der Einbruchspforte, selbst wenn sie noch offen ist, nur
annäherungsweise errathen, denn er kann, wenn er nicht kugelig
oder kubisch ist, mit dem kleinsten Durchmesser eingetreten
— 83 —
sein, und wenn die Propulsivkraft eine sehr grosse war, so
pflegt die Wunde relativ kleiner auszufallen. Besonders sind
es Zündhütchen, welche in Bezug auf Grösse und Gestalt sehr
leicht eine zu glimpfliche Taxirung veranlassen. Es sind halbe,
ja ganze Metallkapseln vorgefunden worden, wo man nur ein
kleines Fragment vermuthet hatte.
Nach Constatirung der Anwesenheit, des Sitzes und der
physikalischen Eigenschaften eines fremden Körpers, so weit
letztere beiden möglich sind, entsteht die Frage, ob es zulässig
sei, ihn zu belassen oder ob man ihn entfernen müsse, weiter-
hin ob die zur Entfernung nöthigen Eingriffe sicheren Erfolg
(auf Entfernung) versprechen oder möglicher — ja wahrschein-
licher Weise fruchtlos sein und das Auge noch grösserer Ge-
fahr aussetzen werden, als das Zurücklassen, endlich ob es
mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Entfernung und die
weiter zu erwartenden Folgen (mit oder ohne Extractions-
versuch) nicht gerathen erscheint, sogleich oder nach einigem
Zuwarten lieber den Bulbus zu enucleiren.
In zweifelhaften frischen Fällen sehe man unter sorg-
fältiger antiphlogistischer Behandlung und Ueberwachung des
Auges einige Tage zu, ob sich nicht aus dem Verlaufe weitere
Anhaltspunkte für die Prognose und das operative Einschreiten
ergeben.
Doch sind die Grundsätze, dass man den fremden Körper
je eher je lieber entfernen und dass man es in unzweifelhaften
Fällen, z. B. bei grösseren und irritirenden fremden Körpern
nicht erst auf heftige Reaction ankommen lassen solle, trotzdem
niemals ausser Acht zu lassen.
Die Schwierigkeit der Entscheidung liegt darin, dass einer-
seits die Betroffenen schwer zu operativen Eingriffen, nament-
lich zur Enucleatio bulbi zu bestimmen sind, andererseits aber
laut Erfahrung manche fremde Körper vertragen werden (in
gewissen Gebilden) ohne Reaction zu erregen, und dass bei
anderen diess nach entzündlicher Reaction durch Einkapselung
(bleibend oder temporär) vermittelt wird, während in einer
grossen Reihe von Fällen (um nicht zu sagen: in der Regel)
6*
— 84 —
eine schleichende oder acute Entzündung zum Ruin des
betroffenen und wohl auch zu sympathischer Affection des
anderen Auges führt.
Da diese Verschiedenheit der Folgen nicht nur von der Be-
schaffenheit des fremden Körpers, sondern auch von dem Sitze
desselben abhängt, so werden wir auch diese Art von Verletzungen
nach den einzelnen Gebilden, jedoch so viel wie möglich unter
Berücksichtigung der Eigenschaften des fremden Körpers ein-
theilen und das über die (dabei mitvorhandene) Continuitäts-
trennung Gesagte als bekannt voraussetzen.
Der fremde Körper sitzt, abgesehen von den sogenannten
Nebenorganen des Auges, entweder in den Umhüllungsmem-
branen, Conjunctiva, Cornea, Sklera, und ist dann leicht zu
finden und sicher zu entfernen, oder er steckt nach Setzung
einer penetrirenden Wunde entweder im vorderen Abschnitte
(Kammer, Iris, Corpus ciliare, Linse) oder im hinteren (Glas-
körper, Netzhaut, Aderhaut). In die Tiefe neben oder hinter
den Bulbus können fremde Körper nach doppelter Durchboh-
rung der Hülle des Bulbus, vom Fornix conj. aus oder nach
Durchbohrung der Lider oder der knöchernen Orbitalwand ge-
langt sein.
§. 26. In die Bindehaut gerathen fremde Körper wohl
meistens durch Zufall (z. B. Luftströmung) oder Unvorsichtig-
keit des Betroffenen, mitunter jedoch auch in Folge einer sträf-
lichen Handlung.
Die Zufälle darnach können gleich so heftig sein, dass
sie sofort den Verdacht auf eine Verletzung, respective auf die
Gegenwart eines fremden Körpers erregen; sie können aber
auch gering sein und unbeachtet bleiben, bis das Auftreten von
Entzündung zur Entdeckung der Ursache führt. Es kommen
auch Fälle vor, namentlich bei Kindern, wo sowohl die anfäng-
lichen Reiz- als die späteren Entzündungszufälle gar nicht einer
Verletzung, sondern irgend einer anderen Ursache zur Last ge-
legt werden. Es kann endlich auch sein, dass man es mit einer
absichtlich durch das Einbringen fremder Substanzen erregten
Reizung oder Entzündung zu thun hat. (Siehe IV. Abschnitt.)
- 85 —
Kleine fremde Körper können sich wegen Durchsichtig-
keit leicht dem Blicke entziehen, sie können von Schleim um-
hüllt oder auch durch Wundgranulationen oder starke Schwellung
(der Bindehaut, der Karunkel) gedeckt, förmlich umschlossen
sein. Grössere, besonders längere Körper können tiefer in die
subconjunctivalen Gebilde eingedrungen sein, besonders vom
Fornix aus oder neben der Karunkel, und nur mit einem klei-
nen Theile in den Bindehautsack hineinragen, wohl auch nur
durch Sondirung in der Tiefe zu entdecken sein.
Wie überall ist auch hier vor allem genaue Untersuchung
nöthig, mit freiem Auge, mit der Loupe, mittelst Focalbeleuch-
tung, mittelst einer Knopfsonde, bei verschiedenen Positionen
des Bulbus, nach Umstülpung der Lider. Mitunter kann zu
dieser Untersuchung die Narkosis nöthig werden (bei unüber-
windlichem Lidkrampfe). Man muss schliesslich sicher sein,
dass die vorhandenen Zufälle nicht von der Anwesenheit eines
fremden Körpers oder dessen Spuren abstammen und ebenso,
dass ein fremder Körper, den man nur an der Oberfläche des
Bulbus suchen zu müssen glaubte, nicht etwa tiefer eingedrun-
gen, somit in, neben, hinter dem Bulbus zu suchen sei.
Prognose und Therapie. Die Prognose ist im Allge-
meinen günstig, sofern nicht etwa die Cornea durch das längere
Zurückbleiben des fremden Körpers in bedenkliche Mitleiden-
schaft gezogen wurde. Auch die Beseitigung wird den Arzt
kaum in Verlegenheit bringen. Nur kleine Körner (Pulver)
oder Splitter an Stellen, wo die Bindehaut sehr locker aufsitzt,
lassen sich meistens weder abstreifen noch herausgraben, son-
dern müssen sammt ein wenig Bindehaut gefasst und abgetragen
werden. Ebenso ist die Abtragung überwuchernder Granula-
tionen der Beseitigung durch Abätzung vorzuziehen.
§. 27. In der Hornhaut lässt sich die Anwesenheit
eines fremden Körpers mit freiem Auge, mit der Loupe, mit-
telst des Spiegelnlassens und mittelst Focalbeleuchtung sicher
nachweisen. Lichtgefärbte Körper werden bei Blickrichtungen,
wobei die Pupille dahinter zu stehen kommt, leichter wahr-
genommen, dunkle dagegen eher vor einer lichtfarbigen Iris.
— 86 —
Nur wenn bereits entzündliche Reaction eingetreten ist, kann
es schwierig sein, zu entscheiden, ob die trübe Masse noch
einen fremden Körper berge. Schwieriger, doch bei seitlicher
Beleuchtung wohl immer möglich, ist die Bestimmung, wie tief
und in welcher Richtung der fremde Körper eingedrungen sei.
Auch über die physikalische Beschaffenheit des fremden Kör-
pers vermag die Autopsie eher verlässlichen Aufschluss zu
geben, als die Angaben des Verletzten. Wenn hie und da ein-
mal die braunschwarze Decke eines Insectenflügels oder die
Hälfte einer Samenhülse auf der Cornea für einen Irisvorfall,
oder umgekehrt, wenn ein solcher für den noch in der Cornea
haftenden fremden Körper nach einer Verletzung gehalten
wurde, so war die Untersuchung jedenfalls eine sehr mangel-
hafte gewesen.
Prognose und Therapie. Nur Schiesspulver (Holzkohle)
und mitunter kleine Kalktheilchen oder winzige Kupferblätt-
chen (wie ich unlängst mit der Loupe sah) können in der
Cornea sitzen bleiben, ohne Eiterung zu erregen. In allen
anderen Fällen ist die Entfernung dringend angezeigt, weil man
nicht wissen kann, wie weit die Eiterung in der Cornea ge-
deihen werde , welche im günstigsten Falle zur Ausstossung,
jedoch mit Hinterlassung einer mehr weniger ausgebreiteten
und intensiven Trübung, aber auch zum Hornhautdurchbruch
und dessen Folgen oder zu consecutiver Entzündung der Iris,
wohl auch des Corpus ciliare und zu Eiteransammlung in der
vordem oder hintern Kammer , selbst im Glaskörper (eiterige
Kyklitis, PanOphthalmitis) führen kann.
Bei Kindern und selbst bei Erwachsenen kann zur Ent-
fernung des (der) fremden Körpers die Narkosis nöthig werden,
denn die Operation ist sehr schmerzhaft und unvermuthete
Bewegungen erschweren dieselbe bis zur Unmöglichkeit, be-
sonders bei tiefem Sitze des fremden Körpers. Solche Augen
sind durchschnittlich sehr empfindlich gegen das Licht, beson-
ders wenn der Körper schon von Laien attaquirt wurde, wenn
bereits starke Ciliarinjection oder gar schon Iritis dazu getre-
ten ist, Desshalb ist es nützlich, für Verschluss des zweiten
— 87 —
Auges zu sorgen und den Verletzten so zu setzen oder zu
lagern, dass das. Licht nur seitlich und nur von einem Fenster
her einfällt, dass aber auch der Glanz des Spiegelbildes den
Operateur nicht blende. Kopf und Lider werden von einem
Assistenten fixirt; in Ermangelung eines solchen kann man
verständige Individuen auf einen Sessel mit hoher Lehne setzen
und mit der nicht operirenden Hand das Andrücken des Kopfes
an die Lehne, allenfalls auch das Aufwärtsfixiren des obern
Lides (mittelst des Daumens) übernehmen. Auch kann das
Fixiren des Kopfes von einem Laien, das Fixiren der Lider
mittelst eines Sperrelevateurs und das Fixiren des Bulbus mit
einer Fixationspincette besorgt werden. Wenn man das Fixiren
des obern Lides mit dem Daumen der einen Hand besorgt,
kann man das Ausweichen der Cornea nach oben oft dadurch
verhindern, dass man das untere Lid mittelst des Ringfingers
der operirenden Hand ab- und rückwärts drängt, während
Daumen-, Mittel- und Zeigefinger das Instrument führen. Manche
finden es bequemer, sich hinter den auf einem niederen Stuhle
sitzenden Patienten zu stellen, den Kopf desselben gegen ihre
Magengrube anzudrücken und dann kopfüber zu operiren. Das
Fixiren der Lider und das Verhindern des Ausweichens der
Cornea nach oben kann dann meistens mit der anderen Hand
efFeetuirt werden. Die Entfernung bei künstlicher Focalbe-
leuchtung empfiehlt sich bei Körpern , welche vermöge ihrer
Kleinheit oder Farblosigkeit bei Tageslicht kaum gesehen
werden können.
Ist der fremde Körper nur ein kleiner Metall- oder
Steinsplitter, so dürfte eine gerade lanzettförmige Staarnadel
das geeignetste Instrument sein, ihn herauszugraben und sodann
auch den etwa zurückbleibenden Beschlag der Wunde gleich
einer Schale auszulösen oder abzuschaben. Andere bedienen
sich dazu einer hohlmeiselartig geformten Nadel. Reicht ein
etwas compacter Körper tiefer, so muss man gleich anfangs
vom Rande her unter (hinter) denselben zu gelangen suchen
und zu diesem Zwecke allenfalls mit der Nadel oder mit einem
Staarmesser einen Schnitt führen, welcher diesen Zweck zu
— 88 —
fördern geeignet ist. Das Zurücklassen kleiner Partikeln des
Körpers oder des Beschlages ist in der Regel nachtheilig, denn
mehr die Fremdartigkeit als die Grösse des Eindringlings erregt
Reiz und Entzündung.
Nach vollständiger Beseitigung gehen die Zufälle (Schmerz,
Lichtscheu, pericorneale Röthe) bald zurück und der Verletzte
braucht oft keine weitere Schonung ; wenn er aber erst mehrere
Tage nach dem Unfälle sich vorstellt oder wenn der Körper
tiefer eingedrungen so findet man meistens Iritis ausgesprochen
oder im Anzüge (Farbenveränderung der Iris, Engheit der
Pupille); dann ist mindestens Atropin und 1 — 2tägige Ueber-
wachung des Auges nöthig. Bei grösserem Substanzverluste
oder bei bereits vorhandenem Hornhautgeschwüre sind diese
entsprechend zu behandeln (Atropin, Schutz verband).
Ist der fremde Körper grösser und lang oder platt
(Metall, Stein, Holz, u. dgl.), und hat man durch die Focal-
beleuchtung ermittelt, wie schräg oder steil und wie tief er die
Cornea durchstreicht und überdies, ob er bis in die Kammer
eingedrungen und ob ein Theil desselben vor der Cornea zu
Tage liegt, so sind diese Momente und die physikalischen Eigen-
schaften des Körpers massgebend für die Encheiresen, welche
man in dem vorliegenden Falle zu wählen hat. Hier ist in der
Regel etwas tiefere Narkosis angezeigt und muss wenigstens ein
geübter Assistent zur Hand sein.
Ist der Körper mehr schräg eingedrungen; etwa wie ein
Holzsplitter unter den Nagel eines Fingers, und lässt sich nicht
erwarten , dass man ihn , wenn er noch theilweise zu Tage
liegt, mit einer starken gerieften Pincette fassen und ausziehen
könne, so spalte man die ihn bedeckende Hornhautschichte mit
einem Staar- oder Lanzenmesser, mitten davor oder längs eines
Randes des Körpers, um ihn sicher fassen zu können.
Bei mehr steil eingedrungenen, länglichen oder platten
Körpern, welche gar nicht oder nur so weit zu Tage liegen,
dass man sie nur mit Gefahr weiteren Hineindrängens fassen
kann, habe ich durch eine seitwärts angebrachte Hornhaut-
Öffnung den Da viel' sehen Löffel hinter den Körper in die
— 89 —
Kammer gebracht und damit denselben auswärts gedrängt oder
doch so gestützt, dass ich ihn dann sicher fassen konnte.
Desmarres hat seine Paracentesennadel in die Kammer ein-
geführt und zum Zurückdrängen des fremden Körpers oder
als feste Unterlage benützt, um auf ihr denselben ausziehen
oder ausheben zu können.
Es kann auch sein, dass man, wenn sich der in die
Kammer hineinragende Körper voraussichtlich nicht durch
die EinbruchsöfFnung wird zurückdrängen oder ausziehen lassen,
durch eine an geeigneter Stelle angebrachte Wunde mit einer
Pincette in die Kammer eingehen muss, wobei freilich Iris und
Kapsel leicht beschädigt werden können. Beim Zurückziehen
des Messers ist rascher Abfluss des Kammerwassers nach Mög-
lichkeit zu verhüten. (Kein Druck aufs Auge, keine Drehung
des Messers um die Einführungsachse.)
§. 28. In die vordere Kammer oder in (hinter) die
Iris gelangen fremde Körper meistens durch die Cornea, selten
durch die Sklera. In frischen Fällen wird es nicht schwer
sein, die Einbruchsstelle aufzufinden ; meistens, ausser bei reich-
lichem Hämophthalmus, wird sich auch der Bulbus noch weich
anfühlen. Schrottkörner oder Zündhütchenstücke können auch
von rückwärts, meistens nach Durchbohrung des obern Lides,
durch die Sklera und Linse oder neben dieser in die Kammer ge-
langt sein. Ausserdem kann es sein, dass der fremde Körper
eine Zeit lang in der Cornea haftete und von selbst (beim Reiben)
oder bei misslungenen Extractionsversuchen in die Kammer
fiel. Eben so kann ein anfangs in den Krystallkörper ein-
gedrungener Körper später aus diesem in die Kammer gedrängt
worden sein.
Der fremde Körper kann wegen geringer Grösse und
peripherer Lage (meistens nach Senkung unten) durch den
Skleralbord verdeckt werden. Umschriebene Röthe und Empfind-
lichkeit gegen Betastung an der entsprechenden Stelle der
Sklera können seinen Sitz andeuten, so wie auch Verzogensein
des Pupillarrandes nach diesem Punkte hin ; die Focalbeleuch-
tung wird Aufschluss geben, wenn nicht Blut, Exsudat, trübe
— 90 —
Linsenstücke oder Trübung der Cornea das verhindern. An
der Iris könnten dunkle Pigmentpunkte, die in späteren Jahren
oft ohne pathologische Bedeutung vorkommen, vielleicht mit
Pulverkörnern oder Eisensplittern verwechselt werden. In vielen
Fällen (Geissler, Hörn er, Berlin) verrieth sich die An-
wesenheit eines fremden Körpers in der Kammer nach bereits
eingetretener Entzündung durch eine in der Mitte intensiv
gelbe oder weissgelbe hügelartige Masse als Hülle des-
selben oder durch eine Spitze des fremden Körpers, welcher
durch die Iris in die vordere Kammer vorragte und bei seit-
licher Beleuchtung erkannt werden konnte.
Am häufigsten waren es Stücke oder Splitter von Metall
(Fragmente von Zündhütchen, von Stahl oder Eisen, Schrott-
körner), von Stein, Porzellan, Glas, seltener von Holz, Stacheln,
ausnahmsweise auch Wimperhaare, welche in der Kammer
oder an (in) der Iris vorgefunden worden sind.
Prognose. In manchen Fällen wurden fremde Körper
in der Kammer ohne Reaction vertragen, namentlich Cilien,
aber auch kleine und selbst massig grosse Fragmente der eben
aufgezählten Körper. So fand z. B. Pagenstecher eine Cilie,
welche 10 Jahre lang ohne Reizung vertragen worden war,
und Prof. Jäger (Staar und Staaroper. Wien 1854, p. 68)
ein metallglänzendes, 1 Quadratlinie grosses Zündhütchenstück,
welches nur leicht an die Iris angeheftet, 5 Jahre in der Kam-
mer lag und auch nach einer zufälligen Erschütterung des
Auges keine Entzündung erregt hatte. In einem von Jacobs
in Dublin beobachteten Falle hatte ein Steinstück in der vor-
deren Kammer erst nach 4 Jahren einen erheblichen Reizzustand
bewirkt.
Einige verlässliche Beobachtungen (von Lawrence, War-
drop, Cooper u. A.) sprechen dafür, dass kleine Fragmente
von Stahl oder Eisen (abgebrochene Staarnadeln oder Messer-
spitzen) in der vorderen Kammer durch Oxydation und Resorp-
tion verschwinden können.
In anderen Fällen kam es zu bleibender oder temporärer
Einkapselung bald unter geringen, bald unter beträchtlichen,
— 91 —
einmaligen oder wiederholten Entzündungserscheinungen. Dabei
kann das Auge, seine Form und selbst seine Function mehr
weniger gut behalten , meistens aber wird es in Folge des
Uebergreifens der Entzündung auf die ganze Iris und selbst
auf das Corpus ciliare mehr weniger ernstlich geschädigt, oft
atrophisch, und bedroht nicht selten auch das andere Auge mit
Ruin durch Iridokyklitis.
In den meisten Fällen erfolgt heftige Entzündung mit
Eiterung sogleich oder nach temporärer Einkapselung. Wird
alsdann die Cornea mit in den Entzündungs- und Schmelzungs-
process gezogen, und zwar theilweise, so kann der fremde
Körper ausgestossen und das Auge noch so weit erhalten
werden, dass die Function einfach oder mittelst operativer
Nachhilfe (Iridektomie, Staaroperation) leidlich hergestellt wer-
den kann ; in der Regel jedoch tritt unrettbar Verlust der
Function und Form ein. Wenn nach dem Auftreten heftiger
Reaction die Cornea nicht frühzeitig durchbrochen wird, so ent-
wickeln sich die bekannten Erscheinungen von ausgebreiteter
eiteriger Keratitis oder von Iritis und Kyklitis mit Eiterung
und weiterhin deren traurige Folgen, unter denen die der
Panophthalmitis mit schliesslicher Elimination des fremden Kör-
pers noch als relativ günstig zu bezeichnen sind, weil dann
wenigstens kaum jemals eine Gefährdung des zweiten Auges
gegeben ist.
Behandlung. Auf Vertragenwerden eines fremden Kör-
pers in der Kammer oder in der Iris ist in der Regel nicht
zu rechnen und ebenso nicht auf dauerhafte Einkapselung.
Besonders günstige Beschaffenheit des Eindringlings und Gering-
fügigkeit der Verwundung, namentlich aber der Mangel von
Reizzufällen trotz Ablauf geraumer Zeit gestatten weiteres Tem-
porisiren, jedoch nur unter steter Ueberwachung. Frischer
Hämophthalmus oder starke Chemosis, wenn diese mehr der
Verwundung als der Irritation durch den fremden Körper zu-
zuschreiben ist, machen einen Aufschub des Extractionsversu-
ches unter strenger Antiphlogose wünschenswerth , vielleicht
nothwendig. Bei florider Iritis oder Iridokyklitis wird es
— 92 —
allerdings gerathen sein , die Zufälle durch Blutentziehungen,
kalte Umschläge, — später mit feuchtwarmen zu vertauschen —
durch Abführmittel und Narcotica zu temperiren zu suchen ;
wenn jedoch nicht in kurzer Zeit ein sichtlicher Nachlass er-
folgt, so darf die Operation nicht weiter hinausgeschoben wer-
den. Deuten Zeichen an der Wunde und Nähe des Fremd-
körpers hinter derselben auf bevorstehende Expulsion, so kann
Temporisiren unter Anwendung feuchtwarmer Umschläge voll-
kommen gerechtfertigt sein. Bei ausgebreiteter Eiterung kann
vielleicht eine ausgiebige Spaltung des Abszesses in der Gegend
des fremden Körpers den Process abkürzen.
Die Operation selbst wird in manchen Fällen bloss die
Extraction des fremden Körpers bezwecken, welche allerdings
nicht gar oft ohne gleichzeitige Excision einer Partie Iris aus-
geführt werden kann; in anderen Fällen, namentlich bei bereits
erfolgter Pupillensperre, wird zugleich auf die Anlegung
einer zweckdienlichen Pupille angetragen werden können oder
müssen, und bei bereits bestehender oder während der Ex-
traction des fremden Körpers unvermeidlicher Verletzung der
Linse wird in Vorhinein zu überlegen sein, ob man mit der
Extraction des fremden Körpers die der Linse werde combi-
niren müssen.
Zur Entfernung des fremden Körpers, respective zur Ein-
führung der Pincette, deren Stärke nach der Grösse des Fremd-
körpers und nach allenfalls bestehenden Adhäsionen zu wählen
ist, kann bisweilen eine noch bestehende oder eine wenig fest
verklebte Wunde benützt werden, welche man nöthigenfalls mit
einer Sonde sprengt oder mit einem durchgeführten Staarmesser
neuerdings eröffnet und nach Bedarf mit einer Scheere er-
weitert. Dieses an sich unschädliche Verfahren kann aber oft
wegen ungünstiger Lage der Wunde relativ zum Fremdkörper
oder wegen gleichzeitig nöthiger Iridektomie oder Linsenextrac-
tion nicht verwerthet werden. Meistens muss die Kammer
neuerdings mit einem Lanzen- oder Staarmesser eröffnet werden,
was bei enger oder aufgehobener Kammer schwer, doch nicht
unmöglich ist, aber auch vielleicht wegen der Grösse und Form
— 93 —
des fremden Körpers viel Ueberlegung und Gewandtheit er-
fordern kann. Sofern man nicht weiss, wie gross der fremde
Körper ist und welche Dimensionen er hat, wird man aller-
dings lieber eine etwas längere Wunde machen, aber dennoch
darauf vorbereitet sein müssen, dass man die Wunde, wenn
sich der angezogene Körper darin stemmt, mit einer Scheere
oder mit einem Messer werde erweitern lassen müssen, durch
den früher instruirten Assistenten. Besser eine grössere, selbst
bogenförmige, als eine gequetschte oder gerissene Wunde.
Im allgemeinen sind periphere , im Skleralbord liegende
Wunden vorzuziehen , besonders wenn dabei das Messer ganz
oder theilweise hinter dem fremden Körper vorgeschoben wer-
den kann. Doch darf man nicht ausser Acht lassen, dass bei
solchen Wunden, wenn sie länger sind (über ]/A des Hornhaut-
umfanges), leichter Prolapsus Iridis entsteht, also Irisexcision
schon aus diesem Grunde nöthig werden kann. In anderen Fällen
ist eine in der mittleren Region der Cornea angebrachte Wunde
besser oder einzig geeignet, den Zugang zum sichern Erfassen
und Ausziehen des fremden Körpers zu verschaffen. Durch
die Stelle, Richtung und Grösse des Schnittes muss dafür ge-
sorgt sein, dass man, mit der Pincette an einer zum festen
Erfassen passend erscheinenden Stelle angelangt, diese ohne
Verschiebung des fremden Körpers gehörig öffnen und vor-
schieben kann, und dass man, wo es sich um Schonung der
Iris und besonders der Kapsel handelt, die Einleitung in die
Wunde ohne viel Drehung und Wendung des fremden Körpers
ausführen kann.
Ist die Kapsel geöffnet und ein mehr weniger harter
Linsenkern (wie meistens nach dem 30. Jahre) vorhanden,
worüber seitliche Beleuchtung Aufschluss geben kann, so trage
man gleich bei Setzung der Wunde auf Linsenextraction an
oder erweitere die Wunde nachträglich. Bei jugendlichen Indi-
viduen kann man sich nach Entfernung des fremden Körpers
mit der Iridektomie begnügen, vielleicht auch die Linse ein-
fach der Resorption überlassen, oder die einfache Linearextrac-
tion (mit oder ohne Irisexcision) nachfolgen lassen, wobei
— 94 —
jedoch darauf zu sehen ist, dass weder Linsenreste noch etwas
von der Iris in der Wunde eingeklemmt bleiben.
Aus dem Gesagten ergiebt sich von selbst, dass man sich
auf die Extraction eines fremden Körpers aus der Kammer
oder der Iris in der Regel nicht ohne Narkosis und jedenfalls
nicht ohne geeignete Assistenz einlassen solle.
§. 29. Fremde Körper in der Linse (nahe dahinter
im Glaskörper) haben ihren Weg meistens durch die Cornea,
selten durch die Sklera genommen. Die genaue Untersuchung
der Einbruchspforte kann an sich und mit Hilfe anamnestischer
Momente werthvolle Anhaltspunkte über die Grösse des fremden
Körpers geben. Mitunter ist das Eindringen unter so geringen
Zufällen erfolgt, dass erst die bald darauf erfolgte Sehstörung
auf die Bedeutung der Verletzung aufmerksam macht. Durch
die Trübung der Linse kann der fremde Körper schon nach
wenig Stunden dem forschenden Auge entzogen werden. Den-
noch ist es nicht selten möglich, trotz diffuser Trübung den
Sitz in der Linse zu erkennen, besonders bei sorgfältiger Durch-
musterung mit der Focalbeleuchtung. Eine Lücke in der Iris
oder eine Einkerbung am Pupillarrande, so wie eine nachweis-
bare Lücke oder eine Narbe in der vorderen Kapsel, deutet
wohl auf das Eindringen eines verwundenden Körpers in die
Linse, kann aber nicht beweisen, dass ein fremder Körper noch
in der Linse hafte.
Prognose. In einzelnen Fällen ist nach dem durch Ein-
dringen sehr kleiner Metallsplitter durch einen mehr weniger
peripheren Theil der Linse von der dadurch gesetzten Trübung
ein Theil allmälig wieder verschwunden ; es liegen sogar einige
Beobachtungen vor, wo eine theilweise Wiederaufhellung (bis
zu beinahe normaler Functionstüchtigkeit) trotz des Zurück-
bleibens eines fremden Körpers innerhalb der Kapsel ein-
getreten ist. (Bericht über die W. Augenkl. Wien 1867,
pag. 87 und 95.) Ich muss zu der Bemerkung, dass in diesen
Fällen der verwundende Körper nicht durch den Kern
der Linse gegangen war, noch hinzufügen, dass die Fälle gün-
stigen Verlaufes durchaus jugendliche Individuen betrafen.
- 95 —
(In einem Falle von Desmarres ist das Alter nicht ange-
geben.)
In der Regel muss man auf totale und bleibende Trü-
bung gefasst sein. Das Weitere hängt dann meistens von dem
Verhalten der Kapselwunde ab. Vergl. §. 24. Eisensplitter
können die trübe Linse ochergelb färben. Diese Färbung ist
dann rings um den Körper am intensivsten. Berlin (A. f. 0.
XIII. b. 275) beobachtete eine dunkle Färbung der traumati-
schen Cataracta in 2 Fällen auch bei Anwesenheit von Eisen-
splittern im Glaskörper , und ich sah einen Knaben , dem vor
2 Jahren ein Stückchen Kupferblech (Zündhütchen) in die Linse
eingedrungen war, diese in der Mitte mit einer etwa hirsekorn-
grossen intensiveren, dunkleren, ins Röthliche ziehenden Trü-
bung versehen, dabei jedoch nicht verkleinert, das Auge ohne
Spur von Reizung und Entzündung. Eine grosse Gefahr
fremder Körper in der Linse ist, abgesehen von der Druck-
steigerung durch zu rasche Quellung der Linse (sogenanntes
Sekundärglaukom), durch die Möglichkeit gegeben, dass sie in
die Kammer gedrängt werden, und dann die Iris oder den
Ciliarkörper insultiren.
Behandlung. Die Entfernung eines in der Linse haf-
tenden Körpers aus dem Auge, in der Regel nur mit der Ex-
traction der Linse selbst ausführbar, ist in allen Fällen angezeigt,
wo ein Vorfallen desselben in die Kammer früher oder später
zu besorgen steht. Bei noch offener Kapsel ist kein längeres
Aufschieben zulässig. Es kann sein, dass es gerathen ist, erst
eine Iridektomie zu machen , besonders wenn ein Zurück-
bleiben des Körpers hinter der Iris zu befürchten steht oder
wenn der fremde Körper noch von einer mächtigen Lage Linsen-
substanz gedeckt erscheint. Ein anderes Mal wird es vielleicht
zweckmässig erscheinen, die Trübung und Resorption der Linse
durch eine Disscission zu beschleunigen, bevor man an die Ex-
traction geht.
„Ein Handwerker hatte einen Metallspan in das rechte
Auge bekommen; es war seitdem ein leichter Reizzustand des-
selben zurückgeblieben und schon Tags darauf hatte sich das
— 96 —
Sehvermögen getrübt. Nach l1 2 Wochen war hochgradige
cataractöse Trübung vorhanden , und zeigte sich dem untern-
innern Pupillarrande gegenüber eine sehr feine Narbe, wohl
kaum '/2 Linie lang und von unbestimmbar kleiner Breite. Da
so feine Körper niemals durch Contusion des Auges Cata-
ract bewirken, so lag schon deshalb die Vermuthung nahe, dass
der Metallspan in das Innere des Auges eingedrungen sei. Als
nun für die nähere Bestimmung die Pupille erweitert und die
vordere Kapselgegend bei schiefer Beleuchtung untersucht
wurde, fand sich eine deutliche Continuitätstrennung in der
letzteren ; die circa 1 Linie lange, 1/-2 Linie breite Kapselwunde,
durch welche bereits einige gelockerte Corticaltheile sich in
den Humor aqueus hervordrängten, war nicht der Hornhaut-
narbe gegenüber, sondern ziemlich im Centrum der Pupille ge-
legen. Nothwendig musste, wenn beide Wunden durch das
Eindringen desselben Körpers hervorgerufen waren, dieser letz-
tere von innen und unten nach aussen und oben gegangen sein.
Demgemäss wurde die weitere Aufmerksamkeit besonders auf
den äussern obern Theil der Linse gerichtet. Die vorgerückte
Trübung war zum Glück noch durchscheinend genug, um einen
Einblick bis in die hinteren Corticalmassen zu gestatten. Der
fremde Körper, ein schmaler Metallsplitter von circa 2/s Linie
Länge, wurde in der hintern Corticalsubstanz, ungefähr dem
äusseren Rande der erweiterten Pupille gegenüber entdeckt.
Es handelte sich demnach 1. um die Beseitigung des Staares,
2. um die Entfernung des fremden Körpers.
Letztere Indication scheint mir entschieden gerechtfertigt
zu sein, denn auf den glücklichen Zufall, dass fremde ins
Innere des Auges eingedrungene Körper durch Einkapselung
indifferent werden, dürfen wir niemals rechnen ; es ist vielmehr
der gewöhnliche Hergang der, dass chronische Entzündungen
der innern Membranen entweder continuirlich oder periodisch
steigend zur Aufhebung des Sehvermögens führen. Ich gebe
es zu, dass diese Regel für fremde Körper in der Iris oder im
Linsensysteme häufiger Ausnahmen, als für den Sitz in tieferen
Gebilden erleidet, aber es wird in Erwägung sämmtlicher
— 97 —
Thatsachen doch immer ein richtiger Grundsatz bleiben , den
fremden Körper, wo er irgend zugängig ist, aus dem Auge zu
entfernen, so wie er einmal den geringsten innern Reizzustand
hervorbringt.
Am einfachsten wären diese beiden Aufgaben durch die
Extraction des Linsensystemes gelöst worden, jedoch war die
Cataract zu unreif, um nicht erhebliche Gefahren sowohl
von der Lappenextraction , als auch von der Linearextraction
fürchten zu lassen, ausserdem war es noch zweifelhaft, ob bei
einer solchen Extraction sich der kleine fremde Körper nicht
am Pupillarrand oder an der hintern Fläche der Iris abstreifen
und dann aller Wahrscheinlichkeit nach einen deletären Aus-
gang bedingen würde. Ich fasste desshalb einen anderen Heil-
plan. Die ohnehin für eine rasche Linsenresorption etwas zu
kleine Kapselwunde sollte mit einer Discissionsnadel etwas er-
weitert und durch Leitung dieser Nadel in die Richtung des
fremden Körpers die Imbibition der dorthin gelagerten Linsen-
theile möglichst beschleunigt werden; der fremde Körper musste
seiner Schwere wegen bei zunehmender Imbibition sich senken
und ich hoffte, dass er bei seiner Verschiebung gegen die
Kapselwunde oder bei seinem Austritt durch dieselbe in den
Humor aqueus für eine sicherere Entfernung zugängig werden
würde.
Dies ereignete sich nun in der That; die Lockerung der
vorderen Linsenpartie nahm mehr und mehr zu, und es traten
immer mehr Linsenflocken in den Humor aqueus. Ungefähr
14 Tage nach der Operation lag der fremde Körper schon dem
obern Rande der Kapselwunde gegenüber und nicht mehr in
dem hintern sondern in dem mittlem Theile des Linsensystems,
eine Woche später trat derselbe von imbibirten Linsenmassen
umschlossen in die vordere Kammer. Ich glaubte nun mit der
Entfernung nicht länger zögern zu dürfen, denn es stand zu
erwarten , dass sich das Metallstück in der vordem Kammer
senken, und wie gewöhnlich in den Winkel zwischen Iris und
Cornea niederlassen würde. Wie schwer aber die Entfernung
fremder Körper aus diesem Orte ist, wird mir jeder Praktiker
v. Ar lt. Die Verletzungen des Auges. 7
— 98 —
zugeben, der sich damit abgemüht hat; es ist meist unmöglich
an der Iris haftende sehr kleine Metallspäne zu extrahiren,
ohne die nach ausgeflossenem Humor aqueus eng anschliessende
Iris mit zu ergreifen. Es wurde daher die schwebende Stel-
lung des fremden Körpers benützt, das Lanzenmesser unter die
den fremden Körper enthaltenden geblähten Corticaltheile ge-
führt und schon beim Ausziehen des Instrumentes entwichen
diese letzteren sammt dem Metallspan. Die Extraction der
übrigen Linse geschah sofort nach dem bekannten Vorgange bei
der einfachen Linearextraction." Gräfe' s Archiv für Ophthalm.
II. B. a. 226.
Ich hielt es für zweckmässig, die vorstehenden Bemer-
kungen von Gräfe' s wörtlich mitzutheilen, weil sie in eminen-
ter Weise den Grundsatz illustriren, dass man wie bei allen
Operationen überhaupt, insbesondere bei Entfernung fremder
Körper sich nicht ohne weitere Ueberlegung nach irgend einem
Schema richten, sondern das in einem speciellen Falle ein-
zuschlagende Verfahren nach den gegebenen Verhältnissen unter
Beobachtung allgemeiner Erfahrungssätze zu wählen und zu
modificiren habe. Man muss sich in jedem speciellen Falle
einen Operationsplan entwerfen, die Chancen für Gelingen und
Misslingen erwägen und zugleich auf die Möglichkeit denken,
dass beim Operationsacte selbst noch eine oder die andere Ab-
weichung von dem ursprünglichen Plane nöthig werden kann.
Man muss wenigstens annähernd wissen, was man erreichen
kann und wie weit man gehen darf.
Liesse sich mittelst seitlicher Beleuchtung (oder mit dem
Augenspiegel) die Anwesenheit eines fremden Körpers im Glas-
körper nahe hinter der Linse constatiren, was wohl nur in
frischen Fällen möglich sein dürfte, so würde es gerathen sein,
die Extraction der Linse (mittelst Bogenschnitt) vorzunehmen,
bevor derselbe durch Senkung oder Schleuderung weit aus dem
Pupillargebiete und von der tellerförmigen Grube sich entfernt
oder bereits deutliche Entzündungszufälle erregt hat. (Gräfe 's
A. für Ophthal. IX. b. 82.) Man muss jedoch früher die Frage
aufgeworfen haben, ob man Aussicht habe, des Körpers nach
— 99 —
dem Austreten der Linse und Sprengung der hinteren Kapsel
habhaft zu werden. Im bejahenden Falle braucht man sich vor
massigem Glaskörperverluste nicht zu scheuen. Dieser ist bei
weiten nicht so ominös, als die Entzündung, welche ein solcher
Körper erregt, wenn er sich vermöge einer gewissen Grösse
und Schwere dem Uvealtractus genähert hat. Vergl. §. 30,
Glaskörper. Nur der Bogenschnitt gibt eine Wunde, welche
das hier nothwendige Eingehen mit einer Pincette ohne erheb-
liche Zerrung gestattet. In der Regel wird man auch eine
breite Iridektomie machen oder vorausschicken müssen, theils
wegen der Erleichterung der vollständigen Linsenentfernung,
theils um den fremden Körper leichter sehen und fassen zu
können. Ginge auch das Auge nach der Extraction zu Grunde :
ist nur der fremde Körper entfernt, so ist der Verletzte noch
immer besser daran, als wenn dieser Entzündung erregte ; ver-
eitert die Cornea, während der Körper noch nahe der teller-
förmigen Grube liegt, so ist die Ausstossung desselben höchst
wahrscheinlich. Vergl. Barton's Verfahren im folgenden
Paragraphe.
§. 30. Im hinteren Augenraume (Glaskörper, Netz-
und Aderhaut). Sehen wir ab von dem tiefen Eindringen
grosser Stücke von Holz, Eisen, Blech, Glas u. dgl., welche
noch mehr weniger in der Einbruchspforte haften oder daraus
hervorragen, so haben wir es hier meistens mit Schrottkörnern,
mit Zündhütchenfragmenten, mit kleinen Stückchen oder Split-
tern von Metall, Glas oder Stein zu thun.
Die Einbruchspforte kann bei Schrottkörnern, viel-
leicht auch bei Zündhütchen, hinter dem Fornix conj. in der
Sklera liegen, ausserdem ist sie je nach der Grösse bald leichter
bald schwerer in der Cornea oder im Bereiche der Conjunctiva
auffindbar.
Auf die Verletzung sind die Betroffenen im Momente gar
nicht oder durch Schmerz, Funkensehen, bald darauf durch
Blutung oder durch Sehstörung aufmerksam gemacht wor-
den. Die Sehstörung, welche auch zu Anfang selten ganz
fehlt, kann zunächst durch directe Verletzung der Netzhaut (an
7*
— 100 —
der Einbruchsstelle oder gegenüber) bedingt sein, sie ist aber
meistens vorerst von Bluterguss oder von dem fremden Körper
im Glaskörper abhängig und wird in letzterem Falle oft als
Fleck, Wolke, Nebel (bedingt durch Schatten auf der Netz-
haut, daher mitunter auch entoptisch nachweisbar) bezeichnet.
Die etwa später auftretende Einschränkung des Gesichts-
feldes oder die bei genaueren Sehproben vorgefundenen De-
fecte im Sehfelde können directe Folgen der Verletzung
einer entsprechenden Netzhautpartie sein, aber auch erst als
Folge von Entzündung der beschädigten Netz- und
Aderhautpartie oder durch Netzhautabhebung wegen
subretinaler Blutung, wegen Zerrung der Netzhaut gegen die
Narbe an der Einbruchspforte oder dieser gegenüber, oder
wegen Schrumpfung der den fremden Körper umhüllen-
den Bindegewebsmassen bedingt sein. (Vergl. 0. Becker,
Bericht von der Wiener Augenklinik 1868 und Berlin, A. f. O.
XIII. b. 275).
Gestattet es die Durchsichtigkeit der Medien, so kann
man die Anwesenheit des fremden Körpers im Glaskörper oder
an dessen Peripherie mit dem Augenspiegel nachweisen, so-
fern er nicht peripher nahe an oder gar vor der Ora serrata
sitzt. Sieht man eine sträng- oder fadenförmige Trübung
die Linse schräg oder gerade von vorn nach hinten durch-
setzen, in einem Falle, wo das Eindringen eines bloss stechen-
den Instrumentes ausgeschlossen und nur das Eindringen eines
kleinen fremden Körpers zugegeben werden kann, so ist an
der Gegenwart dieses letzteren in oder hinter der Linse nicht
mehr zu zweifeln. Manchmal lässt sich aus der Anwesenheit
einer Hornhautwunde (Narbe) und einer Irislücke und aus deren
relativer Lage schliessen, dass ein fremder Körper neben dem
Aequator lentis eingedrungen sei. Ein andermal lässt sich die
Bahn, die er im Glaskörper durchlaufen hat, als trüber
Streifen erkennen. (Gräfe A. f. 0. III. b. 341.) Wenn sich
die Pupille stark erweitern lässt, so kann man nicht selten mit-
telst Focalbeleuchtung Aufschluss über den Sitz in der
Nähe des Ciliarkörpers erhalten. Der den fremden Körper
— 101 —
zunächst umschliessende Glaskörper kann tage-, wochenlang
klar bleiben, aber auch schon in kurzer Zeit und selbst ohne
erhebliche Reiz- oder Entzündungserscheinungen trüb werden.
Solche unscheinbare, halo-ähnliche Glaskörpertrübungen
können fast ohne Ausnahme auf einen darin sitzenden fremden
Körper bezogen werden ; bisweilen lassen sie den dunklen oder
glänzenden Körper noch deutlich durchscheinen. In manchen
Fällen geschieht dies mitten im Glaskörper, in anderen erst
nach Senkung, durch welche der fremde Körper meistens in
der Gegend zwischen Aequator bulbi und Corpus ciliare an
der untern Wand zu liegen kommt (Ed. v. Jäger, Berlin).
In manchen Fällen bleibt der fremde Körper nächst der Ein-
bruchsstelle (Jäger), in anderen an der gegenüberliegenden
Wandung haften ; meistens jedoch gelangt er durch Zurück-
prallen in den Glaskörper (Berlin). In einem hier beobach-
teten Falle näherte sich das beinahe in der Mitte des Glas-
körpers schwebend erhaltene Kupferblättchen nach und nach
der Einbruchspforte, gegen welche es durch einen trüben Strang
hingezogen zu werden schien.
Röthe und besonders Schmerzhaftigkeit gegen Be-
tastung an einer Stelle der Sklera kann den Sitz oder
doch die Nähe des fremden Körpers im Innern andeuten, letz-
tere selbst wenn noch keine deutliche Reaction eingetreten ist
(Gräfe A. f. 0. IX. b. 80). Manchmal findet man auch die
Pupille nach jener Richtung erweitert, wo hinten der
fremde Körper sitzt. Auch auf partielle Unempfindlichkeit
der Cornea möge man prüfen; sie könnte auf Durchtrennung
von Ciliarnerven deuten.
Prognose. Vieles hierüber ist schon bei Besprechung der
Diagnosis angegeben worden. Seit der Publication Ed. v. Jäger's
über das Verhalten fremder Körper im Auge (Oesterr. Zeitschr.
für prakt. Heilkunde 1857) sind so viele Fälle hieher gehö-
render Verletzungen mit relativ günstigem Verlaufe beschrieben
worden, dass man zu der Meinung verleitet werden könnte,
fremde Körper im hinteren Augenraume seien durchschnittlich
oder doch relativ häufig nicht gefährlich, wenn man nicht wüsste,
— 102 —
dass es sich seit eben jener Zeit zunächst darum gehandelt
habe, dass man mit Hilfe der neueren Untersuchungsmethoden
eruire, welche Folgen überhaupt fremde Körper daselbst nach
sich ziehen können. Wenn man nun auch annehmen darf, dass
fremde Körper bei gleicher Verwundung und gleicher physika-
lischer Beschaffenheit im hinteren Augenraume, namentlich jen-
seits der Ora serrata leichter vertragen werden, als in oder
nahe an dem vorderen Abschnitte des Uvealtractus , so kann
sich doch in jedem gegebenen Falle die Scene schon wegen
der Veränderlichkeit des Sitzes und wegen des oft genug, wenn
auch mitunter spät (nach Jahren) erfolgenden Zerfallens der
zu Stande gekommenen Hülle oder Kapsel jeden Augenblick
und wider Vermuthen ändern, können deletäre Folgen eines
im Auge befindlichen fremden Körpers überhaupt nicht nur in
diesem sondern auch in dem anderen Auge auftreten. Erfah-
rungsgemäss werden hier nur ganz kleine Körper bleibend ein-
gekapselt, nur ausnahmsweise auch solche, welche von vorn-
herein wegen ihrer Grösse, Schwere, chemischen Beschaffenheit
oder stachlicher Oberfläche wenig Aussicht auf dauerhafte Ein-
kap seiung gewähren.
Behandlung. Wo weder die Geringfügigkeit (der Man-
gel) der Reactionserscheinungen seit geraumer Zeit, noch die
physikalischen Eigenschaften auf einen weiteren günstigen Ver-
lauf deuten und somit für weiteres Temporisiren unter gehö-
rigem diätetischen Verhalten sprechen, hat man nur die Wahl
zwischen der Extraction, welche vielleicht, wenn auch nicht
die Function, so doch die Erhaltung der Form des Auges in
Aussicht stellt, und der Enukleation des Bulbus. Wo letztere
nicht wegen sicher bevorstehender oder rasch um sich greifender
Entzündung sogleich vorgenommen werden muss, schlage man
dieselbe erst nach Ablauf einiger Tage vor. Wenn der Ver-
letzte sieht, dass energische und sorgfältige Behandlung nicht
ausreicht, die Schmerzen zu mindern, besonders aber, wenn er
bemerkt, wie das noch bestehende Sehvermögen, ja selbst der
Lichtschein mehr und mehr abnimmt, namentlich von der Peri-
pherie her, so entschliesst er sich eher zu dem schweren Opfer
- 103 —
und wird dem Arzte nicht untreu. Bei den Vorboten oder bei
den ersten Symptomen sympathischer Affection des zweiten Auges
werden diese wohl allein schon den Entschluss beschleunigen.
Ist indess schon Panophthalmitis ausgesprochen , so kann die
Enucleation nicht mehr als ein gefahrloser Eingriff betrachtet
werden (man hat in einigen Fällen Trombose mit tödtlichem
Ausgange beobachtet), und wenn die Iridokyklitis des zweiten
Auges bereits zu fester Verlöthung zwischen Iris oder Ciliar-
körper und der Kapsel geführt hat, so gibt die Enucleation des
verletzten Auges beinahe nur ausnahmsweise Aussicht auf Sisti-
rung des sympathischen Processes, weil bereits die Bedingungen
zum selbstständigen Fortschreiten der Iridokyklitis gegeben
sind, ja man hat sogar mitunter nach verspäteter Enucleation
eine Steigerung des letzteren beobachtet, wenn die sympathi-
sche Iridokyklitis zur Zeit der Enucleation eine floride war.
Sitzt der fremde Körper unweit hinter der Linse und
nicht zu weit vom Pupillargebiete, so kann man die Extraction
der Linse vornehmen, wie bereits in §. 29 gesagt wurde. Sitzt
er mehr peripher, doch vor, mindestens nicht weit hinter dem
Aequator bulbi, so kann man hoffen, ihn durch die Sklera ex-
trahiren zu können. Gräfe (A. f. 0. IX. b. 78) durchtrennt,
um fremde Körper, reclinirte Linse oder Entozoen aus dem
GJaskörperraume zu entfernen, mit einem Beer 'sehen Staar-
messer, entsprechend dem vermutheten Sitze des Körpers, am
liebsten einige Millimeter vor dem Aequator und diesem parallel,
die Sklera und Chorioidea in */<. — 7s des entsprechenden
Parallelkreises. Punction und Contrapunction sind so zu wählen,
dass man keinen der zwei Muskeln, zwischen welchen man
operirt, ganz durchschneidet.
Dieser Eingriff, nach welchem Gräfe sogar noch partielle
Wiederherstellung der Sehkraft (bei einem Kranken noch
2 Monate nach der Operation) erzielte, wird nur „in frischen
Fällen oder noch in jenem Stadium anzuwenden sein, wo die
beginnende Infiltration des Glaskörpers uns noch den Einblick
mit dem Augenspiegel gestattet und doch bereits den sicheren
Vorboten eines schlechten Ausganges liefert. In späteren Stadien,
— 104 —
wo der Bulbus mit Bindegewebsbildungen ausgefüllt ist, kann
natürlich von solchen Extractionsversuchen nicht die Rede sein.
Gelingt die Extraction nicht, so ist der Verletzte durch die
Operation in keinen schlimmem Zustand versetzt, indem die
akutere eitrige Chorioiditis, die sich nun entwickelt, rascher
zur Atrophia bulbi führt und der fremde Körper entweder aus-
gestossen oder in dichte Bindegewebsmassen gehüllt wird, wo-
durch er, wenn überhaupt, noch am ehesten erträglich wird.
Droht sympathische Affection, so ist die Enucleation von vorn-
herein vorzuziehen".
Ein anderes Verfahren, welches sich zur Extraction eines
fremden Körpers besonders dann verwenden lassen dürfte,
wenn man die Einbruchswunde benützen kann, vielleicht bloss
zu erweitern braucht, habe ich mit Vortheil bei Cysticercus
subret. in der Aequatorialgegend (nach innen unten) geübt.
Nach eingeleiteter Narkosis und nach Auf- und Auswärtsrollung
des Bulbus mittelst einer starken Fadenschlinge habe ich zuerst
die Binde- und Scheidenhaut zwischen dem M. rect. int. und inf.
in meridionaler Richtung von vorn nach hinten durchschnitten.
Die circa 10 Mm. lange Wunde wurde dann mittelst feiner
Häckchen auseinandergehalten, das Blut abgetupft. Alsdann
setzte ich ein Staarmesser (mit dem Rücken gegen den Bulbus)
2 — 3 Mm. weit vom Cornealrande an und führte es durch die
Bulbuswand gegen einen 5 — 6 Mm. in meridionaler Richtung
rückwärts gelegenen Punkt zur Contrapunction. Die Häkchen
wurden jetzt zum Aufsperren der Bulbus wunde verwendet und
der Cysticercus schlüpfte aus derselben heraus. Man könnte
also auch mit einer gekrümmten Pincette eingehen, den fremden
Körper hervorzuholen. Eine meridionale Wunde schliesst sich
leichter und trifft wenige der grösseren Chorioidealgefässe.
Ein Verfahren, welches Function und Form des Bulbus
opfert, jedoch nicht das Abschreckende der Enucleation hat, ist
zur Entfernung fremder Körper, welche im Glaskörper sitzen,
aber nicht an den Wandungen haften, von Bar ton angegeben
worden. (Mackenzie, Traite prat. des mal. des yeux, par
Warlomont et Testelin, Paris 1857). Barton drang, wenn
— 105 —
ein fremder Körper im Glaskörper sass, mit einem Beer 'sehen
Staarmesser sogleich durch die Linse, wie Wenzel bei der
Linsenextraction , um den Austritt der Linse zu erleichtern,
wobei zugleich etwas Glaskörper, manchmal auch der fremde
Körper austrat ; war Letzteres nicht der Fall, so wurde mittelst
Pincette und Scheere der Hornhautlappen abgetragen und
wurden dann auf die geschlossenen Lider Leinsamenumschläge
angewendet. In allen Fällen, wo ein fremder Körper (Zünd-
hütchen) eingedrungen war, fand Bar ton denselben nach einigen
Tagen im Bindehautsacke, zwischen den Lidern oder in dem Blut-
pfropfe, welcher die OefFnung verstopft hatte.
§. 31. Fremde Körper hinter oder neben dem
Bulbus. Bei jeder Wunde an den Lidern (oder in deren
Nähe) oder an der Bindehaut (am Fornix, an der Karunkel),
selbst bei Verbrühungen, welche unter Explosion erfolgten, soll
man an die Möglichkeit denken, dass sie, obgleich mit einem
Werkzeuge gesetzt, das offenbar wieder vollständig entfernt
wurde, dennoch einen fremden Körper in der Tiefe berge. Dass
ein fremder Körper auch durch den Bulbus selbst in die Tiefe
eingedrungen sein kann, wurde schon oben erwähnt. Die Ein-
bruchspforte kann sehr klein und desshalb oder wegen Blut-
unterlaufung oder entzündlicher Schwellung schwer aufzufinden,
und ebenso kann die Verfolgung des Wundkanales bis zum
fremden Körper wegen der ausserordentlich leichten und grossen
Verschiebbarkeit der Cutis sowohl als der Conjunctiva äusserst
schwierig sein. Es ist hier eine um so grössere Vorsicht ge-
boten, weil die Verletzten von dem Eindringen eines fremden
Körpers mitunter gar keine Ahnung haben, ja ein solches viel-
leicht geradezu in Abrede stellen.
Andere ernste Zufälle, z. B. Gehirnerschütterung können
die Aufmerksamkeit ablenken. Schmerz und Blutung können
hier sehr gering sein. Es ist jedenfalls gerathen, wenn nicht
bestimmte Angaben oder Anhaltspunkte vorliegen, sieh nach
den Umständen, unter denen, und nach den örtlichen Verhält-
nissen, wo die Verletzung erfolgte, möglichst genau zu erkun-
digen. Eine genauere Besichtigung des Werkzeuges, womit
— 106 —
eine Wunde gesetzt wurde , lässt vielleicht mit Bestimmtheit
auf das Zurückbleiben eines fremden Körpers schliessen. Eines
sehr lehrreichen Falles erwähnt Ed. Jäger (Staar- und Staar-
operationen p. 71); es war ein fast 2 Zoll langes Fragment
eines zertrümmerten Raketenstockes einer Zuschauerin bei einem
Feuerwerke zwischen dem unteren Lide und dem Bulbus tief
in die Orbita eingedrungen; Vortreibung und Unbeweglichkeit
des Bulbus hatte zu genauerer Betastung und somit zur Ent-
deckung des fremden Körpers geführt.
Nebst Sonden, die man von der Wunde aus unter Berück-
sichtigung der anatomischen Verhältnisse einführt, kann bis-
weilen auch das Einbringen des beölten kleinen Fingers in den
Bindehautsack (so weit als möglich in den Fornix zwischen
den Lidern und dem Bulbus) Aufschluss geben. Nebstdem
können veränderte Lage des Bulbus, namentlich Hervortreibung,
veränderte Stellung oder gehinderte Beweglichkeit (durch den
fremden Körper, durch Bluterguss, durch Muskeltrennung, durch
eingetretene Entzündung) den Verdacht auf einen fremden Kör-
per erregen. Zeichen von Erschütterung oder von Verwundung
am Bulbus schliessen natürlich die Möglichkeit nicht aus, dass
überdies noch ein fremder Körper in der Tiefe vorhanden sei.
Aufhebung des Sehvermögens kann bei Integrität des Bulbus
und der Centralorgane durch eine Wunde oder einen fremden
Körper im Sehnerven, aber auch durch Compression oder rasch
erfolgte starke Dehnung desselben bedingt sein, Zustände,
welche meistens sehr bald ophthalmoskopisch wahrnehmbare
Veränderungen an der Papilla n. opt. herbeiführen.
In nicht frischen Fällen kommt es auf die weiter ein-
geleiteten Veränderungen an, ob man die Gregenwart eines
fremden Körpers zu erkennen vermag oder nicht. Hier kann
es nöthig sein, an der Einbruchspforte und an einer sonst geeig-
net erscheinenden Stelle einen Einstich zu machen, um sodann
sondiren zu können.
Prognose. Eine hieher gehörende Verletzung wird nur
unter ganz besonders günstigen Verhältnissen als eine leichte
bezeichnet werden können; in der Regel ist sie eine schwere,
— 107 —
oft eine mit Lebensgefahr verbundene. Die Lebensgefahr hängt
nicht bloss von der Verwundung an und für sich ab, falls etwa
die knöcherne (namentlich die obere) Wand der Orbita arg
beschädigt oder durchbrochen wurde, sondern dass in Folge der
entzündlichen Reaction, namentlich durch Abscessbildung in
der Orbita leicht die Organe in der Schädelhöhle in Mitleiden-
schaft gezogen werden können. Es ist erstaunlich, wie grosse,
schwere und zackige Körper der verschiedensten Art, besonders
bei fester Einkeilung in der Orbita, jahrelang ohne erhebliche
Zufälle ertragen worden sind, während dagegen viel kleinere
aber bewegliche nicht selten zur Bildung eines Abscesses
führen, welcher, wenn dem Eiter nicht bald auf künstlichem
Wege Ausfluss verschafft wird, nicht nur das Auge, sondern
auch, besonders wenn sich der Herd nächst der Orbitaldecke
befindet, das Leben ernstlich bedroht.
Beschränken wir uns hier, um nicht in das weite Gebiet
der Verletzungen der Schädel wandung überzugreifen, bloss auf
die in der Orbita selbst verweilenden fremden Körper, so ist
zunächst zu bemerken, dass sich in einer gewissen Zahl von
Fällen die Einbruchspforte schliesst und der Eindringling fortan
auf unbestimmt lange Zeit ohne besondere Reiz- oder
Entzündungszufälle vertragen werden kann. Daran schliessen
sich eine Reihe von Fällen, wo es erst nach monate- oder
jahrelangem beschwerdelosen Vertragen zu Entzündung und
Abscessbildung kam. In der Mehrzahl der Fälle jedoch kommt
es vor oder kurz nach völliger Verheilung der äusseren Wunde
zur Abscessbildung in der Tiefe unter den bekannten Er-
scheinungen. Wird nun nach spontaner oder künstlicher Eröff-
nung des Abscesses der fremde Körper nicht entleert, so ist
die entstandene Erleichterung weder eine vollständige noch eine
dauerhafte und es kann sich die Oeffnung wieder schliessen,
oder es bleibt eine Fistel zurück, welche, wenn der Arzt erst
um diese Zeit consultirt wurde, allerdings das Auffinden der
Ursache meistens leicht ermöglicht, falls der Eiter nicht erst
nach Senkung in verschiedener Richtung zum Durchbruche an
die Cutis gelangte.
— 108 —
Zur näheren Orientirung über die hieher gehörenden Falle
halte ich es für das Zweckmässigste, auf die Monographie von
Zander und Geisslcr über die „Verletzungen des Auges,
Leipzig und Heidelberg 1864" zu verweisen, welche auch zahl-
reiche einschlägige Krankengeschichten enthält. Eben so meine
ich mich rücksichtlich der Behandlung allen jenen gegenüber,
welche mit der topographischen Anatomie und mit den allge-
meinen medicinisch-chirurgischen Grundsätzen vertraut sind,
aller weiteren Bemerkungen entheben zu dürfen, da bei dem
Abgange dieser hier doch jede Auseinandersetzung unzureichend
sein müsste
III. Abschnitt.
Verbrühung oder Aetzung.
§. 32. Allgemeine Bemerkungen. Die Agentien,
welche das Auge durch hohe Temperatur oder durch che-
mische Eigenschaften beschädigen, treffen mitunter bloss
die Hörn- oder die Bindehaut (beide zugleich) , sehr häufig
aber auch die Cutis der Lider. Da überdies eine zunächst auf
die Lider beschränkte Verletzung sehr leicht schlimme Folgen
für die Function, selbst für die Form des Auges nach sich
ziehen kann, so wird es hier zweckmässig sein, einige Bemer-
kungen über die einschlägigen Verletzungen der Lider voraus-
zuschicken.
Verbrühung verschiedenen Grades erfolgt gewöhnlich
mit siedend heissen Flüssigkeiten (Wasser , Schmalz etc.), ge-
schmolzenen Metallen (Blei, Zinn etc.), roth- oder weissglühen-
dem Eisen, mit glimmenden Zigarren, mit Schiesspulver, mit
Phosphorzündhölzchen u. dgl., während die mehr weniger tiefe
Aetzung am häufigsten durch Säuren (Schwefelsäure, Scheide-
wasser), oder durch Alkalien (Pottasche, Laugenessenz, frisch
gelöschten Kalk, Mörtel, u. dgl.), mitunter aber auch durch
Einbringen von Sublimat, rothem Präcipitat, Kanthariden oder
Tabakpulver u. dgl. in den Bindehautsack (letzteres mitunter
in betrügerischer Absicht) zu Stande gebracht wird.
— 110 -
Die Extension der Verbrühung sowohl als der Aetzung
fällt nur bei gleichzeitig grosser Intensität (bei mehr weniger
tief eingreifender Verschorfung der betroffenen Gebilde) schwer
in die Wagschale. Tief eingreifende Verschorfung kann selbst
bei relativ geringer Extension von sehr schlimmen Folgen sein,
sei es wegen Nichtersatz der zerstörten Partie und starker
Schrumpfung des Ersatzgewebes , sei es wegen der zur Elimina-
tion des Ertödteten eingeleiteten Reaction und der consecutiven
eitrigen Schmelzung des Angrenzenden.
§. 33. Wenn die Verbrühung oder Aetzung der
Lidhaut nicht zur Verschorfung des Coriums geführt hat, kann
man die
Prognose rücksichtlich der Stellung und Beweglichkeit
der Lider selbst bei weiter Ausbreitung günstig stellen. Wenn
aber der Schorf die Cutis durchsetzt, oder selbst allem Anscheine
nach bis auf den Tarsus oder bis auf die Fascia tarso-orbitalis,
respective bis zur Beinhaut des Orbitalrandes eingreift, so
kann man selbst bei geringer Ausbreitung vor bedenklichen
Folgen nicht sicher sein. Längs des freien Randes kann ver-
worrene Stellung der Wimpern, welche später eine Opera-
tion erheischt, veränderte Stellung oder Verwachsung
der Thränenp unkte und, wenn beide Lider bis an die
äussere oder innere Commissur wund sind, wohl auch Anky-
loblepharon nachkommen. Steht vermöge tiefer eingreifender
Verschorfung Zerstörung der äusseren Commissur oder Bil-
dung eines gegen den Orbitalrand ziehenden Narbenstranges
oder endlich ausgedehnter (etwa die Hälfte der Cutis zwischen
Lid- und Orbitalrand betragender) Substanzverlust zu besorgen,
so wird das Zustandekommen eines Ektropium, und bei Be-
theiligung beider Lider, ja selbst bei hochgradiger nur des
einen, besonders des oberen Lides, das Zurückbleiben von
Lagophthalmus kaum mehr verhütet werden können. In man-
chem Falle ist schon während der Ausbildung des Lagoph-
thalmus Entzündung der Hornhaut mit mehr weniger in- und
extensiver Eiterung beobachtet worden, und zwar ohne voraus-
gegangene directe Verletzung der Cornea. Ob diese bei
— 111 —
gehöriger Obsorge in allen Fällen verhütet werden könne,
müssen wir^vorläufig unentschieden lassen.
Behandlung. Nach genauer Untersuchung der Lider und
des Bulbus und nach Entfernung etwa vorhandener fremder
Körper oder Verunreinigung- gleichzeitig vorhandener Wunden —
nach einer unter Explosion erfolgten Verbrühung oder Aetzung —
sind in der ersten Zeit kalte Umschläge wohl das beste ört-
liche Mittel. Grössere Blasen mögen eröffnet, der Nekrosirung
preisgegebene Gewebsfetzen abgetragen werden. Wo die Epi-
dermis fehlt oder stark macerirt erscheint, bestreiche man die
betreffende Partie mit einer circa lOgranigen Lapislösung oder
bedecke sie mit einem mit Leinöl oder Ceratum simplex be-
legten Leinenfleckchen oder mit beölter Watta, worüber man
dann allenfalls noch kalte Umschläge appliciren kann. Später,
wenn es sich um die Abstossung des Schorfes handelt, können
feuchtwarme Umschläge angenehmer und zweckmässiger er-
scheinen. Während der Wundheilung durch Granulationsbildung
soll man — nach Makenzie 1. c. T. I. 155 — wo möglich
beide Augen tagelang unter Charpieverband geschlossen
halten lassen und die Ueberkleidung mit Epidermis von den
Rändern her durch entsprechendes Touchiren der Granulationen
mit Lapis infernalis zu befördern suchen. Unter Umständen
wird man diese Ueberkleidung noch besser durch inselförmige
Ueberpflanzung kleiner Epidermisschollen nach Reverdin zu
Stande zu bringen vermögen. Besser als das blosse Verbinden
und behufs des Gelingens der Reverdin 'sehen Epidermis-
transplantation jedenfalls nothwendig ist das auch an unserer
Klinik öfters geübte provisorische Zusammennähen der freien
Augenlidränder bis zur erfolgten Epidermisüberkleidung der
wunden Flächen, welches zuerst von Debrou (Gaz. des Hopit.
1860 N. 33) dann auch von Gräfe, in etwas anderer Weise
empfohlen worden ist. (A. f. O. III. a. IV. b. und X. b. 221.)
Wo immer Keratitis ex lagophthalmo droht, soll man
wenigstens entweder durch Schutzverband oder durch das
Tragenlassen muschelförmiger Schutzbrillen die Cornea vor
dem Anfliegen von Staub zu schützen und überdies durch
— 112 —
fleissiges Abspülen mittelst eines lauen Decoctes von Malva
oder Althea zu reinigen suchen. Nach Versuchen von Snellen
(Zehender's Monatsbl. 1864, p. 242). Mit operativen Ein-
griffen gegen ein bereits zu Stande gekommenes Ektropium
ist jedenfalls zu warten, bis die Haut der Umgebung wieder
ihr normales Aussehen bekommen hat, mindestens die entzünd-
liche Schwellung und Röthe ganz verschwunden sind.
§. 34. Nach Verbrühung des Auges sieht man an der
Hornhaut entweder blosse Trübung oder Abstossung des Epi-
thels meistens ohne förmliche Blasenbildung, oder eine halb-
durchsichtige, eine perlgraue, eine gesättigt weisse Trübung
der Cornealsubstanz (wie gesottenes Eiweiss), oder die Ober-
fläche der intensiv getrübten Cornea gelb und zugleich runzlich.
Die sehr bald auftretenden Reactionserscheinungen: Ciliarinjec-
tion, Röthe und Schwellung der Conjunctiva, Schmerzen, Licht-
scheu und Thränenfluss verhalten sich, auch wenn bloss die
Cornea getroffen wurde, verschieden, sind jedoch durchschnitt-
lich der Intensität und Verbrühung proportionirt. Trockenheit
der getrübten Partie der geringere (aufgehobene) Empfindlich-
keit der Cornea sind als ominöse Symptome anzusehen; ebenso
in der Regel hochgradige Chemosis; Fiebererscheinungen können
auch anderweitig bedingt sein.
An der Conjunctiva findet man, wenn die Verbrühung
nur einigermassen intensiv war, eine mehr weniger grosse Partie
der Conjunctiva bulbi in einen weissen, nicht glatten, öfter
etwas deprimirten oder etwas prominenten Fleck (Schorf) ver-
wandelt, an den Rändern, besonders nächst der Cornea, roth
gesprenkelt, wenn die Umgebung nicht bereits wallartig ge-
schwollen erscheint. Das Aussehen solcher durch thermische
oder chemische Agenden veränderter Partien hat etwas so
Charakteristisches, dass man es nur einmal genau angesehen
zu haben braucht, um seinen Ursprung in später vorkommenden
Fällen sofort wieder zu erkennen, und dass nur allenfalls noch
eine Verwechslung mit Conjunctivitis crouposa oder diphtheri-
tica möglich wäre. Hat das thermische Agens, z. B. ein Stück
glühenden Eisens die Conjunctiva bulbi verschorft und ist der
— 113 —
Schorf bereits abgestossen, so kann der Grund der wunden
Stelle von der entblössten Sklera gebildet werden; er liegt
dann, umsäumt von mehr weniger geschwellter und punktförmig
ecchymosirter Conjunctiva, mehr in der Tiefe.
Wenn die Verbrühung nicht etwa durch geschmolzene
Substanzen: Blei, Zinn, Legirung, Wachs, Siegellack, Pech
u. dgl. , über denen sich die Lider augenblicklich schliessen
konnten, verursacht wurde, so leidet die Conjunctiva palpe-
brarum mitunter gar nicht mit oder nur an und nächst dem
freien Lidrande. War diess dennoch der Fall, weil das glühende
Metall zwischen Lid und Bulbus gegen den Fornix Conjunc-
tivae vorgedrungen, so steht ein mehr weniger tiefes und breites
Symblepharon in Aussicht. Mitunter findet man tief im Fornix
oder selbst noch dahinter Stücke der verbrühenden oder einer
anderen zufällig mit hineingedrängten Substanz. Minder gefähr-
lich ist das Anstossen an glimmende Cigarren und das An-
fliegen glühender Köpfchen von Phosphorzündhölzchen, welche
meistens den Lidrand oder die Conjunctiva bulbi nächst dem
inneren Winkel treffen. Erstere lassen gewöhnlich Asche zu-
rück, letztere pflegen sich tief in die Karunkel oder in den
Lidrand einzubrennen und ausserordentlich heftigen Schmerz zu
verursachen. Bei der Verbrühung mit Pulverkörnern ist es nicht
so sehr diese selbst als das Eindringen von Pulver- oder Sand-
körnern, wohl auch von Metallstückchen oder anderen Sub-
stanzen in die Conjunctiva, Cornea oder noch tiefer, welches
die Verletzung zu einer schweren stämpeln und das Krankheits-
bild verschieden gestalten kann.
§. 35. Von den chemisch wirkenden Substanzen
sind in erster Reihe der frisch gelöschte Aetzkalk, in specie
der mit Sand vermischte (Mörtel) und die Schwefelsäure zu
nennen. Die damit zugefügten Verletzungen sind auch am häu-
figsten der Gegenstand strafgerichtlicher Untersuchungen. Die
deletären Wirkungen der »Säuren erstrecken sich fast ohne Aus-
nahme zugleich auf die Lider, während sich die des Mörtels
meistens auf den Bindehautsack und die Cornea beschränken.
Von der Verletzung der Lider war bereits in §. 33 die Rede.
v. Ar lt. Die Verletzungen des Auges. 8
— 114 —
Die Diagnosis in ätiologischer Beziehung ist, abgesehen
von dem Einbringen chemisch wirkender Substanzen aus be-
trügerischer Absicht, fast ohne Ausnahme durch die Anamnesis
gegeben. Wenn jedoch ätzende Substanzen mit einer gewissen
Gewalt, z. B. durch Anwerfen einer Flasche oder bei einer
Explosion ans Auge geschleudert wurden, möge man nicht unter-
lassen, nach den Folgen mechanischer Verletzung (subitane
Compression, Eindringen eines — vieler — fremder Körper) zu
forschen. Die Zerstörungen, welche das chemische Agens selbst
an der Cornea, an der Conj. bulbi et palpebrarum und an den
Lidern angerichtet hat, wird man nach Beseitigung der fremden
Körper, in specie des Mörtels aus dem Bindehautsacke, un-
schwer zu erkennen im Stande sein. Sie unterscheiden sich
nicht wesentlich von den durch Verbrühung gesetzten. In ana-
loger Weise kommt hier nebst der Ausbreitung auch der Grad
der Concentrirung und die Dauer der Einwirkung in Erwägung
zu ziehen, nebstdem aber noch der Umstand, ob es möglich
sei, alles fremdartige (Sand- und Kalktheile) ganz zu entfernen.
Mitunter haften Sand- oder Kalktheilchen auch in den ober-
flächlichen Schichten der Hornhaut.
§. 36. Prognose. Die Folgen einer Verbrühung
oder Aetzung können sehr leicht und transitorisch, aber auch
sehr schwer und irreparabel sein.
a) An der Cornea. Ist es in den ersten Tagen bloss
zu Abstossung des Epithels und allenfalls auch zu hauchartiger
Trübung der Cornea gekommen, so darf man auf Wiederkehr
der Integrität der Cornea rechnen. Die Restitution des Epithels
beginnt vom Rande her, schreitet gegen das Centrum vor und
ist längstens in 8 — 14 Tagen vollendet. (So habe ich es nach
der Einwirkung siedend heisser Flüssigkeiten gesehen.) Ist die
Cornea durchaus oder in einer grösseren Partie höchstens perl-
grau, demnach nur so getrübt, dass der dunkle Hintergrund
noch mehr weniger stark durchscheint, vielleicht selbst die
Contouren der Pupille noch wahrgenommen werden können,
und dabei die Cornea nicht unempfindlich, so darf man auf
Wiederkehr ihrer Durchsichtigkeit rechnen, wenn nicht eitrige
— 115 —
Zerstörung von Seite angrenzender, verschorfter Partien zu
besorgen steht oder schon vorhanden ist. Partien, welche wie
gesottenes Eiweiss aussehen, dabei wohl auch trocken und un-
empfindlich erscheinen, verfallen allmäliger Schrumpfung oder,
gleich den schmutzig gelben und runzeligen Stellen, brandigem
Absterben und rascher oder langsamer Elimination durch
Eiterung, wobei das Auge auch der Form nach zu Grunde geht.
Die Cornea wird aber, da sich die Verbrühung meistens
nicht auf sie allein beschränkt, nicht bloss durch bleibende
(partielle oder totale) Trübung oder Eiterung und deren Folgen
bedroht, sie kann auch mit einer angrenzenden wunden Partie
der Conjunctiva bulbi oder mit einem, und selbst mit beiden
Augenlidern verwachsen und es kann, falls einer dieser Zu-
stände zur Zeit der Beobachtung nicht schon vorliegt, ganz un-
möglich sein, demselben vorzubeugen.
a) Ist eine Partie der Cornea und der angrenzenden Con-
junctiva bulbi wund und letztere wulstig geschwellt, so dass
ein Theil ihrer wunden Fläche über die wunde Cornea hinüber
geschlagen wird, so kann Verlöthung der sich berührenden
Flächen erfolgen und hiemit ist der Anstoss zur successiven
Hinüberziehung einer mehr weniger grossen Bindehautpartie
auf die Cornea, zur Entstehung eines Flügelfelles gegeben.
Ein solches Flügelfell unterscheidet sich von jenen, welche man
bei Leuten der körperlich arbeitenden Classe (namentlich bei
Maurern, Kutschern, Bauern u. dgl.) nach dem 30. Lebensjahre
nicht selten ohne speciell angebbare Ursache findet, weder
nosogenetisch (denn auch hier macht die Beschäftigung das
Einwirken mechanisch-chemisch wirkender Substanzen mehr
als wahrscheinlich), noch pathologisch-anatomisch und mikro-
skopisch, sondern mehr dadurch, dass sein Auftreten nicht
wie bei jenen an den innern oder äussern Winkel gebunden
ist, also auch oben oder unten oder in diagonaler Rich-
tung vorkommt, dass sein Kopf (gewöhnlich Spitze genannt)
eine mehr weniger ausgebreitete und unregelmässige poly-
gonale Narbenmasse auf der Cornea darstellt, und dass es
überdies meistens gleich von Anfang mit einem mehr weniger
8*
— 116 —
hohen Grade von Symblepharon zugleich besteht. Es theilt mit
diesem alle Beschwerden, behindert meistens die Beweglichkeit
des Bulbus in eminenter Weise, hat jedoch gewöhnlich das für
sich, dass es, wenn einmal die Reaction nach der Verletzung
vorüber ist, auf der Cornea nicht mehr weiter schreitet, sondern
stationär bleibt.
ß) Kommt die wunde Partie der Cornea an eine wunde
Partie eines Augenlides , gewöhnlich des obern, zu liegen und
kann der anhaltende Contact derselben nicht verhindert werden,
so entsteht Verwachsung derselben, Symblepharon corneale,
ein Zustand der bei grosser Verwachsungsfläche unheilbar ist,
und auch bei Betheiligung von nur etwa dem dritten Theile
des Cornealareales kaum ohne Gefahr operativ behoben werden
kann. Wir finden ihn nicht selten als Fait accompli vor. Er
darf nicht verwechselt werden mit jenem Zustande, wo sich
von dem mit der Sklera verwachsenen Lide nur eine flügelfell-
artige Membran auf die Cornea erstreckt, denn diese gestattet
eine ungleich günstigere Prognose.
b) An der Bindehaut fällt vorzugsweise die Grösse des
verschorften Areals und, wenn sich dieses bis an die Ueber-
gangsfalte erstreckt, die gleichzeitige Verbrühung und Anätzung
des gegenüberstehenden Bindehautblattes in die Wagschale.
Substanzverluste an der Bindehaut selbst (nicht bloss des Epi-
thels) werden niemals durch Ersatz, sondern immer nur durch
Herbeiziehung benachbarter Partien gedeckt. Durch die Con-
tractionskraft des die Herbeiziehung vermittelnden Narben-
gewebes kann der freie Lidrand einwärts gerollt, die Beweg-
lichkeit des Bulbus beeinträchtigt, die Tiefe des Bindehautsackes
bedeutend vermindert werden. Reicht eine wunde Fläche am
Bulbus so tief bis in den Fornix, dass sie hier mit einer wun-
den Fläche am Lide zusammen stösst, continuirlich in diese
übergeht, so erfolgt die Verwachsung der wunden Flächen von
dem Winkel her mit unaufhaltsamer Gewalt, und es kommt zu
einem Symblepharon sklerale, von dessen Breite — in der
Richtung der Uebergangsfalte — es abhängt, ob man noch auf
Abhilfe durch eine später vorzunehmende Operation rechnen
— 117 —
darf oder nicht. Ist die Uebergangsfalte gar nicht oder so
wenig beschädigt, dass es daselbst nicht zur Verwachsung
kommt, man also später eine Sonde hinter dem Symblepharon
sklerale in der Richtung der Uebergangsfalte zwischen Lid
und Bulbus durchführen kann, so ist wenigstens die erste Be-
dingung zur bleibenden Befreiung des Bulbus vom Lide vor-
handen , und die Breite — längs des Tarsus — bildet an und
für sich kein Hinderniss für die Wiederherstellung eines ganz
oder nahezu normalen Zustandes.
Es ergibt sich daraus, dass ein totales, ja selbst ein kaum
die Hälfte der Lidbindehaut einnehmendes Skleralsymblepharon,
sobald es in die Tiefe reicht und dort nicht sehr schmal ist,
eben so gut als unheilbar zu betrachten sein wird, wie ein circa
ein Drittel der Hornhautoberfläche einnehmendes Cornealsymble-
pharon.
In den meisten Fällen von Symblepharon ist, abgesehen
von Sehstörung und von gehinderter Beweglichkeit des Bulbus,
eine mehr weniger auffallende Entstellung des Gesichtes und eine
mehr weniger grosse Belästigung durch Thränenträufeln gegeben.
§.37. Behandlung nach Verbrühung oder Aetzung
am Auge. Zunächst sorge man für sorgfältige Reinigung des
Auges durch Ab- und Ausspülen mit lauem Wasser und ent-
ferne alles, was vom Brand- oder Aetzstoffe noch im Bindehaut-
sacke oder an der Cornea haftet, nach Thunlichkeit auch etwa
vorhandene fremde Körper. Dass man Körper, die durch
Aetzung noch fortwirken, z. B. Stücke von Lapis infernalis
von Aetzkalk u. dgl. so schnell und gut als möglich mechanisch,
nicht aber mit Wasser, welches die Wirkung steigern oder
weiter verbreiten kann, zu entfernen trachten werde, sei hier-
mit nur in Erinnerung gebracht. Die Entfernung erkalteter
Metallstücke oder Platten kann mitunter einige Gewalt erfordern
und desshalb leicht zu mechanischer Verletzung Anlass geben.
In einem Falle von Ammon (dessen Zeitschrift IL p. 155)
wurde ein fest an der Cornea haftender Tropfen geschmolzenen
Peches durch Einträufeln lauwarmen Baumöles und durch
Ueberschlagen damit getränkter Leinenflecke flott gemacht,
— 118 —
nachdem die einfach mechanische Abhebung misslungen war.
Die meiste Schwierigkeit vollständiger Beseitigung pflegt der
Mörtel im Bindehautsacke zu bereiten.
Man stösst mitunter auf ganze Nester von Sand und Kalk,
welche in der Tiefe liegen und auch nach sorgfältiger Abzie-
hung des untern und Umstülpung des obern Lides nur schwer
völlig aufgedeckt und noch weniger ganz von dem fest ad-
härenten Beschläge befreit werden können. Das Herauskratzen
und Hervorholen mit einem Da viel' sehen Löffel, sofern man
dabei nicht Quetschung oder Zerreissung der Umgebung be-
wirkt, und das Ausspülen durch Irrigation ist jedenfalls minder
gefährlich, als das Ausspritzen mit einem kräftigen Wasser-
strahle, weil man durch diesen leicht Wasser oder fremde
Körper tiefer in das erweichte, lockere subconjunctivale Ge-
webe hineintreiben kann. Gosselin (Mackenzie 1. c. I. 340)
empfiehlt häufiges Einträufeln stark gezuckerten Wassers, um
Kalktheilchen zu lösen und abzuspülen, namentlich wenn solche
in der Cornea haften; das stark gesättigte Zuckerwasser setzt
keinen neuen Entzündungsreiz.
Darauf folge eine nach Erforderniss strenge anti-
phlogistische Behandlung bei entsprechender Augen- und
allgemeiner Diät. Der Verletzte bleibe im Bette, mindestens im
Zimmer, bei temperirtem Lichte und vermeide jede Anstren-
gung des anderen Auges, falls er deren noch fähig sein sollte,
bis die Gefahr des Hinzutretens von Iritis vorüber ist. Aus
Rücksicht auf die Iris werde Atropin. sulphur. eingeträufelt.
Eiskalte Umschläge mildern die Schmerzen und halten die
Reaction nieder. Bleihaltige Mittel sind zu meiden, dürfen
wenigstens nicht in den Bindehautsack gelangen. Blutegel,
vielleicht selbst Aderlässe, Abführmittel können als Adjuvantia
zulässig und zweckmässig erscheinen. Mit Hautreizen verschone
man die ohnehin meistens sehr Ergriffenen und Aufgeregten.
Ihr Nutzen existirt wohl nur in der Einbildung. Salben mit
Belladonna oder Opium, noch besser Morphium innerlich oder
endermatisch, werden dem Kranken die Qualen der Schmerzen
und der Schlaflosigkeit zu erleichtern am ehesten im Stande sein.
— 119 —
Im weiteren Verlaufe wird die Behandlung sich wohl zu-
nächst nach dem Zustande der Cornea zu richten haben, nach
den bekannten Regeln bei Keratitis suppurativa, dabei aber
auch die Begünstigung der Abstossung verschorfter Par-
tien nicht ausser Acht zu lassen sein. An die Stelle der kalten
werden jetzt meistens feuchtwarme Umschläge durch 10 — 20
Minuten in Intervallen von einer oder einigen Stunden — je
nach der Wirkung — zu treten haben. Dünne, höchstens
handtellergrosse, anschliessende doch nicht drückende Leinen-
compressen, in ein Infus, flor. Chamomillae getaucht, bilden ein
zweckmässiges Applicationsmittel feuchter Wärme.
Eine Hauptaufgabe besteht in der Verhütung des Ver-
wachsens wunder Flächen miteinander. Schon in den
ersten Tagen, ja Stunden nach der Verletzung kann man finden,
dass durch eine zähe plastische, anfangs hyaline, später trübe
und resistente Masse, von verwundeten Stellen geliefert, die
Falten der geschwellten Bindehaut des Uebergangstheils mit
einander weithin verklebt werden, auch wenn sie selbst viel-
leicht nur hie und da des Epithels beraubt sind. Dies kann
man im Uebergangstheile des untern, wohl auch des obern
Lides (nach Umstülpung) sehen. Reicht starkes Rollen des
Bulbus nach der entgegengesetzten Seite nicht hin, solche
brückenartige Verbindungen zu lösen, so schiebe man einen
Daviel'schen Löffel oder eine Knopfsonde in der unterliegenden
Furche vor, und hüte sich dabei, die erweichte Bindehaut
zu spiessen oder einzureissen. Bisweilen sind auch grössere
Flächen noch nicht so fest verklebt, dass man sie ohne Gefahr
ärgerer Verletzung mit dem Daviel'schen Löffel oder mit einem
schmalen spateiförmigen Instrumente von Bein, Schildkrot,
gehärtetem Kautschuk trennen kann. (Einen sehr interessanten
Fall erzählt E. Jäger in Staar- und Staaroperationen, 1854,
p. 64.) Alsdann erwäge man, ob der Zustand der Bindehaut
es gestattet, eine der etwas blutenden Flächen mit einer
5 — 10 granigen Lapislösung zu bestreichen, oder ob man
von (den gleich zu erwähnenden) Mitteln Gebrauch machen
solle, welche eine dünne Zwischenlage zwischen den wunden
— 120 —
Flächen zur Verhütung' neuerlicher Verklebungen abgeben
sollen.
Zur Auseinanderhaltung grösserer, einander gegenüber
liegender epithelloser Flächen hat man von altersher verschie-
dene Mittel empfohlen. Hieher gehören zunächst Verfahren,
welche bezwecken, durch Abziehung (continuirlich oder häutig
wiederholt) des Lides — allenfalls auch durch temporäre Ektro-
pionirung Zeit zu gewinnen, bis die wunden Flächen durch
Nachwuchs von Epithel oder durch Beiziehung benachbarter
Partien gedeckt werden. Wo jedoch die wunden Flächen in
der Gegend der Uebergangsfalte in einander übergehen, sind
diese Encheiresen ein eitles Unternehmen, wenn sie auch trotz
ihrer enormen Lästigkeit consequent durchgeführt würden. Es
ist übrigens ganz irrational, die Conjunctiva palpebrarum, auch
wenn sie nicht wund ist, längere Zeit dem Contacte mit der
Luft auszusetzen.
Nicht minder unglücklich und unfruchtbar war die Idee,
die wunden Flächen durch Einlegung fremder Körper aus-
einander zu halten. Man hat zur Realisirung dieser Idee Platten
oder Schalen von Wachs, von Blei, von Email (flach oder in
Form künstlicher Augen) vorgeschlagen und verwendet. Ab-
gesehen davon, dass der entzündliche Zustand der Conjunc-
tiva — von gleichzeitiger Verletzung der Cornea gar nicht zu
reden — in der Regel gegen eine weitere mechanische Insul-
tation derselben spricht: wenn die Wundflächen bis in den
Fornix reichen, so erfolgt die Vernarbung von dort aus und
schreitet mit so unwiderstehlicher Kraft gegen den freien Lid-
rand vor, dass von einem mechanischen Widerstände weiter
nicht die Rede sein kann. Und doch werden diese Mittel immer
wiederholt in verschiedenen Variationen empfohlen; aber ver-
lässliche Fälle von guter Wirkung sucht man bei denselben
Autoren vergebens.
Nach meiner Erfahrung bleibt, so lange noch keine festere
Verklebung eingetreten ist, noch immer wiederholte sorgfältige
Trennung und häufiges Abziehen der Lider in Verbindung mit
darauf angewendeter leichter Touchirung oder, wo diese nicht
- 121 —
zulässig, mit Einträuflung milder, schleimiger oder öliger Flüssig-
keiten das beste Verfahren. Hieher gehören : frischer Rahm
oder frische, weiche Butter, Creme Celeste, frisches Baum- oder
Mandelöl, Mucilago semin. cydon. Glycerin, das sich sonst
sehr gut eignen würde, erregte meistens ein zu heftiges Brennen.
Wie Wecker (Traite des mal. des yeux, Paris 1867, T. I,
160) zur Verwerfung des Baum- und Mandelöls (auch des fri-
schen) als eines die Bindehaut sehr irritirenden und schmerz-
erregenden Mittels gekommen ist, kann ich nach meiner Erfah-
rung nicht begreifen. Wenn ich mich öfters des Quittenschleimes
bediene, so geschieht dies vorzüglich desshalb, weil er leichter
an den feuchten Platten haftet und sie mehr gleichmässig deckt.
Nächstens will ich Versuche mit frischem Leinsamenöl und mit
Sirupus simplex an der Conjunctiva vornehmen.
Die Resultate, welche in verschiedenen Regionen an der
Cutis mit der Reverdin'schen Epidermisinsel-Transplantation
erzielt worden sind, lassen erwarten, dass zur Zeit, wo bei
bevorstehendem Symblepharon lebhafte Wundgranulation vor-
handen ist, die Ueberpflanzung dünner Schollen von der Lippen-
schleimhaut im Stande sein werde, die eine der Wundflächen
so weit zu decken, dass sie Schutz gegen die Verwachsung
gewährt. In neuester Zeit hat Prof. Otto Becker (Wiener
med. Wochenschr. 1874, Nr. 46) gezeigt, dass man zur Deckung
solcher Wundflächen auch die Bindehaut von Kaninchen ver-
wenden (einheilen) kann.
Auch für die operativen Eingriffe gegen ein bereits zu
Stande gekommenes Symblepharon gilt die beim Ektropium oben
aufgestellte Regel, dass man dieselben nicht früher vornehme,
als bis jede Spur des entzündlichen Processes vorüber, bis das
Narbengewebe gehörig consolidirt ist. Es können darüber wohl
zwei bis drei Monate vergehen.
IV. Abschnitt.
Künstlich erzeugte und übertriebene
oder
vorgeschützte (fingirte) Augenübel.
Es kann im Interesse einer Person liegen, eine Augen-
entzündung künstlich hervorzurufen und zu unter-
halten (Ophthalmia artificialis nach Mackenzie, maladies de
l'ceil, Paris, T. IL, p. 116.). Einige haben die Lidränder nach
Ausziehung der Wimpern mit Aetzmitteln bestrichen; andere
haben in den Bindehautsack mechanisch oder chemisch wir-
kende Substanzen eingebracht. Zu den letzteren gehörten be-
sonders Sublimat, rother Präcipitat, Kupfervitriol, Aetzkalk,
Kantharidensalbe, Schnupftabak, Tabaksaft oder Asche, Kochsalz.
Die künstliche Augenlidrandentzündung möchte sich von
der spontan aufgetretenen Blepharitis exulcerans wohl schon
durch den Abgang kleiner trichterförmig in die Tiefe greifender
Substanzverluste, weiterhin aber unter strenger Ueberwachung
durch das Nachwachsen der Cilien unterscheiden lassen. Die
artiticielle Bindehautentzündung könnte, falls noch ein Schorf
von dem Aetzmittel vorhanden wäre, nur als Diphtheritis, sonst
aber wohl nur als acut oder chronisch katarrhalische Bindehaut-
entzündung gedeutet werden. Die Diphtheritis dürfte bei Er-
wachsenen, ausser nach Infection, nur unter ganz besonders
- 123 —
ungünstigen äusseren Verhältnissen spontan auftreten und zu-
gleich von fieberhaften Erscheinungen begleitet sein ; sie würde
übrigens schon in 2 — 3 Wochen zum Abschlüsse gelangen,
während die künstlich erregte wohl meistens länger unterhalten
werden müsste, wenn sie ihren Zweck erreichen soll. Lässt
sich aber keine Anätzung nachweisen, so kann eine sorgfaltige
Untersuchung des Bindehautsackes in seiner ganzen Aus-
dehnung sowie auch des Bindehautsecretes vielleicht zur Ent-
deckung eines fremden Körpers führen oder das Beschränkt-
sein der Röthe und Schwellung auf eine kleine Stelle zeigen,
dass man es nicht mit einer chronisch-katarrhalischen oder
blenorrhoischen AfFection zu thun habe, denn bei dieser ist
die Bindehaut durchaus, von einem Winkel zum anderen, in
gleichem Grade geröthet, geschwellt, infiltrirt, und nur am
obern Lide allenfalls nächst dem inneren und äusseren Ende
des convexen Randes des Knorpels zugleich gewöhnlich etwas
stärker. Nach Mackenzie hat man Soldaten, welche im Ver-
dachte artificieller Ophthalmie standen, in der Nacht unvermuthet
geweckt, ihre Kleider bis aufs Hemd mit frisch beigebrachten
wechseln, und sie sodann in eine andere Wohnung bringen
lassen — alles unter steter Ueberwachung — und sodann bei
der Visitation der früheren Kleidung und Behausung die Corpora
delicti vorgefunden.
Nach Himly (Krankheit und Missbild. Berlin, 1843, II. B.,
pag. 123) erregte das häufige Vorkommen von Mydriasis bei
Militärpflichtigen Verdacht; man nahm sie ins Hospital auf und
alle Effecten ihnen ab; demungeachtet dauerte das Uebel fort,
bis warme Bäder ihm plötzlich abhalfen. Die Betrüger gestanden,
auf Anrathen eines Thierarztes Belladonna-Extract angewandt
zu haben, welches sie unter dem Nagel der grossen Zehe ver-
borgen hatten.
Nach Zander et Geissler (1. c. p. 531) ist es vor-
gekommen, dass sich junge Leute, um sich der Militärpflicht
zu entziehen, mittelst Einführung einer feinen Nadel eine Cata-
racta oder durch wiederholte Aetzung der Hornhaut mit Lapis
infernalis eine Hornhauttrübung erzeugen Hessen. Letztere
— 124 —
möchten sich wohl von anderweitig entstandenen durch einen
eigenthümlichen Stich ins Grauschwarze unterscheiden lassen
(Argyrosis conjunctivae vel corneae).
§. 39. Wenn Jemand vorgibt, er sei auf einem oder auf
beiden Augen kurz- oder schwachsichtig (beides zugleich),
so prüfe man vor allem bei mittlerem Tageslichte, in welcher
Entfernung Gegenstände von bestimmter Grösse erkannt werden
und ob ein Erkennen derselben in grösserem Abstände durch
Concavgläser von verschiedener Brennweite erzielt werden
könne. Ist dies der Fall, so ist gewiss Kurzsichtigkeit vor-
handen und kann die Brennweite des schwächsten der Concav-
gläser, mit welchem noch deutlich (relativ am besten) gesehen
wird, durchschnittlich zur Bezeichnung des Grades der Kurz-
sichtigkeit benützt werden. Sieht also das fragliche Auge mit
concav 10 oder 11 aber auch noch mit 12 entfernte Objecto
deutlich (oder relativ am besten), mit concav 14 jedoch minder
gut, so kann man auf Myopie yi2 schliessen. Würden jedoch
mit irgend einem Convexglase — und der Untersuchte braucht
ja nicht zu wissen, was für ein Glas man ihm vorhält — noch
entfernte Gegenstände erkannt, welche ein emmetropisches Auge
in demselben Abstände und bei derselben Beleuchtung erkennt,
so würde sich hiemit die angebliche oder vermeintliche Myopie
vielmehr als Hypermetropie herausstellen.
Es können aber jugendliche Personen namentlich durch
Uebung mit Concavgläsern es dahin bringen, dass sie durch
starke Accommodation mehr weniger starke Concavgläser über-
winden und somit einen höheren Grad von Myopie vor-
täuschen. Durch Lähmung der Accommodation nach mehrmali-
gem Einträufeln von Atropin lässt sich dieser Kniff auspariren.
Wir besitzen indess in der Untersuchung mit dem Augenspiegel
ein kürzer zum Ziele führendes Mittel. Wir können den
Refractionszustand des untersuchten Auges ganz objectiv mittelst
des Augenspiegels bestimmen, wie jedem mit der Ophthalmo-
skopie Vertrauten bekannt ist.
Schwieriger ist die Bestimmung der Sehschärfe, wenn der
Untersuchte ein Interesse hat, eine H;erab setzjung vjorzu-
— 125 —
schützen. Man prüfe zunächst die Wölbung und Durchsich-
tigkeit der Cornea mittelst des Spiegelbildes und mittelst Focal-
beleuchtung, und weiterhin die Durchsichtigkeit der übrigen
brechenden Medien. Herabsetzung der Sehschärfe durch nicht
gar zu geringen regelmässigen Astigmatismus kann objectiv
mit dem Augenspiegel nachgewiesen werden und ebenso Ver-
änderungen des Augenhintergrundes (Papilla, Retina, Chorioidea)
als Ursache von Amblyopie. Aber die Sehschärfe kann trotz-
dem, dass nirgends eine Abnormität zu entdecken ist, dennoch
sehr bedeutend herabgesetzt sein. Alsdann kann die Ablen-
kung des einen Auges von dem Objecte, welches mit dem
anderen fixirt wird, constant oder nur beim Betrachten feiner
Objecte, noch für Gesunkensein der Sehschärfe des abgelenkten
Auges sprechen, falls der Grund der Ablenkung nicht etwa in
abnormem oder in erheblich differentem Refractionszustande
(eines, beider Augen) zu suchen ist. Das vom binoculären Seh-
acte wegen gesunkener Sehschärfe excludirte Auge weicht dann
gewöhnlich etwas nach Aussen ab, oft jedoch nur in so gerin-
gem Grade, dass man die unrichtige Einstellung der Sehachse
relativ zum Objecte nur bei scharfer Beobachtung zu erkennen
vermag. Das nicht mitiixirende Auge pflegt dann in dem Mo-
mente, wo man zwischen das fixirende Auge und das Object
einen Schirm vorschiebt, durch eine Bewegung (durch Ueber-
gang aus der unrichtigen Stellung in die richtige) sein früheres
Abgelenktsein zu verrathen. Aber auch das Ausbleiben dieser
Erscheinung berechtigt noch nicht zur Exclusion verminderter
Sehschärfe des einen Auges (besonders nicht in frischen Fällen).
Viele amblyopische Augen mit durchaus negativein Be-
funde (nach den eben besprochenen Richtungen) sehen nahe
Gegenstände besser, wenn man ihnen (unter Berücksichtigung
des Refractionszustandes) starke Convexgläser vorhält, weil
ihnen dadurch grössere und hellere Netzhautbilder geliefert
werden. Positive Resultate dürfen wohl zu Gunsten des Unter-
suchten sprechen , negative aber nur dann , wenn sich aus
wiederholten Versuchen mit verschiedenen Gläsern keine
Widersprüche ergeben. Die Controle der Angaben bei Versuchen
— 126 —
mit Gläsern verschiedener Brennweite (bald positiver, bald ne-
gativer) ist in der Regel im Stande falsche Angaben aufzu-
decken. In der Meinung, man halte ihm ein Convex- oder ein
Concavglas vor, während man eben ein Planglas gewählt hat,
gibt er wohl eine Vergrösserung, eine Verkleinerung, ein Minder-
Deutlich-Sehen an.
§.40. Wird gänzliche Erblindung des einen Auges
vorgegeben, während die Functionstüchtigkeit desselben gar
nicht oder höchstens bis zur Exclusion vom binoculären Sehen
verändert ist, so kann in der Regel schon das Verhalten der Iris
Aufschluss geben, ob man es mit einer Uebertreibung, resp.
Simulation zu thun habe. Man bedecke vor allem das sehende
Auge mit einem Ballen Charpie oder Baumwolle so, dass man
sicher sein kann, dass hier kein Licht eindringen kann. Als-
dann lasse man das zu untersuchende Auge gegen das Firma-
ment richten und schiebe sofort einen undurchsichtigen Schirm,
z. B. den Handteller, vor das Auge, ohne dass dasselbe, wenn
es amaurotisch wäre, durch Anstreifen an die Wimpern, an die
Augenbrauen u. dgl. es merken könnte. Zeigt die Iris bei un-
veränderter Augenstellung einen deutlichen Anlauf zur Ver-
engerung der Pupille, sobald der Schirm weggezogen wird, so
ist mindestens quantitative Lichtempfindung vorhanden, und
diese kann um so höher angeschlagen werden, je rascher und
grösser die Excursion des Sphinkters ist, welche dabei erfolgt.
Das Ausbleiben solcher Excursionen gestattet aber noch nicht
den Schluss auf Mangel jeder qualitativen oder quantitativen
Lichtempfindung, denn es kann auf gehemmter Leitung in den
Ciliarnerven (auf Iridoplegie) beruhen. Ist diese die Ursache
der Trägheit oder Unbeweglichkeit der Iris, so wird sie auch
nach Freilassung des gesunden Auges und bei wechselnder Be-
schattung dieses letzteren sich kund geben, und ist aufgehobene
(sehr herabgesetzte) Perceptionsfähigkeit der Netzhaut des zu
prüfenden Auges die Ursache der trägen oder ausbleibenden
Irisreaction, so wird bei wechselnder Beleuchtung und Beschat-
tung dieses Auges die Irisreaction auf dem gesunden Auge
ganz oder nahezu ausfallen.
— 127 —
Gräfe (A. f. 0. II. a. 266) hat uns in der Verwendung
prismatischer Gläser ein vorzügliches Mittel kennen gelehrt,
Simulation einseitiger Amaurose zu entlarven. Hält man ein
Prisma von etwa 15 — 10 Grad (Brechwinkel) mit auf- oder
abwärts gerichteter Basis vor das gesunde Auge, während die
Person angewiesen ist, eine Kerzenflamme in einigen Fuss Ab-
stand zu fixiren, und gibt sie an, dass sie zwei Flammen sehe,
eine oben, eine unten, so ist es unzweifelhaft, dass dieselbe
auch mit dem angeblich amaurotischen Auge die Flamme sehe.
Hätte der Betreffende schon Kenntniss von diesem Kunstgriffe,
so könnte er angeben, er sehe nur einfach. Er kann uns
aber doch nicht so leicht entschlüpfen. Wir halten nämlich
das Prisma, die brechende Kante, horizontal gerichtet, nach
und nach so vor das gesunde Auge, dass es die Pupille bald
halb, bald ganz verdeckt; gibt er auch in dem Momente, wo das
Prisma die Hälfte verdeckt, kein Doppeltsehen an, denn dieses
muss jetzt ein monoculäres sein und jedenfalls eintreten, so ist
an seiner betrügerischen Absicht nicht mehr zu zweifeln.
Welz (Klin. Monatsbl. 1867 p. 292) hat uns indess noch
eine andere Verwendung prismatischer Gläser zur Entdeckung
von Simulation einseitiger Amblyopie oder Amaurose bekannt
gegeben, welches freilich nur beim Vorhandensein binoculären
Sehactes streng beweisend ist, dafür aber auch den gerieben-
sten Simulanten zu entlarven geeignet ist. Hält man nämlich
irgend Jemandem, der binoculäres Sehen hat, ein 15 — lOgra-
diges Prisma vor das eine oder das andere Auge, und zwar mit
der Basis nach innen oder nach aussen, während er angewiesen
ist, ein entferntes Object zu fixiren, so übergeht das momentan
entstandene Doppeltsehen nach wenigen Secunden in Einfach-
sehen unter unwillkührlicher Lageveränderung der Sehachse,
respective Drehung des Bulbus um seine verticale Achse. Neh-
men wir an, das linke Auge werde für amaurotisch angegeben.
Der Betreffende fixirt ein Object, welches noch in seiner Seh-
weite liegt. Schieben wir nun ein Prisma von z. B. 12° von unten
her so vor das rechte Auge, dass wir dasselbe von oben her
noch scharf beobachten können. Gibt der Betreffende an, er
— 128 —
sehe doppelt, so ist der Beweis hergestellt, dass er das Object
auch mit dem linken gesehen habe. Gibt er an, er sehe einfach,
so fixiren wir das rechte Auge in dem Momente, wo wir das
Prisma nach unten fortnehmen, während der Betreffende das
Object unverwandten Blickes zu iixiren hat. Macht nun das
rechte Auge gleich nach der Beseitigung des Prisma eine
Bewegung (des Hornhautcentrums) nach innen (zur Nase), so
erfreut er sich gewiss binoculären Sehens.
Durch das Vorschieben des Prisma mit nasenwärts ge-
richteter Basis wird das Bild des Objectes von der Macula
lutea verschoben, und zwar nasenwärts. Das dadurch momentan
hervorgerufene Doppeltsehen wird unwillkürlich und unwider-
stehlich durch den Drang, einfach zu sehen, dadurch beseitigt,
■;
dass durch erhöhte Contraction des Muse, rectus externus die
Macula lutea nasenwärts bis an die Stelle gedreht wird, wo das
Bild entworfen wird. Dabei ist natürlich auch das Hornhaut-
centrum schläfenwärts verrückt worden. Wird nun das Prisma
•während unverrückter Fixation des Objectes weggezogen, so
lässt aus demselben Drange zum Einfachsehen die erhöhte Action
des M. r. externus nach und das Auge (das Hornhautcentruin)
erleidet eine deutlich sichtbare Verschiebung, bis das Object-
bild wieder auf die Mac. lutea fällt. Man kann dann noch
ganz in derselben Weise das Prisma vor das für amaurotisch aus-
gegebene Auge vorhalten. Die deutlich gesehene Bewegung des
Auges flugs nach der Beseitigung des Prisma gibt den untrüglichen
Beweis, dass binoculäres Sehen während des Fixirens stattfand.
Kugel (A. f. 0. XVI. a. 343) empfiehlt zur Constatirung
von Simulation einseitiger Amaurose oder Amblyopie das Vor-
halten farbiger Gläser vor beide Augen. „Um die Simulation
zu entdecken, setzt man das dunkelgefärbte durchsichtige Glas
vor das angeblich erblindete, das gleichgefärbte jedoch undurch-
sichtige Glas vor das angeblich sehende Auge", nachdem man
ihn unmittelbar vor diesem gleichzeitigen Vorschieben dieser
beiden Gläser erst durch verschiedenfarbige, jedoch durchsich-
tige Gläser hat durchsehen lassen.
Druck von Adolf Holzhausen in Wien
k. k. Universitäts-Buclidi'uckerei.
Ophthalmologische Werke
aus dem Verlage
von Wilhelm Braumiiller, k. k. Hof- und Onivcrsitätskckliänillcr in Wien.
Meyr^ Dr. Ignaz^ k. k. Kreisarzt, ehem. Docent der Augenheilkunde
und Assistent der Augenklinik an der k. k. Universität in Wien.
Compendium der Augenheilkunde. Dritte umgearbeitete Auflage.
Mit 16 Holzschnitten, gr. 8. 1871. 3 fl. 50 kr. — IM.
ReilSS, Dr. Allgv Assistent an der Augenklinik der Wiener Univer-
sität und Dr. M. WoinOWj Privatdocent der Augenheilkunde an der
k. Universität in Moskau. Ophthalmometrische Studien. Mit 6 Holz-
schnitten, gr. 8. 1869. 80 kr. — 1 M. 60 Pf.
Schelf ler, Dr. Hermann, in Braunschweig. Die Theorie der Augen-
fehler und der Brille. Mit 68 Holzschnitten, gr. 8. 1868.
1 fl. 50 kr. — SM.
Das vorliegende Werk hat die Tendenz, die Lücken in den physiologischen Grund-
principien auszufüllen, um damit den Boden für eine rationelle Theorie der Augenfehler zu
gewinnen, aus welcher sich alsdann von selbst eine ebenso exacle Theorie der optischen Hilfs-
mittel, insbesondere der Brille, ergibt. Dasselbe ist nicht blos nach dieser allgemeinen Tendenz
und der damit zusammenhängenden Generalisirung und Classificirung der AugenfVhler, sondern
es ist auch in der Hinsicht neu, dass es gewiss wesentliche sensuelle Processe, welche bis jetzt
in der Ophthalmologie noch keine Beachtung geiunden haben und unbekannt waren, namentlich
die vom Verfasser als Application bezeichnete selbstständige Augenthätigkeit, ferner die von
ihm nachgewiesene Verschiebung der Stäbchen und das von ihm aufgefundene physiolo-
gische Princip, auf welchem die Perception der Grösse und Entfernung beruht, in sach-
gemässer Weise mit in Betracht zieht.
Sclimidj Dr. H.^ ordinirender Arzt der Abtheilung für Augenkranke
im Stadthospitale in Odessa. Lymphfollikel der Bindehaut des
Auges. Histologische Studie, bearbeitet an der Conjunctiva der Haus-
thiere. Mit 3 chromolithographirten Tafeln, gr. 8. 1871.
2 fl. 50 kr. — 5 M.
Stellwag YOn Carion, Dr. Carl, Professor an der k. k. Universität
in Wien. Lehrbuch der praktischen Augenheilkunde. Vierte
verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 3 chromolithographirten
Tafeln und 109 Holzschnitten, gr. 8. 1870. 9 fl. — 18 M.
— — Der intraoculare Druck und die Innervationsverhältnisse
der Iris vom augenärztlichen Standpunkte aus betrachtet, gr. 8.
1868. 1 fl. — 2 M.
WoinOW, Dr. M., Privatdocent der Augenheilkunde an der k. Uni-
versität in Moskau. Ueber das Verhalten der Doppelbilder bei
Augenmuskel-Lähmungen. In 15 Tafeln dargestellt. 4. 1870.
2 fl. 50 kr. — 5 M.
— — Ophthalmometrie. Mit 23 Holzschnitten, gr. 8. 1871.
1 fl. 20 kr. — 2 M. 40 Pf.
Druck von Adolf Holzhausen in Wien
k. k. UniversilAls-Biichdnickerei.
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Bc? f ; j : ■ : ; i :
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