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Full text of "Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft"

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*SÄ. 


BERICHTE 


DER 


DEUTSCHEN 


BOTANISCHEN  GESELLSCHAFT. 


GEGRÜNDET  AM   17.  SEPTEMBER  1882. 


FÜNFUNDZWANZIGSTER  JAHRGANG 


BAND   XXV. 


MIT  14  TAFELN  UNI)  37  TEXTFIGUREN 

LIBRARY 

NEW  YORK 

P'^TANICAL 
■»Akl>fc:N 

BERLIN, 
GEBRÜDER    BORNTR^GER, 

1907. 


Sitzung  vom  25.  Januar  190G. 


NEU 


Sitzung  vom  25.  Januar  1907. 

A'^orsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Als  ordentliche  Mits-lieder  sind  voroeschlaoen  die  Herren: 

Niemann,  G.,  Lehrer  in  Magdeburg  (durch  W.  Detmer  und  E.  STAHL), 
Christensen,    Carl,   mag.  scient.    in  Kopenhagen    (durch  EUG.  Warming 
und  Fr.  BOERGESEN). 


Der  Vorsitzende  macht  der  Gesellschaft  Mitteilung  von  dem  im 
Januar  1907  erfolgten  Ableben  unseres  korrespondierenden  Mit- 
gliedes des 

Herrn  Lektor  Rostrup 

in  Kopenhagen,   der  sich  als  Mykologe  einen  hervorragenden  N^amen 
gemacht  hat. 

Um  das  Andenken  des  Verstorbenen  zu  ehren,  erheben  sich  die 
Anwesenden  von  ihren  Sitzen. 


Mitteilungen. 


i>'. 


I.   W.  Be necke:   Über  stickstofTbindende  Bakterien  aus 

dem  Golf  von  Neapel. 

Eingegangen  am  22.  Januar  1907. 


^'        In     seiner    Arbeit     „Über    die    Bedeutung     vertikaler    Wasser- 

— :^  bewegungen     für     die    Produktion    des    Planktons    im    Meere'%     in 

^~t<  welcher  er  den  Nachweis  zu  erbringen    sucht,    dass    diejenigen  Orte 

'~^"  der    See,    „die    durch    reiches   Organismenleben    ausgezeichnet    sind, 

^   auch    die    Bedingungen    für    vertikale    Durchmischung    der   Wasser- 

'"3  Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  ^ 


2  W.  Benecke  : 

masseu  aufweisen",  streift  XatHANSOHN')  verschiedene  meeres- 
bakteriologische Fragen  und  berichtet  bei  dieser  Gelegenheit,  dass 
es  ihm  trotz  lange  fortgesetzter  A^ersuche  niemals  gelungen  sei,  das 
Vorkommen  nitrifiziereuder  und  stickstoffbindender  Bakterien  im 
Wasser  oder  am  Grunde  des  Golfes  von  2^eapel  nachzuweisen.  Er 
kommt  daher  zu  dem  Schluss,  dass  diese  Bakterien,  deren  Tätigkeit 
von  anderen  Forschern  als  bedeutungsvoll  für  den  Stoffwechsel  des 
Meeres  angesehen  würd,  tatsächlich  im  Meere  keine  Rolle  spielen. 

Der  vorliegende  Aufsatz  soll  lediglich  die  Frage  beantworten, 
ob  NaTHANSOHN's  Ansicht,  dass  stickstoffbindende  Bakterien  im 
Neapler  Golf  fehlen,  stichhaltig  ist.  Eine  Behandlung  anderer 
Bakterien  oder  ein  Eingehen  auf  allgemeine  Fragen  des  Meeres- 
stoffwechsels, die  den  Hauptinhalt  der  genannten  Arbeit  NaTHAN- 
SOHN's  bilden,  ist  an  diesem  Orte  nicht  beabsichtigt. 

^XATHANSOHN  schreibt  auf  S.  431:  „Betreffs  der  Fragen  nach 
dem  Umsatz  der  Stickstoffverbindungen  im  Meere  stehen  wir  gleich- 
falls noch  einer  Reihe  von  ungelösten  Problemen  gegenüber. 
Benecke  und  KeUTNER  haben  aus  dem  Wasser  der  Ostsee  Formen 
aus  der  Gattung  Azotohacter  isoliert,  also  Bakterien,  die  die  Fähig- 
keit haben,  freien  Stickstoff  zu  binden  und  in  organische  Form 
überzuführen.  Wären  diese  Formen  allgemein  verbreitet,  so  würden 
sie  gewiss  im  Stoffwechsel  des  Meeres  eine  grosse  Rolle  spielen, 
ich  kann  aber  nur  soviel  sagen,  dass  ich  schon  früher  in  zahlreichen 
Versuchen  vergeblich  nach  solchen  Bakterien  gesucht  habe,  und  es 
erscheint  nicht  unwahrscheinlich,  dass  ihr  Vorkommen  in  der  Ostsee 
gleichfalls  dem  Einfluss  des  Süsswassers  zuzuschreiben  ist." 

Hierzu  möchte  ich  zunächst  bemerken,  dass  NATHANSOHN  mit 
dem  Satz:  „Wären  diese  Organismen  allgemein  verbreitet,  so  würden 
sie  gewiss  eine  grosse  Rolle  spielen",  prinzipiell  vollständig  den 
Ausführungen  beistimmt,  welche  REINKE")  in  seiner  von  NATHAN- 
SOHN nicht  zitierten  Mitteilung  „Über  die  zur  Ernährung  der  Meeres- 
organismen disponiblen  Quellen  an  Stickstoff"  gibt.  Wenn  er 
gleichwohl  zu  einem  anderen  Ergebnis  als  ReiNKE  kommt  und 
der  bakteriellen  Stickstoffbindung  im  Meere  keine  Bedeutung  bei- 
misst,  so  liegt  das  eben  nur  daran,  dass  er  nicht  so  glücklich  war, 
stickstoffbindende  Formen  im  Neapler  Golf  zu  finden.  — ^  Wenn 
dann  NaTHANSOHN,  wie  oben  angeführt,  weiter  sagt,  dass  das  von 
KeUTNER  und  mir  nachgewiesene  Vorkommen  des  Azotobacter  in 
der  Ostsee  „dem  Einfluss  des  Süsswassers"  zuzuschreiben  sei,  so 
lässt  sich  das  hören,  falls  NaTHANSOHN  mit  dem  etwas  unbestimmten 


1)   A.  Nathansohn,  Abh.   der   math.-phys.   Cl.   der  Kgl.    säclis.   Ges.   der 
Wissensch.,  r.»OG,  Bd.  2!».  Nr.  5,  S.  335. 

2j   J.  REINKE,  diese  Berichte  190:3,  Bd.  21,  S.  oTl. 


über  stickstoffbindende  Bakterien  aus  dem  Golf  von  Neapel.  3 

Ausdruck:  „Eiiifluss  des  Süsswassers"  sagen  will,  dass  Azotobacter  \ie\- 
leicht  vor  Zeiten  mit  den  Flüssen  in  die  Ostsee  eingeschwemmt  worden 
sei.  Diese  Möglichkeit  hat  niemand  bestritten.  Will  aber,  wie  ich  ver- 
mute, XatHANSOHN  der  3Ieinung  Ausdruck  verleihen,  dass  Azotobacter 
zwar  im  schwacli  salzhaltigen  Ostseewasser,  aber  nicht  in  dem 
stärker  salzhaltigen  anderer  Meere  leben  kann,  so  ist  diese  Meinung- 
schön  widerlegt  gewesen,  ehe  sie  niedergeschrieben  wurde.  Denn 
KEUTNER')  hat  in  seiner  von  XATHANSOHN  gleichfalls  nicht 
zitierten  Arbeit  „Über  das  Vorkommen  und  die  Verbreitung  stick- 
stoffbindender Bakterien  im  Meere"  gezeigt,  dass  Azotobacter  nicht 
nur  in  der  Ost-,  sondern  auch  in  der  Nordsee  und  dem  indischen 
Ozean  nachgewiesen  werden,  in  der  Kultur  sogar  noch  bei  einem 
Salzgehalt  von  8  pCt.  gezüchtet  werden  kann.  — 

Nathansohn  führt  dann  weiter  aus,  dass  das  Fehlen  stickstoff- 
bindender Bakterien  im  Meere  durchaus  begreiflich  sei;  denn 
WiNOGRADSKY  habe  nachgewiesen,  dass  „diese  Bakterien"  (in  Wirk- 
lichkeit hat  W.  nur  Clostridium  Pasteuriannm  untersucht)  sehr  w^enig 
ökonomisch  arbeiten.  Clostridium  Pasteurianuvi  z.  B.  brauche  1  g 
Zucker,  um  3  mg  Stickstoff  festzulegen,  so  reicliliche  Kohlenstoff- 
quellen stünden  aber  im  Meere  nur  agarlösenden  Bakterien  zur  Ver- 
fügung, und  diese  könnten,  wie  er  selbst  nachgewiesen  habe,  den 
gasförmigen  Stickstoff  nicht  verwerten. 

Es  fällt  auf,  dass  NaTHANSOHN  bei  dieser  Gelegenheit  nicht 
mitteilt,  ob  der  Nachweis  von  Clostridium  Pasteuriannm  oder  anderen 
anaeroben  Nitrogenbakterien  ihm  ebenfalls  misslungen  ist.  Übrigens 
steckt  in  seinen  ebengenannten  Ausführungen  zweifellos  ein  richtiger 
Kern;  denn  der  blosse  Nachweis  Stickstoff l)indender  Bakterien 
genügt  noch  nicht,  um  das  Mass  ihrer  Bedeutung  für  den  Meeres- 
stoffwechsel festzustellen,  hierfür  müssen  die  gesamten  zum  Teil 
noch  sehr  wenig  bekannten  Staudortsverhältnisse  mit  berücksichtigt 
werden.  Trotzdem  geht  er  mit  seinen  theoretischen  Erwägungen 
viel  zu  weit.  Es  ist  keineswegs  sicher,  dass  Clostridium  Pasteuriannm 
am  natürlichen  Standort  ebenso  wenig  ökonomisch  arbeitet,  als  in 
Reinkultur;  und  wenn  agarlösende  Bakterien  freien  Stickstoff  nicht 
verwerten  können,  so  ist  doch  wahrscheinlich,  dass  sie  durch  Hydro- 
lyse des  Agars  Stoffe  bilden,  die  ihrerseits  stickstoffbindenden 
Bakterien  als  Nahrung  dienen.  Mit  Rücksicht  auf  KeuTNER's  An- 
gabe, dass  Azotobacter  auf  der  Oberfläche  von  Meeresalgen  an- 
getroffen werden  kann,  wäre  es  nicht  ohne  Interesse,  zu  untersuchen, 
ob  Mischkulturen  von  Agarbakterien    und  Azotobacter,    die  Agar    als 


1)  J.  Keutner,  Wissensch.  Meeresuntersnchungen.    Kiel,   N.  F.  1904,  Bd.  8 
Seite  27. 

1* 


4  W.  Benecke  : 

einzige  C-  und  freien  Stickstoff  als  einzige  N-Quelle  führen,  zu  ge- 
deihen vermögen.  — 

Vor  einem  weiteren  Eingehen  auf  derartige  Fragen  schien  es 
nun  vor  allem  wünschenswert  festzustellen,  ob  wirklich  im  Wasser 
des  Mittelnieeres  stickstoff'bindende  Bakterien  fehlen.  Durch  freund- 
liche Vermittlung  des  Herrn  Prof.  PAUL  MAYER  wurden  mir  zwei- 
mal im  Laufe  des  vorigen  Jahres  Grundprobeu  seitens  der  zoologi- 
schen Station  aus  dem  Golf  von  Neapel  geschickt.  Dieselben  waren 
mit  offenemEimer  in  verschiedener  Entfernung  vom  Lande  heraufgeholt, 
alsbald  in  sterile  Glasröhrchen  gefüllt  und  mir  nach  Kiel  zugesandt 
worden.  Ich  führte  sie  sofort  nach  ihrer  Ankunft  in  sterile  Nährlösungen 
über,  welche  enthielten:  1 — 2  pCt.  Mannit  und  0,02  pCt.  Dikalium- 
phosphat,  gelöst  in  reinem  filtrierten  Nordseewasser  von  Helgoland. 
Einzelnen  Nährlösungen    wurde    eine  Messerspitze  Kreide    zugesetzt. 

Das  Ergebnis  war,  dass  in  einer  grossen  Zahl  der  Kulturen  sich 
eine  typische  Azotobacter -Yegetat'ion  entwickelte.  Andere  Kulturen, 
in  welchen  Azotohacter  nicht  aufkam,  zeigten,  zumal  wenn  die  Nähr- 
lösung eine  nicht  zu  flache  Schicht  bildete,  lebhafte  Buttersäure- 
gärung, bewirkt  durch  verschieden  geformte  logenbakterien.  Es  ist 
nach  den  vorliegenden  Untersuchungen^)  kein  Zweifel  daran  möglich, 
dass  auch  in  diesen  Kulturen  Stickstoffbinduug  erfolgte.  Eine  kleine 
Zahl  von  Kulturkolben  zeigte  nur  eine  geringe  Bakterienentwicklung 
und  nicht  jene  charakteristischen,  stickstofffixierendeu  Bakterien- 
gesellschaften. — 

Die  ersten  mir  übersandten  Grundproben  waren  Anfang  Juni 
1906  aus  Tiefen  von  20,  30,  50  und  100  m  (in  der  Kichtung  von 
Neapel  auf  Sorrent  zu)  dem  Meeresboden  entnommen  worden.  Sämt- 
liche Kulturen,  die  mit  Schlick  aus  20  m  Tiefe  (Entfernung  vom 
Lande:  500  m)  angesetzt  waren,  zeigten  über  kurz  oder  lang  —  im 
Thermostaten  bei  30°  gezüchtet  schon  nach  drei  Tagen  —  typische, 
azotobakterführende  Häute;  Gasentwicklung  blieb  entweder  ganz 
aus  oder  war  nur  sehr  massig.  Das  Mikroskop  Hess  Azotohacter 
chroococcum  Beyerinck  in  typischer  Grösse,  Gestalt  und  Lagerung 
der  Zellen  erkennen;  der  Durchmesser  derselben  betrug  5  /<.  Reich- 
lich waren  auch  kleinere,  2—3  /i  dicke  Bakterien  vorhanden,  die, 
abgesehen  von  der  geringeren  Grösse,  viel  Ähnlichkeit  mit  Azotohacter 
hatten,  auf  Jodzusatz  auch  die  Glykogenreaktion  sehr  stark  zu  er- 
kennen gaben. ^) 


1)  Vgl.  ausser  WiNOGRADSKY's  Arbeiten: 

E.  Haselhoff  und  G.  Bredemann,  Landw.  Jahrb.  190(5,  Bd.  35,  S.  381. 
H.  Pringsheim,  Bakt.  Centralb.,  2.  Abt.,  19()G.  Bd.  IG,  S.  795. 

2)  Nach  H.  Fischer  (Joum.  für  Landwirtscli.  1905,  Bd.  53,  S.  289)  kann  der 
Durchmesser  der  A:otobacter-TjQ\\&n  zwischen  2  und  5  ^  schwanken. 


über  stickstoflbindende  Bakterien  aus  dem  Golf  von  Neapel.  5 

-'  Ausserdem  zeigten  sich  die  verschiedensten  kleineren  Bakterien, 
S[)irillen,  iogenführende  Clostridien,  farblose  Flagellaten  usw.  Be- 
sonders auffallend  in  diesen  und  auch  den  meisten  anderen  Kulturen 
war  ein  kleiner,  unregelmässig-eiförmiger  Spaltpilz,  der  scharf  um- 
grenzte, aus  nur  wenigen  Zellen  bestehende  Zooglöen  bildete  und 
die  Glykogenreaktion  ebenso  stark  wie  Azotobacter  zeigte. 

Auch  in  mehreren  der  mit  Schlick  aus  50  rn  Tiefe  (Entfernung 
vom  Ufer:  2  km)  beimpften  Kulturen  trat  Azotobacter  auf;  andere 
ergaben  statt  dessen  eine  lebhafte  Buttersäuregärung;  bei  einem 
kleinen  Teil  von  diesen  zeigte  sich  später,  nachdem  die  Gärung 
nachgelassen  hatte,  die  Azotobacter-Ka\\\\\\\ü\xi.  Die  Gärung  war  be- 
wirkt durch  Clostridien,  die  zum  grössten  Teil  eine  ähnliche  Gestalt 
und  Grösse  aufwiesen  wie  Clostridium  Pasteurianum  Winogr. 

In  Grundproben  dieser  ersten  Sendung,  die  aus  noch  grösseren 
Tiefen  stammten  (bis  100  w),  konnte  Azotobacter  nicht  mehr  mit  Sicher- 
heit nachgewiesen  werden,  die  charakteristischen  Kahmhäute  fehlten; 
mikroskopisch  konnten  allerdings  immer  Bakterien  gefunden  werden, 
die  durchaus  dem  Azotobacter  glichen,  ferner  jene  oben  genannte 
etwas  kleinere  Form,  über  deren  Zugehörigkeit  ich  im  Zweifel  bin. 
Stets  war  lebhafte  Gasbildung  und  Gferuch  nach  Buttersäure  vor- 
banden,  Clostridien  waren  wenig  oder  gar  nicht  zu  finden  statt  ihrer 
Plectridien,  ferner  auch  logenbakterien,  die  etwa  die  Form  einer 
Zigarre  hatten.  Endlich  sehr  dünne,  säbelförmig  gekrümmte,  iogen- 
haltige  Paraplectren.   — 

Es  ist  bekannt,  wie  sehr  der  Verlauf  von  Rohkulturen  stickstoff- 
bindender Bakterien,  die  mit  Bodenproben  vom  Festlande  beimpft 
werden,  abhängt  von  der  chemischen  Zusammensetzung  und  der  ge- 
samten Bakterienflora  dieser  Proben.^)  Dass  dies  auch  für  das  Meer 
gilt,  zeigte  die  Untersuchung  der  zweiten  Grundprobensendung  aus 
dem  Neapler  Golf,  die  im  Oktober  eintraf.  Hier  versagten  nämlich 
die  Proben,  die  aus  nächster  Laudnähe  stammten,  fast  alle,  ergaben 
keine  Azotobacter -\Qgei?ii\on  und  zeigten  überhaupt  nur  eine  geringe 
Bakterienentwicklung.  Das  hängt  offenbar  hauptsächlich  damit  zu- 
sammen, dass  die  betreffenden  Proben  sehr  arm  an  organischen 
Stoffen  waren.  Dafür  entwickelte  sich  dieses  Mal  in  Kulturen, 
die  mit  Schlick  aus  100  ?w  Tiefe  (3  hn  vom  Land  entfernt) 
beimpft  waren,  der  Azotobacter  sehr  schön.  Ich  muss  es  allerdings 
fraglich  lassen,  ob  derselbe  nun  wirklich  vom  Meeresgrund  stammt, 
oder  aus  höheren  Wasserchichten,  da  die  Grundproben  mit  offenem 
Eimer    heraufgeholt    worden    waren.      Für    die    letztere    Alternative 


1)  Als  neueste  Forscher,  die  diese  Frage  behandeln,  nenne  ich: 

H.  R.  Christensen,  Bakt.  Centralbl.,  2.  Abt.  1906,  Bd.  17,  S.  109. 
S.  und  H.  Krzemieniewski,  Bull.  Ac.  sc  Cracovie.    Cl.  math.  nat.  1906, 
S.  560. 


Q  W.  Benecke: 

s})richt  der  Ausfall  der  oben  genannten  Versuche,  vielleicht  auch  die 
Erwägung,  dass  grosse  Meerestiefen  keine  allzu  günstigen  Yegetations- 
bedingungen  für  Azotohacter  bieten  dürften.^) 

Ausser  typisch  ausgebildetem  Azotohacter  traf  ich  in  diesen  zu- 
letzt genannten  Kulturen  auch  solchen,  der  durch  den  Besitz  einer 
mit  starker  Jodlösuug^)  sich  blau  färbenden  Gallerthülle  ausgezeichnet 
war.  Diese  Hülle  war  stets  einseitig  stärker  entwickelt,  so  dass  die 
Zellen  exzentrisch  darin  sassen;  nicht  selten  sah  ich  auch  leere 
Gallerthüllen,  aus  denen  die  Zellen  selbst  verschwunden  waren. 
Schwache  Jodlösungen  Hessen  die  Gallerthülle  nicht  blau  werden. 
Ich  lasse  unentschieden,  ob  Azotohacter  chroococcum  unter  bestimmten 
Bedingungen  solche,  mit  Jod  blau  färbbare  Hüllen  bildet,  oder  ob 
es  sich  um  besondere  Sippen  bezw.  Spezies  haudelt,  oder  aber  ob 
es  überhaupt  andere  Bakterien  sind,  die  sonst  dem  Azotohacter 
morphologisch  ähnlich  sind.  Ich  bemerke  nebenbei,  dass  ich  in 
meinen  Kulturen  auch  sonst  Bakterienarten  antraf,  die  ebenfalls 
eine  derartige  mit  starker  Jodlösung  sich  bläuende  Gallerthülle  be- 
sasseu;  zum  Teil  waren  ihre  Zellen  etwa  halb  so  gross,  wie  die  des 
Azotohacter,  und  lagen  häufig  zu  dichten  Klumpen  geballt,  zum  Teil 
waren  sie  bedeutend  kleiner.  Ob  die  Zellhaut  selbst  sich  mit  Jod 
bläute,  konnte  ich  in  keinem  Falle  feststellen.^) 

Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  wie  meine  zum  grossen  Teil 
positiven  Ergebnisse  mit  XaTHANSOHN's  zahlreichen  durchweg  ver- 
geblichen Versuchen,  den  Azotohacter  im  Golf  von  Neapel  nachzu- 
weisen, in  Einklang  zu  bringen  sind.  Man  wird  zunächst  an  die 
Möglichkeit  denken,  dass  der  von  mir  verwendete  Schlick  auf  dem 
Transport  irgendwie,  z.  B.  durch  Staub  vom  Lande  her,  infiziert 
worden  sei.  Es  ist  jedoch  unmöglich,  mit  einer  solchen  Annahme 
meine  Befunde  zu  erklären.  Denn  auf  diese  Weise  hätten  unmöglich 
so  viele  Azotohacfer-ZeWen  in  mein  Material  hineingelangen  können, 
dass  schon  nach  drei  Tagen  eine  starke  Kahmhaut  sich  entwickelt 
hätte.  Auch  der  positive  Ausfall  so  vieler  Versuche  lässt  sich  nicht 
durch  zufällige  Infektion  erklären. 

Es  wäre  ferner  die  Möglichkeit  zu  erwägen,  ob  Azotohacter  viel- 
leicht im  Golf  von  Neapel  nur  ganz  sporadisch  vorkommt.  Doch 
wäre  es  dann  nicht  recht  zu  verstehen,  warum  ich  ilin  trotz  einer 
verhältnismässig    geringen  Zahl  von  Versuchen    gefunden,    NaTHAN- 


1)  Nach  E  VON  Freudenreich  (Bakt.  Centralbl.,  2.  Abt.  1903,  Bd.  10, 
S.  519)  lässt  sicli  Azotohacter  in  bestimmten  Böden  bis  50  cm  Tiefe  nachweisen. 
Beimpft  man  N-freie  Lösungen  mit  Proben  aus  grösserer  Tiefe,  so  tritt  nur  Butter- 


säuregärung auf. 


2)  Arthur  Meyer,  Praktikum  der  Botanischen  Bakterienkunde.    Jena  1903, 
Seite  151. 

3)  Vgl   Arthur  Meyer,  diese  Berichte  1901,  Bd.  19,  S.  428. 


über  stickstoffbindende  Bakterien  aus  dem  Golf  von  Neapel.  7 

SO^N  aber  ilin  trotz  zahlreicher  Versuche  nie  gefunden  liat.  Tch 
muss  aus  NathaNSOHN's  Angaben  entnehmen,  dass  er  viel  intensiver 
nach  Azotobacter  «esucht  hat,  als  ich  selbst. 

So  bleibt  wohl  nur  noch  die  eine  Möo-lichkeit,  dass  Verschieden- 
heit  der  von  uns  verwendeten  Kulturmethode  die  Verschiedenheit 
unserer  Ergebnisse  nach  sich  gezogen  hat.  Da  NATHANSOHN  über 
die  von  ihm  gebrauchte  Nährlösung  nichts  angibt,  bat  ich  ihn  brief- 
lich um  Mitteilung  derselben.  Er  schrieb  mir,  dass  er  zuckerhaltige 
Näln'lösungen  benutzt  habe  (Rohr-  und  Traubenzucker).  Ich  halte 
es  nun  nicht  für  ganz  ausgeschlossen,  dass  hierin  des  Rätsels  Lösung 
liegt.  Bereits  in  seiner  ersten  Mitteilung  über  Azotobacter  gibt 
BeyERINCK^)  an,  dass  von  der  Verwendung  zuckerhaltiger  Nähr- 
lösungen für  A:otobacter-^o\\\s.\\\i\\\en  abzuraten  sei,  da  in  diesen 
sehr  leicht  Gärung  einsetzt,  die,  falls  sie  zu  kräftig  wird,  den 
Azotobarter  nicht  aufkommen  lässt.  Nach  meinen  eigenen  Er- 
fahrungen können  zuckerhaltige  stickstofffreie  Nährlösungen  sogar 
dann,  wenn  sie  mit  sehr  azotobakterreichem,  gut  durchlüfteten! 
Gartenboden  geimpft  werden,  einer  Buttersäuregärung  anheim- 
fallen, und  Azotobacter  zeigt  sich  überhaupt  nicht,  oder  erst  nach 
Beendigung  der  Gärung,  also  viel  später,  als  in  niannithaltigen  Nähr- 
lösungen. — 

Die  wenigen  Versuche,  über  die  ich  hier  berichten  konnte,  er- 
lauben noch  kein  Urteil  über  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  stick- 
stoffbindender Bakterien  im  Golf  von  Neapel;  zumal  wäre  noch  zu 
untersuchen,  ob  sie  auch  im  Mittelmeer  an  Algen  oder  Plankton- 
organismen anhaftend  gefunden  werden  können,  wie  das  nach 
KeüTNER  für  die  Ost-  und  Nordsee  gilt.  Soviel  ist  aber  gewiss, 
dass  stickstoffbindende  Bakterien  auch  im  Golf  von  Neapel  vor- 
kommen, und  dass  kein  Grund  vorliegt  mit  NaTHANSOHN  anzu- 
nehmen, dass  „der  Zuwachs  des  Meeres  an  gebundenem  Stickstoff 
nur  von  aussen  her  stattfindet." 

Nachdem  somit  stickstoffbindende  Bakterien  in  allen  Küsten- 
meeren, die  mau  bisher  darauf  untersucht  hat,  nachgewiesen  werden 
konnten,  wäre  es  meines  Erachtens  besonders  verdienstlich,  zu 
untersuchen,  ob  solche  Formen  auch  im  Plankton  der  Hochsee  anzu- 
treffen sind. 

Kiel,  Botanisches  Institut  der  Universität. 


1)  Bakt.  Centralbl.,  2.  Abt.  1901,  Bd.  7,  S.  567,  570. 


8  H.  C.  SCHELLENBEEG; 


2.   H.  C.  Schelienberg:  Über  das  primäre  Dickenwachstum 
des  Markes  von  Sambucus  nigra  L 

Eingegangen  am  22.  Januar  1907. 


Im  Heft  Nr.  8  1906  der  Berichte  der  deutschen  botanischen 
Gesellschaft  bringt  A.  URSPRUNG  eine  vorläufige  Mitteilung,  betitelt: 
,,tJber  die  Dauer  des  primären  Dickenwachstums".  Er  sucht  darin 
den  Nachweis  zu  erbringen,  dass  bei  Sambucus  nigra  das  primäre 
Dickenwachstum  des  Markzylinders  mit  der  Ausbildung  des  ge- 
schlossenen Holzkörpers  kein  Ende  erreicht,  sondern  selbst  im 
zweiten  und  dritten  Jahre  noch  weiter  geht.  Daraus  folgert 
Ursprung  weiter,  dass  der  geschlossene  Holzkörper  absolut  nicht 
etwa  einen  starren  Gewebemantel  darstellt,  sondern  dass  seine  ver- 
holzten Zellen  fähig  sind,  sich  zu  teilen  und  ihre  Membranen  in  die 
Fläche  und  Dicke  zu  wachsen.  Auch  die  Gefässe  können  ihren 
Durchmesser  noch  vergrössern,  nachdem  der  lebende  Inhalt  ver- 
schwunden ist. 

Diese  ano;e2:ebenen  Resultate  nnd  Foloenmo'en  UESPRUNG's 
widersprechen  so  den  bis  jetzt  bekannten  Tatsachen  über  die 
Wachstumserscheinungen  der  Holzkörper  unserer  Laubhölzer,  dass 
ich  es  für  unnötig  gehalten  hätte,  näher  sie  zu  widerlegen,  wenn 
nicht  Ursprung  durch  Messungen  und  andere  Auseinandersetzungen, 
mehr  als  das  sonst  in  vorläufigen  Mitteilungen  geschieht, ,  gesucht 
hätte,  seine  Resultate  zu  stützen. 

Ursprung  misst  die  Durchmesser  des  ganzen  Querschnittes,  des 
Markzylinders  und  die  Dicke  des  Holzringes  in  der  Mitte  der  ein- 
zelnen Internodien  an  verschiedenen  Zweigen  im  Oktober.  Er  findet, 
dass  der  Durchmesser  des  Markzylinders  zwischen  1,1  und  8  mm 
schwankt,  indem  die  jüngsten  Internodien  zugleich  die  geringsten 
Masse  aufweisen  bei  vollständig  geschlossenem  Holzkörper.  Daran 
schliesst  Ursprung^)  folgende  Argumentation:  „Zur  Erklärung  dieser 
Tatsache  liegen  a  priori  zwei  Möglichkeiten  vor.  Die  eine  besteht 
darin,  dass  das  Mark  bereits  in  verschiedener  AVeite  angelegt  wird; 
die  verschiedenen  Werte  des  Markdurchmessers  in  verschiedenen 
Entfernungen  von  der  Sprossspitze  wären  hiernach  darauf  zurückzu- 
führen, dass  das  Mark  bereits  vor  der  Ausbildung  eines  geschlossenen 

1)  1.  c.  p.  493. 


über  das  primäre  Dickenwachstiim  des  Markes  von  Sambucus  nigra  L.         9 

Holzzylinclers  in  jeder  Sprosspartie  die  oben  angegebene  Weite  be- 
sitzt. Wenn  diese  Anschauung  richtig  wäre,  dann  müssten  in  den 
obersten  Internodien,  die  eben  gerade  einen  geschlossenen  Holz- 
zyliuder  besitzen,  Markdurchmesser  bis  zu  8  vim  nachgewiesen  sein. 
Nun  ist  es  aber  allgemein  bekannt,  dass  die  Durchmesser  der  ganzen 
Internodien  in  den  obersten  Sprosspartien  bedeutend  geringer  sind, 
und  dass  daher  das  Mark  unmöglich  in  definitiver  Weite  anoelegt 
werden  kann.  Es  kann  also  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  dass  der 
Markdurchmesser  nach  Ausbildung  eines  g;eschlossenen  Holzzylinders 
noch  vergrössert  wird." 

Ohne  dass  URSPRUNG  sich  die  Mühe  genommen  hat  die  Ent- 
wicklung des  Markes  und  des  Holzkörpers  in  der  Vegetationsperiode 
zu  studieren,  oder  etwa  das  Verhalten  der  Zweigdicke  am  gleichen 
Internodium  in  verschiedenen  Zeiten  zu  prüfen,  glaubt  er  durch 
seine  Messungen  dargetan  zu  haben,  dass  der  Markzylinder  von 
Sambucus  „um  beinahe  das  Dreifache  vergrössert  werden  kann,  nach- 
dem er  bereits  von  einem  vollständig  geschlossenen  Holzzylinder 
umgeben  ist." 

Demgegenüber  muss  ich  hervorheben,  dass  Messungen  in  der 
Kuheperiode  —  URSPRUNG  hat  im  Oktober  gemessen  —  nur  einen 
Vergleich  zwischen  verschiedenen  Internodien  gestatten,  für  die  Ver- 
änderungen aber,  die  während  der  Entwicklung  der  Zweige  ein- 
treten, nichts  beweisen.  URSPRUNG  ist  im  Irrtum,  wenn  er  glaubt, 
dass  das  Mark  der  obersten  Internodien,  das  Masse  von  1,1— 2,8  »zm 
heute  aufweist,  in  den  gleichen  Internodien  auf  8 — 10  mm  in  den 
nächstfolgenden  Jahren  anwachse.  Da  nun  einmal  das  Mark  von 
Sambucus  in  den  aufeinanderfolgenden  Internodien  im  einjährigen 
Zweig  von  unten  nach  oben  stark  abnimmt,  darf  man  nur  gleich 
starke  Zweige  mit  einander  vergleichen  und  an  diesen  nur  Internodien 
von  gleicher  Lage. 

Einzig  mit  Beobachtung  dieser  Vorsichtsmassregel  wird  man  aus 
dem  Vergleich  verschiedenalteriger  Zweige  Schlüsse  ziehen  dürfen, 
und  selbst  dann  noch  ist  es  notwendig,  Durchschnittszahlen  von 
mehreren  Zweigen  zu  nehmen,  weil  kleine  Differenzen  selbst  bei  gut 
ausgeglichenem  Material  stets  vorhanden  sind. 

Sucht  man  nun  Zweige  uno-efähr  s-leicher  Stärke  aus,  das  eine 
Mal  einjährig,  das  andere  Mal  zweijährig,  und  vergleicht  die  obersten 
Internodien  miteinander,  so  zeigt  sich  folgendes: 

Einjährige:    Markdurchmesser  1,4,    1,8,  1,4,  1,6,  1,5,  1,4,  1,5, 

1,6  mm;  Mittel:  1,54  mm. 
Zweijährige:  Markdurchmesser  1,6,  1,5,  1,7,  1,4,   1,5,  1,6,   1,5, 

1,4  mm\  Mittel:  1,52  mm. 


10  H.  C.  Schellenberg: 

(Es  wurden  selbstverständlich  nur  solche  zweijährige  Zweige  ge- 
messen, die  wirklich  das  oberste  Internodium  des  ersten  Jahres  auch 
noch  im  zweiten  Jahre  besassen.) 

Die  Zahlen  zeigen,  dass  der  Markdurchmesser  vom  ersten  zum 
zweiten  Jahre  sich  nicht  ändert.  Die  Differenz  ist  so  gering,  dass 
daraus  keine  Folgerung  gezogen  werden  darf.  Jedenfalls  zeigen  die 
Zahlen,  dass  keine  Yermehrung  des  Markdurchmessers  um  das  Zwei- 
oder Dreifache  stattfindet. 

Ich  habe  dann  nach  Zweigen  gesucht,  bei  denen  das  oberste 
Internodium  des  ersten  Jahres  auch  noch  in  älteren  Jahren  ver- 
treten war.     Die  Zahlen  für  die  Markdurchmesser  sind  folgende: 

Dreijährige:  2,1,  1,6,   1,4,  2,5,   1,2  mm; 
vierjährige:  2,0,   1,4  mm; 
fünfjährige:   1,5  mm. 

Nach  URSPRUNG's  Angaben  schwankt  der  Markdurchmesser  im 
obersten  Internodium  der  einjährigen  Sprosse  zwischen  1,1  und 
2,8  vim.  Alle  diese  Zahlen  liegen  innerhalb  dieser  Grenzen.  Dar- 
aus ziehe  ich  den  Schluss,  dass  der  Markdurchmesser  weder  im 
zweiten,  noch  in  den  folgenden  Jahren  sich  erweitert  hat,  sondern  so 
geblieben  ist,  wie  er  im  ersten  Jahre  ausgebildet  wurde. 

Auch  die  übrigen  Internodien  der  Zweige  verhalten  sich  gleich. 
Internodien,  die  ein  enges  Mark  im  ersten  Jahre  besitzen,  behalten 
die  gleiche  Weite  auch  in  den  folgenden  Jahren,  genau  wie  die 
Internodien,  die  im  ersten  Jahre  ein  weites  Mark  besitzen.  Die 
Messungen  von  Markdurchmessern  einiger  mehrjähriger  Zweige 
zeigen  das  sofort,  wie  aus  folgenden  Beispielen  hervorgeht: 

Zweijähriger  Zweig: 
Entfernung-  von  der 


IClUUUg       VUll     u 

Triebgrenze 

Cl 

Zweigdicke 

Markdurchmci 

cm 

mm 

mm 

5 

3,5 

1,5 

16 

4 

1,8 

28 

5 

1,5 

39 

6,5 

2,8 

51 

6,5 

3,5 

63 

7 

4,0 

76 

8 

4,5 

90 

9 

5 

107 

9 

5,5 

120 

11 

6,5 

(Alle  Inten 

nodi 

en 

zeigen  zwei 

Jahrringe.) 

über  das  primäre  Dickemvaclistum  des  ]\[arkes  von  Sambucus  nigra  L.       1 1 

Dreijähriger  Zweig: 
Entfern iin 2'  von  der 


Triebgreuze 

Zweigdicke 

Markdurch 

cm 

771/« 

7nm 

3 

3,0 

1,2 

12 

3,5 

1,8 

18,5 

4 

2,1 

25 

4,5 

2,5 

33 

5,5 

3,0 

47 

6,5 

3,5 

64 

8,0 

5,0 

82 

9,0 

5,5 

(Alle  Holzkörper  zeigen  drei  Jahrringe.) 
Zweijähriger  Zweig: 


eruuug   vuu  uer 

Triebgrenze 

Zw 

eigdicke 

Markdurchm 

cm 

mm 

III  »i 

3 

2 

1,2 

10 

3,5 

2 

25 

5 

3 

45 

6 

4 

65 

7 

5 

82 

8 

5 

einjährig 


zweijährig 


Vierjähriger  Zweig  aus  der  Baumkrone: 


Zweigdicke 
mm 

3 

3,5 

4 

4 
4 
4 
5 

5,5 

(5 
6 
6,5 

7 

8 

10 
12 


Markdurchniesser 

mm 

1,2 

1,5  \  einjährig 
2,0 


'5' 

1,5 

1,5 
1,5 
2 

•> 

2 

2,5 
2,5 
3,0 

3 
4 
4,5 


zweijährig- 


dreijährig 


Tierjährig 


Entfernung 
von  der  Sprossspitze 

Zweigdicke 

cm 

mm 

10 

1,8 

18 

3 

26 

4 

38 

5,5 

50 

6,5 

64 

7 

78 

8 

97 

10,5 

123 

12 

156 

14 

186 

15,5 

12  H.  C.  Schellenberg: 

Im  Gegensatz  dazu  lasse  icli  nun  die  Masse  von  einem  ein- 
jährigen sehr  kräftigen  Triebe  folgen,  der  an  der  gleichen  Pflanze 
sich  befand  wie  die  anderen  zitierten  Äste. 

Markdurchmesser 

7«/« 

2 

2,5 

3,5 

4,5 

4,5 

5 

7,5 

9 

10 

11 
(Alle  Internodieu  einjährig.) 

Die  Zahlen  zeigen  viel  grössere  Werte  für  die  Markdurchmesser 
als  ich  bei  allen  anderen  untersuchten  Zweigen  der  gleichen  Pflanze 
fand. 

Die  grössten  Markdurchmesser  findet  man  stets  an  den 
kräftigsten  Wasserschossen,  die  durch  starkes  Zurückschneiden  der 
Sträucher  im  Wachstum  enorm  begünstigt  werden.  An  einjährigen 
Zweigen  habe  ich  dort  Markdurchmesser  bis  zu  12  mm  gemessen; 
eine  Zahl,  die  ich  an  mehrjährigen  Zweigen  nicht  wieder  finden 
konnte.  Man  braucht  somit  ein  mehrjähriges  Wachstum  des  Markes 
nicht  anzunehmen,  wie  das  URSPRUNG  speziell  für  solche  weite 
Markzylinder  supponiert,  denn  man  findet  das  an  den  betreffenden 
Zweigen  schon  im  ersten  Jahre. 

Wenn  nun  durch  diese  Messungen  wohl  der  Beweis  zur  Genüge 
erbracht  ist,  dass  der  Markzylinder  von  Samhiicus  nach  dem  ersten 
Jahre  nicht  mehr  grösser  wird,  so  ist  damit  zugleich  auch  gezeigt, 
dass  der  Holzkörper  nicht  nachträglich  vom  Mark  aus  sich  erweitert, 
wie  es  URSPRUNG  meint.  Die  Messungen,  die  URSPRUNG  über  die 
Weite  der  Gefässe,  die  Zahl  der  Holzzellen  an  der  inneren  Be- 
grenzung des  Holzkörpers  und  die  Markzellen  angestellt  hat,  be- 
weisen gar  nichts  für  das  angenommene  nachträgliche  Wachstum. 
Wer  je  die  Anlage  des  Holzkörpers  bei  unseren  Laubhölzeru  unter- 
sucht hat,  weiss,  dass  diese  Grössen  verschieden  sind  am  einjährigen 
Zw^eige  je  nach  Kräftigkeit  des  Triebes  und  aus  dem  Cambium  in 
dieser  verschiedenen  Weite  von  Anfang  an  gebildet  werden.  Eine 
nachträgliche  Yergrösserung  der  Weite  der  Gefässe,  Libriformfasern 
o<ler  Markzellen  nach    dem    ersten  Jahre    findet   nicht    statt.     Wenn 


über  das  primäre  Dickenwachstum  des  Markes  von  Sambucus  nigi-a  L.       13 

ich  an  den  obersten  Internodien  bei  Trieben  gleicher  Stärke  in  dem 
gleichen  Jahrring,  aber  an  verschieden  alten  Zweigen  messe,  so  be- 
komme ich  die  gleichen  Zahlen,  sowohl  bei  den  Gefässen,  wie  bei 
Libriformfasern  nnd  Markzellen.  Ebenso  zeigt  sich,  dass  die  Libri- 
formfasern  sich  nicht  verdickt  haben. 

Wenn  man  zweijährige  Zweige  untersucht,  die  infolge  des 
Zurückschneidens  anderer  Partien  der  Pflanze  im  zweiten  Jahre 
kräftige  Seitentriebe  bildeten,  so  kann  man  ein  interessantes  Ver- 
hältnis zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Jahrring  konstatieren.  Auf 
dem  gleichen  Querschnitt  sind  die  Gefässe  des  zweiten  Jahrringes 
weiter  als  im  ersten  Jahrring.  Folgendes  Beispiel  möge  dieses  Ver- 
hältnis illustrieren: 

Zweijähriger  Zweig. 

Maximaler 

Durchmesser 

Maximale  der  Libriform- 

Gel'üssweite  fasern  iu 

tanj^entialer 

ßiclitung 

1.  Oberstes  Internodium;  1,5  mm 

Markdurchmesser : 

erster  Jahrring 28  ^  18  /t 

zweiter      „  40  ^u  22  /t 

2.  Sechstes  Internodium;  7  mm 
Markdurchmesser : 

erster  Jahrring 45  /^  23  /< 

zweiter      „  60  /t  26  /t 

Auch  diese  Tatsache,  die  übrigens  von  anderen  Pflanzen  längst 
schon  bekannt  ist,  zeigt  nur,  dass  die  Gefässe  des  ersten  Jahrringes 
sich  nicht  erweitern  konnten.  Wären  die  Gefässe  des  ersten  Jahr- 
ringes im  zweiten  Jahre  noch  erweiterungsfähig  gewesen,  so  ist 
nicht  einzusehen,  warum  sie  nicht  gewachsen  wären,  um  den  Be- 
dürfnissen des  vermehrten  Safttransportes  sich  anzupassen  und  so 
die  Weite  der  Gefässe  im  zweiten  Jahresrino:e  erreicht  hätten.  Das 
ist  aber  nicht  der  Fall,  sondern  die  Gefässe  haben  die  Weite  des 
ersten  Jahres  auch  im  zweiten  beibehalten,  denn  sie  zeigen  die 
Weiten,  die  man  ganz  allgemein  bei  gleich  starken  Trieben  und 
gleich  gelegenen  Internodien  beobachtet,  und  stimmen  darin  auch 
mit  den  Angaben  ÜRSPRUNGr's  überein.  Ich  muss  daraus  schliessen, 
dass  die  Gefässe  im  Holzkörper  von  Sambucus  sich  nicht  nachträg- 
lich erweitern,  wie  ÜESPßUNG  meint.  Seine  Erwägungen  über  die 
Art  und  Weise  des  Zustandekommens  des  nachträglichen  Gefäss- 
wachstums  besitzen  darum,  solange  der  Vorgang  nicht  experimentell 
bewiesen  ist,  rein  spekulativen  Wert. 

Noch  ein  anderer  anatomischer  Befund  ist  geeignet,  auf  das  von 


14  H.   C.  SCHELLENBERG: 

Ursprung  augenommene  nachträgliche  Wachstum  von  Mark  und 
Holz  bei  Sambucus  einiges  Licht  zu  werfen.  An  der  Einfügungs- 
stelle der  Seitenzweige  in  die  Hauptachsen,  sofern  sie  mit  der 
Jahrestriebgrenze  zusammenfällt,  verengt  sich  das  Mark  der 
ersteren  auf  0,5  m7)i  und  noch  darunter,  während  sowohl  im 
Seitenzweig  wie  in  der  Hauptachse  die  verschiedenen  Weiten  des 
3Iarkes  bis  zu  10  und  l'i  min  anzutreffen  sind.  Man  kann  nun  diese 
Stelle  untersuchen,  wo  man  will,  an  mehrjährigen  Zweigen,  an  dicken 
Stämmen  oder  an  einjährigen  Zweigen  starker  oder  schwacher  Natur, 
immer  trifft  man  das  gleiche  Bild.  An  diesen  Einfügungsstellen  ver- 
engert sich  das  Mark  auf  die  ano'eoebene  Weite  und  wächst  somit 
nachträglich  nicht  in  die  Dicke,  denn  sonst  müsste  es  auch  an  dieser 
Stelle  weiter  geworden  sein. 

Von  E.  JahN^)  ist  dann  weiter  angegeben  worden,  dass  bei  der 
Einfügung  des  neuen  Jahrestriebes  an  den  vorhergehenden  in  der 
Knospenregion  oft  die  alten  Bündel  der  Knospenblätter  zerrissen 
werden.  Auch  bei  Sambucus  nigra  findet  die  Zerreissung  dieser 
Bündel  statt,  wie  ich  mich  überzeugen  konnte.  Die  Zerreissung 
dieser  Bündel  trifft  man  re2,elmässio'  an  der  Einfüouno'sstelle  von 
Seitentrieben,  die  aus  Winterknospen  hervorgegangen  sind.  Sie 
zeigt,  dass  die  Gefässe  dem  Wachstum  der  Umgebung  nicht  folgen 
können,  denn  deswegen  werden  sie  zerrissen. 

Im  Weiteren  niuss  ich  auf  zwei  Tatsachen  hinweisen,  die  un- 
vereinbar sind  mit  dem  von  URSPRUNG  angenommenen  mehrjährigen 
Dickenwachstum  des  Markes  und  des  Holzkörpers.  Die  Markzellen 
sind  bereits  im  einjährigen  Zweige  alle  tot  und  lufthaltig;  sogar  die 
Parenchymzellen  in  der  Umgebung  von  Ring-  und  Spiralgefäss- 
gruppen  sind  bereits  im  einjährigen  Zweige  abgestorben.  Die  ersten 
lebenden  Zellen,  die  man  vom  Mark  aus  antrifft,  sind  die  Markstrahl- 
zellen und  das  Holzparenchym  des  sekundären  Holzes.  Nun  soll 
dieses  tote  Mark  noch  sich  auf  das  Zwei-  bis  Dreifache  verdicken 
durch  Vergrösserung  und  Teilung  der  Markzellen!? 

Ebenso  sind  am  Ende  des  ersten  Jahres  alle  Poren  in  Mark, 
Libriform,  Holzpareiichym,  Gefässen  und  Markstrahlen  fertig  gebildet. 
Wenn  die  Erweiterung  des  Markkörpers  und  des  Holzringes  nun 
nacjiher  noch  eintreten  würde,  so  müssen  entweder  notwendigerweise 
die  Poren  sich  vergrössern,  oder  dann  gegenseitig  sich  verschieben. 
Keine  der  beiden  Möglichkeiten  tritt  ein,  sondern  die  Poren  bleiben 
sich  in  den  älteren  Zweigen  gleich,  wie  sie  im  ersten  Jahre  gebildet 
wurden.  Auf  eine  weitere  Erörterun«:  solcher  Verhältnisse  kann  ich 
darum  ruhis,-  verzichten. 


Ij  E.  J.VHX,    Holz  und  Mark    an   den  Grenzen  der  Jahrestriebe.     Botanisches 
Centralblatt  1894,  S.  026. 


über  das  primäre  Dicken  Wachstum  des  Markes  von  Sambucus  nigra  L.       15 

Weil  die  Untersuchuno-  zeist,  tlass  ein  iiacliträoliches  Dicken- 
wtichstuni  des  Markes  und  des  Holzkörpers  im  Sinne  Ursprung's 
nicht  eintritt,  fällt  damit  auch  sein  Beweis  für  die  Unriclitigkeit  des 
von  niir^)  aufgestellten  Satzes,  dass  Zellen  mit  verholzten  Mem- 
branen sich  nicht  mehr  vergrössern,  dahin.  Es  bestätigt  sich,  dass 
auch  hier  die  verholzten  Membranen  nicht  mehr  wachsen.  Wegen 
Mangel  an  geeignetem  Untersuchungsmaterial  konnte  ich  die  Ver- 
hältnisse bei  Tectona  gram/l^  L.  nicht  nachprüfen.  Ich  sehe  aber 
aus  der  ÜRSPRUiXG'schen  Untersuchung  nicht  ein,  dass  hier  die  ver- 
holzten Membranen  noch  wachsen  sollen,  wie  er  aus  seiner  Unter- 
suchung folgert.-) 

An  den  waciisenden  einjährigen  Sprossen  von  Sambucus  nigra 
hat  Ursprung  die  Dauer  des  primären  Dickenwachstums  nicht 
untersucht.  Ich  kann  darum  auf  die  eingehende  Darlegung  der 
Wachstumsverhältnisse  des  ScDubucusS-prosses,  um  so  eher  verzichten, 
weil  früher  gelegentlich  angestellte  Untersuchungen  nur  den  von 
Ursprung  angeführten  und  nun  bekämpften  Satz  aus  dem  FRANK- 
schen^)  Lehrbuche  bestätigen,  dass  nämlich  „der  Holzring  hier  so- 
lange nicht  geschlossen  wird  als  das  primäre  Dicken- 
wachstum andauert." 

Während  der  Periode  des  Längenwachstums  des  Sprosses  sind 
die  einzelnen  Gefässbündel  im  Grundparenchym  noch  von  einander 
getrennt.  In  dieser  Periode  erfolgt  auch  das  primäre  Dicken- 
wachstum der  Sprosse.  Beim  Abschluss  des  Längenwachstums  be- 
ginnt das  Cambium  im  Gefässbündel  seine  Tätigkeit;  das  primäre 
Dickenwachstum  des  Wachstums  des  Markes  dauert  etwas  länger  an, 
als  das  Längenwachstum  des  Sprosses,  wenngleich  hinzugefügt  werden 
muss,  nur  kurze  Zeit.  Die  ersten  Gefässbündel  werden  noch  etwas 
auseinander  gedrängt  und  dann  erst  bilden  sich  die  Cambiumbrücken 
zwischen  den  Gefässbündeln,  die  dort  nun  auch  Holz  erzeugen.  Mit 
dem  Schluss  des  Holzringes  hört  das  primäre  Dickenwachstum  auf. 
Zu  dieser  Zeit  sind  die  Markzellen  noch  turgeszent  und  besitzen 
unverholzte  Membranen.  Der  Markdurchmesser  erreicht  in  diesen 
Sprossen  die  definitiv  beobachteten  Grössen.  KOLKVVITZ,*)  der 
solches  turgeszentes  Sambucus  -  Mark  für  anderweitige  Zwecke  ver- 
wendete, gibt  auch  an,  dass  Durchmesser  bis  zu  10  mm  v^orkommen. 
Später,  nach  Abschluss  des  Längenwachstums  nimmt  die  Turgeszenz 
der  Markzellen  ab,  ihre  Membranen  verholzen,  der  Protoplast  stirbt 
ab,  und  die  Zellen  werden  frühzeitig  lufthaltig. 


1)  H.  C.  Schellenberg,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  verholzten  Zellmembran. 
Jahrb.  für  wiss.  Bot.  1895. 

2)  1.  c.  p.491. 

3)  Frank,  Lehrbuch  der  Botanik,  Bd.  I,  S.  376. 

4)  K.  Kolkwitz,  Untersuchungen  über  Plasmolyse,  Elastizität,  Dehnung  und 
"Wachstum  am  lebenden  Markgewebe.     Inaug.-L)iss.,  Berlin  1895. 


16  Peter  Thomsen: 

Im  Herbst  ist  das  ganze  Mark  von  Sambucus  an  den  einjährigen 
Sprossen  von  oben  bis  unten  lufthaltig,  und  seine  Zellen  sind  tot. 

Wenn  ich  die  Resultate  der  Nachprüfung  der  Arbeit  UKSPRUNG's 
kurz  zusammenfassen  soll,    so    lautet  das  Ergebnis    folgendermassen: 

Bei  Sambucus  nigra  wächst  nach  Anlage  des  geschlossenen  Holz- 
körpers das  Mark  nicht  mehr  in  die  Dicke.  Ein  nachträgliches 
Wachstum  der  verholzten  Membranen  der  Gefässe,  Libriformfasern 
und  Markzellen  tritt  nicht  ein;  ebenso  keine  Zellvermehrung.  Alle 
von  UßSPßUNG  in  der  Zusammenfassung  seiner  Resultate  auf- 
gestellten Sätze  erweisen  sich  darum  als  unrichtig. 


3.   Peter  Thomsen:  Über  das  Vorkommen  von 
Nitrobakterien  im  Meere. 

Vorläufige  Mitteilung  aus   dem   botanischen  Institut  der 

Universität  Kiel. 

Eingegangen  am  22.  Januar  1907. 


Durch  die  Arbeiten  WiNOGRADSKY's  sind  wir  mit  der  Lebens- 
weise der  Nitrobakterien  auf  dem  Festlande  bekannt  gemacht  worden; 
dagegen  fehlten  bis  jetzt  eingehende  Angaben  über  die  Verbreitung 
und  Morphologie  von  Nitrifikationserregern  im  Meere.  Die  einzigen 
Beobachtungen  hierüber  stammen  von  BRANDT,  der  in  seiner  Ab- 
handlung^) „Über  den  Stoffwechsel  im  Meere"  das  Vorkommen 
nitrifizierender  Bakterien  in  Schlickproben  von  verschiedenen  Stellen 
der  Kieler  Föhrde  nachweist.  Es  war  zu  beobachten,  dass  ammoniak- 
haltige  Nährlösungen,  die  mit  Schlickproben  von  Bellevue  und 
Boje  D  beimpft  waren,  nach  einiger  Zeit  auf  Zusatz  von 
Diphenylamin-Schwefelsäure  Blaufärbung  ergaben.  Daher  schien  es 
von  W^ichtigkeit,  auf  Grund  eingehender  Beobachtungen  die  Ver- 
breitung und  die  Morphologie  jener  nitrifizierenden  Organismen  im 
Meere  festzustellen. 

Aus   diesem  Grunde    bes-ann    ich    vor    einem  Jahre    eine  Unter- 


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suchuno:  dieser  Verhältnisse    in  verschiedenen  Küsten2:ebieten.     Über 


■o 


die  bisherigen  Ergebnisse  soll  diese  Mitteilung  unterrichten.  Die 
Untersuchungen  beschränkten  sich  zunächst  auf  die  Kieler  Föhrde. 
Inzwischen  erschien  eine  Abhandlung  NaTHANSOHN's  „Über  die  Be- 


1)  Wissenschaftliche  Meeresuntersuchungen,  Kiel.    Neue  Folge,   Bd.  6,   S.  73. 


über  das  Vorkommen  von  Nitrobakterien  im  Meere.  17 

deutimg  vertikaler  Wasserbewegungen  für  die  Produktion  des 
Planktons  im  Meere".*) 

In  dieser  Schrift  greift  NATHANSOHN  auf  die  Arbeit  BRANDT's 
zurück  und  glaubt  auf  Grund  umfangreicher  eigener  Untersuchungen, 
die  er  in  Neapel  anstellte,  mit  Bestimmtheit  das  Fehlen  der  nitri- 
fizierenden  Bakterien  im  Golf  von  Neapel  annehmen  zu  müssen. 
Er  weist  an  dieser  Stelle  noch  auf  die  ebenfalls  negativen  Ergeb- 
nisse GRAN's  bei  dessen  Untersuchungen  an  der  norwegischen  Küste 
hin  und  zieht  daraus  den  Schluss,  dass  die  nitrifizierenden  Bakterien 
im  Meere  normaler  Weise  nicht  vorkommen.  In  bezug  auf  die 
Kieler  Föhrde  führt  NATHANSOHN  aus,  dass  dieses  Meeresgebiet 
durch  grosse  Landnähe  und  schwachen  Salzgehalt  stark  beeinflusst 
sei,  dass  daher  positive  Ergebnisse,  wie  BRANDT  sie  fand,  wenig 
beweiskräftig  seien  für  die  Verbreitung  nitrifizierender  Bakterien  im 
Meere  überhaupt. 

Diese  Arbeit  NATHANSOHN's  machte  es  wünschenswert,  die  frag- 
lichen Verhältnisse  auch  in  anderen  Küstengebieten  zu  untersuchen. 
Durch  Vermittlung  des  Herrn  Prof.  PAUL  MAYER  erhielt  ich 
Schlickproben  aus  Neapel.  Ausserdem  sandte  mir  Herr  Professor 
Kuckuck  eine  Schlammprobe  aus  der  Fahrrinne  bei  Helgoland. 

Diese  vorläufige  Mitteilung  betrifft  hauptsächlich  Nitritbakterien; 
denn  es  hat  sich  aus  meinen  bisherigen  Versuchen  ergeben,  dass 
diese  Organismen  in  allen  Proben  vorhanden  waren,  sofern  dieselben 
von  der  Oberfläche  des  Meeresbodens  stammten.  Über  das  Vor- 
kommen der  nitratbildenden  Organismen  im  Seeschlick  sollen  in  der 
späteren  ausführlichen  Arbeit  nähere  Angaben  gemacht  werden. 
Nach  den  bisherigen  Beobachtungen  hat  es  nämlich  den  Anschein, 
als  ob  diese  Bakterien  nur  in  grosser  Landnähe  (z.  B.  im  Golf  von 
Neapel  bis  500  m  vom  Ufer)  vorhanden  sind;  denn  alle  Schlick- 
proben, die  aus  grösserer  Entfernung  vom  Lande  stammten  und  mit 
Nitritnährlösung  angesetzt  wurden,  ergaben  ein  negatives  Resultat. 
Nirgends  konnte  eine  LTmwandlung  von  Nitrit  in  Nitrat  konstatiert 
werden.  Die  Kolben  zeigten  selbst  nach  monatelangem  Stehen  eine 
tiefschwarze  Nitritreaktion,  während  Schlickproben  aus  unmittelbarer 
Landnähe  in  wenigen  Wochen  alles  Nitrit  in  Nitrat  umgesetzt 
hatten.  Falls  diese  Ergebnisse  allgemeinere  Gültigkeit  besitzen,  so 
wäre  vielleicht  damit  eine  Deutung  gewisser  NATTERER'scher 
Resultate  möglich.  Dieser  Forscher  konnte  nämlich  in  Wasser- 
proben, die  aus  grösseren  Tiefen  des  Mittelmeeres  stammten,  nur 
salpetrige  Säure,  nie  Salpetersäure  nachweisen. 

Da  meine  Beobachtungen  nur  Küstengebiete  betreffen,    so    muss 


1)  Abb.    der   matb.-phjs.    Cl.    der  Kgl.   Sachs.  Ges.   der   Wiss.  1906.    Bd.  29, 
S.  335. 

Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUsch.    XXV.  o 


18  Peter  Thomsen: 

die  Frage  unbeautwortet  bleiben,  ob  die  Nitritbildner  auch  im 
offenen  Ozean  vorkommen.  Hier  müssen  spätere  Forschungen  ein- 
setzen. Dass  sie  jedoch  im  Golf  von  Neapel  auch  noch  in  Tiefen 
von  100  m  und  2000  m  vom  Lande  entfernt  vorhanden  sind,  scheint 
mir  durch  meine  bisherigen  Untersuchungen  einwandfrei  festgestellt 
zu  sein. 

Ich  gehe  nun  zu  einer  näheren  Beschreibung  meiner  Versuche 
über.  Als  Nährlösung  für  Nitritbildner  wurde  die  bewährte 
WiNOGRADSKY'sche       Nährlösung       benutzt.  [Zusammensetzung: 

Ammoniumsulfat  2 — 2,5  g,  Dikaliumphosphat  1  g,  Magnesiumsulfat 
0,5  ^,  Chlorcalcium:  Spuren,  destilliertes  Wasser  1  Z.]  Statt  des 
destillierten  Wassers  verwandte  ich  für  die  Mudproben  aus  der  Ost- 
see entweder  Ostseewasser  oder  eine  1,5-  bis  2prozentige  Seesalz- 
lösung. Das  Impfmaterial  aus  der  Nordsee  (Helgoland)  und  aus  dem 
Golf  von  Neapel  wurde  dagegen  in  einer  3,3-  bis  3,7prozentigen 
Seesalzlösung  angesetzt.  Für  die  Kultur  der  Nitratbildner  wurde  in 
der  eben  erwähnten  Nährlösung  das  Ammoniumsulfat  durch  1  g 
Natriumnitrit  ersetzt.  ERLENMEYER- Kolben  wurden  mit  der  Kultur- 
flüssigkeit beschickt,  die  durchschnittlich  1  cm  hoch  den  Boden  be- 
deckte. Basisch  kohlensaure  Magnesia  wurde  im  Überschuss  zu- 
gefügt und  bildete  einen  Belag  von  etwa  2  mm  Stärke.  Vor  der 
Impfung  wurden  die  Kolben  im  Autoklaven  sterilisiert.  Als  Impf- 
menge diente  ungefähr  0,1 — 0,5  ccm  Substanz.  Zur  Untersuchung 
auf  Ammoniak  wurde  NeSSLER's  Reagens  benutzt,  auf  Nitrite  das 
Reagens  von  TrOMMSDORFF  [Zinkjodidstärkelösung].  Zur  Prüfung 
der  Kulturen  auf  Nitrate  diente  Diphenylamin-Schwefelsäure  (nach 
Zerstörung  des  Nitrits  durch  Aufkochen  mit  Harnstoff  in  saurer 
Lösung). 

Zunächst  berichte  ich  über  die  Befunde  in  der  Kieler 
Föhrde.  Im  Laufe  des  Jahres  1906  wurden  an  mehreren  Stellen 
des  Binnenhafens,  der  Kieler  Föhrde  und  Aussenföhrde  eine  grössere 
Zahl  von  Schlickproben  entnommen  und  die  vorhin  erwähnten 
Kulturgefässe  damit  beimpft.  Die  Schlickproben  stammten  aus 
Tiefen  von  3 — 20  m.  Gleichzeitig  wurden  zur  Kontrolle  stets 
Kolben  nach  der  Impfung  sterilisiert  und  im  gleichen  Raum  auf- 
bewahrt. Das  Impfmaterial  der  Kieler  Föhrde  wurde  selbst- 
verständlich vor  jeder  Infektion  geschützt.  Es  gelangte  nach  Herauf- 
holen mit  der  Schlammröhre  sofort  in  sterilisierte,  mit  Watte  ver- 
schlossene Kolben  und  wurde  daraus  zwecks  Impfung  mittels  steriler 
Platinöse  entnommen.  Nach  einigen  Wochen  zeigten  alle  Ammoniak- 
kulturen  eine  starke  Nitritreaktiou.  Mit  dem  allmählichen  An- 
wachsen derselben  wurde  die  Ammoniakreaktion  schwächer  und 
verschwand  schliesslich  ganz,  so  dass  die  Kolben  statt  des  Ammoniaks 
jetzt    nur    noch    Nitrit    enthielten.      Die    zur  Kontrolle    sterilisierten 


über  das  Vorkommen  von  Nitrobakterien  im  Meere.  19 

Gefässe  zeigten  jedoch  während  der  ganzen  Zeit  nur  Ammoniak- 
reaktion. Sie  wiesen  auch  nach  mehrmonatlichem  Stehen  kein 
Nitrit  auf.  Somit  war  nachgewiesen,  dass  die  Nitritbildung  von 
Organismen  herrühren  musste  und  nicht  in  Verunreinigungen  der 
Laboratoriurasluft  usw.  ihre  Ursache  hatte.  Dafür  sprach  weiter, 
dass  der  Prozess  der  Umwandlung  des  Ammoniaks  in  Nitrit  bei 
niedriger  Temperatur  (10 — 15°  C.)  viel  langsamer  verlief,  als  bei 
einer  Temperatur  von  28°  C,  wie  sie  im  Thermostaten  erreicht 
werden  konnte. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  stets  erfolgenden  Oxydation  des 
Ammoniaks  zu  Nitrit  behielten  die  Nitritnährlösungen  stets  ihre 
Nitritreaktion,  wenn  das  Impfmaterial  aus  etwas  grösserer  Entfernung 
vom  Lande  stammte.  Nur  in  Schlammproben,  die  nicht  weit  vom 
Lande  entnommen  waren  (z.  B.  in  Kiel:  Seeburgbrücke,  Wittlings- 
kuhle), Hessen  sich  die  Nitratbakterien  nachweisen. 

In  den  oberen  Schichten  des  Seewassers,  auf  festsitzenden  und 
auf  Planktonalgen  Hessen  sich  nitrifizierende  Bakterien  in  keinem 
Falle  auffinden. 

Anfang  Juni  1906  erhielt  ich  vier  Schlickproben  aus 
Neapel  aus  20,  30,  50  und  100  m  Tiefe.  Zur  Beschleunigung 
des  Nitrifikationsprozesses  gelangten  diese  Kulturen  in  den  Thermo- 
staten (28°  C).  Nach  16  Tagen  gaben  sämtliche  Neapler  Kulturen 
die  erste  Nitritreaktion.  Dass  diese  positiven  Ergebnisse  vollständig- 
einwandfrei  waren,  sollte  durch  eine  zweite  Untersuchung  seine  Be- 
stätio-uno;  finden.  Deshalb  wurden  Ende  Oktober  1906  nochmals 
Schlickproben  aus  Neapel  bezogen.  Diese  stammten  von  ver- 
schiedenen Stellen  des  Golfes  aus  20,  30,  50  und  100  m  Tiefe.  Die 
Entfernung  vom  Ufer  war  500,  700,  lÖOO  und  2000  m.  Auch  diese 
Kulturen  ergaben  nach  18  Tagen  sämtlich  starke  Nitritreaktion. 

Dagegen  konnten  Nitratbildner  auch  im  Neapler  Material  nur 
dann  nachgewiesen  werden,  wenn  dieses  höchstens  aus  500  m  Ent- 
fernung vom  Ufer  stammte.  Mit  solchem  Mud  angesetzte  Nitrit- 
nährlösungen wandelten  sämtlich  ihr  Nitrit  in  Nitrat  um,  während 
dies  bei  den  anderen  Schlammproben  nicht  beobachtet  werden 
konnte. 

Um  den  Geo-ensatz  meiner  Befunde  mit  den  NATHANSOHN'scheu 
Resultaten  aufzuhellen,  waren  gleichzeitig  auch  mit  dessen  Nähr- 
lösung Kulturen  angesetzt  worden.  Diese  Kulturflüssigkeit  hat  wegen 
ihrer  unvollkommenen  Zusammensetzung  (sie  enthält  ausser  basischem 
Magnesiumkarbonat  und  O,lprozentigem  Ammoniumchlorid  nur  See- 
wasser, ihr  fehlen  daher  vor  allem  die  Phosphate)  eine  weniger 
günstige  Wirkung.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  die  nötigen 
Phosphorsalze  im  Impfsclilick  und  im  Seewasser  in  ausreichender 
Menge  vorhanden  sind.     Daher  gaben   diese  Kulturen    erst    16  Tage 

2* 


20  Peter  Thomsen: 

später  als  die  vorhin  erwälinten  eine  starke  Nitritreaktion.  Vielleicht 
hat  Nathansohn  seine  Kulturen  nicht  hinreichend  lano:e  Zeit  beob- 
achtet,  so  dass  darin  die  Ursache  seiner  negativen  Resultate  läge. 

Man  könnte  geneigt  sein  zu  glauben,  dass  der  Neapler  Schlick 
vielleicht  auf  der  Reise  verunreinigt  sei  und  dadurch  Organismen  in 
ihn  gelangt  seien,  die  ihm  ursprünglich  nicht  eigen  waren.  Dies  ist 
jedoch  ausgeschlossen,  da  die  verwendeten  Bodenproben  aus  dem 
Golf  von  Neapel  sofort  nach  Heraufholen  in  sterilisierte,  mit  ein- 
geschliffenem Stöpsel  versehene  Fläschchen  gefüllt  waren,  auch  das 
völlig  gleiche  Ergebnis  beider  Untersuchungsreihen  lässt  Verunreini- 
gungen ausgeschlossen  erscheinen. 

Im  Juni    1906    traf   eine    Schlammprobe    aus    der    Fahr- 
rinne bei  Helgoland  ein.     Die  Nährlösung  hatte    die  Zusammen- 
setzung der  Neapler  Kulturen.     Auch  diese  Kolben    wurden    in    den 
Thermostaten  (28°  C.)  gestellt.      Es    konnte    die  Bildung   von  Nitrit 
und    das  Verschwinden    der    Ammoniakreaktion    konstatiert    werden. 
Weitere  Untersuchungen  mit  Helgoländer  Material    sind    vorgesehen. 
Der  triftigste  Grund   dafür,    dass    die  Nitrifikationserreger  wirk- 
lich aus  der  Föhrde  bezw.  dem  Neapler  Golf  stammen,    scheint    mir 
ihr  Verhalten  gegenüber  anderen  Seesalzkonzentrationen    als    denen, 
die  ihrem  natürlichen  Medium    entsprechen    würden.      Arbeitet  man 
nämlich    mit  Schlickproben    aus    der    Kieler  Föhrde,    denen    voraus- 
sichtlich   ein    Seesalzgehalt    der    Nährlösung    von    1,5 — 2,5  pCt.    am 
besten  zusagen  würde,  so  beobachtet  man,  dass  in  einer  Nährlösung, 
die  mit  destilliertem  Wasser    angesetzt    ist,    keine  Nitrifikation    auf- 
tritt, oder  falls  es    dazu    kommt,    diese    doch    bedeutend    später    er- 
scheint, als  in  einer  mit  2  pCt.  Seesalz  angesetzten  Kultur.     Gleiche 
Hemmung    zeigen    auch  Steigerungen    der    Konzentration    auf   3  bis 
4  pCt.    Seesalzgehalt.      Bei    5  pCt.    konnte    bei  Ostseeschlick    über- 
haupt keine  Nitritbildung    mehr    beobachtet    werden.      Ganz    analog 
verhielten  sich  auch  die  Schlammproben  aus  Neapel.     Hier    enthielt 
die  gebräuchliche  Nährlösung  3,3—3,7  pCt.  Seesalz,    was    etwa    dem 
Mittelmeerwasser  entspricht.     Wird  jedoch  das  Impfmaterial    gleich- 
zeitig   in  Nährlösungen    von    1,5  pCt.  und  5  pCt.  Seesalzgehalt    ein- 
gebracht,   so    verzögert    sich    die  Nitrifikation  um  die  dop])elte  Zeit. 
Die  Verzögerung  ist  also  noch  grösser,  als  bei  der  vorhin  erwähnten 
NATHANSOHN'schen  Nährlösung,    trotzdem    hier    kein  Nährsalz    fehlt, 
sondern    nur    eine     unpassende    Konzentration    der    Kulturflüssigkeit 
vorliegt.      Es    sind    dies    also    Anpassungserscheinungen    der    nitri- 
fizierenden    Organismen    an    das    natürliche    Medium,     die    es    aus- 
geschlossen   erscheinen    lassen,    dass    der    verwendete  Schlick    durch 
Festlandsorganismen  verunreinigt  worden  ist. 

In  morphologischer  Hinsicht  bieten  die  Nitrifikationserreger  des 
Salzwassers,  soweit  ich  bis  jetzt  beobachtet  habe,  dasselbe  Bild,   wie 


über  das  Vorkommen  von  Nitrobakterien  im  Meere.  2] 

die  durch  die  Arbeiten  WiNOGRADSKY's  bekannt    gewordenen    nitri- 
fizißrenden  Organismen  des  Festlandes. 

Wird  eine  amnioniakhaltige  Nährlösung  beobachtet,  die  mit  einer 
gut  vegetierenden  Kultur  beimpft  worden  ist,  so   zeigt  sich  zunächst 
äusserlich  nichts.     Die  Flüssigkeit    bleibt    vollkommen    klar.     Wenn 
die  Kultur  die  erste    starke  Nitritreaktion    zeigt,    so    ist    dicht    über 
der    ruhenden    Magnesiaschicht    eine     schwach     bläuliche,     wolkige 
Trübung  zu  bemerken.     Entnimmt    man    der  oberen  klaren  Flüssig- 
keit einen  Tropfen,   so  zeigt  sich  bei  mikroskopischer  Untersuchung, 
dass  er  keine  Bakterien    enthält.      Ausser    ganz    unbedeutenden    an- 
organischen Verunreinigungen,    ist    in    ihm  bei  Jodjodkaliumfärbung 
überhaupt  nichts  zu  erkennen.     Dagegen  zeigt  ein    aus    dem  Boden- 
satze   stammendes    Prä])arat    ein    ganz    anderes    Bild.      Selten    sind 
isolierte  Zellchen  zu    beobachten.      Sehr    häufig    zeigen    sich   jedoch 
kleinere  und  grössere,  rundliche,    fest  umgi-enzte  Kolonien,    die    sich 
scharf  von  lockeren  Anhäufungen  unterscheiden  lassen.      Ihr  Durch- 
messer beträgt  etwa  5 — 50  ii.     In  diesem  Stadium    zeigt    die  Kultur 
noch  eine  starke  Ammoniakreaktion.     Allmählich  verbreitet  sich  die 
Trübung  in  der  ganzen  Flüssigkeit,  doch  bleibt  sie  sehr  schwach,  so 
dass    sie    erst    bei    aufmerksamer  Betrachtung    sichtbar  wird.     Dann 
lässt    sich    durch    eine    erneute    mikroskopische    Prüfung   feststellen, 
dass    die  Bakterien    auch    in    den    oberen  Schichten    der  Nährlösung- 
vorhanden    sind.      Die    Ammoniakreaktion    ist    jetzt    schwächer    als 
früher.     Die  Zellen  liegen  frei  oder  in  kleinen  Gruppen.     Fast    alle 
Zellen  sind  oval  verlängert  und   sehr  viele  Bakterien  zeigen  bisquit- 
förmige  Teilungsfiguren.    Im  Bodensatz  überwiegen  jetzt  freie  Zellen, 
während    die    früher  fest  umgrenzten  Zooglöen    am  Rande  gelockert 
erscheinen.     Überall  wo  Magnesiateilchen  liegen,  kann  man  auch  die 
typischen  Formen  der  Nitritbakterien   beobachten.     Magnesiasplitter- 
chen    scheinen    das    Substrat    zu    sein,    auf   dem    diese    Organismen 
leben.     Verstärkt  man   die  Kultur  fortwährend  durch  einige  Tropfen 
einer    lOprozentigen    Lösung    von    Ammoniumsulfat,     so     kann    die 
schwache    Trübung    der    Nährlösung    andauern.      Wird    jedoch    das 
Ammoniumsulfat  vollständig  verbraucht,   so  tritt  nach  einigen  Tagen 
eine  Klärung  der  Flüssigkeit  ein.      Man    findet   jetzt    die  Bakterien 
nur  in  grösseren  und  kleineren  lockeren  Anhäufungen   im  Bodensatz 
vor,  während  die  oberen  Flüssigkeitsschichten  frei  davon  sind. 

Andererseits  wurden  auch  Kulturen  beobachtet,  die  scheinbar 
ausschliesslich  ein  Wachstum  in  Zooglöen  aufwiesen,  so  dass  ein 
Bodenpräparat  aus  einer  häufig  mit  Ammoniumsulfat  angereicherten 
Kultur  stets  und  ausschliesslich  grosse  Mengen  der  typischen,  fest 
umrandeten  Zooglöen  enthielt.  Dagegen  Hessen  sich  keine  frei- 
liegenden Zellen  auffinden.     Im  hängenden  Tropfen  konnte  zuweilen 


22  Alfred  Fischee:  Erklärung. 

das  Schwärmen  isolierter  Zellen  beobachtet  werden,  Geisseifärbungen 
sind  jedoch  nicht  gemacht  worden. 

Magnesiagipsplatten  nach  OmelIANSKI  wurden  dazu  benutzt,  den 
Nitritbildner  aus  der  Kieler  Föhrde  zu  isolieren.  Aus  einer  mehr- 
fach überimpften  Rohkultur,  die  stark  Ammoniak  zu  Nitrit  oxydierte, 
wurde  mittelst  Platinöse  ein  Tropfen  entnommen  und  auf  der  Platte 
ausgebreitet.  Bei  günstiger  Teriiperatur  zeigte  sich  schon  nach 
wenigen  Tagen  starke  Nitritreaktion.  Gleichzeitig  konnte  man  auf 
den  Impfstrichen  winzige,  gelbe  Pünktchen  erkennen.  Diese  er- 
wiesen sich  als  Anhäufungen  von  zahlreichen  Nitritbakterien.  Durch 
vorsichtiges  Abimpfen  mittels  steriler  Platinnadel  und  Übertragen  in 
sterilisierte  Ammoniaknährlösungen  gelang  es,  diesen  Organismus  in 
Reinzucht  zu  erhalten. 

Da  der  Nitratbildner  erst  in  letzter  Zeit  in  Schlickproben  aus 
der  Nähe  des  Landes  bemerkt  wurde,  ist  er  bis  jetzt  noch  nicht  ge- 
nauer untersucht  worden. 


4.   Alfred  Fischer:   Erklärung. 

Eingegangen  am  24.  Januar  1907. 


Die  im  Novemberheft  190G  dieser  Berichte  erschienene  Mit- 
teilung GarbowSKI's  über  Plasmoptyse  nötigt  mich  zu  einer  Erklärung. 
Der  Verfasser  hat  im  Sommer  1906  bei  mir  über  Plasmoptyse  ge- 
arbeitet, ohne  zu  einem  Ijefriedigenden  Abschluss  seiner  Unter- 
suchungen zu  gelangen.  Die  Yeröffeutlichung  der  teils  unfertigen, 
teils  fehlerhaften  Beobachtungen  ist  ohne  meine  Erlaubnis  geschehen. 
Ebenso  könnten  weitere  Mitteilungen,  die  Herr  GaeBOWSKI  über 
seine  in  Basel  angestellten  Untersuchungen  ankündigt,  nicht  anders 
als  ohne  meine  Zustimmuno*  erfols^en. 


E.  JAHN:  Myxoraycetenstudien.  93 


5.   E.  Jahn:   Myxomycetenstudien. 

Eingegangen  am  24.  Januar  1907. 


6.    Keruverscliinelznngen  und  Reduktionsteiluügen. 

Im  Jahre  1884  hat  STRASBURGER  zuerst  beobachtet,  dass  in 
jungen  Sporangien  von  Trichia  fallax^  kurz  bevor  das  Plasma  in 
Sporen  zerfällt,  eine  indirekte  Teilung  sämtlicher  Kerne  stattfindet. 
Acht  Jahre  später  hat  ROSEN  und  nach  einem  weiteren  Jahre 
Arthur  Lister  Mitteilungen  über  denselben  Voroans;  g-emacht: 
schliesslich  hat  im  Jahre  1900  HaRPER  noch  einmal  eine  o-euaue 
Schilderung  dieser  Kernteilung  gegeben.  —  Die  beiden  letzten 
Beobachter,  die  sich  schon  der  verbesserten  Abtötungs-  und  Färbe- 
methoden der  neueren  Technik  bedienen  konnten,  stimmen  darin 
überein,  dass  die  Karyokinese  durchaus  derjenigen  einer  Metaphyten- 
oder  Metazoenzelle  gleicht,  soweit  die  Kleinheit  der  Kerne  Einzel- 
heiten erkennen  lässt. 

In  seiner  Abhandlung  über  die  Kernteilung  bei  den  Myxomyceten 
(Nr.  6,  S.  537)  gedenkt  LiSTER  auch  des  Vorkommens  degenerierter 
Kerne.  Er  fand  sie  bei  Trichia  fallax  und  Physarum  leucophaeum^ 
dagegen  nicht  bei  Comatricha  nigra  Sehr.  Sie  tauchten  bei  Physarum 
schon  in  sehr  jugendlichen  Sporangien  auf  und  zogen  durch  ihre 
erhöhte  Färbbarkeit  die  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Merkwürdio-  war, 
dass  sie  oft  in  Paaren  nebeneinander  lagen.  Bei  Trichia  fallax 
wurden  sie  erst  während  der  Elaterenbildung  deutlich.  Während 
der  Endkaryokinese  verschwanden  sie  und  waren  während  der 
Sporenbildung  nur  noch  mit  Mühe  zu  finden. 

Bei  einer  Untersuchung  (Nr.  3),  die  Fräulein  HELENE  KRÄNZLIN 
im  hiesigen  Institut  über  die  Entwicklung  der  Sporangien  bei  den 
Trichien  und  Arcyrien  anstellte,  sah  sie  auf  Schnitten  durch  reifere 
Sporangien  ebenfalls  regelmässig  diese  degenerierten  Kerne.  Es  lag 
nahe,  ihren  Ursprung  zu  verfolgen.  Auf  jüngeren  Stadien  war  zu 
erkennen,  dass  die  dem  Untergang  geweihten  Kerne  sich  zunächst 
nur  durch  ihre  geringere  Grösse  von  den  übrigen  unterschieden. 
Die  grossen  Kerne  verdankten  aber,  wie  sie  weiter  zeigen  konnte, 
ihre  Grösse  der  Entstehuns;  aus  zwei  einzelnen  verschmolzenen 
Kernen.  Auf  Schnitten  durch  genügend  junge  Sporangien  konnte 
sie  fast  sämtliche  Kerne  paarweis  neben  einander  liegend  sehen. 

Damit  war  der  Ursprung  der  degenerierten  Kerne  aufgeklärt. 
In  jungen  Fruchtkörpern  der  Myxomyceten  findet  eine  Karyogamie 
statt.     Diejenigen  Kerne,  die  dabei  keinen  oder  —  wie  es  vielleicht 


24  E.  JAHN: 

bei   Physarum  der  Fall  ist  —  erst  zu  spät  einen  Partner  finden,  ver- 
fallen der  Degeneration. 

Unsere  weiteren  Bemühungen  waren  nun  darauf  gerichtet,  den 
Verlauf  und  die  Bedeutung  der  Karyogamie  festzustellen.  Der 
Doppelkern  schwillt  gleich  nach  der  Verschmelzung  mächtig  an,  das 
Chromatin  erscheint  zunächst  noch  in  Gestalt  eines  dünnen,  wenig 
färbbaren  Fadens.  Dann  treten  Knoten  auf,  und  im  Innern  des 
Kerns,  der  jetzt  wieder  kleiner  geworden  ist,  erscheinen  deutlich 
acht  dicke  Doppelchromosomen.  Wir  glauben  berechtigt  zu  sein,  in 
diesen  beiden  Stadien  das  der  Synapsis  und  der  Diakinese  zu 
erblicken. 

Darauf  folgt  alsbald  die  eingangs  erwähnte  Karyokiuese  und 
dann  die  Sporenbildung.  Wenn  unsere  Ansicht  richtig  ist,  dann 
wäre  also  die  Endkaryokinese  homolog  der  sogenannten  heterotypischen 
Kernteilung  in  den  „Gonotokonten"zellen  der  Metaphyten  und 
Metazoen.  Vierergruppen,  oder  andere  Kennzeichen,  die  gerade  dieser 
Karyokinese  den  heterotypischen  Charakter  gegeben  haben,  konnten 
wir  ebensowenig  wie  frühere  Beobachter  finden.  Die  Kerne  sind  zu 
klein.  Eine  Reduktion  der  Chromosomen  findet  jedenfalls  in  dieser 
Teilung  noch  nicht  statt.  Die  Chromosomen  sind  kurz  und  dick; 
wahrscheinlich  gelangen  je  8  doppelte  in  einen  Tochterkern. 

Jeder  dieser  Tochterkerne  wird  zum  Kerne  einer  Spore  und 
geht  in  den  Ruhezustand  über.  Synapsis,  Diakinese  und  hetero- 
typische Teilung  sind  die  Vorbereitungen  zur  Reduktion.  Darnach 
müsste  bei  der  nächsten  Kernteilung,  also  der  ersten  Teilung  des 
aus  der  Spore  kriechenden  Amöben  oder  Schwärmer,  die  eigentliche 
Reduktionsteilung,  die  homöotypische  Teilung,  erfolgen.  Wir  halten 
es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  dies  tatsächlich  geschieht.  Ich  habe 
Zeichnungen  der  Karyokinese  einer  grossen  Zahl  von  Schwärmern 
aus  verschiedenen  Gattungen  (Amaurochaete,  Reticularia,  Trichia, 
Badhamia,  Sie^notiitis,  Didymium).  Gewöhnlich  zeigen  diese  Bilder, 
von  denen  ich  einige  (Nr.  5)  veröffentlicht  habe,  nur  4  Chromosomen 
in  den  Tochterkernen.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  aber,  wie 
einzelne  Figuren  beweisen,  um  Doppelchromosomen,  so  dass  die 
Tochterkerne  die  richtige  reduzierte  Zahl  erhalten. 

Wir  haben  also  bei  den  echten  Myxomyceten  den  eigentümlichen 
Fall,  dass  die  Sporenruhe  zwischen  die  beiden  Kernteilungen  des 
Reduktionsprozesses  fällt.  Bei  Frotophyten,  namentlich  bei  Pilzen 
ist  sonst  der  Fall  häufiger,  dass  die  Sporenbildung  gleich  nach  der 
Karyogamie  erfolgt.  Ein  besonders  lehrreiches  Beispiel  dieses  Ver- 
haltens bei  Algen  hat  vor  kurzem  ALLEN  (Xr.  1)  beschrieben. 

Es  ist  von  hohem  Interesse,  dass  die  Gattung  Ceratiomyxa, 
zweifellos  eine  sehr  primitive  Form  unter  den  Myxomyceten,  sich 
anders    verhält.      Die    Fruchtkörper    sind    hier    sehr    einfach.      Das 


Myxomycetenstudien.  25 

Plasmodium  kommt  aus  dem  Substrat  heraus,  verzweigt  sich  geweih- 
artiü;  und  bildet  auf  der  Oberfläche  der  Hörnchen  dieses  Geweihs 
gestielte  Sporen.  Biologisch  sind  die  Fruchtkörper  also  gleichwertig 
denen  mancher  niederer  Basidiomycetengattungen  {Ciavaria). 

Schnitte  durch  junge  Fruchtkörper  zeigen,  dass  ebenfalls  eine 
Karyogamie  stattfindet.  Daran  schliessen  sich  Synapsis  und  Diakinesis, 
wie  bei  den  anderen  Myxomyceten.  Kurz  vor  der  Sporenbildung- 
erfolgt  eine  Karyokinese,  aber  gleich  darauf  eine  zweite,  die  deutlich 
eine  Reduktionsteilung  ist.  Beide  sind  also  der  heterotypischen 
und  der  homöotypischen  Teilung  gleichwertig.  Statt  des  grossen 
Kerns,  der  vorher  vorhanden  war,  liegen  jetzt  im  Plasma  vier  sehr 
kleine.  Von  diesen  geht  merkwürdigerweise  mindestens  die  Hälfte 
zugrunde,  die  übrigbleibendenden  werden  zu  Sporenkernen.  In  den 
jungen  Sporen  liegen  gewöhnlich  einer  oder  mehrere  dieser  degene- 
rierenden Kerne  neben  einem  normalen.  Dieser,  zuerst  sehr  klein, 
schwillt  zunächst  w^ieder  ausserordentlich  an,  schliesslich  teilt  er  sich 
noch  zweimal.  Die  reife  Spore  hat  also  vier  kleine  Kerne.  Wenn 
diese  keimt,  erfolgt  zuerst  wiederum  eine  Teilung  je  eines  Kernes. 
Aus  der  vierkernigen  Amöbe,  welche  die  Sporenhülle  verlässt, 
werden  also  dann  acht  einkernige  Schwärmer. 

Wir  hätten  demnach  bei  Ceratiomijxa  statt  der  Endkaryokinese 
und  der  Schwärmerteilung  der  übrigen  Myxomyceten  im  ganzen 
fünf  Karyokinesen.  Nur  die  ersten  beiden  dürfen  wir  als  homolog 
den  beiden  der  anderen  Gattungen  betrachten.  Die  Spore  eines 
gewöhnlichen  Myxomyceten  ist  also  gleichwertig  dem  Tochterkeru 
der  ersten  Mitose  von  Ceratiomyxa^  und  diesem  Kern  entsprechen 
(oder  entstammen  bald  darauf)  zwei  vierkernige  Sporen  dieser 
Gattung. 

Bei  allen  Myxomyceten  einschliesslich  C(9;'a^^om_y^a  ist  die  Generation 
mit  doppelter  Chromosomenzahl  von  sehr  kurzer  Dauer.  Schwärmer, 
Amöben  und  Plasmodium  haben  wahrscheinlich  die  einfache  Chro- 
mosomenzahl. Nur  während  der  Bildung  der  Fruchtkörper,  also 
gerade  in  der  Zeit,  in  der  die  meisten  Gattungen  in  dem  eigentüm- 
lichen Bau  der  Sporangien  ihre  Gestaltungskraft  und  Entwicklungs- 
höhe zeigen,  ist  die  doppelte  Chromosomenzahl  vorhanden. 

Bei  Protophyten  (Pilzen  und  Algen)  sind  die  Fälle  tatsächlich 
beobachteter  Reduktionsteiluugen  noch  ziemlich  spärlich.  Ich  will 
hier  nicht  auf  sie  eingehen,  da  HarpeR  (Xr.  4)  und  ALLEN  (Nr.  1) 
erst  jüngst  Zusammenstellungen  gegeben  haben.  Von  Protozoen 
kenne  ich  in  der  Litteratur  folgende  Fälle:  SCHAUDINN  (Nr.  9)  bei 
der  Gattung  Trypanosoma^  PROWAZEK  bei  andern  Arten  derselben 
Gattung,  PRANDTL  (Nr.  7)  bei  dem  Infusor  Didinium  nasutum  und 
schliesslich  BOTT  (Nr.  2)  bei  der  zu  den  Rhizopoden  gehörigen 
Gattung  Pelomxjxa. 


26  Gustav  Gassner  : 

Die  letztgenannte  Arbeit  ist  dadurch  interessant,  dass  die  Kern- 
teilungsfiguren während  der  Reduktion  denen  von  Ceratiomyxa  sehr 
ähnlich  sind.  Der  Entwicklungsgang  ist  allerdings  bei  Pelomyxa 
noch  verwickelter.  Tielleicht  haben  wir  in  Pelomyxa,  Ceratiomyxa 
und  den  höheren  Formen  der  Myxoniyceten  Gattungen  vor  uns,  die 
von  Gliedern  einer  Entwicklungsreihe  ausgegangen  sind.  In  der 
fortschreitenden  Anpassung  an  die  Ausstreuung  der  Sporen  durch 
die  Luft  ist  der  Sexualakt  weiter  umgestaltet  und  vereinfacht  worden. 

Berlin,  Botanisches  Institut  der  Universität. 


Literatur. 


1.  Chaeles  E.  Allen,   Die  Keimung  der  Zygote  bei  Coleochaete.    Diese  Berichte. 

XXIII.    1905.    S.  285. 

2.  Karl  Bott,   Über  die  Fortpflanzung  von    Pelomyxa   palustris.    Archiv  für  Pro- 

tistenkunde.    Bd.  VIII.    1906.    S.  120. 

3.  Helene    KräNZLIN,     Zur    Entwicklungsgeschichte     der    Sporangien    bei    den 

Trichien  und  Arcyrien.    Archiv  für  Protistenkunde.   Bd.  IX.   Heft  1.    1907 
(noch  nicht  erschienen). 

4.  R.    A.    Harper,     Sexual    reproduction     and    the    Organization    of   the    nucleus 

in    certain    mildews.      Carnegie    institution    of    Washington.      Publication 
Nr.  37.    1905. 

5.  E.  Jahn,    Myxomycetenstudien.      3.   Kernteilung    und    Geisselbildung    bei    den 

Schv/ärmein  von  Stemonüis  flaccida.  Diese  Berichte  Bd.  XXII.  1904.   S.  84. 
G.  Arthur  Lister,  On  the  division  of  nuclei  in  the  Mycetozoa.   Linnean  Society's 
Journal.    Vol.  29.     1903.    S.  529. 

7.  Hans  Prandtl,  Die  Konjugation  von  Didinium  nasutum.    Archiv  für  Protisten- 

kunde.   Bd.  VII.     1906.    S.  229. 

8.  VON  Prowazek,  Studien  über  Säugetiertrypanosomen.  Arbeiten  aus  dem  Kaiserl. 

Gesundheitsamt.  XXII.  1905. 

9.  Fritz    Schaudinn,     Generations-    und    Wirtswechsel     bei    Trypanosoma    und 

Spirocliaete.    Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  .Gesundheitsamt.    XX.     1904. 


6.   Gustav  Gassner:   Zur  Frage  der  Eiektrokuitur. 

Mit  zwei  Figuren  im  Text. 
Eingegangen  am  24.  Januar  1907. 


Eine  Anwendung  der  Elektrizität  in  der  Absicht,  die  Erträge 
unserer  Kulturpflanzen  zu  erhöhen,  lässt  sich  in  verschiedener  Weise 
bewerkstelligen.      Die    von    mir    angestellten  Versuche    beschränken 


Zur  Frage  der  Elektrokultur.  27 

sich  auf  die  beiden  hauptsächlichsten  bisher  in  Vorschlag  gebrachten 
Anwendungen/) 

I.  Elektrische  Behandlung  der  Pflanzen  mittels  Durchleiten   des 
elektrischen  Stromes  durch   das  Erdreich,   in   dem   die  Pflanzen 

wachsen. 

Nach  einigen  älteren  Angaben,  die  sich  namentlich  in  populären 
Zeitschriften  finden  und  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  auftauchen, 
soll  eine  günstige  Beeinflussung  des  Pflanzenwachstums  dadurch  er- 
reicht werden,  dass  man  an  einer  Seite  der  zu  behandelnden  Pflanze 
bezw.  Beete  eine  Kupferplatte  und  an  der  entgegengesetzten  eine 
Zinkplatte  in  den  Boden  senkt  und  diese  leitend  durch  einen  Draht 
verbindet.  Der  durch  dieses  Kupfer-Zink-Eleraent  erzeugte  Strom 
durchfliesst  die  Erde  und  soll  so  die  Pflanzen  beeinflussen. 

Zur  Nachprüfung  stellte  ich  eine  Reihe  von  Versuchen  mit 
Gerste,  Buchweizen  und  Erbsen  an,  die  jedoch  ausnahmslos  ergebnislos 
verliefen.  Ein  günstiger  Einfluss  auf  die  so  behandelten  Pflanzen 
im  Vergleich  zu  den  in  den  Kontrollkästen  befindlichen  Hess  sich 
nicht  feststellen. 

LÖWENHERZ  ^)  wies  bereits  darauf  hin,  dass  der  bei  dieser 
Versuchsanordnung  erzeugte  Strom  infolge  des  hohen  Leitungs- 
widerstandes der  Erde  zu  schwach  sein  dürfte,  um  überhaupt  eine 
Wirkung  auszuüben.  Ich  kann  das  nur  bestätigen;  bei  einer 
Elektrodenentfernuno-  von  1  m  zeigte  das  zur  Strommessuno;  benutzte 
Milliamperemeter  (1  Teilstrich  der  Skala  =  Vioooo  Ampere)  nur  durch 
einen  kaum  noch  merkbaren  Ausschlag  das  Vorhandensein  eines 
Stromes  an. 

Eine  Elektrokultur  nach  diesem  Verfahren  muss  daher  von 
vornherein  als  wenig  aussichtsreich  erscheinen. 

Um  überhaupt  festzustellen,  ob  der  elektrische  Strom  einen 
Einfluss  auf  das  Pflanzenwachstum  ausübt,  muss  man  den  von  einer 
stärkeren  Batterie  erzeugten  Strom  mittels  in  die  Erde  gesteckter 
Elektroden  (am  besten  Kohleplatten)  durch  das  Erdreich  hindurch- 
leiten.    Versuche  dieser  Art  wurden  von  LüWENHERZ  angestellt. 


1)  Die  Versuche  sind  ausser  einigen  in  der  Kais.  Biolog.  Anstalt  zu  Dahlem 
angestellten  im  Botanischen  Institut  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin 
ausgeführt.  Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Kny  spreche  ich  für  das  Interesse  an 
meinen  Arbeiten  und  das  gütige  Entgegenkommeu  in  der  Anschaffung  der  nötigen 
Apparate  meinen  verbindlichsten  Dank  aus,  Herrn  Privatdozenten  Dr.  W.  MAGNUS 
insbesondere  für  die  gütige  Übernahme  der  Korrekturlesungen.  —  Leider  war  es 
infolge  meiner  Berufung  an  die  Universität  Montevideo  nicht  möglich,  die  Ver- 
suche schon  jetzt  soweit  fortzuführen,  wie  es  ursprünglich  meine  Absicht  war. 

2)  Richard  LöT\'ENHERZ,  Versuche  über  Elektrokultur.  Zeitschrift  für 
Pflanzenkrankheiten,  XV.  Bd.,  Jahrg.  1905. 


28  Gustav  Gassner : 

Bei  meinen  Yersucben  verwandte  ich  den  Strom  der  Licht- 
leitung (Gleichstrom,  Spannung  110  Volt).  Als  Kulturgefässe  für  die 
Pflanzen  dienten  Holzkästen  von  1  m  Länge  bei  100  ({cm  Quer- 
schnitt. 

Die  Versuche  lieferten  in  der  Hauptsache  eine  Bestätigung  des 
von  LÖWENHERZ  gefundenen  Ergebnisses:  schwächere  Ströme  wirken 
überhaupt  nicht  auf  die  Pflanzen  ein,  stärkere  dagegen  nicht  nur 
nicht  günstig,  sondern  direkt  schädlich.  Die  schädigende  Wirkung 
macht  sich  zunächst  an  dem  schlechten  Auflaufen  der  zur  Keimung 
ausoreleaten  und  dabei  dem  Strom  ausgesetzten  Körner  bemerkbar. 

LüWENHERZ  beendigte  seine  Versuche  gewöhnlich  bald  nach 
dem  Auflaufen  der  jungen  Pflanzen.  Ich  habe  einige  Versuche 
längere  Zeit  fortgesetzt,  konnte  jedoch  ebenfalls  niemals  beobachten, 
dass  eine  Förderung  des  Wachstums  durch  den  elektrischen  Strom 
stattfaiul. 

Zu  demselben  Ergebnis  führten  auch  zwei  Versuche  mit  Buch- 
weizen in  Nährlösung,  durch  die  der  Strom  mittels  der  an  anderer 
Stelle  beschriebenen  Gelatinebügel  hindurchgeleitet  wurde/')  Es 
liess  sich  sehr  deutlich  verfolgen,  wie  alle  Wurzeln  negativ  galvano- 
tropisch nach  der  Kathode  wuchsen,  dagegen  liess  sich  eine 
Förderung  der  elektrisierten  Keimlinge  nicht  feststellen.  Bei 
Steigerung  der  Stromstärke  wurden  die  Pflanzen  zum  Absterben  ge- 
bracht. 

Am  empfindlichsten  wirkt  sichtlich  der  Strom  auf  ganz  junge 
Pflanzen  ein.  Um  ältere  Pflanzen  zu  beeinflussen,  muss  man  be- 
deutend stärkere  Ströme  anwenden.  — 

Was  zunächst  die  praktische  Seite  anbetrifft,  so  ergaben  also 
diese  Versuche,  dass  eine  Elektrokultur  auch  mit  stärkeren  Strömen 
aussichtslos  ist.  Das  steht  in  Übereinstimmung  mit  der  Wirkung, 
die  ein  stärkerer  elektrischer  Strom    auf   pflanzliche  Organe    ausübt. 

Ich  gehe  im  folgenden  von  einer  Beobachtung  aus,  die  LÖWEN- 
HERZ mitteilt,  für  die  er  jedoch  keine  Erklärung  gibt.  Legt  man 
nämlich  Gerstenkörner  zur  Keimung  in  Erde  aus,  die  vom  Strom 
ilurchflossen  wird,  so  findet  man,  dass  die  Zahl  der  auflaufenden 
Körner,  also  die  Wirkung  des  Stromes  je  nach  der  Lage  der  Körner 
eine  verschiedene  ist. 

Ich  fand  dies  Ergebnis  für  Gerste  bestätigt,  und  konnte  dieselbe 
Feststellung  auch  für  Hafer,  nicht  ganz  so  deutlich  auch  bei  Weizen 
und  Roggen  machen. 

In  Fig.  la,  6,  c,  und  2a,  6,  c  sind  drei  verschiedene  Möglich- 
keiten der  Lage  eines  Gersten-  bezw.  Haferkornes  zur  Stromrichtung 
wiedergegeben.      In    a    liegt    das    Korn    mit    der    Spitze    nach    dem 


1)  G.  Gassner,  Der  Galvanotropismus  der  Wurzeln.  Botanische  Zeitung  1906. 


Zur  Frage  der  Elektrokultur. 


29 


+  P9I  (Embryo  nach  dem  -Pol),  iu  b  umgekehrt  und  in  c  senkrecht 
zur  Stromrichtung-.  In  a  wirkt  der  Strom  am  schädlichsten,  weniger 
schädlich  in  6,  und  am  wenigsten  in  der  Lage  c.  Von  je  50  aus- 
gelegten Haferkörnern  z.  B.  gingen  bei  einer  Stromdichte  von  0,U5 
bis  0,19  Milliampere^)  pro  Quadratzentimeter  des  Querschnitts  des 
Versuchsgefässes  in  der  Lage  a:  6  =  12  pCt.,  in  b:  39  =  78  pCt.  und 
in  c:  48  =  96  pCt.  auf  (im  Kontrolltopf  49  =  98  pCt.). 

Zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  muss  ich  von  meinen  früheren 
Untersuchungen  über  den  Clalvanotropismus  der  Wurzeln  ^)  ausgehen. 


a 


+ 


+ 


+ 


+ 


a 


+ 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


Ich  habe  dort  den  Nachweis  zu  führen  gesucht,  dass  die  galvano- 
tropischen Krümmungen  iu  gewisser  Beziehung  nur  einen  besonderen 
Fall  der  traumatropischen  darstellen.  Die  Wirkung  des  kon- 
stanten elektrischen  Stromes  beruht  in  einer  bisher  mit 
Sicherheit  nicht  näher  zu  präzisierenden  einseitigen 
Schädigung  der  dem  positiven  Pol  zugewendeten  W^urzel- 
seite,  die  bei  schwächeren  Strömen  zu  einer  traumatropischen 
Krümmung    nach    der    entgegengesetzten    Seite    (nach  der  Kathode), 


1)  Die  Stromstärke    schwankt    sehr    stark,    je    nach    dem    Feuchtigkeitsgehalt 
der  Erde. 

2)  1.  c. 


30  Gustav  Gassner  :  , 

bei  stärkeren  infolge  der  Abtötuug  der  positiven  Wurzelseite  zu 
einer  Schädigungskrümmung  nach  dem  +  Pol  führt. 

So  vermute  ich,  dass  die  von  LüWENHERZ  zuerst  gemachte  Be- 
obachtung über  die  Einwirkung  des  Stromes  bei  verschiedener  Lage 
der  g,uskeimeuden  Körner  auf  die  schädigende  Wirkung  des  elektri- 
schen Stromes  an  der  Eintrittsstelle  zurückzuführen  ist. 

Auf  den  ersten  Blick  scheint  dem  allerdings  nicht  so  zu  sein: 
in  der  Lage  b,  in  welcher  der  Embryo  des  Korns,  als  der  empfind- 
lichste Teil,  dem  +  Pol  zugewendet  ist,  ist  die  schädigende  Wirkung 
des  Stromes  eine  weit  weniger  starke  als  in  der  Lage  a,  wo  der 
Embryo  dem  —  Pol  zugewendet  ist.  Das  Bild  ändert  sich  jedoch, 
wenn  man  den  Verlauf  der  Keimung  näher  verfolgt. 

In  der  Lage  a  ist  allerdings  der  Embryo  dem  —  Pol  zugewendet. 
Bei  der  Keimung  bricht  die  Wurzel  nach  dem  —  Pol,  das  Keimblatt 
dagegen  nach  dem  -|- Pol  durch;  dieses  wächst  zunächst  unter  den 
Spelzen  weiter,  um  dann  an  der  Spitze  des  Kornes,  d.  h.  an  der 
dem  -\-  Pol  zugewendeten  Seite  durchzubrechen.  Hier  ist  die 
Eintrittsstelle  des  Stromes,  und  da  die  Wirkung  desselben  in  der 
Schädigung  seiner  Eintrittsstelle  in  den  pflanzlichen  Organismus  be- 
steht, ist  ohne  weiteres  die  geringe  Anzahl  der  in  dieser  Lage  zum 
Auflaufen  gelangenden  Körner  verständlich. 

Anders  in  der  Lage  b:  Hier  wächst  das  Keimblatt  zunächst 
nach  dem  -  Pol,  um  dann  geotropisch  nach  oben  weiterzuwachsen; 
die  Eintrittsstelle  des  Stromes  ist  hier  die  Wurzel;  die  Schädigung 
derselben  ist  aber  bei  den  Monokotylen  nicht  von  sehr  hoher  Be- 
deutung, da  bald  für  entsprechenden  Ersatz  gesorgt  wird.  Wenn  in 
der  Lage  b  immerhin  nicht  alle  Körner  auflaufen,  so  liegt  das 
andererseits  daran,  dass  anscheinend  zuweilen  im  allerersten 
Keimungsstadium  der  ganze  Embryo  als  an  der  Eintrittsstelle  des 
Stromes  liegend  abgetötet  wird,  oder  aber  die  Schädigung  der  Wurzel- 
seite doch  eine  zu  bedeutende  ist. 

In  der  Lage  c  schliesslich  kann  eine  derartig  starke  polare 
Wirkung  des  Stromes  wie  in  a  und  b  nicht  auftreten,  da  bei  trans- 
versaler Lage  der  Kornes  zur  Stromrichtung  die  zwischen  Eintritts- 
stelle und  Austrittsstelle  des  Stromes  an  dem  Korn  bestehende 
Spannungsdifferenz  stets  um  ein  Vielfaches  kleiner  ist,  als  wenn  das 
ganze  Korn  der  Länge  nach  durchflössen  wird.  Es  könnte  höchstens 
die  dem  positiven  Pol  zugewendete  Seite  des  Keimblattes  und  der 
Wurzel  etwas  geschädigt  werden,  während  die  andere  Seite  intakt 
bleibt.  Bei  starken  Strömen  kann  allerdings  auch  diese  Schädigung 
eine  so  starke  sein,  dass  das  Korn  nicht  aufläuft. 

Mit  der  Annahme  der  polaren  Schädigung  durch  den  elektri- 
schen Strom  findet  also  die  von  LÜWENHERZ  beobachtete  Er- 
scheinung eine  sehr  ungezwungene  Erklärung. 


Zur  Frage  der  Elektrokultur.  31 

Es  mag  jedoch  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  eine  vor  kurzem 
erschienene  Arbeit  von  SCHELLENBERG  ^)  meinen  Ansichten  zu 
widersprechen  scheint.  So  bin  ich  gezwungen,  hier  zu  ibr  Stellung 
zu  nehmen. 

Das  Verständnis  der  Ergebnisse  dieser  Arbeit  wird  durch  eine 
ungewöhnliche  Bezeichnungsweise  sehr  erschwert.  Der  Verfasser 
bezeichnet  nämlich  die  Anode  als  den  „Ort,  wo  sich  das  positive 
Metallteilchen  abscheidet",  also  den  negativen  Pol,  und  die  Kathode 
entsprechend  als  den  positiven  Pol.  Da  er  nun  abwechselnd  von 
Anode  und  Kathode,  und  positivem  und  negativem  Pol  spricht,  ist 
oft  ohne  weiteres  nicht  zu  erkennen,  was  der  Autor  meint. ^) 

Werden  die  Polbezeichnungen  sinngemäss  geändert,  so  lassen 
sich  die  uns  interessierenden  Ergebnisse  SCHELLENBERG's  wie  folgt 
zusammenfassen:  die  Konzentration  einer  Salzlösung,  in  der  man  die 
Wurzeln  dem  Strom  aussetzt,  bestimmt  die  auftretenden  galvano- 
tropischen Warzelkrümmungen  insoweit,  als  bei  derselben  Strom- 
stärke die  Wurzeln  sich  in  Salzlösungen  niedriger  Konzentration 
nach  dem  +  Pol,  bei  höherer  nach  dem  -  Pol  krümmen.  Die  Kon- 
zentration, bei  der  die  Grenze  zwischen  positiven  und  negativen 
Krümmungen  liegt,  bezeichnet  SCHELLENBEßG  als  Konzentration  der 
Umstimmung,  und  diese  „ist  von  Salz  zu  Salz  verschieden". 

Aus  diesem  Verhalten  der  Wurzeln  glaubt  nun  SCHELLENBERG 
den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass  nicht  der  elektrische  Strom, 
sondern  die  Salze  des  umgebenden  Mediums  den  Galvanotropismus 
bewirken,  „dass  Chemotropismus  der  Salze  und  Galvanotropismus 
bei  Wurzeln  identische  Erscheinungen  sind". 

Der  von  SCHELLENBERG  beobachtete  Einfluss  verschiedener 
Konzentrazionen  der  umgebenden  Salzlösungen  auf  die  Krümmungs- 
richtung der  Wurzeln  ist  auch  von  mir  in  o-leicher  Weise  beobachtet 
und  beschrieben  worden. '^^  Dagegen  erklärte  ich  diese  Erscheinung 
auf  einem  anderen  Wege. 

BrUNCHORST*)  hatte  bereits  gefunden,  dass  bei  schwachen 
elektrischen  Strömen  negative,  bei  stärkereu  dagegen  positive 
Krümmungen  resultieren.  Ich  konnte  dann  des  Weiteren  zeigen, 
wie  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  nur  die  Stromdichte,  d.  h.  die 
Stromstärke  pro  Flächeneinheit  als  ausschlaggebender  Faktor  anzu- 
sehen ist. 


1  H.  C.  Schellenberg,  Untersuchungen  über  den  Einfluss  der  Salze  auf 
die  Wachstumsrichtung  der  Wurzeln,  zunächst  in  der  Erbsenwurzel. 

2)  So  z.  B  S.  488:  „Er  (Brukchoest)  findet,  dass  die  Krümmung  zur 
Anode  ähnlich  wie  die  Schwerkraft  in  der  Wurzelspitze  empfunden  wird;  da- 
gegen wird  die  positive  Krümmung  .  .  .  ."  Krümmung  zur  Anode  und  positive 
Krümmung  ist  dasselbe! 

3;  1.  c. 

4)  Vgl.  die  in  meiner  früheren  Arbeit  (l.«c.)  gegebenen  Literaturangaben. 


3-2  Gustav  Gassner  : 

Diesem  Ergebnis  lässt  sich  nun  die  sogenannte  „Umstimmung'^ 
der  Krümmungsrichtung  in  Salzlösungen  verschiedener  Konzentrationen 
bei  Durchleiten  desselben  Stromes  leicht  einordnen.  In  Salzlösungen 
niederer  Konzentration  ist  das  Leituugsvermögen  ein  schlchteres  wie 
in  denen  höherer;  ist  dasselbe  z.  B.  gleich  dem  der  in  der  Salz- 
lösung befindlichen  Wurzel,  so  werden  beim  Durchleiten  des  Stromes 
die  Kraftlinien  alle  in  grader  Linie  von  einer  Elektrode  zur  anderen 
durch  die  Flüssigkeit  und  die  Wurzel  verlaufen.  Ist  dagegen  das 
Leitungsvermögeu  des  umgebenden  Mediums  ein  anderes  als  das  der 
Wurzel,  z.  B.  schlechter,  so  werden  nach  den  Gesetzen  der  Strom- 
verzweigung die  Kraftlinien  nach  dem  besseren  Leiter  abgelenkt, 
d.  h.  auf  die  Wurzel  konzentriert;  und  umgekehrt  wird  in  einem 
Medium,  das  besser  leitet  als  die  Wurzel,  der  elektrische  Strom 
hauptsächlich  um  die  Wurzel  herum  fliessen.  Die  Zahl  der  die 
Wurzel  durchfliessenden  Kraftlinien  und  damit  die  Wirkung  des 
Stromes  hängt  also  von  dem  spezifischen  Leituugsvermögen  des  um- 
gebenden Mediums  ab:  derselbe  Strom  muss  in  schlecht  leitenden 
Elektrolyten  auf  Pflanzen  empfindlicher  wirken  wie  in  gutleitenden, 
am  schädlichsten  in  destilliertem,  fast  salzfreiem  AYasser.  Dem- 
gemäss  müssen  bei  derselben  Stromstärke  in  Salzlösungen  niederer 
Konzentration  Krümmungen  zur  Anode,  bei  höherer  Konzentration 
dagegen  Krümmungen  zur  Kathode  auftreten. 

Da  nun  ferner  das  Leitungsvermögen  der  Lösungen  der  ver- 
schiedenen Salze  ein  verschiedenes  ist,  muss  die  Grenze,  bei  der  die 
positiven  Krümmungen  aufhören,  bezw.  die  negativen  beginnen 
(nach  Schellenberg  die  „Umstimmungskonzentration")  je  nach  dem 
Leitungsvermögen  der  Elektrolyte  verschieden  sein. 

Als  Beweis  will  ich  aus  einer  grösseren  Versuchsreihe  einen 
Versuch  hier  wiedergeben.  Ausgeführte  Widerstandsmessungen  zeigten 
mir,  dass  eine  0,01prozentige  KH^Cl-Lösung  im  Verhältnis  zu  einer 
0,01  prozentigen  KoHPO^-Lösung  wie  41,8  zu  12,5  leitet.  Bei 
einer  Stromdichte  von  0,2  Milliampere  pro  Quadratzentimeter  er- 
gaben sich  für  Lupinus  albus  die  folgenden  Resultate  (siehe  die 
Tabelle  auf  S.  33). ') 

Während  bei  der  NH^Cl-Lösung  bereits  zwischen  einer  Kon- 
zentration von  0,01  und  0,02  pCt.  die  ersten  negativen  Krümmungen 
auftreten,  findet  dies  für  die  KoHPO^-Lösung  erst  zwischen  0,05 
und  0,07  pCt.  statt.  Wenn  man  die  oben  mitgeteilten  Daten  über 
das  Leitungsvermögen  der  beiden  Salzlösungen  berücksichtigt,  so  er- 


1)  Zur  Erklärung  der  Bezeichnung  der  |  ]^  Krümmungen  (S-förmige  Krüm- 
mungen) muss  ich  auf  die  in  meiner  früheren  Arbeit  (L  c.)  S.  154  gegebenen  Er- 
läuterungen hinweisen. 


Zur  Frage  der  Elektrokultur. 


33 


Konzentration 
der 

Krümmung  nac 

;h  24  Stunden 

Salzlösung 
pCt. 

bei  NH.Cl 

bei  KjHPO^ 

.    0,01 

alle  =     +80° 

alle=  +80  bis  100° 

0,0-2 

alle  -1+30° 

alle  =  +  80  bis  90° 

'    0,03 

ille  -  (  +  20° 

vacat 

0,035 

vacat 

alle=    +80  bis  90° 

0,05 

,,1+20  bis  30° 
alle  -  j  _  ^50 

alle  =    +  80  bis  90° 

0,07 

alle=     -30  bis  50° 

„1+40  bis  50° 
alle  -  1  _  ,jQo 

0,1 

alle  =     -  30° 

,,      1  +  10  bis  20° 
•'  -  l  - 10  bis  40° 

1=     +50° 

gibt  sich,  dass  die  Grenze  zwischen  positiven  und  negativen  Krüm- 
mungen in  beiden  Salzlösungen  bei  den  Konzentrationen  liegt,  bei 
denen  ihr  Leitungsvermögen  dasselbe  ist. 

Das  hat  SCHELLENBERG  bei  seinen  Betrachtungen  über  den 
Einfluss  der  Salze  nicht  berücksichtigt,  so  dass  seine  Schluss- 
folgerungen inbetreff  der  Gleichsetzung  von  Chemotropismus  und 
Galvanotropismus  als  einwandsfrei  nicht  angesehen  werden  können. 
Ob  und  in  welchen  Grenzen  ein  sekundärer  Einfluss  der  ver- 
schiedenen Ionen  des  umgebenden  Elektrolyten  für  die  Schädigung 
der  Wurzel  in  Betracht  kommen  kann,  könnten  nur  sehr  genaue 
Versuche  unter  entsprechender  Berücksichtigung  bezw.  Eliminierung 
des  spezifischen  Leitungswiderstandes  entscheiden,  bei  denen  natur- 
gemäss  auch  sehr  genaue  Strommessungen  vorgenommen  werden 
müssteu.  — 

Die  Anwendung  des  konstanten  elektrischen  Stromes  zur 
Elektrokultur  dürfte  also  nach  allem  eben  Gesagten  schon  deswegen 
wenig  Erfolg  versprechen,  weil  seine  Wirkung  stets  in  einer  ein- 
seitigen Schädigung  der  behandelten  pflanzlichen  Organismen 
besteht. 

Anders  verhalten  sich  Wechselströme.  LÜWENHEEZ*)  hat  an 
keimenden  Gerstenkörnern  gezeigt,  dass  derselbe  Strom,  wenn  man 
seine  Richtung  des  öfteren  wechselt,  nicht  mehr  schädlich  wirkt. 
Aus  Längenmessungen    des  Wurzelwachstums  war    ich  zu  demselben 


1)  1.  c. 
Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV. 


34  Gustav  Gassnee: 

Ergebnis  gekommen^)  und  hatte  es  dahin  präzisiert,  dass  „ein 
Strom  um  so  unschädliclier  ist,  je  öfter  er  in  der  Zeiteinheit  seine 
Richtuno-  wechselt".  Insoweit  stimmen  also  unsere  Eroebnisse 
überein;  dagegen  kann  ich  mich  den  LüWENHERZ'schen  Folgerungen 
über  einen  wachstumsfördernden  Einfluss  der  Wechselströme  nicht 
anschliessen.  LÖAVENHERZ  glaubt  nämlich,  dass  durch  A^erwendung 
von  Wechselstrom  die  schädliche  Wirkung  der  Elektrizität  ausge- 
schaltet und  nur  eine  nützliche  übrig  bleibt.  Meine  daraufhin  an- 
oestellten  Versuche  bestätio-ten  das  nicht,  sondern  zeigten,  dass  ent- 
wieder  Wechselstrom  ebenfalls  schädlich  wirkt  (dami  ist  die  Zahl 
der  Wechsel  pro  Minute  im  Verhältnis  zur  Stromstärke  zu  klein) 
oder  aber,  dass  er  gar  nicht  wirkt.  Nach  meinen  bisherigen  Ver- 
suchen kann  ich  daher  auch  eine  Verwendbarkeit  von  Wechsel- 
strömen für  Elektrokulturzwecke  nicht  annehmen. 

Wohl  aber  lassen  sich  Wechselströme  in  anderer  Weise  praktisch 
verwerten.  Da  die  Pflanzen  gegen  Wechselströme  relativ  unempfind- 
lich sind,  andrerseits  Tiere  gerade  auf  derartige  Ströme  sehr  em- 
pfindlich reagieren^  liegt  die  Möglichkeit  nahe,  tierische  Schädlinge, 
z.  ß.  Engerlinge  im  Boden  abzutöten,  olme  den  Pflanzen  zu  schaden. 
Angestellte  Versuche  bestätigten  diese  Annahme.  Enoerlino-e  und 
Regenwürmer  konnten  z.  B.  in  den  Versuchskästen  abgetötet  werden, 
ohne  dass  eine  schädliche  Wirkung  des  Stromes  auf  die  Pflanzen 
sich  feststellen  Hess.  Inwieweit  das  Verfalu'en  in  der  Praxis  sich 
durchführen    lässt,    können    natürlich    nur    entsprechende    Versuche 


zeigen. 


IE.   Elektrische  Beliaudlung  der  Pflanzen  mittels 
Influenzelektrizität. 

Das  von  LeMSTRÖM^)  angegebene  Verfahren  beruht  darauf,  dass 
der  eine  Pol  einer  Influenzmaschine  mit  der  Erde,  der  andere  mit 
einer  feinen  Spitze  verbunden  wird,  die  isoliert  über  der  zu  be- 
handelnden Pflanze  aufgehängt  ist.  Die  Influenzelektrizität  strömt 
dann  von  der  Spitze  durch  die  Luft  zur  Pflanze  bezw.  umgekehrt. 
LeMSTRÜM  hat  nach  diesem  Verfahren  eine  ganz  bedeutende  Förderung 
des  Wachstums  und  Steigerung  der  Ernteerträge  erzielt. 

Bei  meinen  Versuchen  begnügte  ich  mich  damit,  das  Wachstum 
elektrisch  behandelter  junger  Keimlinge  mit  dem  der  Kontroll- 
pflanzen zu  vergleichen.  Die  zu  behandelnden  Samen  wurden  in 
Blumentöpfe  mit  gut  gemischter  Gartenerde  möglichst  gleicinnässig 
ausgelegt,  und  kurz  vor  dem  Auflaufen  der  Pflanzen  wurden  mit  der 


1)  1.  c. 

■2)  S.    Lemström,    Erhöhung    der    Eniteorträge    aller   Kultuipflanzi'ii    dureli 
elcktrisdio  ßeliiindhiiig.     Übersetzt  vou  0.  PlUXüSHElM  19Ui'. 


Zur  Frage  der  Elcktrokultur.  35 

elektrischen  Behandlung  begonnen.  Hierzu  wurden  die  Töpfe  in 
einzelne  durch  Glasplatten  oder  Pappen  gebildete  Zellen  gestellt 
und  mit  der  Erde  leitend  verbunden.  In  verschiedenen  Abständen 
(8 — ÖO  cm)  hingen  über  den  Töpfen  au  Glasstäben  isoliert  Nadeln 
mit  der  Spitze  nach  unten;  da  je  nach  der  Form  der  Spitze  die  in 
die  Luft  ausströmende  Elektrizitätsnienge  eine  verschiedene  ist, 
wurden  die  sehr  gleichmässigen  Grammophonnadeln  zu  diesem 
Zwecke  verwendet.  Die  den  nötigen  Strom  liefernde  Influenz- 
maschine^) wurde  durch  einen  kleineu  Elektromotor  in  Betrieb 
gehalten,  und  der  eine  Pol  derselben  (gewöhnlich  der  negative)  mit 
der  Erde,  der  andere  mit  den  über  den  Pflanzen  aufgehängten  Nadeln 
verbunden. 

Die  zunächst  mit  Keimlingen  von  Pisum  sativum  und  Helianthus 
annuus  angestellten  Versuche  verliefen  ergebnislos.  Die  elektrische 
Behandlung  dauerte  durchschnittlich  14  Stunden  täglich:  nach 
8  —  14  Tagen  war  ein  Unterschied  im  Vergleich  zu  den  Koutroll- 
l)flanzen  nicht  festzustellen.  Die  elektrisierten  Keimlinge  waren  durch 
Anziehen  feinster  Staubteilchen,  die  sich  jedoch  leicht  abwischen 
Hessen,  geschwärzt.  Das  Überströmen  der  Elektrizität  von  den 
Spitzen  zu  den  Pflanzen  war  bei  einigen  Töpfen  mit  geringem 
Spitzenabstand  oft  ein  so  starkes,  dass  Lichterscheinungen  an 
den  Pflanzen  auftraten,  was  diesen  anscheinend  nicht  schadete. 
Eine  fördernde  Einwirkung  des  Stromes  liess  sich  jedoch  nicht 
feststellen. 

Zu  einem'  positiven  Ergebnis  führten  dagegen  Versuche  mit 
jungen  Getreidekeimlingen,  insbesondere  Gerstenpflanzen;  hier  ergab 
sich  im  Wachstum  eine  sichtliche  Förderung  bei  elektrischer  Be- 
handlung, was  sich  zunächst  im  früheren  Durchstossen  des  ersten 
Laubblattes  durch  das  Keimblatt  zeigte. 

Einer  der  ausgeführten  Versuche  diene  als  Beispiel: 

Am  12.  März  G  Uhr  N.  wurden  in  jeden  Topf  30  Gerstenkörner  gelegt.  Am 
IG.  März  fingen  die  Körner  an  aufzulaufen,  um  G  Uhr  Nachmittag  desselben  Tages 
wurde  mit  der  elektrischen  Behandlung  b(?gonnen  und  diese  jjro  Tag  13— 14  Stunden 
durchgeführt.  —  Am  17.  März  5  Uhr  Nachmittag  waren  die  Keimlinge  in  allen 
Töpfen  sehr  regelmässig  aufgelaufen,  ein  Unterschied  war  nicht  zu  bemerken.  — 
Am  18.  März  11  Uhr  Vormittag  waren  die  elektrisierten  Keimlinge  den  KontroU- 
pilanzen  sichtlich  im  Wachstum  voraus,  und  zwar  umsomehr,  je  geringer  der 
Abstand  zwischen  Topf  und  darüber  befindlicher  Nadel,  d.  h.  je  stärker  die  Elek- 
trisierung war  Bei  10  cm  Spitzenabstand  zeigten  bereits  IG  Pflanzen  das  Keimblatt 
durchstossen,  bei  21  cm  Spitzeuabstand  12  und  bei  35  cm  Spitzenabstand  4  Pflanzen, 
in  dem  unbehandelten  Kontrolltopf  I  dagegen  erst  1,  und  in  dem  Kontrolltopf  11 
3  Pflanzen.   —    Am  19.  März  10  Uhr  Vormittag  waren  die  elektrisierten  Keimlinge 


1)  Für  gütige  Überlassung  der  Influenzmaschine  aus  dem  tierphysiologischen 
Institut  der  landwirtschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin  spreche  ich  Herrn  Geheimrat 
Prof.  Dr.  ZUNTZ  meinen  ergebenen  Dank  aus. 

3* 


36  Gustav  Gassner  : 

an  Stengellänge    und  Entfaltung    des  Blattes  den  Kontrollpflanzen  weit  voraus,    am 
meisten  in  dem  Topf  mit  dem  Spitzenabstand  von   10  cm. 

Im  weiteren  Verlauf  behielten  die  elektrisierten  Keimlinge  den  Vorsprung  vor 
den  Kontrollpflanzen  bei,  jedoch  zeigte  es  sich,  dass  nicht  mehr  die  am  stärksten 
elektrisierten,  sondern  die  weniger  elektrisierten  (Spitzenabstand  21  und  35  cm) 
den  grössten  Vorsprung  vor  den  unbehandelten  Pflanzen  hatten.  Am  "2G.  März 
wurde  der  Versuch  abgebrochen. 

Die  Versuche  wurden  dann  im  Dunkelzimmer  unter  Licht- 
abschluss  weitergeführt.  Es  zeigte  sich,  dass  eine  Wachstums- 
förderung auch  hier  stattfand,  dass  sie  also  nicht  etwa  nur  in  einer 
Steigerung  der  Assimilationstätigkeit  der  Pflanze  am  Lichte  besteht. 
Die    im  Dunkelzimmer    gehaltenen  Pflanzen    blieben  völlig  etioliert. 

Die  Beobachtung,  dass  junge  Getreidekeimlinge  günstig  durch 
die  elektrische  Behandlung  beeinflusst  werden,  dagegen  viele  andere 
Pflanzen  nicht,  stimmt  mit  den  Ergebnissen  LemstEÖäI's  überein, 
der  sogar  unter  gewissen  Umständen  eine  Schädigung  der  elektrisierten 
Pflanzen  feststellen  konnte.  Sehr  oft  zeigte  sich  ein  Unterschied 
zwischen  den  elektrisierten  und  den  Kontrollpflanzen  erst  bei  der 
Ernte.  Mir  war  es  leider  nicht  möglich,  die  Versuche  so  lange 
auszudehnen;  meine  an  jungen  Keimlingen  erhaltenen  Ergebnisse 
lassen  mir  jedoch  die  LEMSTRÖM'schen  Resultate  als  durchaus  richtig 
erscheinen. 

Auf  die  von  LeMSTRÖM  angegebenen  Erklärungsmöglichkeiten, 
worauf  die  Förderung  des  Pflanzenwachstums  bei  elektrischer  Be- 
handlung zurückzuführen  ist,  soll  hier  nicht  näher  eingegangen 
werden,  da  dieselben  mit  den  Tatsachen  der  Pflanzenphysiologie 
sich  nicht  wohl  vereinbaren  lassen,  wohl  auch  Gründe  physikalischer 
Natur  dagegen  sprechen.  So  z.  B.  haben  wir  keinen  Grund  anzu- 
nehmen, dass  die  Influenzelektrizität  tief  in  das  Innere  der  Pflanze 
wirkt,  da  sie  ja  bekanntlich  nur  an  der  Oberfläche  der  Körper  vor- 
handen ist. 

Auf  eine  näher  liegende  Erklärungsmöglichkeit  soll  dagegen  hier 
hingewiesen  werden. 

Bei  meinen  Elektrokulturversuchen  nach  der  LEMSTRÖM'schen 
Methode  war  mir  aufgefallen,  dass  die  elektrisierten  Töpfe  bedeutend 
mehr  "Wasser  verdunsten  als  die  Kontrolltöpfe.  Ich  stellte  daher  bei 
einer  weiteren  Versuchsreihe  die  verdunsteten  Wassermengen  durch 
Wägen  genau  fest  und  gelangte  dabei  zu  folgenden  Daten  (siehe 
die  Tabelle  auf  S.  37). 

Die  elektrisierten  Töpfe  haben  also  bedeutend  mehr  Wasser 
verdunstet  wie  die  nichtelektrisierten. 

Ein  weiterer  A^ersuch,  bei  dem  an  Stelle  der  Blumentöpfe  mit 
Wasser  gefüllte  Porzellanschalen  standen,  führte  zu  demselben  Er- 
gebnis;   hier    betrug    sogar    bei   einem  elektrisierten  Gefäss  die  ver- 


Zur  Frage  der  Elekti-okultur. 


37 


SpitZ'enabstand 

Gewicht  des 

Während  der 

Gewicht  des 

Also 

über 
Topfrand 

Topfes 
zu  Beginn 

nächsten  48  Std. 

erhielten  die 
Töpfe  an  Wasser 

Topfes  nach 

48  stund,  elektr. 

Behandlung 

verdunstete 
Wassermenge 

cm 

gl- 

gr 

gl- 

gr 

15 

1534 

100 

1493 

141 

25 

1552 

100 

1537 

115 

39 

151 S 

100 

1520 

98 

27 

1525 

100 

1521 

104 

Kontrolitopf  I 

15G2 

10<) 

1G18 

44 

II 

1492 

10<» 

1540 

42 

dunstete  Wassermouge  ungefähr  das  Sechsfache  der  entsprechenden 
Kontrollschale. 

Es  ist  also  anzunehmen,  dass  auch  die  Transpiration  der  be- 
handelten Pflanzen  gegenüber  deu  unbehandelten  um  ein  Erhebliches 
gestiegen  war.  Ich  vermute,  dass  die  Transpiration  gegenüber  einer 
normalen  noch  dadurch  ganz  besonders  gesteigert  wird,  dass  während 
der  Elektrisieruni"'  ständio-  ein  intensiver  Luftstrom  unmittelbar  an 
der  Oberfläche  der  Pflanze  vorhanden  ist,  der  erheblich  intensiver 
auf  die  Verdunstungsgrösse  einwirken  muss,  als  etwa  nur  ein  starkes 
Vorbeistreichen  der  Luft;  denn  in  dem  letzteren  Fall  bleiben  die 
unmittelbar  an  der  Oberfläche  befindlichen  Luftteilchen  doch  immer 
mehr  oder  weniger  in  Ruhe,  während  sie  sich  gerade  bei  dem  so- 
genannten „elektrischen  Wind"  bewegen. 

Somit  ist  die  Möglichkeit  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass 
die  erhöhte  Transpiration  selbst  oder  das  durch  ihre  Steigerung 
bewirkte  schnellere  Heranschaffen  der  Nährsalze  als  Reiz  auf  die 
Wachstumsintensität  der  jungen  Keimpflanze  einwirken,  und  nach 
den  von  LemstrOM  erzielten  höheren  Ernteergebnissen  überhaupt 
auf  die  allgemeinen  Lebenserscheinnngen  der  Pflanzen  von  förderndem 
Einfluss  sein  dürften.  ^) 

Ob  durch  die  starke  Luftbeweouno-  unmittelbar  an  der  Oberfläche 
der  elektrisierten  Pflanzen  auch  direkt  eine  Steio-eruns:  der  Assimilation 
und  der  Atmung  stattfindet,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Für  die  Richtigkeit  der  von  mir  ausgesprochenen  Bedeutung 
der    Transpiratioussteigerung     bei     elektrischer    Behandlung    liefert 


1)  Vgl.  Stahl's  Auffassung  über  die  Bedeutung  der  Transpiration  (z.  B. 
Botanische  Zeitung  1897,  pag.  71:  „Über  Pflanzenschlaf  und  verwandte  Er- 
scheinungen".) 


38  Julius  Stoklasa,  Adolf  Eenest  und  Karl  Chocensky: 

übrigens  LemSTROm  selbst  einige  wichtige  Bestätigungen,  wenn  er 
z.  B.  den  Rat  gibt,  während  der  heissen  Mittagsstunden  (bei  direkter 
Besonnung)  die  elektrische  Behandlung  als  schädlich  zu  unterlassen, 
und  ferner  mitteilt,  dass  nur  bei  starker  Bewässerung  der  elektri- 
sierten Pflanzen  sich  bedeutende  Steigerungen  der  Ernteerträge  er- 
zielen lassen. 


7.   Julius  Stoklasa,  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky: 

Über  die  anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen  und  über  die 

Isolierung  der  Atmungsenzyme. 

Eingegangen  am  24.  Januar  l'JOT. 


II. 

W.  PalLADIN  hat  mit  seinen  Mitarbeitern  in  dem  Pflauzen- 
})liysiologischen  Institut  der  Universität  St.  Petersburg  sich  einer 
Methode  bedient,  welche  den  Zweck  hatte  den  Charakter  der 
Atmungsenzyme  näher  zu  beleuchten,  und  zwar  geschah  dies  auf 
Grund  der  Arbeiten  von  BERTRAND,  CHODAT  und  BACH.') 

W.  PalLADIN  äussert  sich  in  seiner  letzten  Arbeit  in  nach- 
stehender Weise: 

„Indem  ich  mich  der  Theorie  von  CHODAT  und  BACH  an- 
schliesse,  vermute  ich,  dass  die  durch  Pyrogallol  angeregte  Kohlen- 
säureausscheidung ein  Pesultat  der  gemeinsamen  Tätigkeit  der 
Oxygenase  (höhere  Hydrosuperoxyde)  und  der  Peroxydase  ist.  In- 
folgedessen schliesse  ich  auf  Grund  der  hierbei  ausgeschiedenen 
Kohlensäuremenge  auf  die  Quantität  der  in  den  Pflanzen  enthaltenen 
Oxygenase.  Das  Aufhören  der  Ausscheidung  von  Kohlensäure  nach 
einer  gewissen  Zeit  weist  auf  das  Verschwinden  der  Oxygenase  hin. 
Hiernach  w'urde  8prozentige  Wasserstoffsuperoxydlösung  in  den 
Kolben  gegossen,  worauf  wiederum  eine  starke  Kohlensäure- 
entwicklung erfolgte.  Da  nun  nach  der  Theorie  von  CHODAT  und 
Bach  ein  Teil  der  Peroxydase  bereits  zu  ihrer  gemeinsamen  Arbeit 
mit  der  Oxygenase  verbraucht  worden  war,  zeigt  die  nach  der 
Hinzufügung  von  HoO^   ausgeschiedene  Kohlensäure    die  Menge    der 


1)  Bach  und  ChODAT,  Untersuchungen  über  die  Rolle  der  Peroxydase  in  der 
lebenden  Zelle,  ßer.  der  deutsch,  ehem.  Ges.  r.5,  2460.  —  Arch.  sc.  phys.  et  nat. 
Tome  XVII,  1004,  Recherches  sur  les  fermenls  o.xydants. 


über  die  anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen.  39 

übrig  gebliebenen  Peroxydase  an.  Die  Summe  der  sowohl  nach 
Hinzufügung  von  Pyrogallol  als  auch  von  H„0o  ausgeschiedenen 
Kohlensäuremenge  gibt  nun  eine  Vorstellung  von  der  in  den  unter- 
suchten Pflanzen  enthaltenen  Peroxydase." 

Die  Methode,  welche  PALLADIN  mit  seinen  Mitarbeitern^)  be- 
nuizte,  ist  folgende: 

Wenn  die  Ausscheidung  von  Kohlendioxyd  der  Organe  erfrorener 
Samenpflanzen  in  Luftstrom  vollständig  aufgehört  hatte,  wurden  die 
Pflanzenorgane  in  einer  Reibschale  zerrieben,  mit  destilliertem 
Wasser  Übergossen  und  in  einen  ERLENMEYER'schen  Kolben  von 
300  ccm  Inhalt  gebracht.  Sodann  wurde  20prozentige  Pyrogallol- 
lösung  hinzugegeben  und  der  Kolben  durch  einen  Kautschukpfropfen 
mit  zwei  gebogenen  Glasröhren  geschlossen  und  umgekehrt,  wie  das 
in  seiner  Abhandlung  in  der  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie 
auf  Seite  409  die  Abbilduu"-  deutlich  veranschaulicht. 

Durch  die  kürzere  Röhre  wird  Luft  in  den  Kolben  geleitet,  die 
grössere  Röhre  jedoch,  welche  über  die  Flüssigkeit  hinausragt,  dient 
zum  Austritt  der  Gase. 

Wenn  sich  schon  kein  Kohlendioxyd  durch  Einwirkung  der 
Pyrogallollösung  mehr  bildete,  wurde  iJprozentige  Wasserstoffsuper- 
oxydlösung in  die  Kolben  gegossen,  worauf  wiederum  eine  starke 
Kohlendioxydeutwicklung  erfolgte.  Die  Bestimmung  des  Kohlen- 
dioxyds erfolgte  wieder  nach  der  bereits  erwähnten  Methode  von 
Kolbe-Fresenius-Classen. 

Wir  benutzten  bei  unseren  Versuchen  nachstehende  Mengen  der 
Substanz: 

beim  ersten  Versuch  beim  Blattwerk    .     .     .     44,0  (j 

„  „bei  der  W^urzel    .     .     .     ^)2,7  „ 

beim  zweiten  Versuch  beim  Blattwerk      .     .     2G,0  „ 

„  „  „        bei  der  Wurzel      .     .     3(\0  „ 

beim   dritten   Versucli    beim  Blattwerk      .     .     .'>7,0  „ 

„  „  „        bei  der  Wurzel      .     .     2ö,0  „ 


1)  N.  A.  JVlAXIMOW,  „Zur  Frage  über  die  Atmung".  Ber.  der  deutsch,  botan. 
Ges.,  Jahrg.  1904,  Bd.  XXII,  Heft  4.  —  E.  Tschp:knia.jew,  Über  den  Einfluss 
der  Temperatur  auf  die  normale  und  die  intramolekulare  Atmung  der  verletzten 
Pflanzen.  Ber.  der  deutsch,  botan.  Ges.,  Jahrg.  1905,  Bd.  XXIII,  Heft  ö.  — 
W.  Balladix,  Über  den  verschiedenen  Ursprung  der  während  der  Atmung  der 
Pflanzen  ausgeschiedenen  Kohlensäure.  Ber.  der  deutsch,  botan.  Ges.,  Jahrg.  1905, 
Bd.  XXIII,  Heft  G.  —  W.  PALLADIN,  Die  Arbeit  der  Atmuugsenzyme  der  Pflanzen 
unter  verschiedenen  Verhältnissen  Hoppe-Seyler's  Zeitschr.  für  phys.  Chemie, 
Bd.  XLVil,  Heft  4,  5  und  G,  1906.  —  W.  PALLADIN,  Bildung  der  verschiedenen 
Atmungsouzyme  in  Abhängigkeit  von  dem  Entwickluugsstadium  der  Pflanzen.  Ber. 
der  deutsch,  botan.  Ges ,  Jahrg.  190G,  Bd.  XXIV,  Heft  2.  —  T.  Krasnosselsky, 
Bildung  der  Atmungsenzyme  in  verletzten  Zwiebeln  von  Alliuiii  Cepa.  Ber.  der 
deutsch,  bot.  Ges.,  Jahrg.  190G,  Bd.  XXIV,  Heft  ?,. 


40  Julius  Stoklasa,  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky: 

Bei  jedem  einzelneu  hier  angeführten  Versuch  wurden  80  ccm 
20prozeutige  Pyrogallollösung  und  sodann  80  ccm  3prozentiges 
Wasserstoffsuperoxyd  angewendet/) 

Wenn  wir  nun  die  Menge  des  ausgeschiedenen  Kolilendioxyds 
in  Milligramm  in  einer  Stunde,  auf  100  g  Trockensubstanz  berechnet, 
berücksichtigen,  so  ergeben  sich  nachstehende  Quantitäten: 

Durch  Einwirkung  von  reiner  Pyrogallollösung  beim  Blattwerk 
finden  wir  eine  Menge  von  22,8 — 28,3  mg  COo,  bei  der  Wurzel  8  bis 
10,7  mg  CO.. 

Durch  Einwirkung  von  Pyrogallollösung  und  Wasserstoffsuper- 
oxyd ergibt  sich  eine  Menge  bei  dem  Blattwerk  von  38,2  —  71,7  mg, 
bei  der  Wurzel  eine  solche  von  9,6 — 53,G  mg  CO^,. 

Um  die  Exaktheit  der  Methode  von  W.  Palladin  zu  prüfen, 
haben  wir  folgende  Versuche  angestellt: 

Das  Blattwerk  und  die  Wurzel  der  Zuckerrübe  wurden  zer- 
kleinert, langsam  getrocknet,  zerrieben  und  sodann  das  Testierende 
Pulver  bei  150°  14  Stunden  getrocknet.  Durch  das  Trocknen  über 
70°  wird  nach  ASO  die  Tätigkeit  der  Oxydase  aufgehoben.^) 

Die  Menge  des  Kohlendioxyds  in  Milligramm  in  einer  Stunde 
auf  100  (7  Trockensubstanz,  berechnet  unter  Einwirkung  von  Pyrogallol- 
lösung, beziffert  sich  bei  dem  getrockneten  Blattwerk  auf  2,6 — 9,5  mg 
COo  und  steigt  unter  Einwirkung  von  Pyrogallollösung  und  W\isser- 
stoflPsuperoxyd  auf  10,2— 16,5  ??2_9  COo. 

Bei  der  getrockneten  Wurzel  beträgt  die  Menge  des  Kohlen- 
dioxyds in  mg  in  einer  Stunde,  auf  100^  Trockensubstanz  berechnet, 
unter  Einwirkung  von  Pyrogallollösung  1,4  bis  8,8  vig  CO^,  und  steigt 
unter  Einwirkung  von  Pyrogallollösung  und  Wasserstoffsuperoxyd  auf 
3,6  bis  13,3  vig  CO«. 

Wenn  wir  diese  Resultate  mit  den  erfrorenen,  nicht  getrockneten 
Blättern  und  Wurzeln  der  Zuckerrübe  vergleichen,  so  sehen  wir, 
dass  wir  doch  gewisse  Prozente  des  gesamt  ausgeschiedenen  Kohlen- 
dioxydes dem  reinen  Chemismus  zuschreiben  müssen,  ohne  dass  die 
Einwirkung  der  Enzyme  in  Betracht  gezogen  werden  kann.^)  Das 
beste  Beispiel  sehen  wir  daran,  wenn  wir  AVasserstofPsuperoxyd  auf 
die  20%ige  Pyrogallollösung    einwirken    lassen.     Durch  den  Einfluss 


1)  Die  tabellarische  Zusamineüstellung-  der  analytischen  Daten  findet  man  in 
meiner  ausführlichen  Arbeit,  betitelt  „tlber  die  glykolytischen  Enzyme  im  Pfianzen- 
organismus"  in  Hoppe-Seyler's  Zeitschr.  für  phys,  Chemie,    Heft  I  und  5,    11)07. 

2)  Carl  Oppenheimer,  Die  Fermente   und  ihre  Wirkungen,  Leipzig  1903. 

3)  Kastle  und  Loevenhart  ziehen  die  wirkliche  Enzymnatur  der  Osy- 
gcnasen  in  Zweifel  und  sehen  den  Vorgang  als  einen  mehr  chemischen  an.  C.\RL 
OPPENHEIMER:  Die  Fermente  und  ihre  Wirkungen. 

Dr.  Neumann  Wender:    Enzymologische  Studien.     1.  Beiträge  zur  Kenntnis 
(l(!r  oxydierenden  Enzyme,  Berlin  1901. 


tJber  die  anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen.  41 

tles^Wasserstoffsuperoxydes   auf  die  Pyrogallollösuiig  entstehen  schon 
Oxydationsprozesse,  durch  welche  sich  Kohlendioxyd  bildet. 

Wir  fanden  schon  nach  24  Stunden  '26,7  bis  60  vig^  in  weiteren 
24  Stunden  40  bis  44  wy,  nach  dem  dritten  Tag  23,7  bis  40?«^,  und 
am  vierten  Tag  sinkt  jedoch  die  Menge  auf  2  bis  7  mg  COo. 

Weiters  haben  wir  auch  Versuche  mit  Knochen-  und  Holzkohle 
angestellt,  woselbst  wir  w^ahrnehmen  konnteu,  dass  durch  Pyrogallol- 
lösung  und  Wasserstoffsuperoxyd  eine  xA.bscheidung  des  Kohlen- 
dioxydes verursacht  wird. 

Wir  fanden  bei  der  Knochenkohle  nachstehende  Quantitäten  von 
Kohlendioxyd: 

Die  Menge  des  Kohlendioxyds  in  vki  in  einer  Stunde  auf  {{)()  g 
Trockensubstanz  berechnet  unter  Einwirkung  von  Pyrogallollösung 
beziffert  sich  auf  1  mg  und  steigt  unter  Einwirkung  von  Pyrogallol- 
lösung und  Wasserstoffsuperoxyd  auf  5,1  mg  CO^.. 

Bei  der  Holzkohle  konnten  wir  folgende  Quantitäten  von  Kohlen- 
dioxyd konstatieren: 

Die  Menge  des  Kohlendioxyds  in  mg  in  einer  Stunde  auf  100  g 
Trockensubstanz  berechnet  unter  Einwirkung  von  Pyrogallollösung 
beläuft  sich  auf  1,6  vig  und  sinkt  unter  Einwirkung  von  Pyrogallol- 
lösung und  Wasserstoffsuperoxyd  auf  1,1  vig  COo. 

Die  Abscheidung  von  Kohlendioxyd  bei  der  Knochen-  und  Holz- 
kohle erfolgt  durch  die  Vorgänge  der  Autoxydation.  Die  Aktivierung 
des  Sauerstoffes  in  der  Knochen-  und  Holzkohle  geht  ziemlich 
energisch  vor  sich,  und  die  beiden  Kohlen  zeigen  Autoxydations- 
wirkungen. 

Aus    unseren  zahlreichen  Versuchen  geht  Nachstehendes  hervor: 

100  g  Knochenkohle  mit  30  g  Wasser  entwickeln  bei  einer 
Temperatur  von  20°  C.  binnen  einer  Stunde  0^?>  mg  CO.,.  Bei  150°  C. 
getrocknet  entwickelt  dasselbe  Quantum  von  Knochenkohle  sowie 
Wasser  innerhalb  derselben  Zeit  durchschnittlich  0,2  mg  CO^. 

100^  Holzkohle  mit  30^  Wasser  entwickeln  bei  einer  Temperatur 
von  20°  C.  in  einer  Stunde  0,3  mg  CO... 

Bei  150°  C.  getrocknet  entwickelt  dieselbe  Menge  von  Holz- 
kohle und  Wasser  innerhalb  der  oleichen  Zeit  durchschnittlich 
ebenfalls  0,3  mg  COo. 

Die  Autoxydationswirkuugen  können  wir  auch  in  der  Stein-  und 
Braunkohle  beobachten.^) 

Wir  haben  viele  Experimente  über  die  Autoxydation 
der  Stein-    und  Braunkohle    längere  Zeit  vorgenommen  und 


1)  Moritz  Traube,  Gesammelte  Abhandhiugen,  Berlin  1899.  —  C.  ENGLER 
und  J.  Weissberg,  Kritische  Studien  über  die  Vorgänge  der  Autoxydation,  Braun- 
schweig 1904.  —  J.  Habermann,  Einige  Versuche  über  die  Autoxydation  der 
Steinkohle,  Journal  für  Gasbeleuchtung  190G. 


42  Über  die  anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen. 

daselbst  gefunden,  dass  wir  die  Existenz  der  Peroxydase 
bei  der  Stein-  und  Braunkohle  annehmen  können.^)  Durch 
vergleichende  Atmungsversuche  mit  sterilisierter  und  nicht 
sterilisierter  Stein-  und  Braunkohle,  weiters  durch  An- 
wendung der  Methode  von  W.  PalLADIN  und  seiner  Schüler 
ist  es  uns  gelungen  den  Nachweis  zu  liefern,  dass  die  Ab- 
scheidung des  Kohlendioxyds 

1.  durch  Autoxydation  und 

2.  durch  enzymatische  Wirkung  erfolgt. 

Die    Abscheidung    des    Methans    und    des  Wasserstoffes 
wird  bloss  durch  die  Peroxydase  hervorgerufen.  ' 


1)  Eine  ausführliche  Arbeit  über  die  Abscheidung  des   Kohlendioxjds,  Methans 
und  Wasserstoffs  durch  Braun-  und  Steinkohle  erscheint  demnächst. 


Sitzung  vom  22.  Februar  1007.  43 


Sitzung  vom  22.  Februar  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Herren: 

Sernander,  Dr.  Rutger,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität 
Upsala  (durch  KNUT  BOHLIN  und  OTTO  KOSENBERG), 

Anisits,  Daniel,  Professor  an  der  National-Universität  Asuncion  (Paraguay), 
zurzeit    in  Steglitz    bei  Berlin,    Arndtstr.  1  (durch  R.  ADERHOLD 

und  w.  Ruhland), 

Rlehm,  Dr.  Eduard,  wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter  an  der  Kaiserlichen 
Biologischen  Anstalt  in  Dahlem,  wohnhaft  in  Steglitz  bei  Berlin, 
Albrechtstr.  13  (durch  R.  ADERHOLD  und  W.  RUHLAND). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Kränzlin,  Dr.  Fr.,  Professor  in  Berlin, 

Boresch,  Karl,  in  Prag, 

Mrazek,  August,  stud.  in  Prag, 

Baccarini,  Dr.  Pasquale,  Professor  in  Florenz. 


Der  Vorsitzende    macht  die  Mitteilung  von   dem  am  28.  Januar 
erfolgten  Ableben  des  ordentlichen  Mitgliedes 

Herrn  Dr.  Otto  Kuntze 
in  San  Remo. 

Um  das  Andenken  an  den  Verstorbenen  zu  ehren,  erhoben  sich 
die  Anwesenden  in  üblicher  Weise  von  den  Sitzen. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Ge&ellsch.    XXV. 


44  S.  KOSTYTSCHEW: 


Mitteilungen. 


8.   S.  Kostytschew:  Über  die  Alkoholgärung  von  Asper- 
gillus niger. 

Eingegangen  am  25.  Januar  1907. 


In  meiner  Abhaudlung  „Über  die  normale  und  die  anaerobe 
Atmuuo;  bei  Abwesenheit  von  Zucker"  ^)  habe  ich  dargetan,  dass  die 
anaerobe  Atmung  ebenso  wie  die  normale  bei  verschiedener  Art  der 
Ernähruug  möglich  ist.  Durch  diesen  Befund  wurden  die  bekannten 
DlAKONOW'schen^)  Resultate  widerlegt,  die  mit  der  Theorie  des 
genetischen  Zusammenhanges  der  anaeroben  mit  der  normalen  Atmung 
nicht  in  Einklang  zu  briiio-en  waren.  Der  o-enannte  Forscher  hat 
gefunden,  dass  Schimmelpilze  nur  bei  Zuckereruährung  anaerobe 
COo -Produktion  bewirken;  daraus  ist  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  bei 
Abwesenheit  des  Zuckers  die  Sauerstoffatmung  allerdings  ohne  Mit- 
wirkung anaerober  Yorgänge  zustande  kommt;  dies  beweist  aber, 
dass  zwischen  der  normalen  und  der  anaerobeu  Atmung  kein 
kausaler  Zusammenhang  besteht.  Durch  meine  Versuche  hat  sich 
jedoch  herausgestellt,  dass  die  Resultate  DiAKONOW's  fehlerhaft  sind 
und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

1.  Es  ergab  sich,  dass  im  Yerlauf  der  anfänglichen  zwei  bis  drei 
Stunden  der  Anaerobiose  die  CO2 -Produktion  von  Aspergillus  niger 
bei  Zuckerausschluss  ausserordentlich  schwach  ist.  In  DiAKONOW'schen 
Versuchen  wurde  aber  die  Anaerobiose  der  Pilzkulturen  eben  nur 
auf  eine  oder  zwei  Stunden  beschränkt. 

2.  Die  Resultate  meiner  bei  Chinasäureernährung  ausgeführten 
Versuche  zeigen,  dass  die  geringe  Intensität  der  anaeroben  Atmung 
von  Aspergillus  niger  eine  Folge  der  Vergiftung  durch  die  Produkte 
des  anaeroben  Stoffwechsels  ist.  Diese  Vergiftung  ist  aber  gewiss 
eine  sekundäre  Erscheinung,  die  mit  den  Grundursachen  des 
Atmungsprozesses  nichts  zu  tun  hat.  Den  Einfluss  dieser  sekundären 
Erscheinung  hat  DiAKONOW  nicht  in  Betracht  gezogen. 


1)  Kostytschew,   Jalubüclicr   für   Tvisseuschaitliche  Botanik,   Bd.  4(i,    1904, 
S.  563. 

2)  DiAKONOW,    diese  Berichte,   Bd.  4,    188G,   S.  1.  —   DiAKONOW,  Archives 
slaves  de  biologie,  t.  4,  1887,  p.  31  und  121. 


über  dio  Alkoholgärung^  von  Aspergillus  niger,  45 

^  Durch  die  Widerlegung*  der  Resultate  DiAKONOW's  ist  der 
wichtigste  Einwand  gegen  die  Theorie  des  genetischen  Zusammen- 
hanges der  anaerobeu  mit  der  normalen  Atmung  hinfällig  geworden; 
obschon  der  Chemismus  der  anaeroben  Atmung  bei  Abwesenheit  des 
Zuckers  durch  meine  Versuche  nicht  erläutert  wurde,  ist  es  nunmehr 
klar  geworden,  dass  die  obige  Schlussfolgerung:  „Die  Sauerstoff- 
•atmung  kommt  unter  gewissen  Umständen  ohne  Mitwirkung  auaerober 
Vorgänge  zustande",  auf  unrichtigen  Beobachtungen  gegründet  ist 
und  daher  keine  theoretische  Bedeutung  haben  kann.') 

Die  in  der  vorliegenden  Abhandlung  beschriebenen  Versuche 
•wurden  bereits  vor  zwei  Jahren  ausgeführt  und  haben  den  Zweck, 
■den  Einfluss  der  Vergiftung  auf  die  anaerobe  Atmung  von  Aspergillus 
niger  in  anschaulicher  Weise  zu  illustrieren.  Sämtliche  Kulturen 
wurden  auf  Traubenzucker  gezogen;  betreffs  der  allgemeinen  Methodik 
sei  auf  meine  oben  zitierte  Abhandlung  hingewiesen;  die  eventuellen 
Modifikationen  der  Versuchsanstellung  werden  in  den  Versuchs- 
protokollen ausführlich  besprochen. 

Versuch  1. 

Nährlösung:  50  rem  RAULIN'scher  Flüssigkeit  ohne  KgSiOg  und 
ZnSO^  und  unter  Ersatz  des  Rohrzuckers  durch  Traubenzucker  (2,5  ^ 
in  50  ccm  Lösung). 


1)  Da  diese  Auseinandersetzungen  in  meiner  oben  zitierten  Abhandlung  leider 
2U  kurz  abgefasst  worden  sind,  so  wurde  dadurch  Anlass  zu  Missverständnissen  ge- 
schaffen. Prof.  Czapek  (Botanische  Zeitung,  Abt.  II,  1905,  S.oi»)  behauptet  z.  B., 
dass  die  Theorie  des  genetischen  Zusammenhanges  der  anaeroben  mit  der  normalen 
Atmung  durch  meine  Versuche  nicht  unterstützt  wird,  da  die  Möglichkeit  der 
Identität  der  bei  Zuckerausschluss  stattfindenden  anaeroben  Atmung  mit  der  Alkohol- 
gärung durch  meine  Eesultate  nicht  ausgeschlossen  ei'scheint:  bei  jeder  Art  der  Er- 
nährung könnten  vorübergehend  Kohlenhydrate  entstehen.  Aus  obiger  Darlegung 
ist  einleuchtend,  dass  dieser  Einwand  lediglich  auf  einem  Missverständnis  beruht: 
der  Ursprung  der  COg  ist  für  die  uns  interessierende  theoretische  Frage  ganz  und 
gar  belanglos:  dies  habe  ich  auch  in  meiner  oben  zitierten  Abhandlung  folgender- 
masseu  erläutert:  „Es  bleibt  noch  einstweilen  unentschieden,  welche  Stoff- 
umwandluugen  in  verschiedenen  Fällen  der  anaeroben  Atmung  bei  Abwesenheit  des 
Zuckers  vorliegen,  ob  die  sich  dabei  abspielenden  Prozesse  in  keinem  Zusammen- 
hange mit  der  Alkoholgärung  stehen,  oder  ob  durch  eventuelle  Vorbereitungsakte 
zunächst  bei  jeder  Art  der  Ernährung  Kohlenhydrate  entstehen,  welche  dann  sofort 
vergärt  werden.  Wenn  letzteres  der  Fall  ist,  so  muss  allerdings  eine  Anhäufuug 
von  Nebenstoü'eu  stattfinden,  die  bei  der  Alkoholgärung  der  Hefe  nicht  auftreten. 
Die  Bearbeitung  dieser  Fragen  möchte  ich  mir  vorbehalten:  die  Eesultate  einer 
solchen  Untersuchung  werden  jedoch  gewiss  ohne  Einfluss  bleiben  auf  die  folgende 
zweite  Schlussfolgerung:  die  Anschauung  von  dem  genetischen  Zusammenhange  der 
Sauerstoffatmung  mit  der  anaerobeu  Atmung  wird  noch  dadurch  bekräftigt,  dass  die 
anaerobe  Atmung  ebenso  wie  die  normale,  bei  verschiedener  Art  von  Ernährung 
möglich  ist"  (1.  c.  S.  591}.  Diese  meine  Schlussfolgerung  hat  Prof.  CZAPEK  wahr- 
scheinlich übersehen. 

4* 


46 


S.  KOSTYTSCHEW: 


Dreitägige  Kultur  von  Aspergillus  niger  ohne  Sporenbildung;. 
Gesamtgasvolumen  185  ccm,  Temperatur  17 — 18".  1  Stunde  im  Luft- 
strome;  alsdann  mit  Luft  eingesperrt. 

I.  Luftperiode:  50  Minuten. 

Gasanalyse:  CO,  =  4,:38pCt,  0^  =  16,43pCt.,  N2  =  79,19pCt. 

^^^^=1,00. 

2 

Gebildete  CO^  =  7,2  ecm  bei  0°  und  760  wm. 
1  Stunde  im  Stickstoffstrome;   alsdann  mit  Stickstoff'  eingesperrt, 

IL  Stickstoffperiode: 

a)  2  Stunden. 

Gasanalyse:  CO^  =  0,81  pCt.,  N,  =  99,19  pCt. 
Gebildete  COg  =  1,3  ccm  bei  0°  und  IQOmm. 

b)  Weitere  19  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  1,32  pCt,  K.  =  98,68  pCt. 
Gebildete  CO,  =  2,0  ccm  bei  0°  und  760  mm. 

c)  Weitere  18  Stunden. 

Gasanalyse:  CO^  =  1,42  pCt.,  N,  =  98,58  pCt. 
Gebildete  CO,  =  2/2  ccw  bei  0"  und  760??????. 
21   Stunden  im  Luftstrome-,  alsdann  mit  Luft  eingesperrt. 

IIL  Luftperiode:  4  Stunden. 

Gasanalyse:  CO^  =  0,60pCt.,  0,  =  20,08 pCt.,  N,  =  79,32pCt. 


COo 


O 


-  =  0,80. 


Gebildete  CO»  =  1,00  C(7?w  bei  0°  und  760  wz7n, 
20  Stunden  im  Luftstrome;  alsdann  mit  Luft  eingesperrt. 

lY.  Luftperiode:  372  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  3,10  pCt.,  Oo  =  17,65pCt.,  K,  =  79,25pCt. 


CO 


^  =  0,98. 


Gebildete  CO,  =  5,2  ccm  bei  0°  und  760  mw. 
Trockengewicht  des  Myceliums  0,514  g. 


Atmungsenergie  pro  10  Stunden 

L  Luftperiode  .     .     . 
II.  StickstofFperiode,  a) 

III.  Luftperiode  .     .     . 
lY. 


5) 

■n 


}5 


CO..  =  86,4  ccm 
C0",=    6,5    „ 
C0,=   0,4    „ 
00^=  Spur. 
C02=    2,5  ccm 
CO,  =  15,2    „ 


über  die  Alkoholgäriing  von  Aspergillus  nigcr.  47 

Aus  1  und  II,  a)  lässt  sich  berechnen: 

A  =  0,08. 


Versuch  2. 

Genaue  Wiederhohing    des   vorhergehenden.     Gesamtgasvolumen 
ISS  ccm,  Temperatur  16,5—18°. 

1  Stunde  im  Luftstrome;  alsdann  mit  Luft  eingesperrt. 

I.  Luftperiode:  1  Stunde. 

Gasanalyse:  CO,  =  7,04pCt.,  O^  =  U,14pCt.,  N3  =  78,77pCt. 

*^5-  =  l,08. 

Gebildete  00^=  \i,dccm  he'rO"  und  760  ??zwi. 
1  Stunde  im  StickstofFstrome;  alsdann  mit  Stickstoff  eingesperrt. 

IL  Stickstoffperiode: 

a)  2  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  0,78  pCt.,  X,  =  99,22  pCt. 
Gebildete  C0o  =  l,2a'm  bei  0°  und  760  mm. 

b)  Weitere  19  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  1,23  pCt.,  X^  =  98,77  pCt. 
Gebildete  CO,  =  1,9  ccwi  bei  0°  und  160  7nm. 

c)  Weitere   18  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  1,37  pCt.,  N,  =  98,63  pCt. 
Gebildete  CO.,  =  2,1  ccm  bei  0°  und  760  ww. 

21  Stunden  im  Luftstrome;  alsdann  mit  Luft  eingesperrt. 

III.  Luftperiode:  4  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  0.62 pCt.,  0,  =  20,07  pCt.,  N,  =  79,31  pCt. 

^  =  0,81. 

Gebildete  C0^  =  l,i  ccm.  bei  0"  und  160  7nm. 
20  Stunden  im  Ijuftstrome;  alsdann  mit  Luft  eingesperrt. 

IV.  Luftperiode:  37^  Stunden. 

Gasanalyse:  CO,  =  2,87pCt.,  O,  =  17,91pCt.,  N^  =79,22pCt. 


CO 


^  =  0,99. 


0, 

Gebildete  CO,  =  4,S  ccm  bei  0°  und  160  mm. 

Trockengewicht  des  Myceliums  0,481^. 


48  S.  KOSTYTSCHEW: 

Atmungseiiergie  pro  10  Stunden: 

I.  Luftperiode C0^  =  \ldfi  cc77i 

II.  StickstofFperiode,     a)    .     .  CO2  =      6,0    „ 

b)    .     .  C0,=     0,4    „ 

„  c)    .     .  COg  =      Spur. 

III.  Luftperiode      .     .     .     .     ,  CO.,  =      2,7  ccm 

IV.  „  C0^=    12,8    „ 

Aus  I.  und  IL  a)  lässt  sich  berechnen: 

i-  =  0,05. 

Es  ergab  sich  also,  der  Ansicht  ÜIAKONOW's  entgegen,  dass  die 
anaerobe  Atmnng    von  Aspergillus  niger  bei  Zuckerernährung  ebenso 

schwach  ist,   wie  bei  Zuckerabschluss  (^=0,05  bis  0,08). 

Es  wurden  noch  mehrere  Versuche  mit  älteren  (fünf-  und  sechs- 
tägigen) Kulturen  auf  Traubenzucker  ausgeführt;  die  Resultate  dieser 
Versuche  mitzuteilen  halte  ich  jedoch  für  überflüssig,  da  sie  mit  den 
hier  angeführten  vollkommen  übereinstimmen;  ältere  Kulturen 
bildeten  ebensowenig  COo  bei  Sauerstoffabschluss  wie  junge  dreitägige 
Kulturen. 

Dass  die  so  geringe  COg-Produktion  eine  Folge  der  Vergiftung 
ist,  scheint  kaum  zweifelhaft  zu  sein:  werden  Mycelien  von  Asper- 
gillus niger  in  eine  beträchtliche  Menge  der  Zuckerlösung  total  ver- 
senkt, so  diffundieren  die  Produkte  des  anaeroben  Stoffwechsels 
leichter  in  die  umgebende  Flüssigkeit,  wodurch  die  COg-Produktion 
in  so  hohem  Grade  gesteigert  wird,  dass  es  sich  für  möglich  erweist 
den  Chemismus  der  Zuckerspaltung  bei  Sauerstoffabschluss  zu  er- 
forschen. Folgender  Versuch  wurde  auf  die  eben  geschilderte  Weise 
ausgeführt. 

y ersuch  3. 

Nährlösung:  RAULIN'sche  Flüssigkeit  ohne  ICSiOg,  ZnSO^  und 
Weinsäure  und  unter  Ersatz  des  Rohrzuckers  durch  Traubenzucker. 
Eine  beträchtliche  Menge  dieser  Lösung  wurde  in  einen  grossen 
konischen  Kolben  mit  oben  erweitertem  Halse  hineingetan,  der  Kolben 
mit  Watte  verschlossen,  sterilisiert  und  mit  Sporen  von  Aspergillus 
niger  geimpft.  Die  drei  Tage  alte  Kultur  wurde  durch  reine 
sterilisierte  Glasperlen  auf  den  Boden  des  Kolbens  versenkt;  dann 
wurde  mit  Hilfe  einer  im  voraus  angepassten  Vorrichtung  eine  ab- 
gemessene Menge  der  Flüssigkeit  aus  dem  Kolben  für  die  Zucker- 
bestimmung entnommen,  wonach  der  Wattepfropfen  durch  den  üblich 
gebrauchten    Kautschukstöpsel    mit    zwei    Glasröhren    ersetzt   wurde. 


über  die  Alkoholgärung  von  Aspergillus  niger.  49 

Sämtliclie  hier  beschriebene  Operationen  wurden  in  einem  sterilisierten 
HA'NSEN'schen  Glaskasten  unter  Beobaclitung  aller  Kautelen  der 
Asepsis  ausgeführt;  die  Keiuheit  der  Kultur  wurde  nach  Beendigung 
des  Versuches  sorgfältig  geprüft  und  bestätigt. 

Nun  wurde  ein  gleichmässiger  Strom  von  reinem  Stickstoff  im 
Verlauf  von  drei  Stunden  durch  den  Kolben  und  die  sich  darin  be- 
findende Flüssigkeit  geleitet,  wonach  der  Kolben  auf  die  bekannte 
Weise')  luftdicht  abgesperrt  wurde.  Der  mit  Stickstoff  gefüllte 
Kolben  stand  14  Tage  lang  in  einem  Thermostaten  bei  32° ;  alsdann 
noch  24  Stunden  bei  Zimmertemperatur  in  Dunkelheit.  Nach  Ablauf 
der  15  Tage  wurde  eine  Gasportion  für  die  Gasanalyse  und  eine  ab- 
gemessene Menge  der  Lösung  für  die  Zuckerbestimmung  aus  dem 
Kolben  genommen;  die  rückständige  Flüssigkeit  wurde  zur  Alkohol- 
bestimmung  verwendet.  Die  Zuckerbestimmungen  wurden  nach 
ALLIHN-SOXHLET  ausgeführt;  zur  Identifizierung  des  Äthylalkohols 
wurden  die  Benzoylchloridreaktion  und  die  Jodoformprobe  benutzt. 
Der  Alkohol  wurde  nach  mehrfacher  Destillation  mit  Hilfe  eines  ge- 
nauen, mehr  als  30  <:r?/i  fassenden  Pyknometers  bestimmt;  es  sei  noch 
erwähnt,  dass  das  erhaltene  Destillat  keine  Aldehyd-  und  Aceton- 
reaktionen  aufwies.  Die  in  der  Flüssigkeit  gelöste  CO,  wurde  nach 
BUNSEN's  Angaben  auf  Grund  der  Formel 

a  •  h  •  p  •  v' 

berechnet.     In  dieser  Formel  sind: 

v^  das  gesuchte   Volumen  der  gelösten  CO^  bei  0°  und  0,76  wm, 
a    der  Absorptionscoeffioient    der    00^    für    die    Beobachtungs- 
temperatur, 
h     Volumen  der  Flüssigkeit, 
p     Gasdruck  im  Kolben, 
v'   Volumen  der  nicht  absorbierten  COo  und 
v""*    Volumen  des  nicht  absorbierten  Stickstoffs. 

Die  Resultate  des  Versuches  sind  durch  folgende  Zahlen  aus- 
gedrückt worden: 

Gesamtgasvolumen  (v' -|~  ^'^) 271,0  eevi 

Volumen  der  Flüssigkeit 332       „ 

Die  Gasportion  wurde  entnommen  bei  t°  =  18°  und  p  =  710  mm. 
Gasanalyse:  CO^  =  13,83  pCt ,  N,  =  86,17  pCt. 

Gasförmige  COo  =  37,5  ccm  =  32,8  (•e??^  bei  0"  und  TQOmm 
Gelöste  COo  =  46,0    „    bei  0°  und  760  jm???- 

Summe:    COg  =  78,8  can  bei  0°  und  760  mm  =  1 55,9  yng 


v° 


1)  KOSTYTSCHEW  1.  C. 

2)  BUNSEN,  Gasometrisclie  Methoden,  2.  Auflage,  1877,  S.  192. 


50  S.  KOSTYTSCHEW:  Über  die  Alkoholgärung  von  Aspergillus  nigcr. 

Alkohol ,     .     •  142,0  mg 

CO^raH^OH^  100:  91,3. 

Traubenzucker  vor  dem  Versuche 10,329H  g 

„             nach  „             „         10,0043  „ 

Traubenzuckerverbrauch 0,3253  „ 

CO^  +  aH.OH .     .  0,-2983„ 

Differenz     ....  0,0270  g 

Trockengewicht  des  Myceliums 0,492    „ 

Dieser  Versuch  zeigt,  dass  die  anaerobe  Atmung  von  Asyergühis 
niger  bei  Zuckerernährung  mit  der  Alkoholgärung  im  wesentlichen 
übereinstimmt.  Der  genannte  Pilz  besitzt  also  die  Fähigkeit  den 
gelösten  Zucker  in  COo  und  Alkohol  zu  spalten;  die  Summe  dieser 
Produkte  entspricht  ungefähr  dem  Zuckerverbrauch;  der  geringe 
Überschuss  des  verschwundenen  Zuckers  (27  wg)  wurde  vielleicht 
zur  Bildung  der  Oxalsäure  verwendet;  eine  kleine  Menge  dieser 
Säure  liess  sich  in  der  Lösung  nachweisen. 

Die  Ausgiebigkeit  der  COg- Bildung  war  in  diesem  Versuche 
überraschend.  Vergleichen  wir  die  Mengen  der  in  diesem  und  in 
den  beiden  vorhergehenden  Versuchen  ausgeschiedenen  COo,  so 
gewinnen  wir  eine  annähernde  Vorstellung  von  der  Bedeutung  der 
Vergiftung.  Es  ist  nun  einleuchtend,  dass  die  merkwürdig  geringe 
anaerobe  CO^-Bildung  von  Aspergillus  niger  nicht  auf  „Unfähigkeit", 
sondern  auf  andere  Ursachen  zurückzuführen  ist.  Es  sei  noch  er- 
wähnt, dass  ich  auch  bei  Manniternährung  ähnliche  Resultate  erhielt; 
die  betreffenden  Versuche  werden  nach  kurzer  Zeit  veröffentlicht 
werden.  Fassen  wir  die  Resultate  der  hier  beschriebenen  Versuche 
zusammen,  so  ergibt  sich  folgendes: 

Die  anaerobe  CO., -Produktion  von  Aspergillus  niger  bei  Zucker- 
ernährung ist  unbedeutend,  wenn  sich  der  genannte  Pilz  in  einem 
Gasmedium  befindet.  Wird  dagegen  Aspergillus  niger  in  eine  Zucker- 
lösung total  versenkt,  so  bewirkt  er  eine  Spaltung  des  gelösten 
Zuckers  unter  Bildung  von  COo  und  CoHgOH;  dabei  entspricht  das 
A'erhältnis  COo  :  Co  H^  OH  der  bekannten  Gleichung  der  Alkohol- 
gärung. 

Herrn  Prof.  PALLADIN,  in  dessen  Laboratorium  meine  Versuche 
ausgeführt  worden  sind,    drücke    ich  hiermit  meinen  innigsten  Dank 


aus 


St.  Petersburg,    Botanisches  Institut  der  Universität. 


W.  Palladin  und  S.  KoSTYTSCHEW:  Über  auaerobe  Atmung. 


51 


9.   W.  Palladin  und  S.  Kostytschew:  Über  anaerobe 
Atmung  der  Samenpflanzen  ohne  Alkoholbildung. 


Eingegangen  am  "Jö.  Januar  1907. 


In  unseren  früheren  Abhandlungen^)  haben  wir  nachgewiesen, 
dass  die  durch  Erfrierung  getöteten  Lupinensamen,  Lupinenkeimlinge 
und  etiolierte  Stengelgipfel  von  Vicia  Faba  eine  ausgiebige  COg- 
Produktion,  doch  gerino-e  oder  eventuell  gar  keine  Alkoholbilduno- 
bei  SauerstoflFabschluss  bewirken.  Zur  Illustrieruno;  dieser  Schluss- 
folgerung  möge  folgende  Tabelle  dienen:') 


Nummer 

des 
Versuchs 


^'ersuchsmaterial 


CO^  auf 
100  y  des 
Versuclis- 
materials 


CO^: 
C,H-OH 


4 
4 
5 
G 

9 
lU 


Etiolierte  Blätter  von    Vicia  taha 
„         Gipfel       „        y, 

r>  »  »  »  » 

»  r>  y  y>  rt 

Lupinensamen 


151,3 
15G,2 
185,G 
150,0 
80,7 
11G,9 


100:  17,1 
100 :  18,5 
100:    0 
100:    8,4 
100:    0 
100:    0 


Daraus  haben  wir  geschlossen,  dass  die  anaerobe  Atmung  der 
genannten  erfrorenen  Pflanzen  mit  der  Alkoholgärung  nichts  zu 
tun  hat. 

Li  der  vorliegenden  Abhandlung  beabsichtigen  wir  festzustellen, 
dass  eine  derartige  anaerobe  Atmung  unter  Umständen  auch  bei 
lebenden  Pflanzen  stattfindet.  Unsere  Versuche  wurden  mit  etiolierten 
Blättern  von  Vicia  Faba  ausgeführt.  Schon  früher  hat  einer  von  uns 
diese  Blätter  für  eine  ganze  Reihe  seiner  üntersuchuno;en  benutzt. 
Es  ergab  sich  dabei,  dass  etiolierte  junge  Bohnenblätter,  wie 
Embryonalorgane  überhaupt,  äusserst  eiweissreich  sind;^)  ihr  Eiweiss- 
gehalt  beträgt  etwa  42,5  bis  48  pCt.  des  Trockengewichtes.  Auch 
der  Phosphorgehalt*)  dieser  Blätter  ist  ein  sehr  bedeutender,   da  die 


1)  Palladin  und  Kostytschew.    Diese  Berichte  Bd.  24,  190G,  S.  273.   — 
Dieselben  „Zeitschrift  für  physiol.  Chemie",  Bd.  48,  1906,  S.  214. 

2)  Diese  Tabelle  ist  unserer  in  der  „Zeitschrift  für  physiol.  Chemie"  publizierten 
Abhandlung  entnommen. 

3)  Palladix.     Diese  Berichte,  Bd.  9,  1891,  S.  194. 

4)  Palladin.    Diese  Berichte,  Bd.  10,  1892,  S.  179. 


52 


W.  PAIiLADIN  und  S.  KOSTYTSCHEW 


darin  befindlichen  Eiweissstoffe  zum  grössten  Teil  Nucleoproteide- 
sind.  ^)  Doch  enthalten  die  genannten  Blätter  nur  minimale  Mengen 
der  Kohlenhydrate.^)  Diesen  Umstand  hat  einer  von  uns  benutzt, 
um  die  Bedeutung  der  Kohlenhydrate  für  die  anaerobe  Atmung  ins 
klare  Licht  zu  bringen.'*)  Derselbe  hat  gefunden,  dass  die  anaerobe 
Atmung  etiolierter  Bohnen-  und  Lupinenblätter  durch  künstliche 
Zuckerzufuhr  in  hohem  Grade  gesteigert  wird.  Auch  blieben  die 
durch  Zucker  ernährten  Blätter  längere  Zeit  bei  Sauerstoffabschluss 
lebendig  als  die  nicht  ernährten  Blätter.  Diese  Resultate  sind  neuer- 
dings durch  GODLEWSKI*)  bestätigt  worden. 

In  unseren  weiter  folgenden  Versuchen  wurden  etiolierte  Bohnen- 
blätter  (bezw.  Stengelgipfel)  in  geräumige  U-Röhren  gebracht,  durch 
welche  alsdann  Wasserstoff  geleitet  wurde.  Nach  Beendigung  je  eines 
Versuches  wurden  C0„-  und  Alkoholbestirnmungeu  ausi^eführt;  betreffs 
der  Methodik  sei  auf  unsere  oben  zitierten  Abhandlungen  hin- 
gewiesen. 

Versuch  1. 

71  g  etiolierter  Stengelgipfel  von  Vicia  Faha  wurden  im  Verlauf 
von  vier  Tagen  auf  10  pCt.  Saccharoselösung  in  Dunkelheit  kultiviert 
und  alsdann  in  den  PETTENKOFER'schen  Apparat  gebracht.  Wasser- 
stoffstrom, Temperatur  20**. 


Zeitdauer 

CO2 
mg 

CO2  pro  Stunde 
mg 

4  Stunden  20  Minuten 

IG         „                                

178,0 
458,4 
146,0 

41,0 

28,2 

5          _                                  

•^9,6 

25  Stunden  20  Minuten 

782,4 

Älkoholbestinimungen.  ^) 
Das  erhaltene  Destillat  gab  folgende  Reaktionen: 
L  Reaktion     mit    fuchsinschwefliger    Säure     (Aldehydreaktion) 
negativ. 

2.  Jodoform])robe  positiv. 

3.  Benzoylchloridreaktion  positiv. 


1)  Palladin.    Revue  generale  de  botauique,  t.  8,  189G,  p.  205, 

2)  Palladin.     Diese  Berichte,  Bd.  9,  1891,  S.  229. 

3)  Palladin.     Revue  generale  de  botanique,  t.  6,  1894,  p.  201. 

4)  GODLEWSKI.     Bulletin  de  rAcademie  des  sciences  de  Cracovie,  1901,  p.  115. 

5)  In  unserer  letzten  Arbeit  haben  wir  zufällig  die  Arbeit  von  T.  Takahashi 
(Bulletin  of  the  College  of  Agriculture,  Tokyo,  V)  unberücksichtigt  gelassen. 
Dieser  Forscher  hat  Godlewski's  Untersuchungen  über  Alkoholbildung  der  Erbsen- 
saracn  bestätigt. 


Tiber  anaerobe  Atmiiug  der  Samenpflanzen  ohne  Alkoholbildung. 


53 


Die  quantitative  Bestimmung  ergab: 

COo  :  CÖH5OH  =  782,4  :  724,C  =  100  :  92,6. 

Es  ergab  sich  also,  dass  die  mit  Rohrzucker  ernährten  etiolierten 
Steugelgipfel  von  Vicia  Faba  bei  Sauerstoffabschhiss  eine  echte 
Alkoholgärung  erzeugen. 

Versuch  2. 

230  g  frischer  etiolierter  Blätter  von  Vicia  Faba.  Wasserstoff- 
strom, Temperatur  20",  A'ersuchsdauer  22  Stunden. 

CO,  =  446,4  mg  :  aH^OH  =  177,4  mg. 

Das  erhaltene  Destillat  gab  dieselben  Reaktionen  wie  im  vorher- 
gehenden Versuche : 

COg  iC^Hg OH  =  100:39,7. 

Der  grösste  Teil  der  CO^  ist  also  nicht  auf  Alkoholgärnng  zu- 
rückzuführen. Da  die  zu  diesem  Versuche  benutzten  Blätter  nicht 
ganz  zuckerfrei  waren,  so  lag  die  Annahme  nahe,  dass  die  Alkohol- 
bildung nur  im  Verlauf  der  anfänglichen  Stunden  der  Auaerobiose 
auf  Kosten  der  vorhandenen  Kohlenhydrate  stattgefunden  hat.  Zur 
Lösung  dieser  Frage  haben  wir  eine  Methode  angewandt,  die  wir  als 
„Metliode  der  konsequenten  Abziehungen"  bezeichnen.  Dieselbe  be- 
steht darin,  dass  ein  jeder  Versuch  mit  zwei  oder  mehreren  ßlätter- 
portionen  angestellt  wird,  die  im  A^erlauf  ungleicher  Zeit  der  Sauer- 
stoffentziehung unterworfen  werden.  Die  bei  kurzer  Dauer  des  Ver- 
suclies  erhaltenen  Daten  werden  von  denen  des  länger  dauernden 
Versuches  abgezogen.  Auf  diese  Weise  dient  jeder  Versuch  von 
kurzer  Dauer  als  Kontrolle  für  den  länger  dauernden. 


Versuch  3. 

Junge  etiolierte  Blätter  von  Vicia  Faba  wurden  in  zwei  Portionen 
zu  je  56  g  geteilt.  Beide  Portionen  wurden  in  den  PETTENKOFER'scheu 
Apparat  gebracht.     Wasserstoffstrom,  Temperatur  18°. 


CO2 

CO2  pro  Stunde 
von 

Zeitdauer 

1.  Portion 
mg 

2.  Portion 
mg 

2  Portionen 

mg 

5  Stunden  

15          „       

94,4 

76,4 
81,G 
24,4 

15,3 
5,4 

G          „       

4,1 

2()  Stunden 

94  4 

182,4 

— 

54  W.  PALLADIN   und  S.  KOSTYTSCHEW: 

Alkoliolbestimmuu^eii. 

Die  beiden  Destillate  gaben  dieselben  Reaktionen  wie  in  vor- 
hergehenden Versuchen.      Die    quantitativen  Bestimmungen  ergaben: 

I.Portion:  C^H.OH  =  48,1  m^ 

CO.  :  an, OH  =  94,4  :  48,1  =  100  :  50,!). 

2.  Portion :  C.  K  OH  =  74,6  mg 

COo  :  a  H-"0H  =  182,4  :  74,6  =  100  :  40-,9. 

Es  ist  aber  ersichtlich,  dass  im  Verlauf  der  anfänglichen  Stunden 
der  Auaerobiose  die  Alkoholbildung  grösser  ist  als  im  Verlauf  der 
darauffolgenden  Stunden,  und  zwar  sinkt  die  Energie  der  Alkohol- 
bildung schneller  als  die  Energie  der  COo- Bildung.  Werden  die 
Daten  der  ersten  Portion  von  denen  der  zweiten  abgezogen,  so  er- 
geben sich  folgende  Zahlen: 

CO.,  =  182,4  -  94,4  =  88,0  mg 
C0H5OH  =    74,6  -  48,1  =  26,5    ,', 
COo  :  C2H5  OH  =  100:30,0 

Folglich  sind  die  Verhältnisse  von  CO.  :  Gl  Hg  OH: 

1.  Portion 100  :  50,9 

2.  „        100  :  30,0 

Dieser  Versuch  wurde  mit  jungen  Blättern  ausgeführt;  zum  fol- 
genden Versuch  wurden  ältere  Blätter  benutzt,  die  eine  so  geringe 
Menge  der  Kohlenhydrate  enthielten,  dass  letztere  im  Verlauf  der 
anfänglichen  fünf  Stunden  total  vergärt  wurden. 

Versuch  4. 

Alte  etiolierte  Blätter  von  Vicia  Faba  wurden  in  zwei  Portionen 
zu  je  63  ^  geteilt.  Beide  Portionen  wurden  in  den  PETTENKOFER'schen 
Apparat  gebracht.     Wasserstoffstrom,  Temperatur  18,5°. 

1.  Portion:  Versuchsdauer  5  Stunden. 

CO.  =  1 14,8  mg,    C,  H^  OH  =  62,2  mg 
CO.:  CoH.OH=  100:  54,1 

2.  Portion:  Versuchsdauer  30  Stunden. 

CO2  =  256,8  mg,    C,  H^  OH  =  68,3  mg 
CO,  :  C^H^OH^  100:  26,5 
Reaktionen    der    Destillate    wie    in    vorhergehenden  Versuchen. 
Werden  die  Daten    der    ersten  Portion    von    denen    der  zweiten  ab- 
gezogen, so  ergeben  sich  folgende  Zahlen: 

COo  =  256,8  -  114,8  =  142,0  mg 
Co  Hg  OH  =    68,3-    62,2=      6,1    „  ^)  (Spur) 
COo  :  Co  Hg  OH  =  100:  Spur. 

1)  Diese  Zahl  liegt  innerhalb  der  Grenzen  der  Versuchsfehler. 


über  anaerobe  Atmunf?  der  Samenpflanzen  ohne  Alkoholbildung.  55 

Auf  diese  Weise  ist  ersichtlich,  dass  im  Verlaufe  der  zweiten 
Periode  der  Anaerobiose  eine  CO^- Produktion  ohne  gleichzeitige 
Alkoholbilduno-  erfolgte.     Da  nach  den  neueren  Untersuchuno-en  von 

Stoklasa,  Buchner  und  Meisenheimer ')  und  von  Schade')  in 

den  Zwischenstadien  der  Alkoholgärung  eine  Bildun»-  organischer 
Säuren  stattfindet,  so  war  es  geboten  zu  prüfen,  ob  nicht  ein  Teil  der 
Barytlösung  durch  flüchtige  Säuren  gebunden  war.  Zu  diesem  Zwecke 
wurde  eine  gewichtsanalytische  Bestimmung  des  Bariumkarbonats 
vorgenommen.  Der  in  den  Absorptionsgefässen  angehäufte  Nieder- 
schlag wurde  abgehoben,  mit  Hilfe  einer  speziell  angepassten  Vor- 
richtung in  einer  kohlensäurefreien  Atmosphäre  abfiltriert  und  aus- 
gewaschen, dann  getrocknet  und  gewogen. 

1.  Portion      .     .     BaCOg  =  0,4496  </.  entsprechend  100,4  w?^  COo 

2.  „  .     .     BaCOg  =  1,0516  „  „  234,8  „     COÖ 

Es  ergab  sich  also,  dass  die  auf  gewichtsanalytischem  Wege  er- 
haltenen Zahlen  mit  denen  der  volumetrischen  Bestimmung  in  be- 
friedigender Weise  übereinstimmen.')  Die  Barytlösuug  enthielt  also 
keine  flüchtige  oro-anische  Säure.  Daraus  darf  selbstverständlich  nicht 
o'eschlossen  werden,  dass  sich  keine  flüchtige  Säure  im  Innern  der 
Zellen  gebildet  hat. 

Aus  obigen  Versuchen  ist  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  Samen- 
pflanzen nur  bei  Vorhandensein  der  Kohlenhydrate  Alkoholbildung 
bewirken;  bei  Abwesenheit  der  Kohlenhydrate  ist  dagegen  die  anaerobe 
Atmung  dieser  Pflanzen  eine  CO^- Produktion  ohne  Alkoholbildung. 
Die  Frage  des  Chemismus  dieser  Art  der  anaeroben  Atmung 
und  ihrer  Beziehuns:  zur  Alkoholij-ärun^  bleibt  zukünftioen  Unter- 
suchungen  vorbehalten.  Es  scheint  nicht  o-anz  unwahrscheinlich  zu 
sein,  dass  die  genannte  CO^-Bildung  eine  Folge  der  Eiweisszersetzung 
ist.  Schon  längst  hat  einer  von  uns  darauf  hingewiesen,  dass  bei 
Sauerstoffabschluss  ein  Abbau  der  EiweissstofFe  stattfindet,  und  zwar 
ohne  Bildung  der  Säureamide,  ebenso  wie  bei  der  enzymatischen 
Eiweissspaltung.*)  Diese  den  damals  vorherrschenden  Anschauungen 
widersprechenden  Resultate  sind  durch  neuere  exakte  Untersuchungen 
GODLEWSKl's^)  bestätigt  und  erweitert  worden.  Die  umfangreichen 
Untersuchungen  SCHÜLZE's    und    seiner  Schüler  haben  ebenfalls  den 


1)  Buchner  und  Meisenheiivier.  Chemische  Berichte,  Bd.  37,  1901,  S.  417 
und  Bd.  38,  1905,  S.  620. 

2)  Schade.     Zeitschrift  für  physikalische  Chemie,  Bd.  57,  1906,  S.  1. 

3)  Dass  die  gewichtsanaljtische  Bestimmung  etwas  geringere  Zahlen  ergab, 
ist  dadurch  erklärlich,  dass  ein  den  Wänden  der  Absorptionsgefässe  fest  ankleben- 
der Teil  des  BaCOg  nicht  zur  Wägung  gelangte. 

4)  Palladin.    Diese  Berichte,  Bd.  G,  1888,  S.  205  und  296. 

5)  GODLEWSKI  1.  c.  S.  141. 


50  Fe.  Bubäk: 

Nachweis  dafür  geliefert,  dass  Asparagiu  und  (ilutamiubilduug 
sekundäre  Prozesse  sind,  die  nur  bei  Sauerstoffzutritt  eingeleitet 
werden. 

Andrerseits  ist  die  Annahme  nicht  ausgeschlossen,  dass  eine  echte 
Alkoholgärung  auch  bei  Yorhandensein  der  Kohlenhydrate  nur  im 
Anfang  der  Anaerobiose  zustande  kommt  (darüber  könnte  die  Methode 
der  konsequenten  Abziehungen  Aufschluss  geben).  Zugunsten  dieser 
Annahme  spricht  der  Umstand,  dass  CO^  :  Co  Hg  OH  der  Samenpflanzen 
immer  niedriger  ist  als  bei  der  Alkoholgärung  der  Hefe.  Dass  die 
anaerobe  Atmung  mit  der  Alkoholgärung  der  Hefe  nicht  un- 
crezwuu£:en  identifiziert  werden  darf,  hat  einer  von  uns  bereits  vor 
fünf  Jahren  betont.')  Es  ist  wohl  möglich,  dass  bei  den  durch  die 
Produkte  des  anaeroben  Stoffwechsels  vergifteten  Pflanzen  die 
Zuckerspaltuug  sich  nur  auf  intermediäre  Stadien  der  Alkoholbildung 
beschränkt  Ist  dies  wirklich  der  Fall,  so  gewinnt  die  Erforschung 
der  ohne  Alkoholbildung  stattfindenden  anaeroben  Atmung  eine 
grosse  Bedeutung  für  die  Kenntnis  des  Chemismus  der  Alkoholgärung. 

St.  Petersburg,  Pflanzenphysiologisches  Institut  der  Universität. 


10.  Fr.  Bubäk:  Über  Puccinia  Carlinae  E.  Jacky  in  bisheriger 

Begrenzung. 

Eingegangen  am  30.  Januar  1907. 


Beim  vergleichenden  Studium  einiger  Puccinieu  stiess  ich  auch 
auf  Puccinia  Carlinae^  die  bei  den  Uredinologen  von  Carlina  acaulis 
und  Carlina  vulgaris  angegeben  wird.  Zufälligerweise  bekam  ich  zu 
gleiclier  Zeit  denselben  Pilz  von  Herrn  Prof.  K.  MALKOPF  aus 
Bulgarien,  und  zwar  auf  Carlina  longifolia  Rchb. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  dieser  Puccinia  —  von 
allen  drei  genannten  Nährpflanzen  —  fand  ich,  dass  die  Teleuto- 
sporen  von  Carlina  vulgaris  und  Carlina  longifolia  eine  ganz  andere 
Form  und  Grösse  haben  als  diejenigen  von  Carlina  acaulis.  Auch 
die  Bewarzung  des  Epispors  und  die  Lage  der  Keimporen  der 
Wintersporen  sind  bei  beiden  Formen  verschieden. 


1)  KOSTYTSCHEW.    Diese  Berichte,  Bd.  20,  1902,  S.  327. 


über  Puccinia  Cailinae  E.  Jacky  in  bisheriger  Begrenzung.  57 

^  Bei  Puccinia  CarJinae  sind  die  Teleutosporen  grösstenteils 
birnenfOrnng  oder  eiförmig,  seltener  keulenförmig  oder  ellipsoidisch, 
so  dass  gewöhnlich  die  untere  Zelle  kleiner  ist  als  die  obere  und 
dabei  mehr  oder  weniger  zum  Stiele  verjüngt.  Die  Teleutosporen 
sind  in  dem  mir  vorliegenden  Materiale  30  —  40  fj,  lang,  20 — 24  ^t 
breit,  während  SYDOW  26—40X16—22/^,  E.  JACKY  und  E.  FISCHER 
25  —  35  X  16 — 20 /i  gefunden  haben.  Die  Grenzen  der  Masse  bewegen 
sich  also  bei  der  Länge  zwischen  25 — 40 /i,  bei  der  Breite  16 — 24 /i. 

Bei  der  neuen  Form,  die  ich  Piiccijiia  divergens  m.  nenne,  sind 
die  Teleutosporen  grösstenteils  ellipsoidisch,  seltener  eiförmig  und 
beide  Zellen  gewöhnlich  gleich  gross,  die  untere  Zelle  abgerundet, 
seltener  nach  unten  schwach  verjüngt.  Die  Länge  beträgt  bei  ihnen 
40-51  /<,  die  Breite  24—33  ,«. 

Die  Bewarzung  des  Epispors  ist  bei  Puccinia  divergens  schärfer 
als  bei  Puccinia  Carli?iae,  indem  die  Warzen  bei  jener  Art  etwas 
höher  sind  als  bei  dieser. 

Die  Keimporen  sind  bei  Puccinia  Carlinae  in  der  Scheitelzelle 
um  ^/g,  in  der  Basalzelle  um  ^/.j  herabgerückt,  während  bei  der 
neuen  Art  dieselben  in  der  Scheitelzelle  bis  zu  7-7  in  der  Basalzelle 
zwischen  Va — Vs  liegen. 

Auch  zwischen  den  Uredosporen  bestehen  bei  beiden  Arten 
einige  Unterschiede. 

Bei  Puccinia  Carlinae  sind  die  Uredosporen  24 — 33  /x  lang, 
20 — 31  ,«  breit,  während  sie  bei  Puccinia  divergens  höhere  Zahlen 
28 — oQ  (auch  40)  X  22 — 33  fx  erreichen,  also  relativ  grösser  sind. 

Die  Sporenlager  bleiben  bei  Puccinia  divergens  länger  bedeckt 
als  bei  Puccinia  Carlinae,  was  allerdings  mit  der  Beschaffenheit  der 
Epidermis  zusammenhängt. 

Nun  lasse  ich  die  Diagnose  der  neuen  Art  folgen: 

Puccinia   divergens   Bubäk   n.  sp.    (^Puccinia  Carlinae  aut.  p.  p.). 

Uredolager  beiderseits,  mehr  aber  unterseits  entwickelt,  lange 
bedeckt,  pusteiförmig  aufgetrieben,  später  spaltenförmig  aufgerissen, 
endlich  nackt,  braun,  rundlich  oder  elliptisch,  staubig;  Uredosporen 
kugelig,  eiförmig  bis  ellipsoidisch,  seltener  birnförmig,  28 — 36  /«, 
seltener  bis  40  jn  lang,  22 — 33  f.i  breit,  braun,  mit  3  (selten  4) 
äquatorialen  Keimporen  oder  2  äquatorialen  und  einem  scheitel- 
ständigen, welche  mit  wenig  quellbaren  Kappen  versehen  sind. 
Membran  mit  deutlichen  Stacheln  besetzt,  2 — 2,5  ju  dick. 

Teleutosporenlager  wie  die  Uredolager,  aber  schwarzbraun 
bis  schwarz;  Teleutosporen  gewöhnlich  ellipsoidisch,  seltener  eiförmig, 
40  —  51  ju  lang,  24 — 33  ,a  breit,  beide  Zellen  gew^öhnlich  gleich  gross 
oder  die  untere  wenig  kleiner,  die  Scheitelzelle  abgerundet,  die 
Basalzelle  ebenfalls  oder  seltener  nach  unten    verschmälert,    bei    der 


58  W.  ZALESKI: 

Querwand  eingeschnürt,  mit  brauner,  2,5-3,5  /t  dicker,  deutlich 
warziger  Membran.  Keimporen  der  Scheitelzelle  scheitelständig  oder 
bis  zu  Ys  herabgerückt,  mit  massiger  Papille,  jener  der  Basalzelle 
zwischen  ^3 — V2  gelegen.     Stiel  kurz,  hyalin,  hinfällig. 

Auf  Carlina  vulgaris:  Prencov  in  Ungarn,  leg.  A.  KmeT  im 
August  1899! 

Auf  Carlina  longifolia:  Boikovo  nächst  Stauimaka  in  Bulgarien, 
leg.  K.  MalKOFF  im  August  1905! 

Ich  vermute,  dass  Puccinia  divergens  eine  ziemlich  grosse  Ver- 
breitung hat,  denn  es  scheint,  dass  auf  Carlina  vulgaris  und  Carlina 
longifolia  nur  diese  Art  vorkommt.  Sie  ist  vielleicht,  ebenfalls  wie 
die  nächsten  verwandten  Arten,  eine  Brachyform. 


II.  W.  Zaieski:  Über  den  Umsatz  der  Phosphorverbindungen 

in  reifenden  Samen. 

Eingegangen  am  4.  Februar  1907. 

Bei  dem  Studium  der  Eiweissbildung  in  reifenden  Samen  bin 
ich  zu  dem  Schlüsse  gekommen,^)  dass  das  Reifen  derselben  seiner 
chemischen  Natur  nach  einen  umgekehrten  Prozess  im  Vergleich  mit 
deren  Keimung  darstellt. 

Vorliegende  Mitteilung  stellt  eine  Weiterführung  der  oben  ge- 
nannten  Arbeit  dar  und  hat  den  Zweck  die  Umwandlungen  der 
Phosphorverbiudungen  besonders  des  Eiweissphosphors  beim  Reifen 
der  Samen  zu  verfolgen  und  mit  denjenigen  zu  vergleichen,  die 
während  der  Keimung  derselben  vor  sich  gehen. 

Zuerst  studierte  AmTHOR^)  die  quantitativen  Veränderungen, 
welche  verschiedene  Phosphorverbindungen  in  reifenden  Samen  er- 
leiden. Der  Verfasser  bestimmte  die  auf  verschiedene  Verbindungen 
fallende  Phosphormenge  in  1000  FeYw- Samen  während  drei  auf- 
einander folgender  Reifestadien.     So  z.  B.: 

6.  September  30.  September  od.  Oktober 

Lecithin-P 0,0039               0,0042  0,0048 

P-löslich    in  verdünnter  Salz- 
säure       0,0365               0,0422  0,0451 

Eiweiss-P 0,0043              0,0037  0,0038 

1)  ZALESKI,  diese  Berichte,  Bd.  XXIII. 

2)  Amthor,  Zeitschr.  für  physiolog.  Chem.,  Bd.  IX,  1885. 


über  den  Umsatz  der  Phosphorvorbindungen  in  reifenden  Samen.  59 

Aus  diesem  Yersuclie  kann  man  keinen  bestimmten  Schluss 
üb^r  den  Umsatz  der  Piiosphorverbindungen  während  des  Reifens 
der  Samen  ziehen.  So  haben  Lecithin  und  Eiweissstoife  keine  Ver- 
änderung erfahren,  da  die  Phosphormengen  derselben  in  der  Fehler- 
grenze der  Analyse  schwanken,  die  Zunahme  von  Phosphaten  aber 
ist  unbewiesen,  da  nach  der  Methode  des  Verfassers  nicht  nur  diese, 
sondern  alle  in  Salzsäure  löslichen  Phosphorverbindungen  bestimmt 
wurden. 

Demgegenüber  hat  IWANOFP^)  das  Schwinden  der  Phosphate 
beim  Reifen  einio-er  Samen  auf  dem  ^Yege  mikrochemischer  Unter- 
suchungen  nachgewiesen. 

Somit  sind  wir  bis  jetzt  nur  wenig  unterrichtet  über  die 
chemische  Natur  der  Piiosphorverbindungen,  die  den  reifenden 
Samen  aus  anderen  Teilen  der  Pflanze  zuströmen,  sowie  über  weitere 
Umwandlungen  derselben. 

Unsere  früheren  Untersuchungen^)  machen  es  schon  a  priori 
sehr  Avahrscheinlich,  dass  die  Umsetzungen  der  Phosphorverbiudungen 
in  reifenden  Samen  denjenigen  entgegengesetzt  sein  werden,  die 
während  der  Keimung-  derselben  vor  sich  gehen.  Es  müssen  also 
die  Phosphate,  welche  während  der  Keimung  der  Samen  durch  den 
Zerfall  der  organischen  Phosphorverbindungen  entstehen,  beim  Reifen 
derselben  in  diese  übergehen. 

Um  diese  Frage  zu  entscheiden,  haben  wir  wie  früher  die  Ver- 
suche mit  unreifen,  von  der  Pflanze  losgelösten  Erbsensamen  aus- 
geführt. 

Die  Samen  wurden  aus  den  Hülsen  genommen  und  mit  Hilfe 
eines  scharfen  Messers  in  zwei  gleichartige  Teile  zerlegt,  um  die 
Eiweisssynthese  zu  beschleunigen.^) 

Von  den  so  halbierten  Samen  wurde  eine  Portion  (Kontroll- 
portion) sofort  bei  70°  getrocknet,  eine  andere  aber  in  einen  dunklen 
und  trockenen  Raum  auf  drei  Tage  eingeführt  und  nach  Verlauf 
dieser  Zeit,  wie  die  erste  getrocknet. 

Die  quantitative  Bestimmung  des  auf  verschiedene  Verbindungen 
fallenden  Phosphors  geschah  in  der  früher  beschriebenen  Weise.*) 

Der  Phosphor  aller  bestimmbaren  Verbindungen  wurde  als  PoOg 
berechnet  und  in  Prozenten  der  Gesamt-P^, Og  ausgedrückt.  Da  aber 
die  zum  Vergleich  dienenden  Portionen,  wie  aus  dem  Nachstehen- 
den zu  ersehen  sein  wird,  so  gleichartig  sind,  dass  ihre  Gesamt-PoOg 
nur    in    den  Fehlergrenzen    des  Versuches    unter    sich    differiert,    so 


1)  Iwanoff,  Jahrb.  für  wissensch.  Bot.,  Bd.  36. 

2)  Zaleski,  1.  c. 

3)  Z-ILESKI,  diese  Berichte,  Bd.  XIX,  1901. 

4)  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XXIII. 
Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV. 


60  W.  Zaleski  : 

können  wir  in  diesem  Falle  alle  bestimmbaren  Verbindungen  nicht 
nur  in  Prozenten  der  Gesamt  -  PgOg,  sondern  auch  absolut  be- 
stimmen. 

Versuch  I. 

Nach    dem    Halbieren    der    Samen    wurde    eine  Versuchsportion 
derselben  in  den  trockenen  Raum  auf  drei  Taoe  einoeführt: 

Koutrollportioü  Versuchsportion 

Gesamt-?.,  O5 0,2858  0,2896 

Eiweiss-PoOg 0,0857  0,1394 

Phosphatiden-?,  0. 0,0252  0,02(;0 

Phosphat-?,  0/ 0,1020  0,0530 

PoOg  in  organischen  Phosphaten^) 

"  (Differenz) 0,0728  0,0702 

Von  der  Gesamt-PoOg  fallen  auf: 

Kontrollportion  Versuchsportion 

Eiweiss-P.Og 30,0  pCt.  48,1  pCt. 

Phosphatiden-?,,  O5 8,8     „  9,0    „ 

Phosphat-?,  O5 35,6     „  18,3    „ 

?„  O5  iu  organischen  Phosphaten 

"  (Differenz) 25,4     „  24,2    „ 

Versuch  IL 

Nach    dem    Halbieren    der    Samen    wurde    eine  Versuchsportion 
derselben  in  den  trockenen  Raum  auf  drei  Tage  eingeführt: 

Kontrollportion  Versuchsportion 

Gesamt-?,  0, 0,3366  0,3427 

Eiweiss-P.Og 0,1254  0,1496 

Phosphatiden-?,  O5 0,0321  0,0335 

Phosphat-?,  0/ 0,1071  0,0841 

PoOg    in    organischen    Phosphaten 

(Differenz) 0,0720  0,0755 

Von  der  Gesamt-PaOg  fallen  auf: 

Kontrollportion  Versuchsportion 

Eiweiss-P,Og 37,2  pCt.  43,6  pCt. 

Phosphatiden-?,  Og 9,5     „  9,8    „ 

Phosphat-?,  Og 31,8     „  24,5    „ 

P,  Og  in  organischen  Phosphaten 

(Differenz) 21,3     „  22,0    „ 

1)  Unter  organischen  Phosphaten  verstehe    ich    die    in  0,2  pCt.  Salzsäure    lös- 
lichen organischen  Phosphorverbiudungen. 


über  den  Umsatz  der  Phosphorverbindungen  in  reifenden  Samen. 


61 


Versuch  III. 

Nach    dem    Halbieren    der    Samen    wurde    eine  Yersuchsportion 
derselben  in  den  trockenen  Raum  auf  drei  Tage  eingeführt: 

Kontrollportion  Versuchspoi'tion 

Gesamt-P.,05 0,3447  0,3436 

Eiweiss-P^Og 0,1399  0,1711 

Phosphatiden-P.Og 0,0292  0,0274 

Von  der  Gesamt-P^,  O5  fallen  auf: 

Koutrollportion  Versuchsportion 

Eiweiss-P.Og 40,6  pCt.  49,8  pCt. 

Phosphatiden-PoOg 8,4     „  8,0    „ 


Versuch  V\ . 

Nach  dem  Halbieren  der  Samen  wurde  eine  Versuchsportion 
derselben  in  den  trockenen  Raum  auf  drei  Tage  eingeführt: 

Kontrollportion  Versuchsportion 

Gesamt-P.>0- 0,3400  0,3421 

Eiweiss-P',0'5 0,1319  0,1672 

Phosphat-P,0, 0,1020  0,0687 

Von  der  Gesamt-PoOg  fallen  auf: 

Kontrollportion  Versuchsportion 

Eiweiss-P.Og 38,8  pCt.  48,9  pCt. 

Phosphat-P.Og 30,0     „  20,1     „ 

Unsere  Versuche  mögen  genügen,  um  klar  darzulegen,  dass  nach 
dem  Halbieren  der  reifenden  Samen  eine  Zunahme  von  Eiweiss- 
phosphor  in  denselben  stattfindet.  So  z.  B.  enthielten  die  reifenden 
Samen  am  Anfang  des  ersten  Versuches  30  pCt.  Phosphor  in  Form 
von  Eiweissstoffen,  nach  dem  Halbieren  derselben  aber  war  ihre 
Menge  auf  48,1  pCt.  gestiegen.  Es  gingen  also  gegen  18  pCt. 
Phosphor  in  eiweissartige  Verbindungen  wahrscheinlich  in  Nukleo- 
albumine  über. 

Die  Zunahme  von  phosphorhaltigeu  Eiweissstoffen  während  des 
Nachreifens  der  Samen  steht  im  Zusammenhano-e  mit  der  Abnahme 
von  Phosphaten,  da  sich  die  übrigen  organischen  Phosphor- 
verbiudungeu  in  der  Fehlergrenze  der  Analyse  verändern.  So  z.  B. 
verschwanden  im  ersten  Versuche  je  17,3  pCt.  der  Phosphate  und 
dementsprechend  nahm  der  Gehalt  an  phosphorhaltigen  Eiweiss- 
stoffen um  18,1  pCt.  zu. 

Es  unterliegt  also  keinem  Zweifel,  dass  die  Bildung  des  Eiweiss- 
phosphors  beim  Reifen  der  Samen  ausschliesslich  auf  Kosten  der 
Phosphate  stattfindet. 

5* 


62  W.  ZALESKI:    " 

Die  Frage  über  die  Bildung-  der  Phosphatide  und  der  organi- 
schen Phosphate  in  reifenden  Samen  lässt  sich  derzeit  nicht  mit 
Sicherheit  beantworten,  aber  man  kann  es  doch  für  wahrscheinlich 
erklären,  dass  die  Synthese  dieser  Verbindungen  auch  auf  Kosten- 
der Phosphate  vor  sich  geht. 

Zugunsten  dieser  Ansicht  spricht  die  Analyse  der  Samen  in  ver- 
schiedenen Stadien  des  Reifens  derselben.  Es  sind  besonders 
wichtig  für  uns  die  quantitativen  Bestimmunpen  der  Phosphor- 
verbindungen in  den  Samen  am  Anfang  des  Reifens  derselben,  da 
solche  für  spätere  Stadien  dieses  Prozesses  schon  oben  ange- 
führt sind. 

Daher  führe  ich  eine  der  von  mir  ausgeführten  Analysen  der 
Samen  in  sehr  frühen  Stadien  des  Reifens  an. 

Da  aber  HART  und  ANDREWS^)  die  Beweiskraft  der  quanti- 
tativen Bestimmungen  der  Phosphate  nach  der  Molybdänmethode  in 
Zweifel  gezogen  hatten,  so  suchte  ich  diese  auch  nach  SCHULZE's 
Verfahren^)  zu  bestimmen.  Zu  diesem  Zweck  wurde  das  Filtrat 
vom  Eiweissniederschlage  mit  Chlorcalcium  und  Ammoniak  versetzt 
und  der  dabei  erhaltene  Calciumphosphatniederschlag  abfiltriert  und 
ausorewaschen.  Darauf  wurde  dieser  Niederschlag  mit  Ammoncitrat- 
lösung  versetzt  und  24  Stunden  lang  stehen  gelassen.  Die  Phosphor- 
säure wurde  dann  in  der  üblichen  Weise  bestimmt. 

Von  den  bei  diesen  Bestimmungen  erhaltenen  Zahlen  teile  ich 
hier  nur  die  folgenden  mit: 

Gesamt-P.Og 1,8805  pCt. 

Eiweiss-PoOg 0,4336     „ 

Phosphatiden-Pg  0., 0,1500     „ 

Phosphat-Po  Og  nach  der  Molybdänmethode  1,1676     „ 

„  „      SCHÜLZE's    Yerfahren  0,9852     „ 

PoO.  in  organischen  Phosphaten   ....  0,1298     „ 


Von  der  Gesamt-PaO^  fallen  auf: 

Eiweiss-PoOg 23,0  pCt. 

Phosphatiden-P.Oß 8,0     „ 

Phosphat-Po  Og  nach  der  Molybdänmethode   .  62,0     „ 

„  „      SCHULZE's  A^erfahren     .  52,4     „ 

PgOg  in  organischen  Phosphaten       ....       6,9     „ 

In  dem  angeführten  Stadium  des  Reifens  enthalten  die  Same» 
eine  sehr  grosse  Menge  von  Phosphaten  (62  pCt.).  Zwar  haben  wir 
nach  SCHULZE's  Methode  etwas  geringere  Zahlen  (52,4  pOt.)  für 
Phosphate  erhalten,    aber  das  ist  ganz  verständlich,    da  nach  diesem 


1)  Haet  und  Andrews,  Americ  Chemie.  Journal,  Vol.  XXX,  li)0;^. 

2)  Schulze  und  Castoeo,  Zeitschr.  für  pbysiolog.  Chem.,  Bd.  4L 


über  den  Umsatz  der  Phosphorverbindungen  in  reifenden  Samen.  63 

A'erfahren  Magnesiuniphosphat  der  Bestimmung  entgeht.  Somit  ent- 
sprechen unsere  Bestimmungen  der  Phosphate  nach  der  Molybdän- 
methode  der  Wirklichkeit. 

Es  stellen  also  Phosphate  am  Anfang  des  Reifens  der  Samen 
die  hauptsächlichste  Phosphorverbindung  dar.  Mit  dem  Fortschreiten 
des  Reifens  aber  verschiebt  sich  das  Mengenverhältnis  zwischen 
Phosphaten  und  organischen  Phosphorverbiudungen  zugunsten  der- 
selben. So  z.  B.  enthielten  die  Samen  am  Anfans;  des  Reifens 
.  6,9  pCt.  Phosphor  in  Form  von  organischen  Phosphaten,  während 
in  den  späteren  Stadien  ihre  Menge  auf  25,4  pCt.  gestiegen  war. 

Phosphate  strömen  den  reifenden  Samen  aus  anderen  Teilen 
der  Pflanze  zu  und  gehen  hier  in  organische  Phosphorverbiudungen 
über.  Dafür  spricht  auch  die  Analyse  der  Hülsen  für  sich  allein. 
So  z.  B. 

Versuch  I. 

Die  Hülsen  am  Anfang  des  Reifens  der  Samen: 

Gesamt-P.O, 1,7326  pCt. 

Eiweiss-P.Og 0,3408     „ 

Phosphatiden-P.Og 0,1104     „ 

Phosphat-P,  O. 1,0597     „ 

PoOg  in  organischen  Phosphaten    .     0,2127     „ 

Von  der  Gesamt-PoOg  fallen  auf: 

Eiweiss-P,0. 19,6  pCt. 

Phosphatiden-P.,05 6,9     „ 

Phosphat-P,  Og 61,1      „ 

P0O5  in  organischen  Phosphaten  .     .     12,3     „ 

Versuch  H. 

Die  Hülsen  kurz  vor  dem  Gelb  werden. 

Gesamt-P.Og 0,8901  pCt. 

Eiweiss-PgOg 0,1115     „ 

Phosphatiden-P.Og    ......  0,0512     „ 

Phosphat-P.,  Og 0,6220     „ 

P0O5  in  organischen  Phosphaten    .  0,1054     „ 

Von  der  Gesamt-PoOg  fallen  auf: 

Eiweiss-P^Og 12,5  pCt. 

Phosphatiden-P^.Og 5,6     „ 

Phosphat-P.Og  " .     69,8     „ 

PoOg  in  organischen  Phosphaten  .     .     11,8     „ 

Wie  man  sieht,  waren  die  Hülsen  sehr  reich  an  Phosphaten,  da 
ihre  Phosphormenge  69  pCt.  des  Gesamtphosphors  betrug. 


64  W.  ZALESKI: 

überblickt  man  unsere  Beobachtungen,  so  wird  man  zu  der  An- 
sicht gedrängt,  dass  Phosphate  die  einzige  Phosphorverbindung  dar- 
stellen, die  in  reifenden  Samen  als  Material  für  die  Bildung  anderer 
Phosphorverbindungen  dient. 

Es  ist  nun  die  Frage  zu  stellen,  auf  welche  Weise  sich  die 
organischen  Phosphate  und  Phosphatide  beim  Reifen  der  Samen  aus 
Phosphaten  bilden. 

Wir  haben  schon  oben  gesehen,  dass  nach  dem  Zerschneiden 
der  reifenden  Samen  keine  Vermehrung  der  oben  genannten 
Phosphorverbindungeu  beobachtet  wurde.  Es  bedarf  also  zu  ihrer 
Bildung  anderer  Bedingungen,  als  sie  zur  Synthese  von  phosphor- 
haltigen  Eiweissstoffen  nötig  sind. 

Der  experimentellen  Forschung  muss  es  überlassen  werden,  die 
Frage  nach  den  Bedingungen  der  Bildung  der  Phosphatide  und  der 
organischen  Phosphate  zu  entscheiden. 

Es  geht  also  in  reifenden  Samen  ein  Umsatz  der  Phosphor- 
verbindungen vor  sich,  der  demjenigen  ganz  entgegengesetzt  ist,  der 
sich  in  keimenden  Samen  abspielt.  Während  der  Keimung  der 
Samen  zersetzen  sich  die  organischen  Phosphorverbindungen  unter 
der  Bildung  von  freien  Phosphaten,  die  beim  Reifen  derselben  in 
organische  Phosphorverbindungen  übergehen. 

Diese  Tatsache  ist  um  so  auffallender,  als  die  reifenden  Samen 
dieselben  Enzyme  enthalten,  die  auch  bei  der  Keimung  derselben  zum 
Vorschein  kommen. 

So  habe  ich  vor  kurzem^)  nachgewiesen,  dass  die  unreifen  Samen 
proteolytische  Enzyme  enthalten.  Man  kann  auch  zeigen,  dass  diese 
Samen  ein  Enzym  enthalten,  das  den  Zerfall  der  pliosphorhaltigen 
EiweissstofPe  hervorruft. 

Zu  diesem  Zweck  wurden  die  unreifen  Samen  bei  37°  ge- 
trocknet, fein  pulverisiert  und  in  diesem  Zustande  zu  den  Versuchen 
benutzt.  Darauf  wurden  vier  Portionen  dieses  Präparates  in  Kolben 
gebracht,  mit  Wasser  unter  Toluolzusatz  versetzt  und  auf  10  bis 
13  Tage  der  Autodigestion  bei  37°  unterworfen.  Zur  Kontrolle 
wurden  zwei  Gefässe  vorläufig  eine  Viertelstunde  lang  im  Wasser- 
bade erhitzt.  Nach  beendigtem  Versuche  wurde  PoO^  der  Eiweiss- 
stoffe  bestimmt  und  in  Prozenten  der  ursprünglichen  Substanz  (des 
Präparates)  ausgedrückt.     So  z.  B.: 

Versuch  I. 
Autodigestionsdauer  13  Tage. 

f,^ekocht  ungekocht 

Eiweiss-P^Og.    .    0,8000  pCt.  0,2574  pCt. 


1)  ZALESKI,  diese  Berichte,  Bd.  XXIII,  1905. 


über  deu  Umsatz  der  Phosphorverbiudungen  in  reifenden  Samen  65 

Versuch  IL 

Autodigestionsdauer  10  Tage. 

gekocht  ungekocht 

Eiweiss-P.O^  .    .    0,7985  pCt.  0,3021  pCt. 

Versuch  III. 

Autodigestionsdauer  12  Tage. 

gekocht  ungekocht 

Eiweiss-P,05.    .    0,8000  pCt.  0,3015  pCt. 

Aus  den  angeführten  Versuchen  ist  zu  ersehen,  dass  sich  die 
phosphorhaltigen  Eiweissstoffe  der  reifenden  Samen  enzymatisch 
zersetzen. 

Ob  ein  und  dasselbe  Enzym  die  Phosphorabspaltung  aus  Eiweiss- 
stoflfen  und  die  Zersetzung  derselben  hervorruft  oder  zwei  ver- 
schiedene davon  vorhanden  sind,  ob  auch  die  proteolytischen  Enzyme 
der  reifenden  Samen  mit  denjenigen  der  keimenden  identisch  sind, 
bleibt  zu  erforschen. 

Von  Wichtigkeit  ist  nun  aber  die  Tatsache,  dass  die  Um- 
setzungen von  Eiweissstoffen  während  des  Reifens  der  Samen  den- 
jenigen während  der  Keimung  entgegengesetzt  sind,  während  bei 
der  Autolyse  sowohl  der  keimenden  als  auch  der  reifenden  Samen 
ein  gleicher  Abbau  von  Eiweissstoffen  stattfindet. 

Die  wahrscheinlichste  Deutung  dieser  Erscheinung  gibt  uns  der- 
zeit die  Lehre  von  der  Umkehrbarkeit  der  enzymatischen  Reaktionen. 
Vom  Gesichtspunkte  dieser  Ansicht  aus  wird  das  Vorhandensein  und 
die  Rolle  der  Protease  in  reifenden  Samen  verständlich. 

Dieser  Annahme  nach  ruft  ein  und  dasselbe  Enzym  nicht  nur 
den  Abbau,  sondern  auch  den  Aufbau  irgend  einer  Verbindung 
hervor. 

Mit  Recht  schreibt  HOFMEISTER:^)  „Wenn  sich  herausstellen 
sollte,  dass  die  Reversibilität  der  Fermentvvirkung  allgemeinere 
Gültigkeit  hat,  wie  einfach  Hesse  sich  dann  der  zweckmässige  Ver- 
lauf einer  grossen  Anzahl  der  wichtigsten  physiologischen  Vorgänge 
deuten." 

Zugunsten  der  Reversibilität  der  proteolytischen  Reaktionen 
spricht  die  Tatsache,  dass  solche  für  einige  Verbindungen  aus  der 
Reihe  der  Kohlenhydrate,  Fette  und  Glykoside  nachgewiesen  ist. 

So  hat  CßEMER^)  nachgewiesen,  dass  glykogenfreier  Presssaft 
von  Hefe    nach  Zusatz    von    30  pCt.  Fruktose    die  Glykogenreaktion 


1)  Hofmeister,  Chemische  Organisation  der  Zelle,  1901,  S.  21. 

2)  CREMER,  Ber.  der  Deutschen  ehem.  Ges.,  Bd.  32,  1899. 


66        W.  Zaleski:  Umsatz  der  Phosphorverbindungen  in  reifenden  Samen. 

wieder  zeigt.  Es  wurde  auch  die  umkehrbare  Wirkung  der  Lipose^) 
und  die  Bildung  von  Amygdalin  aus  Mandelsäurenitrilglykosid  und 
Glukose  durch  die  Vermittlung  der  Hefemaltose  ^)  beobachtet. 

In  anderen  Fällen  wurde  nicht  eine  Reversion,  sondern  eine 
Synthese  von  isomeren  Verbindungen  beobachtet.  So  wurde  die 
Synthese  von  Isolaktose ^)  und  Isomaltose*)  statt  der  Lactose  und 
Maltose  durch  entsprechende  Enzyme  nachgewiesen. 

Es  drängt  sich  die  A^ermutung  auf,  dass  auch  die  Eiweissbildung 
zu  den  reversiblen  enzymatischen  Reaktionen  gehört.  HÖBER ^)  hat 
die  Meinuno-  von  der  reversiblen  Wirkun 2:8 weise  der  Proteasen  aus- 
gesprochen.  Ich  selbst  habe  in  den  zerriebenen  Erbsensamen,  die 
nach  Toliiolzusatz  der  Autodigestion  bei  Zimmertemperatur  unter- 
worfen waren,  eine  Reversion  von  eiweissartigen  Verbindungen 
nachgewiesen.^)  Auf  Grrund  dieser  Versuche  hat  auch  SCHULZE'') 
den  Schluss  gezogen,  dass  „der  enzymatische  Vorgang  in  den  reifen- 
den Erbsensamen  reversibel  (umkehrbar)  ist". 

Indem  ich  mich  für  die  enzymatische  Reversion  der  Eiweiss- 
stofPe  ausgesprochen  habe,  gab  ich  den  von  mir  gefundenen  Tat- 
sachen nur  die  wahrscheinlichste  Deutung,  da  es  unbekannt  blieb, 
ob  in  diesen  Versuchen  eine  echte  Reversion  von  Eiweissstoffen 
stattfand. 

Es  ist  möglich,  dass  in  den  von  mir  ausgeführten  Versuchen 
nicht  die  Reversion  von  Eiweissstoffen,  die  am  Anfang  des  Versuches 
der  Proteolyse  anheimfielen,  sondern  anderer  zunächst  durch  den 
Zerfall  derselben  entstandenen  eiweissartiger  Verbindungen  stattfand. 

In  jedem  Falle  ist  die  Voraussetzung  der  ümkehrbarkeit  der 
proteolytischen  Vorgänge  in  reifenden  Samen  sehr  verlockend,  da 
sie  am  besten  die  gefundene  Tatsache  erklärt,  obschon  die  weitere 
Lösung  dieser  Frage  der  Zukunft  überlassen  sein  soll. 


1)  Kastle  und  LOEVENHART,  Americ.  Chem.  Journ.,  24,  1900;  Kanriot, 
Compt.  rendus,  t.  132,  1901,    und  MoHR,  Wochenschrift  für  Brauerei,  Bd.  19,  1902. 

2)  Emmerling,  Ber.  der  Deutschen  chem.  Ges.,  Bd.  .'34,  1901. 

3)  Fischer  und  Armstrong,  Ber.  der  Deutschen  chem.  Ges.,  Bd.  35,   1902. 

4)  C.  Hill,  Journ.  of  Chem.  Soc,  Vol.  73,  1898.  —  EMMERLING,  Ber.  der 
Deutschen  chem.  Ges ,  Bd.  34,  1901.  Nach  der  letzten  Mitteilung  von  HILL  wird 
Revertose  und  Maltose  gebildet.     Proc.  Chem.  M.,  Vol.  19,  1903. 

5)  HÖBER,  Die  physikalische  Chemie  der  Zelle  und  Gewebe,  1902. 

6)  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XXIII,  1905. 

7)  Schulze,  Landwirtschaftl.  Jahrbücher,  Bd.  XXXV. 


M.  MüBIUS:  Die  Erkältung  der  Pflanzen.  67 


12.  M.  Möbius:  Die  Erkältung  der  Pflanzen. 

(12.  Mitteilung  aus  dem  Botanischen  Garten  zu  Frankfurt  a.  M,) 
Eingegangen  am  11.  Februar  1907. 


Als  Erkältung  bezeichne  ich  eine  Erscheinung  der  Kältewirkung 
auf  Pflanzen,  die  zwar  in  der  Praxis  den  Gärtnern  wohlbekannt  ist, 
deren  Erwähnung  in  der  botanischen  Literatur  ich  aber  bisher  ver- 
gebens gesucht  habe.  Es  handelt  sich  um  die  Schädigung  von 
Pflanzen  und  Pflanzenteilen,  die  nur  ganz  kurze  Zeit,  nur  etwa  eine 
Minute,  der  Einwirkung  starker  Kälte  ausgesetzt  werden.  Ich  über- 
zeugte mich  von  dieser  schädigenden  Wirkung  schon  im  Januar  1905 
durch  ein  Experiment.  Es  war  damals  vormittags  im  Freien  eine 
Temperatur  von  —  5°  C,  und  "der  Obergärtnfer  des  hiesigen  Botanischen 
Gartens  erwähnte  im  Gespräch,  dass  man  bei  dieser  Temperatur 
eine  empfindliche  Pflanze,  ohne  sie  eingewickelt  zu  haben,  nicht  ein- 
mal quer  über  die  Strasse  aus  einem  Haus  ins  andere  tragen  dürfe. 
Ich  konnte  mir  nicht  vorstellen,  in  welcher  ^Yeise  die  Kälte  so 
schnell  einwirken  solle;  wir  nahmen  einen  Stock  der  ßegonia  metallica, 
der  im  Warmhaus  stand,  trugen  ihn  in  der  Zeit  von  ein  bis  zwei 
Minuten  um  das  Gewächshaus  herum  und  stellten  ihn  in  das  Warm- 
haus zurück.  Wirklich  zeigten  sich  schon  an  demselben  Tage  braune 
Flecken  auf  drei  älteren  Blättern,  und  diese  Blätter  gingen  unter 
solchen  Erscheinungen,  wie  sie  beim  Erfrieren  auftreten,  zugrunde: 
sie  bekamen  ein  glasiges,  dunkles  Aussehen,  hingen  herab  und  ver- 
trockneten. Die  jungen  Blätter  und  die  Laubtriebe  in  den  Achseln 
der  älteren  Blätter  gingen  nicht  ein.  Von  Eisbildung  im  Innern  oder 
auf  der  Oberfläche  der  Pflanze  in  der  kurzen  Zeit  kann  keine  Rede 
sein,  denn  eine  flache  Schale  mit  Wasser,  die  ebensolange  der 
Aussentemperatur  ausgesetzt  wurde,  zeigte  keine  Spur  von  Eisbildung 
auf  der  Oberfläche. 

Die  niedrigen  Temperaturen,  die  in  diesem  Winter  häufig  auch 
in  Frankfurt  auftraten,  gaben  mir  Gelegenheit,  noch  einige  ähnliche 
Versuche  anzustellen. 

Am  3L  Dezember  1906  war  vormittags  9^2  Uhr  im  Freien  eine 
Temperatur  von  —  10,5  °  C,  im  Warmhaus  von  17  °C.  Aus  dem 
Warmhaus  wurde  ein  Stock  von  Begonia  metallica  und  je  ein  Zweig 
von   Tradescantia  zebrina    und  Fittonia  argyroneura^)    genommen   und 


1)  Diese  Art   ist   vermutlicli    identisch    mit    der,    die  Haberlandt   in   Graz 
unter  dem  Xamen  „levconeura^^   kultiviert    und    eine  Varietät   von  F.  gigantea,   wie 


68  M.  MöBros: 

mit  dem  Thermometer  um  das  Gewächshaus  herum  wieder  ins 
AVarmhaus  zurückgetragen;  der  Versuch  dauerte  wenig  länger  als 
eine  Minute,  und  das  Thermometer  fiel  dabei  auf  6  °  C,  also  um  11°. 
Die  Zweige  wurden  in  ein  Glas  Wasser  gestellt  neben  abgeschnittenen 
Kontrollzweigen,  die  im  AVarmhaus  verblieben  waren.  Als  ich  um 
127-.  Uhr  nachsah,  war  der  Tradescantin-Z-welg  bereits  etwas  welk, 
die  anderen  scheinbar  unverändert.  Am  Nachmittag  war  ich  ver- 
hindert, die  Pfianzeu  zu  besichtigen;  am  nächsten  Tage  (1.  Januar 
1*J07)  vormittags  zeigte  der  Tradescantia-Zweig  ein  glasiges  Aus- 
sehen, wie  erfroren;  bei  dem  Fittonia-Zweig  war  das  oberste  Blatt 
zwar  welk,  und  ein  anderes  Blatt  zeigte  eingerollte  Blattränder.  Die 
Kontrollpflauzen  von  Tradescantia  und  Fittonia  waren  noch  ganz 
frisch.  Bei  Begonia  zeigten  fünf  ältere  Blätter  eingerollte  Blatträuder, 
während  die  jüngeren  intakt  geblieben  waren.  Am  folgenden  Tage 
(2.  Januar  1907)  waren  jene  fünf  Blätter  noch  mehr  geschrumpft  und 
hatten  in  der  Mitte  ein  glasiges  Aussehen,  auch  zwei  weitere  Blätter 
begannen  die  Ränder  einzurollen.  Später  fielen  natürlich  die  ge- 
schädigten Blätter  der  Begonia  ab,  aber  die  Pflanze  erhielt  sich  und 
treibt  weiter.  Dieser  Versuch  bestätigte  also  den  ersten,  vor  zwei 
Jahren  angestellten. 

Mit  dem  Beginn  des  neuen  Jahres  bekamen  wir  Tauwetter  und 
Erwärmung;  am  2.  Januar  war  es  morgens  im  Freien  -}-  6,5  °  C.  Ein 
ßegoyiia-'^tock,  der  wie  früher  etwa  eine  Minute  der  Aussentemperatur 
ausgesetzt  wurde,  während  welcher  Zeit  das  Thermometer  des  Warm- 
hauses von  16°  auf  12,5"  sank,  ertrug  das  ohne  Schaden 

Am  22.  Januar,  bei  einer  Aussentemperatur  von  —  10°C.,  vor- 
mittags 9  Uhr,  machte  ich  einen  Versuch,  um  die  Einwirkung  der 
Umhüllung  und  auch  der  Temperatur,  in  die  der  erkältete  Zweig 
zurückgebracht  wurde,  kennen  zu  lernen.  Es  wurden  Zweige  von 
Callisia  repens  benutzt,  und  Kontrollzweige  im  Warmhaus,  wo  die 
Pflanze  kultiviert  wurde,  und  im  Gange,  wo  eine  Temperatur  von 
3 — 4  °  herrschte,  aufgestellt.  Vier  Zweige,  von  denen  zwei  in  eine 
leichte  Papiertüte  gesteckt  waren,  wurden  1^;'^  Minute  der  Aussen- 
temperatur ausgesetzt,  während  welcher  Zeit  das  Thermometer  des 
Warmhauses  von  11  °C.  auf  2,5  °  C.  fiel.  Von  den  vier  Zweigen 
wurden  je  ein  frei  getragener  und  ein  eingehüllt  getragener  im 
Warmhaus  und  im  Gano-  in  Wasser  oestellt.  Nachmittao-s  3  Uhr 
zeigte  sich,  dass  die  frei  getragenen  welk  waren,  also  sich  erkältet 
hatten,  während  diejenigen,  die  mit  dem  Mantel  ausgegangen  waren, 


letztere.  Denn  sie  entbehrt,  -wie  F.  gigantea,  der  eigentümlichen  Lichtperzeptions- 
organe,  die  bekanntlich  Habeelandt  für  F.  Verschaffeltii  beschrieben  hat.  F. 
anjyroneura  ist  also  nicht  als  Varietät  der  letztgenannten  Art  zu  betrachten,  wie  es 
in  einem  bekannten  gärtnerischen  Werk  angegeben  -wird. 


Die  Erkältung  der  Pflanzen.  Q^ 

sich  uicht  erkältet    hatten,    ohne  Unterschied,    ob    sie  naclier  in  das 
Warmhaus  oder  in  den  Gang  gestellt  worden  waren. 

Am  23.  Januar  bei  —  l-l  °  C.  machte  ich  noch  folgenden  Versuch. 
Ich  tru«:  zwei  abgeschnittene  Zweige  von  derselben  Callisia  wie  beim 
vorisfen  Versuch    aus    dem  Gewächshaus  durch    den  Garten    in  mein 
Arbeitszimmer,  wobei  sie  ein  bis  zwei  Minuten  der  Aussentemperatur 
ausgesetzt    wurden,     den    einen    frei,     den    anderen    in    eine    dünne 
Papiertüte    gehüllt    und    setzte    sie    hier    in    Wasser.      Von     beiden 
wurde  sofort  ein  Stückchen  Blattepidermis  abgezogen  und  unter  dem 
Mikroskop  angesehen;  es  zeigte  sich  aber  kein  Unterschied,  und  eine 
Veränderung  bei  dem  frei  durch  die  Luft  getragenen  Exemplar  war 
nicht  zu  bemerken.     Bei  diesem  fingen    nach  etwa  einer  Stunde  die 
Blätter  an,  etwas  welk  zu  werden,    und    die  Schlaffheit  nahm  darauf 
immer  mehr  zu,  aber  auch  am  Nachmittag  konnte  ich  in  der  Epider- 
mis dieser  erkälteten  Blätter    mikroskopisch    keine  Veränderung  be- 
merken, obwohl    doch  gerade  dieser  am  meisten  exponierte  Teil  sie 
zuerst  hätte  zeigen  müssen.    Ebenso  erging  es  mir  mit  zwei  Zweigen 
von  Fittonia,    die    ich    am  2.  Februar    bei  —  5  °  C.  Kälte,    den    einen 
frei,  den  andern  in  Papier  gehüllt,  aus  dem  Gewächshaus  durch  den 
Garten  in  mein  Arbeitszimmer  trug.     Schon    nach    einer  Stunde  be- 
gann an  dem  frei  getragenen  Zweig  das  Welken,  nach  einer  weiteren 
Stunde  bräunten  sich  die  Blattränder  und  rollten  sich  ein,  am  nächsten 
Tage  war  er  ganz  verwelkt.     Übrigens    erging    es    dem  verhüllt  ge- 
tragenen Zweige  nicht  viel  besser,    nur    trat  das  AVelken  später  ein. 
Am  28.  Januar,  als  es  nur  —  3  °  C.  kalt  war,    trug    ich  je   einen 
unverhüllten    Zweig    von    Callisia  reperu    und    Centraclenia  rubra    aus 
dem  Warmhaus  ins  Arbeitszimmer,  ohne  dass  sich  die  Pflanzen  dabei 
erkältet  hätten. 

Schliesslich  will  ich  noch  einen  kleinen  Versuch  erwähnen,  der 
darin  bestand,  dass  ich  einen  Zweig  von  Fitfonia  bei  einer  Aussen- 
temperatur von  mehreren  Graden  unter  0"^  nur  einmal  durch  die 
Luft  schwenkte  und  dann  im  Warmhaus  ins  Wasser  stellte.  Am 
Nachmittag  sah  er  so  welk  aus,  dass  ich  dachte,  er  sei  abgestorben, 
am  anderen  Tage  aber  war  er  wieder  frisch.  Es  scheint  also,  dass 
er  sich  zwar  erkältet  hatte,  aber  die  Schädigung  noch  zu  überwinden 
imstande  war. 

Wenn  ich  mehr  Zeit  gehabt  hätte,  mich  dieser  Sache  zu  widmen,  so 
würde  ich  mehr  Versuche  angestellt  haben,  mit  mehr  Pflanzenarten, 
mit  verschiedenen  Temperaturen,  mit  längerer  und  kürzerer  Ex- 
position. Aber  auch  aus  diesen  wenigen  einfachen  Versuchen  geht 
soviel  klar  hervor,  dass  eine  beträchtliche  Temperaturerniedrigung, 
auch  wenn  sie  so  kurz  dauert,  dass  von  einer  Eisbildung  in  der 
Pflanze  gar  keine  Kede  sein  kann,  und  eine  sichtbare  A'eränderung 
der  Pflanze  während  der  Zeit  der  Exposition  nicht  eintritt,  auf  enip- 


70  ^I-  MÖBIUS:  üie  Erkältung  der  Pflanzen. 

findlichere  Gewächse  einen  derartigen  „Reiz"  ausübt,  dass  sie  unter 
denselben  Erscheinungen  absterben,  wie  Pflanzen,  die  erfroren  sind. 
Besonders  bemerkenswert  ist  noch  die  bei  Begonia  beobachtete  Er- 
scheinung, dass  die  älteren,  also  nicht  mehr  so  widerstandsfähigen 
Blätter  allein  in  dieser  Weise  geschädigt  werden;  die  jüngeren,  ob- 
wohl zarter  in  der  Struktur,  haben  doch  offenbar  eine  grössere  innere 
Widerstandsfähigkeit,  auf  die  es  ja,  wie  bekannt,  beim  Ertragen  der 
Kälte  allein  für  die  Pflanzen  ankommt.  Die  zarten  Blüten  von 
Chimoncmthus  fnigrans^  die  im  Winter  im  Freien  geöffnet  sind,  habe 
ich  eine  Temperatur  von  —  10°C.  ohne  Nachteil  ertragen  gesehen! 
Eine  Erklärung  für  die  von  mir  hier  beschriebene  Erscheinung,  für 
die  ich  keinen  besseren  Namen  finde  als  den  der  Erkältung,  kann 
ich  nicht  «'eben.  .  Man  könnte  hier  von  Störungen  in  der  Plasma- 
struktur  und  dergleichen  sprechen,  aber  das  sind  doch  nur  Worte, 
mit  denen  wir  nichts  anfangen  können;  wenigstens  können  wir  uns 
nicht  vorstellen,  warum  eine  Temperatur  von  —5°  oder  —10°  solche 
Störungen  hervorruft,  eine  Temperatur  von  —  3  °  aber  noch  nicht. 
Es  gibt  gerade  bei  dem  Erfrieren  der  Pflanzen  noch  mehr  solche  un- 
aufgeklärten Erscheinungen,  vor  allem  die,  dass  gefrorene  Pflanzen, 
die  diesen  Zustand  ertraoen  und  nach  dem  Auftauen  weiterleben 
können,  doch  getötet  werden,  wenn  die  Temperatur  noch  weiter  er- 
niedrigt wird,  obwohl  man  meinen  sollte,  dass,  wenn  sie  einmal  ge- 
froren sind,  eine  noch  stärkere  Abkühlung  keinen  Einfluss  haben 
würde.  PFEFFER^)  hat  dies  unter  den  Begriff  des  spezifischen  Ultra- 
minimums gebracht.  So  muss  ich  mich  auch  hier  mit  der  Kon- 
statierung der  Tatsache  begnügen,  dass  Pflanzen,  wenn  sie  auch  nur 
eine  Minute  lang  zu  niedriger  Temperatur  ausgesetzt  werden,  sich 
erkälten  können,  und  dass  die  Folgen  der  Erkältung  in  einem  Ver- 
welken der  ganzen  Pflanzen  oder  ihrer  empfindlichen  Teile  sichtbar 
werden,  dass  also  erkältete  Pflanzen  sich  ähnlich  verhalten,  wie 
Pflanzen,  die  in  gewöhnlicher  Weise  durch  längere  Kälteeinwirkung 
erfroren  sind. 


1)  Pflanzenphysiologie,  2.  Aufl.  IL  Bd.,  S.  299. 


M.  TSWETT:  Zur  Geschichte  der  Chlorophyllforschung.  71 


13.   M.  Tswett:   Zur  Geschichte  der  Chlorophyllforschung. 
Antwort  an  Herrn  Marchiewski. 


Eingegangen  am  l-'i.  Februar  11>07. 


"S'ermittels  der  von  mir  begründeten  Adsorptionsanalyse  sind 
wir  heute  befähigt,  die  zahlreichen  Komponenten  des  Chlorophyll- 
farbstoffkomplexes zu  entmischen  und  in  reinem  Znstande  zu  er- 
halten. Die  beiden  fluoreszierenden,  physiologisch  wichtigsten  Kom- 
ponenten, die  Chlorophylline  („Chlorophyll"  sensu  stricto  der 
meisten  Autoren)  lassen  sich  zum  ersten  Male  voneinander  qualitativ 
und  quantitativ  abtrennen. 

Eine  geläufige  historische  Ungerechtigkeit  berichtigend,  betonte 
ich  (diese  Berichte  24,  S.  389),  dass  das  Verdienst,  die  Doppelnatur 
der  Chlorophylline  entdeckt  zu  haben,  vollständig  SORBY  gebührt, 
und  dass  in  der  betreffenden  Arbeit  MarCHLEWSKI's  und  C.  A.  SCHUNCK's 
nur  eine  Wiederholung  —  ich  bezeichnete  dieselbe  als  eine  unglück- 
liche —  der  Experimente  SORBY's  sowie  HaRTLEY's  zu  finden  ist. 
Gegen  diese  Meinung  glaubt  Herr  MARCHLEWSKI  Einspruch  erheben 
zu  dürfen  (diese  Berichte  '24,  S.  534),  und  da  mir  der  Vorwurf  ge- 
macht wird,  ich  habe  den  Inhalt  der  Arbeit  MARCHLEWSKI's  und 
SCHUNCK's  falsch  widergegeben,  so  kann  ich  nicht  umhin,  die 
Richtigkeit  meiner  Auslassung  näher  zu  begründen. 

Ich  hatte  betont,  dass  M.  und  SCH.  in  ihrer  deutschen  Mit- 
teiluno;  die  verdienstvolle  Arbeit  SüRBY's  nicht  einmal  zitiert  haben. 
Zwar  wird  SORBY's  Namen,  wie  mir  Herr  MARCHLEWSKI  erwidert, 
dreimal  und  selbst  viermal  erwähnt;^)  ich  kann  aber  nur  wieder- 
holen, dass  die  Arbeit  SORBY's  kein  einziges  Mal  zitiert  wird*) 
und  füge  hinzu,  dass  SORBY's  grundlegende  Beobachtungen  vollständig 
verschwiegen  werden,  abgesehen  von  der  unbegreiflichen  falschen 
Behauptung,  SORBY  habe  seinem  „gelben  Chlorophyll"  (Chloro- 
phyllin ß)  ein  Absorptionsband  in  Grün  beigelegt.^)  Soweit  mit  dem 
ersten  Einwand  MARCHLEWSKI's.  Wir  wollen  jetzt  sehen,  ob  die 
anderen  stichhaltiger  sind. 


1)  Journ.  für  prakt.  Chem.  62  (1900),  S.  247,  254,  257,  259. 

2)  Dagegen  wird  in  der  englischen  Mitteilung  M.  und  S.  die  Arbeit  SORBY's 
zitiert,  und  seine  Beobachtungen  als  ^very  elaborate  and  important"  bezeichnet 
(Journ.  of  the  Chem.  Soc.  27  (1900),  S.  1081). 

3)  SORBY  (Proc.  Roy.  Soc.  21,  S.  452)  sagt  ausdrücklich,  dass  gelbes  Chloro- 
phyll ein  Absorptionsband  im  Blau  besitzt.  Dasselbe  bezeugt  das  von  ihm  gegebene 
Spektrogramm. 


72  M.  TswETT: 

Als  SORBY  1873  die  schon  von  STOKES  versuchte  Entmischung 
des  Chlorophylls  mittels  Verteilung  im  zweiphasigen  System  Alkohol 
-j-  CSo  wieder  aufnahm,  gelangte  er  nach  sorgfältigen  Operationen  zu 
der  Feststellung,  dass  im  Blattgrün  zwei  fluoreszierende,  Rot  ab- 
sorbierende Farbstoffe  vorhanden  sind,  welche  er  als  „blaues"  bezw. 
„gelbes"  Chlorophyll  bezeichne  (meine  Chlorophylline  a  und  /?, 
MaRCHLEWSKI's  „Chlorophyll"  und  „Allochlorophyll").  Obgleich 
SORBY  augenscheinlich  keine  vollständig  reinen  Präparate  in  den 
Händen  hatte  (er  gesteht  es  selbst  betreffend  „gelbes  Chlorophyll"), 
so  vermochte  er  jedoch,  wie  ich  jetzt  bestätigen  kann,  einige  richtige 
Daten  über  die  Absorptionsspektra  der  beiden  Farbstoffe  zu  ge- 
winnen. 

Einige  Jahre  später:  SACHSSE,^)  welcher  das  Chlorophyll  nach 
Kraus  entmischte,  beobachtete  in  der  gereinigten  „Xanthophyll- 
schicht"  das  Hauptabsorptionsband  des  Chlorophyllins  ß  (640  bis 
650  ^/t).  Er  glaubte  jedoch  dieses  Band,  sowie  die  entsprechende 
Fluoreszenz  gehören  dem  „Xanthophyll".  SaCHSSE  stellte  auch  fest, 
dass  dieses  rote  vermeintliche  Xauthophyllband  die  zweite  „schatten- 
ähnliche" Hälfte  des  Hauptabsorptionsbandes  einer  verdünnten 
■Chlorophylllösung  erzeugt. 

Im  Jahre  1891  erscheint  die  HARTLEY'sche  Untersuchung.^^ 
Mittels  Ba(0H)2-Fällung  einer  alkoholischen  Chlorophylllösung  er- 
hält HaRTLEY  einen  grünen  Niederschlag,  welcher  als  das  un- 
veränderte „blaue  Chlorophyll"  enthaltend  betrachtet  wird,  und 
ein  gelbes  Filtrat,  „gelbes  Chlorophyll*'  genannt,  worin  unter 
anderen  ein  Absorptionsband  im  Rot  (Mittelpunkt  bei  660  fiix)  be- 
stimmt wird. 

Wir  kommen  jetzt  zu  MARCHLEWSKI's  und  SCHUNCK's  Arbeit 
(loc.  cit.).  Diese  Forscher  nehmen  als  Ausgangspunkt  der  Unter- 
suchung HARTLEY's  Versuche  vor.  Es  wird  zuerst  auf  chemischem 
"Wege  gezeigt,  dass  HARTLEY's  „blaues  Chlorophyll"  unmöglich  ein 
genuiner  Farbstoff  der  Blätter  sein  kann,  was  übrigens  schon  mit 
voller  Evidenz  aus  seinem  Spektrum  zu  folgern  war. 

Zweitens  wird  das    gelbe  Filtrat    des  Barytniederschlages  unter- 


1)  Sachsse,  Chemie  und  Physiol.  der  Farbstoffe,  S.  382,  Leipzig  1877.  — 
Diese  Arbeit  wird  von  M.  und  SCH.  nicht  erwähnt.  Überhaupt  scheint  Marchlewski 
mit  der  Chlorophyll-Literatur  wenig  bekannt  zu  sein,  wie  z.  B.  aus  seiner  angeblich 
möglichst  vollständigen  Zusammenstellung  derselben  in  sciuer  Chlorophjll- 
monographie  (1895)  erhellt.  Für  die  Periode  1884—1894  (die  frühere  ist  aus 
TSCHIRCH  entnommen)  fehlen  wenigstens  die  zwei  Drittel  der  einschlägigen 
Literatur,  und  die  angeführte  wird  oft  nur  nach  Referaten  zitiert.  (Siehe  die  von 
mir  für  die  Periode  1884—1900  gegebene  Zusammenstellung  [Trav.  de  la  Soc.  des 
Natural,  de  Kazan  35  (1901)J.) 

2)  HARTLEY,  Journ.  of  the  Chem.  Soc.  59,  S.  106. 


Zar  Geschichte  der  Chlorophyllforschung.  Antwort  an  Herrn  MARCHLEWSKI.    73 

sucht  und  darin,  mit  HARTLEY  angeblich  übereinstimmend,  ein  rotes 
Absorptiousband  beobachtet,  dessen  Mittelpunkt  aber  bei  645  /xi^i 
auo-eoeben  wird.  Über  die  Ursachen  dieser  Diskrepanz  zwischen 
HARTLEY's  Beobachtungen  und  den  ihrigen  sagen  MARCHLEWSKI 
und  SCHUNCK  nichts,  sie  scheinen  ja  dieselbe  übersehen  zu  haben! 
Die  gelbe  „Filtratlösung"  wird  nun  mit  CSo  ausgeschüttelt,  welches 
hauptsächlich  Xanthophyllfarbstoffe  aufnimmt,  während  die  alkoho- 
lische Schicht  grün  wird.  Es  wird  darin  ein  grüner  Farbstoff  ver- 
mutet, übrigens  ohne  jeglichen  Grund,  da  über  die  optischen  Eigen- 
schaften des  neuen  Farbstoffes  die  Verfasser  nur  wissen,  dass  er  ein 
schmales  Absorptionsband  bei  645  /</t  besitzt!^)  Wenn  jetzt  in 
seiner  Erwiderung  Herr  MARCHLEWSKI  gelten  lassen  will,  er  sei 
mit  C.  A.  SCHUNCK  „zum  erstenmal  im  Stande  gewesen,  den  zweiten 
grünen  Farbstoff  frei  von  Chlorophyll  und  den  Xanthophyllfarbstoffen 
zu  untersuchen'%  so  widerspricht  er  sicli  selbst  in  flagrantester  Weise, 
denn  in  seiner  (mit  SCHUNCK  verfassten)  Abhandlung  wird  ausdrück- 
lich und  vermittels  zwei  Methoden  die  Verunreinigung  des  betreffen- 
den Präparates  durch  Xanthophyllfarbstoffe  bewiesen!  (S.  254  der 
deutschen,  S.  1087  der  englischen  Mitteilung).  Um  nun  die  Prä- 
existenz des  aus  einem  einzigen  schmalen  Absorptionsband  kon- 
struierten hypothetischen  grünen  Farbstoffes  in  den  Blättern  zu 
demonstrieren,  benutzten  MARCHLEWSKI  und  SCHUNCK  die  ent- 
sprechende Methode  SORBY's.  Die  Experimente  dieses  Forschers 
wurden  einfach  wiederholt")  und  seine  Resultate  betreffend  das  rote 
Absorptionsband  des  „gelben  Chlorophylls"  wiedergefunden.  Auch 
hier  wurden  aber  keine  optisch  reinen  Präparate  erhalten,  wie  dies 
die  spektralanalytische  Untersuchung  meiner  Reinpräpavate  (SORBY's 
Beobachtungen  in  den  Hauptzügen  bestätigend)  beweist.  Ent- 
sprechende Daten  habe  ich  schon  publiziert,  und  wenn  MARCHLEWSKI 
irrtümlich  behauptet,  dass  meine  Bemängelungen  seiner  und  SCHUNCK's 
Äusserungen  betreffs  des  Spektrums  des  Chlorophyllins  ß  und  seiner 
relativen  Menge  in  Rohchlorophylllösungen  durch  keine  experi- 
mentellen Beweise  gestützt  seien,  so  kann  ich  ihm  nur  eine  aufmerk- 
samere Lektüre  meiner  Mitteilung  empfehlen.  Ausführliche  Daten 
über  die  Spektra  der  Chlorophylline  werde  ich  übrigens  in  einem 
nächstfolo-enden  Aufsatz  mitteilen. 


1)  S.  254  der  deutschen  Mitteilung. 

2)  S.  1088  der  englischen  Mitteilung  steht  es  richtig:  The  existence  of  this 
colouring  matter  can  be  shown,  however,  hj  another  method,  namely  that  of 
SORBY.  .  .  .  Our  experiments  -wero  made  on  similar  lines  to  SORBY's.  In  der 
deutschon  Mitteilung,  S.  254,  wird  nur  gesagt,  die  Verfasser  haben  versucht, 
den  neuen  Farbstoff  nach  der  SORBY'schen  Methode  wenigstens  teilweise  zu 
isolieren.  Diese  Darlegungsweise  lässt  wohl  den  Leser  denken,  man  habe  nur  die 
SORBY'sche  Entmischungsmethode  (etwa  wie  die  KRAUS'sche)  benutzt. 


74  F-  G-  KOHL: 

Auf  Grimd  alles  Yorhero-ehenden  o-laube  ich  wohl  mit  Recht  be- 
haupten  zu  könuen,  dass  MaRCHLEWSKI  und  C.  A.  SCHUNCK  den 
Entdeckungen  SORBY's  betreffs  der  Doppelart  der  Chlorophylline 
nichts  hinzuo-efügt  haben,  und  dass  ihre  betreffenden  Untersuchungen 
vielmehr  einen  Rückschritt  bedeuten. 


14.  F.  G.  Kohl:   Über  das  Glykogen  und  einige  Erscheinungen 

bei  der  Sporulation  der  Hefe. 

Mit  Tafel  I  und  l'  Textfiguren. 
Eingegangen  am  18.  Februar  1907. 


Das  Glykogen  rertritt  bei  der  Hefe  wie  auch  bei  vielen  Bakterien 
und  Pilzen  uud  bei  den  Cynanophyceen  unter  den  Algen  die  Stärke 
und  ist  in  ansehnlicher  Menge  in  den  Hefezellen  enthalten;  etwa 
32  pCt.  vom  Trockengewicht  kann  der  Glykogengehalt  betragen 
(Laurent).^)  Es  ist  jedoch  nicht  richtig,  dass  Glykogen  bei  der 
Hefe,  wie  es  häufig  geschieht,  ausschliesslich  als  Reservestoff  an- 
zusehen. Nach  in  der  Ijiteratur  verbreiteten  Ans-aben  soll  man  es 
am  reichlichsten  in  ruhenden,  nicht  sprossenden  Hefezellen  finden, 
wogegen  während  lebhafter  Gärung  und  damit  Hand  in  Hand  gehen- 
der, lebhafter  Sprossung  der  Glykogengehalt  stark  sinken  soll,  um 
am  Schlüsse  oder  gegen  das  Ende  der  Gärung  wieder  auffällig  zu 
steigen. 

,  Wie  in  den  stärkeftthrenden  ReservestofPbehältern  durch  die 
Stärkebilduug  das  DifiFusiousgefälle  für  den  Einstrom  des  Zuckers 
fortwährend  auf  der  nötigen  Höhe  gehalten  wird,  so  ist  bei  der  Hefe 
das  Glykogen  zweifellos  Regulator  und  Bedingung  für  den  Zucker- 
einstrom in  die  gärende  Zelle.  Für  diese  Funktion  muss  das  Gly- 
kogen deshalb  als  besonders  geeignet  erscheinen,  weil  es  nicht  durch 
das  lebende  Plasma  nach  aussen  exosmieren  kann.  Da  nun  aber 
lebhafte  Sprossung  und  lebhafte  Gärung,  d.  h.  Zuckerspaltuug  zu 
koinzidieren  pflegen,  würde  also  gerade  das  Gegenteil  von  der  ver- 
breiteten Ansicht  zweckentsprechend  und  darum  bei  der  Hefe  als 
verifiziert  zu  erwarten  sein,  nämlich  Glykogenreichtum  zur  Zeit  der 
stärksten  Zuckerspaltung  und  des  intensivsten  Kohlenhydratverbrauchs 


1)  Laurent.    Ann.  Inst.  Pastcur.    Tome  III,  p.  113.  362,  ISSi).    Compt.  rend. 
Tome  137,  p.  451,  1903. 


Das  Glykogen  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulation  der  Hefe.       75 

ZU  Waclistiimszwecken.      Dagegen    könnte    man    freilich  einwenden, 
das»  ja  durch  den  fortwährenden  Zuckerverbrauch  während   der  leb- 
haften Gärung  hinreichend  für  die  Wiederherstellung  des  DifPusions- 
gefälles  gesorgt  sei,  und  es  ist  klar,  dass  darüber  nur  die  Feststellung 
des  Glykogengehaltes    der    lebhaft  gärenden  Hefe   entscheiden  kann. 
Ich    untersuchte    daher    ruhende   Hefe   {Saccharomyces  cerevisiae)    und 
konstatierte  und  fand  auf  mikrochemischem  Wege    stets  bescheidene 
Glykogenmeugen,  d.h.  eiue  relativ  schwache  Bräunung  des  Yakuolen- 
inhalts.     Als  ich  nun  sterilisierte  Bierwürze    mit    dieser  Hefe  impfte 
und  bei  25  °  C.  kultivierte,  so  dass  eine  mächtige  Gärung  mit  starker 
Schaumbildung    eintrat    und    während    dieses   Stadiums    entnommene 
Hefe  auf  Glykogen  untersuchte,  zeigte  es  sich,    dass  die  Zellen  jetzt 
auffallend  reicher  an  Glykogen  waren  als  vorher.    In  den  Fig.  A^  a— e 
Taf.  I  habe   ich    solche    sprossende  Hefe  nach  Zusatz  von  Jodkalium 
abgebildet.     Es    ist    daher  das  Glykogen    nicht  ausschliesslich  als 
Reservestoff   zu    betrachten,    sondern    als    ein    wichtiges    Zwischen- 
produkt   im    Prozess    der    Alkoholgärung;    ja,    es    wäre    nicht    aus- 
geschlossen, dass  erst  das  Glykogen  zu  Traubenzucker  und  Isomaltose 
abgebaut,  der  Spaltung  in  Alkohol  und  Kohlensäure  durch  die  Zymase 
unterliegt,    dass  also  die  Hexosen  nicht  direkt,    sondern  immer  über 
das  Glykogen  hinweg  verarbeitet  w^erden.    Dass  der  Hefe  von  aussen 
angebotenes  Glykogen  nicht  vergärt  wird,    will    selbstverständlich  in 
dieser  Frage  nichts  besagen,  weil  das  Glykogen  ebensowenig    in  die 
Hefezelle  endosmieren  wird,    wie    es  aus  ihr  zu  exosmieren  vermao-. 
Zerriebene    Hefe,    Hefechloroformwasser    und    Hefepresssaft    spalten, 
wie  sicher  nachgewiesen  werden  konnte,  das  Glykogen  (MEISSNER,^) 
Cremer, '0  Buchner  und  Rapp).^)      Die    katalytische  Wirkung  der 
Hefe  auf  die  Hydrolyse  des  Glykogens    ist  ausserdem  durch  die  Be- 
obachtung garantiert,    dass  Hefepresssaft    auch    in  entgegengesetzter, 
synthetischer  Richtung  katalysiert,   indem  er  selbst  glykogenfrei,   auf 
Zusatz  von  Fruktose    oder  Dextrose  Glykogen    aufbaut  (CreMER).^) 
Ob  vor  der  Wirkung  der  Zymase  auf  das  Glykogen  noch  ein  diasta- 
tisches Enzym  eingreift,  oder  ob  die  Hefezelle  ein  besonderes  glykogen- 
spaltendes  Enzym  produziert,   ist  noch  ebenso  weiter  zu  untersuchen 
wie  die  Natur  der  Glykogenabbauprodukte,    die    noch  in  mehrfacher 
Richtung  kontrovers  ist. 

Auch  bei  den  Pilzen  scheint  mir  die  Reservestoffnatur  des  Gly- 
kogens durchaus  strittig.  Reservekohlenhydrate  würden  wir  vornehm- 
lich in  den  Sporen  zu  erwarten  haben;  da  wird  aber  nicht  Glykogen, 
sondern  Fett  gespeichert.     Glykogen  fand  man  bei  der  Keimung  der 


1)  R.  Meissner.   Centralbl.  für  Bakt.  (II),  Bd.  VI,  S.  517,  1900. 

2)  M.  CßEMER.     Münchner  mediz.  Wochenschr.  1894,  H.  1. 

3)  Buchner  und  Rapp.    Ber.  der  ehem.  Ges.,  Bd,  31,  S.  214,  1898. 
Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  g 


76  1^'-   ß-  KOHL: 

Mucorineensj)oreii  erst  in  den  Keimschläuchen;  ferner  ist  in  den 
Sklerotien  des  Mutterkorns,  wie  wir  erwarten  sollten,  nicht  Glykogen 
deponiert,  sondern  wir  sehen  solches  auch  hier  erst  bei  der  Sklerotien- 
keimung  in  den  Hyphenzellen  aus  dem  Fett  des  Reservemagazins 
hervorgehen.  Nur  wenn  man  den  Begriff  Reservestoff  weiter  fasst, 
indem  man  z.  B.  im  Stoffwechsel  vorübergehend  abgelas^erte  Stärke 
in  den  Chloroplasten  der  assimilierenden  Blattzellen  oder  die  trausi- 
torische  Stärke  in  deu  Leitbahnen  Reservestärke  nennt,  wäre  auch 
öfters  das  Glykogen  als  Reservestoff  zu  betrachten. 

Die  experimentell  begründete  Beantwortung  der  Frage,  ob  die 
Zymase  der  Hefezelle  direkt  den  aufgenommenen  Zucker  endo- 
enzymatisch  verarbeitet,  oder  ob  die  eingetretene  Hexose  zunächst 
erst  zu  Glykogen  wird  und  sodann  erst  durch  enzymatische  Spaltung 
des  Glykogens  einerseits  das  Material  für  die  Zymasetätigkeit,  anderer- 
seits für  Ernährungs-  und  Wachstumsprozesse  entsteht,  ist  der  späteren 
Entscheidung  vorbehalten,  zu  der  ich  demnächst  einen  l^eitrag  zu 
liefern  gedenke.  Hier  möchte  ich  nur  auf  zwei  Erscheinungen  auf- 
merksam  machen,  welche  mir  bei  der  Untersuchung  sprossender 
Hefezellen  auf  Glykogen  entgegentraten  und  die  gewiss  einiges 
Interesse  beanspruchen  dürfen. 

Erstens  zeigt  es  sich  ausserordentlich  klar,  dass  die  Hefezelle, 
wenn  sie  mehrere  Vakuolen  führt,  häufig  die  Glykogenspeicherung 
nur  auf  eine  oder  einige  derselben  beschränkt,  während  die  andere 
oder  die  anderen  vollkommen  glykogenfrei  bleiben.  In  den  Fig.  A, 
a — ^,  Taf.  I  habe  ich  mit  Jodjodkalium  behandelte  Sprosshefe  ab- 
gebildet. In  vielen  Zellen  nimmt  bei  der  gerade  vorhandenen  Lage 
der  Zelle  eine  glykogenhaltige  Vakuole  das  ganze  Zentrum  der  Zelle 
ein  (rt  a  a).  In  anderen  dagegen,  bei  denen  im  optischen  Quer- 
schnitt einige  Vakuolen  nebeneinander  lagern  oder  dicht  überein- 
ander, erblickte  ich  einzelne  vollkommen  hell  neben  den  dunkel- 
braun, gefärbten,  glykogenerfüllten  Vakuolen  {b  b  b).  Die  glykogen- 
haltigen  Vakuolen  zeigen  bei  Anwendung  von  Immersionsvergrösserung 
einen  ganz  fein  gekörnelten  Inhalt;  die  glykogenfreien  Vakuolen  da- 
o-eo-en  einen  »lasklaren,  vollkommen  homogenen.  In  letzteren 
schwimmen  ausschliesslich  jene  sonderbaren,  meist  kugeligen,  stark 
lichtbrechenden  Gebilde,  die  man  irrtümlicherweise  für  in  die  Vakuole 
ausgestossene  Eiweisskrystalloide  erklärt  hat,  was  sie  ihren  Reaktionen 
nach  entschieden  nicht  sind,  in  Ein-  oder  Mehrzahl  herum  und  führen 
die  sonderbaren  Tänze  auf,  bei  denen  sie  oft  gegen  die  Vakuolen- 
wand  getrieben  werden  oder  zitternd  mehr  in  der  Mitte  der  Vakuole 
verbleiben.  Niemals  habe  ich  in  glykogenführenden  Vakuolen  diese 
Tanzkörnchen  auffinden  können. 

Noch  in  einer  anderen  Richtung  ist  die  Glykogenreaktion  wert- 
voll.    Es  ist  bekanntlich    nicht  leicht,    den  Zellkern  der  Hefe  ohne 


Das  ül\kogen  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulatinn  der  Hefe.       77 

Fixierimg,  Härtung  und  Tinktion  mit  geeigneten  Mitteln  deutlich 
sichtliar  zu  macheu.  Es  muss  dies  seinen  Grund  hauptsäclilich  darin 
haben,  dass  das  Lichtbrechungsvermögen  des  Hefecytoplasma  und  das 
des  Hefezellkerns  einander  sehr  nahe  kommen,  denn  sonst  müsste  es 
leichter  sein,  den  Kern  in  der  unbehandelten  Hefezelle  zu  entdecken, 
denn  er  ist  keineswegs  klein,  nämlich  etwa  1,5 — 'In.  Der  Kern  der 
Hefezelle  ist  häufig  wandständig,  wie  das  Studium  der  gefärbten 
Zellen  ergibt.  Da  er  bedeutend  dicker  ist  als  die  der  Zellwand  an- 
liegende Cytoplasmaschicht,  so  muss  er  sich  in  die  Vakuole  liinein- 
wölben.  Das  sieht  man  nun  in  überraschender  Klarheit  und  Schärfe, 
wenn  man  die  Glykogenreaktion  mit  Jodjodkalium  ausführt.  Liegt 
der  Kern  im  optischen  Querschnitt,  so  ragt  er  mit  elegantem  Kontour 
in  den  braunen  Yakuoleninhalt  als  farblose,  glasklare  Masse  hinein 
(c  c  (■).  Liegt  er  an  der  oberen  oder  unteren  Seite  der  Zelle,  so 
sieht  man  den  Kern  als  meist  runden  oder  elliptischen,  weissen 
Fleck  die  braune  Färbung  unterbrechen  {d).  Ist  das  Auge  dann  ein- 
mal orientiert  und  akkomodiert,  so  erblickt  es  unschwer,  (hiss  der 
Kern  mehrere  Einschlüsse  enthält,  ein  oder  zwei  Eiweisskrystalloide 
und  den  JS^ucleolus.  Über  diesen  Gegenstand  werde  ich  in  kurzer 
Zeit  ausführlich  berichten. 

Bekanntlich  ist  die  Hefezelle  zu  einer  eminenten  Eiweiss- 
speicherung  befähigt.  Das  Cytoplasma  enthält  in  wechselnder  Zahl 
Eiweisskrystalloide  von  variabler  Grösse.  Man  hat  sie  bisher  als 
Grana-  oder  Mikrosomen  der  Hefezelle  bezeichnet:  Namen,  welche 
man  streichen  sollte,  da  es  sich  um  dieselben  Eiweisskrystalloide 
handelt,  die  wir  auch  sonst  so  häufig  im  Kern  und  dem  Cytoplasma 
sowie  in  den  Chromatophoren  antreffen.  Ich  habe  sie  im  Anschluss 
an  die  entsprechenden  Gebilde  in  der  Cyanophyceenzelle  genauer 
untersucht  und  berichte  demnächst  eingehend  über  ihre  physiologische 
Bedeutung.  Die  Cytoplasmakrystalloide  liegen  in  der  oft  äusserst 
dünnen  Plasmatapete  und  ragen,  wenn  man  genau  auf  die  Mitte  der 
Zelle  einstellt  ein  wenig  in  die  Vakuole  hinein.  In  der  ungefärbten 
Zelle  sieht  man  die  ungefärbten  Krystalloide  zwar,  aber  sicher  nicht 
leicht,  und  man  ist  nie  sicher,  ob  man  sie  nicht  mit  anderen  Ein- 
schlüssen verwechselt.  Massgebend  können  in  bezug  auf  sie  natür- 
lich nur  Präparate  sein,  in  denen  gut  fixiertes  und  gehärtetes 
Material  zweckentsprechend  gefärbt  wuu'de.  Will  man  aber  rascher 
die  Krystalloide  des  Cytoplasma  sehen  oder  zeigen  unter  Benutzung 
eben  der  Kultur  entnommenen  Materials,  so  ist  wiederum  die  Gly- 
kogenreaktion von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung.  Stellt  man 
nämlich  das  Mikroskop  auf  eine  mit  Jodjodkalium  braungefärbte 
Glykogenvakuole  ein,  so  bemerkt  man,  wenn  im  daselbst  befindlichen 
Cytoplasma  Eiweisskrystalloide  liegen,    weisse  Flecken    auf  braunem 

6* 


78  F.  G.  KOHL: 

Grunde,  die  Eiweisskrystalloide  bleiben  farblos  und  heben  sich  von 
der  dunkleren  Umgebung  deutlich  ab,  wie  ich  in  der  Fig.  A,  e,  Taf.  I 
absebildet  habe. 


o^ 


Einige  Beobachtungen  über  die  Sporulation  der  Hefe. 

Bei  der  mikrochemischen  Untersuchung  sporenbihlender  Hefe 
fielen  mir  folgende  Erscheinungen  auf,  über  welche  ich  demnächst 
sehr  ausführlich  und  an  der  Hand  vieler  Zeichnungen  und  Mikro- 
photogramme  berichten  werde,  hier  aber  nur  einige  kurze  Mit- 
teilungen machen  will.  Die  noch  membranlosen  Sporen  sind  ein- 
gehüllt in  eine  Unzahl  runder,  lichtbrechender  Körner,  welche  mit 
der  Ausbildung  der  Sporenmembran  sich  verkleinern  bezw.  ver- 
schwinden. Der  Fettgehalt  der  Sporenmutterzellen  ist  meist 
sehr  gross  vor  der  Sporulation,  während  der  Sporenbildung  erscheint 
auch  ein  wenig  Fett  in  den  jungen  Sporen.  Die  Sporenmutter- 
zellen sind  reich  an  Glykogen,  welches  aber  während  der  Aus- 
formung der  Sporen  verschwindet.  Die  der  Fertigbildung  sich 
nähernden  Sporen  enthalten  wenig  oder  gar  kein  Glykogen. 

Was  nun  die  zuerst  genannten  kugeligen  Körnchen  anlangt,  so 
muss  ich  dieselben  nach  ihren  Reaktionen  und  Funktionen  für  Eiweiss- 
krystalloide halten,  die  sich  ja  in  den  normalen  Hefezellen  in  grosser 
Menge  in  der  verschiedensten  Grösse  vorfinden.  Bei  der  Sporen- 
bildung scheinen  sie  sich  an  der  Peripherie  der  jungen,  noch  mem- 
branlosen Sporen  anzusammeln  und  in  dem  Masse  zu  verschwinden 
oder  an  Masse  abzunehmen  als  die  Membran  in  die  Dicke  und  Fläche 
wächst.  Diese  Ansammlung  kann  man  deutlich  aus  den  Fig. /?,  a — e, 
Taf.  I,  ersehen.  In  Fig.  ß,  b  ist  bereits  innerhalb  der  Körnersphäre 
die  Membran  sichtbar,  die  Körnchen  sind  deutlich  kleiner  geworden. 
In  Fig.  B^  d  ist  auf  die  Oberseite  der  obenliegenden  Tetradenspore 
eingestellt,  da  erscheinen  die  Krystalloide  am  schärfsten  und  dunkelsten, 
ebenso  in  Fig.  /?,  e;  doch  sind  auch  die  Körnchen  in  der  Umgebung 
der  Oberseite  der  untenliegenden  Sporen  in  Fig.  B,  d  noch  deutlich 
zu  sehen.  Yor  der  Sporenbildung  sind  die  Krystalloide  im  Cyto- 
])lasma  der  Mutterzelle  annähernd  gleichmässig  verteilt  (Fig.  5,/). 

Der  Fettgehalt  der  Sporenmutterzellen  ist,  wenn  auch  natur- 
gemäss  variabel,  so  doch  im  allgemeinen  gross;  mit  Sudan  III  be- 
kommt man  Bilder  wie  in  Fig.  6',  a—c.  Wendet  man  neben  Sudan  HI 
gleichzeitig  LOEFFLER's  Methylenblau  an,  so  nehmen  die  Krystalloide 
liäufig  eine  violette  Färbung  an,  während  die  Fetttropfen  ihre  orange- 
rote Farbe  beibehalten  wie  Fig.  (\  d  zeigt.  Bei  der  Sporenbildung 
habe  ich  nun  immer  beobachten  können,  dass  das  Fett  sich  über  den 
jungen  Sporen  ausbreitet,  so  dass  dieselben  oft  geradezu  in  eine  Fett- 
schicht eingehüllt  sind,  wie  die  obenliegende  Spore  in  Fig.  C, /'  zeigt. 


Das  Glykogeu  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulation  der  Hefe.       79 

Später  zieht  sich  das  Fett  in  den  Zwischenraum  zwischen  den  Sporen 
zufück,  wie  in  Fig.  6',  e  und  g  wiedergegeben  ist.  Ich  glaubte  dieser 
Erscheinung  deshalb  eine  besondere  Aufmerksamkeit  schenken  zu 
sollen,  da  es  einige  Wahrscheinlichkeit  hatte,  in  ihr  den  Grund  für 
die  auffallend  wechselnde  Tinktionsfähigkeit  der  Hefesporen  vor  sich 
zu  haben.  Bei  den  verschiedensten  Tinktionsverfahren  weichen  näm- 
lich die  Sporen  in  ihrer  Tinktionsfähigkeit  nach  zwei  Richtungen 
von  der  der  gewöhnlichen  Zellen  ab;  entweder  sie  färben  sich  gar 
nicht,  oder  sie  färben  sich  im  Gegenteil  so  stark,  dass  man  von  ihrem 
inneren  Bau  schwierig  etwas  erkennen  kann.  Im  ersten  Fall  sieht 
man  inmitten  ungezählter,  vollkommen  durchgefärbter  Zellen,  bei 
denen  Kern,  Krystalloide,  Cytoplasma  usw.  in  klarer  Weise  durch 
mehr  oder  minder  reichliche  Farbstoffspeicherung  hervortreten,  die 
Sporenmutterzellen  mit  den  dariuliegenden  Sporen  als  hellgelbliche 
Gebilde  liegen,  bei  denen  höchstens  das  Periplasma  schwache  Farben- 
nüancen  aufweist.  Das  Extrem  scheint  einzutreten,  wenn  die  Sporen- 
membran ein  gewisses  Entwicklungsstadium  überschritten  hat,  die 
ganze  Spore  erscheint  als  dunkelrotes,  dunkelviolettes  usw.  Gebilde, 
je  nachdem  Säurefuchsin,  Karbolfuchsin,  Gentianaviolett,  Haemato- 
xylin  usw.  angewandt  wurde.  Diese  Differenz  im  Färbevermögen 
bringt  sogar  öfters  die  Sporen  einer  Hefezelle  in  auffallenden  Kon- 
trast zueinander,  wie  man  aus  der  Fig.  6',  h  ersieht,  wo  von  drei 
Sporen  in  einer  Mutterzelle  zwei  total  überfärbt,  die  dritte  aber  voll- 
ständig ungefärbt  erscheint.  Wie  ich  oben  erwähnte,  sind  diejenigen 
Sporen  häufig  von  einer  Fetthülle  umgeben,  die  erst  später  nach 
dem  Zentrum  der  Zelle  zurückweicht;  diese  Hülle  wird  den  Zutritt 
der  Farblösung  zur  Spore  eventuell  verhindern,  daher  die  zahlreichen 
ungefärbten  Sporen  mitten  in  gleichmässig  durchgefärbten  Präparaten. 
Ich  behandelte  deshalb,  wie  es  auch  bereits  H.  MOELLER  getan,  vor 
dem  Färben  mit  Chloroform,  das  auch  andere  unter  Umständen  lästige 
Stoffe:  Lecithin,  Cholesterine  usw.  entfernt;  allein  auch  in  solchen 
Präparaten  war  die  verschiedene  Färbbarkeit  der  Sporen  nicht  ganz 
beseitigt;  wohl  aber  wesentlich  vermindert.  Die  Sporenmembran  ist 
sicher  in  einem  bestimmten  Stadium  ihrer  Ausbildung  aufnähme- 
fähiger  für  die  meisten  Farbstoffe,  die  hier  in  Betracht  kommen,  als 
vorher  und  nachher,  so  dass  ich  drei  Zustände  regelmässig  neben- 
einander hatte,  den  ungefärbten,  den  vollkommen  überfärbten  und 
einen  dritten  Zustand,  bei  dem  die  Membran  wenig.  Kern,  Krystalloide 
und  Cytoplasma  aber  in  vortrefflicher  Abstufung  gefärbt  waren. 
Letzterer  Zustand  war  der  durchaus  herrschende  bei  allen  reifen 
Sporen,  die  entweder  noch  von  der  Mutterzellenmembran  umschlossen 
oder  bereits  gänzlich  frei  geworden  waren. 

Die  Membran  der  Sporen  wird,    nachdem  sie  als  äusserst  zartes 
Gebilde    angelegt    ist,    rasch    dicker,    um    später    wieder  wesentlich, 


80  F-  ü-  Kohl: 

nicht  nur  relativ  zur  Sporengrösse,    sondern  auch  absolut  dünner  zu 
erscheinen. 

Ob  dieses  auffallende  Dünnerwerden  Folge  einer  stattfindenden 
Dehnung  ist,  kann  natürlich  ohne  weiteres  nicht  entschieden  werden, 
ist  aber  sehr  wahrscheinlich,  da  vor  der  Plasmolyse  der  Hefezelle 
eine  abnorme  Volumenverkleinerung  eintritt,  die  natürlich  mit  einer 
Membrankontraktion  verbunden  ist 

Im  Sporenkern  bildet  sich  bald  das  Kernkrystalloid  aus,  das  die 
Farbstoftspeicherung  des  Kerns  wesentlich  erhöht.  Um  den  Sporen- 
kern herum  sieht  man  bald  kleine  im  Cytoplasma  eingelagerte- 
Krystalloide.  Der  Fettgehalt  der  Sporen  ist  im  allgemeinen  gering, 
mitunter  sieht  man  aber  auch  schon  in  den  noch  in  der  Mutterzelle 
eingeschlossenen  Sporen  kleinere  Fettpartikelchen. 

Das  während  der  Sprossung  so  reichlich  in  den  Hefezellen  ge- 
speicherte Glykogen  nimmt  vor  der  Sporenbildung  bereits  und  noch 
mehr  während  lerselben  rasch  ab.  Manche  sporenbildende  Zellen 
enthalten  davon  überhaupt  nichts  mehr,  und  die  Sporen  selbst  kann 
man  geradezu  als  glykogenfrei  bezeichnen,  woran  nichts  geändert 
wird,  dass  man  hier  und  da  einmal  in  der  Spore  Spuren  von  Glykogen 
antrifft. 

Wie  verhält  sich  nun  der  Kern  der  Mutterzelle  bei  der  Sporulation? 
Ich  bin  lange  im  Zweifel  darüber  gewesen,  ob  sich  dabei  eine  in- 
direkte Kernteilung  abspielt  oder  nicht.  Bei  der  grossen  Mannig- 
faltigkeit der  Inhaltstoffe  in  der  Hefezelle  sind  Täuschungen  leicht 
möglich.  Man  lernt  erst  durch  lange  Übung  und  nur  an  der  Hand 
wohlgelungener  Präparate  die  typischen  Erscheinungen  von  denen, 
die  die  immer  wechselnde  Umgebung  vortäuschen  kann,  unter- 
scheiden! Dabei  muss  stets  im  Auge  behalten  werden,  dass  bei  der 
kugelig-ellipsoidischen  Form  der  Zellen  gewisse  Teilungsfiguren  fort- 
während von  anderen  Seiten  gesehen  werden  können  und  sich  dabei 
naturgemäss  fortwährend  anders  ausnehmen,  bis  man  endlich  immer 
wiederkehrende  Formen  als  regelrechte  Typen  erkennt. 

Es  ist  bei  rationell  angefertigten,  gut  differenzierten  Tinktions- 
präparaten  nicht  schwer,  den  vollendeten  Zerfall  des  Kerns  der 
Mutterzelle  in  zwei  Tochterkerne  zu  erkennen,  aber  bei  der  Ver- 
änderlichkeit der  Gestalt  des  Hefekernes  ist  es  doch  mühsam,  sieb 
ein  genaues  Bild  vom  Zustandekommen  der  Kernhälften  zu  ver- 
schaffen. Jedenfalls  ist  es  durchaus  notwendig,  manche  der  in  der 
Zelle  eingeschlossenen  Stoffe  vorher  zu  entfernen,  ehe  man  an  die- 
Färbung  der  Präparate  zum  Zweck  des  Studiums  der  Kernteilung 
geht.  Wie  ich  bereits  hervorhob,  sorgt  die  Pflanze  selbst  für  das 
Verschwinden  des  Glykogens,  das  in  der  sporenbildenden  Zelle 
nur  in  geringer  Menge  vorhanden  ist.  Das  Fett  und  ebenso  Lecithin 
und  Phytosterine  muss  man    durch    eintägiges  Einlegen  der  fixierten 


Das  Glykogen  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulation  der  Hefe.       81 

und  gut  gehärteten  Präparate  in  Chloroform  vollständig  entfernen. 
Dann  erst  sebt  man  an  die  Färbuns^en,  unter  denen  ich  zu  den  Kern- 
beobaclitungen  die  Eisenammoniakalaun-Haematoxylin- Methode  und 
die  Säurefuchsin-Methode  entschieden  bevorzuge,  wenn  auch  der 
GRAM-Methode  zu  gewissen  Zwecken  kaum  zu  entraten  ist. 

Die  Kernversorgung  sowohl  bei  der  Hefespro ssung  als  auch 
bei  der  Sporenbildung  vollzieht  sich  durch  direkte  Teilung  des 
Kernes  der  Mutterzelle.  Immer  wird  der  mehr  oder  minder  kugelige 
Kern  unter  Substanzzunahme  fädig,  die  angeschwollenen  Enden 
rücken  mehr  und  mehr  auseinander,  es  entsteht  die  bekannte 
Hantelform,  die  man,  soweit  sie  bei  der  Hefesprossung  er- 
scheint, bereits  kannte.  Bei  der  Sporulation  ist  die  Hantel, 
wie  ich  jetzt  beobachten  konnte,  meist  wesentlich  kleiner,  so  dass 
man  zwischen  Hanteln,  welche  zur  Kernversorgung  der  Sprossen 
dienen,  und  Hanteln,  welche  den  Sporen  ihre  Kerne  zuführen,  unter- 
scheiden kann.  Ich  nenne  die  ersten  einfach  Sprosshanteln.  Die 
Spross hanteln  sind  meist  so  lang  oder  länger  als  der  grösste 
Durchmesser  der  Hefezelle;  sie  finden  häufig,  wenn  gestreckt,  nicht 
Platz  in  der  Mutterzelle  und  sind  deshalb  mehr  oder  weniger  ge- 
krümmt. Die  Form  der  Ilantelköpfe  ist  äusserst  wechselnd.  Die 
Sporenhanteln  sind  meist  nur  halb  oder  ein  Drittel  so  gross  wie 
die  Sprosshanteln.  Die  absolute  Grösse  jener  schwankte  zwischen 
2  bis  3 /.t,  die  dieser  zwischen  4  bis  10 /t,  kann  aber  gelegentlich  bis 
zu  12  u  steio-en.  Diese  Werte  beziehen  sich  auf  die  Entfernung  der 
äussersten  Punkte  der  Hantelköpfe,  wenn  man  sich  die  Hantel  gerade 
gestreckt  denkt.  Auch  die  Gestalt  der  Sporenhanteln  ist  äusserst 
variabel;  auffallend  bei  ihnen  ist  die  häufige  Ungleichheit  der  beiden 
Köpfe;  möglich  ist,  dass  der  grössere  Kopf  einem  Kerne  das  Dasein 
schenkt,  der  dann  eine  weitere  Teilung  vollzieht,  wie  es  z.  B.  bei 
der  dreisporigen  Mutterzelle  der  Fall  ist.  Ich  habe  eine  grosse  An- 
zahl der  beiderlei  Hanteln  gezeichnet  und  mikrophotographisch  auf- 
o-enommen  und  werde  sie  in  meiner  ausführlichen  Abhandlung  ab- 
bilden.  Hier  muss  ich  mich  darauf  beschränken,  einige  wenige  der 
Figuren  zu  reproduzieren,  indem  ich  ausdrücklich  auf  die  spätere 
Publikation  verweise.  In  Fig.  D,  a — c  sind  zwei  sprossende  Hefe- 
zellen und  eine  ruhende  mit  ihren  grossen  Sprosshanteln  gezeichnet, 
in  den  Fig.  D,  cl-e  daneben  zwei  die  Sporenbildung  vorbereitende 
Hefezellen  bei  gleicher  Vergrösserung  mit  je  zwei  Paaren  von  Sporen- 
hanteln und  in  Fig.  D,  f  noch  sechs  Sporenhänteln  in  der  Form,  wie 
ich  sie  am  häufigsten  antraf,  wiedergegeben. 

Gehen  aus  der  Mutterzelle  zwei  oder  vier  Sporen  hervor,  so 
sind  die  Hautelköpfe  annähernd  gleich  gross,  und  bildet  sich  nur 
eine  Spore  aus,  so  unterbleibt  jede  Teilung.  Man  hätte  daher  folgende 
Schemata  der  Kernteiluug  bei  der  Sporulation: 


82 


F.  G.  KOHL: 


a)  Der  Kern  der  Mutterzelle  wird  zum  Sporenkern. 

ß)  Der  Kern  der  Mutterzelle  wird  zur  gleichköpfigen  Hantel, 

jeder  Hantelkopf  wird  Sporenkern. 
y)  Der    Kern    der    Mutterzelle    wird     zur     ungleichköpf  igen 
Hantel.     Der  kleine  Kopf  wird  direkt  Sporenkern;  der  grosse 
Kopf    teilt    sich    durch  Sekundärhantel    in  die  beiden  Kerne 
der  zweiten  und  dritten  Spore. 
d')  Der  Kern  der  Mutterzelle  wird  zur  gleichköpfigen  Hantel 
(primären),   jeder  Kopf   liefert    eine    Sekundärhautel,    deren 
Köpfe  nun  zu  den  Kernen  je  eines  Sporenpaares  werden. 
Dass  die  Vorgänge  sich  so  abspielen  können,    wie    ich    sie  hier 
angegeben  habe,  dafür  scheint  nun  der  Umstand  zu  sprechen,  dass  ich 
in  meinen  Präparaten  die  meisten  der  geforderten  Formen  fand.    Die 


einsporig 


zweisporig  dreisporig 

ohne  restierenden  Mutterzellenkern. 


Fig.  1. 


viersporig 


Sporenbildung  ist  also  simultan  oder  succedan.  Bei  zwei  Sporen 
ist  deren  Entstehung  simultan,  bei  drei  Sporen  wird  eine  Spore 
älter  sein  als  die  beiden  anderen  gleich  jungen,  bei  vier  Sporen  sind 
immer  zwei  gleich  alt.  Wie  man  sieht,  weicht  meine  Auffassung, 
die  sich  auf  meine  mikroskopischen  Befunde  aufbaut,  von  der 
H.  MOELLER's  nur  darin  ab,  dass  die  Sporen  doch  auch  simultan 
gebildet  werden  können. 

MOELLER  sagt:  „Die  succedane  Ausbildung  (der  Sporen)  kann 
beispielsweise  bei  drei  Sporen  so  verlaufen,  dass  wälirond  zwei 
Sporen  bereits  fertig  ausgebildet  sind,  die  dritte  erst  entsteht;  oder 
man  findet  alle  drei  in  verschiedenen  Altersstadien,  was  sich  durch 
verschiedene  Grösse  ebenso  wie  durch  verschiedene  Färbbarkeit  zu 
erkennen  gibt.  Bei  vier  Sporen  pflegen  entweder  alle  vier  nach- 
einander zu  entstehen  oder  in  Kreuzung  mit  zwei  bereits  reifen  bilden 
sich  zwei  junge  Sporen  gleichzeitig  aus."  Nach  meiner  Auffassung 
liegt  also  eine  simultane  Ausbildung  vor  bei  zwei  Sporen,  ferner 
bei  zwei  von  den  drei  Sporen,  bei  zwei  Paaren  der  vier  Sporen 
einer  Mutterzelle.     Succedan    wäre    die  Ausbiklung  der  ersten  und 


Das  Glykogen  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulafion  der  Hefe.       83 

der  zweiten — dritten  Spore  der  dreisporigen  Zelle  und  succedau  könnte 
unter  Umständen  auch  die  Bildung  der  zwei  Sporenpaare  der  vier- 
sporigen Mutterzelle  erfolgen,  wenn  nämlicli  der  eine  Tochterkern 
später  zur  Eukelkernhildung  schreitet  als  der  andere  Tochterkern. 
Den  letzten  Fall  erblickte  ich  in  den  Zellen  verifiziert,  die  ein  Aus- 
sehen bieten  wie  die  in  Fig.  Z>,  g  Taf.  I  abgebildete,  wo  zwei 
grosse  Sporen  neben  zwei  kleinen  liegen,  ein  Fall,  der  gar  nicht 
selten  ist. 

Hiermit  hängt  nun  aufs  innigste  die  Frage  zusammen,  ob  die 
Mutterzelle  ausserhalb  der  Sporen  einen  Kern  birgt  oder  nicht? 
Zweifellos  wäre  der  Fall,  dass  bei  der  Sporenbildung  der  Mutterzelle 
immer  ein  Kern  verbleibt,  denkbar,  und  die  Sporenbildung  müsste 
dann  etwa  nach  folgenden  Schemata  verlaufen: 


emsporig 


zweisporig  dreisporig 

mit  restierendem  Mutterzellenkern. 


Fig.  -2. 


viersporig 


Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  der  übrigbleibende  Mutterzellenkern 
bei  der  Sporenkeimuug  mit  dem  Periplasmarest  zugrunde  gehen 
müsste.  Ist  es  demnach  schon  einigermassen  unwahrscheinlich,  so 
habe  ich  mich  doch  an  die  Prüfung  dieses  Gegenstandes  gemacht, 
weil  H.  MOELLEE,  dem  wir  Vortreffliches  über  die  Hefe  verdanken, 
einen  extrasporulären  Kern  mitunter  sah.  Er  fand  ihn  jedoch  nie- 
mals, wenn  vier  Sporen  in  der  Zelle  ausgebildet  waren;  aus  den  oben 
angeführten  schematischen  Bildern  geht  nun  aber  hervor,  dass  auch 
bei  der  Vermehrung  der  Kerne  durch  direkte  Teilung  während  der 
Sporulation  neben  vier  Sporen  ein  Mutterzellenkern  übrig  bleiben 
könnte,  und  ebenso  bei  der  Bildung  einer  beliebigen  Zahl  von  Sporen. 

In  den  zur  Sporenbildung  sich  vorbereitenden  Zellen  fand 
ich  alle  nur  denkbaren  Variationen  der  Kernteilung.  Die  Zelle  be- 
herbergt einen,  zwei,  drei  oder  vier  Kerne,  die  entweder  schon 
isoliert  sind  oder  zum  Teil  noch  miteinander  zusammenhängen;  es 
liegen  also  neben  der  Hantel  auch  freie  Kerne  oder  gar  zwei  Hanteln 
gleichzeitig  in  der  Zelle.  Nicht  selten  ist  um  einen  Teil  der  Kerne 
bereits  die  Spore  angelegt,  bei  anderen  Kernen  ist  davon  noch  nichts 


84      F.  G.  KOHL:  Das  Glykogen  und  Erscheinungen  bei  der  Spornlation  der  Hefe. 

zu  bemerken.  Da  man  jedoch  in  solchen  Fällen  niemals  wird  sagen 
können,  ob  sich  um  die  zur  Zeit  der  Herstellung  des  Präparates 
noch  freien  Zellkerne  nicht  später  Sporen  ausgebildet  haben  würden, 
lässt  sich  so  keinesfalls  die  oben  angeregte  Frage  beantworten,  wohl 
aber,  wenn  man  darauf  achtet,  ob  bei  der  Keimung  der  Sporen,  wenn 
diese  frei  werden,  noch  isolierte  Kerne  erscheinen.  Das  ist  nun  in 
der  Tat  der  Fall.  In  Präparaten,  in  denen  die  sporenführenden 
Zellen  in  einiger  Entfernung  voneinander  liegen  nnd  ihre  Sporen 
keimen  lassen,  so  dass  auch  die  Keimzellengruppen  getrennt  bleiben, 
entdeckte  ich  nicht  selten  neben  den  gekeimten  Sporen  noch  einen 
nackten  Kern.  In  der  oft  erkennbaren,  wenn  anch  äusserst  durch- 
sichtigen Mutterzellenmembran  liegen  die  mächtig  vergrösserten,  ge- 
keimten Sporen  zu  dreien  nnd  dicht  daneben  je  ein  freier  Zellkern 
von  genau  derselben  Grösse  und  Färbung  wie  die  Sporenkerne. 
Auch  neben  zwei  keimenden  einer  Mutterzelle  entstammenden  Sporen 
fand  ich  öfters  einen  isolierten  Kern,  und  ich  zweifle  nicht  daran,. 
dass  die  oben  erörterten  theoretisch  möglichen  Fälle  auch  in  natura 
in  Erscheinung  treten  und  gefunden  werden  können. 

In  den  Gipsblockkulturen  fahren  viele  Zellen  fort  zu  sprossen, 
energischer  aber  ist  die  Yermehrung  durch  Sporenbildung.  Prüft 
man  mit  Jod  auf  Glykogen,  so  verrät  die  Braunfärbung,  dass  solches 
in  grossen  Mengen  in  den  Sprossen  treibenden  Zellen  vorhanden  ist; 
die  jungen  Sprosszellen  sind  anfangs  frei  davon  und  produzieren  erst 
allmählich  diese  Substanz.  Ganz  glykogenfrei  aber  fand  ich  stets  die 
Sporen,  solange  sie  noch  in  der  3Iutterzelle  liegen.  Auch  frei  ge- 
worden schreiten  sie  erst  spät  zur  Glykogenbildung,  wogegen  man 
schon  frühzeitig,  wenn  auch  anfangs  winzige  Eiweisskrystalloide 
und  später  etwas  Fett  in  ihnen  nachweisen  kann.  Die  Krystalloide 
wachsen  bei  zweckmässiger  Ernährung  zu  stattlichen  Gebilden  heran, 
wenn  die  Zelle  es  nicht  vorzieht,  unter  Umständen  statt  deren 
Grösse  mehr  ihre  Zahl  zu  steigern.  Die  Steigeruno-  des  Fettgehalts 
steht,  wie  ich  an  anderer  Stelle  mitteilen  werde,  mit  besonderen 
Umständen,  in  erster  Linie  mit  dem  SauerstofPgehalt  der  Umgebung, 
in  Zusammenhang. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Sämtliclie  Figuren  wurden  hergestellt  unter  Anwendung  der  homogenen 
(")limmersion  von  Zeiss,  1/12,  n.  Ap..l,20,  Ok.  4,  oder  von  Leitz,  1;1-2,  Ok.  4, 
und  eines  ABBE'schen  Zeichenapparats.     L.  Vergr.  1500— 2C00. 

Fig.  A,  a  a.  Hefezellen  (Saccharomyces  cerevisiae)  mit  zentraler  Glykogenvakuole 
und  wandständigera  Kern  (c  c)  nach  Zusatz  von  Jodjodkaliumlöiung.  — 
h  h  Hefezellen  mit  Glykogen  Vakuolen  und  glykogenfreien;  von  letzteren  enthält 
jode  ein  Tanzkürnchen.  —  d  Kein  an  der  Oberseite  der  Zelle,  hell  auf  braunem 


H.  WesselowskA:  Apogamie  und  Apospoiie  bei  einigen  Farnen.  85- 

Grund.     —     e    Zelle    mit    hell    auf    dunklem    Grunde    erscheinenden    Eiweiss- 
irystalloiden.     Glykogenfreie  Vakuole  mit  Tanzkörnchen. 
Fig.  B,  <i—f-     Sporenbildende    Hefezellen    mit   Eiweisskrj-stalloiden    im  Cytoplasma. 
Näheres  im  Texte. 

„  C,  a—/i.  Hefezellen  nach  Zusatz  von  Sudan  IIT.  —  a  —  c  drti  typische  Formen 
der  Fettpartikelchen.  —  d  Fetttropfen  und  kleine  Eiweisskrystalloide.  — 
e — g  Fettmassen  über  und  zwischen  den  Sporen  bei  der  Sporenbildung.  —  h  eine 
dreisporige  Mutterzelle  mit  zwei  überfärbten  und  einer  ganz  ungetäibten  Spore. 

„  D,  a—(/.  Hefezellkerne.  (Hämatoxylin-Präparate).  a- c  Sprosshanteln.  —  d 
und  1-'  Hefezellen  mit  je  zwei  Paaren  Sporenhanteln.  —  f  Sporenhantelu  ver- 
schiedener Form.  —  g  Mutterzelle  mit  zwei  Paaren  verschieden  grosser,  kern- 
haltiger Sporen.    Näheres  im  Texte. 


15.  Helene  Wesselowska:  Apogamie  und  Aposporie  bei 

einigen  Farnen. 


Vorläufige  Mitteilung. 
Eingegangen  am  19.  Februar  1907. 


Vor  einigen  Jahren  wurde  von  GOEBEL^)  Apogamie  und 
Aposporie  bei  Trichomanes  Kraussii  und  Apogamie  bei  Notochlaena 
(Pellaea)  nivea  gefunden.  Icli  habe  Apogamie  bei  Pellaea  tenera  und 
zwei  ihr  nahestehenden  Notochlaena  -  Arten  {Notochlaena  Eckloniana 
und  Notochlaena  flavens)  beobachtet  und  bei  allen  die  Entwicklungs- 
geschichte näher  verfolgt.  Überall  entsteht  zuerst  das  Blatt  (und 
zwar  vielfach  direkt  aus  dem  apikalen  Meristem  des  Prothalliums) 
und  dann  erst  die  Stammscheitelzelle;  die  Wurzel  entwickelt  sich 
am  spätesten.  Diese  vom  Stammscheitel  unabhängige  Entstehung 
des  Blattes  findet  ihr  Analogon  in  der  von  GOEBEL  und  KUPPER 
nachgewiesenen  Entstehung  des  ersten  Blattes  an  blattspitzen- 
stäudigen  Farnknospen. 

Mit  einer  apogamen  Art  —  Notochlaena  flavejis  —  wurden  inter- 
essante Resultate  durch  Verdunklung  erhalten:  nämlich  der  be- 
blätterte Spross  entwickelte  sich  dann  nicht  mehr  in  der  Bucht  des 
Prothalliums  selbst,  sondern  wurde  auf  das  erste  verkümmerte 
zunoenförmio-e,  aus  der  Bucht  hervorragende  Blatt  verschoben.  Am 
häufio-steu  aber  wurde  die  normale  Herzform  des  Prothalliums  bei 
Verdunklung    überhaupt    nicht    mehr    entwickelt    und    anstatt    einer 


1)    GOEBEL,    Aposporie  bei  Aspknium  dimorphum,   Flora,  Bd.  95  (Ergbd.  zum 
Jahrg.  1905),  S.  213  und  mündliche  Mitteilung. 


SQ  Hans  Kniep: 

apogameii  Pflanze  entstanden  viele  Blätter,  die  verschiedene  Stufen 
von  Verkümmerung  zeigten  und  alle  möglichen  Übergänge  von 
Sporophyt  zu  Gametophyt  aufwiesen.  Die  Zellen  dieser  beiden 
Generationen  gingen  oft  so  ineinander  über,  dass  es  unmöglich  war, 
zu  entscheiden,  welche  Zelle  zu  einer,  und  welche  zur  anderen  ge- 
hörten, ähnlich  wie  dies  bei  dem  aposporen  A&pleniuvi  dimorphum 
der  Fall  ist. 

Darauf  wurden  verschiedene  Regenerationsversuche  gemacht  mit 
den  genannten  apogamen  Arten  wie  mit  einer  normalen  {Gymno- 
(/ramme  farinifera).  Die  verkümmerten  zungenförmigen  Blätter, 
welche  bei  den  apogamen  Arten  aus  der  Bucht  hervorgehen,  können 
sowohl  auf  der  Spitze  wie  auch  an  der  Basis  regenerieren  und  geben 
bald  eine  neue  Sprossknospe,  bald  ein  Prothallium.  Auch  die 
Keimblätter  von  diesen  apogamen  Arten  wie  diejenigen  der 
normalen  Gipnnogramme  farinifera  können  nicht  nur  am  Stiel, 
sondern  aus  dem  Rande  und  aus  der  Oberfläche  der  Blattspreite 
regenerieren;  entweder  geben  sie"  eine  mehrschichtige  mit  den  für 
den  Sporophyten  charakteristischen  gewellten  Zellen,  Spaltöffnungen 
und  Intercellularräumen  versehene  Fläche,  die  als  ein  Vorsuch  der 
Pflanze  erscheint  zur  Bildung  eines  neuen  Blattes,  oder  es  entsteht 
«in  Prothallium  oft  mit  Antheridien.  Dies  sind  Fälle  von  sonst 
nicht  beobachteter  künstlich  hervorgerufener  Aposporie.  Zu  er- 
wähnen ist  noch,  dass  manchmal  aus  der  Spitze  des  Blattes  ein 
ganzes  Büschel  von  Rhizoiden  hervorging. 

Die  genauere  Beschreibung  der  Apogamie  wie  auch  die 
Resultate  der  Regenerationsversuche  werden  bald  in  einer  ausführ- 
licheren Arbeit  erscheinen,  die  ich  auf  Anregung  von  Herrn  Professor 
GOEBEL  ausgeführt  habe. 


16.  Hans  Kniep:  Über  das  spezifische  Gewicht  von 

Fucus  vesiculosus. 


Mit  drei  Textfiguren. 
Eingegangen  am  20.  Februar  1907. 


Es  ist  bekannt,  dass  Fucus  vesiculosus  in  seiner  Formgestaltung 
je  nach  dem  Standorte,  an  dem  er  vorkommt,  ausserordentliche 
Verschiedenheiten  aufweist.     Neben  anderem  sind  es    vor    allem    die 


über  das  spezifische  Gewicht  von  Fucus  vcsiculosus.  87 

Luftblasen,  die  sowohl  der  Zahl  wie  der  Grösse  und  Form  nach  un- 
ffeiTiiein  variieren,  und  zwar  sind  diese  Variationen  nicht  nur 
individuelle,  sondern  für  bestimmte  Standortsformen  typische  und 
mit  deren  übrigen  spezifischen  Charakteren  parallel  gehende.  Die 
Entscheidung  darüber,  was  das  mehr  oder  weniger  reichliche  Auf- 
treten der  Luftblasen  oder  deren  völliges  Fehlen  für  eine  biologische 
Bedeutung  hat,  erfordert  zunächst  eine  Erörterung  der  Frage, 
welchen  Zweck  die  Schwimmblasen  überhaupt  für  den  Tang    haben. 

Infolge  ihres  Gasgehalts  verringern  die  Blasen  das  spezifische 
Gewicht  der  Pflanze  um  ein  Bedeutendes,  und  die  einfache  physika- 
lische Folge  ist  die,  dass  ein  abgerissenes,  mit  Luftblasen  versehenes 
Thallusstück  auf  dem  Wasser  schwimmt,  während  z.  B.  Fucus 
serratus  oder  auch  blasenfreie  Stücke  von  Fucus  vesiculosus  unter- 
sinken. Wäre  Fucus  vesiculosus  eine  freischwimmende  Pflanze,  so 
würde  man  daran  denken  können,  dass  ihm  das  Oberflächenwasser 
die  günstigsten  Lebensbedingungen  bietet,  und  dass  die  Blasen  eine 
Anpassung  darstellen,  welche  verhütet,  dass  die  Pflanze  unter  andere, 
wenio^er  o-ünstio-e  Bedino-unoen  kommt.  Nun  ist  aber  die  Lebens- 
weise  des  Fucus  vesiculosus  eine  festsitzende,  und  dadurch  wird  die 
Sachlage  eine  etwas  andere.  Es  liegt  nahe  anzunehmen,  dass  von 
den  äusseren  Faktoren,  die  hier  in  Frage  kommen,  in  erster  Linie 
das  Licht  eine  Bolle  spielt,  und  dass  die  Luftblasen  die  Bedeutung 
haben,  die  Ausbreitung  der  Assimilationsorgane  im  Wasser  zu  er- 
leichtern. Für  diese  von  OLTMANNS^)  geäusserte  Ansicht  spricht 
auch  die  Verteilung  der  Luftblasen,  welche  ein  senkrechtes  Auf- 
streben der  Tano-e  im  Wasser  verhindert  und  die  assimilierende 
Fläche  in  eine  schräg  aufsteigende  Lage  bringt,  wodurch  eine  gute 
Ausnutzung  des  Lichtes  ermöglicht  wird. 

Die  Anerkennung  dieser  Bedeutung  macht  jedoch  die  Frage 
nicht  überflüssig,  ob  sie  die  einzige  ist,  oder  ob  die  Luftblasen  noch 
andere  Funktionen  verrichten.  Da  könnte  man  vielleicht  daran 
denken,  die  höheren  Wasser-  und  Sumpfpflanzen  als  Analogie  heran- 
zuziehen und  die  Blasen  des  Fucus  vesiculosus^  welche  ja  gasführende 
Intercellularräume  sind,  beispielsweise  mit  den  Pneumathoden  der 
Mangrove-Gewächse  oder  dem  Aereuchym  vieler  Wasser-  und  Sumpf- 
bewohner zu  vergleichen.  Erstere  sind  bekanntlich  nach  der  zuerst 
von  GOEBEL^)  ausgesprochenen,  von  KAESTEN^)  näher  begründeten 
Ansicht  Atemorgane  und  haben  den  Zweck,  denjenigen  Teilen  der 
Pflanze,    welchen    infolge    ihrer    Versenkung    im    Wasser    oder    im 


1)  Oltmanns,  Morphologie  und  Biolo<;ie  der  Algen,  Bd.  IT,  1905,  S.  279. 

2)  GOEBEL,  Über  die  Luftwurzeln  von  Sonneraüa.     Ber.  der  deutschen  botan. 
Ges.,  Bd.  4,  1886. 

3)  G.  Karsten,    Über  die  Mangrovevegetation    im  mal.  Archipel.     Bibl.  bot. 
lieft  22,  1891,  S.  41ff. 


;88  ■  Hans  Kniep: 

Sumpfboden  die  Sauerstoffaufnahme  erschwert  ist,  die  Gaszufuhr  zu 
vermittehi.  In  gleicher  Weise  ist  das  Auftreten  der  grossen  Inter- 
•cellularen  der  phanerogamen  Wasser-  und  Sumpfpflanzen  zu  er- 
klären/) Was  nun  Fucus  vesicuJosus  anbetrifft,  so  hat  HEDWIG 
LOVEN  auf  WiLLE's  Veranlassung^)  den  Gasinhalt  der  Blasen  unter- 
sucht und  unter  anderem  gefunden,  dass  er  von  demjenigen  des 
Meerwassers  Abweichungen  zeigt ^)  (vor  allem  durch  das  Fehlen  der 
im  Meerwasser  ziemlich  reichlich  vorhandenen  Kohlensäure),  dass 
ferner  bei  24  stündiger  Verdunkelung  der  Pflanze  der  Sauerstoff  in 
den  Gasblasen  schwindet.  Wenn  auch  über  den  Verbleib  dieses 
Sauerstoffes  experimentelle  Untersuchungen  noch  nicht  vorliegen,  so 
ist  es  doch  wahrscheinlich,  dass  er  veratmet  wird.  Wir  hätten  also 
dann  eine  ganz  analoge  Erscheinung  vor  uns  wie  bei  den  Pneuma- 
thoden. Trotzdem  wäre  nichts  verkehrter,  als  die  letzteren  Organe 
mit  den  i^wcwÄ-Blasen  biologisch  in  Parallele  zu  setzen;  denn  gerade 
das  Merkmal,  welches  den  Pneumathoden  ihre  Bedeutung  als 
Atmuno-sorgane  verleiht,  nämlich  die  Kommunikation  ihrer  Inter- 
cellularen  mit  denjenigen  der  übrigen  Pflanzenteile,  fehlt  dem  Fucus 
vesiculosiis.  Dessen  Gasblasen  stellen  geschlossene  Hohlräume  dar, 
und  diese  Tatsache  dürfte  im  Vereine  mit  mehreren  Gründen,  die 
entschieden  dafür  sprechen,  dass  der  Tang  seinen  Gasbedarf  durch 
Absorption  durch  die  Thallusoberfläche  vollauf  decken  kann,  ge- 
nügen, um  darzutun,  dass  die  Luftblasen  für  den  Gasaustausch  in 
der  Pflanze  keine  ausschlaggebende  Rolle  spielen. 

Es  gibt  aber  einen  anderen  Grund,  der  mir  auf  eine  weitere 
Bedeutung  der  Blasen  des  Fucus  vesiculosus  hinzudeuten  scheint.  Ich 
denke  dabei  einmal  an  die  mehrfach  wahrgenommene  Erscheinung, 
dass  bei  dem  in  grösseren  Tiefen  auftretenden  Fucus  vesiculosus 
unter  bestimmten  Bedingungen'*)  eine  starke  Reduktion  der  Luft- 
iDlasen  bis  zu  deren  völligem  Schwinden  eintritt  —  was  docli  zu 
verwundern  wäre,  wenn  die  Blasen  allein  eine  Anpassung  an  die 
möglichst  gute  Ausnutzung  des  Lichtes  darstellten  —  ferner  an  eine 
damit  in  Zusammenhang  stehende  Beobachtung,  die  ich  im  Jahre 
1906  an  der  norwegischen  Küste  zu  machen  Gelegenheit  hatte. 

Sie   betrifft    eine    merkwürdige  Form    von  Fucus  vesiculosus^    die 


1)  Vgl.  GOEBEL,  Pflanzenbiologische  Schilderungen,  Bd.  II,  1893,  S.  249  fl'. 

2)  N.  Wille,  Om  Fucaceernes  Blaerer.  Bihang  tili  K.  Svenska  Vetenskai)S 
Akademiens  Handlingar,  Bd.  14,  Abt.  III,  1889,  S.  9— IG. 

o)  Wie  die  Gase  in  die  Intercellularen  gelangen,  ist  meines  Wissens  noch 
nicht  genauer  untersucht,  für  die  hier  in  Betracht  kommende  Frage  auch  neben- 
sächlich. Sicher  scheint  mir  nur  soviel  zu  sein,  dass  die  Annahme  einer  einfachen 
üiü'usion  der  Gase  unter  Ausschluss  physiologischer  Vorgänge  zur  Erklärung  nicht 
4vusreicht. 

4)  Vgl.  S.  9.-). 


über  das  spezifische  Gewicht  von  Fuciis  vcsiculosus.  89 

ich  in  dem  nicht  weit  von  Bergen  gelegenen  Mofjord  fand.  Die 
hydi'ograpliischen  Verhältnisse  in  diesem  Fjord  sind  ganz  eigenartige. 
Er  stellt  ein  über  200  m  tiefes,  von  hohen  Bergen  eingeschlossenes 
Becken  von  8  km  Länge  dar,  welches  mit  dem  vorgelagerten,  viel 
weiteren  Osterfjord  nur  durch  einen  an  der  seichtesten  Stelle  nicht 
ganz  2  m  tiefen,  30  -  40  m  breiten  Wasserarm  in  Verbindung 
steht.  Die  Folge  davon  ist,  dass  hoher  Seegang  auf  die  Bewegung 
des  Wassers  im  Mofjord  so  gut  wie  keinen  Einfluss  hat,  dieses  viel- 
mehr, da  auch  starke  Winde  durch  die  Berge  abgehalten  werden, 
während  des  ganzen  Jahres  ausserordentlich  ruhig  ist.  Auch  die 
Gezeitenwirkung  tritt  begreiflicherweise,  je  mehr  man  sich  von  dem 
Verbindungskanal  entfernt,  um  so  mehr  zurück.  Au  der  Stelle  des 
Fjords,  wo  ich  die  Tange  gesammelt  habe,  beträgt  die  Wasserstands- 
differenz  bei  Ebbe  und  Flut  etwa  ',.,  m.  Am  äussersten  Ende 
mündet  ein  Bach  in  den  Fjord.  Dieser  Umstand  sowie  das  ständige 
Herabrieselu  von  Süsswasser  von  den  Bergabhängen,  ferner  die 
Süsswasserzufuhr  durch  Niederschläge  bedingen,  dass  die  Ober- 
flächenschicht des  Fjordwassers  einen  sehr  niedrigen  Salzgehalt  hat, 
da  das  Süsswasser  seiner  geringen  Dichte  wegen  natürlich  nicht 
untersinken  kann  und  die  Diffusion  so  langsam  vor  sich  geht,  dass 
sie  praktisch  nicht  in  Betracht  kommt.  Da  das  Fjordwasser,  wie 
erwähnt,  während  des  ganzen  Jahres  grösseren  Bewegungen  nicht 
ausgesetzt  ist,  so  finden  in  den  oberen  Schichten  nur  ziemlich 
geringe  und  langsam  erfolgende  Schwankungen  des  Salzgehaltes 
statt.  In  grösseren  Tiefen  stagniert  das  W^asser  vollständig,  der 
Salzgehalt  ist  hier  fast  konstant;  Sauerstoff  ist  nur  bis  60  m  Tiefe 
nachweisbar,  von  da  ab  tritt  in  reicher  Menge  Schwefelwasserstoff 
auf,  welcher  nur  noch  den  Schwefelbakterien  ein  Dasein  gestattet. 
Bemerkenswert  ist,  dass  im  Winter  der  Salzgehalt  in  den  oberen 
Schichten  höher  ist  als  im  Sommer,  eine  Erscheinung,  die  zusammen 
mit  der  anderen,  dass  zu  gleicher  Zeit  der  Wasserstand  denjenigen 
des  Sommers  um  mehrere  Decimeter  übertrifft,  eine  gleich  zu  er- 
wähnende biologische  Bedeutung  hat.  Ich  lasse  zunächst  einige 
Tabellen  folgen  (S.  90),  welche  über  den  Salzgehalt  in  verschiedenen 
Tiefen^)  Aufschluss  geben. ^) 

Zur  Erläuterung  dieser  Tabellen  ist  folgendes  hinzuznftigen. 
Die  Stellen,  an  denen  die  Wasserproben  entnommen  wurden,  waren 
alle  gleich  weit  von  der  Fjordmündung  entfernt;    Station  A  ist  etwa 


1)  Einige  hydrographische  Daten  über  den  ziemlich  genau  untersuchten  Fjord 
finden  sich  bei  0.  NORDGAARD,  Studier  over  Naturforholdene  i  Vestlandske 
Fjorde,     Bergcns  Museums  Aarbog  1903,  Heft  8,  zusammeugestellt. 

2)  Die  Bestimmung  des  Salzgehaltes  geschah  auf  titrimetrischem  Wege  mit 
Silbernitrat.  Zu  dem  dadurch  direkt  gefundenen  Chlorgehalt  steht  bekanntlich  der 
öesamtsalzgehalt  in  einem  konstanten  Verhältnis  (Forchhammer). 


90 


Hans  Kniep: 


Tabelle  I. 

Station  A. 

Wasserproben  vom 
17.  September  1906. 


Tiefe 

Salzgehalt 

in  Metern 

in  7oo 

0 

1,35 

1 

1,50 

5 

7,00 

10 

13,80 

20 

28,45 

50 

31,15 

100 

32.20 

200 

32,25 

Tabelle  II. 

Station  A. 

Wasserproben  vom 
5.  Dezember  1906. 


Tiefe 
in  Metern 


Salzgehalt 
in  7.0 


0 

,2,38 

1 

2,45 

5 

10,23 

10 

11,64 

20 

24,36 

50 

31,09 

100 

32,14 

200 

32,27 

Tabelle  III. 
Station  B. 

Wasserproben  vom  6    Dezember  1906. 

Wasserstand  etwa  30  cm  unter  der 
Flutsrenze. 


Tiefe 

Salz- 

in 
Metern 

gehalt 
in  7oo 

Bemerkungen 

0 

2,95 

— 

'     % 

3,00 

— 

IV4 

3,00 

Fucus  ceramioides- 
Region. 

2 

5,40 

Oberste  Grenze  des 
Auftretens  von 
Fucus  vesiculosus. 

3^4 

7,10 

Erstes  Auftreten  von 
Fucus  serratus. 

4 

7,88 

Nahezu  unterste 
Grenze  der /'«cws- 
Itegion. 

Tabelle  IV. 
Station  C. 

Wasserproben  vom  6.  Dezember  1906. 

Wasserstand  etwa  30  cm  unter  der 
Flutgrenze. 


Tiefe 

Salz- 

in 

gehalt 

Bemerkungen 

Metern 

in  7oo 

0 

3,45 

— 

174 

7,80 

Oberste  Grenze  von 
Fucus  vesiculosus. 

3V2 

8,95 

Unterste  Fucus- 
Region. 

über  das  spezifische  Gewicht  von  Fucus  vesiculusus.  91 

in  der  Mitte  zwischen  beiden  Fjordufern  gelegen,  Station  B  am  nord- 
westlichen, Station  C  am  südöstlichen  Ufer.  Station  B  und  C  sind 
ziemlich  geschützte  Stellen;  dadurch  dürfte  es  sich  vielleicht  er- 
klären, dass  hier  der  Salzgehalt  im  Dezember  höher  ist  als  zu 
gleicher  Zeit  in  Station  A.  Weshalb  der  Salzgehalt  in  Station  B 
geringer  als  in  Station  C  ist,  vermag  ich  nicht  sicher  anzugeben. 
Beachtenswert  ist,  dass  als  offenbare  Folge  dieses  Umstandes  die 
obere  Grenze  des  Auftretens  von  Fucus  vesiculosus  bei  C  höher  als 
bei  B  liegt.  —  Obgleich  nun  leider  für  die  Stationen  B  und  C  keine 
Daten  für  andere  3Ionate  vorliegen,  so  dürlte  doch  aus  dem  Ver- 
gleich der  Tabelle  I  und  II  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  folgen, 
dass  auch  in  B  und  C  im  September  der  Salzgehalt  niedriger  ist, 
als  im  Winter.  Jedenfalls  befinden  sich  die  Algen  schon  wegen  des 
höheren  Wasserstandes  im  Winter  in  Wasser  von  höherer  Salz- 
haltigkeit als  im  Sommer.  Im  April  ist  der  Salzgehalt  in  den  ober- 
flächlichen Schichten  ebenfalls  noch  etwas  höher  als  im  Hoch- 
sommer.^) 

Was  aber  zu  allen  Jahreszeiten  gleich  ist,  das  ist  die  ausser- 
ordentlich schnelle  Steigerung  des  Salzgehaltes  nach  der  Tiefe  zu. 
In  5  in  Tiefe  beträgt  der  Wert  des  letzteren  bereits  das  Fünffache 
des  bei  1  vi  gemessenen. 

Nach  dem  Mitgeteilten  bedarf  es  keiner  Erklärung  weiter,  wes- 
halb Fucus  vesiculosus  im  Mofjord  nicht  in  der  sonst  von  ihm  be- 
vorzugten Litoralreo'ion  vorkommen  kann.  Wir  finden  ihn  denn 
auch,  wie  auf  den  Tabellen  bereits  vermerkt  ist,  erst  in  einer 
Tiefe  von  durchschnittlich  2  m.-)  Fucus  serratus  tritt  erst  etwas 
tiefer  auf,  doch  ist  die  an  den  Küsten  der  Nordsee  zu  beobachtende 
Erscheinung  eines  dem  Fucus  serratus  -  Gürtel  übergelagerten,  von 
ihm  ziemlich  scharf  getrennten  Fucus  vesiculosus  -  Gürtels  hier  nicht 
deutlich  ausgesprochen.  Beide  Arten  weichen  in  ihrer  äusseren  Ge- 
staltung vielfach  von  dem  Typus  ab,  worauf  im  einzelnen  einzu- 
gehen hier  nicht  der  Ort  ist.  Im  Hinblick  auf  die  Tatsache,  dass 
bei  den  näher  bekannten  Brackwasserformen  des  Fucus  vesiculosus 
die  Blasenbildung  reduziert  oder  ganz  aufgehoben  ist  —  ich  erinnere 
nur  an  die  blasenlose  forma  baltica,  an  die  forma  nana  und  die  var. 
angustifolia^)  —  musste  es  auffallen,  dass  diese  Form,  welche  in 
ihrem  Habitus  mit  den  genannten  Brackwasserformen  vieles    gemein 


1)  Vgl.  NOEDGAARD  a.  a,  0.  Da  aus  NOEDGAAED's  Angaben  nicht  sicher 
zu  entnehmen  ist,  an  welcher  Stelle  die  Wasserproben  geschöpft  wurden,  so  sehe 
ich  hier  von  einer  Wiedergabe  seiner  Tabellen  ab. 

2)  Im  Sommer  liegt  er  wegen  des  niedrigeren  Wasserstandes  der  Oberfläche 
um  einige  Dezimeter  näher. 

3)  Siehe  SVEDELIUS,  Studier  öfver  Ostersjöens  Ihafsalgflora.  Akad,  Äfh , 
Upsala  1901,  S  84ff. 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellsch.    XXV.  7 


92  Hans  Kniep: 

hat,  ziemlich  reich  an  Blasen  war.  Zu  meiner  Überraschung  stellte 
sich  nun  heraus,  dass  abgerissene,  mit  vielen  Blasen  versehene 
Thaliusatücke  dennoch  schnell  untersanken.  Die  Aufklärung  dieser 
Erscheinung  ergab  sich,  als  die  Blasen  auf  ihrt>n  Inhalt  geprüft 
wurden.  Dieser  war  nämlich  niclit,  wie  bei  der  normalen  Form,  ein 
Gemisch  von  Sauerstoff  und  Stickstoff,  sondern  eine  gallertige  Sub- 
stanz und  eine  Salzlösung.  Die  Zusammensetzung  der  letzteren 
habe  ich  nicht  genauer  bestimmt,  da  dies  für  den  hier  zu  ver- 
folgenden Zweck  nicht  nötig  erschien.')  —  Eine  weitere  Eigentüm- 
lichkeit besteht  darin,  dass  das  Volumen  der  Blasen  beträchtlich 
reduziert  ist.  Über  das  Ausmass  dieser  Wandverdickung  geben  die 
Figuren  1  —  3  Aufschluss.  Fig.  3  stellt  die  Wandung  der  besprochenen 
Form  dar,  Fig.  l  und  2  die  Wandungen  zweier  gleich  grossen  Blasen 
(Durchmesser  =  5  m7)%)  von  normalen  Formen,  welche  von  zwei 
ganz  verschiedenen  Standorten  stammen.  Wir  sehen,  dass  in  Fig.  3 
das  Rindengewebe  etwa  um  drei  Zellagen  dicker  ist  als  bei  den 
anderen  Formen,  während  das  Markgewebe  eher  reduziert  erscheint. 
Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  ein  Vergleich  der  Thallusquerschnitte 
das  umgekehrte  Verhältnis  zeigte.  Letztere  verhielten  sich  in  ihrer 
Dicke  wie  1,9  (III)  :  3,3  (I)  :  2,9  (II). 

Um  nun  eine  Vorstellung  davon  zu  gewinnen,  wie  diese  eigen- 
tümliche Blasenbildung  das  spezifische  Gewicht  des  Tangs  beeinflusst, 
bestimmte  ich  letzteres.  Die  Zahlen  sind  in  Tabelle  V  wieder- 
gegeben, Tabelle  VI  und  VII  dienen  zum  Vergleich  und  geben  die 
spezifischen  Gewichte  von  je  vier  Exemplaren  derselben  normalen 
Formen  an,  von  denen  in  Fig.  1  und  2  Querschnitte  durch  die 
Wand  der  Schwimmblasen  abgebildet  wurden.  Die  Bestimmungen 
wurden  nach  der  hydrostatischen  Methode  mit  einer  gewöhnlichen 
Wage  in  folgender  einfacher  Weise  ausgeführt:  an  dem  einen  Wage- 
balken wurde  ein  in  Wasser  tauchender  schwerer  Körper  an  einem 
dünnen  Platindraht  aufgehängt  und  sein  Gewicht  unter  Wasser  =  p 
bestimmt.  Dann  wurde  der  Tang  an  dem  im  Wasser  befindlichen 
Teile  des  Platindrahts  befestigt  und  das  Gewicht  von  neuem  er- 
mittelt. Der  nun  gefundene  Wert  sei  f.  Der  Tang  wurde  darauf 
bei  80°  getrocknet  und  dann  gewogen.  Sein  Trockengewicht  sei  t. 
Dann  ist  das  spezifische  Gewicht  des  Tangs,  wie  sich  leicht  ableiten 


1)  Auch  die  rein  physiologische  Frage,  wie  diese  Substanzen  in  das  Lumen 
der  Blase  gelangen,  wurde  niclit  untersucht.  Hier  spielen  offenbar  ziemlich 
komplizierte  Vorgänge  mit,  die  von  äusseren  Faktoren  eingeleitet  werden  (oder 
wenigstens  ursprünglich  eingeleitet  worden  sind).  Was  letztere  betrifft,  so  kann 
das  dauernde  Untergetauchtsein  allein  keine  wesentliche  Rolle  spielen,  denn  es 
gibt  sehr  viele  Standorte,  in  denen  bucus  vesiculostis  niemals  mit  der  Atmosphäre 
in  Berührung  kommt,  trotzdem  aber  typische  Gasblasen  bildet. 


über  das  spezifische  Gewicht  von  Fucus  vesiculosus. 


93 


läs^t,^)  s  =  - — Tp c-.    Die  folgenden  Tabellen  geben  die  für  s  ge- 

t  —  (i      p) 

fimdenen  Werte  an,    Tabelle  V   für  Tange  des  Mofjord,    Tabelle  VI 

und  VII  für  die  Vergleichspflanzen. 

Tabelle  V.  Tabelle  VI.  Tabelle  VII. 

1)  s  =  1,043  1)  s  -  0,557  1)  s  =  0,344 

2)  s  =  1,173  2)  8  =  0,583  2)  s  =  0,465 
3^  =  1,655  3)8  =  0,671  3)  s  =  0,707 
4)  s  =  1,127  4)  s  =  0.608 4)  s  =  0,435 


Mittelwert  1.250 


.Mittelwert  0,605 


Mittelwert  0,488 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


Ein  Blick  auf  diese  Tabellen  zeigt  zunächst,  dass  die  Werte 
in  den  einzelnen  Rubriken  untereinander  grosse  Verschiedenheiten 
aufweisen,   schon  in  der  ersten  Decimale  zeigen  sich  erhebliche  Ab- 


2)  Vgl.  WiEDEMANN  und  Ebekt,  Pbysikal.  Praktikum,  1890,  S.  64. 


94  Hans  Kniep: 

weichungen.')  Bedenkt  man  aber,  dass  Zahl  und  Grösse  der  Blasen 
individuell  sehr  variieren,  so  wird  man  von  vornherein  keine  grossen 
Konstanzen  erwarten  können  Trotz  dieser  Schwankungen  spricht 
sich  jedoch  die  Erscheinung,  auf  die  es  hier  ankommt,  in  den  an- 
gegebenen Zahlen  mit  grosser  Deutlichkeit  aus:  bei  den  Algen  des 
Mofjord  ist  das  spezifische  Gewicht  immer  grösser  als  1,  während  es 
bei  den  Yergleichspflanzen  ganz  bedeutend  geringer  ist.  Im  Durch- 
schnitt sind  die  Werte  der  Tabelln  Y  um  mehr  als  das  Doppelte 
höher  als  diejenigen  der  Tabelle  YI  und  YII. 

Wenn  wir  uns  nun  frao-en,  welche  ökologische  Bedeutung  diese 
Erhöhung    des    spezifischen    Gewichts    haben    kann,    so    müssen   wir 
zunächst  die  äusseren  Bedingungen,    unter    denen  der  Fncus  im  Mo- 
fjord lebt,  kurz  überblicken.     Dabei    ergibt    sich    zunächst,    dass    es 
sich  um  zwei  Faktoren   handelt,    die    einander    gewissermassen    ent- 
gegenwirken:   um    das  Licht    und    um    den  Salzgehalt    des  Wassers. 
Einerseits  hat  der  Tans;    das  Bestreben,    das  Licht    möolichst  auszu- 
nutzen,    weshalb    er  sich  unter  normalen  Bedino'uno'en  in  der  Ebbe- 
Flutregiou  ansiedelt.     Daran    wird    er    hier    durch    den    zu  geringen 
Salzgehalt  des  Oberflächenwassers  gehindert.      Andererseits  findet  er 
seine  günstigsten  Lebensbedingungen  in  einem  Salzgehalt  von  30  bis 
35  7oo-     Diesen  aufzusuchen  hindert  ihn  wieder  die  zu    grosse  Tiefe 
und  die    dort    für    sein  Gedeihen    zu    schwache  Lichtintensität.     Die 
Yerhältnisse  liegen  also  so,   dass  der  erstere  Faktor  (das  Licht)  den 
Fucus  vesiculosus  gewissermassen    nach    oben    zieht,    der    zweite  (der 
Salzgehalt)    ihn    nach    unten    treibt.      Weder  Licht   noch  Salzgehalt 
können    also    ihre    optimale    Wirkung    ausüben;    ein    Gedeihen    des 
Fucus  wird  nur  dadurch    möglich,    dass    ein  Kompromiss    geschaffen 
wird.      Der  Tang    siedelt    sich    in    einer  unterhalb  des  Ebbe  — Flut- 
gebiets   gelegenen  Region    in  Wasser    an,    dessen   Salzgehalt    wegen 
der     durch     die     Gezeiten     bedingten     periodischen     Wasserstands- 
veränderungen Werte  erreicht,  die  im  Winter  etwa  zwischen  5,4  7oo 
und  8  7oo?  ™  Sommer  noch  etwas  tiefer  liegen.^)     Es    scheint    also, 


1)  Die  Temperatur,  welche  während  der  Wägungeu  unter  Wasser  in  maximo 
um  4°  schwankte,  konnte  unberücksichtigt  bleiben,  da  die  Werte  dadurch  im  Ver- 
gleiche zu  den  grossen  Abweichungen,  die  sie  untereinander  zeigen,  nur  ganz  un- 
bedeutend beeinflusst  werden. 

2)  Diese  Werte  beziehen  sich  auf  die  gesamte  /'mcms -Region,  in  einer  Horizontal- 
linie sind  die  Schwankungen  natürlich  viel  geringere.  Sie  erfolgen  hier  auch 
ziemlich  langsam,  und  das  dürfte  der  Grund  sein,  dass  der  Fucus  hier  die  Fähigkeit 
erworben  hat,  ohne  Schädigung  diese  Veränderungen  zu  ertragen  bezw.  seinen 
Turgor  der  jeweiligen  Umgebung  entsprechend  zu  regulieren.  (Vgl.  über  den 
Einfluss  des  Salzwechsels  auf  das  Gedeihen  der  Meeresalgen,  im  besonderen  von 
Fucus  vesiculosus  Oltmanns,  „Über  Kultur-  und  Lebensbedingungen  der  Meeres- 
algcn".     Jahrb.  für  wiss    Bot.,  Bd.  XXI II,  18;i2,  Separatabdruck  S.  2Uff.) 


über  das  spezilische  Gewicht  von  Fucus  vesicnlosus.  95 

als  ob  der  Fucus  vesiculosus  die    dauernde  Wirkung    eines    erheblich 
unter  5  7oo  sinkenden  Salzgehalts  niclit  vertragen  kann; ^)  schon  der 
üeriuffere  Salzo-ehalt  während  des  Sommers  ist  für  die  Fruktifikation 
zu    niedrig.     Wenigstens    habe    ich    im    August    und    September    an 
keinem    einzigen    Exemphir     Spuren    von    Konzeptakeln    entdecken 
können.     An  Stelle  der  Fortpflanzungsorgane  besass    der  Tang    eine 
auffallend    reiche    vegetative  Vermehrung,    die   Tiialluslappen    waren 
oft  mit  Adventivsprossen  fast  besät  und   gewannen    so  ein  Aussehen, 
wie    ich    es    bei    der    normalen    Form     niemals     angetroffen     habe. 
Anders   liegen    die  Verhältnisse    im  Winter,    wo    der  Salzgehalt    des 
Wassers  in  der  i^Mc?/5-Region    aus    genannten  Gründen    ein    höherer 
ist.     Im  Dezember  fand  ich  in    ziemlich    grosser  Menge  Rezeptakel- 
stände,  deren  Grösse  allerdings  hinter    der    der    normalen  Form    um 
ein  oanz  Bedeutendes  zurückstand.    Für  die  Bildung  der  Geschlechts- 
orsane    ist    also    eine    Lösung    von    höherem    osmotischen  Wert    er- 
forderlich    als    für    das  Wachstum    der  vegetativen  Sprosse,  und  der 
vorliegende  Fall  ist  damit  zugleich  ein    interessantes  Beispiel    dafür, 
dass  sich  unter  dem  Einfluss  äusserer  Bedingungen  in  der  Erzeugung 
der  Reproduktionsorgane  eine  Periodicität    ausgebildet    hat,    wie    sie 
sich  bei  anderen  Formen    derselben  Art    nicht    findet.      Ich    möchte 
nicht  unerwähnt  lassen,    dass    diese  Erscheinung  mit    anderen  Beob- 
achtungen   in    gutem  Einklang    steht.      So    ist    bekannt,    dass  Fucm 
vesiculosus  in  der  Ostsee,   je    weiter    er    in   Gebiete    von    geringerem 
Salzgehalt  vordringt,    um    so   spärlicher  fruchtet  und  schliesslich  nur 
noch    in    verkümmerten    rein    vegetativen  Formen  auftritt. ^j      Inter- 
essant ist  auch  im  Vergleiche  zu  der  hier  beschriebenen  Form    eine 
Angabe  von  GOBI")    über  das  Vorkommen    von  Fucuai  vesiculosus    im 
finnischen  Meerbusen.     Er    teilt    mit,    dass    dort    (wo   der  Salzgehalt 
ebenfalls  mit  zunehmender  Tiefe,    wenn    auch  viel  langsamer  als  im 
Mofjord    steigt)    an    seichteren    Stellen    die    Luftblasen    besser    ent- 
wickelt waren,    die  Fruchtbehälter  weniger,    dass    aber    da,    wo    der 


1)  Das  stimmt  annähernd  überein  mit  den  Erfahrungen  über  das  Vordringen 
des  Fucus  vesiculosus  in  der  östlichen  Ostsee  (bottuischer  und  finnischer  Meerbusen). 
Siehe  hierüber  Krok,  Bidrag  tili  Kännedomen  om  Algtloran  i  inre  Üstersjön  och 
Bottniska  viken.  Üfversigt  af  Kongl.  Vetenskaps-Akad.  Föih.  Bd.  26.  18G9'.  S.  69, 
80,  81.  Ferner  GOBI,  Mem.  de  FAcad.  des  sciences.  de  St.  Petersbourg,  VII'^  serie, 
T.  XXI,  No.  9,  1874,  S.  18,  19.  Im  finnischen  Meerbusen  scheint  der  Tang  aller- 
dings, da  er  bis  zur  Insel  Hochland  vordringt,  an  noch  etwas  niedere  Kon- 
zentrationen angepasst  zu  spiu.  Genau  lassen  sich  die  Verhältnisse  nicht  über- 
sehen, da  Angaben  darüber,  in  welcher  Tiefe  die  Exemplare  gefunden  wurden, 
nicht  vorliegen  und  der  Salzgehalt  der  Ostsee  bekanntlich  nach  der  Tiefe  hin  zu- 
nimmt. 

2)  Siehe  Krok  a.  a.  0.,  S.  70. 
3;  Gobi  a.  a.  0.,  S.  19. 


96  Hans  Kniep: 

Taug  in  grösseren  Tiefen  vorkommt,  die  Blasen  stark  reduziert  sind, 
in  den  untersten  Regionen  sogar  ganz  schwiuden,  während  hier  die 
Ileceptakeln  sehr  stark  entwickelt  sind.  Dass  es  sich  hier  etwa  um 
einen  Einfluss  des  schwachen  Lichtes  handelt,  welcher  im  Vereine 
mit  dem  relativ  geringen  Salzgehalt  die  Bildung  der  Geschlechts- 
organe befördern  könnte,  dass  also  eine  Kombinationswirkung  vor- 
liegt, ist  nicht  anzunehmen,  denn  ich  habe  Fucus  vesiculosus  an  der 
Oberfläche  auch  an  solchen  Stellen  reichlich  fruchtend  angetroffen, 
wo  der  Salzgehalt  die  für  die  Entstehung  der  Receptakeln  erforder- 
liche Minimalschwelle  nur  um  weniges  überschritt.  Eher  könnte  man, 
wenigstens  soweit  der  Fucus  des  Motjord  in  Betracht  kommt,^)  an 
einen  Einfluss  der  Kälte  denken,  welche  zwar  nicht  als  ausschlag- 
gebendes, möglicherweise  aber  als  begünstigendes  Moment  mit- 
spielt.^) 

Ich  kehre  jedoch  zu  der  ursprünglichen  Frage  zurück.  Welche 
Bedeutung  kann  unter  den  geschilderten  A'erhältnissen  die  Erhöhung 
des  spezifischen  Gewichts  haben?  Da  ist  nun  zunächst  in  Erwägung 
zu  ziehen,  dass  diese  Eigenschaft  dem  Tang  gestattet,  sich  an  der 
höchstmöglichen  Stelle  festzuheften,  womit  eine  relativ  gute  Aus- 
nutzung des  Lichtes  verbunden  ist.  Des  weiteren  liegt,  glaube  ich, 
ein  Schlüssel  für  die  Deutung  in  einer  Erscheinung,  die  bei  Wasser- 
pflanzen im  Allgemeinen  und  auch  bei  dem  unter  normalen  Be- 
dingungen wachsenden  Fucus  vesiculosus  zu  beobachten  ist.  Werden 
nämlich  Wasserpflanzen  durch  irgendwelche  äusseren  Umstände 
(Niveauveränderungen  usw.)  in  grössere  Tiefe  versenkt  als  ihrem 
natürlichen  Standorte  bezw.  ihren  optimalen  Lebensbedingungen  ent- 
spricht, so  verlängern  sich  die  wachstumsfähigen  Teile,  bis  die 
Oberfläche  erreicht  ist.  Besitzen  die  Gewebe  dieser  Pflanzen  ge- 
nügende mechanische  Festigkeit,  so  spielt  das  spezifische  Gewicht 
keine  Rolle.  Anders  ist  es  bei  Fucus  vesiculosus,  der  ebenfalls  eine 
Oberflächenpflanze,  dessen  spezifisch  schwerer  Thallus  aber  schlaff 
und  biegsam  ist.  Hier  müssen  die  Gasblasen  als  Ersatz  eingreifen. 
Ich  habe  nun  in  der  Tat  oft  auf  mit  Geröll  bedecktem  Boden  Fucus 
vesiculosus  meist  an  relativ  kleineu  Steinen  angeheftet  in  3 — 4  m, 
Tiefe  (bei  Flut)  auftreten  sehen  (wie  er  dahin  gelangt  war  muss  ich 
dahingestellt  sein  lassen),  welcher  sich  im  Vergleich  zu  dem  dicht 
dabei  in  der  Litoralregion  wachsenden  durch  seine  ungewöhnlich 
starke    Ausbildung,    vor    allem    in    der    Länge,    die    durchschnittlich 


1)  GOBl"s  Mitteiluii^^en  Ijezioheu  sich  auf  Beobachtungen,  die  während  des 
Sommers  angestellt  wurden. 

2)  Über  den  günstigen  Einfluss  niederer  Temperaturen  auf  die  reproduktive 
Tätigkeit  der  Meeresalgen  vgl.  SCHIMPER,  Pdanzengeographie,  1898,  S.  834 
und  835. 


über  das  spezifische  Gewicht  von  Fucus  vesicnlosus.  07 

mehr  als  1  vi  betrug-,  auszeichnete.  Vermöge  der  kräftig  ent- 
wickelten Luftblasen  war  dadurch  der  grösste  Teil  der  assimilieren- 
den Fläche  günstiger  Beleuchtung  ausgesetzt.  Ganz  Analoges  be- 
richtet OLTMANNS  über  den  an  den  Molen  bei  VVarnemünde  vor- 
kommenden Fncus  vesicnlosus.  Er  schreibt'):  „In  der  See  an  den 
Molen  findet  sich  als  Hauptbestandteil  der  Flora  Fucus  vesicidosus 
meist  in  vortrefflichen  Exemplaren,  die  Individuen,  welche  der 
Wasseroberfläche  zunächst  angeheftet  sind,  pflegen  kleiner  zu  sein 
als  diejenigen,  welche  in  etwa  1  vi  Tiefe  stehen;  auch  die  letzteren 
gelangen  mit  ihren  Spitzen  bis  an  die  Oberfläche.  Soweit  Schätzungen 
ein  Urteil  gestatten,  besitzen  sie  eine  relativ  grössere  Anzahl  von 
Luftblasen."^)  Dieses  Emporstreben  nach  der  Oberfläche  kann  aber 
nur  so  lange  von  Nutzen  für  den  Fucus  sein,  als  er  hier  günstige 
Bedingungen  für  sein  Gedeihen  findet.  Ist  das  nicht  der  Fall,  sind 
hier  vielmehr  wie  im  Mofjord  die  Bedingungen  für  den  Tang  direkt 
schädlich  oder  sogar  tötlich,  so  wird  die  Einrichtung  der  GJasblasen, 
welche  unter  normalen  Verhältnissen  ein  Nutzen  ist,  zu  einer  Gefahr, 
ihr  Vorhandensein  würde  die  Pflanzen  ins  Verderben  führen.  Dem 
ist  nun  durch    die  Erhöhung    des    spezifischen  Gewichts    vorgebeugt. 

Ausserdem  könnte  man  vielleicht  noch  in  Betracht  ziehen,  dass 
die  Erhöhung  des  spezifischen  Gewichts  abgerissene  Thallusstücke 
verhindert,  an  die  Oberfläche  zu  gelangen.  Wenn  auch  meines 
Wissens  bisher  nicht  näher  untersucht  ist,  ob  solche  Stücke  Haft- 
organe bilden  und  sich  wieder  festsetzen  können,  so  würde  doch 
auch  dann,  wenn  dies  nicht  der  Fall  ist,  dieser  Punkt  für  fertile 
Sprosse  oder  eventuell  für  solclie,  an  denen  sich  junge  Keimpflanzen 
angesiedelt  haben,  in  Frage  kommen,  denn  eine  Befruchtung  von 
Eiern  und  ein  Keimen  befruchteter  Eier  in  einem  Salzgehalt  von 
2  7oo  ^^^  weniger  ist  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  gänzlich 
ausgeschlossen.  Immerhin  scheint  mir  dies,  wenn  überhaupt,  nur 
von  geringer  Bedeutung  zu  sein. 

Eine  ganz  andere  Frage  ist  die,  wie  das  Auftreten  dieser  eigen- 
tümlichen  Bhasenbildung    physiologisch    zu    erklären    ist.      Hierüber 


1)  OLTMANNS  a.  a.  0.,  S.  4.3. 

2j  Die  Ursache  der  Verlängeruni;'  der  sVasserpflanzen  ist  nach  Karsten's 
Ansicht  ((i.  KARSTEN,  Über  die  Entwicklung  der  Schwimmblätter  bei  einigen 
Wasserpflanzen.  Bot.  Ztg.  1888.  S.  565),  welche  neuerdings  durch  noch  unver- 
öffentlichte Untersuchungen  von  OhXO  bestätigt  wurde,  der  Sauerstoff.  Die  Wirkung 
desselben  haben  wir  uns  so  zu  denken,  dass  von  der  Pflanze  ein  Unterschied,  d.  h. 
die  nach  der  Tiefe  abnehmende  Konzentration  als  Reiz  empfunden  wird.  Daraus 
folgt  ohne  Weiteres,  dass  das  obige  nur  auf  ruhiges  Wasser  zu  beziehen  ist,  denn 
bei  starker  Brandung  oder  Strömung  liegen  die  Verhältnisse  der  Gaszufuhr  zur 
Pflanze  natürlich  ganz  anders  Auch  im  Mofjord  treten  aber,  wie  erwähnt,  der- 
artige starke  Bewegungen  niemals  auf.  Es  wäre  auch  möglich,  dass  bei  Fucus 
vesicnlosus  das  Licht  in  gleichem  Sinne  wirkt. 


98         Hans  KnieP:  Über  das  spezifische  Gewicht  von  Fucus  vesiculosus. 

wissen  wir  noch  nichts.  Die  Feststellung  der  hierbei  wirkenden 
äusseren  Faktoren  könnte  vielleicht  auch  Anhaltspunkte  dafür  er- 
geben, weshalb  Ascophylhmi  nodosum,  das  im  vorgelagerten  Osterfjord 
in  grosser  Menge  zu  finden  ist,  im  Mofjord  gänzlich  fehlt,  während 
es  doch  sonst  als  forma  scorjpioides  in  brackischem  Wasser  häufig 
auftritt.  Anscheinend  sind  im  Mofjord  die  Bedingungen  für  die 
Entstehung  dieser  blasenfreien  Form  nicht  gegeben,  und  man  könnte 
vielleicht  annehmen,  dass  Ascophyllum  vermöge  seiner  inneren  Kon- 
stitution nicht  befähigt  ist,  mit  Gallerte  und  Salzlösung  gefüllte 
Blasen  auszubilden.  Doch  darüber  lassen  sich  bis  jetzt,  da  experi- 
mentelle Untersuchungen  ganz  fehlen,  noch  nicht  einmal  Hypothesen 
aufstellen. 


Sitzung  vom  28.  März  1907.  99 


Sitzung  vom  28.  März  1907 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen: 

Fräulein  Heimann,  Emmy,  in  Braunschweig,  Wolfenbütteler  Str.  9  (durch 
W.  BLASIUS  und  L.  KNY), 

sowie  die  Herren 

Heiden,  Dr.  H.,  in  Rostock,  Prinz  Friedrich  Karl-Str.  2  (durch  K.  GOEBEL 

und  B.  Schröder), 
Junk,  W.,  in  Charlottenburg.  Kurfiirstendamm  201  (durch  CARL  MÜLLER 

und  Carl  Lande). 
Renner,  Dr.  Otto,  Assistent  am  botanischen  Laboratorium  der  Universität 

in  München,  Herrenstr.  34,  HI  (durch  L.  Radlkofer  und  H.  ROSS). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Niemann,  6.,  Lehrer  in  Magdeburg, 
Christensen,  Carl,  mag.  scient.  in  Kopenhagen. 


Der  Vorsitzende  macht  der  Gesellschaft  Mitteilung  von  dem  am 
17.  März  erfolgten  plötzlichen  Ableben  unseres  ordentlichen  Mitgliedes, 
des  Herrn 

Geheimen  Regierungsrates  Dr.  R.  Aderhold, 

Direktors  der  Biologischen  Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft  in 
Dahlem  bei  Berlin. 

Zu  Ehren  des  Verstorbenen  erhoben  sich  die  Anwesenden  von 
ihren  Plätzen. 


Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUsch.    XXV. 


100  F.  HEYDRICH: 


17.   F.  Heydrich:  Einige  Algen  von  den  Loochoo-  oder 

Riu-Kiu- Inseln  (Japan). 

Mit  Tafel  II. 
Eingeganfien  am  28.  Fphruar  1007. 


Chlorophyceae. 

Ulva  Lactuca  (L.)  Le  Jol.  —  ü.  Lactuca  L.  Öpec.  PI.  II. 
S.  1163.  —  Le  Jol.  Alg.  mar.  Cherb.  p.  :^8. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  20.) 

Enteromorpha  Fascia  Post,  et  Rupr.     Illustr.  p.  21. 

Yorkommeii:  Pinnacle,  Lochoo.   (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol.  Nr.  4.) 

Cladophora  (Aegr.)  herpestica^)  (Moiit.)  Ktz.  —  Conferva 
herpestica  Mont.  D'ÜRV.  Yoy.  au  Pole  sud  I.  p.  6.  —  KÜTZ.,  Sp.  Alg. 
8.  145. 

Vorkommen:    Hoapinsu,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.   bot.   Berol. 

Nr.  18.) 

Bryopsis  Harveyana  J.  Agardh    Till  Alg.  Syst.  Bd.  8,  S.  22. 
Vorkommen:    Hoapinsu,    Loochoo,    Japan.     (Kuroiwa,    Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  11.) 

Caulerpa  clavifera  (Turn.)  Ag.  Fucus  davifer  Turn.  Hist. 
Fuc.  T.  57.  —  C.  clavifera  Ag.  Sp.  p.  437. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo,  Japan.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  9.) 

Caulerpa   cupressoides  (Vahl)    Ag.      Fucus  cupressoicles  Vahl 

in  Naturh.  Selsk.  Skr.  2  p.  38.    —  Ag.  Sp.  Alg.  p.  441.     Syst.  p.  183. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol  Nr.  38.) 

Caulerpa  crassifolia  Ag.  f.  Harveyana  Ktz.  Tab.  Phyc. 
Bd.  7,  Taf.  5,  HI. 

Vorkommen:  Okinawashimia,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  56,  Nr.  58.) 

Caulerpa  Freycinetii  Ag.     Sp.  Alg.  p.  446. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol.  Nr.  36.) 


1)  Herr  Major  Eeinhold,  dem  ich  die  Bestimmunji:  verdanke,  schrieb:  „forma 
ramulis  non  fastigiatis),  vielleicht  Zwischenform  zwischen  herpeatica  und  wembrnnacea 
(Ag )  Ktz.  Wie  letztere,  so  gehört  auch  hcrpeaticn  hierher,  wie  so  manche  C7.  aeija- 
i/ropila  vermutlich  zum  Genus  •'ii/i/ioitocluffia. 


Einige  Algen  von  den  Loochoo-  oder  Riu-Kiu-Inseln  (Japan).  101 

Caiilerpa  peltata  Lamoiir.     Journ.  Not.  p.  145,  Taf.  3,  Fig.  2. 
A^orkommen:    Hoapiusu,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.  bot.  ßerol. 
Nr.  10.) 

Caiilerpa  Webbiaua  (Mout.)  Web.  v.  B.  —  MONT.  Caul.  p.  18 
in  Ann.  Sc.  Nat.  1838  p.  129. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  38.) 

Aurainvillea  papuana  (Zan.)  Murr,  et  Boodl.  Ch.  papumium 
Zaii.  Phyc.  pap.  Nr.  10  in  Nuovo  Gior.  Bot.  Ital.  X.  1878  p.  37.  — 
A.  papuana  Murr,  et  Boodl.     Aurainvillea  Nr.  5  in  Journ.  of  Bot.  1889. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  I^oochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.   18.) 

Aurainvillea    comosa    (Bail.    et  Harv.)  Murr,  et  Bood.  — 
(Jdorodesmis    comoaa    Bail.   et    Harv.    in    HaRV.    Nev.     bor.    Am.   III 
p.  29.   —    Atirainvillea  comosa  Murr,  et  Bood.  in  Journ.  of  Bot.  1889. 

Vorkommen:    Hoapinsu,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.   bot.   Berol. 

Nr.  6. 

Halimeda  Ren  seh  ii  Hauck,  Über  einige  von  HILDEBRANDT 
im  Roten  Meere  und  Indischen  Ozean  gesammelte  Algen,  Hedwigia 
188(j,  Heft  V.  S.  1()7. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  19.) 

Co  diu  in  adhaerens  (Cabrera)  Ag.     Agardhia  adhaerens  Cabr. 

in  Phys.  Scällsk,  arb.  —  Ag.  Sp.  Alg.  p.  457. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  34.) 

Codium  tomentosum  (Hiid.)  Stackh.  Fucus  tomentosus  Huds. 
Fl.  Angl.  p.  584.  —  C.  tomentosum  Stackh.  Ner.  brit.  p.  16  et  21.    Taf.  7. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  35.) 

Valonia  confervoides  Harv.  Alg.  Ceyl.  exsicc.  sub  Nr.  73 
et  in  Alg.  Exs.  Friendly  Isl.  sub  Nr.  101. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  3,  Nr.  40.) 

Valonia  utricularis  Ag.  f.  aegagropila  Ag.    Sp.  Alg.  p.  429. 
Vorkommen:    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 
Nr.  24.) 

Rudicnlaria  penicillata  Heydr.     Flora  1903,  S.  97. 
Vorkommen;    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 
Nr.  30.) 

Dictyosphaeria  favulosa  (C.  Ag.)  Dec.  —  Valonia  faoulosa 
C.  Ag.  Sp.  1,  p.  432.  —  Dictijosph.  favulosa  Decais.  Cl.  Alg.  p.  32. 

8* 


102  F.  Heydrich: 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kiiroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  32.) 

Boodlea  coacta  (Dickie)  Murray  et  De  Toui.  Cladophora 
coacta  Dickie  in  Joiirn.  Linn.  Soc  Bot.  1.5.  1876  Nr.  87,  p.  451.  — 
Boodlea  coacta  Murray  et  De  Toni  Journ.  Linn.  Soc.  Bot.  25.     1889. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  33.) 

Phaeopliyceae. 

Turbinaria  ornata  J.  Ag.     Sp.  Alg.  p.  266. 
Vorkommen:    Hoapinsu,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.   bot.  Berol. 
Nr.  44.) 

Dictyotaceae. 

Haliseris  sp.?  Steril!  Ähnlich  H.  undulata  Holm,  und 
H.  zonarioides  Farl. 

Vorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  45.) 

Dictyota  spinulosa  Harv.  in  BeeCHEY's  Voyage  (Botany) 
p.  275.) 

Vorkommen:  Okinawashiwa,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  51.) 

Dictyota  dichotoma  (Huds.)  Lamour.  —  Ulva  diclioio^na  Huds. 
Fl.  Angl.  p.  476.  —  D.  dichotoma  Lamour  in  Journ.  de  Bot.  1809. 

Vorkommen:  Eoleighrock,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  2.) 

Khodophyceae. 

Liagora  Cheyneana  Harv.   in   Trans.  Ir.  Acad.  V.  22,  p.  552. 
Vorkommen:    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 
Nr.  22.) 

Liagora  fragilis  Zan.  in  Eegensb.  Fl.   1851,  p.  36. 
Vorkommen:    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 

Nr.  27.) 

Liagora    orientalis    J.    Agardh.      Anal.  alg.  HI.  1896,  p.  99. 
Vorkommen:     Okinawashima,     Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot. 
Berol.  Nr.  48.) 

Liagora  viscida  (Forsk)  Ag.  —  FORSK.  Fl.  Aegypt.  Arab. 
p.  193.  —  h.  viscida  Ag.  Sp.  p.  395. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.    (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol.  Nr.  2.) 

Actinotrichia  rigida  (Lamour.)  Decne.  Gahuvaura  rigida 
Lamour.  Hist.  polyp.  flex.  p.  265,  Taf.  8,  Fig.  4.  —  DeCNE.,  Arne. 
Sc.  Nat.  18,  p.  118. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.    (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol.  Nr.  3.) 


Einij,'e  Algen  von  den  Loochoo-  oder  Riu-Kiu-Inseln  (Japan).  103 

^  Galaxaura  frutescens  Kjellm.     Galaxaura  p.  75. 
Vorkommen :    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 
Nr.  34.) 

Galaxaura  robusta  Kjellm.  S.  85. 

Vorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  52.) 

Gelidium  corueum  (Huds.)  J.  Ag.  forma.  Fucus  corneus 
Huds.  Turn.  Hist.  Tab.  257.  —   G.  corneum  J.  Ag.  Sp.  p.  469. 

Vorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  58.) 

Wurdemannia  setacea  Harv.  Ner.  Am.  IL  p.  245.  —  KÜTZ. 
Tab.  Ph.  B.  19,  Taf.  26. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  39.) 

Gelidiopsis  variabils  (Grev.)  Schmitz.  —  Gelidium  variabile 
Grev.  mscr.  J.  Ag.  Sp.  IL  p.  468.  —  SCHMITZ,  Deutsch-Ostafrika 
S.  148. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  14.) 

H y  p n  e a  m u s c  a e f o r m  i  s  (Wu  1  f)  L  a  m  o  u r.  —  Fucus  muscaeformis 
Wulf,  iu  JacQU.  Coli.  III.  p.  154.  —  H.  muscaeformis  Lamour.  Essai 
p.  43. 

Vorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  26.) 

Sphaerococcus  denti culatus  Kütz.  Tab.  Phyc.  Bd.  19,  Taf.  51. 

Vorkommeu:  Okiuawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  46.) 

Rhodymenia  palmetta  (Esp.)  Grev.  f.  filiformis  Ktz. 
Tab.  Phyc.  Bd.  18,  Taf.  100. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol.  Nr.  5.) 

Plocamium  botryoides  Kütz.     Tab.  Phyc.  Bd.  16  Taf.  50. 
Vorkommen:  Okiuawashiwa,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 

Nr.  57.) 

Implicaria  reticulata  Heydrich,  /?np/?Va;7«,  ein  neues  Genus 
der  Delesseriaceen,  in  Ber.  der  Deutschen  Bot.  Ges.  1902,  S.  479, 
Taf.  22. 

Vorkommen:    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 

Nr.  29.) 

Asparagopsis  Sandfordiana  Harvey  in  Trans.  Ir.  Acad. 
Vol.  22,  p.  543. 

Vorkommen:    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 

Nr.  25.) 


104  F-  Heydrich: 

Laurentia  concinna  Mont.  Prodr.  Pliyc.  ant.  p.  6.  Voy.  Pol. 
sud  p.  126,  PI.  14,  fig.  3. 

Yorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  43.) 

Amansia  glomerata  Ag.     Sept.  p.  247. 

Vorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  53.) 

Neurymenia  fraxiuifolia  (Mert.)  J.  Ag.  Fucus  fra.miifolius 
Mert.  mscr.  Neur.  fr.  J.  AgarDH  Spec.  Alg.  2.  III,  p.  1135. 

Yorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  47.) 

Spiridia  filamentosa  (Wulf.)  Harv.     Phyc.  Br.  Tab.  46. 

Yorkommen:  Kerama,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  28.) 

Halymenia  Durvillaei  Bory.  Coqu.  Nr.  69.  —  J.  Ag.  Sp. 
p.  138. 

Yorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  49.) 

Prionitis  elata  Okamura  Contr.  Mar.  Alg.  Jap.  III.  Bot. 
Mag.  1899,  p.  3,  Taf.  I  et  II,  fig.  1—2. 

Yorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot. 
Berol.  Nr.  55.^^ 

Carpopeltis  rigida  (Harv.)  Schmitz.  —  Cryptoiiemia  rü/ida 
Harv.  Alg.  Ceyl.  exs.  M.  5 1 .  —  SCHMITZ,  Mar.  Alg.  H.  von  Deutsch- 
Ostafrika  S.  169. 

Yorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol.  Nr.  7.) 

Desmia  pulvinata  J.  Agardh  Spec.  Alg.  p.  356. 
Yorkommen:    Kerama,    Loochoo.      (Kuroiwa,    Mus.    bot.    Berol. 

Nr.  41.) 

Peyssonnelia  caulifera  Okamura 

Contr.  Mar.  Alg.  of  Japan  HL  Bot.   Mag.  Tokyo  1899.     S.  8,  Taf.  I, 
Fig.  26-30. 

Trotzdem  au  den  drei  mir  vorliegenden  Exemplaren  die  charakte- 
ristischen dicken,  stielartig  zusammengedrehten  Wurzelfasern  kaum 
72  ^'ini  lang  waren,  zähle  ich  diese  Alge  zu  der  OKAJIURA'schen 
Pflanze,  da  sonst  sämtliche  Merkmale  übereinstimmen.  Indessen  eines 
Umstandes,  den  ich  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  möchte  ich 
noch  Erwähnung  tun.  Irji  Querschnitt  des  Tliallus  (Fig.  (i  Taf.* II) 
treten  oberhalb  vereinzelt,  nach  der  Basis  dichter,  doppelt  so  grosse 
Zellen  wie  die  umgebenden  auf.  welche  sich  regelmässio'  mit  Kalk 
anfüllen.  Diese  verkalkten  Zellen  beginnen  bereits  ein  oder  zwei 
Reihen  unter  der  Oberfläche  und  liegen  zu  dreien    bis  vieren    dicht 


Einiy:e  Algen  von  don  Loochoo-   oder  Riu-Kiulnseln  (Japan)  105 

nebeneinander.  In  den  tieferen  Schichten  treten  sie  bis  zu  zwan/Jir 
nnd  mehr  nebeneinander  anf,  wodurch  sie  auf  den  ersten  Blick  recht 
wohl  an  die  zonenförmigen  Tetrasporangien-Gehäuse  von  SporolitJion 
erinnern.  Beobachtet  man  die  Oberfläche  dieser  Pe>/sso7inelia  von 
oben,  so  zeigen  sich  häufig  einzelne  grössere  Zellen,  welche  jede 
für  sich  mit  einem  Kranz  von  sieben  bis  acht  kleineren  Zellen  um- 
geben ist.  Dies  und  die  zonenartig  gestellten  Zellen  lassen  ver- 
muten,  dass  hier  Tetrasporangien  vorliegen,  aber  das  Material  enthielt 
keine. 

Vorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  51.) 

Mastophora  niacrocarpa  Mout. 

Voy.  au  Pol  sud  p.  14*.». 

Sowohl  die  Pflanzen  dieser  gegenwärtigen  Saminlunu-  als  auch 
tliejenigen  der  früher  von  mir  bestimmten  und  von  WARBURG ^)  ge- 
sammelten Exemplare  enthieiteu  gut  entwickelte  Conceptakel  in 
reichlicher  Fülle,  so  dass  ein  genauerer  Einblick  in  die  Befruchtungs- 
organe ermöglicht  wurde. 

Bei  der  Präparation  ist  zunächst  darauf  zu  achten,  dass,  entgegen 
anderen  Kalkalgen,  die  Objekte  nicht  entkalkt  werden  dürfen,  da 
durch  das  Entweichen  des  kohlensauren  Kalkes  die  Zellmembranen 
so  weich  werden,  dass  trotz  Härtung  mit  absolutem  Alkohol  zarte 
Schnitte  zwischen  Hollundermark  nicht  auszuführen  sind;  man 
schneidet  also  die  Pflanzen  im  natürlichen  Zustande. 

Die  männlichen  Conceptakel,  welche  auf  besonderen  Pflanzen 
wachsen,  sind  äusserlich  von  den  weiblichen  nur  durch  einen 
spitzeren,  höher  emporgehobenen  Perus  zu  unterscheiden;  da  aber 
die  einzelnen  Exemplare  ziemlich  in-  und  übereinander  zu  wachsen 
])flegen,  so  ist  ein  Erkennen  häufig  nicht  leicht.  Die  Entwicklung 
der  Spermatien  geschieht  nur  aus  den  Basalzellen  des  Conceptakels, 
indem  jede  grosse  schräg  liegende  Thalluszelle'  sich  zu  zweimaliger 
Dichotomie  anschickt,  woraus  dann  die  Spermatien  entschlüpfen. 

Um  Juo'endzustände  des  weiblichen  Oroanes  zu  studieren,  wähle 
man  ein  solches  Conceptakel,  dessen  Perus  noch  mit  einem  Schliess- 
häutchen  versehen  ist.  Zunächst  liegt  das  Conceptakel  vollkommen 
über  der  Cuticula,  so  dass  die  Wölbung  hoch  auf  dem  Thallus  sitzt. 
Die  junge  Conceptakelbasis  ist  flach  und  kaum  gewölbt,  wodurch 
ein  grosser  Hohlraum  für  die  Entwicklung  der  grossen,  langen 
Trichogyne  vorbereitet  wird.  War  der  Schnitt  parallel  zur  Wachs- 
tumsrichtung geführt,  so  stehen  die  Zellen  des  Thallus  schräg  in 
einer    einzigen    Schicht;    nur    am    Anfang    der    Conceptakelwölbung 


1)  Heydrich,  Algenflora  von  Ostasien.     Hedwigia  1894,  S.  oOO. 


106  F.  Heydrich: 

besteht  der  Thallus  aus  zwei  bis    drei    Zellen,    die    Wölbung    selbst 
enthält  nur  zwei  Zellen. 

Die  Thalluszellen,  welche  die  Couceptakelbasis  und  mithin  die 
weiblichen  Organe  zu  tragen  bestimmt  sind,  verzweigen  sich  höchstens 
einmal,  so  dass  der  procarpiale  Faden  von  unten  nach  oben  aus  einer 
grossen  und  einer  kleinen  vegetativen  Zelle  besteht,  die  die  hypo- 
gyne  Zelle  mit  dem  darauf  sitzenden  einzelligen  Procarp  tragen. 
Das  letztere  besteht  daher  nur  aus  dem  verdickten  Carpogonium 
und  dem  sehr  langen  Trichogyn  (Fig.  2  Taf.  II). 

Liegt  der  Schnitt  in  Chromalaun-Glycerin  als  Dauerpräparat,  so 
färbt  sich  die  trichogyne  Zelle  nach  eingetretener  Befruchtung  braun- 
körnig und  das  Carpogonium  grünlich-glatt,  wodurch  diese  Organe 
in  anderen  Schnitten  leicht  wieder  festzustellen  sind. 

Bei  den  zentral  gelagerten  Procarpien  verändern  sich  Carpo- 
gone  und  hypogyne  Zellen  nicht  mehr,  dagegen  gehen  in  den 
peripherischen  Organen  grosse  Veränderungen  vor  sich.  Zunächst 
fällt  sehr  bald  das  kurze  Trichogynhaar  ab,  und  das  Carpogonium 
wächst  zu  einer  grossen,  etwas  körnigen  Inhalt  zeigenden  Zelle  aus 
(Fig.  3  B  Taf.  II),  welche  eine  carpogene  Yerlängeruug  trägt  (Fig.  3 
bei  C  Taf.  II).  Diese  letztere  kann  von  recht  verschiedener  Form 
sein,  mehr  oder  weniger  aber  stellt  sie  einen  hyalinen  Schlauch  dar, 
häufig  ohne,  meist  mit  basaler  Verdickung  auf  jener  grossen  Zelle 
aufsitzend.  Die  basale  carpogene  Verdickung  wächst  mitunter  an 
der  sie  selbst  trao-enden  grossen  Zelle  herab  und  macht  dann  den 
Eindruck  eines  einfachen  Procarpes,  wie  bei  Eleiitkerospora,^)  wo 
Carpogonium  und  Auxiliarzelle  an  einem  Zellfaden  übereinander 
stehen.  Bei  unserer  o-eo-enwärtio-en  Alge  kommt  aber  diese  einfache 
Fusion  nicht  zustande,  vielmehr  stehen  die  beiden  weiblichen  Fusions- 
zellen auf  getrennten  Zellfäden. 

Vorher  war  schon  erwähnt  worden,  dass  die  trichogyne  Zelle 
einen  ganz  anderen  Inhalt  zeigt  als  das  Carpogonium.  An  einem 
gut  geführten  Längsschnitt  (Fig.  1  Taf.  II)  erkennt  man  nun  mit 
Leichtigkeit  das  soeben  Gesagte,  denn  tatsächlich  besteht  die  unterste 
Zellreihe  der  Conceptakularbasis  aus  dunkel  gefärbten,  trichogynen 
Zellen,  welche  nach  der  Befruchtung  zur  Auxiliarzelle  erhoben 
werden,  worauf  die  verschiedenen  procar])ialen  Organe  sitzen.  Rechts 
und  links  liegt  je  eine  Spore.  Vergleicht  man  hierzu  die  detaillierte 
Fig.  4  der  Taf.  II,  welche  nur  eine  halbe  Conceptakularbasis  der 
Fig.  1  darstellt,  so  bedeuten  die  untersten  grossen  schrägen  Zellen 
die  vegetativen  Thalluszellen,  links  liegt  in  der  Peripherie  des  Con- 
ceptakels    eine    Spore.      Die    wagerecht    liegenden    dunklen    langen 


1)  Heydrich,  Die  Litliothamnien  von  Helgoland,  in  Wiss.  IMeeresunters.  1890, 
S.  65. 


Einige  Algen  von  den  Loochoo-  oder  Riu-Kiu-Inseln  (Japan).  107 

Zollen  stellen  Auxiliarzellen  dar;  über  diese  hinweg-  kriechen  car- 
pogene  Fäden,  deren  Köpfe  die  Ooblastemzellen  bedeuten. 

Den  kleinen,  freischwimmenden  Doppelzellen  neben  der  Spore 
entsprang  jedesmal  die  untere  der  Auxiliarzelle,  die  obere  dem 
Carpogonium. 

Die  Fusion  kommt  nun  so  zustande,  dass  ein  peripherisch  ge- 
lagertes Carpogonium  zu  einem  kurzen  Faden  in  wagerechter  Richtung 
auswächst,  an  dessen  Spitze  die  betreffende  Ooblastemzelle  sitzt. 
Gleichzeitig  erhalten  die  peripherisch  gelagerten  Auxiliarzellen  kurze, 
nach  oben  gebogene  Auswüchse  in  der  Richtung  der  Peripherie.  Es 
ist  daher  leicht  verständlich,  dass  hierbei  bald  eine  Berührung  und 
somit  Fusion  eintreten  muss.  Danach  lösen  sich  beide  Zellen  los, 
worauf  die  junge  Spore  frei  im  Fruchtsaft  des  Conceptakels  schwimmt 
(Fig.  4,  5  Taf.  II).  Zuletzt  sei  nur  noch  erwähnt,  dass  die  keimende 
Spore  sich  stark  verdickt  und  fünf  bis  sechs  Längswände  im  ersten 
Keimstadium  erhält. 

In  bezug  auf  die  Systematik  muss  die  Annahme  von  SOLMS  und 
Schmitz  dahin  berichtigt  werden,  dass  zwar  Auxiliarzelle  und  Car- 
pogonium an  einem  Zellfaden  gebildet  werden,  aber  die  Fusion  wird 
von  Zellen  ausgeführt,  die  auf  verschiedenen  Fäden  gewachsen  sind. 

Vorkommen:  Okinawashima,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  50.) 

Amphiroa  fragillissima  (L.)  Lamour.  Corallina  fragilissima 
Linn.  Syst.  nat.  12,  vol.  1,  p.  1305.  Amph.  frag.  Lamour.  Polyp,  flex. 
p.  298. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  Loochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  15.) 

Cheilosporum  cultratum  Plarv.  Ner.  austr.  p.  10"2,  Taf.  39. 
Vorkommen:  Raleighroch,   Loochoo.    (Kuroiwa,   Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  8.) 

Corallina  adhaerens  (Lam.)  Ktz.  Junia  adhaerens  Lamour. 
Polyp.  Corall.  p.  270.      C.  adhaerens  KÜTZ.     Tab.  Phyc.  8,    Taf.   83. 

Vorkommen:  Hoapinsu,  I^oochoo.  (Kuroiwa,  Mus.  bot.  Berol. 
Nr.  15.) 


Erkliirnn^  der  Abbildungen. 

Fig.  1     5.     Mastophora  inacrocarpa. 
Fig.  6.  Peyssoii'.elia  cauUfera. 

Fig.  1.     Schnitt  durch   ein  weibliches  Conceptakcl,     A.  A.  =  Auxiliarzellen.     C.  C. 
=  Carpogonien.     Sp.  Sp.  =  Sporen.     95  : 1. 
„     2.     Jüngere  Procarpien    aus    der  Peripherie.     A.  -  Auxiliarzelle.     C.  -  Carpo- 
gonium.    Tr.  -  Tricliogyn.      V.  =  Vegetative  Zelle.     580: 1. 


108  Alfred  Fischer: 

Fig.  3.     Carpogener  Fadon  mit  vcrgrössertor  Basalzelle  aus    einem  ähnlichen  Ent- 
wicklungsztistand  wie  Fig.  1.     B.  =  Basalzelle.      C   -  Carpogener  Faden 
0.  -  Ooblastemzelle.     5!S0  :  1 

y.  4.  Peripherischer  Conceptakelteil  der  Fig.  1  in  einem  etwas  weiter  vor- 
geschrittenen Stadium.  A  A.  =  Auxiliarzellcn.  0.  ö.  =  Ooblastemzelle. 
580  : 1. 

„  ")  Fusionsai)parat  aus  Fig.  4  C.  =  Carpogoner  Faden.  U.  -  Ooblastemzelle 
dieses  Fadens.     ^1.  =  Auxiliarzeile.     950  :  1. 

..     G.     Schnitt  durch  den  Thallus.     -230:1. 


18.  Alfred  Fischer:  Wasserstoff-  und  Hydroxylionen 

als  Keimungsreize. 


Eingegangen  am  1*1.  März  1907. 


Die  oft  untersuchte,  aber  noch  nicht  einheitlich  gelöste  Frage^ 
ob  (He  Keimung  der  Samen  durch  chemische  Reize  ^)  gefördert 
werden  könnte,  drängte  sich  bei  einer  seit  1889  nebenbei  ausge- 
führten  Untersuchung  über  die  Keimungsbedingungen  der  Wasser- 
pflanzen mehr  und  mehr  hervor  und  verschärfte  sich  schliesslich  zu 
der  Überzeugung,  dass  die  Samen  vieler  Wasserpflanzen  ohne 
äusseren  Anstoss.  der  in  chemischen  Einwirkungen  zu  vermuten 
war,  überhaupt  nicht  keimen.  Einige  Beispiele  aus  vielen  seien 
herausgegriffen . 

Bringt  mau  gut  gereifte  Samen  von  Saciittaria  sagiftifolia  sofort 
in  Wasser  und  sorgt  besonders  anfangs  durch  öftere  Spülung  dafür, 
dass  das  Wasser  rein  bleibt  und  sich  keine  niederen  Organismen 
einnisten,  so  keimen  die  Samen  so  gut  wie  gar  nicht.  Von  etwa 
1400  im  Herbst  1905  gesammelten  Samen  keimte  bis  zum  14.  August 
1906  ein  einziger.  Eine  andere  Ernte  von  1892,  1320  Samen,  hatte 
in  neun  Sommern,  bis  März  1902,  nur  37  Keime  gegeben,  obgleich 
die  Samen  immer  in  Wasser  sich  befanden,  die  letzten  fünf  Winter 
sogar  im  geheizten  Zimmer.  Eine  dritte  Probe  von  7000  Samen, 
Ernte  1905,  trocken  überwintert,  lieferte,  nachdem  sie  am  2G.  Februar 
1906  in  Wasser  gebracht  worden  war,  bis  zum  9.  Juli  19()i) 
400  Keimungen,    die    fast    alle    in    der    Zeit    bis    zum  8.  April  190(> 


1)  Die  älteren  Versuche  sind  zusammengestellt  in  NOBBE"s  Samenkumlo, 
1<ST(),  ö^ite  254 — 286,  einige  neuere  bespricht  CZAPEK,  Biocliemic  der  Pflanzen  II, 
Seite  894. 


Wasserstoff-  und  Hytlroxylioncn  als  Keimuiigsreizc.  ]09 

ersclÜHneii.  Diese  höhere  Zahl  erklärt  sich  daraus,  flass  die  trockenen 
Samen  mit  viel  Staub  vermengt  waren.  Trotz  häufiger  Spülung  ent- 
wickelten sich  viel  Mikroorganismen,  das  Material  fing  au  zu 
stinken  und  befand  sich  unter  der  chemischen  Reizung  der  Gäruugs- 
und  Fäulnisprodukte. 

Sagittanu  platyphijUa,  am  18.  August  1905  gesammelt  und  sofort 
in  Wasser  gebracht,  lieferte  innerhalb  eines  Jahres,  bis  zum  14.  August 
1906,  von  4300  Samen  mir  32  Keimungen. 

Von  Sparganiinn  raniosiini,  am  10.  September  1902  geerntet  und 
seitdem  in  Wasser,  keimte  von  1350  Samen  bis  zum  4.  Mai  1!M)5 
kein  einziger.  Sparganiuvi  siinplea-,  am  30.  September  18i>2  gesammelt, 
gab  innerhalb  neun  Sommern  von  225  andauernd  in  Wasser  gehaltenen 
Samen  keinen  einzigen  Keim.  Ein  Teil  der  Ernte  von  18i'2  wurde 
trocken  überwintert  (1892 '93)  und  befand  sich  seit  25.  April  1893 
in  Wasser:  von  4()0  Samen  keimten  bis  zum  März  1902  nur  zwei. 

Alle  diese  in  reinem  Wasser  nicht  keimenden  Samen  sind 
gleichwohl  gesund  und  keimen  bei  geeigneter  Behandlung  mit  hohen 
Prozenten. 

Ähnliche  Erfahrungen  wurden  gemacht  mit  dem  Samen  von  Alisina 
Plantago,  Potamogeton  natans^  iuce7is  und  pectinotus,  Hipimris  vidgorw, 
Polygoninn  amphibium,  Scirpus  lacustrü  und  maritimus.  Nymphaca 
alba  und  Nuphar  luteum  keimen  auch  in  reinem  Wasser  im  all- 
gemeinen gut,  vermutlich  nach  einer  chemischen  Reizung,  die  sie 
dadurch  erfahren,  dass  sie  aus  ihren  saftigen  Früchten  natürlicher- 
weise herausfaulen. 

Die  biochemischen  Prozesse  des  Teichschlammes  liefern  .Stoffe 
verschiedener  Art,  von  denen  eine  Reizwirkung  ausgehen  könnte. 
Bacillus  pi'odigiosus,  aus  Schlamm  isoliert  und  in  einer  Nährlösung  mit 
2  pCt  Rohrzucker  und  0,5  Ammonsulfat  als  X-Quelle  kultiviert,  säueit 
diese  Lösung  in  wenigen  Tagen.  Es  keimten  darin  Alisma  Plantago, 
Scirpus  lacustris.  Potamogeton  pectinatus,  Sagittariu  platgplnjlla.  In 
die  gleiche  Nährlösung,  ohne  besondere  Impfung  wurden  Samen  von 
Sparganium  raniostim,  Potamoget07i  pectinatus  und  Scirpus  lacustris 
gebracht.  Nachdem  Bakterien  und  Pilzmycelien  sich  entwickelt 
und  die  Lösung  gesäuert  hatten,  keimten  die  Samen. 

Zunächst  war  an  Gärungssäuren  zu  denken;  in  der  Tat  gab 
Milchsäure  bei  Sagittaria  sagittifolia  und  platgphglla,  bei  Sparganium 
ramosum  und  auch  bei  13  Jahre  alten  Samen  \on  Sparganium  simpkx 
hohe  Keimprozente. 

Die  weitere  Untersuchung-  zeigte,  dass  nicht  das  spezifische 
Säuremolekül  oder  sein  Aniou  den  Reiz  ausübte,  sondern  dass 
alle  Säuren  durch  ihr  H-Ion,  ihrer  Acidität  entsprechend,  wirkten. 
Eine  ebenso  kräftige  Reizung  geht  vom  Hydroxylion  der  starken 
Alkalien,  KOH  und  Na  OH,  aus. 


110 


ALFEED  FISCHER: 


Bevor  ich  diese  Tatsache  durch  eine  grössere  Tabelle  vorführe, 
schicke  ich  einige  Versuche  voraus,  die  die  Wirkung  stark  ver- 
dünnter Säuren  bei  langer  Dauer  veranschaulichen. 


Versuch  I, 

Sngittaria  sa(/iUifolia.    Ernte  190G.     Temperatur  25—27°. 

Milchsäure,  jede«  zweiten  Tag  erneuert,  je  etwa  25  com. 

16.  Dezember  1906  bis  14.  Januar  1007. 


in  Litern , 
Konzentration  der  Säure     j 

i    in  pCt.     . 

Zahl  der  Samen 

innerhalb     7  Tagen  gekeimt 

innerhalb  14  Tagen  gekeimt 

innerhalb  21  Tagen  gekeimt 

innerhalb  29  Tagen  gekeimt 

Keimprozente  nach  29  Tagen     .    .    .    . 


25 

50 

100 

200 

0,36 

0,18 

0,09 

0,045 

174 

159 

147 

196 

1 

6 

8 

4 

23 

35 

53 

24  1 

46 

51 

54 

109 

47 

101 

71 

165 

27 

63 

48 

84 

400 
0,0225 

124 

5 
43 
71 

82 

66 


Die  Toleranz  gegen  Säure  ist  sehr  ansehnlich,  in  "25  Literlösung 
wuchsen  viele  Keimlinge  innerhalb  zwei  Tagen  bis  1  C7n  heran,  aber  ohne 
zu  ergrünen,  ebenso  in  50  Liter.  In  100  Liter  nahmen  die  Keimlinge 
eine  bleichgrüue  Farbe  an,  und  in  den  beiden  grössten  Verdünnungen 
ergrünten  sie  in  zwei  Tagen  vollständig  bei  Äner  maximalen  Länge 
von  ],bcm.  Ob  in  der  Säure  die  Keime  sich  noch  weiter  entwickelt 
hätten,  wurde  nicht  untersucht. 

Die  Versuche  I — III  verlangen  eine  ausführliche  Besprechung, 
die  an  dieser  Stelle  unterbleiben  niuss.  Die  vom  Wasserstoffion  aus- 
geübte Keimreizung  wird  je  nach  Konzentration  und  Säure  bald  mehr, 
bald  weniger  vom  Anion  oder  vom  unzerlegten  Molekül  beeinflusst, 
anscheinend  gefördert  oder  nicht  gestört  bei  der  Apfelsäure,  gehemmt 
bei  der  Oxalsäure. 

Statt  der  lange  anhaltenden  Reizung  durch  stark  verdünnte 
Säuren  kann  man  schneller  durch  kürzere  Reizung  mit  höherer 
Konzentration  und  bei  höherer  Temperatur  die  Keimung  hervorrufen. 
Bei  den  als  Versuch  IV  tabellarisch  zusammengestellten  zahlreichen 
Einzelversuchen  wirkte  die  vorgewärmte  Lösung  genau  zwei  Stunden 
im  Thermostat  bei  40°,  die  Samen  wurden  etwa  fünf  Minuten  unter 
der  Wasserleitung  gewaschen  und  dann  am  Nordfenster  bei  25 — 27° 
in  Leitungswasser  aufgestellt. 


"Wasserstoff-  und  Hydroxylionen  als  Keimungsreize. 


111 


Yersucli  II. 

Sayittaria  platyphylla.     Ernte  1906.     Temperatur  25—27°. 

Apfelsäure,  jeden  zweiten  Tag  erneuert. 

25.  Dezember  1906  bis  30.  Januar  1907. 


f   in  Litern  . 
Konzentration  der  Säure 

1    in  pCt     . 

Zahl  der  Samen 

nach     8  Tagen  gekeimt 

nach  14  Tagen  gekeimt  

nach  21  Tagen  gekeimt 

nach  29  Tagen  gekeimt 

nach  29  Tagen  Keimprozente     .... 

Durchschnittliche     Länge     der    Keime 
in  zwei  Tagen  in  mm 


16,7 

25 

33,3 

66,7 

0,8 

0,52 

0,4 

0,2 

269 

341 

399 

558 

29 

5 

3 

10 

203 

41 

12' 

26 

254 

318 

259 

147 

— 

319 

382 

5C9 

1 

j 

94 

..« 

96 

97  \ 

V2-I 

1-2 

1  3 

1-5 

0,1 

477 

10 

16 

83 

427 

90 


2-6 


267 
0,05 

.541 

8 

17 

302 

56 
2-6 


Versuch  III. 

Sayittarl.a  platyphylla^  Ernte  1906.     Temperatur  25—27°. 

Oxalsäure,  täglich  erneuert. 

6.  Januar  1907  bis  10.  Februar  1907. 


j    in  Litern  . 
Konzentration  der  Säure     { 

1    in  pCt.     . 

Zahl  der  Samen 

innerhalb    7  Tagen  gekeimt 

innerhalb  14  Tagen  gekeimt 

innerhalb  21  Tagen  gekeimt 

innerhalb  29  Tagen  gekeimt 

innerhalb  85  Tagen  gekeimt 

in  35  Tagen  Keimprozente 

Durchschnittliche     Länge     der    Keime 
in  zwei  Tag-en  in  nun 


125 

250 

500 

1000 

0,1 

0,05 

0,025 

0,0125 

546 

582 

628 

587 

4 

7 

3 

6 

35 

26 

14 

15 

63 

60 

62 

41 

139 

272 

427 

388 

157 

361 

467 

445 

29 

62 

74 

76 

0,5-1 

1-2 

2-4 

2-6 

2000 
0,00675 

623 

5 

22 

62 
357 
415 

67 


112 


Alfred  Fischer: 


Tersuch  IV. 

Sagittaria  sagittifolin. 

In  den  vorgewärmten  Lösungen  zwei  Stunden  bei  40°. 

In  Leitungswasser  aufgestellt  bei  25—27°. 


Lösung 


1.  Destilliertes  Wasser  . 

2.  Destilliertes  Wasser    . 

3.  Chlornatrium    .    .    .    . 

4.  Chlorkaliuni 

.').  Salpetersaures  Kalium 

()    Neutralos  oxalsaures 
Kalium 

7.  Saures    oxals.    Kalium 

8.  Monokaliumphosphat 

9.  Dikaliumpliosphat 
1(1.  Kaliumhydrat  . 

11.  Kaliumhydrat  . 

12.  Kaliumhydrat  . 

13.  Kaliumhydrat  . 

14.  Kaliumhydrat  . 

15.  Natriumhydrat. 
IG.  Salzsäure  .    .    . 

17.  Salzsäure  .    .    . 

18.  Salzsäure  .    .    . 

19.  Salzsäure  .    .    . 

20.  Salpetersäure    . 

21.  Salpetersäure    , 

22.  Salpetersäure    . 

23.  Salpetersäure   . 

24.  Schwefelsäure  . 

25.  Schwefelsäure  . 

26.  Schwefelsäure  . 

27.  Orthophosphorsäure 

28.  Orthophosphorsäure 

29.  Ameisensäure    . 
?fO.  Essigsäure     .    . 

31.  Propionsäure     . 

32.  Buttersäure  .    . 


0,2 
0,2 
0,3 

0,3 

0,3 

0,3 

0,3 

0,3 

0,2" 

0,2 

0,2 

0,2 

0,3 

0,3 

0,2 

0,2 

0,09 

0,3 

0,3 

0,2 

0,08 

0,55 

0,3 

0,15 

0,3 

0,1 

0,32 

0,:', 

0,3 

0,:'. 


bz 

a 

r-       'S 
CO    ^ 


d 

cB 

o 

s 

o 

«3 

s 

>H 

o 

m 

Ti 

CS 

^—4 

02 

-g 

cä 

S3 

Innerhalb  G  Tagen 
gekeimt 


3.1.07 

2.2.07 

2G.  2  07 

26.  2.  07 

29.11.06 

26. 12.  06 

26.12.06 
13  1.  07 
13. 1  07 

29.11.06 
10.  2.  07 
16.2.07 
22.  2  07 
4.  3.  07 

19. 12  06 
8. 12. 06 
16.  2.  07 
8. 2.  07 

28. 12.  06 
8. 12. 06 

23. 11.  06 
27.11.06 

3.  1. 07 

30. 12.  06 
30. 12.  06. 
30. 12.  06 

8. 1.  07 
8.1.07 
9. 12.  06 
5. 12.  06 
15. 1  07 
15.1.07 


III 

230 

IV 

138 

IV 

257 

IV 

284 

I 

]31 

II 

146 

II 

188 

III 

190 

III 

155 

I 

112 

I+II 

152 

I+II 

13  ö 

IV 

174 

IV 

138 

II 

222 

I 

157 

I+II 

128 

III 

248 

III 

335 

II 

177 

I 

190 

I 

113 

III 

329 

II 

140 

II 

152 

II 

198 

III 

276 

III 

229 

II 

210 

I 

149 

III 

170 

III 

132  : 

Zahl 


8 
0 
1 
4 
3 

5 

125 

52 

18 

101 

139 

122 

155 

127 

170 

120 

104 

210 

314 

132 

176 

104 

215 

72 

114 

80 

251 

163 

0 

0 

2 

1 


pCt. 


3,5 

0 

0,4 

1,4 

2,3 

3,4 
66,5 
27,4 
11,6 
90 
9L 
90,4 
89 
92 
77 
76,4 
81 
85 
94 
75 
93 
92 
65 
51 
75 
40,4 
91 
71 

0 

0 

1 

0,8 


Wasserstoff-  und  Hydroxylionen  als  Keimungsreize. 


113 


Fortsetzung  der  Tabelle 

von  S. 

112. 

ration 

Ol. 

bC 

a 

3 

s 
o 

S 

CS 

Innerhalb  6  Tagen 

Lösung 

■4^         G 

-2  i 

o 

gekeimt 

o 

;-i 

s 

13 

ns 

^«^ 

Zahl           pCt. 

33.  Trichloressigsäuro   .    . 

0,3 

10. 1  07 

III 

279 

0 

0 

34    Glycolsäure 

0,3 

10.  1  07 

III 

227 

38 

16,7 

35.  Milchsäure 

0,3 

26. 12  0(J 

II 

204 

33 

16,2 

3G.  Oxalsäure 

0,3 

20. 12  OG 

II 

206 

109 

53 

37.  Oxalsäure 

0,1J 

30. 12.  06 

II 

183 

144 

79 

38.  Bernsteinsäure .... 

03 

13. 12.  06 

II 

226 

19 

8,4 

39.  Acpfelsäure 

0,3 

13. 12. 06 

11 

242 

53 

22 

40.  Weinsäure     ..... 

0,3 

7.12.06 

I 

180 

32 

15 

41 .  Zitronensäure   .... 

0,3 

8.  12.  06 

11 

152 

7 

4,6 

42    Gesättigtes  Schwcfel- 

wasscrstofifwasser    . 

etwa  0,1 

15.1.07 

I  +  II 

228 

0 

0 

43.  Kupfersulfat   .... 

1 

4.1.07 

I  +  ll 

228 

51 

22,4 

Die  Keimuno'  bednnt  am  zweiten  oder  dritten  Tage  nach  der 
Behandlung  und  läuft  innerhalb  5  — (>  Tagen,  wenige  Nachzügler  ab- 
«•erechnet.  zu  Ende.  Die  Keimlinge  erreichen  oft  schon  am  dritten 
Tage  eine  Länge  von  1  cjn  und  ergrünen.  Alle  Versuche  wurden  mit 
Sagittaria  sagittifolia  ausgeführt  mit  vier  verschiedenen,  annähernd 
gleich  gut  keimenden  Ernten,  die  in  der  Tabelle  mit  I— IV  be- 
zeichnet werden. 

Die  Ernten  I— III  stammten  von  denselben  Stöcken  im  botanischen 
Oarten  Basel,  IT  wurde  in  Wasser  von  HENKEL-Darmstadt  bezogen. 

I  wurde    gesammelt    Anfang    September  1906,    dauernd    in 

AYasser  aufbewahrt, 
11  geerntet  am  23.  Oktober  1906,  dauernd  nass, 

III  geerntet  zw^eite  Hälfte  Oktober  1906,  acht  Tage  an 
dumpfem  Ort  getrocknet,  dann  bis  zum  Verbrauch  in 
Wasser, 

IV  andauernd  in  Wasser,  geerntet  Oktober  1906,  Darmstadt. 

Die  Tabelle  deren  Vervollständigung  nach  vielen  Seiten  erst 
mit  neuen  Ernten  möglich  sein  wird,  gestattet  heute  schon  eine 
Reihe  wichtiger  Folgerungen. 

Xr.  1  und  2,  Destilliertes  Wasser,  soll  zeigen,  dass  nicht 
schon  die  zweistündige  Zufuhr  höherer  Temperatur  genügt,  um  die 
Keimung  deutlich  anzuregen;  eine  sehr  bescheidene  Wirkung  (Nr.  1) 


114  Alfred  Fischer: 

ist  bei  der  überhfmpt  etwas  leichter  zu  mobilisierenden  Samen- 
sorte III  bemerkbar 

Nr.  3 — 9,  Salze.  Die  neutralen  Salze  H — i\  haben  die  Keimung 
nicht  mehr  gefördert  wie  destilliertes  Wasser.  Die  mit  neutralen 
Salzen  behandelten  Samen  waren  nicht  tot,  sondern  keimten  nach 
Zufuhr  von  H-  oder  OH  -  Ionen  so  gut,  als  ob  sie  gar  nicht  vor- 
behandelt gewesen  wären.     Man  vergleiche  hierzu  S.  119. 

Ganz  anders  hat  das  saure  Oxalat  (Nr.  7)  gewirkt,  fast  so  hoch 
wie  in  0,15  Mol.  Oxalsäure  sind  die  Keimprozente,  bedingt  durch 
die  freien  H-Ionen  in  der  Lösung  des  sauren  Salzes.  Im  Mono- 
kaliumphosphat  sind  H-Ionen,  im  hydrolysierten  Dikaliumphosphat 
0 H-Ionen  und  nicht  das  Kalium  oder  die  phosphorhaltigen  Gruppen 
die  Keimerreger. 

Nr.  10  — lä.  Die  Hydroxylionen  der  starken  Alkalien  wirken 
ebenso  als  Keimungsreize  wie  die  Wasserstoffionen  der  stärksten 
und  mittelstarken  Säuren  (IG— 28,  36  und  37).  Mit  0,2  Mol.  KOH 
ist  die  niedrigste  Konzentration,  die  in  2  h  bei  40°  etwa  90  pCt. 
Keimung  vorbereitet,  sicherlich  noch  nicht  getroffen.  Die  fünf 
Parallelversuche  mit  KOH  stimmen  recht  gut  überein.  Etwas  zurück 
tritt  das  Natriumhydrat  (Nr.  15),  innerhalb  sechs  Tagen  nur  77  pCt. 
Keimung.  Diese  stieg  aber  in  weiteren  vier  Tagen  auch  noch  auf 
87  pCt.  Ihrer  annähernd  gleichen  Stärke  entsprechend  haben  die 
Hydroxyde  der  beiden  Alkalien  auch  annähernd  gleich  gewirkt. 

Nr.  16 — 28.  Die  Wasserstoffionen  der  Mineralsäuren 
bringen  zwar  allgemein  hohe  Keimprozente  hervor,  aber  die  Zahlen 
geben  noch  keine  exakte  Übereinstimmung  mit  der  elektrischen 
Leitfähigkeit. 

Die  Versuche  mit  Salzsäure  (Nr.  IG — 19)  sind  reiner  ausgefallen 
wie  die  mit  Salpetersäure  (Nr.  20—23).  Mit  beiden  Säuren  lässt  sich 
durch  so  geringe  Konzentrationen,  die  sicher  die  Samenschalen 
nicht  chemisch  verändern,  starke  Keimung  erreichen,  0,09  H  Gl 
ist  gleich  0,33  pCt.,  0,08  Mol.  HNO3  =  0,5  pCt.  Die  schwächere 
Schwefelsäure  hat  in  aequivalenter  Verdünnung  von  0,15  Mol.  (Nr.  26) 
mit  derselben  Samensorte,  die  0,3  Mol.  Salpetersäure  zu  75  pCt. 
Keimung  brachte,  nur  40,4  pCt.  gegeben. 

Setzt  man  die  Wirkung  der  Salpetersäure  gleich  100,  so  ist  die 
Vergleichszahl  für  aequivalente  Schwefelsäure  54,  was  annähernd 
dem  Verhältnis  der  Aequivalent-Leitvermögen^)  für  diese  Verdünnung, 
nämlich  100  :  63,  entspricht. 

Vergleicht  man  mit  den  starken  Mineralsäuren  die  schwächere,^ 
viel  weniger  dissociierte  Orthophosphorsäure  (Nr.  27  und  28),  so 
überrascht  diese  in  aequivalenter  Lösung  von  0,1  Mol.  durch  ihre  fast 


1)  Kohlbausch  und  Holborn,  Leitvermögen  der  Elektrolyte.  1898.  Seite  160. 


Wasserstoff-  und  Hydroxylionen  als  Keimungsreize.  1  ]  5 

ebenso  grosse  Wirkinii:;'  wie  Salz-  und  SBlpetersäure  (0,8  Mol.)-  Die 
damit  aequimolekulare  Phospliorsäure  (Nr.  27)  leistet  noch  mehr.  Es 
scheint  das  so  sich  erklären  zu  sollen,  dass  das  Anion  der  Phosphor- 
säure oder  auch  das  unzerlegte  Molekül  nicht  schädlich  ist  und  die 
Wirkung  der  H-Ionen  hier  reiner  sich  zeigt,  als  bei  den  anderen 
Mineralsäuren,  bei  denen  ein  Teil  dieser  Wirkung  durch  die  Anionen 
aufgehoben  wird. 

Dass  die  phosphorhaltigen  Gruppen  selbst  keimerregend  wirken, 
scheint  mir  ausgeschlossen,  weil  die  Phosphatlösungen  (Nr.  8  und  9) 
nur  entsprechend  ihrem  Gehalt  an  H-  resp.  OH-Ionen  die  Keimung 
befördern. 

Nr.  29  -  32.  Fettsäuren,  ausser  der  Ameisensäure,  sehr  wenig 
dissociiert,  würden  nach  sechstägiger  Keimung  bemessen  als  unwirksam 
erscheinen,  denn  so  geringe  Prozente  wie  bei  Nr.  31  und  32  erreicht 
man  schon  durch  Behandlung  mit  destilliertem  Wasser  oder  Neutral- 
salzeu  (Nr.   1  — G). 

Die  Ameisensäure,  deren  elektrisches  Leitvermögen  mehr  als 
dreimal  so  lioch  ist  als  das  der  anderen  Fettsäuren,  sollte  gewirkt 
haben.  In  der  Tat  waren  schon  in  der  Säure  von'  den  210  Samen 
150  Stück,  also  71  pCt.,  in  das  erste  Keimstadium  eingetreten,  d.  h. 
die  weisse  Embryospitze  hatte  das  Endokarp  durchbohrt  und  sich 
bis  etwa  1  mm  weit  in  das  Exokarp  vorgeschoben.  Es  ergab  sich, 
dass  alle  Samen  tot  waren,  unzweifelhaft  durch  das  Anion  oder  die 
uuzerlegten  Moleküle  getötet.  Schwächere  Ameisensäure  gibt,  be- 
sonders bei  geringerer  Temperatur,  20  —  25^,  gute  Keimung.  Näheres 
hierüber  wird  später  mitzuteilen  sein. 

Auch  bei  den  anderen,  viel  schwächeren  Fettsäuren  wird  die 
ihren  H-Ioneu  entsprechende  Reizwirkung  durch  eine  giftige  Neben- 
wirkung verdeckt.  Es  bedarf  längerer  Zeit,  damit  die  Keimung 
eintritt,  deren  Prozentzahl  in  erster  Linie  ein  Mass  für  die  Giftigkeit 
ist.  Man  beachte  fofenden  weiteren  Verlauf  der  Nr.  30—32  (siehe 
die  Tabelle  auf  S.  IIH). 

Die  Giftigkeit  dieser  drei  Fettsäuren  ist  annähernd  gleich.  Ob 
sie  kleiner  ist  wie  die  der  Ameisensäure  geht  aus  diesen  Versuchen 
nicht  hervor,  weil  die  stärkere  Ameisensäure  das  ruhende  Proto- 
plasma kräftiger  mobilisiert  und  der  uebenherlaufenden  Giftwirkung 
zugänglicher  macht. 

Nr.  33.  Trichloressigsäure  ist  zwar  viel  stärker,  aber  zugleich 
auch  giftiger  wie  die  Essigsäure.  Von  279  Samen  keimten  innerhalb 
drei  Wochen  nur  sechs.  Der  Rest  von  273  Samen  wurde  mit  0,3  Mol. 
Hg  PO^  2h  40^  behandelt  und  gab  in  elf  Tagen  drei  Keime.  Eine 
zweite  Nachbehandlung  mit  0,2  Mol.  KOH2h40°  lieferte  innerhalb 
14  Tagen  nur  noch  sechs  Keime.  Insgesamt  keimten  von  279  Samen 
nur  15  oder  5,4  pCt.,  alle  andern  waren  getötet. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XX\'.  9 


116 


Alfred  Fischer: 


30 
Essigsäure 

Proprionsäure 

°32 

Buttersäure 

Zahl  der  Samen 

149 

170 

132 

innerhalb  6  Tagen  gekeimt .    .    . 

in  14  Tagen  gekeimt 

in  25  Tagen  gekeimt 

in  25  Tagen  pCt 

nach  25  Tagen    mit  0,3  Mol. 
H3PO4  2h40=  jetzt  innerhalb 
10  Tagen  gekeimt 

jetzt  mit  0,2  Mol.  KOH,  innerhalb 
8  Tagen  gekeimt 

0 

2 

37 

25 

0 
0 

2 
20 
34 
20 

2 

1 

1 

15 
29 
22 

8 
0 

Nr.  34  und  35.  Die  Oxyessigsäure  (Glykolsäure)  ist  ebenso 
giftig  wie  die  Essigsäure,  beschleunigt  aber  infolge  ihrer  grösseren 
Dissoziation,  die  Keimung  stärker,  in  sechs  Tagen  16,7  pCt.  Inner- 
halb 21  Tagen  keimten  46  Samen  =  20  pCt.  Nachbehandlung  mit 
HjPO^,  später  mit  KOH  brachte  noch  17  Keime,  es  waren  also  von 
227  Samen  154  oder  68  pCt.  getötet. 

Die  Milchsäure  (Oxypropioiisäure),derenLeitfähigkeit  derjenigen 
der  Glykolsäure  nahezu  gleich  ist,  hat  die  Keimung  entsprechend 
gefördert,  scheint  aber  weniger  giftig  zu  sein.  Hierüber  sind 
weitere  Untersuchungen  anzustellen,  die  auch  zeigen  werden,  ob  die 
gute  Übereinstimmung  der  Keimzahlen  nach  sechs  Tagen  bei  den 
Nr.  34  und  35  nur  Zufall  ist  oder  wirklich  der  gleichen  Stärke 
dieser  beiden  Oxysäureu  entspricht. 

Nr.  36  und  37.  Oxalsäure  reicht  infolge  ihrer  starken  Disso- 
ziation an  die  stärksten  Mineralsäuren  heran,  in  aequivalenter 
Konzentration  (0,15  Mol.)  leistet  sie  annähernd  soviel  wie  0,3  Mol. 
HCl  oder  HNO3.  Ganz  rein  dürfte  aber  diese  Keimzahl  die  volle 
Wirkung  der  H-Ionen  nicht  wiedergeben,  weil  giftige  Nebenwirkungen 
auch  hier  vorkommen.  Man  vergleiche  das  saure  und  neutrale 
Kaliumsalz  (Nr.  6  und  7). 

Nr.  38  —  41.  Diese  vier  organischen  Säuren  wurden  bis  jetzt 
nur  in  0,3  Mol.  Verdünnung,  also  aequimolekular  mit  0,3  HCl  geprüft 
und  gaben  Keimprodukte,  die  nicht  der  molekularen  Leitfähigkeit 
entsprechen.  Nur  das  Verhältnis  von  Apfelsäure  zur  schwächeren 
Bernsteinsäure  ist  annähernd  richtig. 

Nr.  42.  Schwefel  Wasserstoff  Wasser,  frisch  gesättigt,  kann 
auf  einen  Gehalt  von  0,1  Mol.  K, S  angenommen  werden.    Die  schwache 


Wasserstoff-  und  Hydioxylioncn  als  Keimuiigsreize.  1 1  7 

SchivefelwasserstofPsäure  reizt  nur  sehr  schwach:  in  sechs  Tagen 
keine  Keimung,  innerhalb  zwölf  Tagen  fünf  Keime,  kein  weiterer 
bis  zum  17.  Tag,  tötet  aber  die  Samen  nicht.  Nachdem  der  Rest 
223  Samen  mit  0,3  Mol.  H,  PO^  2  h  40°  behandelt  worden  war, 
keimten  innerhalb  sechs  Tagen  147  Samen  oder  6(5  pCt.,  innerhalb 
17  Tagen  157  oder  70  pCt. 

Man  darf  nicht  annehmen,  dass  die  Samen  deshalb  nicht  ge- 
tötet werden,  weil  der  Schwefelwasserstoff  die  Samenschale  nicht 
durchdringen  könnte.  Der  bei  Zimmertemperatur  4  h  mit  dem  H^S- 
Wasser  behandelte  Samen  (120  Stück)  keimte  nach  Einwirkung  von 
Phosphorsäure  2  h  40°  innerhalb  sechs  Tagen  nur  mit  12,5,  innerhalb 
17  Tagen  mit  14  pCt ,  eine  starke  Schädigung  durch  H.ß  war  bemerkbar. 
Die  Erkläriino-  liegt  in  dem  geringen  Gehalt  des  Schwefelwasserstoff- 
Wassers  an  H-Ionen,  die  nicht  ausreichen,  um  in  2  h  40°  das 
ruhende  Protoplasma  zu  erwecken  und  in  den  volllebendigen,  für 
IfoS  empfindlicheren  Zustand  überzuführen. 

Nr.  43.  Kupfersulfat,  in  starker  Lösung  (1  Mol.)  wirkt  eben- 
falls als  Keimreiz  wohl  nicht  durch  das  Säureion,  sondern  durch 
das  Cn-Ion,  dessen  allbekannte  Nebenwirkung  in  der  Bordeauxbrühe 
sich  hier  wiederspiegelt.  Auch  diese  Tatsache  zeigt,  dass  die  Samen- 
schale permeabel  für  gelöste  Stoffe  ist.  Das  Kupfersulfat  (1  Mol.) 
wirkt  bei  Zimmertemperatur  nur  sehr  schwach  giftig  auf  das  ruhende 
Protoplasma.  Ton  101  Samen,  die  fünf  Tage  in  der  Lösung  gelegen 
hatten,  keimten  bei  Nachbehandlung  mit  0,2  Mol.  Salpetersäure  2  h 
40°  innerhalb  sechs  Tagen  78  oder  77  pCt.  Nach  zehntägiger 
Wirkung  von  1  Mol.  CuSO^  keimten,  mit  Salpetersäure  nachträglich 
gereizt,  89  von  87  Samen  oder  45  pCt.  Samen,  die  acht  Tage  ge- 
kupfert  waren,  keimten,  naclidem  sie  einfach  gründlich  mit  destilliertem 
Wasser  gewaschen  waren  mit  15  pCt.  (10  von  (38),  wiederum  unter 
dem  Reiz  der  Cu-Ionen. 

Anhang.  Sublimat,  16  Liter-Lösung  =  1,7  pCt.,  drückte  bei 
30  Minuten  Einwirkung  (Zimmertemperatur)  die  später  durch  0,2  Mol. 
Salpetersäure  ermittelten  Keimprozente  auf  fünf  herab  (zehn  Samen 
von  200)  und  tötete  vollständig  innerhalb  einer  Stunde.  Wie  für 
die  Cu-Ionen  ist  die  Samenschale  auch  ohne  Vorbehandlung  mit 
Säuren  und  Alkalien  für  die  giftigen  Hg-Ionen  schon  ursprünglich 
durchlässig. 

Zur  vorläufigen  Orientierung  über  die  Abhängis^keit  von  der 
Temperatur  wird  nachstehender  Versuch  V  genügen.  Er  spricht  nicht 
gegen  die  Deutung,  dass  die  loneii  der  Lösungen  auf  das  ruhende 
Keimplasma  erweckend  wirken,  könnte  aber  auch  so  ausfallen, 
wenn  nur  eine  Veränderung  der  Samenschale  den  Anstoss  zur 
Keimung  gebe. 


118 


Alfred  Fischer: 


Versuch  Y. 

Sagittaria  sagittifolia,  Samensorte  Nr.  II. 

Einwirkung  von  0,3  Mol.  Lösungen  zwei  Stunden  bei  4—6°,  24—26°  und  40". 

Bei   jeder  Temperatur    gibt    die    erste  Reihe    die  Zahl    der  Samen,    die    zweite  die 

Keime  innerhalb  sechs  Tagen  bei  25—27"  au. 


0,3  mol 

A 

/•  0 

O  1 

Ckr*  n 

1 

^  l> 

Keimprozente 
in  sechs  Tagen 

4 — u 

/4—  ^u 

40 

4-6»  24-26" 

40" 

Salpetersäure  .    .    . 

Oxalsäure 

Milchsäure    .... 
Natriumhydrat    .    . 

205 
146 
175 

208 

7 
1 
4 
9 

207 
134 
188 
]70 

30 

5 

21 

56 

177 
206 
204 
220 

132 

109 

33 

170 

3,4 
0,7 
2,3 
4,3 

14,5 
3,7 
11,2 
33 

75 
53 
16 

77 

Die  in  reinem  Wasser  liegenden  und  nicht  keimenden  Samen 
der  Sagittaria  enthalten  keineswegs  trockene  Embryonen,  die  etwa 
durch  impermeable  Hüllen  vor  der  Durchfeuchtung  geschützt  wären. 
Der  aus  sorgfältig  abgetrockneten  Samen  herausgezogene  Embryo 
sieht  durchfeuchtet  aus  und  hinterlässt  auf  frisch  getrocknetem  Kobalt- 
chloridpapier zerquetscht  einen  roten  Fleck.  Lässt  man  die  frei 
präparierten  ölreichen  Embryonen  in  der  Luft  trocknen,  so  schrumpfen 
sie  deutlich  in  etwa  zehn  Minuten  zu  etwas  teigiger  Konsistenz  zu- 
sammen und  röten  Kobaltpapier  nicht  mehr.  Yom  Endokarp  um- 
schlossene, durchfeuchtete  Embryonen  trocknen  langsamer  ein,  nach 
sechs  Stunden  sind  sie  fast,  nach  20  Stunden  ganz  trocken.  Längere 
Zeit  getrocknete  intakte  Samen  enthalten  auch  trockene  Embryonen, 
die  Kobaltpapier  gar  nicht  röten.  Es  folgt  hieraus,  dass  die  Samen- 
hüllen für  Wasser  schon  ursprünglich  durchlässig  sind  und  es  nicht 
erst  durch  die  Behandluns;  mit  Lösunoen  werden. 

Sowohl  das  flügelartig  verbreiterte  Exokarp,  als  auch  das  die 
Embryohöhle  umschliessende  glänzend  braune  Endokarp  bestehen 
aus  sehr  widerstandsfähigen  Zellwänden,  deren  Reaktionen  auf  Ver- 
korkung hinweisen.  Jodjodkalium  färbt  gelb,  Jod  und  Schwefelsäure 
gelbbraun,  die  konzentrierte  Schwefelsäure  löst  nicht  in  24  Stunden, 
ebensowenig  löst  Kupl'eroxydammoniak.  Konzentrierte  Chromsäure  löst 
nicht  in  2  —  3  Stunden.  Nach  zweistündiger  Einwirkung  von  0,2  Mol. 
KOH  oder  HCl  bei  40^  erschien  die  Samenhülle  gegenüber  den  ge- 
nannten Reagentien  mikroskopisch  völlig  unverändert,  woraus 
freilich  keine  Sicherheit  dafür  folgt,  dass  jede  Veränderung  unter- 
blieben wäre.  AVichtiger  erscheint  mir,  dass  die  Keimung  durch  so 
schwache  Konzentrationen,  die  diesen  resistenten  Membranen  wohl  kaum 
etwas  anhaben  können,  hervorgerufen  werden  kann,  z.  B.  durch  0,09 Mol. 


Wasserstoff-  und  Hydroxylioiion  als  Kcimun^sreize.  1  ]  9 

HCl  =  0,33  pCt.  oder  0,08  Mol.  HNO 3  =  0,ö  pCt.  oder  0,2  Mol.  KOH  = 
l.irpCt. 

Dass  Exo-  und  Endokarp  auch  ohne  Vorbehandlung  schon  für 
Cu-  und  Hg-Ionen,  ferner  für  die  Anionen  oder  die  unzerlegten 
]\roleküle  der  verdünnten  Fettsäuren  durchlässig  sind,  Avurde  schon 
hervorgehoben. 

Ich  halte  den  Schluss  für  berechtigt,  dass  die  Samenhüllen  der 
Sagittaria  schon  ursprünglich  für  Wasser  und  darin  gelöste  Stoffe, 
unzerlegte  Moleküle  und  Ionen  mehr  oder  weniger  permeabel  sind, 
nach  Individuen  und  Reifungsgrad  selbstverständlich  etwas  schwankend. 
So  völlig  permeabel  wie  reine  Cellulosemembranen  sind  sie  allerdings 
nicht,  ein  gewisser  Grad  von  Impermeabilität  ist  vorhanden.  Die 
Keimung  erregenden  Stoffe  dringen  sicher  nicht  in  voller  Aussen- 
konzentration  sein,  sondern  nur  ein  Bruchteil  davon  wirkt.  Selbst 
wenn  Ionen  und  unzerlegte  Moleküle  gleich  gut  die  Samenhüllen 
passieren,  so  müsste  doch  ihre  Wirkung  auf  das  ruhende  Protoplasma 
des  Embryo  eine  ungleiche  sein. 

Die  aktivsten  Teilchen,  das  sind  die  H-  und  OH-Ionen,  wirken 
am  stärksten  und  erwecken  das  ruhende  Protoplasma,  das  man  als 
nichtionisiert  ansehen  könnte,  durch  Ionisierung.  Nunmehr  beginnt 
der  mobilisierte  Embryo  auf  eigene  Kraft  die  Keimung. 

Vergleicht  man  die  WanHerungsgeschwindigkeit  der  Ionen  bei 
der  Elektrolyse  als  Mass  für  ihre  chemische  Reaktionsfähigkeit,  so 
zeigt  sich,  dass  die  H-  und  OH-Ionen  allen  anderen  weit  überlegen 
sind,  z.  B.  in  0,1   Mol.  äquivalenter  Lösung:^) 

H         OH         K         Na         Gl  NO3  -isO,      -r^CoO, 

•296         157         55,8         35         56,5         57,3  41,9  39 

Lösungen,  in  denen  neben  H  Säureionen  oder  neben  OH  Alkali- 
ionen enthalten  sind,  können  demnach  eine  sehr  starke  Wirkuno-  auf 
das  ruhende  Protoplasma  ausüben.  Enthalten  aber  die  Lösungen, 
wie  die  der  in  Versuch  IV  genannten  Kalisalze  die  annähernd  gleich 
schnellen  Ionen  K  und  Gl  oder  K  und  NO3,  so  wird  die  Reizung 
entweder  von  vornherein  ganz  ausbleiben,  oder  die  gleichen  Reizungen 
der  entgegengesetzten  Ionen  heben  sich  sofort  auf.  Sind  die 
Differenzen  gering,  wie  zwischen  Na  und  Gl  oder  K  und  GoO^,  so 
bleibt  die  Reizung  unterhalb  der  eine  Keimung  au.slösenden 
Schwelle. 

Die  in  dieser  Mitteilung  besprocheneu  lonenwirkungen  sind 
anderer,    allgemeinerer  Art,    als    die    verschiedenen  von  LOEB^)    be- 


1)  Kohlrausch  und  Holborn,  1.  c.  S.  200. 

2)  LOEB,    Studies   in    general  physiology  1905,    Bd.  11,    und    Untersuchungen 
über  künstliche  Parthenogenese,  deutsch  von  SCHWALBE,  1906. 


1-20 


Alfred  P'ischer: 


schriebeneu,  die  an  spezifische  Metallionon  oder  wie  bei  den  zuletzt 
veröffentlichten  Untersuchiinoen  über  Parthenooenese  an  das  OH- 
Ion  gebunden  erscheinen. 

Später  wird  sich  Gelegenheit  finden,  diese  Beobachtungen  mit 
den  meinigen  zu  vergleichen. 

Wie  explosiv  die  Wirkung  auf  das  ruhende  Protoplasma  sein 
muss,  erkennt  man  aus  folgendem  Versuch: 


Versuch  VI. 

Sagittaria  platyphylla. 
Die  Samen  wurden  mit  10  Mol.  HCl  bei  20°  behandelt  und  nach  guter  Spülung  in 


Leitungswasser  bei  25-27°  au 

fgestellt. 

10  Mol.  HCl  bei  20° 

V2  Min. 

1  Min. 

2  Min. 

4  Min. 

8  Min. 

10  Min 

Zahl 

357 

312 

331 

376 

382 

400 

gekeimt     innerhalb 
13  Tagen.    .    .    . 

(J3 

IKJ 

213 

10 

1 

0 

in  Prozent        .    .    . 

18 

37 

64 

2J 

0,3 

0 

Auch  dieser  Versuch  kann  nicht  dadurch  erklärt  werden,  dass 
die  Samenschale  angegrifPen  wird,  sondern  nur  durch  Erweckung 
des  ruhenden  Plasmas  durch  die  H-Ionen.  Schon  in  4  Minuten 
tötet  sie  starke  Säure. 

Eine  Frage,  deren  vollständige  Lösung  erst  mit  der  neuen 
Samenernte  möglich  sein  wird,  soll  noch  kurz  gestreift  werden: 
Kann  die  durch  H-  und  OH-Ionen  hervorgebrachte  Reizung  durch 
entsprechende  Behandlung  beseitigt  oder  wenigstens  gedämpft 
werden? 

Zweistündiges  Auswaschen  mit  8°  kaltem  Wasser  der  stark 
fliessenden  Leitung,  zwei-  und  dreitägige  Abkühlung  im  Eisschrank 
bei  etwa  3°,  kürzeres  Einfrieren  in  —  3°  w^ar  gegenüber  Samen,  die 
mit  0,2  Mol.  KOH  bei  40°  vorbehandelt  waren,  ohne  Erfolg.  Ihre 
Keimung  verlief  ohne  merkliche  Verzögerung  mit  85 — 90  pCt. 

Längere  Kältewirkung  verspricht  besseren  Erfolg.  Von  li>'J 
iSagittaria  sagittifolia)  mit  0,2  Mol.  KOH  2  h  40°  gereizten  Samen, 
die  sofort  in  viel  Wasser  von  2,5°  gebracht  wurden  und  über  Nacht 
vor  dem  Fenster  bis  zum  anderen  Morgen  eingefroren  waren,  keimten 
innerhalb  sechs  Tagen  nur  34  Stück  oder  18  pCt ,  innerhalb  zwölf 
Tagen    38  Stück    oder    20  pCt.      Der    Rest    von    154  Samen    wurde 


Wasserstoff-  und  Hydroxylioncn  als  Keimungsrcize. 


121 


abermals  mit  0,2  Mol.  KOH  2  h  40°  behandelt  imd  lieferte  innerhalb 
sechs  Tagen  104  Keime  oder  67  pCt. 

Es  war  ferner  zu  versuchen,    die    durch  OH-Ionen  erzeugte  Er- 
regung  durch  H-Ionen  und  umgekehrt  abzudämpfen. 

Versuch  All. 

Sagittaria  sagittifolia.     25 — 27°. 


A 

li 

0,2: 

Mol.  KOH  2  h 

40° 

0,2  Mol.  HCl ' 

2  h  40° 

Kontrolle 

2  h.  destilliertes 
Wasser  40° 

0,2  mol. 

HCl  40° 

Kontrolle 

2  h  destilliertes 
Wasser  40° 

0 

30  Min. 

60  Min. 

90  Min. 

w  0 

.0 

sZ 
s  — 

0 

I 

11 

III 

IV 

V 

VI 

I 

II 

III 

Zahl 

135 

119 

142 

151 

144 

182 

128 

131 

147 

innerhalb    G  Tagen 

gekeimt    .... 

122 

117 

120 

1:55 

120 

172 

104 

121 

137 

in  Prozent    .... 

1)0,4 

98,3 

85 

90 

83 

94,5 

81,3 

92,4 

95,2 

Die  Samen  der  Serie  A  wurden  nach  der  Kalibehandlung  kurz 
unter  der  Leitung  gewaschen,  Nr.  I  sofort  als  Kontrolle  aufgestellt, 
II  mit  destilliertem  Wasser  2  h  40°,  die  anderen  30,  60,  90  und 
120  Minuten  mit  äquivalenter  HCl  bei  40°  nachbehandelt,  gewaschen 
und  aufgestellt.  Bei  B  folgte  der  Reizung  durch  H-Ionen  eine 
Gegenreizung  durch  OH-Ionen.  Das  destillierte  Wasser  hebt  die 
Keimprozente,  verändert  aber  nicht  den  Charakter  der  Keimung, 
die  nach  OH-Reizung  anders  verläuft  als  nach  H-Reizung.  Bei 
ersterer  bleiben  die  Keimlinge  etwas  länger  farblos  und  auf  einer 
Grösse  von  2 — 5  mm  stehen,  bei  H-Reizung  wachsen  die  Keime 
etwas  schneller  und  ergrüneu  auch  rascher;  z.  B.  AI  am  zweiten 
Tag  42  Keime,  davon  41  2—5  mm  lang  und  weiss,  AH  6j  Keime, 
alle  2  —  5  mm  lang  und  weiss,  dagegen  B  I  am  zweiten  Tage 
69  Keime,  davon  43  5 — 10  mm  lang  und  ergrünend,  B  II  77  Keime, 
darunter  38  5 — 10  w^w^  lans;  und  ero-rünend. 

Bei  zweistündiger  Nachbehandlung  mit  dem  entgegengesetzten 
Ion  heben  sich  nicht  nur  die  Keimprozente,  besonders  bei  B,  sondern 
der  Keimtypus  schlägt  um  in  die  Art  der  zuletzt  wirkenden  Ionen. 
All  hat  H-Typus,  am  zweiten  Tag  unter  131  Keimen  44  5  —  \^  mm 
lange,  ergrünende,  B  III  noch  ausgesprochener  OH-Typus,  am  zweiten 
Tag  unter  45  Keimen  41  nur  2 — 3  min    lange    und    weisse.     In  der 


122         .luLius  Stoklasa,  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky: 

Serie  A  hat  III  noch  der  ersten  Reizung  entsprechenden  OH-Typus, 
lY  dagegen  bereits  H-Typus.  Es  ist  zweifellos,  dass  durch  die 
zweite  Behandlung  eine  neue  lonenwirkung  ausgeübt  worden  ist,  die 
die  erste  gewissermassen  neutralisiert  hat,  aber  viel  zu  stark  war, 
um  nur  zu  neutralisieren. 

Wenn  durch  die  erste  Einwirkung  die  Samenschale  permeabler 
geworden  wäre,  so  würden  die  Embryonen  wohl  nicht  die  zweite 
Behandlun«!'  vertragen. 

Durch  äquivalente  Reizung  mit  dem  entgegengesetzten  Ion  ist, 
wie  Versuch  YII  zeigt,  die  Ionen-Reizung  nicht  abzudämpfen.  Eine 
Reihe  weiterer  Versuche  durch  viel  schwächere  Lösungen  des 
anderen  Ions  die  erste  Reizung  zu  unterdrücken,  hat  noch  zu  keinem 
einheitlichen  Resultat  geführt  Ich  behalte  mir  vor,  hierüber  mit 
der  neuen  Ernte  abschliessende  Versuche  auszuführen,  denen  sich 
solche  über  die  Wirkung  von  H-  und  OH  -  Ionen  auf  schwer 
keimendti  Samen  von  Landpflanzen  und  auf  andere  Arten  des  ruhen- 
den Protoplasmas  anschliessen  sollen. 


19.  Julius  Stoklasa,  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky: 

Über  die  anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen  und  über  die 

Isolierung  der  Atmungsenzyme. 


Eingegangen  am  23.  März  1907. 


HI. 

Zur  Isolierung  der  Rohenzyme  wurden  gewöhnlich  5  — 6 /iY/ junge 
und  frische  Pflanzensubstanz  verwendet. 

Die  frische  Pflanzenmaterie,  welche  keinerlei  Zersetzung  durch 
Fäulnis  aufweisen  darf,  wurde  zerstückelt  und  der  Saft  aus  der  so 
erhaltenen  Masse  unter  einem  Drucke  von  300  —  400  Atmosphären 
ausgepresst.  Dem  so  gewonnenen  Safte  wird  ein  Gemisch  von 
Alkohol  und  Äther  zuo:esetzt,  worauf  ein  au  l^]iweissstofFen  reicher 
Niederschlag  sich  absetzt.  Diese  Operation  geschah  in  einem  hohen 
Zylinder,  welchen  man  vor  dem  Gebrauche  mit  Sublimat  und  sterili- 
siertem Wasser  ausschweifte. 

Auf  500  ccm  des  zellfreien  Saftes  verwendeten  wir  600  ccm  eines 


Anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen  und  rsolierun,<>-  der  Atmuii.i-scuzjmo.    123 

Gemenges  von  Alkohol  und  Äther,  und  zwar  400  ccm  Alkohol  und 
20(Kw??^  Äther.  Nach  einem  Augenblicke  setzt  man  Äther  im  Über- 
schusse zu,  und  die  oberhalb  des  Niederschlages  aus  Alkohol  und 
Äther  bestehende  Flüssigkeit  wird  sofort  aufgehebert.  Nun  wird 
neuerdings  Äther  aufgegossen  und  sodann  sofort  die  überstehende 
Flüssigkeit  abgehebert. 

Der  ganze  Vorgang  bei  Fällung  des  Pflanzensaftes  muss  rasch 
vorgenommen  werden,  so  dass  Alkohol  und  Äther  nur  möglichst 
kurze  Zeit  auf  das  Enzym  einzuwirken  vermögen  und  infolgedessen 
seine  Aktivität  nicht  abschwächen.  Die  Flüssio-keit  über  dem 
Niederschlag  wird  deshalb  rasch  abgegossen  oder  abgehebert  und 
der  so  gewonnene,  das  gärungserregende  Enzym  enthaltende  Nieder- 
schlag sofort  abfiltriert.  Die  Filtration  lässt  sich  am  schnellsten 
mittels  Leinwand  bew^erkstelligen.  Auf  die  sterile  Leinwand  wird 
die  erhaltene  Masse  aufgeschüttelt  und  auf  diese  Weise  des  noch 
anhaftenden  Alkohols  und  Äthers  entledigt,  dass  man  mit  dem  Filter 
auf  und  ab  gerichtete,  hutsciienartigo  Bewegungen  ausführt.  War 
das  das  Enzym  enthaltende  Sediment  (Rohenzym)  gut  ausgeschieden, 
so  ist  die  Filtration  in  einigen  Minuten  vollzogen. 

Das  so  filtrierte  Kohenzyni  wurde  entweder  im  Vakuum  oder 
in  sterilen,  zu  diesem  Zwecke  besonders  arrano-ierten  Kolben  ae- 
trocknet 

Diese  Kolben  waren  w'ie  fob-t  zusammengestellt:  In  den  Hals 
jedes  der  Kolben  war  ein  dreifach  gebohrter  Kautschukstöpsel  ein- 
gepasst.  Durch  die  eine  dieser  Öffnungen  ging  eine  ziemlich  breite, 
knieförmig  gebogene  Röhre,  welche  bis  fast  an  den  Boden  des 
Kolbens  reichte  und  mit  Watte  oefüUt  w^ar.  Li  die  zweite  Öffnuns' 
des  Stopfens  war  eine  kurze,  gerade  Röhre  gesteckt,  die  ebenfalls 
mit  Watte  gefüllt  war  und  knapp  unter  dem  Stopfen  mündete.  Die 
«Iritte  Öffnung  war  mittels  einer  Glasstange  verschlossen,  welche,  so- 
bald die  Kolben  einer  dreifachen  fraktionierten  Sterilisation  unter- 
worfen waren,  durch  ein  Thermometer  ersetzt  wurde.  Das  Thermo- 
meter wurde,  bevor  man  es  in  den  betreffenden  Kolben  eingelassen 
hatte,  gründlich  mit  einer  Sublimatlösuug  abgewaschen  und  dann 
auf  die  Weise  abgesengt,  dass  es  in  Alkohol  getaucht  und  die  sehr 
schwache  Alkoholschicht  angezündet  wurde. 

Sodann  erfolgte  die  Wägung  jedes  der  Kolben 

Unter  Beobachtung  aller  Kautelen  <j;e2;en  die  Livasion  von 
Mikroben  wurde  hierauf  in  die  Kolben  ein  bestimmtes  Quantum  des 
ausgesüssten  Niederschlages  eingetragen  und  dessen  Trocknung 
durchgeführt.  Die  Kolben  mit  dem  Enzym  wurden  nämlich  in 
kupferne  Trockenapparate  getan,  in  welchen  eine  Temperatur  von 
etwa  36 — 38°  C.  erhalten  und  sterilisierte  Luft  in  starkem  Strome 
in  der  Weise  durchgetrieben  w^orden  ist,    dass  die    kurze,    unterhalb 


124         Julius  Stoklasa,  Adolf  Ebnest  und  Karl  Chocensky.- 

des  Stopfens  in  den  Kolbenhals  mündende  Röhre  mit  einer  Wasser- 
pumpe in  Verbindung  gebracht  wurde,  während  die  längere  Köhre, 
welche  fast  bis  an  den  Boden  des  Kolbens  reichte,  mit  etlichen 
Waschflascheu,  die  konzentrierte  Schwefelsäure  enthielten,  und  mit 
etlichen  Zylindern,  in  deren,  mit  steriler  Watte  gefülltem  Innern 
mehrere  übereinander  geschichtete  Lagen  feinkörnigen  Thymols 
untergebracht  waren,  verbunden  worden  ist. 

Nachdem  das  Roiienzym  durch  die  Trocknung  vollständig  vom 
Alkohol  und  Äther  befreit  worden  war,  wurden  die  Kolben  neuer- 
dings gewogen  und  nach  Abschlag  des  ursprünglichen  Gewichtes  die 
Gewichtsmonge  des  Rohenzyms  fixiert,  welche  zum  Versuche  ver- 
wendet wurde.  In  die  Kolben  wurde  nun  ein  Antiseptikum  getan 
und  eine  entsprechende  Zucker-,  und  zwar  vorwiegend  Glukoselösung 
hinzugegossen,  welche  man  vorher  einer  dreifachen,  fraktionierten 
Sterilisation  unterwarf. 

Es  gelangten  50  ccm  der  Lösung  unter  Zusatz  von  0,5  (/  KgPO^ 
zur  Verwendung,  während  das  Gewicht  des  Rohenzyms  6  — 10  g 
betrug. 

Der  Niederschlag  wird  behufs  Studiums  der  Gärwirkung  in  eine 
löprozentige  sterilisierte  Glukoselösung  getan.  Die  Versuche  mit 
dem  die  Gärung  hervorrufenden  Rohenzym  wurden  in  jenen 
Apparaten  ausgeführt,  welch  letztere  in  meiner  ausführlichen  Arbeit, 
welche  in  HOPPE-SeYLER's  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie, 
Bd.  50,  Heft  4  und  5,  1907,  betitelt  „Über  die  glykolytischen 
Enzyme  im  Pflanzenorganismus"  erschienen  ist,  deutlicli  beschrieben 
sind. 

Nachdem  der  Versuch  beendet  war,  d.  i.  nachdem  kein  wäg- 
bares Quantum  von  Kohlendioxyd  gefunden  werden  konnte,  impften 
wir  aus  dem  Versuchskolben  3  —  4  Zuckergelatine-  und  Zuckeragar- 
röhren,  welche  ebenso  lange  beobachtet  wurden,  als  der  Versuch 
dauerte.  Ausserdem  bereiteten  wir  zu  jedem  Versuche  einen  Kontroll- 
kolben in  folgender  Weise  vor. 

Die  gleiche  Menge  des  Rohenzyms  als  auch  der  Glukoselösung, 
wie  sie  zum  ursprünglichen  Versuche  verwendet  wurden,  kochten 
wir  durch  eine  Stunde  im  Kolben  auf  dem  Sandbade,  worauf  eine 
dreifache,  fraktionierte  Sterilisation  folgte.  Dabei  sahen  wir  darauf, 
dass  die  Lösung  stets  in  demselben  Konzentrationsgrade  bleibe.  Vor 
und  nach  der  Sterilisation  wurde  der  Kolben  abgewogen. 

In  diese  Kolben  wurden  soviel  und  solche  Antiseptika  getan, 
als  ihrer  der  ursprüngliche  Versuch  enthielt,  und  mittels  einer 
sterilen  Pipette  übertrugen  wir  hierauf  5  ccm  der  Gärflüssigkeit  nach 
absolvierter  Gärung  samt  Niederschlag  des  Originalversuchs  in  die- 
selben. 

Der  Kontrollkolben  wurde  sodann  wieder  mit  einem  Kühler  und 


Anaerobe  Atmung  der  Samcnpilanzen  und  Isolierung  der  Atraungsenzjme.   125 

einem  Absorptionsapparate  verbunden  und  hierauf  täglich  wie  beim 
urspininglichen  Vorsuche  die  Menge  des  entstandenen  Kohlendioxyds 
bestimmt. 

Die  nähere  Beschreibung  der  analytischen  Methoden  findet  man 
ebenfalls  in  meiner  bereits  erwähnten  Arbeit  in  HOPPE  -  SeyLER's 
Zeitschrift  für  physiologische  Chemie,  Bd.  50,  Heft  4  und  5,  1907. 

In  Tabelle  I  und  H  (siehe  S.  126)  sind  mehrere  Versuche  ver- 
zeichnet, (leren  Resultate  wir  aus  mehreren  Beobachtungen  als  Durch- 
schnitt angenommen  haben. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  zur  Evidenz  hervor,  dass  wir  tat- 
sächlich den  Nachweis  erbrachten,  dass  die  aus  den  Pflanzensäften, 
welche  von  Gewebteilen  und  Zellen  vollständig  frei  waren,  durch 
absoluten  Alkohol  und  Äther  gewonnenen  Niederschläge  gärungs- 
erregende Enzyme  enthalten.  Die  Rohenzyme  haben  in  der  Tat  bei 
völliger  Abwesenheit  von  Bakterien  in  der  Glukose  eine  Milchsäure- 
und  alkoholische  Gärung  hervorgerufen. 

Dass  tatsächlich  nur  die  Enzyme  die  Gärung  hervorriefen,  dafür 
haben  wir  folgende  Belege: 

1.  Bei  der  Überimpfung  des  Inhaltes  des  Versuchskolbens  auf 
Zuckergelatine-  und  Zuckeragarplatten  konnte  keine  Bakterien- 
entwicklung nachgewiesen  werden. 

2.  Eine  Gärung  in  den  Kontrollkolben  nach  Überimpfung  eines 
Teiles  des  Inhaltes  aus  den  Originalkolben  (nach  Absolvierung  der 
(lärung  in  diesen)  in  die  Kontrollkolben  wurde  nicht  konstatiert; 
ferner:  die  Menge  des  abgespaltenen  Kohlendioxyds  erschien  so 
gering,  dass  sie  höchstens  binnen  50  Stunden  5  —  10  vig  betrug. 
Natürlich  sind  diese  Quanten  von  Kohlendioxyd  sehr  unbedeutend, 
wenn  man  auf  die  Gesamtmenge  des  Kohlendioxyds  Rücksicht 
nimml,  welches  sich  bei  der  Gärung  abspaltet;  oder  sie  sind  auf 
einen  Versuchsfehler  zurückzuführen. 

Zu  bemerken  ist  hier  noch,  dass  wir  in  den  bereits  erwähnten 
Tabellen  nur  solche  Versuche  anführten,  wovon  wir  genügend  über- 
zeugt waren,  dass  die  Bakterien  im  Gärungskolben  nicht  mitgewirkt 
haben.  Der  beste  Beweis,  dass  die  Milchsäure-  und  alkoholische 
Gärung  durch  Enzyme  hervorgerufen  wurde,  ist  der,  dass  bei  den 
gewonnenen  Rohenzymen  aus  gefrorenen  Pflanzenorganen  in  Glukose- 
lösung keine  Gärung  beobachtet  wurde,  ja  sogar  ohne  Antiseptikum 
binnen  48  Stunden.  Bei  Benutzung  von  1 — 2  pCt.  Salicylsäure 
w^urde  die  Kohlendioxydabscheidung  aus  dem  Gärkolben  nach  fünf 
Tagen  nur  in  ganz  minimalen  Mengen  konstatiert. 

Die  gewonnenen  analytischen  Resultate  zeigen  uns  deutlich,  dass 
in  allen  Fällen  3Iilchsäure  nachzuweisen  war.  Aus  der  Menge  des 
gebildeten  Alkohols  und  Kohlendioxyds  ist  zu  ersehen,  dass  faktisch 
eine  alkoholische  Gärung  vor  sich  gegangen  ist. 


126        Julius  Stoklasa,  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky: 


Tabelle  I. 

Die  hier  angefülirtcü  analytischen  Daten  sind  aus  3     4  Yersuchsrcsultaton  auf  10  g 
Rohenzym  umgerechnet  worden.  —  Temperatur  20°  C. 


i 

c 

1 

u 

*■"• 

c 

o 

< 

fcc 

u  S 

00 

CO    ,-. 

Provenienz 

Lösung, 

p 

o 

D" 

Verwendetes 

1 

o   ^ 

^ 

der 

in  d 

er  die  Gärunsr 

O 

btc 

to 

ÖC,^ 

isolierten  Enzyme 

vor  sich  geht 

Antiseptikum 

-^  s 

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S«5 

£« 

go 

03    — 

Q 

O 

O 

:;5 

1.  "Wurzel  der 

Zuckerrübe*)    . 

15 

pCt.  Glukose 

2 

(Ct.  Salicjlsäurc 

58 

0,23 

0,862 

0,800 

2.  Wurzel  der 

Zuckerrübe    .    . 

15 

•>i                ;■) 

1 

5'                               55 

59 

0,3G 

0,813 

0,793 

3.  Wurz.ol  der 

Zuckerrübe    .    . 

15 

„      Fruktose 

1 

'•                            55 

60 

0,12 

0,400 

0,296 

4.  Wurzel  der 

Zuckerrübe    .    . 

15 

„     Glukose 

2 

11                           51 

38 

0,08 

0,386 

0,289 

5.  Wurzp]  der 

Zuckerrübe    .    . 

15 

51                         17 

2 

15                          ■■) 

54 

0,09 

0,268 

0,245 

(3.  Blätter  der 

Zuckerrübe    .    . 

15 

i1                         11 

1 

11                         11 

44 

0,08 

0,310 

0,369 

7.  Blätter  der 

Zuckerrübe    .    . 

15 

V                         11 

1 

11                            51 

48 

0,04 

0,340 

0,364 

8.  Knollen  der  Kar- 

toffel   

15 

11                        11 

2 

>1                            11 

48 

0,25 

0,321 

0,284 

1».  Knollen derKar- 

toffel 

15 

51                      55 

2 

11                           '1 

48 

0,06 

0,281 

0,206 

Tabelle  II. 

Die  hier  angeführten  analytischen  Daten    sind    aus    2  Versuchsresultaten    auf   10  </ 
Roheuzym  umgerechnet  worden.  —  Temperatur  37  °  C. 

1.  Gerstenkeim- 
linge .... 

2.  Gerstenkeim- 

2     „    Toluol 


linge  .    .    . 

3.  Erbsenkeim- 
linge .    .    . 

4.  Erbsenkeim- 


linge 


5.  Lupinenkeim- 
linee  .    .    .    . 


<).  Lupinenkcim- 
linge  .... 


15  pCt.  Glukose 
15    „ 


15  „ 

15  „ 

15  „ 

1i->  „ 


2  pCt.  Salicylsäurc 


2  ,,  Salicylsäure 

2  „  Toluol 

2  ,,  Salicylsäure 

2  „  Toluol 


52 
[0 
48 
52 
52 
52 


0,33 

0,45 

0,27 

0,73 

0,24 

0,52 

0,18 

0,86 

0,30 

0,48 

0,24 

0,76 

0,49 


0.66 


0,.55 


*)  Die  Rübe  nach  60  Vegetationstagen. 


Anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen  und  Isolierung  der  Atmungsenzynie.    ]-27 

Wir  stellten  sodann  weitere  Orientierungsversuche  mit  grösseren 
.Mengen  von  Roheuzjm  an,  und  zwar  gaben  wir  in  den  Versuchs- 
kolben 23 — 25  g  Enzym  hinein  und  benützten  250  cc7n  15prozentige 
sterilisierte  Glukoselösuug.  Als  Antiseptikum  wurde  wieder  2,5  </ 
Salicylsäure  benutzt. 

In  einem  Kolben  wurde  kohlendioxydfreie  Luft  durchgeleitet, 
durch  den  anderen  Yersuchskolben  Hessen  wir  Wasserstoff  durch- 
strömen. 

Im  ersten  Falle  haben  daher  die  Enzyme  bei  Sauerstoffzutritt 
den  Gärungsprozess  hervorgerufen,  im  anderen  Falle  bei  Sauerstoff- 
abschluss. 

Nach  52 stündiger  Gärung  fanden  wir  nachstehende  Resultate: 
In  Wasserstoffatmosphäre  wurde  gefunden: 

C3H,O3=^0,528  5/ 

aH,OH=  1,263,, 

COo- 1,392,, 

Bei  Sauerstoffanwesenheit  wurde  konstatiert: 

C,H,O3  =  0,132.^ 

CoHgOH- 1,682  „ 

C0„  =  1,453  „ 

aH,O^-0,:^21„ 

Acetaldehyd  und  Ameisensäure  konnten  wir  qualitativ  nach- 
weisen. 

Die  Gase,  welche  sich  bei  dem  Abbau  der  Glukose  bei  Luft- 
zutritt durch  Enzymwirknug  bilden,  sind  Kohlendioxyd  und  Wasser- 
stoff. Beide  diese  Gase  wurden  qualitativ  nachgewiesen.  Die  Ent- 
nahme derselben  erfolgte  aus  einem  Gärkolben.  Die  Bestimmung 
des  Kohlendioxyds  geschah  nach  den  geschilderten  Methoden.  So- 
dann wurde  das  kohlendioxyd-  und  wasserdampffreie  Gas  durch 
einen  Verbrennungsofen  hindurch^etrieben.  Die  Einrichtung  des 
letzteren  war  ganz  analog  jenem,  der  bei  der  elementaren  Analyse 
verwendet  wird.  Das  aus  dem  Wasserstoff  gebildete  Wasser  wurde 
in  Chlorcalciuniröliren  absorbiert.  Methau  wurde  nicht  konstatiert, 
seine  Abwesenheit  wurde  in  beigeschlossenen  GEISSLER'schen 
Apparaten  bezw.  durch  Verbrennung  gebildeter  COj  mit  Kalium- 
hydrat festgestellt. 

Wir  fanden 

im  1.  Falle  auf  1,453^^  gebildeten  CO,  0,098^  H. 

„    2.      „        „     1,200,^,  „  „'  0,081  „    „ 

„    o.       „        „     ],(Ot)  „  „  „  0,04o  „    „ 

Dem    Wasserstoff,    welcher    bei    der    Degradation    der    Kohlen- 
hydrate, und  zwar  durch  die  Wirkung  der  Atmungsenzyme  als  End- 


128         Julius  Stoklasa,  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky: 

produkt  entsteht,  ist  in  der  chlorophyllhaltigen  Zelle  eine  be- 
deutungsvolle Funktion  bei  der  Assimilation  des  Kohlendioxyds 
zugewiesen  Es  ist  die  Möglichkeit  der  Bildung  von  CK,0  durch 
Reduktion  des  CO,  nach  der  Formel:  CO,  +  4  H  =  CHoÖ  +  H.O 
nicht  ausgeschlossen. 

Aus  unseren  langjährigen  Beobachtungen  geht  hervor, 
dass  in  den  Fflanzenzellen  Atmungsenzyme  vorhanden  sind, 
welche  eine  Milchsäure-  und  alkoholische  Gärang  hervor- 
rufen. 

Die  von  uns  gefundenen  Enzyme  sind  in  vieler  Hin- 
sicht der  Zymase  und  der  Lactacidase  ähnlich. 

Wir  haben  zweierlei  Arten  von  Atmungsenzymen  vor 
uns  und  zwar:  Die  im  Protoplasma  sich  abspielenden 
primären  Prozesse  werden 

1.  durch  die  Enzyme  Zymase  (Milchsäurebildung), 

2.  durch  die  Lactacidase  (Alkohol-   und  Kohlendioxyd- 
b  i  1  d  u  n  g) 

hervorgerufen. 

Die  sekundären  Produkte,  welche  sich  durch  weitere  Degradation 
der  Abbauprodukte  kennzeichnen,  gehen  nur  bei  Gegenwart  von 
Sauerstoff  vor  sicli.  Durch  Einwirkung  wieder  neuer  Enzyme  ent- 
steht Acetaldehyd,  Essigsäure,  wahrscheinlich  Methan,  Ameisensäure 
und  schliesslich  Wasserstoff.  Die  gebildeten  Spaltungsprodukte,  so- 
weit sie  noch  oxydierbar  sind,  werden  durch  den  hinzutretenden 
Sauerstoff  der  Luft  zu  Kohlendioxyd  und  Wasser  verbrannt 

Eduard  Büchner  und  Jakob  Meisenheimer^)  in  der  neuesten 

Arbeit  „Über  Milchsäuregärung"  sowie  EDUARD  BÜCHNER  und 
PüFUS  GAUNT  „Über  die  Essiggärung" ^)  bestätigten  neuerdings,  dass 
die  Milchsäuregärung,  sowie  die  Essiggärung  durch  Enzyme  hervor- 
gerufen wird  Das  erste  Enzym,  welches  die  Spaltung  des  Zuckers 
zu  Milchsäure  mit  Hilfe  eines  von  der  Lebenstätigkeit  der  Mikro- 
organismen abtrennbaren  Enzyms  bewerkstelligt,  nennen  die  A'er- 
fasser  Milchsäurebakterienzymase. 

Durch  Eduard  Buchner  und  RUFUS  GauNT  wurde  sicher  be- 
wiesen, dass  die  Essigbakterien  ihre  oxydierende  Wirkung  der 
Gegenwart  eines  Enzyms,  einer  Oxydase,  die  Verfasser  Alkohol- 
oxydase  nennen,  verdankt.  In  den  Daueressigbakterien  scheinen 
sowohl  Oxygenasen,  wie  Peroxydase  und  Katalase  vorhanden  zu  sein. 

Die  Arbeiten    von    R.  0.  HERZOG^)   und   BÜCHNER    und    seiner 


1)  Siehe  LiEBiC/s  Aniialcn,  Bd.  CCCXLIX,  S.  125-139. 

2)  Siehe  LiEBIG's  Annalcn,  Bd.  CCCXLIX,  S.  140-184. 

3)  Hoppe-Seyler's    Zeitschrift    für    physiologische    Chemie,     Bd.  XXXVII, 
1902/03. 


Anaerobe  Atmun?  der  Samenpflanzen  und  Isolierung  der  Atmungsenzyme.   129 

Mitarbeiter  bestätigen  also  meine  früheren  Angaben,  welclie  ich 
schon  im  Jahre  1903  publizierte,  welche  dahin  lauten,  dass  in  der 
lebenden  Pflanzen-  und  Tierzelle  Milchsäure,  Alkohol,  Kohlendioxyd, 
Essig-  und  Ameisensäure  durch  Enzyme  gebildet  werden. 

Die  Existenz  unserer  Atmungseuzyme  wurde  von  vielen  Seiten 
bestätigt.  Xur  eine  kleine  Minorität  von  Forschern  versuchte  es, 
die  Frage  nach  dem  Vorhandensein  der  Atmnngsenzyme  im  Pflanzen- 
und  Tierorganismus  noch  als  eine  offene  und  die  von  uns  auf  Grund 
unserer  Untersuchungen  konstatierte  Zersetzung  der  Hexosen  durch 
die  glykolytisclien  Enzyme  als  das  Ergebnis  von  Bakterienwirkung 
hinzustellen. 

Wenn  einzelne  Autoren,  wie  BaTELLI,  MaZE  und  PORTIEK, 
tatsächlich  das  Vorhandensein  von  Bakterien  in  ihren  Versuchs- 
flüssigkeiten  konstatiert  haben,  so  wäre  es  ihre  Pflicht  gewesen, 
sich  auch  davon  zu  überzeugen,  ob  die  gefundenen  Bakterien,  ihre 
Art  und  Zahl  imstande  gewesen  wären,  ebenfalls  solche  Prozesse 
zu  verursachen,  wie  ich  sie  bei  den  Wirkungen  der  von  mir 
isolierten  Rohenzyme  sichergestellt  habe.  Jeder  erfahrene  Bakterio- 
loge wird  mir  gern  bestätigen,  dass  sich  ungemein  schwer  bei 
völligem  Ausschluss  von  Bakterien  operieren  lasse.  Hat  man  sie 
aber  da  oder  dort  bei  einer  Operation  konstatiert,  so  muss  man  doch 
sicherlich  untersuchen,  ob  und  welche  Wirkung,  eventuell  welche 
Alteration  einer  anderen  Wirkung  ihre  Anwesenheit  im  Gefolge 
haben  konnte.  Die  blosse  Konstatiernng  des  Vorhandenseins  einiger 
weniger  Bakterienspezies  in  einer  Gärflüssigkeit  reicht,  meiner  Er- 
fahrung und  Überzeugung  nach,  durchaus  nicht  hin,  um  eine  so 
eminente  und  auffällige  Wahrheit  zu  bestreiten,  wie  die  von  mir 
festgestellte  glykolytische  Wirkung  der  von  mir  isolierten  Enzyme 
Es  genügt  das  um  so  weniger,  wenn  man  erwägt,  dass 

1.  unzweifelhaft  feststeht,  dass  durch  einzelne  meiner  Enzyme, 
was  jedes  Mitglied  unseres  Laboratoriums  bestätigen  kann,  so- 
fortige Gärungserscheinungeu  bei  Eintragung  des  Enzyms 
in     die     Zuckerlösung     auftraten,     welche     Tatsache     auch 

Angiola  Borrino,  A.  Herlitzka,  Blumenthal  und  Feinschmidt 

konstatiert    haben.      Man    nenne    uns    demgegenüber    auch    nur    ein 
einziges  Beispiel  einer  gleichen  Wirkung  von  Bakterien. 

2.  Haben  wir  zu  unseren  Gärflüssigkeiten  stets  eine  solche 
Menge  von  Desinfizientien  zugesetzt  (1  —  2  pCt.  Toluol  oder  1  bis 
2  pCt.  Salicylsäure),  dass  durch  sie  jegliche  Bakterieuwirkung  für 
jeden  nüchternen  Bakteriologen  von  vornherein  ausgeschlossen  er- 
scheint. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  des  der  Paradoxie  nicht  ent- 
behrenden Faktums  gedenken,  dass  die  obenerwähnten  Forscher  die 
auf    zymatischer     Wirkung     beruhenden      gegenwärtigen     Versuche 


130  Julius  Stoklasa:  Anaerobe  Atmung  der  Samenpflanzen. 

BUCHNER's  nicht  anzweifelten,  trotzdem  er  weit  geringere  anti- 
septische Dosen  benutzte  als  ich.  Ich  zitiere  hier  diesbezüglich  die 
Berliner  Berichte  Nr.  3  vom  Jahre  1903  und  Nr.  2  vom  Jahre  1904. 
Diesen  zufolge  benutzte  BÜCHNER  zu  seinen  Versuchen  8  0  ccm 
Hefepressaft,  80  g  Rohrzucker  und  8  ccm  Toluol.  In  einem  zweiten 
Falle  benutzte  er  300  ccm  Pressaft  und  nur  3  ccm  Toluol  usw.  Wenn 
nun  Buchner  schon  bei  einer  viel  geringeren  Dosis  von  Antisepticis 
der  Ausschluss  der  Bakterienwirkung  ohne  weiteres  eingeräumt  wird, 
mit  welchem  Rechte  bezweifelt  man  die  Yerlässlichkeit  meiner  Ver- 
suche und  ihre  Resultate,  wo  ich  auf  50  ccm  Glukoselösung  und  5  g 
Rohenzym  0,5 — 1  g  Toluol,  also  1 — 2  pCt.  oder  0,5  —  1  g  Salicylsäure 
verwendete? 

Wir  haben  bereits  in  unseren  früheren  Arbeiten  hervorgehoben, 
dass  wir  die  Möglichkeit  der  Bakterienwirkung  und  ihre  Kon- 
Sequenzen  stets  im  Auge  behalten  haben,  und  dass  die  von  uns 
durch  Enzyme  hervorgerufenen  Gärungsprozesse  in  einer  Zeitdauer 
absolviert  waren,  innerhalb  welcher  die  Bakterien  noch  gar  keine 
Wirkung,  oder  doch  nur  eine  ganz  unverhältnismässig  geringe,  zu 
erzielen  vermocht  hätten. 

Wir  dürfen  ferner,  was  unsere  früheren  Versuche  betrifft,  nicht 
unerwähnt  lassen,  dass  ihre  Zahl  in  die  Hunderte  geht,  wobei  ich 
im  Verlaufe  von  fünf  Jahren,  die  sie  umfassen,  mit  meinen 
Assistenten  mehrere  Meterzentner  Pflanzen-  und  Tierorgane  ver- 
arbeitete.  Von  allen  diesen  Versuchen  wurden  jedoch  nur  diejenigen 
])ubliziert,  bei  denen  auch  nur  der  leiseste  Zweifel  deplaziert  er- 
schiene. Angesichts  eines  solchen  Untersucliungsmaterials  sind  wohl 
ein  paar  als  missglückt  zu  bezeichnende,  vielleicht  nicht  einmal  mit 
der  erforderlichen  Akkuratesse  und  Vorsicht  ausgeführte  Experimente, 
als  welche  sich  diejenigen  namentlich  von  BaTELLI  und  PORTIER 
auf  den  ersten  Blick  geben,  nicht  o-eeionet,  eine  so  umfassende  und 
nach  allen  Richtungen  hin  gesicherte  Arbeit,  wie  es  diejenige  unserer 
Isolierung  von  Enzymen  ist,  deren  Tragweite  heute  allgemein  an- 
erkannt wird,  auch  nur  zu  alterieren! 

Nicht  unbemerkt  können  wir  namentlich  die  Arbeiten  von 
Portier^)  lassen,  aus  welchen  hervorgeht,  dass  sich  derselbe  nicht 
einmal  die  Mülie  gegeben  hat,  unsere  Arbeiten  genau  durchzu- 
studieren, wie  dies  seine  Versuchsmethodik  dokumentiert. 

Von  grossem  Interesse  ist  allerdings,  dass  er  zur  Bestimmung 
des  Alkohols  die  total  ungenaue  Methode  von  NlCLOUX  anwendete 
und  mittels  dieser  ganz  unverlässlichen  Methode  1  —  3  ong  Alkohol 
bestimmte  und  mit  dieser  Menge  kalkulierte. 

Überhaupt  ist  aus  seiner  Arbeit,  die  in  den  „Annales  de  ITnstitut 


1)  Annales  de  l'Institut  Pasteur  1904. 


A.  Meyer  uud  E.  Schmidt:  Die  Wanderung:  der  Alkaloide.  131 

Pasteur",  Nr.  10,  1904,  erschienen  ist,  zu  ersehen,  welche  unglaub- 
liche Mangelhaftigkeit  der  chemisch  -  analytischen  und  bakterio- 
logischen Untersuchungsmethoden  er  bei  seinen  diesbezüglichen 
Forschungen  hat  walten  lassen  müssen. 

Was  für  einen  Wert  haben  nun  solche  Einwände  gegen    unsere 
langjährigen  und  gewissenhaften  Forschungsergebnisse? 


20.  Arthur  Meyer  und  Ernst  Schmidt:    Die  Wanderung 
der  Alkaloide  aus  dem  Pfropfreise  in  die  Unterlage. 


Eingegangen  am  25.  März  1907. 


Die  Fragen,  ob  die  Alkaloide  in  der  Pflanze  wandern  und 
welche  Wege  sie  bei  dieser  Wanderung  einschlagen,  sind  noch  nicht 
gelöst.  Sie  wurden  bei  den  unter  unserer  Leitung  von  FelDHAUS 
(1903)  und  Tou  KlRCHER  (1905)  ausgeführten  Arbeiten  in  folgender 
Weise  berührt: 

Es  lässt  sich  schon  mikrochemisch  erkennen,  dass  in  den 
Blättern  von  Datura  Stramonium,  ebenso  in  denen  von  Hyoscyamus 
(SllM  Jensen,  1901),  die  Alkaloide  im  Parenchym  der  Leitbündel 
viel  reichlicher  vorkommen  als  im  Assimilationsparenchym.  So  fand 
auch  Feldhaus  in  den  Mittelnerven  und  Sekundärnerven  von  Datura 
1,39  pCt.,  im  Mesophyll  mit  den  kleineren  Nerven  nur  0,48  pCt. 
Alkaloid,  bezogen  auf  Trockensubstanz,  im  Blattstiele  etwas  weniger 
Alkaloid  als  im  Mittelnerven.  Im  allgemeinen  verhielt  sich  der 
Alkaloidgehalt  von  Blattspreite  mit  Nerven  höherer  Ordnung  :  Mittel- 
-\-  Sekundäruerven  :  Blattstiel  =  1  :  3  :  1,5. 

Feldhaus  (19.  B.  S.  '^2)  schnitt  nun  von  einer  grösseren  Anzahl 
von  Laubblättern  die  Spreitenhälften  rechts  und  links  vom  Mittel- 
nerven ab  und  liess  die  Blattstiele  mit  den  daran  sitzenden  Mittel- 
nerven der  Blätter  vom  30.  Juli  bis  28.  August  an  den  Pflanzen. 
Danach  fand  er  in  Mittelrippe  und  Blattstiel  zusammen  nur  0,29  pCt. 
Alkaloid,  also  viel  weniger  als  in  der  normalen  Blattspreite. 

Kircher  verfolgte  diese  Erscheinung  weiter,  indem  er  folgender- 
massen  verfuhr:  Zuerst  sammelte  er  von  zwei  verschiedenen  Beeten 
(I  und  II)  von  Datura  ßtramonium  je  ungefähr  300  ganze  Blätter. 
Zweitens  schnitt  er  von  unajefähr  700  Blättern  des  Beetes  I  die 
Spreiten  rechts  und  links  vom  Mittelnerven  völlig  ab  und  sammelte 
sogleich     300    Blattstiele   -|-   Mittelnerven;     die    übrigen    Blattstiele 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  -[Q 


132  Arthur  Meyer  und  Ernst  Schäiidt: 

+  Mittelnerven  liess  er  an  den  Pflanzen  sitzen  und  sammelte  sie 
erst  nach  fünf  und  nach  acht  Tagen,  nach  welcher  Zeit  manche 
Blattstiele  abgefallen,  manche  erkrankt  waren.  Drittens  schnitt  er 
von  einer  gleichen  Anzahl  von  Blättern  des  anderen  Beetes  (Nr.  II) 
die  Spreitenteile  bis  auf  einen  Streifen  von  2 — 3  mm^  welchen 
er  an  jeder  Seite  des  Mittelnerven  stehen  liess,  ab  und  ver- 
fuhr damit  wie  vorher  gesagt;  es  hielten  sich  diese  Blattstiele 
-|-  Mittelnerven  gut  und  fielen  nicht  ab.  Als  er  die  Trockensubstanz 
aller  Proben  untersuchte,  fand  er  folgendes: 

r.  TDi-.x  f     I  =  0,33  pCt.  Alkaloid. 

(ianze  Blatter         1  ttt       r>  «- 

1 111  =  0,do     „  „ 

{I  =  0,8       „  „         Spreite  völlig 

entfernt. 
III  =  0,81      „  „         2—3  mm  Spreite 

am  Mittelnerven. 
Nach  fünf  Tagen      j     I  =  0,65     „  „ 

gesammelt  1 III  =  0,79     „  „ 

Nach  acht  Tagen       c     I  =  0,5       „  „ 


Im: 


gesammelt  l  III  =  0,78     „  „ 

Es  ist  damit  bewiesen,  dass  der  Alkaloidgehalt  an  der  Pflanze 
sitzender  Blattstiele  +  Mittelnerven,  denen  die  Spreiten  genommen 
wurden,  mit  der  Zeit  mehr  und  mehr  abnimmt,  dass  aber  schon  ein 
geringer  Teil  der  ansitzenden  Spreite  diese  Abnahme  stark  herab- 
setzt. Wenn  dieses  Resultat  auch  nicht  beweist,  dass  das  Hyos- 
cyamin  aus  dem  Stiele  aus-  und  in  die  Ähre  einwandert,  so  liegt 
doch  die  Annahme  nahe,  dass  die  Abnahme  des  Alkaloides  im  Stiele 
auf  einer  Auswanderung  des  Alkaloides  beruht. 

Demgegenüber  schien  die  Frage,  ob  die  Alkaloide  von  dem 
Orte  ihrer  Entstehung  wegwandern  können,  durch  einen  von  STRAS- 
BURGER (1885  und  1906)  angestellten  Versuch  gelöst  zu  sein.  Durch 
Strasburger  veranlasst,  untersuchte  Klinger  800  g  Kartoffel- 
knollen, welche  an  einer  durch  ein  Pfropfreis  von  Datura  Stramonium 
ernährten  Unterlage  von  Solanum  tuberosum  entstanden  waren,  und 
fand  darin  Atropin.  STRASBURGER  (1885,  S.  XXXIX)  sagt:  „Er 
(Klinger)  fand  —  Atropin,  wenn  auch  nur  in  äusserst  geringen 
Mengen;  nach  seiner  Schätzung  würden  die  800^  Knollen  kaum 
einige  Milligramm  Atropin  enthalten  haben."  Klinger  unterwarf 
übrigens  auch  600  g  gewöhnlicher  Kartoffelknollen  der  Untersuchung 
und  fand  darin  weder  Atropin  noch  ein  dem  Atropin  ähnliches 
Alkaloid. 

Es  schien  uns  nun  für  die  Frage  der  Alkaloidwanderung  zuerst 
eine  Kontrolle  der  vorliegenden  Angaben  von  Interesse  zu  sein.  Da 
eine  Pfropfung  von  Datura  Stramonium  im  Frühjahr    1906    gut    an- 


o 


Die  Wanderung  der  Alkaloide  aus  dem  Pfropfreise  in  die  Unterlage.      133 

"•ewachsen  war,  beschlossen  wir  die  zu  erwartenden  Kartoifeln  dazu 
zu  benutzen  und  im  kommenden  Frühjahr  die  am  Schlüsse  dieser 
Notjz  aufgeführten  Fragen  zu  beantworten.  Während  der  Zeit  sind 
nun  weiter  zwei  hierher  gehörende  Arbeiten  erschienen,  zuerst  die 
von  Gräfe  und  LiNSBAÜER  (1906). 

Gräfe  und  Linsbauer  experimentierten  mit  Nicotiana  afßnis 
und  Nicotiana  Tabacum,  die  sie  wechselweise  aufeinander  pfropften. 
Sie  betrachten  N.  affinis  als  nikotinfrei  oder  so  nikotinarm,  dass  sie 
ihren  Nikotingehalt  nicht  in  Betracht  ziehen;  da  aber  N.  affinis 
Nikotin  enthält  und  anzunehmen  ist,  dass  ihr  Nikotingehalt  ähnlichen 
Schw^ankungen  unterliegt  wie  der  von  N.  Tabacum,  deren  Alkaloid- 
gehalt  zwischen  0,7  pCt.  und  5  pCt.  schwankt,  so  ist  dieses  Vorgehen 
wohl  etwas  unkritisch  und  lässt  leider  Zweifel  an  der  Zuverlässigkeit 
der  Resultate  entstehen.  Es  hätte  eine  grössere  Anzalil  von  Indi- 
viduen der  benutzten  N.  affitiis  genau  auf  ihren  Alkaloidgehalt  unter- 
sucht werden  müssen. 

Die  Versuche  der  Autoren  zeigten  nun,  dass  N.  affinis  stets 
Nikotin  enthielt  (0,84  bis  3,56  pCt.),  wenn  sie  als  Pfropfreis  einer 
Pflanze  von  N.  Tabacum  mit  ungefähr  4  pCt.  Nikotingehalt  aufsass, 
oder  wenn  sie  als  Unterlage  für  iV.  Tabacum  diente.  Die  Autoren 
machen  auch  einen  Versuch,  welcher  die  Frage  entscheiden  soll,  ob 
die  Fähigkeit  von  N.  affinis^  Nikotin  zu  bilden,  gesteigert  werde, 
wenn  sie  mit  N.  Tabacum  verbunden  werde.  Sie  pfropften  N.  Tabacum 
auf  iV.  afßnis.  Am  9.  April  schnitten  sie  das  Reis  unterhalb  der 
Pfropfstelle  ab  und  Hessen  die  Unterlage  Zweige  bilden,  deren 
Alkaloidgehalt  am  15.  Mai  0,33  pCt.  betrug.  Danach  vermuten 
die  Autoren,  „dass  die  Befähigung  der  Unterlage  zur  Nikotinbildung 
durch  die  Wirkung  des  nikotinreichen  Edelreises  gesteigert  wird". 
Unserer  Meinung  nach  lieot  kein  Grund  zu  dieser  Vermutun»-  vor. 
Man  könnte,  wenn  man  sich  auf  die  Angaben  der  Autoren  stützt, 
sehr  wohl  annehmen,  dass  die  0,3  pCt.  Alkaloid  eingewandert  seien, 
da  ja  die  Unterlage  vor  dem  Abschneiden  des  Pfropfreises  von 
letzterem  2,9  pCt.  Alkaloid  zugeführt  erhalten  haben  könnte.  Freilich 
dürfte  man  auch  annehmen,  dass  N.  affinis  die  0,3  pCt.  x41kaloid 
selbst  gebildet  habe. 

Wären  die  Resultate  der  Versuche  von  GRÄFE  und  LiNSBAUER 
einwandfrei,  so  würden  sie  beweisen,  dass  bei  zwei  nahe  ver- 
wandten, nikotinbildenden  Pflanzen  das  Nikotin  äusserst 
leicht  durch  die  Pfropfstelle  hindurchwandern  kann. 

In  der  anderen  der  erwähnten  Arbeiten  teilte  ferner  H.  LlNDE- 
MUTH  (1906)  mit,  dass  er  1896  835^  KartofTelknollen,  welche  durch 
ein  Pfropfreis  von  Datura  Stramonium  ernährt  worden  waren,  von 
Lewin  habe  untersuchen  lassen,  welcher  folgendes  mitgeteilt  habe: 
„Es  würde  ihm  von  grossem  Interesse  sein,   zu  wissen,    auf  welchem 

10* 


134  Arthur  Meyer  und  Ernst  Schmidt: 

Wege  Herr  Dr.  KliNGEB  das  Atrbpin  isoliert  hat.  Atropin  chemisch 
nachzuweisen  sei  absolut  unmöglich.  Auf  einem  sehr  umständlichen 
Wege  Hess  sich  dartun,  dass  in  den  Kartoffeln,  nach  Abtrennung 
reichlichen  Solanins,  eine  nicht  isolierbare  Substanz  in  winzigen 
Spuren  zurückblieb,  die  das  durch  Muskarin  zum  Stillstand  gebrachte 
Froschherz  wieder  in  Bewegung  setzte." 

Es  leuchtet  ein,  dass  das  Erscheinen  dieser  beiden  besprochenen 
Abhandlungen  kein  Grund  für  uns  sein  konnte,  unseren  vorher  er- 
wähnten Plan  aufzugeben,  und  wir  haben  danach  zuerst  die  Unter- 
suchuns:  der  Kartoffelknollen  in  folo-ender  Weise  auso-eführt: 

Im  Herbst  1906  stand  uns  also  die  sehr  kräftige  Pfropfung  von 
Solanum  tuberosum  zur  Verfügung.  Es  waren  im  Mai  1906  auf  drei 
Zweige  einer  ausgetriebenen  Kartoffelknolle  drei  Pfropfreiser  von 
Datura  aufgesetzt  worden,  die  ungefähr  80  cm  hoch  geworden  waren 
und  ungefähr  800  g  bis  7  cm  lange,  rundliche  Kartoffeln  gebildet 
hatten.  Die  Blüten  der  Datura  hatte  ich  stets  entfernt,  nur  eine  gut 
entwickelte,  noch  nicht  völlig  reife  Kapsel  war  bei  der  Kartoffelernte 
an  den  Achsen  von  Datura  vorhanden. 

Von  den  geernten  Kartoffeln  diente  ein  Teil  (410  g)  zur  Prüfung 
auf  mydriatisch  wirkende  Alkaloide.  Die  hierzu  verwendeten  Knollen, 
welche  sich  also  in  ihrem  Äusseren  und  in  ihren  Grössen  durchaus 
nicht  von  den  normalen  Kartoffeln  unterschieden,  wurden  zu  diesem 
Zwecke  in  eine  breiartige  Masse  verwandelt,  letztere  hierauf  mit 
dem  dreifachen  Volumen  Alkohol  von  95  pCt.  vermischt  und  das 
Gemisch  alsdann  unter  zeitweiligem  Umschütteln  sechs  Tage  lang 
bei  einer  Temperatur  von  20 — 25°  stehen  gelassen.  Nach  dieser 
Zeit  ist  die  schwach  sauer  reagierende  Flüssigkeit  abkoliert,  der 
Rückstand  ausgepresst  und  unter  den  gleichen  Bedingungen  von 
neuem  mit  Alkohol  extrahiert  worden.  Die  vereinigten  Alkohol- 
auszü2:e  wurden  hierauf  filtriert  und  durch  Destillation  im  luft- 
verdünnten  Räume  von  Alkohol  befreit. 

Der  erkaltete  Destillationsrückstand  wurde  abermals  filtriert,  als- 
dann im  Scheidetrichter  mit  dem  gleichem  Volumen  Chloroform- 
Äther  (2  Teile  Chloroform,  5  Teile  Äther)  überschüttet  nnd  nach 
dem  Zusatz  von  gepulvertem  Natriumbikarbonat  längere  Zeit  ge- 
schüttelt. Dieses  Ausschütteln  ist  dreimal  mit  je  dem  gleichen 
Volumen  Chloroform -Äther  wiederholt  worden.  Die  vereinigten 
Chloroform-Ätherauszüge  sind  hierauf  unter  zeitweiligem  Ätherzusatz 
eingedampft  worden,  bis  durch  empfindliches  rotes  Lackmuspapier 
eine  Abgabe  von  Ammoniak  nicht  mehr  zu  konstatieren  war.  Der 
Rückstand  wurde  hierauf  dreimal  mit  je  5  com  Wasser,  welches 
schwach  mit  Salzsäure  angesäuert  war,  ausgeschüttelt  und  die  ver- 
einigten sauren  Flüssigkeiten  alsdann  mit  den  allgemeinen  Alkaloid- 
reagentien    auf  Pflanzenbaseu    geprüft.      Diese    Prüfung    fiel   jedoch 


Die  Wanderung  der  Alkaloide  aus  dem  Pfropfreise  in  die  Unterlage.      135 

unter  Anwendung  von  je  einem  Tropfen  des  sauren  Auszuges  negativ 
aus.  Erst  als  dieselbe  im  Vakuum  bis  auf  etwa  2  ccm  eingeengt 
war,  konnten  schwache  Alkaloidreaktionen  beobachtet  werden. 

Zur  Identifizierung  der  anscheinend  nur  in  sehr  geringer  Menge 
vorliegenden  Alkaloide  wurde  die  Flüssigkeit  mit  einem  Tropfen 
Goldchloridlösung  versetzt  und  alsdann  der  freiwilligen  Verdunstung 
überlassen.  Hierbei  war  die  Bildung  vereinzelter  gelblicher  Aggregate 
von  winziger  Grösse  zu  beobachten,  von  Aggregaten,  welche  eine 
gewisse  Ähnlichkeit  mit  denen  zeigten,  die,  allerdings  in  grösserem 
Formate,  bei  der  Verdunstung  einer  unreinen,  in  entsprechender 
Weise  aus  pflanzlichem  Material  dargestellten  Lösung  von  Atropin- 
und  Hyoscyamingoldchlorid  auftreten.  Ein  wiederholt  ausgeführter 
Versuch,  diese  winzigen  Partikelchen  nach  vorsichtiger  Entfernung 
der  kleinen  Mengen  von  Mutterlauge  durch  Umkristallisation  in  die 
typischen  Formen  des  Atropin-  bezw.  Hyoscyamingoldchlorids  über- 
zuführen, misdang,  indem  an  deren  Stelle  stets  nur  wenige  amorphe, 
gelbe  Flocken  resultierten. 

Die  Chloroform-Ätherauszüge,  welche  bei  dem  weiteren  Aus- 
schütteln des  Kartoffelextraktes  nach  Zusatz  von  Sodalösung  noch 
erhalten  wurden,  lieferten  selbst  in  konzentrierterer  Lösung  kaum 
noch  Alkaloidreaktionen.  Da  bei  der  weiteren  Prüfung  dieser  Aus- 
züge sich  auf  chemischem  Wege  noch  weniger  ein  positiver  Anhalt 
für  das  Vorhandensein  eines  mydriatisch  wirkenden  Alkaloids  ergab, 
als  dies  bei  denen,  welche  aus  dem  mit  Natriurabikarbouat  alkali- 
sierten  Kartoffelextrakte  resultierten,  der  Fall  war,  so  wurden  beide 
Lösungen  vereinigt,  um  zur  physiologischen  Prüfung  verwendet  zu 
werden.  Nach  Entfernung  des  Goldes  aus  den  gesamten  jetzt  vor- 
liegenden Lösungen  und  Ausscheidungen  durch  Schwefelwasserstoff 
wurden  die  Flüssigkeiten  zu  diesem  Zwecke  im  Vakuum  über  Ätz- 
kalk verdunstet  und  der  winzige  Rückstand  zur  Beseitiouno;  der 
letzten  Salzsäurespuren  noch  mehrere  Tage  lang  im  Vakuumexsikkator 
über  Ätzkalk  aufbewahrt.  Zur  weiteren  Reinigung  ist  der  Ver- 
dunstungsrückstand  schliesslich  noch  mit  Alkohol  extrahiert  in  der 
filtrierten  Lösung  von  neuem  im  Vakuum  verdunstet  worden. 

Die  Herren  DDr.  A.  LOHMANN  und  M.  SCHENDES  hatten  die 
Güte,  jenes  Produkt  im  hiesigen  physiologischen  Institut  an  dem 
Auge  einer  Katze  auf  seine  mydriatische  Wirkung  zu  prüfen.  Es 
konnte  jedoch  innerhalb  einer  fünfstündigen  Beobachtungszeit  nicht 
die  geringste  Pupillenerweiterung  konstatiert  werden. 

Da  nach  den  Beobachtungen  von  DONDERS  und  RUYTER^)  noch 
durch  einen  Tropfen  einer  Atropinlösung  1:130  000  Pupillenerweite- 
rung eintritt    und    auch    Hyoscyamin    dieselbe    Wirkung,    nur    etwas 


1)  Dragendorff,  Ausmittelung  von  Giften. 


136  A.  Meyer  und  F.  SGHMIDT:  Die  Wanderung  der  Alkaloide. 

langsamer,  aber  um  so  nachhaltiger,  yerursacht  (DragendoRPF  1.  c), 
so  ist  wohl  kaum  anzunehmen,  dass  in  den  410  g  der  zur  Unter- 
suchung benutzten  Kartoffeln  die  Mydriatica  in  nachweisbarer  Menge 
enthalten  waren. 

Um  einen  Anhalt  zu  gewinnen,  wie  sich  normale  Kartoffeln 
unter  den  beschriebenen  Bedingungen  chemisch  und  physiologisch 
verhalten,  wurde  1  kg  davon  in  der  gleichen  Weise  einer  Prüfung 
unterzogen.  Das  Verhalten  des  erzielten  Extraktes  war  durchaus 
das  gleiche  wie  das  der  i)a^M?'a- Kartoffelauszüge.  Die  Chloroform- 
Atherausschüttelungen  lieferten  hier  eine  Flüssigkeit,  welche  nach 
Konzentration  t  uf  etwa  2  ccm  mit  den  allgemeinen  Alkaloidreagentien 
Reaktionen  gab,  die  unter  Berücksichtigung  der  grösseren  Menge 
des  angewendeten  Untersuchungsmaterials  naturgemäss  etwas  stärker 
ausfielen  als  die  früher  beobachteten.  Bei  der  Prüfung  mit  Gold- 
chlorid traten  dieselben  Erscheinungen  auf,  wie  dieselben  oben  be- 
schrieben wurden.  Auch  hier  Hessen  sich  die  in  geringer  Menge 
ausgeschiedenen  gelblichen  Aggregate  nicht  durch  Umkristallisation 
in  eine  greifbare  Form  überführen.  Die  durch  Schwefelwasserstoff 
wieder  von  Gold  befreiten  Lösungen  wurden  daher  auch  in  diesem 
Falle,  nach  Entfernung  der  freien  Salzsäure  und  der  sonstigen  Bei- 
mengungen, zur  physiologischen  Prüfung  verwendet.  Herr  Professor 
Dr.  A.  HefFTER- Marburg  hatte  die  Güte,  letztere  auszuführen  und 
als  Resultat  derselben  mitzuteilen,  dass  sich  auch  dieses  Produkt  als 
ganz  wirkungslos  auf  die  Katzenpupille  erwiesen  hat. 

Die  Frage,  ob  Kyoscyamin  aus  dem  Pfropfreis  in  die  Unterlage 
wandert,  ist  danach  einstweilen  im  negativen  Sinne    zu  beantworten. 

Da  jedoch  die  Angaben  von  KLINGER  und  auch  die  von  LEWIN 
in  gewisser  Weise  ^)  unserer  Erfahrung  entgegenstehen,  so  wollen 
wir  unsere  Untersuchung  nochmals  wiederholen,  nachdem  wir  uns 
überzeugt  haben  werden,  dass  sich  mit  unserer  Methode  eine 
äusserst  kleine  Hyoscyaminmenge  in  Kartoffeln  nachweisen  lässt. 
Ferner  werden  wir  noch  folgende  Fragen  zu  entscheiden  versuchen: 

1.  Da  wir  wissen,  dass  aus  Blattstielen  von  Datura  das  Hyos- 
cyamin  verschwindet,  werden  wir  fragen,  ob  vielleicht  aus  ab- 
sterbenden Pfropfreisern  von  Datura  Hyoscyamin  in  die  Unterlage 
wandert. 

2.  Wir  werden  ferner  zu  entscheiden  versuchen,  ob  Hyoscyamin 
aus  entblätterten  Pfropfreisern  von  Datura  auswandert. 

3.  Es  soll  untersucht  werden,  ob  Nikotin    aus  Pfropfreisern  von 


1)  Es  ist  dabei  zu  beachten,  dass  in  der  Literatur  Angaben  vorliegen,  dass 
der  Muskarinstillstand  auch  durch  andere  Stoffe,  wie  Guanidin,  Camphor,  Veratrin, 
Digitalin  usw.  aufgehoben  werden  könne,  so  dass  es  nicht  ganz  sicher  ist,  dass  der 
Stillstand  wirklich  durch  Hyoscyamin  herbeigeführt  wurde. 


M.  TSWETT:  Spektralanalytische  Dntersuchiingeii  über  die  Chlorcphylliiie.   137 

Nicotiana  Tabacum  und  rustica  in  die  als  Unterlage  benutzte  KartofFel- 
ptianze  einwandert. 

^  4.    Wir    wollen    eventuell   Versuche    darüber    anstellen,    ob    die 
Alkaloide  der  Pfropfreiser  in  der  Unterlage  verändert  werden. 

5.    In  allen  Versuchen    soll  die  Pfropfstelle    mikrochemisch    auf 
die  Lagerung  der  Alkaloide  geprüft  werden. 


Literatur. 

Feldhaus,  Quantitative  Untersuchung  der  Verteilung  des  Alkaloides  in  den 
Organen  von  Datura  Stramonium,  Dissertation,  Marburg  1903. 

KlRCHER,  Über  das  mydriatisch  vrirkende  Alkaloid  der  Datura  metel,  Datura 
guercifolia,  Datura  arborca,  Dissertation,  Marburg  1905. 

SiLM  Jensen,  Beiträge  zur  botanischen  und  pharmakognostischen  Kenntnis  von 
Fhjoscyainus  niger  L.,  Bibliotheca  botanica  Heft  51,  1901;  Arbeit  aus  dem 
botanischen  Institute  der  Universität  Marburg. 

H.  LiNDEMUTH,  Über  angebliches  Vorhandensein  von  Atropin  in  Kartoffolknollen 
infolge  von  Transplantation  und  über  die  Grenzen  der  Verwachsung  nach 
dem  Verwandtschaftsgrade;  Berichte  der  Deutschen  Botanischen  Gesell- 
schaft 1906,  S.  428. 

E.  Strasburger,  Über  Verwachsung  und  deren  Folgen;  Berichte  der  Deutschen 
Botanischen  Gesellschaft  1885,  S.  XXXIV, 

E.  Strasburger,  Zu  dem  Atropinnachweis  in  den  Kartoffelknollen;  Berichte  der 
Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  1906,  S.  599. 

V.  Gräfe  und  K.  Linsbauer,  Über  die  wechselseitige  Beeinflussung  von  Nicotiana 
Tahaciiin  und  N.  af/inis  bei  der  Pfropfung;  Berichte  der  Deutschen 
Botanischen  Gesellschaft  1906,  S.  366. 


21.   M.  Tswett:   Spektralanalytische  Untersuchungen 
über   die   Chlorophylline   und   deren    nächste   Säurederivate 

(Chlorophyllane). 

Mit  Tafel  III. 
Eingegangen  am  25.  März  1907. 


Vorbemerkungen.  Mit  Recht  oder  nicht,  betrachtet  man  im 
allgemeinen  die  vermeintliche  „grüne  Komponente"  des  Chlorophylls 
(sehr  unzweckmässig  auch  als  Chlorophyll  bezeichnet)  als  den 
physiologisch  wichtigsten  Farbstoff  der  Blätter.  Tatsächlich  liegen 
zur  Zeit    keine  Tatsachen    vor,    welche    auf    eine  unmittelbare  opto- 


138  M.  TSWETT: 

chemische  Teilnahme  der  gelben  Chlorophyllfarbstoffe  an  der  Kohlen- 
stoffassimilation deuten. 

Die  von  KOHL  (I,  134  und  11)  dem  Karotin  zugeschriebene 
assimilatorische  Bedeutung  entbehrt  der  nötigen  Berechtigung,  da 
die  assimilatorische  Wirkung  der  blauvioletten  Strahlen  sich  unge- 
zwungen durch  die  entsprechenden  Absorptionen^)  des  „Chloro- 
phylls" (Chlorophylline  a  und  ß)  erklären  lässt.  Es  ist  auch  gar 
nicht  ausgeschlossen,  dass  im  Falle  der  assimilierenden  gelben 
Chromatophoren  (ENGELMANN,  II  441,  JOSOPAIT,  KOHL,  1136,  II) 
Spuren  von  Chlorophyllinen  darin  enthalten  waren.  Für  die  so- 
genannten Etiolinkörner  steht  sogar  die  Sache  fest,  da  dieselben 
nebst  Xanthophyllfarbstoffen  Protophylliu  („Protochlorophyll")  ent- 
halten, ein  Farbstoff,  welchen  KOHL  (II  228)  uubegreiflicherweise 
übersehen  hat.^) 

Sonst  liegt  vorläufig  der  Schwerpunkt  der  Chlorophyllforschung 
in  der  fluorescierenden  ,,grünen  Komponente"  des  Chlorophylls. 
Dieselbe  ist  aber  ein  Farbstoffgemisch,  und  da  meine  adsorptions- 
analytischen Methoden  zum  erstenmal  ermöglichen,  diese  Farbstoffe 
in  optisch  vollständig  reinem  Zustande  und  in  grösserer  Menge  zu 
erhalten,  so  hielt  ich  es  für  lohnend,  diese  Chlorophylline ^)  einer  ein- 
gehenden spektroskopischen  Untersuchung  zu  unterwerfen. 

Methodisches.  Die  im  Folgenden  untersuchten  Farbstoffe 
wurden  aus  verschiedenen  Pflanzen,  neuerdings  besonders  aus  Taxus 
baccata      mit     Hilfe      der     chromatographischen     Adsorptionsanalyse 


1)  Zwar  glaubt  KOHL  (I,  101),  dass  „karotinfreies  Chlorophyll  überhaupt 
nichts  von  der  blauvioletten  Hälfte  des  Spektrums  absorbiert".  Das  irrtümliche 
(lieser  in  der  Literatur  wohl  einzig  stehenden  Meinung  wird  schon  durch  die 
ältesten  Untersuchungen  dargetan  (vgl.  insbesondere  die  Fluorescenzuntersuchungen 
Stoke's  (I)  und  Hagenbach's  (I,  II).  Auf  seinem  grundlosen  Dogma  fussend, 
wagt  sogar  KOHL,  die  exakton  Beobachtungen  Reinke's  über  die  Zerstörung 
des  Chlorophylls  im  blau  violetten  Lichte  ohne  weiteres  als  falsch  zu  erklären, 
(loc.  cit.  p.  101). 

2)  Betreffend  die  Existenz  eines  besonderen  Chlorophyllins  (Ö)  in  den  etio- 
lierten  Blättern  kann  ich  nun  die  Befunde  TiMIEIAZEF's  und  MoXTEVEEDE's  (III), 
sowie  die  Beobachtungen  GREILACH's  bestätigen.  Eine  spezielle  Arbeit  über  die 
Farbstoffe  etiolierter  Blätter  steht  in  Vorbereitung. 

3)  TiMiRlAZEF,  der  Urheber  des  Wortes  Chlorophyllin,  bezeichnete  zwar 
damit  eine  Substanz,  die  sich  später  als  ein  Derivat  erwiesen  hat,  er  dachte  sich 
aber  darunter  ein  Teilpigment  des  Chlorophylls,  und  in  derselben  Deutung  wurde 
sptäer  diese  Bezeichnung  systematisch  von  SCHÜTT  und  von  mir  (I — IV)  ver- 
wendet. Wenn  deswegen  WillstäTTER  in  seiner  vor  kurzem  erschienenen  Ab- 
handlung (S.  bl)  das  Wort  Ciilorophyllin  wieder  für  gewisse  Derivate  benutzen 
will,  so  sind  dagegen  ebenso  historische  wie  Zweckmässigkeitsgründe  zu  erheben. 
Es  wäre  wohl  ratsam,  die  WiLLSTÄTTER'schen  Derivate  im  Anschluss  an  TSCHISCH 
als  Chlorophyllinsäuren  zu  bezeichnen.  Die  gewöhnlichen  Chlorophylline  der 
Pflanzen  wären  dann,  den  WiLLSTÄTTER'schen  Untersuchungen  nach,  als  Ester 
der  Chlorophyllinsäuren  zu  betrachten. 


Spektralanalytische  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline.  139 

(TSWETT  V,  VI)  hergestellt.  Die  mit  feinem  Schmirgel  und  etwas 
CaCOj  (behufs  Abstumpfung  der  Pflanzensäuren)  zerriebenen  Blätter 
wurden  mit  alkoholhaltigem  Petroläther  extrahiert,  die  Lösung  filtriert 
und  mit  Wasser  gründlich  ausgewaschen/)  um  den  Alkohol  daraus 
vollständig  zu  entfernen.  Diese  Lösung  wurde  nun  (in  dem  grösseren 
Apparat)  durch  eine  Säule  von  „Calcium  carbonatum  praecipitatum" 
durchfiltriert  und  das  erhaltene  Chromatogramm  mittels  CgHg  „ent- 
wickelt," wobei  sich  die  verschiedenen  gefärbten  Zonen  besser 
differenzieren  und  zuweilen  durch  farblose  Ringe  getrennt  erscheinen. 

Die  Kalkkarbonatsäule  wurde  nun  aus  der  Trichterröhre  hinaus- 
geschoben, die  Chlorophyllinzonen  mittels  eines  feinen  Skalpells  ab- 
präpariert, mittels  alkoholhaltigen  Petroläthers  extrahiert,  die  Lösungen 
filtriert  und  behufs  Entfernung  etwaiger  Xanthophyllbeimengungen, 
mit  80  prozentigem  Alkohol  nach  KRAUS  ausgeschüttelt.  Die  Reinheit 
des  erhaltenen  Präparates  kann  chromatographisch  kontrolliert  werden; 
sie  wird  bezeugt  durch  die  Bildung  einer  einzigen  homogenen  Zone. 
Ausser  dieser  Hauptmethode  der  Chlorophyllindarstellung  wurden 
auch  andere,  minder  bequeme  verwendet:  Chromatographie  von 
CgHe"  oder  CSo- Auszügen  der  Pflanzen,  Anwendung  anderer  Ad- 
sorbentien,  u.  a. 

Die  spektroskopische  Untersuchung  geschah  mittels  eines  ZeiSS'- 
schen  Spektralokulares.  Das  die  zu  untersuchende  Lösung  ent- 
haltende Probierröhrchen  befand  sich  in  dem  Tubus  eines  Mikroskop- 
statives.  Der  ganze  Apparat  wurde  in  einem  Dunkelkasten  etwa 
nach  Flügel  (Engelmann  I,  577)  disponiert.  Als  Lichtquelle 
diente  ein  AYELSBACH'scher  Gasbrenner,  dessen  Strahlen  vermittels 
eines  Reflektors  und  eines  grossen  mit  Wasser  gefüllten  Glaskolbens 
auf  den  Spiegel  des  Mikroskopstatives  konzentriert  waren.  Zur 
bequemeren  Untersuchung  der  mehr  brechbaren  Strahlen  wurde 
statt  des  erwähnten  Kolbens  ein  ebensolcher  mit  Kupferoxydammoniak- 
Lösung  erfüllter  eingeschaltet.  Die  Skala  des  Spektralokulares 
wurde  vermittels  einer  besonderen  Vorrichtung  beleuchtet,  wobei 
eine  geringe  Drehung  der  Spektralokulares  zur  Ausschaltung  der 
Skalabeleuchtung  genügte. 

Die  Einstellung  der  D-Linie  wurde  öfters  vermittels  eines  mit 
alkoholischer  Natriumsalicylatlösung  gespeisten  Spiritusbrenners  kon- 
trolliert. Zur  Kritik  der  mitgeteilten  Beobachtungen  sei  bemerkt, 
dass  die  Bestimmung  der  Absorptionsgrenzen  vermittels  des  ZEISS'schen 
Spektralokulares  im  Durchschnitte  nur  über  eine  Approximation  von 
1 — 2  fxix  verfügen  kann.  Dieser  Nachteil,  im  Vergleich  mit  den 
grösseren  Spektralapparaten,  wird  wohl  durch  die  geringere  Dispersion, 


1)  Es    soll  nicht  durchgeschüttelt  werden,  sonst  bildet  sich  leicht  eine  lästige 
Emulsion. 


140 


M.  TSWETT: 


folglich  durch  grössere  Schärfe  der  Absorptionsbänder  kompensiert. 
Es  ist  zu  empfehlen,  mit  hohen  Spektren  (langem  Spalte)  zu  arbeiten. 
Es  werden  dann  schwache  Absorptionsbänder  wahrgenommen,  welche 
bei  Betrachtung  eines  niedrigen  Spektrums  der  Beobachtung  voll- 
ständig entgehen  können. 

Absorptionsspektrum  des  Chlorophyllins  a.  Die  Äther-  oder 
Petrolätherlösung  besitzt  im  sichtbaren  Spektrum  sechs  Absorptions- 
bänder, sowie  eine  sogenannte  Endabsorption.  Auf  der  Tafel  III, 
Fig.  2,  3  und  4  sind  die  den  Konzentrationen  x,  4  x  und  16  x  der 
Tabelle  entsprechende  Spektren  abgebildet. 


Band 


Konzentration 


2x 


4x 


8x 


16  X 


32  X 


I 

II 

III 

IV 

V 

VI 

Endabsorption 


655—662 


426-438 
von  415 


652  -  670 
Spuren 


:}} 


von  442 


648-672 

600  620 

Spuren 

Spuren 


von  445 


640-675 
600  620 
560-580 
520-536 


von  450 


640-685 
595-630 
560-585| 
520  -  538 
485-500 


v.  470/ 456 


590—6951 
558  -  588/ 
516-541 
485-500 


V.  470  /  458 


Intensitätsskala  der  Bänder:  YI  ^  I^  II  ^  III  ^  lY  \  Y. 


In  allkalischer  Lösung  sind  alle  Bänder  etwas  nach  links  (gegen 
Ultrarot)  verschoben.  Die  zwei  bei  der  Konzentration  x  angegebenen 
Hauptbänder  rücken  nach  660  bezw.  431-442,  vor  (Tafel  III,  Fig.  l). 
Band  lY  erscheint  viel  matter,  und  auch  die  anderen  Bänder  minder 
«charf  begrenzt  als  in  der  äquivalenten  Atherlösu'ng.  Über  Einfluss 
der  Säuren  siehe  weiter  unten.  Die  ätherische  oder  petrolätherische 
Lösung  hat,  wenn  sehr  verdünnt,  eine  grünblaue  Farbe,  welche  bei 
zunehmender  Konzentration  in  ein  reines  prächtiges  Blau  übergeht 
In  alkoholischer  Lösung  ist  die  entsprechende  Färbung  etwas  grünlich. 
Wird  der  Alkohollösung  KOH  zugesetzt,  so  rücken  alle  Bänder 
stark  nach  rechts.     (PlEPER'sche  Reaktion.) 

Spektrum  des  Chlorophyllins  ß.  Gleich  wie  das  Chloro- 
phyllin a,  besitzt  das  Chlorophyllin  ß  ein  sechsbändiges  Absorptions- 
spektrum, welches  aber,  der  Lage  und  Intensität  der  Bänder  nach, 
scharf  von  dem  ersteren  differiert. 

Auf  der  Tafel  III,  Fig.  6  —  8,  sind  die  den  Konzentrationen  x,  8  x 
und  32  X  der  folgenden  für  eine  ätherische  bezw.  petrolätherische 
Lösung  entworfenen  Tabelle  abgebildet. 


Spektralanalytische  Untersuchnngen  über  die  Chlorophylline.  141 

Intensitätsskala   der  Bänder:   YI  N  I  J>  III    >  H  =  IV. 

In  alkoholischer  Lösung  erschienen  alle  Bänder  etwas  nach 
linlcs  verschoben,  besonders  stark  das  VI.  Die  zwei,  bei  der  Kon- 
zentration 2  X  oben  angeführten  Hauptbänder  liegen  in  alkoholischer 

Lösung  bei  640— G50,  bezw.  460-75N  80   (Tafel  III,    Fig.  5).      Die 

ätlierische  oder  petrolätherische  Lösung  des  Chlorophyllins  ß  besitzt 
eine  chlorophyllgrüne  Farbe,  während  die  alkoholische  Lösung  eine 
ausgesprochen  gelbe  Tönung  aufweist.  Will  man  die  Chlorophylline 
nach  der  Farbe  ihrer  ätherischen  Farbe  bemessen,  so  ist  dem 
Chlorophyllin  a  wohl  das  Prädikat  blau  angemessen,  während  Chloro- 
phyllin ß  als  grün  (nicht  nach  SORBY  als  gelb  zu  bezeichnen  ist. 

Wird  eine  alkoholische  Losung  des  Chlorophyllins  ß  mit  KOH 
versetzt,  so  wandern  die  Bänder  nach  rechts,  wobei  Band  VI  bei 
445— 4G0  zu  liegen  kommt.  Einwirkung  der  Säuren  ist  weiter  unten 
besprochen. 

Kontrollversuche  zur  Spektroskopie  der  Chlorophylline. 
Obgleich  bei  der  Adsorption  auf  CaCOg  die  Annahme  einer 
chemischen  Modifikation  der  Chlorophyllfarbstoffe  sehr  unwahrschein- 
lich ercheint  und  die  eben  ermittelten  Spektren  als  den  gemeinen 
Farbstoffen  angehörend  zu  betrachten  sind,  hielt  ich  es  für  geboten, 
diese  Resultate,  so  weit  als  möglich,  durch  andere  Methoden  zu  kon- 
trollieren. Zunächst  wurde  CaCOg,  an  dessen  Oberfläche,  in  der 
kapillaren  Wasserhaut,  sich  OH-Ionen  finden,  durch  Saccharose 
ersetzt.     Die  Resultate  blieben  dieselben. 

Weiter  bereitete  ich  noch  Chromatogramme  des  Chlorophylls 
auf  CaCOg  und  extrahierte  dieselben,  ohne  sie  zu  zerlegen,  mit 
alkoholhaltigem  Petroläther  (unter  Zugabe  des  durchfiltrierten 
Karotins).  Die  Lösung  zeigte  dasselbe  Absorptionsspektrum  wie  die 
anfängliche,  zur  Adsorption  verwendete.  In  anderen  Versuchen 
wurde  durch  Mischung  der  isolierten,  spektralanalytisch  untersuchten 
Farbstoffe  das  Spektrum  der  originalen  Lösung  hergestellt.  Endlich 
wurde  Chlorophyllin  a,  auch  ohne  Adsorption,  in  kleiner  Menge 
dargestellt:  Mit  Schmirgel  und  CaCOg  zerriebene  Ta^ws-Blätter 
wurden  gründlich  mit  reinem  Petroläther  extrahiert,  um,  so  weit  als 
möglich,  das  Karotin  zu  entfernen.  Dann  wurde  der  Brei  mittels 
alkoholhaltigen  Petroläthers  extrahiert  und  mit  80  prozentigem  Alkohol 
ausgeschüttelt,  um  die  Xanthophylle  und  das  Chlorophyllin  ß  zu 
entfernen,  welches  letzteres  sich  in  dem  genannten  Alkohol  reich- 
licher auflöst  als  Chlorophyllin  a.  Dann  wurde  die  Petrolätherlösung 
mit  stärkerem  (90  pCt.)  Alkohol  ausgeschüttelt,  welches  den  grössten 
Teil  des  Chlorophyllins  aufnimmt,  während  die  Petrolätherlösung 
hauptsächlich  die  letzten  Spuren  des  Karotins  behält.  Das  Chloro- 
phyllin, in  Petroläther  übergeführt,    zeigte  dann  das  schon  bekannte 


142 


M.  TSWETT: 


Konzen- 

Band 

I 

2x 

4x 

I 

ir 

III 

Spuren 

636  -  646 

636—647 

— 

— 

IV 

V 

VI 

Endabsorption  .... 

— 

448-62 
von  430 / 

448-465  1 
von  430^1 

[    von  470 

Spektrum,  namentlich  auch  die  schwachen  Bänder  IV  und  V,  in  der- 
selben Lage  und  Intensität.  Bestätigung  des  Chlorophyllin-/?-Spektrums 
liefern  die  in  dem  das  Spektrum  des  Chlorophylls  behandelnden 
Paragraphen  mitgeteilten  Versuche. 

Historisch  Kritisches.  Bekanntlich  haben  es  mehrere 
Forscher  versucht,  die  Farbstoffe  des  Chorophylls  optisch  zu  isolieren, 
und  es  ist  angezeigt,  ihre  Leistungen  vom  Standpunkte  der  von  mir 
gewonnenen  Tatsachen  zu  beleuchten.  Es  sollen  aber  nur  solche 
Arbeiten  berücksichtigt  werden,  welche  an  der  Hand  physikalischer 
Methoden  ausgeführt  wurden,  da  die  eigentlich  chemischen  Methoden 
(Benutzung  von  Säuren  oder  Alkalien)  bekanntlich  nur  zur  Derivaten 
der  Chlorophylline  führen  können. 

Der  erste,  welcher  eine  spektroskopisch  verfolgte  Entmischung 
des  Chlorophylls  unternahm,  war  STOKES  (II,  III),  welcher  leider 
über  seine  Untersuchungen  nur  höchst  lakonische  Berichte  ver- 
öffentlicht hat.  Doch  scheinen  seine  Resultate  mit  den  folgenden 
SORBY's  zusammenzufallen.  SOEBY  (II),  welcher  die  STOKES'sche 
Entmischungsmethode  (Verteilung  im  zweiphasigen  System  Alkohol  -j- 
CSg)  mit  grossem  Geschick  verwendete,  erkannte  im  Blattgrün  zwei 
fluoreszierende  Farbstoffe,  nämlich  unsere  Chlorophylline  a  und  ß,  die 
er  als  blaues,  bezw.  gelbes  Chlorophyll  bezeichnete.  In  Anbetracht 
der  grossen  Komplexität  des  Clorophyllfarbstoffgemisches  ist  es  leicht 
begreiflich,  dass  SORBY  mittels  der  benutzten  Methode  zu  keinem 
ganz  reinen  Produkte  gelangte  (er  gesteht  es  selbst  für  das  Chloro- 
phyllin ß),  doch  traten  in  seinen  Präparaten  die  Verunreinigungen 
ganz  zurück,  um  die  Absorptionen  der  Hauptpigmente  hervortreten 
zu  lassen.  Aus  SOEBY's  Zeichnungen  (Spektrogamme  der  Benzol- 
lösungen lassen  sich  die  beiden  abgebildeten  Hauptabsorptionsbänder 

als  folgend  berechnen: 

I  VI 

Chlorophyllin  a 067-675         435—442 

Chlorophyllin  ß 647—667         448—468 


Spektralanalytisclic  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline. 


143 


tration 


"      8x 

16  X 

32  X 

64x 

635  -  648 

630-650 

629    660 

625  -  665 

Spuren 

610-615 

610-615 

610-615 

585- GOO 

585  -  600 

585  -  600 

580-6051 

Spuren 

560  -  570 

560—570 

560  -  570 

535  -  550 

532-550 

530—550 

530-550 

von  470 

von  475 

von  480 

von  510  <^485 

Betreffend  das  I  Band  sieht  man,  dass  seine  absolute  Lage  nicht 
mit  der  von  mir  ermittelten  zusammenstimmt,  was  ich  auf  eine 
fehlerhafte  Einstellung  der  Linie  C  bei  SORRY  hauptsächlich  zurück- 
führe. (Die  nach  SORBY's  (I)  Angaben  entworfene  Dispersionskurve 
seines  Spektroskopes  weist  eine  auffallende  Unregelmässigkeit  zwischen 
B  und  D  auf).  SORBY's  Angabe,  dass  Chlorophyllin  ß  einige  mit  den- 
jenigen des  Chlorophyllins  a  vollständig  zusammenfallende  Absorptions- 
bänder besitzt,  lässt  sich  aus  dem  Studium  meiner  Reinpräparate 
als  irrtümlich  beweisen. 

Eine  der  STOKES'-  und  SORBY'schen  analoge  Entmischungs- 
methode des  Chlorophylls  führte  G.  KRAUS  ein,  welcher  bekannlich 
das  Chlorophyll  in  eine  blaugrüue  Benziuphase  („Kyanophyll")  und 
eine  gelbe  alkoholische  („Xanthophyll'')  Phase  zerlegte.  KRAUS' 
Kyanophyll  zeigt  in  der  mehr  brechbaren  Spektrumhälfte  zwei  Ab- 
sorptionsbänder, ^)  welche  KRAUS  als  einem  und  demselben  Farbstoff 
angehörend  betrachtet.  In  der  Tat  gehören  sie  nicht  dem  Xanthophyll- 
farbstoflf,  weil  die  Bänder  des  letzteren  keine  nennenswerthe  Lage- 
verschiedenheit in  Alkohol  und  Petroläther  aufweisen,  während  die 
erwähnten  Bänder  durch  Zusatz  von  absol.  Alkohol  stark  nach  links 
rücken.  Ich  habe  gefunden,  dass  das  erstere,  schwächere  dieser 
Bänder  von  dem  Chlorophyllin  ß  herrührt,  und  es  ist  leicht,  das 
„Kyanophyll"  frei  davon  zu  machen,  indem  man  es  wiederholt  mit 
80  prozentigem  Alkohol  ausschüttelt,  welcher  mehr  Chlorophyllin  ß 
als  a  aufnimmt.  „Kyanophyll"  ist  demnach  hauptsächlich  Chloro- 
phyllin a,  welchem  Chlorophyllin  ß  und  auch  Chlorophyllau  a  (siehe 
weiter     unten)    Xanthophyll    und     Karotin     beigemengt    sind.      Die 


1)  Ihre  Lage  ist  etwas  variabel.  Aus  KRAUS'  Angaben  (S.  100)  lässt  sie 
sich  für  Ribes  aureum  als  bei  450—470  bezw.  425-437  liegend  berechnen.  Aus 
Sachsse's  Zeichnung  für  das  Kyanophyll  von  AUium  ursinum  berechnet  man 
452-462  und  430-442  (S.  25). 


144  M.  TswETT: 

Zusammensetzung  des  „Kyanophylls"  lässt  sich  sehr  leicht  durch  die 
chromatographisohe  Adsorptionsanalyse  bestimmen.  Was  das  KraUS'- 
schen  ^Xanthophyll"  betrifft,  so  ist  es  ebenfalls  ein  Farbstoffgemenge, 
welches  ausser  den  Xanthophyllen  a,  a  und  ß  (TSWETT  YI)  kleine 
Mengen  der  Chlorophylline  entiiält  (Chlorophyllin  ß  ist  dem  Chloro- 
phyllin a  gegenüber  in  relativ  reichlicherer  Menge  als  im  „Kyano- 
phyll"  vorhanden.  Ausserdem  tritt  manchmal  in  der  KRAUS'schen 
Xanthophyllschicht  ein  besonderes  Derivat  (MONTEVERDE's 
„kristallisierbares  Chlorophyll",  vgl.  TsWETT  II,  III)  auf,  was  einige 
abweichende  Beobachtungen  SaCHSSE's  (S.  24)  über  den  Verlauf  der 
KRAUS'schen  Reaktion  erklärt. 

•  MONTEVERDE's  (I,  II)  „amorphes  Chlorophyll"  (mittels  des 
KRAUS'schen  Verfahrens  hergestellt)  ist  ebenfalls  ziemlich  reines 
Chlorophyllin  a.  Dies  wird  schon  bezeugt  durch  das  Fehlen  des 
schattenartigen  Anhangs  des  Hauptbandes  im  Rot,  sowie  durch 
Abwesenheit  des  ersten  Bandes  hinter  F,  welche  beide  Absorptionen 
von  Chlorophyllin  ß  herrühren.  Die  chromatographische  Analyse 
einer  nach  MONTEVERDE's  Vorschrift  hergestellten  Lösung  des 
„amorphen  Chlorophylls"  (aus  Aspidütra  elatior)  zeigte  mir  jedoch 
das  spurweise  Vorhandensein  von  Chlorophyllin  ß^  Chlorophyllan  a, 
Xanthophyll  und  Karotin. 

Reines  „Chlorophyll"  (Chlorophyllin  a)  glaubte  C.  A.  SCHUNCK 
(I,  II)  spektrophotographisch  zu  definieren,  indem  er  einen  heiss 
bereiteten  alkoholischen  Blätterauszug  nach  Erkalten  filtrierte  und 
das  Filtrat  optisch  untersuchte  Eis  wurden  zwischen  den  Linien  F 
und  K^  (404,5)  drei  Bänder  bestimmt.  Aus  der  Tatsache,  dass  die- 
selben niit  denjenigen  des  Chrysophylls  (Karotins)  nicht  zusammen- 
fallen, kann  aber  nicht  gefolgert  werden,  wie  es  SCHUNCK  (II,  183)  und 
MARCHLEWSKI  und  SCHUNCK  (II,  258)  tun,  dass  diese  Bänder  dem 
„Chlorophyll"  (der  vermeintlichen  „grünen  Komponente")  angehören. 
Es  ist  ausserdem  klar,  dass  die  untersuchte  Lösung  sämtliche 
Chlorophyllpigmente  nebst  Derivaten  enthielt,  und  die  beobachteten 
Bänder  könnten  sehr  wohl  Interferenzbänder  sein.  MARCHLEWSKI 
und  SCHUNCK  (I,  II)  haben  es  versucht,  die  Chlorophylline  a 
und  ß  (MarCHLEWSKI's  „Chlorophyll"  und  „Allochlorophyll")  nach 
SORBY  zu  isolieren.  Es  gelang  ihnen  aber  nicht  in  befriedigender 
AVeise.^)  Denn  die  entsprechenden  Lösungen  zeigten  im  Blauviolett 
entweder  die  drei  Bänder  die  Rohchlorophylllösung  oder  die  Bänder 
der  Xanthophyllfarbstoffe.  Diese  drei  Bänder  des  Chlorophylls  sind 
aber  Interferenzbänder,    welche    hauptsächlich  durch  Chlorophyllin  ß 


1)  Über  MarCHLEWSKI's  (I,  II)  unberechtigte  Ausprüchc,  betreffend  die 
Erforscliunfr  der  gemeinen  Chlorophjllfarbstoffe  habe  ich  mich  schon  ausführlich 
(VII)  ausgesprochen. 


Spektralaualytischc  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline.  145 

(Band  hinter  F)    und  Chloropliyllin  a  (Band  vor  G)  verursacht  sind. 
Darüber  weiter  unten. 

MarCHLEWSKI  und  C.  A.  SCHÜNCK  glauben  bewiesen  zu  haben, 
dass  „Chlorophyll"  (d.  h.  Chlorophyllin)  kein  Band  im  Grün  verur- 
sacht. Das  entsprechende  IV.  Band  einer  gewöhnlichen  Chlorophyll- 
lösuno-  soll  ausschliesslicli  von  einem  Derivate  herrühren.  Es  wurde  bei 
Zimmertemperatur  im  Dunkeln  ein  alkoholischer  Auszug  aus  Ficus 
/r/>^n5- Blättern  gemacht,  welcher  das  IV.  Band  nur  schwach  ausgeprägt 
besass;  nach  KRAUS  mittels  Petroläther  im  Dunkeln  gereinigt  zeigte 
dann  das  „Chlorophyll"  keine  Spur  des  IV.  Bandes.  Zahlenmässige 
Daten  fehlen,  und  der  Gedanke  liegt  nahe,  dass  MARCHLEWSKI  und 
SCHUNCK  ihre  Lösung  in  zu  schwacher  Konzentration  (geringer  Dicke) 
untersucht  haben.  Ich  habe  diesen  Versuch  wiederholt.  Einmal 
wurde  genau  nach  der  gegebenen  Vorschrift  verfahren  und  die  nach 
Kraus  erhaltene  petrolätherische  Lösung  dreimal  mit  SOprozentigem 
Alkohol    auso-eschüttelt.      In    einem    anderen    Versuche    wurde    der 


o' 


alkoliolische  Auszug  schnell  aus  geriebenen  Blättern  hergestellt.  In 
beiden  Fällen  war  das  IV.  Band  bei  fallender  Konzentration  leicht 
zu  konstatieren.     Z.  B.:  Dicke  der  Schicht  WO  mm.     Bänder:  I  (630 

bis  680)  )>  II  (600—620)^  III  (565-585)))  IV  (526-540);  End- 
absorption von  490  ab.  Bei  halber  Dicke  der  Schicht  war  noch 
das  IV.  Band  deutlich  zu  unterscheiden. 

Über  die  Säurederivate  der  Chlorophylline.  Eine  regel- 
rechte chemische  Untersuchuno"  einer  Substanz  muss  mit  der  Dar- 
Stellung  dieser  letzteren  anfangen.  Diesem  Grundpostulate,  betreffend 
das  „Chlorophyll"  (die  Chlorophylline),  konnte  man  bisher  nicht 
genug  tun,  und  eine  exaktere  chemische  Erforschung  dieser  Farb- 
stoffe kann  daher  nur  jetzt  anfangen.  Es  wird  sich  dabei  zeigen, 
dass  manches  als  definitive  Errungenschaft  gepriesenes  Resultat  der 
Wirklichkeit  nicht  adäquat  ist.  Die  sog.  „Chemie  des  Chlorophylls" 
harrt  einer  vollständigen  Revision.  Es  soll  hier  vorläufig  nur  über 
die  nächsten  Säurederivate  der  Chlorophylline  berichtet  werden, 
welche  ich  im  Anschluss  an  HOPPE-SeyLER  als  Chlorophyllane 
zu  bezeichnen  proponiere. 

Jedes  Chlorophyllin  liefert  ein  besonderes  Chlorophyllan,  welches 
mit  dem  entsprechenden  Buchstaben  zu  bezeichnen  ist  Bei  Ein- 
wirkung der  starken  Säuren  (HCl,  HgSO^)  erleiden  die  Chlorophyllane 
eine  weitere  Modifikation,  wobei  aus  dem  Chlorophyllan  a  das  in  der 
Literatur  als  „Phyllocyanin"  bekannte  Produkt  entsteht,  während 
Chlorophyllan  ß  sog.  Phylloxanthin  liefert.  Spektroskopisch  sind  diese 
Stoffe  den  entsprechenden  Chlorophyllanen  ähnlich.  Über  diese 
Derivate  sowie  über  die  vermeintliche  Umwandelbarkeit  des  Phyllo- 


146 


M.  TSWETT: 


cyanins  in  Phylloxantliin  werde  ich  an  anderem  Orte  ausführlich  be- 
richten. 

Um  Chlorophyllane  darzustellen  kann  man  in  zweifacher  Weise 
verfahren.  Entweder  bereitet  man  sich  reine  Chlorophyllinlösungen 
und  behandelt  dieselben  mit  Oxal-  oder  Essigsäure,  oder  man  be- 
arbeitet von  vornherein  das  Pflanzenmaterial  mit  organischen  Säuren 
und  stellt  sich  daraus  einen  petrolätherischen  Auszug  her,  welcher 
dann  in  bekannter  Weise  der  chromatographischen  Zerlegung  unter- 
worfen wird.  Die  Chlorophyllane  erscheinen  im  Chromatogramme 
als  braungelbgrüne  (Chi.  ß)  bezw.  stahlgraue  (Chi.  a)  Zonen,  welche 
in  willkommener  Weise  durch  einen  Xanthophyllring  getrennt  auf- 
treten. Die  Isolierung  der  Chlorophyllane  geschieht  nach  der  für  die 
Darstellung  der  Chlorophylline  gegebenen  Vorschrift.  Die  beiden 
Methoden  der  Chlorophyllanbereitung  liefern  identische  Produkte. 

Spektrum  des  Chlorophyllans  a.  Die  graugrüne  ätherische 
oder  petrolätherische  Lösung  gibt  folgende  Spektralbilder.  Auf 
Taf.  in  Eis;.  9  und  10  sind  die  den  Konzentrationen  2x  und  16  x 
der  Tabelle  entsprechenden  Spektren  abgebildet. 


Band 

Konzentration 

X 

2x 

4x 

8x 

16  X 

32  X 

I 

II 

III 

IV 

V 

VI 

VII 

Endabsorption    . 

660  -  670 
von  425  (^ 

660-670 

Spuren 
Spuren 

von  425^ 

658-675 

530-539 
495-510 

von  430 

652-678 

600-615 

,530-539 
495  -  510 

von  435 

650  -  680  ■> 
632  -  638  J 
600-620 

Spuren 
530-539  \ 
492-511 

Sparen 
von  440 

645-682  1 

632-638 

600-628/ 

552-568 

528-5401 

490-515 

462-478 

von  445    ) 

Intensitätsskala  der  Bänder:  l")  V  =  Nl}  IIl")  IV^  II  =  VII. 


Die  alkoholische  Lösung  ist  von  violettgrauer  Farbe.  Die  Ab- 
sorptionsbänder erscheinen  denjenigen  der  ätherischen  Lösung  gegen- 
über etwas  nach  links  verschoben.  Band  I  bleibt  jedoch  in  seiner 
Lage  unverändert. 

Spektrum  des  Chlorophyllans  ß.  Die  grüngelbe  ätherische 
oder  petrolätherische  Lösung  ist  durch  folgendes  Spektrum  charakteri- 
siert. Auf  Taf.  III  Fig.  11  und  12  sind  die  den  Konzentrationen  x 
und  8x  der  Tabelle  entsprechenden  Spektren  entworfen. 


Spektralanalytische  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline. 


147 


B 

xnd 

Konzentration 

X 

2x 

4x 

8x 

16x 

32  X 

1 

II 

650-660 

448-452 
430  -  440 
von  420 

650-660 
/von  452 

650-660 

Spuren 

Spuren 

530-539| 

515-522J 

von  455 

642-665 
Spuren 
592  -  608 
552  -  563 
530-539-1 
515-522J 
Spuren 

von  460 

640-670 
622-628 
590-610 
551-565 

515    540 

480-490 

von  465 

632-670  1 
622    628 

III 

590-612 

IV 

550-566 1 

V 

VI       

510  540:^ 
480-490  ■' 

VII 

VIII 

IX 

von  470 

Endabsorption  . 

Insensitätsskala  der  Bänder:  IX)>VIIl)>  1/ V  =  Yl^  III  =  IV^ Viy  II. 


In  alkoholischer  Lösung-  sind  die  Bänder,  I  ausgenommen,  etwas 
nach  links  verschoben;  ausserdem  fliessen  V -{- VI  sowie  YIII -|- IX 
zu  mehr  oder  weniger  einheitlichen  Bändern  zusammen. 

Über  das  Spektrum  des  Chlorophylls.  Das  Spektrum  einer 
Chlorophylllösung  ist  nicht  und  kann  nicht  etwas  konstant  Definiertes 
sein,  und  dies  aus  drei  Gründen:  1.  Das  Chlorophyll  ist  ein  kom- 
plexes Farbstoffgemisch,  und  es  ist  nicht  zu  erwarten,  dass  seine 
Komponenten  immer  in  denselben  relativen  Proportionen  vorkommen. 
2.  Bei  der  Extraktion  des  Chlorophylls  können  die  Farbstoffe  modi- 
fiziert werden,  insbesondere  unter  dem  Einfluss  der  wohl  selten 
fehlenden  Pflanzensäuren.  3.  Bei  gleichartigem  Material  und  unter 
Beseitigung  der  chemischen  Einwirkungen  ist  die  Zusammensetzung 
der  Chlorophylllösung  von  der  Art  und  Dauer  der  Extraktion  ab- 
hängig, da  die  verschiedenen  Komponenten  sich  nicht  in  gleichem 
Schritte  auflösen  und  durch  etwaige  unverletzte  Zellhäute  diosmieren. 
Als  Spektrum  des  Chlorophylls  wird  im  folgenden  das  Spektrum 
einer  Lösung  untersucht,  welche  durch  schnelle,  aber  vollständige 
Extraktion  mit  absolutem  Alkohol  von  mit  gepulvertem  Glas  fein 
zerriebenen  Blättern  {Ficus  repens,  Spnplocos  japonicus)  erhalten 
wurde. 

In  der  linken  Spektrumhälfte  zeigen  solche  Lösungen  die  vier 
bekannten,  nach  rechts  ausklingenden  Absorptionsbänder.  Das  sehr 
matte  Band  IV  liegt  bei  531—543.  Band  I  erscheint  bei  geringer  Kon- 
zentration als  aus  einer  starken    linken    (652 — 670)    und    schwachen 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellscli.    XXV.  ^^ 


148  M.  TSWETT: 

rechten  (640—652)  Hälfte  gebaut.  Zwischen  F  und  h  sind  bei 
passender  Yerdünnung-  ein  Band  465—485  und  ein  ansehnlich 
stärkeres  432 — 443  zu  sehen.  Dieselben  sind  hauptsächlich  durch 
Chlorophylline  bestimmte  Kombinationsbänder.  Ximmt  man  nämlich 
eine  dünne  Schicht  der  Lösung,  welche  die  erwähnten  Bänder  nur 
schwach  aufweist,  und  versetzt  dieselbe  mit  KOH,  so  erblickt  man 
nach  vollendeter  Wirkung  statt  des  früheren  ein  bei  445 — 460 
liegendes  starkes  Band  und  eine  bei  430  beginnende  Endabsorption. 
Das  Band  445—460  ist  aber,  wie  wir  früher  sahen,  dem  Alkali- 
derivat des  Chlorophyllins  ß  eigen.  Nimmt  man  eine  dickere  Schicht 
der  Lösung,  so  bleibt  nach  KOH -Einwirkung  hinter  F  ein  Band 
470  —  485,  welches  ein  Interferenzband  der  durch  KOH  nicht  ver- 
änderten Xanthophyllfarbstoffe  ist.  Ähnliche  Wirkung  wie  KOH  hat 
Oxalsäure,  wobei  auf  450  das  früher  ermittelte  Band  des  Chloro- 
phyllans  ß  erscheint 

Die  vier  Bänder  der  linken  Chlorophyllspektrumhälfte  sind  aber 
auch  ausgesprochene  Kombinationsbänder,  besonders  das  I.  doppelte 
Band  sowie  das  IV.,  welches  durch  teilweise  Überdeckung  der  ent- 
sprechenden Chlorophyllinbänder  sowie  eventuell  des  Y.  Bandes  des 
Chlorophyllans  a  entsteht. 

Schüttelt  man  die  alkoholische  Chlorophylllösung  unter  vor- 
sichtigem Wasserzusatz  mit  Petroläther  nach  KRAUS,  so  erscheint  in 
der  schwach  grünlichgelben  Xanthophyllschicht  bei  genügender  Dicke 
das  IV.  Band  als  bei  535  —  550  liegend  und  dem  bei  570  beginnenden 
und  links  schlecht  abgegrenzten  III.  Band  gleich  oder  selbst  über- 
legen. Die  zweite  Hälfte  des  I.  Bandes  erscheint  relativ  intensiver 
als  in  der  ursprünglichen  Lösung,  und  unter  Umständen  erhält  mau 
sogar  diese  beiden  Hälften  äquipotent  und  durch  ein  Absorptions- 
minimum getrennt.  In  einer  solchen  Lösung  ist  das  III.  Band  nicht 
mehr  zu  unterscheiden,  während  das  IV.  bei  535  —  550  hervortritt. 
Schüttelt  man  das  „Kyauophyll"  wiederholt  mit  80  prozentigem 
Alkohol,  so  zeigen  die  alkoholischen  Phasen  zwischen  F  und  A  die 
beiden  erwähnten  Chlorophyllinbänder,  von  denen  das  erstere, 
schwächere,  dem  Chlorophyllin  ß  angehörende,  allmählich  schwächer 
und  schwächer  wird  und  endlich  vollständig  verschwindet.  Alle  diese 
Tatsachen  waren  ersichtlich  aus  den  von  mir  ermittelten  Absorptions- 
spektren der  Chlorophylline  vorauszusehen  und  bilden  daher  eine 
letzte,  fast  überflüssige  Bestätigung  desselben. 

Hauptergebnisse.  Die  beiden  hier  zuerst  in  reinem  Zustande 
untersuchten  fluoreszierenden  Komponenten  des  Chlorophylls  (Chloro- 
phylline a  und  ß)  besitzen  jede  ein  scharf  charakteristisches,  sechs- 
bändiges Spectrum.  Bei  geringer  Konzentration  überdecken  sich 
die  Absorptionen  der  Chloropliylline  u  und  ß  nicht.  Lauter  Einfluss 
der  schwachen  Säuren  liefern    die  Chlorophylline    nicht    die    in    der 


Spektralanalytische  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline.  149 

Literatur  als  Phyllocyanin  und  Phylloxauthin  bekannten  Produkte, 
sondern  jedes  verwandelt  sich  zu  einem  besonderen  Clilorophyllan. 
Das  Spektrum  einer  vollständigen  Chlorophylllösung  ist  ein  Kombi- 
nationsspektrum, ebenso  in  der  rotgelben  wie  in  der  blauvioletten 
Hälfte.  Die  erste  Hälfte  des  Hauptabsorptionsbandes  im  Rot  gehört 
dem  Chlorophyllin  a,  die  zweite  dem  Chlorophyllin  ß.  Das  IV.  Band 
entsteht  durch  teihveise  Überdeckung  der  entsprechenden  Chloro- 
phyllinbänder  sowie  des  V.  Chlorophyllin  a- Bandes.  Das  Y.  hinter 
F  liegende  Band  gehört  dem  Chlorophyllin  ß,  während  das  VI.  (vor 
G)  vom  Chlorophyllin  a  herrührt.  Es  findet  somit  zwischen  den 
fluoreszierenden  Komponenten  des  Chlorophylls  eine  w^eitgehende 
optische  Arbeitsteilung  statt. 


Literatur. 


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VVillstätter.  S.,  Liebig's  Ann.  350  (1906)  48. 


IV 


150  C.  A.  Weber: 

Erklärung  der  Tafel. 


Absorptionsspektren  der  Chlorophylline  und  Chlorophyllane  (Zeiss'  Spektralokular; 

WelsbACHER  Gaslicht). 
Fig.     1.  Chlorophyllin  a  in  alkoholischer  Lösung.     Schwache  Konzentration. 

„       2.  Dasselbe    in    ätherischer   (oder    petrolätherischer  Lösung).     Schwache  Kon- 
zentration. 

„       3.  Dasselbe;  vierfache  Konzentration. 
4.  Dasselbe:  IG-fache  Konzentration. 

„       5.  Chlorophyllin  ß  in  alkoholischer  Lösung.     Schwache  Konzentration. 

„       6.  Dasselbe  in  ätherischer  Lösung.     Schwache  Konzentration. 

„       7.  Dasselbe;  achtfache  Konzentration. 

,       8.  Dasselbe;  32-fache  Konzentration. 

„       9.  Chlorophyllan  a  in  ätherischer  Lösung.     Schwache  Konzentration. 

„     10.  Dasselbe;  achtfache  Konzentration. 

.,     11.  Chlorophyllan  ß  in  ätherischer  Lösung.     Schwache  Konzentration. 

,      12.  Dasselbe;  achtfache  Konzentration. 


22.  C.  A.Weber:  Euryaie  europaea  nov.  sp.  foss. 

Mit  Tafel  IV. 
Eingegangen  am  27.  März  1907. 


Von  Herrn  W.  SUKATSCHEFP  in  St.  Petersburg  erhielt  ich  im 
Dezember  des  vorigen  Jahres  einen  ihm  unbekannten  fossilen  Samen, 
den  er  in  einem  interglazialen  Süsswassermergel  bei  Lichwin  im 
Gouvernement  Kaluga  gefunden  hatte,  zur  Bestimmung.  Der  Samen 
zeigte  auf  den  ersten  Blick  Eigentümlichkeiten,  die  mich  lebhaft  an 
die  der  Samen  von  Euryaie  ferox  Salisb.  erinnerten,  welche  ich  bei 
einer  früheren  Gelegenheit  kennen  gelernt  hatte.  Ich  beschloss 
daher,  die  Frage,  ob  er  mit  dieser  Art  oder  Gattung  iu  nähere  Be- 
ziehung gebracht  werden  könne,  eingehend  zu  prüfen,  und  teile  im 
Folgenden  das  Ergebnis  meiner  Untersuchung  mit,  da  vorderhand 
keine  Aussicht  vorhanden  ist,  mehr  fossiles  Material  zu  erhalten,  und 
Herr  SUKATSCHEFF  das  Ergebnis  für  seine  demnächst  stattfindende 
ausführliche  YeröfFentlichuno-  über  die  betreffende  interglaziale  Fund- 
statte  zu  verwerten  wünscht. 

Der  fossile  Samen  ist  von  dunkelbrauner  Farbe,  5,60  mm  hoch, 
5,65  mm  breit  und  4,10  mm  dick.  Er  lässt  Operkulum,  Hilum  und 
Raphe  erkennen    und    ist  durch    Druck    während    der    fossilen    Auf- 


Euryale  europaea  nov.  sp.  foss.  151 

bevvahrung  von  der  Seite  der  Raphe  her  abgeflacht  worden,  so  dass 
er  jetzt  im  Querschnitt  elliptisch  erscheint.  Ursprünglich  war  der 
Querschnitt  kreisrund.  Berücksichtigt  man  dies,  so  lautet  die 
Diagnose: 

Samen  eiförmig,  am  Mikropylarteil  gestutzt  und  dort  mit  einem 
etwas  eingesenkten,  verhältnismässig  grossen,  kegelig  zitzenförmigen 
Operkulum  versehen.  Raphe  kräftig,  einen  vorspringenden,  ge- 
rundeten Kiel  bildend.  Hilum  länglich  elliptisch,  ausserhalb  des 
Operkukims  liegend.  Samenschale  derb,  glatt,  glanzlos,  bei  zehn- 
maliger Lupenvergrösserung  durch  die  etwas  vorgewölbten  Epithel- 
zellen chagrinartig  aussehend,  dreischichtig.  Die  Höhe  des  einzigen 
vorliegenden  Exemplars  5,60  mm,  sein  (ursprünglicher)  Durchmesser, 
ausschliesslich  der  Raphe,  etwa  4,5  mm. 

Das  Operkulum  ist  infolge  des  Zusammendrückens  jetzt  elliptisch. 
Seine  «"esrenwärtigen  Durchmesser  sind  2,14  mm  und  1,25  mm.  Der 
Durchmesser  in  dem  ursprünglichen,  kreisrunden  Zustande  betrug 
1,70  vim.  An  der  Spitze  findet  sich  die  Mikropyle  in  Gestalt  einer 
kleinen  Grube,  deren  Wall  von  einigen  radialen  Falten  durchsetzt  wird. 

Das  Hilum  ist  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  unverändert  ge- 
blieben, 2,64  mm  lang,  1,24  mm  breit,  länglich-elliptisch.  In  der 
Mitte  zeigt  es  die  Narbe  des  Gefässbündels  als  eine  kleine  Ver- 
tiefung. Mit  seinem  oberen  Scheitel  stösst  es  an  das  Operkulum, 
mit  ihm  durch  eine  schmale  Einsattelung  des  Walles  der  Samen- 
schale verbunden,  der  das  Operkulum  umgibt. 

Die  Raphe  ist  stark  entwickelt,  gerundet-kielartig.  Sie  ist  im 
oberen  Teile,  der  das  Hilum  trägt,  verbreitert  und  springt  etwa 
0,8  mm  aus  der  Samenoberfläche  vor.  Nach  unten  verschmälert  und 
verflacht  sie  sich. 

Die  Samenschale  ist  0,27  bis  0,32  mm  dick. 

Ihr  Epithel  besteht  aus  einer  einzigen  Lage  flach  palisaden- 
artiger Zellen,  die  von  der  Oberfläche  gesehen  unregelmässig  hexa- 
ffonal  und  mit  geraden  Seitenwänden  erscheinen.  Ihre  äussere  Wand 
ist  flach  nach  aussen  gewölbt.  Im  unteren  Teile  des  Samens  (woher 
der  abgebildete  Querschnitt  Fig.  Jl  stammt)  ist  die  äussere  W^and 
infolge  von  Druck  oft  etwas  verbogen  und  nach  innen  gekrümmt. 
Die  Zellen  lassen  keine  regelmässige  Anordnung  in  Reihen  erkennen, 
mit  Ausnahme  eines  schmalen  Saumes  in  der  Umgebung  des  Oper- 
kulum, wo  sie  mehrere  konzentrische  Reihen  bilden.  Auf  Quer- 
schnitten durch  die  Schale  erscheinen  die  Epithelzellen  oblong, 
39—46  /t  hoch  und  36—90  jj,  (im  Durchschnitt  aus  50  Messungen 
68  jx)  breit.  Alle  Wände  sind  verdickt,  am  meisten  die  Innenwände. 
Die  Aussenwände  sind  ungetüpfelt,  die  Seitenwände  mit  einem  zarten 
Netzwerk  mit  rautenförmigen  Maschen,  die  Innenwände  mit  wenigen 
spaltenartigen,  sehr  kleinen  Tüpfeln    besetzt.     Alle  Epithelzellen  er- 


152  C.  A.  WEBEE: 

füllt  eine  feinkörnige,  undurchsichtige  Masse,  deren  Natur  ich  nicht 
aufgeklärt  habe,  da  ich  den  Samen  nicht  vollständig  der  Unter- 
suchung opfern  wollte. 

Die  mittlere  Schicht  der  Samenschale  ist  190 — 195  [x  dick.  Sie 
besteht  aus  acht  bis  zwölf  Lagen  rundlicher,  in  radialer  Richtung 
meist  etwas  abgeflachter  Zellen  mit  Interzellulargängen.  Yon  den 
Zellwänden  sind  fast  immer  nur  die  Primärlamellen  erhalten,  doch 
finden  sich  hin  und  wieder  Reste  von  Wandverdickungen.  Wahr- 
scheinlich war  die  Schicht  ein  Sklerenchym.  In  der  Richtung  nach 
dem  Sameninnern  verflachen  und  strecken  sich  die  Zellen  allmählich 
stärker  und  gehen  ohne  scharfe  Grenze  in  die  der  folgenden  Schicht 
über. 

Die  innerste  Schicht  der  Samenschale  besteht  aus  radial  stark 
abgeflachten,  von  der  Fläche  aus  gesehen  polygonalen  Zellen,  die 
sich  nach  ihren  Räudern  schneidend  scharf  verjüngen  und  daher  auf 
verschieden  gerichteten  Querschnitten  prosenchymatisch,  zwei-  bis 
dreimal  so  lang  wie  die  Zellen  der  mittleren  Schicht  erscheinen.  Sie 
sehliessen  sich  lückenlos  aneinander.  Es  sind  ebenfalls  nur  die 
Primärlamellen  erhalten  geblieben.  Die  Dicke  der  innersten  Schalen- 
Schicht  beträgt  rund  45  //.     Sie  enthält   fünf   bis  sieben  Zellenlagen. 

Ich  bemerke  noch,  dass  sich  auch  in  den  beiden  äusseren 
Schichten  der  Samenschale  bei  Schnitten,  die  senkrecht  zur  Ober- 
fläche, aber  unter  beliebigen  Winkeln  zur  Längsachse  des  Samens 
geführt  waren,  stets  dasselbe  Bild  der  Zellen  ergab. 


Die  rezente  Eu7^yale  fe)'oa\  mit  der  wir  die  vorstehenden  Befunde 
zu  vergleichen  haben,  hat  eiförmige,  am  Mikropylarende  gestutzte 
Samen,  die  bis  12  mm  Höhe  und,  abgesehen  von  der  Raphe,  bis  8  r?im 
Querdurchmesser  aufweisen.  Die  Raphe  wiederholt  die  Verhältnisse 
des  fossilen  Samens,  das  Operkulum  in  gleicherweise.  Sein  Durch- 
messer schwankt  bei  den  mir  vorliegenden  Samen  zwischen  1,67  und 
1,90  Wim.  Das  Hilum  ist  verhältnismässig  viel  kleiner  als  bei  dem 
fossilen  Samen  und  mehr  rundlich  elliptisch.  Seine  beiden  Durch- 
messer betragen  1,00 — 2,25  und  0,80 — 1,00  mvi 

Alle  vollkommen  ausgereiften  Samen  dieser  Art  (mehrere  aus 
botanischen  Gärten  des  Festlandes  im  Samentausch  erhaltene  waren 
dies  nicht),  die  ich  gesehen  habe,  besitzen  eine  dunkelbraune,  glanz- 
lose, bei  Lupenvergrösserung  chagrinartig  erscheinende  und  auffallend 
höckerige,  dicke  Schale.*) 


1)  Ausser  mehreren  aus  Bengalen  .stammenden,  in  meinem  Besitz  befindlichen 
Samen  habe  ich  ferneres  Material  durch  die  Güte  des  Herrn  Dr.  F.  DARWIN,  der 
Direktion  des  Botanischen  Gartens  in  Kew  und  Herrn  Dr.  BITTER  in  Bremen  er- 
halten. Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  ihnen  auch  an  dieser  Stelle  meinen 
Dank  dafür  auszusprechen. 


Euryale  europaea  nov.  sp.  foss.  153 

Wenn  die  Abbildung  des  Samens  von  Eunjale  ferox^  die  BaiLLON 
gegeben  hat/)  richtig  ist,  so  kommen  aber  auch  Körner  mit  glatter 
Schale  vor,  wie  sie  der  fossile  Samen  besitzt.  Die  Höcker  sind  bei- 
läufig durch  eine  ungleichmässige  Verdickung  der  Schale  hervor- 
gerufen, die  ihrerseits  wieder  durch  eine  Vergrösserung  der  Epithel- 
zellen und  eine  Vermehrung  der  Zellenlagen  der  mittleren  Schicht 
bedingt  ist.  Der  eigentliche  Kern  der  Samen  (das  Perisperm)  ist 
immer  ganz  glatt. 

Die  Zellen  der  äusseren  Schicht  sind,  wie  bei  dem  fossilen 
Samen,  nur  in  dem  schmalen  Saume,  der  die  Operkularöffnung  um- 
gibt, in  einigen  konzentrischen  Reihen,  im  übrigen  aber  nicht  ge- 
ordnet. 

Die  Dicke  der  Samenschale  beträgt  an  den  dünneren  Stellen 
0,60 — 0,65,  an  den  dickeren  0,75 — 0,90  mm.  Die  Schale  lässt  die- 
selben drei  Schichten  wie  die  des  fossilen  Samens  erkennen. 

Die  Epithelzellen  sind  deutlicher  palisadenförmig,  90 — 175  ^t 
hoch,  55 — 170  ii  im  Qiierdurchmesser  breit,  bei  unregelmässig  hexa- 
gonalem  Querschnitt.  Der  Hauptunterschied  gegenüber  dem  fossilen 
Samen  liegt  darin,  dass  die  Aussenwände  zitzen-  bis  knaufartig  aus- 
gestülpt sind,  die  starke  Verdickung  sich  nur  auf  die  Aussen-  und 
Innenwand  erstreckt,  und  dass  Seiten-  und  Innenwand  ziemlich  gleich- 
massig  mit  ziemlich  zerstreuten,  grossen,  spaltenförmigen  Tüpfeln 
bald  mehr,  bald  minder  reichlich  versehen  sind.  Sämtliche  Epithel- 
zellen sind  dicht  mit  körnigem  Gerbstoff  erfüllt. 

Die  mittlere  Schicht  der  Samenschale  besteht  aus  kugeligen  bis 
etwas  abgeflachten,  reich  getüpfelten,  ebenfalls  gerbstoffhaltigen 
Sklerenchymzellen  mit  Interzellulargängen.  Sie  zeigt,  abgesehen  von 
der  Gesamtdicke,  die  0,35 — 0,62  mm  beträgt,  und  von  der  be- 
deutenden Grösse  der  Zellen,  gute  Übereinstimmung  mit  der  mittleren 
Schicht  des  fossilen  Samens.  Die  Zahl  der  Zellenlagen  beträft  an 
den  dünneren  Stellen  der  Schale  etwa  8  bis  10,  an  den  dickeren  14 
bis  16,  zuweilen  auch  18. 

Ebenso  zeigt  die  innerste  Schicht,  in  welche  die  vorige  all- 
mählich übergeht,  genau  dieselben  Verhältnisse  wie  dort,  abgesehen 
von  den  grösseren  Zellen.  Sie  ist  bei  Euryale  ferox  0,13  mm  dick 
und  besteht  aus  sieben  bis  neun  Lagen  abgeplatteter,  an  den  Rändern 
zugeschärfter,  polygonaler  Zellen,  ohne  Interzellularen,  mit  ver- 
dickten, reich  getüpfelten  Wänden  und  etwas  Gerbstoffgehalt. 

Auch  hier  ergeben  verschieden  gerichtete  Schnitte  immer  das- 
selbe Zellenbild  der  Samenschale. 


1)  Histoire  desPlantes,  Paris  1872,  t.  3  und  dieselbe  Abbildung  in  Dictionnaire 
de  Botanique,  Paris  1886,  t.  2. 


154  C.  A.  Weber: 

Übereinstimmung'  besteht  demnach  zwischen  dem  fossilen  Samen 
und  denen  von  Euryale  ferox  in  der  eiförmigen  Gestalt  mit  gestutztem 
Mikropylarteil,  dem  Vorhandensein  einer  stark  entwickelten,  rundlich- 
kielartigen,  oben  verbreiterten  und  kräftig  vorspringenden,  unten 
verschmälerten  und  verjüngten  Raphe,  eines  etwas  eingesenkten, 
kegelig-zitzenförmigen  Operkulums,  das  an  der  Spitze  die  Mikropyle 
trägt,  eines  grossen  elliptischen  Hilums,  das  ausserhalb  der  Oper- 
kulums liegt,  aber  unmittelbar  an  dieses  stösst,  und  endlich  in  dem 
allgemeinen  Bau  der  Samenschale. 

In  allen  diesen  Punkten  tritt  die  Ähnlichkeit  der  beiderlei 
Samen  so  unverkennbar  und  auffallend  hervor,  dass  die  Annahme 
einer  generellen  verwandtschaftlichen  Beziehung  der  Pflanzen,  von 
denen  sie  herrühren,  wie  ich  glaube,  nicht  ungerechtfertigt  erscheint. 
Das  Vorhandensein  eines  Operkulum  und  die  Lage  des  Hilums 
ausserhalb  desselben  sind  nach  CasPARY  in  der  Famile  der 
Nymphaeaceen  entscheidende  Merkmale  der  Gattung  Euryale. 

Die  Unterschiede  des  fossilen  Samens  gegenüber  denen  von 
Euryale  ferox  liegen,  wenn  wir  von  den  durch  die  Fossilisierung  be- 
dingten absehen,  in  der  geringeren  Grösse  des  ganzen  Körpers,  der 
stärkeren  Entwicklung  und  mehr  gestreckten  Gestalt  des  Hilums, 
der  geringeren  Dicke  der  Samenschale,  der  geringeren  Grösse  ihrer 
Zellen  und  in  der  abweichenden  Ausbildung  des  Epithels. 

Die  meisten  dieser  Abweichungen  sind  möglicherweise  individuelle 
Eigentümlichkeiten  des  einzigen  vorhandenen  fossilen  Exemplares. 
Das  gleiche  gilt  vielleicht  auch,  wenn  die  erwähnte  BAILLON'sche 
Abbildung  richtig  ist,  von  der  glatten,  nicht  höckerigen  Beschaffen- 
heit seiner  Schale.  Ob  man  dasselbe  auch  für  die  geringe  Dicke 
der  Samenschale  und  die  geringere  Grösse  ihrer  Zellen  behaupten 
darf,  lasse  ich  dahingestellt  sein.  Sicher  aber  ist  die  abweichende 
Beschaffenheit  des  Epithels  derart,  dass  sie  entschieden  gegen  eine 
Identifizierung  der  fossilen  mit  der  rezenten  Pflanze  spricht. 

Es  fragt  sich  nur,  ob  sie  die  Aufstellung  einer  neuen  Art  von 
Euryale  rechtfertigt  oder  vielmehr  die  einer  neuen,  der  rezenten  sehr 
nahestehenden  Gattung. 

Nun  lehrt  eine  Durchsicht  des  Baues  der  Samenschale  verschie- 
dener Arten  der  Gattung  Nymphaea.,  dass  zwischen  diesen  mindestens 
ebenso  starke  Abweichungen  vorkommen,  wie  wir  zwischen  unserem 
fossilem  Samen  und  denen  von  Euryale  ferox  festgestellt  haben. 
Ähnliches  ist  der  Eall  zwischen  Victoria  regia  Lindl.  und  V.  cruziana 
d'Orb.  Daraus  folgt  meines  Erachtens,  dass  unterschiede  in 
der  Ausbildung  und  Beschaffenheit  der  einzelnen  Schichten  der 
Samenschale  (wie  auch  ihre  äussere  Ornamentierung)  innerhalb  der 
Nymphaeaceen  keinen  verschiedenen  Artcharakter  bedingen.  Es 
hindert  deshalb    meiner  Meinung    nach    nichts,    den    fossilen    Samen 


Euryale  europaea  uov.  sp.  loss.  155 

von  Lichwin  als  von  einer  neuen  Art  der  Gattung  Euryale  her- 
rührend aufzufassen,  für  die  ich  den  Namen  Eurt/ale  europaea  vor- 
schlage. 

Pflichtet  man  mir  bei.  so  reiht  sich  die  Entdeckung  einer  neuen 
Art  der  Gattung  Euryale  in  Europa  der  von  Picea  omorikoides  Web. 
und  von  Vaccinium  priscum  Web.  an,  denen  sich  die  jetzt  noch  auf 
der  Balkanhalbinsel  lebende  Pinus  peuce  Gris.,  Picea  omorika  Panc., 
Forsythia  europaea  Degen  und  Sibiraea  croatica  Degen  auschliessen, 
sämtlich  Arten,  die,  wie  ASCHERSON  mit  Recht  bemerkt,^)  auf  eine 
ehemals  noch  innigere  Wechselbeziehung  zwischen  der  europäischen 
Flora  und  der  des  östlichen  und  zentralen  Asiens  als  in  der  Gegen- 
wart hindeuten.  Die  Unterschiede  beider  Florenbezirke  wie  der 
nordamerikanischen  haben  sich,  wie  bereits  EngLER  dargelegt  hat,^) 
erst  während  der  zweiton  Hälfte  der  Tertiärzeit  und  während  der 
Diluvialzeit  herausgebildet,  teils  durch  die  gesonderte  Entstehung 
neuer,  teils  durch  die  Vernichtung  alter  Arten,  von  der  Europa 
während  der  Diluvialzeit,  wie  es  scheint,  besonders  lebhaft  betroffen 
worden  ist. 

Euryale  ferox^  der  einzige  jetzt  noch  lebende  Vertreter  dieser 
Gattung,  wächst  im  tropischen  und  subtropischen  Asien  von  Bengalen 
durch  China  und  Japan,  vermag  sich  aber  offenbar  auch  rauheren 
klimatischen  Verhältnissen  anzupassen.  Nämlich  an  ihrem  nörd- 
lichsten Standorte,  der  sich  nach  REGEL ^j  im  oberen  Ussurigebiete 
an  der  Sungatscha  und  der  Ima  unter  45°  56'  n.  Br.  findet,  betragen 
die  mittleren  Temperaturen*)  im  Januar  -  18°  C,  im  Juli  A^'1\°Q. 
und  im  Jahre  kaum  -\-  4°  C.  Die  Pflanze  lebt  dort  in  kleinen  Seen 
zusammen  mit  JSelumbo  speciosum  Willd.  Ferner  werden  von  REGEL 
und  MaaCK  (a.  a.  0.)  aus  dem  nördlichsten  Wohngebiete  der  Pflanze 
noch  folgende  W^assergewächse  augegeben,  mit  denen  sie  wahrschein- 
lich öfters  vergesellschaftet  ist  und  die  ich  hier  nur  soweit  nenne, 
als  ich  sie  in  KOMAROV's  Flora  Manshuriae^)  zu  vergleichen  ver- 
mochte: 

Salvima  natans  All.  Glyceria  aquatica  L. 

Lemna  minor  L.  Scirpus  paluster  L. 

Lernna  trisulca  L.  Scirpus  Tabernaemontani  Gmel. 


1)  Sitzungsbericht  der  Ges.  Naturf.  Freunde,  Berlin  1906,  Nr.  8/9. 

2)  Entwicklungsgeschichte  der  Pflanzenwelt  seit  der  Tertiärperiode.  Leipzig,  1879. 

3)  Tent.  flor.  Ussur.     Mem.  Acad.  St.  Petersburg,  VII.  Ser.,  T.  IV  Nr.  4,  1862. 

4)'Nach  Berghaus,  Physik.  Atlas  1892,  Taf.  27—29.  —  An  dem  weiter  süd- 
lich liegenden  Wladiwostok  betragen  die  Mitteltemperaturen  im  Januar  —  14,8°C.> 
im  Juli  +20,9°C.,  im  Jahre  +4°C.  (Hann,  Handbuch  der  Klimatologie  1897, 
III.,  S.  218). 

5)  Acta  Horti  Petropolitani  t.  XX  und  XXII,  1901/04. 


laß  C.  A.  Weber:  Eurjale  puropaea  nov.  sp.  foss. 

Lovina  pohjrrhiza  L.  Sdrpus  niaritimus  L. 

Tijpha  latifolia  L  Eriophorum  angustifolium 'Roth. 

Potamogeton  natans  L.  Iris  Maachii  Maxim. 

Najas  viajor  All.  Pohjgonum  amphibium  L. 

AUsma  plantago  L.  Nymphaea  tetragona  Georgi. 

Sagittaria  sagittifolia  L.  Nuphar  pumilum  Smith. 

Butomus  uvihellatus  L.  Ceratophyllum  demersuvi  L. 
Arundo  phragmites  L.  u.  a.  m. 

Euryale  europaea  lebte  nacli  Herrn  SUKATSCHEFF's  brieflicher 
Mitteilung  im  Gouvernement  Kaluga  während  der  betreffenden  Inter- 
glazialzeit^)  in  der  Gesellschaft  von  Najas  major  All.,  Straiiotes 
aloides  L-,  Potamogeton  natans  L.,  P.  crispus  L.,  Ceratophyllum 
demersum  L.,  Trapa  natans  L.  u.  a.  m.  unter  klimatischen  Verhält- 
nissen, die  den  jetzt  in  West-  und  Mitteleuropa  innerhalb  des  Ver- 
breitungsgebietes von  Fagus  silvatica  Ij.  und  Abies  peciinata  D.  C. 
herrschenden  entsprechen;  denn  Herr  SUKATSCHEFF  hat  das  A'or- 
kommen  dieser  und  anderer  für  gemässigte,  mehr  ozeanische,  klima- 
tische Verhältnisse  sprechenden  Bäume  in  der  Fundschicht  fest- 
gestellt. Allem  Anschein  nach  wuchs  Euryale  europaea  also  damals 
an  ihrem  Fundorte  unter  wesentlich  milderen  klimatischen  Be- 
dino-uugen  als  ihre  Verwandte  gegenwärtig  an  ihrem  nördlichsten 
Standorte  im  Ussurigebiete,  und  auch  unter  milderen,  als  jetzt  bei 
Kaluga  herrschen.  Die  gegenwärtigen  Temperaturmittel  dieses  Ortes 
sind")  im  Januar  -  10,2°  C,  im  Juli  +  19°  C.  und  im  Jahre  +  4,5°  C. 

Man  mag  es  bezweifeln,  dass  Euryale  europaea  ebenso  wie  ihre 
heutige  Verwandte  eine  hauptsächlich  in  tropischen  und  subtropischen 
Gebieten  lebende  Pflanze  war,  die  nur  stellenweise  in  die  gemässigte 
Zone  eindrang,  da  sie  sich  bei  weiterer  Verbreitung  im  Tropen- 
gebiete in  diesem  wahrscheinlich  bis  zur  Gegenwart  erhalten  hätte. 
Für  die  Entscheidung  der  Frage  wäre  es  von  Interesse,  zu  wissen, 
ob  unsere  Pflanze  schon  zur  Tertiärzeit  in  Europa  wuchs.  Dies  ist 
aber  vorläufig  ungewiss.  Vielleicht  bringt  eine  erneute  Durchsicht 
der  Samenfunde  aus  tertiären  Ablagerungen  darüber  Aufschluss. 
Vernichtet  wurde  diese  Art  wahrscheinlich  infolge  der  nachfolo-enden 
erneuten  Vereisung,  der  ein  grosser  Teil  dieses  Weltteiles  verfiel, 
und  dürfte  sich  in  dieser  Hinsicht  ähnlich  wie  Brasenia  purpu7'ea 
Mich,  und  Dulicliium  spathaceum  Pers.  verhalten  haben,  die  noch  bis 
vor  Beginn  der  dritten  Haupteiszeit  in  Europa  lebten. 


1)  Herr  SukatsCHEFF  -wird  darüber  in  „Materialien  zur  Geologie  Russlands, 
lierausp:egeben  von  der  Kaiserl.  Mineralog.  Gesellschaft  St  Petersburg,  1907"  aus- 
führlicher berichten. 

2)  Hann,  Handbuch  der  Klimatologie  1897,  III.,  S.  173. 


P.  SORAUER:  Blitzspuren  und  Frostspuren.  157 

Die  Beantwortung  der  Frage,  ob  der  Ursprung  der  Gattung 
Euryale  in  Europa  oder  in  Asien  oder  wo  sonst  zn  suchen  sei,  hängt 
von  weiteren  fossilen  Funden  ab.  Die  heutige  Verbreitung  gestattet 
darauf  ebensowenig  wie  auf  die  Geschichte  der  Gattung  einen  sicheren 
Schluss. 


Erklärnng  der  Abbildang'en. 


Tafel  IV. 
Fi<?.    1.     Euryale  europaea,     Samen  in  natürlicher  Grösse. 

2-5.     Derselbe  in  verschiedenen  Lagen  gezeichnet.     Vergr.  3. 
(j.     Versuch  einer  Wiederherstellung    des  Samens    in    dem  Zustande  vor    dem 
Zusammendrücken.     Vergr.  3. 
„       7.     Euryale  ferox.     Samen  in  natürlicher  Grösse. 
^       8  u.  9.     Ein  solcher  in  verschiedenen  Lagen.     Vergr.  l'/j. 
.     10.     Derselbe  von  oben  gesehen.     Vergr.  2. 

^     11.     Querschnitt  durch  die  Samenschale  von  Euryale  europa-ea.     Vergr.  80. 
,     12.     Epithelzellen  des  Samens  von  Euryale  europaea  von  oben  gesehen.  Flacher 

Schnitt  in  z.  T.  durchlallendem  Lichte,     Vergr.  120. 
..     13.     Euryale  europaea,  Querschnitt  durch  die    äussere  (e)    und    einen    Teil    der 

mittleren  Schicht  (m)  der  Samenschale.     Vergr.  iiGO. 
,.     14.     Euryale  ferox.     Epithelzellen  des  Samens,  von  oben  betrachtet.  Vergr.  120. 
„     15,     Euryale  ferox.     Querschnitt    durch    die    äussere    (e)    und    einen    Teil    der 
mittleren  Schiebt  (///)  der  Samenschale.     Vergr.  180. 


23.  P.  Sorauer:  Blitzspuren  und  Frostspuren. 

Mit  zwei  Figuren  im  Text. 


Eingegangen  am  28,  März  1907. 


Im  Jahre  1903  beschrieb  V.  TüBEÜF^)  einen  Fall  von  Wipfel- 
dürre bei  Nadelhölzern  (Fichten)  in  Oberbayern.  Seine  Beobachtungen 
führten  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Ursache  in  einer  nur  einmal  im 
Winter  1901/02  eingetretenen  Störung  gesucht  werden  müsse,  welche 
auf  den  elektrischen  Ausgleich  bei  Wintergewittern  zurückzu- 
führen sei. 


1)  V.  TüBEUF,  Die  Gipfeldürre  der  Fichten.     Naturwiss.  Zeitschrift  für  Land- 
und  Forstwirtschaft,  1903,  Nr.  1,  7  und  8. 


158  P-  SORAUER: 

Das  charakteristische  Merkmal  dieser  Störung  bestand  in  der 
Art  des  Absterbens.  In  der  oberen  Region  des  Baumwipfels  waren 
nämlich  Rinde,  Bast  und  Cambium  tot;  weiter  abwärts  erschienen 
nur  noch  Rindenteile  ohne  den  Cambiumring  abgestorben,  so  dass 
dieser  während  des  Sommers  neues  Jungholz  nnd  Jungrinde  bilden 
konnte. 

„Der  weisse,  weiche  Bast  liess  sich  demnach  leicht  vom  saftigen 
Holze  ablösen  wie  an  gesunden  Bäumen.  An  den  neugebildeten 
Bast  schloss  sich  die  tote  Rindenzoue,  und  ausserhalb  derselben  war 
die  grüne  Rinde  wieder  lebend.  In  dieser  grünen  Rinde  verliefen 
vielfach  von  Kork  eingekapselte  Streifen  toten  Gewebes.  Noch 
weiter  nach  unten  waren  die  getöteten  Bast-  und  Rindeuteile  nicht 
mehr  stammumfassende  Bänder,  sondern  sie  zerteilten  sich  in 
Streifen;  endlich  fanden  sich  nur  noch  tote  Flecke,  uod  einige  Meter 
unterhalb  der  Baumspitze  verlor  sich  jedes  Krankheitszeichen,  der 
freie  Stamm  und  die  Wih'zel  waren  vollkommen  gesund." 

Diese  Merkmale  stimmten  mit  den  von  R.  HarTIG  schon  früher 
als  „Blitzspuren"  beschriebenen  Erscheinungen  überein. 

Das  Bedenkliche  bei  dieser  Deutung,  das  sich  auch  V.  TUBEUF 
zunächst  nicht  verhehlte,  war,  dass  nach  den  bisherigen  vielseitigen 
Beobachtungen  die  Blitzschläge  unterhalb  der  Kronen  einzusetzen 
pflegen  und  den  Stamm  verletzen,  aber  die  Krone  unverletzt  lassen. 
In  anderen  Fällen  sterben  wohl  ganze  Bäume,  aber  nicht  die  Kronen 
allein.  Es  war  daher  selbstverständlich,  dass  die  Ansicht  V.  TUBEUF's 
manchen  Widerspruch  fand.  Es  wurde  darauf  hingewiesen,  dass 
eine  solche  Wipfeldürre  auch  durch  Wicklerraupen  {GraphoUtha 
pactolana)  veranlasst  werden  könne,  und  ich  selbst  äusserte  bei 
Gelegenheit  eines  Vortrages,  den  der  Autor  unter  Vorführung  reich- 
lichen Demonstrationsmaterials  im  Kaiserlichen  Gesundheitsamt  hielt, 
die  Vermutung,  dass  dieses  Absterben  der  Kronen  auf  Kältewirkung 
zurückzuführen  sei. 

Demgegenüber  betonte  V.  TUBEUF,  dass  er  die  Krankheits- 
merkmale auch  ohne  das  Vorhandensein  von  Wicklerraupen  und 
Borkenkäfern  beobachtet  habe,  und  dass,  wenn  die  Tiere  dabei  ge- 
funden werden,  sie  als  sekundäre  Schädiger  auftreten.  Von  Frost- 
beschädigungen aber  sollten  sich  diese  Blitzspuren,  die  auch  an 
einzelnen  Kiefern  und  Lärchen,  aber  nicht  an  Ijaubhölzern  gefunden 
worden  sind,  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  von  einer  den  ganzen 
Stamm  umfassenden  Bräunung  im  stärkst  beschädigten  Krouenteil 
allmählich  abwärts  streifenartig  in  das  gesunde  Gewebe  hinein  aus- 
strahlen. Und  diese  letzten  strahlenförmigen  Ausläufer  abgetöteten 
Gewebes  erscheinen  im  Querschnitt  wie  augenartige,  von  einem 
hellen  Korkring  eingeschlossene  Flecke.  Diese  Korkbildungen 
stimmen  auch  keineswegs  mit  Korkumwallungen  überein,   wie  sie  in 


Blitzspuren  und  Frostspuren.  159 

der    Nähe    von    Schnitt-    oder    Bruchwunden    oder    an  Yerbissstellen 
entstehen. 

^  Trotz  dieser  bestimmten  Angaben  vermochte  ich  den  Verdacht 
nicht  zu  unterdrücken,  dass  hier  doch  der  Frost  im  Spiele  sei,  da 
ich  glaubte,  bei  früheren  Beobachtungen  frostbeschädigter  Bäume 
derartige  ringförmige  Korkumwallungen  gesehen  zu  haben.  Allerdings 
bezogen  sich  meine  Beobachtungen  auf  Laubbäume,  und  ich  konnte 
also  nur  vermuten,  dass  bei  Nadelhölzern  dieselben  Erscheinungen 
zutage  treten  würden. 

Bei  den  scharfen,  zum  Teil  recht  unliebsamen  Angriffen,  die 
V.  TüBEUF  erfuhr,  versuchte  derselbe,  experimentell  seine  Theorie 
zu  stützen,  und  es  gelang  ihm,  den  Nachweis  zu  liefern,  dass  man 
durch  künstliche  Blitze  dieselben  Veränderungen  hervorzurufen  ver- 
mao-,  die  an  den  natürlich  abgestorbeneu  Fichten  beobachtet  worden 
sind.^)  Auf  meine  Bitte  erhielt  ich  einige  kleine  Zweigstücke  von 
den  künstlich  angeblitzten  Fichten,  w^elche  die  typischen  Be- 
schädigungsformen enthalten  sollten.  Um  einen  sicheren  Vergleich 
mit  Frostwunden  anstellen  zu  können,  musste  ich  mir  Material  be- 
schaffen, das  durch  künstlich  erzeugte  Kälte  beschädigt  worden  war. 
Da  mir  passende  Topfexemplare  von  Fichten  nicht  zur  Verfügung 
standen,  w^urde  eine  ungefähr  fünfjährige  gesunde  Kiefer  am  13.  Mai 
1905  in  dem  Gefrierzylinder  während  einer  Nacht  einer  Temperatur 
ausgesetzt,  die  allmählich  auf  —7°  C.  herabging.  Die  Pflanze,  welche 
am  nächsten  Morgen  keine  Spur  einer  Beschädigung  erkennen  Hess, 
blieb  dann  im  Freien  bis  zum  Ende  des  Herbstes  stehen  und  wurde 
im  frostfreien  Räume  überwintert.  Im  Frühling  1906  kam  sie 
wieder  ins  Freie  und  blieb  frostgeschützt  bis  zum  Dezember  stehen, 
zu  welcher  Zeit  sie  behufs  Untersuchung  zerschnitten  w^urde. 

Es  ergab  sich,  dass  nur  die  Stammbasis  einseitig  beschädigt 
worden  war,  und  zwar  nur  der  Rindenteil  und  in  geringem  Grade 
auch  der  Markkörper,  der  vielfach  gebräunte  Zellwandungen  aufwies. 
Der    Zellinhalt    erschien    nicht     alteriert;     manche    Zellen    besassen 

Stärke. 

Die  Beschädigung  des  Rindenkörpers  (siehe  Fig.  1)  bestand  zu- 
nächst darin,  dass  einzelne  Zellen,  die  annähernd  in  gleicher  Ent- 
fernung vom  Holzkörper  lagen  (z),  mitten  im  gesund  gebliebenen 
Parenchym  gebräunten,  verquollenen  gleichartigen  Inhalt  aufwiesen. 
Diese  Zellen  lagen  in  der  Ringzone,  welche  durch  die  Kalkoxalat- 
binden  gekennzeichnet  wird;  sie  pflegen  vom  Herbst  an  Zucker  zu 
führen. 


1)  V.  TUBEUF  und  Zehnder,  Über  die  pathologische  Wirkung  künstlich  er- 
zeugter elektrischer  Funkenströme  auf  Leben  und  Gesundheit  der  Nadelhölzer. 
Sond.-Abdr. 


160  1'-  SORAUER: 

An  einer  Seite  des  Stämnichens  waren  ausserdem  tote  Zell- 
g-ruppen  in  der  Rinde  zu  sehen,  die  ringförmig  von  lebendem, 
mauerförmig  angeordnetem  Parencliym  umschlossen  waren  und  da- 
durch eine  augenähnliche  Figur  darstellten.  Die  Gestalt  dieser 
Augen    näherte     sich     einer     tangential    gestreckten    Ellipse.       Das 


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Fi''.  1.     Kiefer,  künstlicher  Frost. 


z  Einzelne  abgetötete  Rindenzellen  mit  braunem,  gleichmässigem  Inhalt. 
h  Höhlung  im  abgestorbenen  Gewebekern. 

u  Wenig  gefärbte  oder  fast  farblose  Umkleidung  der  zentralen  Höhlung,  welche 
in  Bau  und  Lagerung  deutlich  noch  die  Struktur  der  Auskleidung  eines  Harz- 


ganges erkennen  last. 


p  Vollständig  verharzte,  braune  Rindenparenchymzelleu  aus  der  Umgebung  des 

Harzganges. 
w  Tafellörmig  gestrecktes  stärkeführendes  Parenchym. 
r\)  Normales  Eindenparenchjm. 


Zentrum  dieser  augenförmigen  Figur  wurde  häufig  durch  eine 
Höhlung  (A)  gebildet,  welche  von  schwach  gebräunten,  bisweilen 
fast  farblosen  Zellen  iiC)  ausgekleidet  war.  Bei  Vergleich  der  mit 
jedem  Schnitte  wechselnden  Bilder  kam  man  zu  der  Überzeugung, 
dass  diese  den  Hohlraum  umschliessenden  Zellen  der  Auskleidung 
eines  Harzganges  entsprachen  und  bisweilen  blasig  in  denselben 
hinein  vorgev^'ölbt  gewesen  waren.     Daran  grenzte  nach    aussen    ein 


Blitzspuren  und  Frostspureu.  161 

abgestorbenes  Riiulenparenchyiii  (p),  dessen  Zellen  nur  selten  zu- 
sanimeno-efalleu  waren  und  meist  in  ihrer  natürlichen  Grösse  in 
Inlialt  und  Wandung  verharzt  sich  erwiesen.  Bei  Aufhellung  der 
Schnitte  erkannte  man  in  dem  abgestorbenen  Parenchym  noch 
einzelne  Oxalatgruppen  und  Zellen  mit  Körnern,  die  als  verharzte 
Stärkekörner  anzusehen  sind.  An  das  tote  Gewebe  grenzte  nach 
aussen  jene  oben  erwähnte  ringförmige  Zone  tafelförmiger  Zellen, 
die  ihrer  Anordnung  nach  einer  Korkumwallung  glichen,  aber  mit 
Chlorzinkjod  Cellulosereaktion  in  ihren  Wandungen  zeigten  nnd  viel- 
fach reichlich  mit  Stärke  und  Harztröpfchen  angefüllt  waren  (w). 
Diese  Umwallung  des  toten  Gewebekernes,  welche  das  augenförmige 
Aussehen  der  Frostwunde  bedingte,  ging  dann  in  das  normale 
Rindenparenchym  (;•/>)  über,  das  hier  und  da  noch  Spuren  von 
Stärke  erkennen  Hess. 

Aus  dem  geschilderten  Befunde  ergibt  sich,  dass  die  Frost- 
wirkung, abgesehen  von  der  Tötung  einzelner  in  bestimmter  Ent- 
fernung vom  Holzringe  liegender,  wahrscheinlich  zuckerreich  ge- 
wesener Parenchymzellen  am  ganzen  Stamm  umfang,  auch  noch  an 
einer  Stammseite  grössere  Gewebeiuseln  innerhalb  der  Rinde  zum 
Absterben  gebracht  hat  Solche  einseitige  stärkere  Frostbeschädigung 
ist  der  normale  Fall  auch  bei  natürlichen  Frösten.  Bei  den  Laub- 
bäumen aber  leiden  in  den  meisten  Fällen  zuerst  die  Hartbast- 
gruppen und  deren  nächste  Umgebung.  Der  Abschluss  des  abge- 
töteten Gewebes  von  dem  gesunden  Rindenparenchym  erfolgt  je 
nach  der  Baumart  nnd  der  Kräftigkeit  des  Individuums  in  ver- 
schiedener Weise.  Entweder  bildet  das  umgebende  Gewebe  tatsäch- 
lich zunächst  eine  ringförmige  Zone  von  schmalen  Tafelkorkzellen, 
die  allmählich  in  tafelförmiges  Parenchym  übergehen  oder  letzteres 
schliesst  sich,  wie  im  vorliegenden  Falle  bei  der  Kiefer,  unmittelbar 
an.  den  toten  Gewebekern  an. 

Diese  Neubildung  eines  solchen  mauerförmigen  Geweberinges 
erkläre  ich  mir  hervorgerufen  durch  den  Wundreiz,  infolgedessen 
ein  reichlicheres  Zuströmen  von  plastischem  Material  eingeleitet 
wird.  Dafür  spricht  der  Umstand,  dass,  wie  hier  bei  der  Kiefer, 
diese  Gewebezone  reichlich  Stärke  enthält,  während  im  übrigen 
Rindenparenchym  nur  spärliche  Stärkeablagerung  bemerkbar  ist. 
Unter  Umständen  kann  um  derartige  (auch  aus  anderen  Ursachen) 
abgestorbenen  Gewebeinseln  eine  so  reichliche  Neubildung  von 
Rindenparenchym  eintreten,  dass  schwielige  Gewebepolster  entstehen. 
Ja,  bisweilen  bilden  derartige  Inseln  den  Kern,  um  welchen  eine 
Knollenmaserbildung  sich  einleitet,  wie  ich  bei  Pomaceen  beobachtet 
habe. 

Fig.  2  ist  das  Bild  der  Rindenbeschädigung,  die  V.  TüBEUP 
durch  künstliches  Anblitzen  einer  Fichte    erhalten    hat.      Wir  sehen 


ir.2 


P.   SORAUER: 


zwei  Blitzspuren,  die  in  ihrer  Gestalt  den  Frostspuren  ähnlich  sind 
und,  wie  diese,  um  einen  toten  Kern  eine  ringförmige  Umwallung 
erkennen  lassen,  wodurch  das  augenförmige  Aussehen  veranlasst 
wird.  Derartige  Blitzspuren  sind  in  annähernd  gleicher  Entfernung 
vom  Holzkörper  in  der  Rinde  zu  finden,  so  dass  man  annehmen 
muss,  es  ist  eine  bestimmte  ältere  Rindenregion,  in  welcher  der 
elektrische  Funken  besonders  leicht  seinen  Weg  findet. 


kJc  h  '^  st 

Fig.  2.     Fichte,  küustliche  Blitzspur. 

b  Zentraler  Teil  der  Blitzspur  im  Eindenparenchym. 

h  Normale  Hartbastgruppe. 
¥  Von  der  Blitzspur  eingeschlossene  Hartbastgruppe. 

k  Korkring. 
kk  Die  dem  Korkcambium  ähnliche  Zelllage. 

g  Harzgang  in  der  gesunden  Rinde,   aus  dessen  normaler  Auskleidung  einzelne 

Zellen  sich  blasenartig  vorwölben. 
gg  Mit  Harz  ausgefüllter  Harzgang. 

0  Oxalatkristalle. 

st  Mit  Stärke  erfüllte  Rindenzellen, 
rp  Gesundes  Rindenparenchym. 

V  Verquollene  Gewebegruppen  in  demselben. 
seh  Borkenschuppe. 


Die  Blitzspur  (b)  gliedert  sich  in  einen  zentralen  braunen, 
streifenartigen  Kern  aus  verquollenem  Parenchym.  Derselbe  wird 
von  einer  breiten,  hellen  Zone  (k)  umgeben,  die  aus  radial  ange- 
ordneten Reihen  sehr  dünnwandiger,  nahezu  inhaltsloser,  oft  luft- 
führender Zellen  besteht. 

Nach  aussen  stösst  diese  Zone  an  einen  Gewebering  (M)  aus 
tafelförmigen,  plasmareichen,  in  ihren  Wandungen  die  Cellulose- 
reaktion    zeigenden  Zellen,    die    allmählich    in    das    normale,    gross- 


Blitzspiiron  und  Frostspuron.  163 

lumige  Kiiidenparencliyiu  (rp)  übergehen.  Die  ausserhalb,  aber 
ziemlich  nahe  der  Blitzspur  liegenden  Harzgänge  (g)  sind  in  der 
Kegel  nicht  verändert;  die  bisweilen  blasig  in  den  Harzgang  hinein 
sich  vorwölbenden  Zellen  der  Auskleidung  sind  hellwandig.  Auch 
diese  blasige  Auftreibung  der  Wandungszellen  ist  eine  normale  Er- 
scheinung; denn  man  findet  an  Zweigen  gesunder  Fichten  im  Winter 
manchmal  die  Harzgänge  vollkommen  ausgefüllt  durch  thyllenartige 
Erweiterungen  der  Wandungszellen.  Vereinzelt  treten  in  unmittel- 
barer  Nähe  der  Blitzspur  auch  Harzgänge  auf,  bei  denen  die  aus- 
füllenden Zellen  zu  braunen  verquollenen  harzigen  Massen  um- 
gewandelt sind 

Der  tote  Gewebekern  im  Zentrum  der  Blitzspur  besteht  häufig 
nur  aus  abgetötetem  Rindenparenchym;  manchmal  jedoch  erkennt 
man  auch,  dass  einzelne  Bastgruppen  (/V)  dabei  beteiligt  sind. 
Hervorzuheben  ist  der  Umstand,  dass  die  abgetöteten  Parenchym- 
zellen  vielfach  gänzlich  zusammengefallen  und  vertrocknet  erscheinen. 
Dieses  Zusammentrocknen  erkläre  ich  mir  als  die  Ursache  für  die 
Entstehung  der  hellen  Ringzonen  aus  weitlumigen,  dünnwandigen 
Zellen,  welche  sich  als  wirkliche  Korkzellen  erweisen  und  den  Unter- 
schied von  der  Frostwumle  bedin^eu. 


o" 


Ich  mache  mir  nun  folgende  Vorstellung  von  dem  Zustande- 
kommen  dieses  Unterschiedes  in  den  beiden  Wundformen.  Der 
elektrische  Funken  bedingt  ein  schnelles  Austrocknen  des  ab- 
getöteten  Gewebes.  Da  er  ebenso  wie  der  Frost  kein  langsam  ver- 
laufendes nachträoliches  Absterben  des  anstossenden  Gewebes  ver- 
anlasst,  so  grenzen  an  die  abgetöteten  Gewebeherde  unmittelbar 
lebenskräftige,  reaktionsfähioe  Zellen.  Eine  Reaktion  auf  den 
Wundreiz  stellt  sich  sofort  ein,  wenn  die  vegetative  Tätigkeit  in  der 
Rinde  sich  geltend  macht.  Das  Parenchym  an  der  Grenze  des  toten 
Gewebes  antwortet  auf  den  Wundreiz  durch  Zellstreckung  und  Zell- 
vermehrung. Die  durch  den  Blitz  zusammengetrockneten  Zellpartien 
bieten  der  Umgebung  Raum  zu  bedeutender  Streckung  und  Fäche- 
rung. Je  schneller  der  Vorgang  stattfindet,  desto  mehr  Material  wird 
verbraucht.  Ist  dasselbe  zurzeit  nicht  in  genügender  Menge  vorrätig, 
findet  nur  Korkbildung  statt,  und  damit  erklärt  sich,  dass  nach  der 
elektrischen  Entladung  das  die  zusammentrocknende  Gewebeinsel 
umgebende  Rindenparenchym,  das  eine  viel  schnellere  Streckung  und 
Fächerung-  zur  Ausfüllung  des  grösseren  Raumes  erfahren  muss,  mit 
Korkbildung  antwortet. 

Bei  der  Abtötung  einer  mitten  im  Rindenparenchym  liegenden 
Gewebeinsel  durch  den  Frost  erfolgt  zunächst  kein  Vertrocknen  des 
Gewebes.  Die  abgetöteten  verquollenen  Zellen  behalten  ihren  Umfang 
infoke  der  noch  vorhandenen  Turgescenz.   Somit  wird  auch  der  Druck 

Ber.  der  deutschen  Bot.  üesellsch.    XXV.  12 


164  P-  SORATJER:  Blitzspuren  und  Frostspuren. 

des  frostbeschädig'teii,  sterbenden  Gewebes  auf  die  gesund  und 
reaktionsfällig-  gebliebene  Umgebung  nicht  wesentlich  vermindert. 
Damit  fällt  aber  für  die  umoebenden  Zellen  auch  die  Veranlassuno- 
fort,  sich  so  stark  zu  verlängern  und  zu  fächern,  wie  dies  beim  Ver- 
trocknen der  Blitzspur  notwendig  war.  Es  wird  also  um  den  toten 
Kern  der  Frostwunde  die  infolge  des  Wundreizes  entstellende  Neu- 
bildung in  Form  einer  Ringzone  aus  spärlicheren  und  kleineren 
Zellen  auftreten.  Das  zuströmende  plastische  Material  kann  nicht 
mehr  zur  Zellvermehrung  verbraucht  werden,  da  der  Bedarf  gedeckt 
ist,  und  wird  daher  in  Form  von  Reservestoffen  sich  niederschlao-en. 
Daher  die  direkt    um  die  Frostwunde    bemerkbare  Stärkeanhäufung. 

Als  positives  Ergebnis  der  Untersuchung  wäre  anzuführen,  dass 
bei  den  Nadelhölzern  ein  bestimmter  Unterschied  zwischen  künstlich 
erzeuo-ten  aui-enförmioen  Blitz-  und  Frostwunden  besteht.  Bei  der  Blitz- 
wunde  trocknet  das  abgetötete  Rindengewebe  schnell  zusammen  und  wird 
zunächst  von  einem  lockeren  Korkmantel  umgeben,  der  einen  hellen 
Augenring  darstellt.  Bei  der  Frostwunde  behalten  die  abgetöteten 
Zellen  im  Innern  des  Rindenparenchyms  zunächst  ihren  früheren 
Umfang;  sie  werden  zwar  ebenfalls  eingeschlossen  von  einer  Ring- 
zone neugebildeter  Zellen,  aber  diese  entwickeln  sich  nicht  zu  einem 
lockeren  Korkmantel,  sondern  bilden  eine  schmale  Zone  englumigen 
Parenchyms,  das  reicher  au  Reservestoffen  wie  das  normale  Rinden- 
parenchym  zu  sein  pflegt.  Diese  Zone  stellt  sich  bei  der  Blitzwunde 
erst  nach  der  Korkzone  ein. 

Hinzu  kommt  noch  der  von  V.  TUBEUF  angegebene  Unterschied, 
dass  bei  der  Blitzwunde  der  abgetötete  Rindenring  in  immer  schmaler 
werdenden  Bändern  abwärts  in  das  gesunde  Gewebe  hinein  ausstrahlt, 
während  eine  derartige  langsame  Abnahme  der  Frostwirkung  und  ein 
streifenartiges  Ausstrahlen  der  toten  Gewebezone  in  die  gesunde 
Rinde  hinein  bei  Nadelhölzern  bisher    nicht    beobachtet  worden    ist. 


H.  HariniS:  über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  Clitoria.  165 


24.   H.  Harms:   Über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  Ciitoria. 

Mit  Tafel  V. 
Eingegangen  am  28.  März  1907. 


Der  brasilianische  Botaniker  LeaNDEO  DE  SACRAMENTO  be- 
schrieb in  Deukschr.  Akad.  München  YII.  (1821)  233  t.  12  eine 
neue  Gattung  der  Leguminosae  aus  der  Umgebung  von  Rio  de  Janeiro, 
der  er  zu  Ehren  von  C.  FR.  PH.  MarTIÜS  den  Namen  Martia  bei- 
legte (mit  der  einzigen  Art  M.  physalodes).  Diese  übrigens  ganz  dem 
Habitus  der  Papilionatae  entsprechende  Gattung  sollte  sich  durch  das 
Fehlen  der  Blumenkrone  und  starke  Reduktion  im  Androeceum  aus- 
zeichnen; die  Blüten  zeigten  nur  zwei  getrennte  fertile  Stamina  und 
daneben  zwei  winzige,  ebenfalls  getrennte  Staubfadenrudimente.  Aus 
dem  anfangs  im  Kelche  eingeschlossenen  Pistill  gehen  reife,  läng- 
liche Hülsen  mit  vier  bis  acht  kugeligen,  klebrigen  Samen  hervor. 
ZUCCARINI  (Abb.  Akad.  München  I.  (1832)  337)  stellte  zur  selben 
Gattung  eine  zweite  Art  aus  Mexiko;  sie  war  im  Botanischen  Garten 
zu  München  zur  Blüte  gekommen,  und  ZUCCARINI  gab  von  ihr  eine 
ausführliche  Beschreibung  und  gute  Abbildung  (t.  14,  15).  Zugleich 
verfasste  er  eine  viel  genauere  Diagnose  der  Gattung  Martia.  Er 
glaubte  die  selbständige  Stellung  der  Gattung  gegenüber  gewissen 
Zweifeln  an  der  Richtigkeit  der  ursprünglichen  Beschreibung  betonen 
zu  müssen  ^) 

BenTHAM  (Ann.  Wien.  Mus.  H.  (1838)  116)  klärte  die  Sache 
auf,  indem  er  nachwies,  dass  Martia  physalodes  Leandro  de  Sacra- 
mento  zu  Neurocarpum  ellipticwn  Desv.  gehöre,  einer  Phaseolee,  die 
er  selbst  später  (Journ.  Linn.  Soc.  II.  (1858)  39)  zu  Clitoria 
glycinoides  DC.  rechnete.  Vollkommen  zutreffend  wies  er  darauf  hin, 
dass  bei  dieser  Art  an  einem  und  demselben  Exemplar  bisweilen 
neben  Blüten  mit  voll  entwickelter  Corolla  uud  normalem  Androeceum 
unvollständio;  ausgebildete  Blüten  vorkämen,  bei  denen  die  Blumen- 
blätter  fehlten  und  die  Staubblätter  mehr  oder  weniger  abortiert 
seien;  es  seien  dann  die  fertilen  Staubblätter  ganz  kurz  und  frei.  — 
In  der  Monographie  von  Clitoria  (Journ.  Linn.  Soc.  II.  36)  hebt  er 
hervor,  dass  diese  Erscheinung   in  der    Gattung    weit    verbreitet    sei 


1)  „Man  glaubte,  es  könne  irgendeine  Art  von  Glycine  oder  Amphicarpaea,  die 
bekanntlich  oft  flores  apetalos  haben,  durch  unvollständige  Beobachtung  zur  Auf- 
stellung der  Gattung  veranlasst  haben,  und  die  Leandrische  Pflanze  blieb immer 

noch  dunkel  und  zweifelhaft"  (1.  c.  238). 

12* 


166  H.  HARMS: 

(„In  nearly  all  the  Clitorias,  whether  witli  or  without  wiiiged  pocls, 
the  lower  flowers  are  often  apetalous,  alinost  without  stamens  and 
with  smaller  calyxes,  but  producing  perfect  fruits.  This  circumstance, 
long  since  known  in  the  allied  genus  Amphiearpaea,  and  more 
recently  observed  in  Clitoria  glycinoides,  led  when  first  discovered, 
to  the  establishment  of  Leandro  de  Sacramento's  genus  Martia^  in 
which  Zuccarini  included  a  similarly  circumstanced  species  of 
Galactia.^^y 

Auf  Sansibar  (ohne  näheren  Standort)  sammelte  STUHLMANN  im 
Oktober  1889  (n.  908)  eine  Papilionate,  an  der  nach  den  vorliegenden 
zahlreichen  Stengelstücken  nur  Blüten  ohne  Blumenblätter  und  mit 
stark  reduziertem  Androeceum  zu  bemerken  waren;  die  Stengel 
zeigten  zugleich  in  grosser  Anzahl  wohl  entwickelte  reife  Hülsen, 
die  solchen  Blüten  entstammten.  Nach  genauerer  Untersuchung 
ergab  sich,  dass  diese  Pflanze  trotz  gewisser  Verschiedenheiten  zu 
derselben  Art  (Cl.  glycinoides)  zu  rechnen  sei,  zu  der  obengenannte 
Martia  pliysalodes  gehört.  Es  handelt  sich  hier  um  einen  bemerkens- 
werten Fall  von  Kleistogami  e.  Nach  BenTHAM's  oben  erwähnter 
Bemerkung  war  zu  vermuten,  dass  auch  bei  anderen  Arten  von 
Clitoria  kleistogame  Blüten  vorkommen,  und  ich  durchmusterte  nun 
daraufhin  das  Material  des  Berliner  Herbars,  um  festzustellen,  bei 
welchen  Arten  die  Erscheinung  auftrete.  In  der  mir  zugänglichen 
biologischen  Literatur  vermisste  ich  genauere  Hinweise;  bei  KNÜTH 
(Handb.  III.  1.  (1904)  406)  findet  man  ebensowenig  eine  Bemerkung 
über  Kleistogamie  von  Clitoria  wie  bei  LiNDMAN  (Bih.  Svensk.  Yet. 
Akad.  Handl.  vol.  27.  III.  n.  14  (1902)  52)  oder  MalME  (Arkiv  för 
Bot.  IV.  n.  7.  (1905)  15),  der  in  letzter  Zeit  die  Resupination  bei 
dieser  Gattung  eingehend  schilderte.  Herr  Prof.  E.  LOEW  wies  mich 
darauf  hin,  dass  KUHN  (in  Bot.  Ztg.  (l867)  67)  unter  den  Legu- 
minosen mit  kleistogamen  Blüten  auch  „Marti7isia  Schult."  nennt; 
damit  ist  jedenfalls  obige  Martia  gemeint,  die  bei  SCHULTES  (Mant. 
1.  (1822)  69;  DC.  Prodr.  II.  (1825)  236)  Martiusia  heisst  (vgl.  LOEW 
in  Verh.  Bot.  Ver.  Brandenburg  XLVHI.  (1907)  249). 

Es  hat  sich  herausi^estellt,  dass  Kleistosramie  durchaus  nicht  bei 
allen  Arten,  nicht  einmal  bei  der  Mehrzahl  nachweisbar  ist.  Die 
Prüfung  des  Herbarmaterials  zeigte  mir,  dass  unter  den  26  von 
BenTHAM  unterschiedenen  Arten  sich  nur  drei  durch  häufigeres  oder 
selteneres  Auftreten  kleistogamer  Blüten  auszeichnen.  Damit  ist 
nicht  gesagt,  dass  die  Erscheinung  bei  den  übrigen  Arten  ganz  fehlt; 
von  manchen  Arten  besitzt  man  natürlich  bislang  nur  wenige  Herbar- 
exemplare, und  die  Sammler  legen  selbstverständlich  zunächst  nur 
Stücke  mit  gut  entwickelten  Blüten  ein.  Die  drei  Arten,  bei  denen 
Kleistogamie  beobachtet  wurde,  gehören  zur  Sektion  Neurocarpian 
(Desv.)  Benth.,  die  ihren  Namen    davon    ableitet,    dass    die    Hülsen- 


über  Kleistogainie  bei  der  Gattung  Clitoria.  167 

klappen  gewöhnlich  aussen  von  einer  Längsrippe  durchzogen  sind, 
die  indessen  gelegentlich  auch  fehlen  kann.  Die  Samen  sind  bei 
den  Arten  dieser  Gruppe  kugelig  oder  eiförmig  und  aussen  stark 
drüsig-klebrig. 

Die  chasmooameu  Blüten  von  Clitoria  sind  echte  Schmetterlings- 
bluten  vom  Typus  der  Pliaseoleae.  Der  Kelch  ist  röhrig  oder  röhrig- 
trichtertörmig,  und  seine  Form  ist  für  die  Gattung  charakteristisch; 
von  den  fünf  Kelchzipfeln  sind  die  beiden  oberen  etwas  miteinander 
vereint.  Die  Fahne  ist  meist  gross  und  überragt  die  übrigen  Fetalen. 
Das  Androeceum  ist  diadelphisch  oder  monadelphisch,  wenn  das 
Vexillarstaubblatt  mit  den  übrigen  mehr  oder  weniger  vereint  bleibt. 
Der  lange,  schmale,  meist  behaarte  Fruchtknoten  ist  gestielt  und 
geht  in  einen  behaarten  Griffel  mit  mehr  oder  minder  verbreiterter 
Narbe  aus;  er  enthält  mehrere  Samenanlagen. 

Clitoria  ghjcinoides  DG.  ^)  (Prodr.  IL  234)  ist  ein  an  Gebüsch- 
rändern oder  Zäunen  windendes  behaartes,  seltener  fast  kahles  Kraut 
mit  gestielten  gedreiten  Blättei'u  und  eiförmigen  oder  länglichen 
Blättchen.     In  den  Blattachseln  entwickeln    sich  Pedunculi,    die  den 


1)  Der  älteste  Name  für  diese  Art  ist  nach  I.  ÜRBAN  (Symb.  antill.  IV 
(1905)  -299):  Cl.  ruhiyinosa  Juss.  ap.  Pers.  Syn.  II.  (1807)  .'{»»o.  Die  Stuhlmann- 
sche  Pflanze,  die  sich  übrigens  durch  starken  TrüjoneUa-Gerach  bemerkbar  machte, 
weicht  vom  Typus  der  Art,  wie  ihn  die  Mehrzahl  der  amerikanischen  Exemplare 
darstellt,  durch  sehr  schwache  Behaarung'  und  dadurch  ab,  dass  die  Hülsen  meist 
der  sonst  für  die  Sektion  charakteristischen  Längsrippe  entbehren,  die  gewöhnlich 
auch  die  Hülsen  dieser  Art  auszeichnet.  Trotzdem  habe  ich  die  Pflanze  zu 
Cl.  glycinoides  gerechnet,  weil  wenig  behaarte  Formen  auch  unter  den  amerika- 
nischen Exemplaren  auftreten  und  bei  einigen  Hülsen  der  Sansibarpflanze  eine  ganz 
schwache  Rippe  erkennbar  war.  Dieses  Merkmal  ist  ofi'enbar  schwankender  Natur, 
wie  auch  Bentham  schon  hervorhebt.  Unter  den  westindischen  Exemplaren  des 
Herb.  Kkug  et  Urban  findet  sich  eines  von  Martinique,  dessen  Hülsen  keine  Längs- 
rippe zeigen,  das  sich  sonst  aber  nicht  wesentlich  von  den  übrigen  Exemplaren  der 
Art  unterscheidet  (Cl.  glycinoides  DC.  var.  ecostata  Urb.  in  DUSS,  Fl.  Ant.  franr;. 
(1897)  208,  Duss  n.  1075,  mit  chasmog.  und  kleistog.  Bl.).  —  Die  Art  ist  in  OLIV. 
Fl.  Trop.  Afr.  IL  nicht  erwähnt..  Ausser  Stuhlmann's  Pflanze  gehört  zur  selben 
Art  noch  ein  Exemplar  aus  Westafrika  (Lagos;  MlLLEN  n.  129)  mit  chasmogamen 
Blüten.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  beiden  afrikanischen  Exemplare 
auf  eiue  Einschleppung  aus  Amerika  zurückzuführen  sind;  Cl.  cajanifolia  wurde  nach 
den  Angaben  der  Autoren  von  Amerika  in  das  tropische  Asien  hinübergebracht 
(s.  unten).  Zu  VI.  mariana  L.,  einer  uordamerikanischen,  mit  ylgcinoides  sehr  nahe 
verwandten  Art  hat  Bentham  einige  Exemplare  aus  Ostindien  (Himalaya,  Khasia, 
Tavoy)  gerechnet,  die  in  den  Gebieten  offenbar  einheimisch  sind.  Es  ist  mir  frag- 
lich, ob  diese  nicht  eher  zu  glycinoides  gestellt  werden  müssen,  trotz  ihrer  Kahlheit 
und  ungerippten  Hülse.  Sie  stimmen  durch  die  breiten,  eiförmigen  oder  eiförmig- 
lanzettlichen  Stipeln  und  durch  kräftigeren  Wuchs  besser  mit  glycinoides  überein 
als  mit  mariana,  die  im  allgemeinen  eine  zartere  Pflanze  zu  sein  scheint  mit 
schmäleren  lanzettlichen  Stipeln.  Bei  den  ostindischen  Exemplaren  habe  ich 
Kleistogamie  nicht  beobachtet,  die  auch  für  Cl.  mariana  L.  bisher  nicht  an- 
gegeben wird. 


168  H.  HARMS: 

Blattstiel  an  Länge  meist  überragen  und  an  ihrer  Spitze  zwei  bis 
drei  ganz  kurz  gestielte  Blüten  dicht  nebeneinander  tragen,  bisweilen 
auch  nur  einblütig  sind.  Bei  den  normalen,  chasmogamen  Schmetter- 
lingsblüten zeigt  der  am  Grunde  von  zwei  Yorblättern  umgebene, 
etwa  18  bis  23  mm  lange,  bei  grossblütigen  Formen  bis  30  mm  er- 
reichende Kelch  einen  röhrig-trichterförmigen  Tubus  und  ziemlich 
grosse,  aus  breitem  Grunde  spitze  Zipfel.  Die  Fahne  der  ansehn- 
lichen weissen,  rötlich-weissen  oder  hellgelblichen  Blumenkrone  über- 
ragt die  übrigen  Fetalen  an  Breite  und  Länge  (vgl.  Abbildung  bei 
Malme,  1.  c.  fig.  5,  p.  16);  sie  ist  etwa  5  bis  6  C7?2,  bisweilen  auch 
nur  3  bis  4  cm  lang,  wie  denn  überhaupt  die  Grössenverhältnisse 
der  chasmogamen  Blüten  bei  verschiedenen  Exemplaren  der  sehr 
variabeln  Art  recht  verschiedene  sind.  Die  Art  ist  im  tropischen 
Amerika  weit  verbreitet  und  stellenweise  recht  häufig  (Brasilien, 
Peru,  Guiaua,  Columbia,  Westindien,  Zentralamerika). 

Ganz  anders  sehen  die  Blüten  bei  der  STUHLMANN'schen  Pflanze 
von  Sansibar  aus.  Hier  finden  wir  (Fig.  1  —  4^  auf  der  Spitze  eines 
axillären  Blütenstandsstieles  von  wechselnder  Länge  (1,5  bis  4  cm) 
gewöhnlich  zwei  Blüten  in  verschiedenem  Entwicklungsstadium.  Ln 
bestimmten  Falle  ragt  aus  dem  einen  Kelche  bereits  eine  junge 
Hülse  heraus,  während  die  andere  Blüte  der  jungen  Knospe  einer 
chasmogamen  Blüte  ähnlich  ist  Die  letztere  ist  eine  apetale  kleisto- 
game  Blüte,  deren  Kelch  nur  7  bis  8  mm  lang  ist,  also  bedeutend 
kleiner  ist  als  die  Kelche  der  ausgewachsenen  normalen  Blüte;  auch 
die  Vorblätter  am  Grunde  des  Kelches  sind  entsprechend  kleiner. 
Die  fünf  Kelchzipfel  neigen  wie  in  einer  Knospe  zusammen;  später 
treten  sie  auseinander.  Sie  sind  nahezu  gleich  gross,  der  unterste, 
äusserste  ist  nur  ganz  unbedeutend  länger  als  die  übrigen  oder 
ebenso  lang  wie  diese,  die  beiden  oberen  sind  etwas  miteinander 
vereint.  Innerhalb  des  Kelches  (Fig.  2)  findet  man  keine  Blumen- 
blätter, sondern  nur  den  Befruchtungsapparat,  der  zur  Blütezeit  im 
Kelche  eingeschlossen  bleibt.  Die  Staubfäden  sind  kürzer  als  der 
Fruchtknoten  und  frei  voneinander.  Ein,  zwei  oder  seltener  drei 
etwas  längere  Staubfäden  mit  grösseren,  besser  entwickelten  Antheren 
stehen  auf  der  oberen  Seite  der  Blüte,  also  da,  wo  die  beiden  oberen 
etwas  miteinander  vereinten  Kelchzipfel  liegen;  ihre  Antheren  liegen 
der  kopfigen  Narbe  des  nach  unten  eingekrümmten  Griffels  an,  in 
ganz  ähnlicher  Weise,  wie  es  ZUCCARINI  für  seine  übrigens  zu 
Cologania,  nicht  zu  Clitoria  gehörige  Marita  viexicana  abgebildet  hat- 
Neben  diesem  oder  diesen  fertilen  Staubblättern  beobachtet  man 
noch  einige  kleinere,  ebenfalls  freie  Staubfadenrudimente,  die  ganz 
kleine,  verkümmerte  Antheren  tragen  oder  solcher  ganz  entl)ehren. 
Der  schmal-längliche,  kurz  gestielte,  kurz  behaarte  Fruchtknoten 
enthält  mehrere  Samenanlagen;  der  Griffel  ist  nur    sehr  spärlich  be- 


über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  Clitoria.  169 

haart  oder  fast  kahl.  Entwickeltere  Stadien  zeigen  uns,  wie  der 
Griffel  sich  allmählich  nach  oben  krümmt  und  schliesslich  aufrechte 
Stellung;  einnimmt.  Zugleich  schwillt  der  Fruchtknoten  an  und  tritt 
aus  dem  Kelche  heraus,  der  ebenfalls  eine  allerdings  nur  ganz  un- 
bedeutende Yergrösserung  erfährt.  Die  STUHLMANN'sche  Pflanze 
zeigt  alle  Übergangsstadien  von  geschlossenen  Blüten  bis  zu  reifen, 
zweiklappig  aufspringenden,  länglichen  Hülsen,  die  dann  auf  einem 
kurzen  Stiele  aus  dem  kleineu  Kelche  herausragen  und  oben  in  den 
dünnen  Griffelrest  auslaufen.  Wir  finden  bei  ihr  eine  Menge  solcher 
Hülsen,  die  3  bis  4  cm  lang  werden  und  drei  bis  sechs  Samen  um- 
schliessen  (Fig.  3).  Über  die  Keimfähigkeit  dieser  Samen  weiss  ich 
nichts;  sie  sehen  sehr  oft  etwas  eingeschrumpft  aus,  und  manche 
mögen  vielleicht  noch  nicht  ihre  völlige  Reife  erlangt  haben,  andere 
indessen  zeigen  ganz  die  kugelige  Form  und  die  schwarzbraune 
Färbung  der  klebrigen  Samenschale,  wie  sie  für  die  Samen  der 
Gruppe  Neurocarputn  charakteristisch  sind. 

Man  beobachtet  nun  bei  zahlreichen  Exemplaren  von  Cl.  ghjcinoides 
aus  dem  tropischen  Amerika  Hülsen')  in  verschiedenem  Zustande 
der  Entwicklung,  die  aus  kleinen  Kelchen  hervorragen;  hin  und 
wieder  gelingt  es  auch,  kronlose  Blüten  mit  kleinem  Kelche  zu  beob- 
achten.  Alle  jene  Hülsen  gehen  ofTenbar  aus  kronlosen,  kleistogamen 
Blüten  hervor.  Das  Androeceum  ist,  wie  die  Untersuchung  einiger 
wenigen  kleistogamen  Blüten  von  amerikanischen  Exemplaren  dieser  Art 
lehrte  (das  Material  an  solchen  Blüten  ist  spärlich),  in  verschiedenem 
Grade  bei  verschiedenen  Exemplaren  reduziert.  Gewöhnlich  sind  die 
Verhältnisse  so  wie  bei  der  Pflanze  von  Sansibar,  zwei  oder  drei 
Staubgefässe  sind  länger  als  die  übrigen  fünf  bis  acht,  die  kleinere 
Antheren  oder  nur  winzige  Knöpfchen  tragen.  An  einer  kleistogamen 
Blüte  eines  verhältnismässig  grossblütigen  Exemplars  aus  Guiana 
(JENMAN  n.  5229)  fand  ich  neben  fünf  freien,  etwas  längeren  Staub- 
fäden mit  grösseren  Antheren  eine  ganz  kurze  Staubfadenscheide 
auf  der  unteren  Seite  der  Blüte,  die  in  fünf  winzige  Fädchen  aus- 
ging. In  keinem  Falle  beobachtete  ich  Spuren  von  Blumenblättern; 
ob  Übergangsformen  zu  chasmogamen  Blüten  vorkommen,  wo  etwa 
die  Corolla  noch  in  Form  kleiner  Zipfel  angedeutet  ist,  müsste  noch 
an  reicherem  Material  nachgeprüft  werden.  —  Bei  den  amerikanischen 
Exemplaren  treten  an  demselben  Stengelstück  entweder  nur  kleisto- 
game  Blüten  auf,  oder,  und  dies  ist  der  häufigere  Fall,  das  gleiche 
Stück  trägt  neben  kleistogamen  Blüten  in  anderen  Blattachseln 
Schmetterlingsblüten  oder  Hülsen,  die  aus  grossen  Kelchen  hervor- 
ragen.    Treten  beide  Blütenformen  zusammen  auf,  so  beobachtet  man 


1)  Eine  solche  Hülse    von    Cl.  (jhjcinoides   mit   Längsrippe    ist    abgebildet   bei 
ZUCCAEINI,  1.  c.  t.  15  fig.  14. 


170  H.  Harms  : 

meistens  normale  Blüten  in  den  oberen  Blattachseln,  kleistogame  in 
den  darunter  befindlichen;  es  scheint  demnach,  als  ob  in  den  unteren 
Blattachseln  vorzugsweise  kleistogame  Blüten  sich  entwickeln.  Die 
Hülsen,  die  aus  chasmogamen,  grosskelchigen  Blüten  hervorgehen, 
sind  gewöhnlich  etwas  länger  als  die  anderen,  indessen  ist  der  Unter- 
schied wenig  augenfällig.  Übrigens  findet  man  am  Herbarmaterial 
häufiger  Hülsen  aus  kleistogamen  Blüten  als  solche  aus  chasmogamen, 
und  ihre  kugeligen,  glänzenden,  dunkelbräunlichen,  klebrigen  Samen 
sind  offenbar  vollkommen  normal  entwickelt. 

Noch  viel  häufiger  als  bei  der  eben  behandelten  Art  findet  sich 
Kleistogamie  bei  Cl.  cajanifoUa^)  Beiith.  (Journ.  Linn.  Soc  H.  (1858) 
40).  Dies  ist  keine  Schlingpflanze,  sondern  sie  entwickelt  aus  einem 
kriechenden  Rhizom  aufrechte,  krautige  oder  halbstrauchige,  einfache 
oder  wenig  verzweigte  Stengel  von  30  -60  cm  Höhe.  In  den  Achseln 
der  ganz  kurz  gestielten,  gedreiten  Blätter  bemerken  wir  einen 
Pedunculus  von  wechselnder  Länge  (1,5—5  cm),  der  an  der  Spitze 
ein  bis  drei  kurz  gestielte  oder  fast  sitzende  Blüten  trägt.  Die  Art 
ist  im  tropischen  Amerika  weit  verbreitet  (Brasilien,  Guiana,  West- 
indien) und  bewohnt  dort  trockene  Campos  oder  sandige  Strecken 
am  Strande;  ausserdem  ist  sie  in  das  tropische  Asien  hinüber- 
gekommen und  tritt  ziemlich  häufig  in  Malacca,  Slam  und  Java  auf, 
wo  man  sie  nach  PßAIN  (Mater.  Fl.  Mal.  Penins.  Calycifl.  p.  57)  in 
„old  Clearings"  findet.  Die  Kleistogamie  ist  hier  in  ganz  ähnlicher 
Weise  ausgebildet  wie  bei  glycinoides.  Während  die  Kelche  der 
normalen  Schmetterlingsblüten ^j  1,8 — 2  cm  lang  oder  noch  länger 
werden,  sind  die  der  kleistogamen  nur  5 — 6  mm  lang.  Auch  hier 
Fehlen  der  Blumenblätter  und  starke  Reduktion  im  Androeceum  oft 
bis  auf  zwei  längere  fruchtbare  Staubblätter  mit  grösseren,  der  Narbe 
des  nach  unten  gebogenen  Griffels  fest  anliegenden  Antheren;  neben 
ihnen  dann  meist  noch  ganz  rudimentäre  Fädchen  in  verschiedener 
Zahl  mit  verkümmerten  Antheren  oder  auch  ü-anz  ohne  solche. 

Die  kleistogamen  Blüten  sind  fast  regelmässig  fruchtbar,  wir  finden 
häufiger  Hülsen,  die  aus  kleinen  Kelchen^),  als  solche,  die  aus  grossen 
Kelchen  herausragen.  Die  Hülsen,  die  aus  kleistogamen  Blüten  ent- 
springen, sind  durchaus  normal,  kurz  gestielt,  etwa  2,5 — 5  cm  lang, 
zeigen  gewöhnlich  die  charakteristische  Längsrippe,  springen  auf 
und  enthalten  etwa  vier  bis  sechs  wohl  entwickelte  Samen  von 
kugeliger  Gestalt. 


1)  Der  älteste  Name  ist  nach  I.  Urban  (Symb.  antill.  IV.  (1905)  oCK!)) 
67.  laurifoüa  Poir.  in  Lam.  Enc,  Suppl.  IL  (1811)  301.  Die  Blätter  sind  am 
Herbarmaterial  meist  iinterseits  grau  gefärbt  und  behaart. 

2)  Nach  filNDMAN  (1.  c.)  blassgelb  mit  violett  gestreifter  Fahne. 

3)  Schon  Presl  (iS^'mb.  bot.  17  t.  0:  Xeurocarpuiu  cajanifolium)  bildet  eine 
solche  Hülse  ab. 


über  Kleistogainie  bei  der  Gattung  Clitoria.  171 

Wie  das  abgebildete  Steugelstück  (Fig.  5)  zeigt,  treten  beide 
Blutenformen  am  selben  Stengel  in  verschiedenen  Achseln  auf.  Ge- 
wöhnlich finden  wir  die  kleistogamen  Blüten  in  den  unteren  Achseln 
des  Stengels,  indessen  sah  ich  auch  ein  Exemplar  aus  Java,  bei  dem 
iius  zwei  unteren  Achseln  grosse  Kelche  mit  Hülsen,  aus  drei  oberen 
daueren  kleine  Kelche  mit  Hülsen  hervoroehen.  Die  Kleistoo-amie 
tritt  in  üleicher  Weise  bei  den  amerikanischen  wie  bei  den  asiatischen 
Exemplaren  auf,  allerdings  scheint  sie  bei  den  Asiaten  häufiger  zu 
sein.  Die  Hülsen  aus  chasmogamen  Blüten  sind  gewöhnlich  etwas 
länger  (4 — 7  cm  lang),  bergen  fünf  bis  acht  Samen;  im  Jugendzustand 
fallen  sie  dadurch  vor  denen  aus  kleistogamen  Blüten  auf,  dass  der 
Griffel  länger  ist  als  bei  jenen. 

Die  auf  den  Campos  Brasiliens  und  Paraguays  ziemlich  ver- 
breitete, auch  in  Guiana  und  Columbia  vorkommende  Cl.  guianensis 
(Aubl.)  Benth.  steht  der  Cl.  cujanifolia  sehr  nahe;  sie  unterscheidet 
sich  von  ihr  wohl  hauptsächlich  durch  etwas  schmälere,  unterseits 
weniiier  i>rau  aussehende  Blättchen  und  grössere  Blüten.  Kleisto"ame 
Blüten  fand  ich  bei  einem  von  HASSLER  sub  n.  4344  in  Paraguay 
gesammelten  Exemplar,  das  auch  ChODAT  (in  Bull.  Herb.  Boiss. 
4.  ser.  H.  (li>04)  895)  zitiert.  Es  handelt  sich  nach  den  Angaben 
der  Sammler  um  einen  niedrigen  Halbstrauch,  der  aus  holzigem 
kriechendem  Rhizom  einige  meist  einfache,  seltener  spärlich  ver- 
zweigte 30 — 50  cm.  hohe  beblätterte  Stengel  treibt;  die  ansehnlichen 
chasmogamen  Blüten  (im  ganzen  bis  75  mm  lang)  sind  violett  und 
wohlriechend.  Bei  dem  Exemplar  von  HASSLER  finden  wir  in  ge- 
wissen Blattachseln  '1 — 3  cm  lange  Pedunculi,  die  an  der  Spitze 
neben  ein  oder  zwei  prächtigen  Schmetterlingsblüteu  mit  grossem, 
25 — '27  mvi  langem  Kelche  noch  ein  oder  zwei  kleistos-ame  mit 
kleinem,  9 — 10  mm  langem  Kelche  tragen  (Fig.  8).  Beide  Bluten- 
formen treten  also  hier  neben  einander  auf  demselben  Pedunculus 
auf,  eine  Erscheinung,  die  vielleicht  auch  bei  den  andern  Arten 
vorkommt,  bei  ihnen  jedoch  noch  nicht  sicher  festsfestellt  ist.  Auch 
bei  guianensis  abortieren  die  Blumenblätter  völlig.  Das  Androeceum 
besteht  aus  9—10  Staubblättern  (Fig.  9)  mit  freien  oder  nur  ganz 
am  Grunde  etwas  vereinten,  kurzen,  dünnen  Staubfäden,  von  denen 
fünf  länger,  vier  bis  fünf  etwas  kürzer  sind.  Im  untersuchten  Falle 
tragen  alle  Staubfäden  ziemlich  breite,  zarte  Antheren,  von  denen 
eine  oder  zwei  der  Narbe  des  eingekrümmten  Griffels  fest  anhaften. 
Der  Fruchtknoten  ist  seidig  behaart,  der  eingekrümmte  Griffel  nur 
schwach  behaart.  Dasselbe  Exemplar  zeigt  in  andern  Blattachseln 
nur  kleistogame  Blüten.  —  Ein  anderes  Exemplar  von  HASSLER 
(n.  9241)  zeigt  Hülsen  ^),  die  aus  kleinen  Kelchen  hervorragen  (Fig.  10), 


1)  Sie  haben,    abweichend    vom  Tjpus,    keine  Längsrippe,    gehören    daher    zu 


der  von  CHODAT  unterschiedenen  „forma  legumine  ecostato*'. 


172  H.  Haems: 

demnach  offenbar  aus  kleistoo-amen  Blüten  entstanden  sind.  Die 
gleiche  Erscheinung-  beobachtete  ich  bei  zwei  brasilianischen 
Exemplaren  (SelLO,  LoefgEEN  [S.  Paulo]  n.  1168)  und  einem  aus 
Columbia  (LEHMANN  n.  7795,  Stengel  etwas  verkümmert). 

Der  Kleistogamie  verdächtig  ist  mir  noch  die  den  beiden  vorigen 
Arten  nahestehende  67.  densi-ßora  Benth.,  die  ebenfalls  die  Campos 
Brasiliens  bewohnt;  indessen  genügte  das  Material  nicht  zur  sicheren 
Feststellung  der  Tatsache. 

Es  handelt  sich  bei  den  drei  C7^tor^a-Arten  um  eine  echte,  so- 
genannte habituelle  Kleistogamie  im  Sinne  GOEBEL's^)  und  LOEW's, 
d.  h.  um  eine  solche,  bei  der,  wie  GOEBEL  sehr  trefPend  und  klar 
ausgeführt  Jiat,  eine  Entwicklungshemmung  stattfindet.  Auch  in 
diesem  Falle  dürften  sich  ebenso  wie  in  den  von  GOEBEL  erläuterten 
Beispielen  die  Verschiedenheiten,  die  im  Bau  der  kleistogamen 
Blüten  gegenüber  den  chasmogamen  zutage  treten,  auf  ein  Zurück- 
bleiben der  Organe  in  einem  frühen  Stadium  zurückführen  lassen. 
Die  wichtio-sten  Merkmale  für  die  Kleistogamie  bei  Clitoria  sind 
Kleinbleiben  des  Kelches,  Fehlschlagen  der  Blumenkrone,  mehr  oder 
weniger  starke  Reduktion  im  Androeceum.  Die  Reduktion  in  der 
Grösse  setzt  bereits  bei  dem  Vorblätterpaare  ein,  das  den  Kelch  am 
Grunde  umgiebt.  Von  den  zehn  Staubblättern,  die  dem  normalen 
Grundplan  der  Blüte  zukommen,  gelangen  vorzugsweise  die  zur  Ent- 
wickelung,  die  ihrer  Stellung  nach  geeignet  sind,  mit  der  Narbe  des 
nach  unten  eingebogenen  Griffels  in  Berührung  zu  treten,  also  die 
auf  der  Vexillarseite  befindlichen.  Die  Staubfäden  sind  meist 
frei  und  bleiben  bis  zur  Befruchtung  wie  der  Fruchtknoten  im 
Kelche  eingeschlossen.  Nach  der  Befruchtung  krümmt  sich  der 
schwach  behaarte  oder  fast  kahle  Griffel  aufwärts  und  es  wächst 
der  Fruchtknoten  aus  dem  Kelche  heraus  zur  reifen  Hülse  heran; 
der  stehenbleibende  Kelch  erfährt  dabei  eine  unbedeutende  Ver- 
grösserung.  Auf  demselben  axillären  Blütenstandstiel  entwickeln 
sich  entweder  nur  kleistogame  oder  nur  chasmogame  Blüten,  seltener 
(guianensis)  beide  zugleich.  Derselbe  Stengel  trägt  meist  beide 
Blütenformen,  und  es  treten  (abgesehen  von  Ausnahmen)  die  kleisto- 
gamen Blüten  vorzugsweise  in  den  unteren  Blattachseln  auf.  Es 
scheint  auch  gelegentlich  vorzukommen,  dass  eine  bestimmte  Pflanze 
(wie  die  von  STUHLMANN  gesammelte)  ausschliesslich  kleistogame 
Blüten  trägt.  Die  kleistogamen  Blüten  bringen  fast  regelmässig 
reife  Hülsen  hervor,  die  sich  gewöhnlich  durch  etwas  kürzere 
Gestalt  von  denen  unterscheiden,  die  aus  chasmogamen  Blüten  her- 
vorgehen;   letztere    Art    von    Hülsen    beobachtet    man    am    Herbar- 


1)  Vgl.    GOEBEL    iu    Biol.    Centralbl,  XXIV    (1904)   677;    E.    LOEW,    ebenda 
XXVI  (1906)  178. 


über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  Clitoria.  ]73 

material    im    allgemeinen  seltener  als  jene,    die  kleistogamen  Blüten 
entspringen. 

^  Ich  habe  versucht,  kurz  den  Tatbestand  aufzuzeichnen,  wie  iiin 
das  für  biologische  Studien  natürlich  stets  nur  mangelhafte  Herbar- 
material erkennen  Hess.  Genauere  Studien  lassen  sich  natürlich  nur 
an  reichlichem  lebendem  Material  austeilen.  Zu  prüfen  wäre  vor 
allem  noch  die  Frage,  in  welcher  Weise  die  Befruchtung  vor  sich 
geht  und  welches  Stadium  der  Reife  die  Antheren  erreichen.  Im 
einen  Falle  konnte  ich  in  einer  Anthere  keine  Pollenkörner  wahr- 
nehmen, in  andern  Fällen  sah  man  dagegen  die  Pollenkörner  eben 
in  der  Ausbilduno-  betirifFen  oder  bereits  ferti"-  in  der  Anthere 
liegen.  Nach  Analogie  mit  andern  kleistogamen  Pflanzen  dürfte 
die  Zahl  der  zur  Entwickelung  gelangenden  Pollenkörner  eine  relativ 
geringe  sein. 

Über  die  Bestäubungsverhältnisse  der  chasmogamen  Blüten 
dieser  Arten  ist  nicht  viel  bekannt.  MaLME  hat  an  den  Blüten 
von  67.  guianensis  grosse  Hummeln  beobachtet.  Die  Bestäubung  der 
mit  67.  glycinoides  sehr  nahe  verwandten  67.  marinna  L.  hat  FOERSTE 
(Bot.  Gaz.  XVIII    460). studiert. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei  Clitoria  tritt  Kleistogamie  bei 
den  Gattungen  Amphicarpaea  Ell.  und  Cologania  H.  B.  K.  auf,  die 
Taubert  (Natürl.  Pflzfam.  III.  3,  p.  yö9)  in  ein  Genus  vereinigt. 
Beide  sind  die  nächsten  Verwandten  von'  Clitoria  und  gehören  zu- 
sammen  mit  ihr  und  einigen  anderen  Gattungen  wie  Glycttie, 
Centrosemaj  Galactia  zur  Subtribus  der  Pliaseoleae-Glycininae,  und  bei 
dieser  Gruppe  scheint  Kleistogamie  überhaupt  nicht  selten  vorzu- 
kommen. Bei  der  nordamerikanischen  Amphicarpaea  vionoica  Ell. 
ist  mit  der  Kleistogamie  Amphicarpie  verknüpft;  man  kannte  die 
Erscheinungen  bei  dieser  Art  schon  längst,  eine  Arbeit  aus  jüngster 
Zeit  beschäftigt  sich  sehr  eingehend  damit. ^)  Auch  von  Cologania 
weiss  man  seit  geraumer  Zeit,  dass  bei  ihr  gelegentlich  kleistogame 
apetale  Blüten  mit  kleinem  Kelche  auftreten  („imperfect  flowers"  der 
Diagnosen  amerikanischer  Floristen).  Die  Arten  der  Gattung  finden 
sich  vorzugsweise  auf  den  Gebirgen  und  Hochebenen  der  audiueu 
Gebiete  von  Mexiko  bis  Bolivia.  Es  sind  meist  niederliegende  oder 
aufsteigende  Kräuter  mit  schlanken,  kriechenden  oder  schlingenden 
Stengeln.  Der  Kelch  der  chasmogamen  Blüten  ist  wie  bei  Clitoria 
ziemlich  lang,  breit  oder  schmal  röhrenförmig  und  geht  in  fünf  Abschnitte 
aus,  von  denen  der  unterste  etwas  länger  ist  als  die  übrigen,  während 
die  beiden  oberen  mehr  oder  weniger  mit  einander  verwachsen  sind. 


1)  Adeline  SchtV'ELY  in  Public.  Univ.  Pennsylv.  New  Scr.  Contrib.  Bot. 
Labor.  I.  3  (1897)  270.  —  Bei  der  sehr  nahestehenden  .1.  Edgeworthii  Benth.  aus 
dem  Himalaja  und  Ostasien  treten  ganz  die  gleichen  Ercheinungen  auf. 


174  H.   HARMS: 

-Die  rötlichen  oder  violetten  Blumenblätter  ragen  aus  dem  Kelche 
heraus.  Die  eingangs  erwähnte,  von  ZucCAßlNI  unter  dem  Namen 
Martia  mexicana  abgebildete  Pflanze,  ist  jedenfalls  eine  Cologania, 
über  deren  genauere  Stellung  zu  den  bekannten  Arten  allerdings 
Rose  in  seiner  Übersicht  der  nordamerikanischen  Arten  noch  im 
unklaren  ist.  ^)  RoSE  vergleicht  die  Art  mit  Cologania  Martia 
Watson  (Proc.  Amer.  Acad.  XVII  [1882]  345),  die  nach  dem  Autor 
mit  kleistogameu  Blüten  auftritt.  ROSE  führt  „imperfect  flowers" 
noch  an  von  C.  racemosa  (Robinson)  Rose  und  C.  Lemmonii  A.  Gray. 
Ich  fand  die  Erscheinung  unter  den  Exemplaren  des  Berliner 
Herbar  sehr  schön  entwickelt  bei  einem  unbestimmten  Exemplar 
aus  Mexiko  (SCHAFFNER  n.  234),  ferner  bei  C.  affinis  Mart,  et  Gal. 
(Pringle  n.  8603),  C.  bifiora  Nichols.  (Pringle  n.  8611),  C.  hngifoUa 
A.  Gray,  sowie  wiederholt  bei  Exemplaren  aus  dem  andinen  Süd- 
amerika, die  gewöhnlich  zu  den  wohl  identischen  Arten  C.  pulchella 
H.  B.  K.  und  C.  ovalifolia  H.  B.  K.  gerechnet  werden  (z.  B.  FIEBRIG 
n.  3449,  Bolivia). 

Bei  den  genannten  Arten  stehen  die  Blüten  einzeln,  zu  zweien 
oder  in  Büscheln  von  mehreren  in  den  Blattachseln;  im  letzteren 
Falle  finden  wir  sehr  häufig  neben  einigen  kurzgestielten  oder  fast 
sitzenden  kleistogameu  Blüten  in  derselben  Achsel  einige  etwas 
länger  gestielte  chasmogame  Blüten  mit  grossem  Kelche  und  heraus- 
ragender rötlicher  Blumeiikrone  (so  z.  B.  bei  FIEBRIG  n.  3449).  Es 
kann  aber  natürlich  dieselbe  Blattachsel  auch  nur  die  eine  oder  die 
andere  Blütenform  hervorbringen.  Der  ganz  schmale,  röhrig- 
trichterförmige,  meist  behaarte,  kurz  fünfzähnige  Kelch  der  apetalen 
kleistogameu  Blüten  ist  bald  kleiner,  bald  grösser,  stets  jedoch 
kleiner  als  bei  den  chasmogamen  Blüten.")  Im  Androeceum  findet 
eine  Reduktion  statt  bis  auf  eins  bis  drei,  meist  zwei  fertile,  ein- 
geschlossene Staubblätter  mit  langen  freien  Fäden  und  kleinen 
Antheren.  Diese  stehen  auf  der  morphologischen  Oberseite  der 
Blüte.  Von  den  übrigen  7 — 9,  die  dem  Grundplan  der  Blüte  ent- 
sprechend zu  erwarten  wären,  finden  wir  nur  noch  einige  Rudimente 
in  Gestalt  längerer  oder  ganz  kurzer,  meist  antherenloser,  dünner 
Fädchen,  die  bisweilen  am  Grunde  etwas  vereint  sein  können;  hin 
und  wieder  scheinen  diese  Fädchen,  die  zwischen  den  dichten, 
langen  Haaren  des  Fruchtknotens  leicht  übersehen  werden,  auch 
ganz  zu  fehlen.  Der  meist  stark  behaarte,  schmale  Fruchtknoten  ist 
im  Kelche    eingeschlossen,    sein  Grifiel    ist    nach    der  Oberseite    der 


1)  Rose  in  Contrib.  U.  S.  Nat.  Herb.  VIII.  1  (190o)  4-2.    Die  Arten  sind  sehr 
schwer  zu  unterscheiden. 

2)  Exeinpl.    von    Fiebrig:     Stiel     der     chasmog.    Bl.    5—8  //;//;,    ihr    Kelch 
10-12  «iw  lang;  Stiel  der  kleistog.  Bl.  0,5  — 2 //////,  Kelch  G— 8  ww  lang. 


über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  Clitoria.  175 

Blüte  eingekrümmt,  der  kopfig  verbreiterten,  kleinen  Narbe  liegen 
die  Antheren  der  fertilen  Stamina  oft  fest  an.  Aus  den  Kelchen, 
die  eine  geringe  Vergrösserung  erfahren  und  später  gewöhnlich  auf 
einer  Seite  scheidenartig  aufgeschlitzt  werden,  ragen  dann  schliesslich 
schmale,  meist  behaarte,  aufspringende,  meist  mehrsamige,  reife 
Hülsen  hervor.  Hülsen  aus  kleistogamen  Blüten  trifft  man  am 
Herbarmaterial  öfter  als  solche  aus  chasmogamen.  Einen  wesent- 
lichen Unterschied  zwischen  beiden  Arten  von  Hülsen  vermochte  ich 
nicht  zu  finden. 

Aus  dieser  Darstellung  geht  hervor,  dass  bei  Cologania  im 
wesentlichen  ganz  ähnliche  Verhältnisse  bezüglich  des  Baues  und 
des  Vorkommens  der  kleistogamen  Blüten  vorwalten  wie  bei  Clitoria. 


'o" 


Wie  sich  aus  dem  Vergleich  mit  den  bisher  g-enauer  unter- 
suchten  Fällen  von  Kleistogamie  bei  anderen  Gattunoen  der 
Papilionatae  ergiebt,  wiederholt  sich  recht  häufig  bei  dieser  Blüten- 
form vor  allem  die  Apetalie.^)  Mit  Kleistogamie  ist  in  diesen 
Fällen  (wie  z.  B.  bei  Amp/iiearpaea  und  Neocracca)^)  oft  Amphicarpie 
verbunden.  Bei  Clitoria  ist  von  Amphicarpie  keine  Rede,  da  es 
sich  ausschliesslich  um  oberirdische  kleistogame  Blüten  handelt; 
auch  Heterocarpie  im  eigentlichen  Sinne  liegt  nicht  vor,  wenn  auch 
im  allgemeinen  die  Hülsen  aus  chasmogamen  Blüten  länger  sind 
als  die  aus  kleistogamen.  Dasselbe  dürfte  für  die  Cologania-Arten 
oelten. 

Zum  Schlüsse  gestatte  ich  mir,  den  Herren  Prof.  Dr.  E.  LOEW 
für  sehr  wertvolle  Literaturnachweise  und  freundliche  Anreguno-eu, 
Herrn  Geh.  Rat  Prof.  I.  ÜKBAN  für  Überlassung  reichen  westindischen 
Materials  zur  Durchsicht,  sowie  Herrn  J.  POHL  für  die  sorgsame 
Ausführung  der  Tafel  meinen  besten  Dank  auszusprechen. 


Erklärung-  der  Abbildaugeu. 


Fig.  1  -  4.  Clitoria  yhjcinoides  DC.  Exemplar  von  STUHLMANN-Sansibar.  Fig.  1. 
Zwei  kleistogame  Blüten,  aus  der  einen  ragt  bereit.«  eine  halbreife 
Hülse  heraus.  Fig.  2.  Längsschnitt  durch  eine  kleistogame  Blüte. 
Fig.  3.  Stengelstück  mit  Hülsen.  Fig.  4.  Griffclcnde  aus  der  kleisto- 
gamen Blüte. 


1)  Z.  B.  Arten  von   Ononis,  Vicia,  P(iroc/ietu.i. 

2)  Vgl.  Feies  in  Arkiv  lor  Bot.  III  n.  9  (1904). 


176  H.  Harms :  Über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  Clitoria. 

Fig.  5-7.  Ci.  cajanifolia  Benth.  Fig.  5.  Stengelstück  (Blätter  abgeschnitten), 
in  der  unteren  Blattachgel  eine  bereits  befruchtete  kleistogame  Blüte, 
bei  der  der  Griffel  sich  schon  etwas  nach  aussen  gekrümmt  hat;  in 
der  oberen  Achsel  chasmogame  Blüten  (STAHL  n.  580).  Fig.  6.  Längs- 
schnitt durch  eine  kleistogame  Blüte.  Fig.  7.  Längsschnitt  durch  den 
Fruchtknoten  derselben. 

Fig.  8—10.  Cl.  guianensis  Benth.  Fig.  8.  Ende  des  Blütenstandsstieles  (Exemplar 
von  Hassler  n.  4344),  mit  zwei  kleistogamen  Blüten  und  einer 
chasmogamen.  Fig.  9.  Längsschnitt  durch  eine  kleistogame  Blüte. 
Fig.  10.  Hülsen,  die  aus  kleinen  Kelchen  hervorragen  (HASSLER 
n.  9241). 


Sitzung  vom  2G.  April  1907.  177 


Sitzung  vum  26.  April  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Als  ordentliches  Mito-lied  ist  voro-eschlasren  Herr 

Koorders,  Dr.  S.  H.,  in  Steglitz  bei  Berlin,  Arndtstr.  34  (durch  G.  LINDAU 
nnd  Th.  LOESENER). 

Zn  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Sernander,  Dr.  Rutger,  in  Uppsala, 

Anisits,  Dr.  Daniel,  Professor  in  Asuncion  (Paraguay), 

Riehm,  Dr.  Eduard,  in  Steglitz. 


Der  A'orsitzende  macht  der  Gesellschaft  Mitteilung  von  dem  im 
März  d.  J.  auf  Ceylon  erfolgten  Totle  unseres  ordentlichen  Mitgliedes, 
des  Herrn 

Guido  Kraskovits 

und    von    dem    im    April    d.  J.    erfolgten    Abiehen    unseres    korre- 
spondierenden Mitgliedes,  des  Herrn 

Professor  Dr.  6.  R.  Kjellman 

in  Uppsala. 

Zu  Ehren  der  Verstorbenen  erhoben  sich  die  Anwesenden  von 
ihren  Sitzen. 


Herr  P.  LiNDNER  vom  Institut  für  Gärungsgewerbe  demonstrierte 
einige  Glasschalen,  in  denen  verschiedene  Hefen  von  ihm  und 
Dr.  Stockhausen  darauf  geprüft  worden  waren,  ob  sie  die  ver- 
schiedenen Abbanprodukte  des  Hefeneiweisses  der  Bierhefe  (Leucin, 
Tyrosiu,  Cholin,  Histidin,  Xanthin,  Hypoxanthin,  Asparagin,  Asparagin- 
säure,  Guanin,  Adenin,  Arginin  usw.)  wieder  zu  Plasma  zu  syntheti- 
sieren vermöchten.  Die  Hefen  waren  in  parallelen  Strichen  reihen- 
weis auf  einem  Traubenzuckeragar,    der  mit  je  einer  der  genannten 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  13 


178  S.  KOSTYTSCHEW: 

Substanzen  vermischt  worden  war,  aufgetragen  worden.  Sowohl  in 
der  Intensität  des  Wachstums,  als  auch  in  der  Färbung  (namentlich 
bei  den  roten  Hefen)  machten  sich  erhebliche  Unterschiede  geltend 
sowohl  bei  dem  Yergleich  derselben  Hefe  auf  den  verschiedenen 
Schalen,  als  auch  bei  dem  Yergleich  der  verschiedenen  Hefen  unter- 
einander. Die  genannte  Yersuchsanstellung  sollte  darlegen,  in  wie- 
weit die  billige  Bierhefe  durch  Autolyse  nutzbare  Stickstoffsubstanzen 
für  die  im  Betrieb  gärende  Hefe  zu  liefern  vermag  bezw.  welche 
von  den  genannten  Stoffen  in  den  käuflichen  Hefeextrakten,  die  in 
der  Zusammensetzung  dem  LiEBIG'schen  Fleischextrakt  sehr  nahe 
stehen,  am  nährkräftigsten  sein  dürften. 

Eine  zweite  Demonstration  bezog  sich  auf  eine  Schimmelpilz- 
kultur, die  in  Würzegelatine  rings  um  sich  eine  breite  Zone  von 
ausgeschiedenem  Oxalsäuren  Kalk  gebildet  hatte.  Herr  Professor 
Reinhardt  bemerkte  dazu,  dass  manche  parasitische  Pilze,  nament- 
lich die  Pezizen,  auf  den  geringsten  Reiz,  wie  ihn  z.  B.  ein  be- 
nachbartes Mycelium  von  einem  anderen  Pilz  ausübt,  mit  einer 
starken  Oxalsäurebilduns:  reagieren,  so  dass  in  dem  Zwischenfeld 
eine  dichte  Wolke  von  jenen  Kristallen  entsteht.  Herr  Privatdozent 
Dr.  0.  Fischer  teilte  mit,  dass  er  solche  Wolken  von  oxalsaurem 
Kalk  sehr  häufig  in  Plattenkulturen  von  Erdproben  beobachtet  habe. 
Hier  seien  bei  der  Yerschiedenartigkeit  der  Keime  Reizwirkungen 
offenbar  ebenfalls  vorliegend.  Herr  LiNDNER  bemerkte  noch,  dass 
das  bei  den  oft  wiederholten  Gärungen  immer  zahlreichere  Auftreten 
von  Calciumoxalatkrystalleu  vielleicht  auch  durch  die  naturgemäss 
zunehmende  Infektion  infok'e  Reizwirkung  auf  die  Kulturhefe  zu- 
stände  kommen  dürfte. 


25.   S.  Kostytschew:   Zur   Frage   der  Wasserstoffbiidung 

bei  der  Atmung  der  Pilze. 

Einp^cgangen  am  15.  April  1907. 


In  einer  früher  publizierten  Abhandlung^)  habe  ich  nach- 
gewiesen, dass  bei  der  normalen  und  der  anaeroben  Atmung  mannit- 
führender  Samenpflanzen  keine  Wasserstoffbildung  stattfindet.  In 
der  vorliegenden  Abhandlung  sind  Yersuche  mit  den  Schimmelpilzen 
Penicillium  glmicum    und  Aspergillus  niger    und    dem    Basidiomyceten 


1)  Kostytschew,  diese  Berichte,  Bd.  24,  1906,  S.  436. 


Zur  Frage  der  Wasserstoff bilcUing  bei  der  Atmung  der  Pilze.  179 

Agaricus  {Psalliota)  campestris  beschrieben  worden.  Den  letzt- 
genannten Pilz  liatMÜNTZ^)  für  seine  umfangreichen  Untersuchungen 
benutzt,  die  bis  auf  die  letzte  Zeit  hin  als  ausschlaggebend  be- 
trachtet wurden.  Dieser  Forscher  hat  gefunden,  dass  die  Wasser- 
stoffbildung nur  bei  mannitführenden  Pilzen  und  zwar  bei  Sauer- 
stoffabschluss  erfolgt.  Es  liegt  jedoch  die  Annahme  nahe,  dass  die 
von  MÜNTZ  wahrgenommene  Wasserstoffbildung  lediglich  auf  die 
Tätigkeit  der  Bakterien  zurückzuführen  ist,  da  die  Energie  der 
Wasserstoffausscheidung  in  verschiedenen  Versuclien  innerhalb  weiter 
Grenzen  scliwankte  und  sämtliche  Versuche  von  langer  Dauer  waren. 
Aus  meinen  hier  beschriebenen  Versuchen  wird  ersichtlich  werden, 
dass  die  Fruchtkörper  von  Agaricus  campestris  bei  SauerstofFabschluss 
von  Bakterien  schnell  angegrifPeh  werden.  Es  ist  also  einleuchtend, 
dass  die  Frage  von  der  WasserstofTausscheidung  maunitführender 
Pilze  durcliaus  nicht  abgeschlossen  ist.  Diese  Lücke  auszufüllen, 
habe  ich  mich  durch  die  weiter  folgenden  Versuche  bestrebt. 

I.  Versuche  mit  Scliimnielpilzeu. 

Die  Pilzkulturen  wurden  auf  Mannitlosungen  bei  Abwesenheit 
anderer  organischen  Substanzen  mehrere  Generationen  hindurch  ge- 
zoa'en:  zu  den  Versuchszwecken  wurden  nur  die  an  Manniternähruno- 
vollständig  gewöhnten  Kulturen  benutzt.  Die  Versuchsgefässe 
wurden  derart  eingerichtet,  dass  die  innere  Atmosphäre  von  der 
äusseren  lediglich  durch  Glas  und  Quecksilber  getrennt  wurde.^) 
Sämtliche  Versuche  wurden  in  Dunkelheit  ausgeführt.  Für  die  Gas- 
analyse bediente  ich  mich  des  Apparates  von  POLOWZOW^)  mit  der 
Modification  von  A.  RICHTER.*) 

Versuch  1. 

Eine  fünftägige  Kultur  von  Penicillium  glaucum.  Nährlösung: 
RAULIN'sche  Flüssigkeit  ohne  K^SiOg  und  ZnSO^  und  unter  Ersatz 
des  Rohrzuckers  durch  Mannit  (J)  g  in  \0Q  ccm  der  Lösung).  Die 
Kultur  wurde  mit  Luft  eingesperrt.     Temperatur  16^. 


1)  MÜNTZ,  Annales  de  chimie  et  de  plijsique,  ser.  V.  t.  8,  1876,  p.  56. 

2)  Näheres  darüber  fiadet  man  in  meiner  Abliandliing  „Über  die  normale  und 
die  anaerobe  Atmung  bei  Abwesenheit  von  Zucker"  (Jahrb.  für  wiss.  Uotanik, 
Bd.  40,  1904,  S.  563),  wo  auch  die  Methode  der  Darstellung  des  reinen  Stickstoffs 
ausführlich  beschrieben  worden  ist. 

3)  POLOWZOW,  Untersuchungen  über  die  Pflanzenatmung,  1901  (russisch). 

4)  A.  Richter,  Travaux  de  la  societe  imperiale  des  naturalistes  de 
St.  Petersbourg,  t.  33,  1902  —  1903,  p.  311  (russisch).  Denselben  Apparat  habe  ich 
auch  für  meine  Untersuchungen  über  mannitführende  Samenpflanzen  benutzt,  was 
dort  leider  nicht  erwähnt  blieb.  In  dem  nicht  modifizierten  POLOWZOW'schen 
Apparate  können  keine  Verbrennungen  ausgeführt  werden. 

13* 


180 


S,  KOSTYTSCHEW: 


Luftpeviode  2  Stunden. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 157,28 

Nach  Absorption  der  CO.^ 154,18 

„      der  Explosion  mit  Knallgas .    .  154,18 

„     Zulassung  von  Hj 227,12 

„    der  Explosion 138,40 


COo^    1,97  pCt. 
0,  =  18,80    „ 


H, 


0,0 


N2  =  79,23    „ 


^=   0,98  pCt. 


Temperatur:    16°. 


CO,  = 

2,36 

pCt. 

0,= 

18.52 

1» 

\h  = 

0,0 

'1 

N.= 

79,12 

)5 

CO., 

o;  ' 

1,04 

pCt. 

Die  Kultur  wurde  alsdann  mit  Stickstoff  eingesperrt;  es  wurde 
jedoch  keine  COo- Bildung  im  Verlauf  von  24  Stunden  wahr- 
genommen. 

Versuch  2. 

Genaue  Wiederholung    des  vorhergehenden. 
Luftperiode  2  Stunden. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 154,93 

Nach  Absorption  der  COg 151,28 

.,      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  151,28 

,,     Zulassung  von  H, 225,91 

„      der  Explosion 139,83 

Die  Kultur  wurde  alsdann  mit  Stickstoff  eingesperrt.  Keine 
COg-Bildung  im  Verlauf  von  24  Stunden. 

Versuch  3. 

Eine  viertägige  Kultur  von  Aspergillus  niger.  Nährlösung  wie 
im  A^ ersuch  1.  Die  Kultur  wurde  mit  Luft  eingesperrt.  Temperatur: 
16,5°. 

Luftperiode  2  Stunden. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 154,05    I  COg  =    1,91  pCt. 

Nach  Absorption  der  COj 151,10    i     Oj  =  18,01    „ 

„      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  151,10 

„      Zulassung  von  H2 221,44 

„      der  Explosion 138,22 

Die  Kultur  wurde  alsdann  mit  Stickstoff  eingesperrt.  Keine 
CO3- Bildung  im  Verlauf  von  20  Stunden. 


H„  = 

No  = 

0,0 

80,08 

35 

COo 
0.,  ~ 

0,63 

pCt. 

Versuch  4. 
Wiederholung  des  vorhergehenden.     Temperatur:   16°. 
Luftperiode  2  Stunden. 


Zur  Frage  der  Wasserstoff bilduug  bei  der  Atmung  der  Pilze.  181 


Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 163,03 

Nach  Absorption  der  CO, 159,80 

„      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  159,90 

„     Zulassung  von  Ha 235,88 

„     der  Explosion 147,70 


C02=    1,98  pCt. 
0,  =  17,97    „ 
Hj  =    0,0     ,, 

Ng  =  80,05    „ 

^=   0,fi5pCt. 


Die  Kultur  wurde  alsdann  mit  Stickstoff  eingesperrt.  Stickstoff- 
periode 23  Stunden;  COo-Spur. 

Aus  obigen  Versuchen  ist  ersichtlich,  dass  Penicillium  glaucum 
und  Aspergillus  niger  bei  Manuiternährung  und  Sauerstoffzutritt 
keinen  Wasserstoff  ausscheiden.  Da  die  genannten  Pilze  bei  Sauer- 
stoffabschluss  unter  gewöhnlichen  Kulturbedingungen  sehr  schnell 
vero-iftet  werden  und  daher  keine  COo-Produktion  bewirken,  so 
wurde  der  anaerobe  Gaswechsel  dieser  Objekte  bei  modifizierter 
Versuchsanordnung  studiert.  Neuerdings  habe  ich  dargetan, ^)  dass 
die  geringe  Energie  der  anaeroben  COo-Produktion  von  Aspergillus 
niger  eine  Folge  der  Vergiftung  ist:  werden  Mycelien  von  Aspergillus 
in  eine  beträchtliche  Menge  der  Lösung  total  versenkt,  so  nimmt 
infolgedessen  die  anaerobe  COg-Produktion  bedeutend  zu.  Diese 
Methode  der  Versenkung  kam  bei  den  weiter  folgenden  Versuchen 
in  Anwendung. 

Versuch  5. 
Eine  siebentägige  Kultur  von  Penicilliiayi  glaucum  wurde  durch 
reine,  sterilisierte  Glasperlen  in  eine  beträchtliche  Menge  der  mannit- 
haltigen  Nährlösung  (siehe  oben)  total  versenkt,  wonach  im  Verlauf 
von  l^o  Stunden  ein  konstanter  Stickstoffstrom  durch  den  Kolben 
und  die  sich  darin  befindende  Flüssigkeit  geleitet  wurde.  Der  mit 
Stickstoff  gefüllte  Kolben  stand  im  Verlauf  von  10  Tagen  in  Dunkel- 
heit bei  Zimmertemperatur.  Gesamtgasvolumen  =  383,1  ccm,  Volumen 
der  Flüssigkeit  =  225,0  ccm\  die  Gasprobe  wurde  entnommen  bei 
t°  =  19°  und  P  =  747  mm. 

Gasanal  jse. 

Anfängliches  Volumen 126,87  j  CO^  =    1,88  pCt. 

Nach  Absorption  der  CO, 124,48  |     H.  =    0,0      „ 

„     Zusatz  von  Luft 156,15         Ng  =  98,12     „ 

„      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  156,15 

Gasförmige  Cüg  =    6,6  ccin  bei  0°  und  7C0  mm 
Gelöste  COo^)      =    3,4    „       „   0°     „    760    ., 

Summe:  COj  =  10,0  ccm  =  19,8  »//</ 


1)  KOSTYTSCHEW,  diese  Berichte,  Bd.  25,  1907,  S.  44. 

2)  Betreffs  der  Bestimmung  der  gelösten  COj  sei  auf  meine  früher  publizierte 
Abhandlung  (diese  Berichte,  Bd.  25,  1907,  S.  44)  hingewiesen. 


182 


S.  KOSTYTSCHEW: 


Die  Flüssigkeit  wurde  mehrfach  abdestilliert;  das  Destillat  gab 
die  Aldehydreaktionen  und  wurde  deshalb  noch  einmal  unter  Zusatz 
von  Natriumbisulfit  und  dann  einmal  unter  Zusatz  von  Natrium- 
carbonat  abdestilliert.  Die  zuletzt  erhaltene  Flüssigkeit  hatte  das 
spezifische  Gewicht  1,0000  und  gab  keine  Jodoform-  und  Benzoyl- 
chloridreaktion.  Darnach  muss  geschlossen  werden,  dass  sich  bei 
der  anaeroben  Atmung  von  Penicillium  glaucum  keine  Spur  Äthyl- 
alkohol gebildet  hat. 


Versuch  6. 

Wiederholung  des  vorhergehenden;    nur    wurde  die  Anaerobiose 

der  Kultur  auf  4  Tage  beschränkt.     Gasvolumen  391,9  ccrn^  Volumen 

der    Flüssigkeit    225  ccm.       Die    Gasprobe    wurde    entnommen    bei 

t°  =  21,5°  und  P  =  762  mm. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 126,4T 

Nach  Absorption  der  CO, 124,88 

„     Zusatz  von  Luft 161,95 

„      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  161,95 


COo  =    1,26  pCt. 
H,=    0,0      „ 

N„  =  98,74    „ 


000=    2,80  pCt. 
H,  =    0,0      „ 

N,  =  97,20    „ 


Versuch  7. 

Wiederholung  der  beiden  vorhergehenden  A^ersuche  mit  einer 
viertägigen  Kultur  von  Aspergillus  niger.  Versuchsdauer  13  Tage, 
Gasvolumen  348,1  ccm.,  Volumen  der  Flüssigkeit  225,0  ccm.  Die 
Gasprobe  wurde  entnommen  bei  t"  =  21"  und  P  =  700  mm. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 119,43 

Nach  Absorption  der  COg 116,09 

„      Zusatz  von  Luft 158,02 

„      der  Explosion  mit  Knallgas .    .  158,02 

Die  Flüssigkeit  wurde  mehrfach  abdestilliert.  Reaktionen  des 
Destillates  wie  im  Versuch  5.  Spezifisches  Gewicht  des  Destillates 
1,0000.     Gesamtkohlensäure  =  25,1  mg. 

Versuch  8. 

Wiederholung  des  vorhergehenden.  Versuchsdauer  9  Tage,  Gas- 
volumen 337,8  ccm.)  Volumen  der  Flüssigkeit  225  ccm.  Die  Gasprobe 
wurde  entnommen  bei  t°  =  26°  und  P  =  678  ccm. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 127,32 

Nach  Absorption  der  CO^ 124,83 

„     Zusatz  von  Luft 175,13 

„     der  Explosion  mit  Knallgas .    .  175,13 

Obige  Versuche  zeigen,  dass  die  normale  und  die  auaerobe 
Atmung    der    mit    Mannit     ernährten    Schimmelpilze     ohne 


002  = 

1,96 

pCt 

H,= 

0,0 

■)i 

N3  = 

98,04 

1-) 

Zur  Frage  der  Wasserstoff bildiing  bei  der  Atmung  der  Pilze.  183 

Wasserstoffbilduiig  erfolgt  und,  allem  Anschein  nach,  mit  der 
Alkoholgärung  nichts  zu  tun  hat.  Schon  früher  hat  DlAKONOW^) 
gefunden,  dass  Penicilliu7n  glaucum  keinen  Wasserstoff  bei  SauerstofiF- 
abschluss  ausscheidet;  der  genannte  Forseher  hat  jedoch  seine  Ver- 
suche bei  Zuckerernährung  ausgeführt. 

II.  Versuche  mit  Agaricus  campestris. 

Zu  diesen  Versuchen  wurden  ausschliesslich  junge  und  ganz 
frische  Pilze  verwendet.  Der  unterirdische  Teil  des  Stieles  wurde 
immer  abgeschnitten,  da  derselbe  von  den  ihm  anhaftenden  Erde- 
teilchen nicht  befreit  werden  kann  und  ausserdem  auch  bei  sonst 
sanz  o-esunden  Pilzen  selten  unversehrt  bleibt.  Das  ausgelesene 
Versuchsmaterial  wurde  mit  destilliertem  Wasser  schnell  abgespült, 
mit  Fliesspapier  getrocknet,  gewogen  und  dann  in  die  Versuchs- 
o-efässe  hinein^etan.  Sämtliche  Versuche  wurden  in  Dunkelheit  bei 
Zimmertemperatur  ausgeführt;  die  innere  Atmosphäre  der  Versuchs- 
gefässe  war  immer  dampfgesättigt. 

Versuch  9. 

59  g  von  Agaricus  campestris  wurden  in  einem  etwa  300  ccm 
fassenden  Versuchskolben  mit  Luft  eingesperrt.  Temperatur: 
19—20°. 

Luftperiode  1  Stunde  20  Minuten. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 128  50 

Nach  Absorption  der  CO,^ 1H»,87 

,,      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  119,87 

.,     Bearbeitung  mit  KHO    ....  119,87 

„     Zulassung  von  H^ 191,16 

„     der  Explosion 155,51 

1  Stunde  im  Stickstoffstrome. 
Stickstoffperiode  24  Stunden. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 105,82 

Nach  Absorption  der  COj 98,04 

„     Zusatz  von  Luft 172,49 

„     der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  172,49 

„     Bearbeitung  mit  KHO    .    .    .    .  172,49 

Nach  dem  Versuche  wurde  das  Versuchsmaterial  mit  einer  be- 
trächtlichen Menge  destillierten  Wassers  mehrfach  abdestilliert.  Das 
spezifische  Gewicht  des  Destillates  war  1,0000.  Jodoformprobe  und 
Benzoylchloridreaktion  negativ. 


co„  = 

6,72 

pCt. 

03  = 

9,25 

5' 

H,= 

0,0 

11 

N2  = 

84,03 

11 

COo 
0,  ~ 

0,52 

pCt. 

CO,  = 

7,35 

pCt 

H,= 

0,0 

t^ 

N.= 

92,65 

11 

1)  DiAKONOW,  Archives  slaves  de  biologie,  t.  4,  1887,  p.  31  und  121. 


184 


S.  KOSTYTSCHEW: 


Versuch  10. 

Wiederholung  des  vorhergehenden.     62  g  von  Agaricus  campestris 
wurden  mit  Luft  eingesperrt.     Temperatur  18  —  19°, 
Luftperiode  1  Stunde  15  Minuten. 

Gasanalysc. 

Anfängliches  Volumen 110,,39 

Nach  Absorption  der  COg 102,79 

„      der  Explosion  mit  Knallgas .    .     102,79 

,,      Zulassung  von  H, 168,59 

„      der  Explosion 142,68 

1  Stunde  im  Stickstoffstrome. 
Stickstoffperiode  24  Stunden. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 105,92 

Nach  Absorption  der  COg 97,27 

„     Zusatz  von  Luft 17.5,18 

„      der  Explosion  mit  Knallgas  .    ,     175,23 

„     Bearbeitung  mit  KHO    ....     175,23 

Reaktionen    und     spezifisches    Gewicht    des    Destillates    wie    im 
vorhergehenden  Versuche. 


CO.,  = 
0,= 

6,88 
7,82 

pCt 

55 

N,= 

0,0 

85,30 

CO2 

0,  - 

0,47 

pCt. 

CO.,  =    8,18  pCt. 
Ha  =    0,0       „ 

N2  =  91,82    „ 


Versuch  11. 

62  g  zerkleinerter  Fruchtkörper  von  Agaricus  campestris  wurden 
mit  Luft  eingesperrt.     Temperatur:  18  —  19°. 
Luftperiode  1  Stunde. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 139,00 

Nach  Absorption  der  CO2 131.08 

„■     der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  131,08 

„     Zulassung  von  Ho 200,07 


der  Exolosion 156,30 


CO2  =    5,70  pCt. 
0^  =  10,50    „ 
H,  =    0,0      „ 

N,  =  83,80    „ 


CO2 
0, 


0,50  pCt. 


1  Stunde  im  Stickstoffstrome. 
Stickstoff'periode  24  Stunden. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 105,12 

Nach  Absorption  der  CO., 96,25 

„      Zusatz  von  Luft 171,71 

„      der  Explosion  mit  Knallgas  .    .  171,71 

„      Bearbeitung  mit  KHO    ....  171,71 

Es  ergab  sich  also,  dass  die  normale  und  die  anaerobe  Atmung 
frischer  und  gesunder  Pilze  ohne  Wasserstoffbildung  stattfindet.     Da 


C02  = 

--    8,43 

pCt 

H,  = 

=    0,0 

ii 

No^ 

--  91,57 

j' 

Zur  Frage  der  Wasserstoff bildang  bei  der  Atmiiug  der  Pilze.  185 

nun  dieses  Resultat  mit  den  Angaben  von  MÜNTZ^)  in  direktem  Wider- 
spruche steht,  so  ist  es  im  Interesse  einer  vollständigen  Aufklärung 
dec-Frage  geboten,  die  Versuche  des  genannten  Forschers  zu  wieder- 
holen. MÜNTZ  sperrte  die  Pilze  mit  COo  ein;  am  Ende  je  eines 
Versuches  wurden  die  Gase  des  Versuchsgefässes  durch  einen  Kohleu- 
säurestrom  in  ein  mit  KHO  gefülltes  Eudiometer  gedrängt;  der  nicht 
absorbierte  Teil  des  Gases  wurde  alsdann  mit  Sauerstotf  verbrannt. 
Diese  Methode  gestattet  den  eventuell  vorhandenen  Wasserstoff  auf 
ein  möo-lichst  o-eringes  Volumen  zu  konzentrieren.  Dieselbe  Versuchs- 
anstelluno-  habe  ich  folgendermassen  angewandt. 

O  O  o 

Versuch  12. 

190  g  von  Agaricus  campestris  wurden  in  einen  dickwandigen 
Versuchskolben  gebracht,  iler  Kolben  vermittelst  einer  GeRYK-01- 
luftpumpe  evakuiert  und  mit  COo  gefüllt;  diese  Operation  wurde, 
behufs  Entfernung  der  eventuellen  in  dem  Pilz»;ewebe  vorhandenen 
Gase  noch  dreimal  wiederholt.  Alsdann  wurde  im  A'erlauf  von 
24  Stunden  ein  langsamer  COo-Strom  durch  den  Kolben  geleitet. 
Die  aus  dem  Kolben  entweichenden  Gase  sammelten  sich  in  einem 
Eudiometer  über  50  pCt.  Kalilauge.  Der  Versuch  wurde  bei  Zimmer- 
temperatur in  Dunkelheit  ausgeführt.  Die  geringe  Menge  des  durch 
KHO  nicht  absorbierten  Gases  wurde  analysiert. 

Gasanaljsc. 

Anfängliches  Volumen 72,84 

Nach  Zusatz  von  Luft 130,15 

„     der  Explosion  mit  Knallgas 130,15 

,,      Bearbeitung  mit  KHO 130,15 

H,  =  0,0  pCt. 

Auch  in  diesem  Versuche  hat  sich  also  keine  Spur  Wasserstoff 
gebildet.  Das  durch  KHO  nicht  absorbierte  Gas  war  mit  Wasser- 
stoff nicht  verbrennlich  und  in  rauchender  Schwefelsäure  unlöslich. 
Diese  negativen  Eigenschaften  weisen  darauf  hin,  dass  das  über  der 
Kalilauge  angehäufte  Gas  allem  Anschein  nach  reiner  Stickstoff  war. 

Versuch  13. 

320  g  von  Agaricus  campestris  wurden  in  einen  dickwandigen 
Versuchskolben  hineingetan;  der  Kolben  wurde  viermal  evakuiert 
und  mit  COo  gefüllt,  dann  mit  einer  Gaspipette  in  Verbindung  ge- 
bracht und  sich  selbst  überlassen.  Von  Zeit  zu  Zeit  wurden  Gas- 
j)roben  aus  dem  Kolben  entnommen  und  analysiert.  Der  Versuch 
wurde  bei  Zimmertemperatur  in  Dunkelheit  ausgeführt  und  dauerte 
120  Stunden. 


1)  MÜNTZ  1.   c. 


186  S.  KOSTYTSCHEW: 

1.  Erste  Gasprobe  (nach  20  Stunden). 

Nach    Bearbeitung    mit  KHO    blieb    eine    nur    ganz  geringe 
Menge  des  Gases  uuabsorbiert;  dieselbe  wurde  analysiert. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 43,80 

Nach  Zusatz  von  Luft 129,75 

„      der  Explosion  mit  Knallgas 129,75 

„     Bearbeitung  mit  KHO 129,75 

«2  =  0,0  pCt. 

2.  Zweite  Gasprobe  (nach  44  Stunden). 

Die  Kalilauge  hinterliess  eine  ganz   geringe  Gasmenge;    die- 
selbe wurde  analysiert. 

Gasanalyse. 

Anfängliches  Volumen 78,23 

Nach  Zusatz  von  Luft 159,75 

„      der  Explosion  mit  Knallgas 159,75 

,,     Bearbeitung  mit  KHO 159,75 

Ha  =  0,0  pCt. 

3.  Dritte  Gasprobe  (nach  68  Stunden). 

Die  Analyse  der    durch  KHO    nicht    absorbierten  Gasmenge 
ergab : 

Anfängliches  Volumen 77,28 

Nach  Zusatz  von  Luft 157,23 

.,     der  Explosion  mit  Knallgas 143,03 

„     Bearbeitung  mit  KHO 143,03 

Ho  =  12,25  pCt. 

4.  Vierte  Gasprobe  (nach  120  Stunden). 

Das  Yolumen    des    durch  KHO  nicht  absorbierten  Gases  hat 
bedeutend  zugenommen.     Die  Gasanalyse  ergab: 

Anfängliches  Volumen 39,70 

Nach  Zusatz  von  Luft 147,75 

„      der  Explosion  mit  Knallgas 98,72 

,,      Bearbeitung  mit  KHO 98,72 

,,      abermaligem  Zusatz  von  Luft     ....  133,55 

„      der  Explosion  mit  Knallgas 133,55 

H.  =  82,33  pCt. 

Bei  dem  Offnen  des  Kolbens  Hess  sich  ein  deutlicher  Fäulnis- 
geruch wahrnehmen;  die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  dass 
das  Pilzgewebe  von  verschiedenartifren  Bakterien  wimmelt. 

Aus  diesem  Versuche  ist  ersichtlich,  dass  die  bei  der  anaerobeu 
Atmung  von  Agaricus  campestris  stattfindende  Wasserstoff  bildung  erst 
nach  Ablauf  von  mindestens  zwei  Tagen  eingeleitet  wird  und  ledig- 


Zur  Frage  der  Wasserstoff bildung  bei  der  Atmung  der  Pihe.  187 

lieh  auf  die  Tätigkeit  der  Bakterien  zurückzuführen  ist.  Wenn 
MÜNTZ^)  eine  Wasserstoffbildung  bereits  nach  48  Stunden  der 
Anaerobiose  beobachtete,  so  lässt  sich  dies  dadurch  erklären,  dass 
der  genannte  Forscher  die  von  mir  angewandte  Abtrennung  des 
unteren  Teiles  des  Stieles  unterliess,  wodurch  die  Infektion  in  hohem 
Grade  beschleunigt  werden  musste. 

Es  bleibt  noch  zu  untersuchen,  welchen  Ursprung  das  in  meinen 
Versuchen  aufgefundene  inerte  Gas  hat.  Es  ist  von  vornherein  an- 
zunehmen, dass  die  Atmosphäre  des  Yersuchskolbens  nicht  aus  reiner 
COo  bestehen  kann,  da  bei  dem  Füllen  des  Kolbens  mit  COg  die 
innere  Atmosphäre  von  der  äusseren  nur  durch  die  verdünnte  Salz- 
säure des  Kohlensäureentwicklers  getrennt  bleibt;  da  aber  der 
partielle  Druck  des  Stickstoffs  und  Sauerstoffs  im  Versuchskolben 
sehr  gering  ist,  so  muss  eine  kleine  Menge  der  in  verdünnter  Salz- 
säure o;elösten  Gase  in  den  Kolben  hiueindiflfundieren.  Der  Sauer- 
Stoff  wird  allerdings  von  den  Pilzen  schnell  verbraucht,  der  Stick- 
stoff bleibt-  aber  in  der  Atmosphäre  des  Versuchskolbens.  Diese 
Voraussetzung  wurde  durch  folgenden  Versuch  bestätigt. 

Versuch  14. 

Der  leere  Versuchskolben  wurde  viermal  bis  auf  5  mm  evakuiert^) 
und  mit  COo  gefüllt.  Alsdann  wurde  aus  dem  Kolben  eine  Gasprobe 
entnommen  und  mit  Kalilauge  behandelt,  wobei  eine  geringe  Gas- 
menge  uno-elöst  blieb.  Das  in  KOH  unlösliche  Gas  löste  sich  zu:n 
Teil  in  alkalischem  Pyrogallol  mit  tiefbrauner  Färbung  und  war  mit 
Wasserstoff  teilweise  verbrenulich.  Die  quantitative  Bestimmung 
ergab:  0.,  =  21,44  pCt.  Das  nach  Absorption  des  Sauerstoffs  übrig- 
gebliebene Gas  war  nicht  verbrenulich  und  in  Säuren  unlöslich,  da- 
her als  Stickstoff  berechnet.  Es  darf  natürlich  nicht  befremden, 
dass  der  Sauerstoffgehalt  des  untersuchten  Gases  etwas  grösser  war, 
als  derjenige  der  atmosphärischen  Luft;  dies  hängt  davon  ab,  dass 
Sauerstoff  in  Wasser  löslicher  ist  und  folglich  schneller  hinein- 
diffundiert, als  Stickstoff. 

Aus  den  in  dieser  Abhandlung  beschriebenen  Versuchen  geht 
mit  Evidenz  hervor,  dass  die  normale  und  die  anaerobe  Atmung 
mannitführender  Pilze  ohne  Wasserstoffbildung  stattfindet.  Auch  ist 
es  nunmehr  klar  geworden,  dass  die  von  MÜNTZ  bei  der  anaeroben 
Atmung  von  Agaricus  campestris  wahrgenommene  Wasserstoff  bildung 
durch  die  Tätigkeit  der  Bakterien  hervorgerufen  w^irde. 


1)  MÜNTZ  1.  c. 

2)  Bei  dieser  Gelegenheit  konnte  ich  mich  davon  vergewissern,  dass  sämtliche 
Verschlüsse  tadellos  waren. 


188  S.  KOSTYTSCHEW: 

Herrn  Professor  PalladIN,  in  dessen  Laboratorium  meine  Ver- 
suche ausgeführt  worden  sind,  drücke  ich  hiermit  meinen  innigsten 
Dank  aus. 

St.  Petersburg,  Botanisches  Institut  der  Universität. 


26.  S.  Kostytschew:   Über  anaerobe  Atmung  ohne  Alkohol- 
bildung. 

Eingegangen  am  15.  April  1907. 


Professor  W.  PALLADIN  und  ich  haben  in  einer  •  gemeinsam 
ausgeführten  Arbeit^)  nachgewiesen,  dass  die  anaerobe  Atmung  er- 
frorener Lupinensamen,  Lupinenkeimlinge  und  etiolierter  Stengel- 
gipfel von  Vicia  Faha  ohne  Alkoholbildung  stattfindet.  Späterhin 
haben  wir  gefunden,^)  dass  auch  lebende  etiolierte  Blätter  von  Vicia 
Faha  nur  in  anfänglichen  Stadien  der  Anaerobiose  Alkohol  produ- 
zieren. Dieses  Resultat  konnte  leider  nur  mit  Hilfe  einer  indirekten 
Methode  erzielt  werden;  neuerdings  ist  es  mir  jedoch  gelungen  nach- 
zuweisen, dass  die  anaerobe  Atmung  von  Agaricus  {Psalliota) 
cam'pestris  vollständig  ohne  Alkoholbildung  erfolgt.  Dadurch  ist  ein 
direkter  Beweis  dafür  geliefert  worden,  dass  auch  bei  der  anaeroben 
Atmung  lebender  Pflanzen  unter  Umständen  keine  Spur 
Äthylalkohol  gebildet  wird. 

Gelegentlich  meiner  Untersuchungen  über  die  Wasserstoffbildung 
bei  der  anaeroben  Atmung  von  Agaricus  camjyestris^)  habe  ich  auch 
Alkoholbestimmungen  ausgeführt,  die  ein  negatives  Resultat  ergaben; 
da  aber  die  Mengen  der  in  denselben  Yersuchen  gebildeten  CO^ 
weniger  als  50  mg  betrugen,  so  können  die  Resultate  dieser  Alkohol- 
bestimmungen nicht  ganz  beweiskräftig  sein;  darum  habe  ich  neue 
Untersuchungen  vorgenommen,  deren  Resultate  nachstehend  mit- 
geteilt werden. 

Zu  den  Yersuchen  wurden  nur  junge  und  ganz  frische  Pilze 
benutzt,  wobei  der  unterirdische  Teil  des  Stieles  immer  abgeschnitten 


1)  PALLADIN  und  Kostytschew,    Zeitschrift    für    physiologische    Chemie, 
Bd.  48,  1906,  S.  214. 

2)  PALLADIN  und  Kostytschew,  diese  Berichte,  Bd.  25,  1907,  S.  51. 

3)  Eine  Mitteilung   über    die  Resultate  dieser  Untersuchungen  erfolgt  gleich- 


zeitig. 


über  anaerobe  Atmung  ohne  Alkoholbildung.  189 

wurde.  Beträchtliche  Mengen  des  ausgelesenen  Materials  wurden 
mit  destilliertem  Wasser  schnell  abgespült,  durch  Fliesspapier  ge- 
trocknet, gewogen  und  in  eine  grosse  Glasglocke  hineingetan.  Die 
Glocke  wurde  einer  dicken  abgeschliffenen  Glasplatte  vollständig 
luftdicht  aufgepasst,  oben  durch  einen  Stöpsel  mit  je  einem  Zu-  und 
Ableitungsrohr  geschlossen  und  bis  auf  ein  Viertel  in  ausgekochtes 
Wasser  eingetaucht.  Nun  wurde  ein  gleichmässiger  Wasserstoffstrom 
darch  die  Glocke  geleitet.  Die  von  dem  Yersuchsmaterial  produzierte 
COo  wurde  durch  konzentrierte  Schwefelsäure  getrocknet  und  in 
einem  GEISSLER'schen  Apparate  absorbiert.  Um  einer  Verdunstung 
des  Alkohols  vorzubeugen,  wurde  zwischen  der  Glasglocke  und  dem 
Trockenapparat  eine  in  schmelzendes  Eis  getauchte  Waschflasche 
mit  Wasser  eins-eschaltet.  Die  Versuche  wurden  in  Dunkelheit  aus- 
geführt;  die  innere  Atmosphäre  der  Glocke  war  immer  vollständig 
dampfgesättigt.  Nach  Beendigung  je  eines  Versuches  wurde  das 
Versuchsmaterial  und  das  Wasser  der  Waschflasche  mit  einer  be- 
trächtlichen Menge  destillierten  Wassers  mehrfach  abdestilliert  und 
das  erhaltene  Destillat  zur  Alkoholbestimmung  verwendet.  Betreffs 
der  Methodik  der  Alkoholbestimmung  verweise  ich  auf  unsere  ge- 
meinsam mit  Professor  PalLADIN  publizierte  Abhandlung.^) 

Versuch  1. 

700^  von  Agaricus  campestris,  Temperatur  18  — 19°,  Wasserstoff- 
strom. Der  GEISSLER'sche  Apparat  wurde  erst  nach  einstündiger 
lebhafter  Wasserstoffdurchleituno-  einoeschaltet.  Versuchsdauer 
24  Stunden. 

1.  COo  nach  77,.  Stunden     .     .     .     .     512,0  mg 

2.  COo  nach  weiteren    IßVo  Stunden  1051,5    ,, 

Gesamte  COg  .     .     .  1563,5  mg 

A 1  k  o  h  0 1  b  e  s  ti  m  m  un  g. 
Das    erhaltene    Destillat    hatte    das    spezifische  Gewiclit    1,0000, 
gab  jedoch  die  Aldehydreaktionen    und  wurde  deshalb  mit  Natrium- 
bisulfit    und    dann    mit  Natriumcarbonat    o-ereinis-t.     Reaktionen  des 
gereinigten  Destillates: 

1.  Reaktion  mit  fuchsinschw^ef liger  Säure  negativ. 

2.  Jodoformprobe  zweifelhaft. 

3.  Benzoylchloridreaktion  negativ. 
Spezifisches  Gewicht  des  Destillates  =  1,0000. 
Es  wurde  also  gefunden: 

CO.,  =  1563,5  mg 
C,ILOH=       0,0    „ 


1)    Palladin    und    KOSTYTSCHEW,    Zeitschrift   für    physiologische    Chemie, 
d.  48,  1906,  S.  2U 


190  S.  KoSTYTSCHEW:  über  anaerobc  Atmung  ohne  Alkoholbildung. 

Yersuch  2, 

7 bO  g  \on  Agark-us  campestris,  Temperatur  19°,  Wasserstoffstrom. 
Der  GEISSLER'sche  Apparat  wurde  nach  einstüudiger  lebhafter 
Wasserstoffdurchleitung  eingeschaltet.     Versuchsdauer  19  Stunden. 

1.  COg  nach  4  Stunden 301,5  w^ 

2.  COg  nach  weitereu  15  Stunden   .     1062,9    „ 

Gesamte  COg  .     .     .     1364,4  mg 

Alkoholbestimmung. 
Das  erhaltene  Destillat  hatte  das  spezifische  Gewicht  0,9999. 
Jodoformprobe  und  Aldehydreaktionen  positiv.  Eine  abgewogene 
Meno-e  des  Destillates  wurde  mit  Natriumbisulfit  und  Natrium- 
carbonat  gereinigt.  Die  erhaltene  Flüssigkeit  hatte  folgende  Eigen- 
schaften : 

1.  Jodoformprobe  negativ. 

2.  Reaktion  mit  fuchsinschwefliger  Säure  negativ. 

3.  Benzoylchloridreaktion  negativ. 

4.  Spezifisches  Gewicht  =  1,0000. 

Es  wurde  also  gefunden: 

CO.  =  1364,4  w^ 
Co  Hg  OH  =       0,0   „ 

Aus  obigen  Yersuchen  ist  der  Schluss  zu  ziehen,  dass 
bei  der  anaeroben  Atmung  von  Agaricus  campestris  keine  Spur 
Äthylalkohol  gebildet  wird. 

Dieses  Resultat  widerspricht  den  Angaben  von  MÜNTZ.^)  Der  ge- 
nannte Forscher  glaubt  schliessen  zu  dürfen,  dass  bei  der  anaeroben 
Atmung  von  Agaricus  campestris  eine  Vergärung  des  Mannits  unter 
Bildung  von  Wasserstoff  und  Äthylalkohol  stattfindet: 

C.Hj.Og  =  2  CO,  +  H,  +  2  C^H^Otl. 

MÜNTZ  hat  jedoch  keine  quantitativen  Alkoholbestimmungen 
ausgeführt  und  bediente  sich  zur  Identifizierung  des  Äthylalkohols 
nur  der  Jodoformprobe;  aus  obiger  Darlegung  ist  aber  ersichtlich, 
dass  ich  ebenfalls  Jodoformbildung  beobachtete;  dieselbe  wurde 
allein  durch  einen  spurenweise  vorhandenen  Aldehyd  verursacht. 
Dieser  Fall  ist  ein  schlagender  Beweis  dafür,  dass  die  Jodoform- 
probe zum  Nachweis  des  Äthylalkohols  nur  mit  grösster  Vorsicht 
benutzt  werden  darf. 

Die  Erforschung  des  Chemismus  der  anaeroben  Atmung  von 
Agaricus  campestris  habe  ich  bereits  in  Angriff  genommen. 


1)  MÜNTZ,  Annales  de  chimie  et  de  physique,  ser.  A\  t.  8,  1876,  S.  56. 


J.  M.  GeertS:  Über  die  Zahl  der  Cliromosompn  von  Oenothera  Lamarckiana.   191 

Herrn  Professor  PalLADIN,  in  dessen  Laboratorium  meine  Yer- 
auche  ausgeführt  worden  sind,  drücke  ich  meinen  verbindlichsten 
Dank  aus. 

St.  Petersburg,  Botanisches  Institut  der  Universität. 


27.  J.  M.  Geerts:   Über  die  Zahl  der  Chromosomen  von 

Oenothera  Lamarckiana. 

Mit  Tafel  VI. 
Eingegangen  am  18.  April  1907. 


Von  den  zahlreichen  Arten  der  Gattung  Oenothera  ist  bis  jetzt 
nur  von  einigen  die  Zahl  der  Chromosomen  bestimmt  worden. 

BEER^)  fand  in  Oenothera  longiflora  14  Chromosomen. 

Gates  ^)  studierte  Oenothera  lata  und  fand  ebenfalls  14  Chromo- 
somen. 

Deshalb  würde  man  bei  Oenothera  Lamarckiana  auch  14  erwarten 
können;  aber  GATES  gibt  für  die  Zahl  der  Chromosomen  von  Oenothera 
Lamarckiana  hybrida  '20  an;  und  er  meinte  voraussetzen  zu  können, 
dass  Oenothera  Lamarckiana  deren  auch  20  haben  sollte. 

In  einer  !Note  (S.  109)  kommt  er  auf  diese  Annahme  zurück 
und  meint,  dass  die  Zahl  der  Chromosomen  bei  Oenothera  Lamarckiana 
selbst  wahrscheinlich  wechselnd  ist. 

Gleichzeitig  mit  GATES  studierte  ich  die  Oenothera  Lamarckiana. 
Das  Material,  welches  zum  Teil  im  Versuchsgarten  von  Professor 
Hugo  de  YRIES  in  Amsterdam,  teils  auf  dem  Oenotheren-Feld 
zwischen  Hilversum  und  's  Graveland  (HUGO  DE  YEIES,  Die 
Mutationstheorie,  Bd.  L  S.  187)  gesammelt  wurde,  fixierte  ich  im 
Jahre  1905. 

In  vegetativen  Zellen  fand  ich  14,  in  generativen  Zellen 
7  Chromosomen. 

Ehe  ich  meine  Untersuchung  zu  beschreiben  anfange,  möchte 
ich    einige    Ergebnisse    aus    der   GATES'schen  Abhandlung  anführen. 

Oenothera  lata  braucht  bekanntlich  eine  Bestäubung  mit  Pollen 
von  Oenothera  Lamarckiana.,  denn  der  Blüthenstaub  der  Oenothera 
lata  entwickelt  sich  nur  kümmerlich,    weil    die  meisten  Mutterzellen 


1)  Beihefte  zum  Botanischen  Centralblatt,  Bd.  XIX,    erste  Abteilung,   Heft  2, 
Seite  290. 

2)  The  Botanical  Gazette,  Vol.  XLIII,  No.  2,  Februar  1907. 


192  J.  M.  Geerts: 

degenerieren,  wie  es  GATES  zeigte.  Wenn  man  die  so  entstandenen 
Samen  aussät,  erhält  man  sofort  15 — 25  pCt.  Oenothera  lata  und 
75  —  85  pCt.  Oenothera  Lamarckiana  (Mutationstheorie,  Bd.  I,  S.  294). 
Gates  studierte  diese  Oenothera  lata  und  diese  Oenothera  Lamarckiana 
Jiybrida.  Er  sah  in  Oenothera  lata  neben  der  Spindel  eigentümliche 
Körperchen.  Seite  91  sagt  er:  „In  the  latter  stage,  before  segmen- 
tation  into  chromosomes,  there  is  frequently  found,  besides  the 
spirem,  a  ringshaped  body  of  chromatic  material  exactly  like  the 
spirem  in  thickness  and  staining  power.  This  has  evidently  been 
cut  off  from  the  spirem."  Diese  Heterochromosomen,  wie  GATES  sie 
nennt,  sind  in  einigen  Mutterzellen  sichtbar,  sie  wandern  dann  in 
die  Tochterzellen  und  degenerieren  hier  im  Cytoplasma.  Daraus 
werden  sich  also  Pollenkörner  ergeben  mit  verschieden  grossem 
Chromatingehalt.  S.  110  sagt  GATES:  „These  bodies  are  also  found 
in  the  0.  Lamarckiana,  hybrid,  in  which  they  doubtless  have  the 
same  origin  They  probably  represent  discarded  chromosomes,  and 
this  is  perhaps  a  means  of  lessening  the  number  of  chromosomes  in 
certain  germ  cells  of  the  species.  Some  mother  cells  do  not  contain 
them.  In  such  cells  the  (sporophyte)  count  of  chromosomes  in 
0.  lata  is  fourteen  and  in  the  0.  Lamarckiana  hybrid  propably 
twenty. 

Bei  meiner  Untersuchung  drang  sich  mir  die  Überzeugung  auf, 
wie  ich  oben  schon  mitteilte,  dass  die  Zahl  der  Chromosomen  von 
Oenothera  Lamarckiana  14  ist,  wie  meiner  Ansicht  nach  aus  den  bei- 
gegebenen Abbildungen  hervorgeht. 

Zuvor  möchte  ich  noch  einige  Bemerkungen  über  das  Zählen 
der  Chromosomen  mitteilen. 

Gewöhnlich  w^ählt  man  dazu  dünne  Schnitte  (3 — 5  fx).  Man 
bestimmt  dann  die  Zahl  der  Chromosomen  in  den  aufeinander  folgen- 
den Schnitten;  nun  hat  man  bei  dieser  Methode  mit  der  Schwierig- 
keit zu  kämpfen,  dass  man  nicht  immer  mit  Sicherheit  herausfinden 
kann,  ob  man  zwei  Teile  eines  einzigen  Chromosoms  oder  zwei  ge- 
sonderte Chromosomen  sieht.  Besonders  ist  dies  der  Fall,  w^enn  die 
Form  der  Chromosomen  ziemlich  wechselnd  ist.  In  dickeren  Schnitten 
(10  /t)  hat  man  oft  die  Spindel  vollständig,  und  man  kann  bei 
Oenothera  Lamarckiana,  zumal  wenn  die  Spindel  hoch  liegt,  sehr  gut 
auf  jeden  Teil  einstellen  und  ist  also  in  der  Lage,  die  Form  der 
Chromosomen  ganz  zu  sehen.  Bisweilen  sind  dann  einzelne  Chromo- 
somen unter  anderen  versteckt,  und  man  kann  nicht  ganz  genau  ent- 
scheiden, wieviel  es  von  ihnen  gibt;  doch  jedenfalls  ist  es  immer 
deutlich  zu  sehen,  dass  sie  einander  verdecken,  und  lässt  sich  die 
Zahl  dann  annähernd  bestimmen. 

Die  Abbilduno-en  auf  Tafel  VI  sind  angefertigt  nach  Schnitten 
von  Material,    welches    mit   der  starken  FLEMMING'schen  Flüssigkeit 


über  die  Zahl  der  Chromosomen  vou  Oenothcra  Lamarckiana.  193 

fixiert  worden  ist;  bei  den  Figuren  1,  8  und  9  war  die  Dreifach- 
färbung nach  FLEMMINCt  verwendet,  bei  2,  3  und  4  HEIDENHAIN'sche 
Eis^jihämatoxylinfärbung  und  bei  5,  6  und  7  nur  Gentianaviolett. 

Fig.  1  ist  eine  vegetative  Zelle  des  Filamentes  einer  jungen 
Blüte;  in  der  Äquatorialplatte  liegen  14  stab-  bis  keulenförmige 
Chromosomen,  in  der  3Iitte  sieht  man  zwei  kreuzweise  liegen. 

Fig.  2  ist  eine  vegetative  Zelle  einer  Samenknospe,  unmittelbar 
unter  dem  Enibiyosack,  welcher  in  der  dritten  Figur  gezeichnet  ist, 
liegend;  die  Chromosomen  befinden  sich  in  der  Aquatorialplatte,  diese 
ist  aber  im  Schnitte  schräg  gestellt;  an  einer  Seite  wo  die  Chromo- 
some  dunkel  gezeichnet  sind,  sieht  man  dieselben  bei  höchster,  an 
der  anderen  Seite  bei  tieferer  Einstellung.  Ebenso  wie  in  Fig.  1 
sind  deutlich  14  Chromosomen  vorhanden. 

In  Fig.  3  teilt  die  Embryosackmutterzelle  sich;  waiirscheinlich 
die  erste  Teilung  nach  dem  Synapsisstadium;  die  Chromosomen  sind 
dicht  aneinander  o-edrängt  und  fast  alle  sehr  dick  und  eckig:  ein 
Chromosom  ist  länger,  ein  gebogenes  Stäbchen  darstellend;  sie  sind 
hier  1— 2,u  lang,  während  in  den  vegetativen  Zellen  die  Länge  um 
2  fi  beträgt.  Fünf  Chromosomen  liegen  hoch,  vier  etwas  tiefer,  vier 
noch  tiefer.  Sie  liegen  augenscheinlich  in  zwei  Reihen,  in  der 
oberen  Reihe  liegt  das  linke  hoch,  dann  zwei  übereinander,  wobei 
das  Stäbchen  unten  liegt,  dann  eins  hoch,  eins  etwas  tiefer  und  ein 
drittes  noch  tiefer,  der  Unterreihe  zugewendet  noch  eins  tief.  In 
der  unteren  Reihe  ist  die  Anordnuu"-  wie  folgt:  A'on  links  nach 
rechts,  das  erste  tief,  das  zweite  hoch,  das  dritte  tief,  das  vierte 
hoch,  das  fünfte  tief,  das  sechste  hoch.  Es  scheint  oberhalb  des 
vierten  Chromosoms  noch  eins  zu  liegen,  aber  dies  war  auch  bei 
der  schärfsten  Einstellung  nicht  genau  zu  ermitteln.  Es  gab  also 
im  ganzen  13 — 14  Chromosomen.  Die  Spindel  war  ziemlich  deutlich 
zu  sehen. 

Fig.  4  ist  eine  derartige  Zeichnung  abermals  aus  einer  Embryo- 
sackmutterzelle; die  Form  der  Spindel  ist  dieselbe  wie  in  Fig.  3, 
ebenso  ist  den  beiden  Polen  je  eine  Reihe  zugewendet.  Sechs 
Chromosomen  liegen  hoch,  sechs  tiefer,  eins  in  der  oberen  Reihe 
noch  tiefer.  In  dieser  Reihe  liegt  von  links  nach  rechts  das  erste 
tief,  das  zweite  lioch,  das  dritte  und  das  vierte  tief,  das  fünfte  noch 
tiefer,  das  sechste  und  das  siebente  hoch;  in  der  unteren  Reihe  von 
links  nach  rechts,  das  erste  tief,  das  zweite,  ein  gebogenes  Stäbchen 
darstellend,  hoch,  das  dritte  und  das  vierte  tief,  das  fünfte  hoch, 
das  sechste  hoch  und  schon  dem  Pole  genähert;  das  dritte,  das 
vierte  und  das  fünfte  liegen  sehr  dicht  beisammen,  so  dass  es  sehr 
wohl  möglich  ist,  dass  darunter  noch  ein  Chromosom  versteckt  ist. 
In  Fig.  3  und  4  ist  die  Spindel  sehr  kurz  im  Vergleich  mit  der 
Embryosackmutterzelle. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  \^ 


l'J4  J-  M.  GEERTS: 

Fig.  5  ist  die  Spindel  einer  aiitheridinlen  Archesporzelle  vor 
dem  Synapsisstadium,  denn  die  Tapetenzelleu  sind  einkernig  und 
von  den  anderen  Zellen  nur  durch  die  regelmässige  Anordnung  ver- 
schieden.  Die  Chromosome,  welche  im  Begriff  sind  auseinander  zu 
wandern,  liegen  aber  noch  sehr  dicht  beisammen,  so  dass  ihre  Zahl 
sich  nicht  genau  bestimmen  lässt.  Bei  verschiedener  Einstellung 
siud  26  bis  27  sichtbar.  Wahrscheinlich  gibt  es  also  14  Chromosomen, 
deren  jedes  in  zwei  Stücke  geteilt  ist. 

Fig.  6  stellt  eine  Spindel  dar  aus  einer  Pollenmutterzelle  nach 
dem  Synapsisstadium.  Es  gibt  deutlich  14  Chromosome,  welche  alle 
dick  und  rundlich  sind;  die  meisten  liegen  noch  in  der  Äquatorial- 
platte, aber  sie  fangen  an  auseinander  zu  w^eichen;  nach  oben  fünf 
Chromosomen,  von  denen  zwei  tief,  drei  hoch;  in  der  ]\[itte  sechs 
hoch,  zwei  tief  und  nach  unten  eins  tief.  Zwei  Chroniosomen,  eins 
der  Ober-  und  eins  der  Mittelreihe,  beide  hochlieo-end,  hängen  an- 
scheinend  noch  einigermassen  zusammen,  als  hafteten  sie  an- 
einander. 

Fig.  7  ist  eine  ähnliche  Spindel  wie  Fig.  (!;  die  Chromosonien 
sind  schon  weiter  auseinander  gerückt.  Es  fällt  hier  besonders  die 
eigentümliche  Form  der  auseinander  gewichenen  Chromosomen  auf; 
sie  sind  nämlich  einigermassen  eingeschnürt,  mehr  oder  weniger  die 
Form  einer  8  annehmend,  als  seien  sie  lan"-  ausgezogen.  Die 
Chromosomen,  welche  noch  in  der  Mitte  liegen,  sind  grössenteils 
rund.  Man  sieht  sieben  hoch  und  sieben  tiefer  liegend.  In  den 
Figuren  5  und  6  ist  die  Spindel  sehr  lang,  und  sie  erstreckt  sich 
fast  durch  die  ganze  Zelle. 

In  Fig.  8  ist  die  Wand  des  Pollenkornes  mitgezeichnet,  bei  der 
ersten  Teilung  nach  dem  Synapsisstadium  sind  die  Chromosomen 
schon  ganz  auseinander  gegangen,  also  eine  späte  Metaphase.  Die 
Chromosomen  haben  zum  grössten  Teile  dieselbe  eigentümliche  ein- 
geschnürte Form,  wie  in  Fig.  7.  An  der  oberen  Seite  liegen  sechs 
Chromosomen,  an  der  unteren  Seite  sieben;  die  Spindel  ist  nur 
schwer  zu  sehen. 

In  Fig.  y  ist  die  Wand  des  Kornes  noch  nicht  verdickt;  die 
Chromosomen  sind  auf  der  Wanderung  nach  den  Polen  begriffen  und 
haben  noch  eine  rnndliche  Form.  Es  finden  sich  14  Chromosomen, 
neun  hoch,  fünf  tief,  von  denen  eins  unter  einem  anderen  teilweise 
versteckt  ist. 

Ausserhalb  der  hier  gezeichneten  Spindeln  habe  ich  noch  zahl- 
reiche andere  Spindeln  studiert;  oft  waren  nicht  alle  14  Chromosomen 
sichtbar,  aber  alle  Spindeln  überzeugten  mich,  dass  die  Zahl  jeden- 
falls nicht  grösser  als  14  ist.  Nur  ein  einziges  Mal  gab  es  augen- 
scheinlich 17,  aber  in  diesem  Schnitte  waren  manche  Kerne  durch 
das  Messer  zerstört. 


über  die  ZmIiI  der  Chromosomen  von  Oonothera  Lainarckiana.  195 

Aus  dem  mitgeteilten  Befunde  ergibt  sich  somit,  dass  Oenothera 
Lamarckiana  14  Chromosomen  in  den  vegetativen  und  7  in  den 
generativen  Kernen  hat. 

Während  GATES  zwischen  den  Mutanten  \'or\  Oenothera  Lamarckiana 
und  dieser  selbst  Differenzen  in  der  Zahl  der  Chromosomen  anzu- 
nehmen geneigt  ist  (GATES,  S.  108),  glaube  ich  schliessen  zu  dürfen, 
dass,  weil  Oenothera  lata  auch  14  Chromosomen  hat,  wie  GATES 
mitteilt,  wenigstens  bei  dieser  Mutation  die  Zahl  der 
Chromosomen  sich  niciit  verändert. 

Welches  die  Zahl  der  Chromosomen  der  anderen  3Iutanten  ist, 
hoffe  ich  später  mitteilen  zu  können  und  ebenso,  ob  Oenothera 
Lamarckiayia  /ii/brida  wirklich  20  Chromosomen  hat,  wie  GATES  be- 
hauptet. 


Erkläruiiff  der  Abbilduiiffeu. 


Sämtliche  Fi:,'uren  wurJcn  nach  Mikrotomschnitten  (10  /<)  mit  Hilfe  eines 
Zeichenapparates  von  REICHERT  gezeichnet,  unter  Anwendung  der  ZEISS'schen 
apochr.  homog.  Imm.  2,0  nun  und  Com]). -Okular  18.  V'ergr.  2250,  Vergr.  der  Ab- 
bildungen ±  3250. 

In  den  meisten  Figuren  ist,  um  sie  alle  auf  einer  Tafel  unterzubringen,  nur 
die  Spindel  gezeichnet. 

Fig.  1.  Kern  einer  vegetative)!  Zelle  des  Filamentes  einer  jungen  Blüte 
14  Chromosomen  in  der  Äquatorialplatte. 

Fig.  2.  Kern  einer  Zelle  aus  der  Samenknospe,  unmittelbar  unter  der  Embrjo- 
sackmuttorzelle  liegend.  14  Chromosomen  in  der  schräg  liegenden 
Äquatorialplatte. 

Fig.  o.  Spindel  einer  Euibrjosackmutterzelle,  am  Anfang  der  Metaphase  der 
ersten  Teilung  nach  dem  Synapsisstadium.     13  Chromosomen  sichtbar. 

Fig.  4.  Ähnliche  Spindel  wie  Fig.  3,  ebenso  13  Chromosomen  deutlich  wahr- 
nehmbar. 

Fig.  5.  Spindel  einer  anthcridialen  Archcsporzelle  vor  dem  Synapsisstadium. 
Von  den  28  Chromosomen  sind  bei  verschiedener  Einstellung  2G— 27 
sichtbar. 

Fig.  6.  Sj)iudel  einer  Pollenmutterzelle  aus  einem  Längsschnitte  einer  Anthere, 
nach  dem  Synapsisstadium.     Es  sind  deutlich    14  Chromosomen  zu  sehen. 

Fig.  7.     Ähnliche  Spindel  wie  in  Fig.  G,  eiienso  14  Chromosomen. 

Fig.  8.  Diaster  der  Spindel  einer  Pollenmutterzelle  aus  einem  Querschnitte  einer 
Antliere.  An  jedem  Pole  sind  die  Chromosomen  in  reduzierter  Zahl  wahr- 
nehmbar, oben  6,  unten  7. 

Fig.  9.  Spindel  einer  Pollenmutterzelle  aus  einem  Querschnitte  einer  Anthere. 
Anfang  der  Metaphase.     Es  sind  14  Chromosomen  zu  sehen. 


14=* 


19G  S.  Rywosch: 


28.  S.  Rywosch:   Über  die  Pallisadenzellen. 

Mit  Tafel  VII. 
Eingegangen  am  19.  April  1907. 


Die  physiologische  Anatomie  des  Assimilationssystems  (Chloro- 
phyllgewebes) ist  von  verschiedenen  Standpunkten  behandelt  worden. 
Stahl  hat  die  Intensität  der  Beleuchtung,  HaberLANDT  die  Stoff- 
ableitung auf  kürzestem  We^'e  neben  der  Wandfltächenverorösseruno- 
berücksichtigt.  AresCHOUG  betrachtet  den  Feuchtio-keitso-rad  des 
Standortes,  besonders  des  geographischen  Standortes,  als  Hauptagens 
bei  der  Ausbildung  verschiedener  Formen  der  Zellen  im  grünen  Gewebe. 

Bekanntlich  ist  STAHL  durch  seine  Beobachtunoen  über  den 
Ortswechsel  der  Chlorophyllkörner,  welche  eine  Erweiterung  der 
Untersuchungen  von  BOEHM,  FaMINTZIN  und  BORODIN  sind,  zu 
seiner  bekannten  Erklärung  der  verschiedenen  Zellformen  des 
Chlorophyllgewebes  veranlasst  worden. 

Was  den  anatomischen  Bau  des  Blattes  betrifft,  so  gehen  STAHL's 
Beobachtungen  und  Auffassung  dahin,  dass  Schattenpflanzen  ihr 
Pallisadenparenchym  reduzieren  und  das  breitere  Schwammparenchym 
prävalieren  lassen.  Das  Blatt  bildet  auf  der  Oberseite,  als  Sonnen- 
seite, Pallisadenzellen,  und  die  Unterseite,  als  Schattenseite,  führt 
Schwammparenchymzellen.  Kurz  gesagt:  ,,Die  Pallisadenzellen  sind 
die  für  starke  Lichtintensitäten,  die  flachen  Schwammzellen  die  für 
geringe  Intensitäten  angemessene  Zellform".     (3,  S.  4.) 

Auch  findet  STAHL,  dass  seine  Ansicht  sich  mit  der  von 
ARESCHOUG  wohl  vereinbaren  lässt,  dass  sie  sich  sogar  gegenseitig 
bestätio'en. 

ARESCHOUCt  fand  nämlich,  dass  in  trockenen  Klimaten  bezw. 
Standorten  das  Pallisadenparenchym  stark  entwickelt  ist;  das 
Schwammparenchym  dagegen  entfaltet  sich  zu  einem  mächtigen  Ge- 
webe gerade  an  schattigen  Standorten.  Er  erblickt  in  den  Pallisaden- 
zellen einen  Schutz  gegen  zu  starke  Verdunstung.  STAHL  formuliert 
die  ARESCHOUG'sche  Theorie  folgendermassen:  „Dieses  letztere 
(Schwammparenchym)  betrachtet  er  als  das  eigentliche  transpira- 
torische  Gewebe,  welches  besonders  starke  Ausbildung  zeige  bei 
Pflanzen  feuchter  Klimate;  wenn  aber  die  lokalen  oder  klimatischen 
Verhältnisse  eine  lebhafte  Transpiration  nachteilig  machen  sollten, 
wird  diese  moderiert  durch  das  Auftreten  eines  Pallisadenparenchyms." 

Ausser  einer  Keihe  von  deutschen  Forschern  haben  sich  besonders 


über  die  Pallisadcnzellon.  197 

französische  Botaniker  dieser  Theorie  angeschlossen.  Besonders 
deutlich  finden  wir  es  von  LOTHELIER  ausgesprochen.  „L'influence 
de  Tombre  est  le  plus  souvent  parallele  a  celle  de  rhumidite  de 
Fair"  (S.  137).  Hier  sehen  wir  bereits,  so  zu  sagen,  die  StaHL- 
und  ARESCHOUG'sche  Theorie  vereinigt. 

"Wie  schon  erwähnt  hat  HabEELANDT  die  Anatomie  des  Chloro- 
phyligewebes  nach  zwei  Hauptprinzipien  einzuteilen  versucht  : 

1.  Stofifableituug  auf  kürzestem  Wege  und 
"2.  A^eroTösserung  der  Zellwandflächen. 

In  seiner  zweiten  Abhandlung  sucht  HaBERLANDT  die  Unhalt- 
barkeit  der  STAHL'schen  Theorie  zu  beweisen.  Unter  anderem  weist 
er  nach,  dass  die  der  Blattfläche  parallel  verlaufenden  Pallisaden- 
zellwände  eigentlich  nur  dann  von  Chlorophyllkörnern  frei  sind, 
falls  sie  an  andere  Zellen  mit  diesen  Wänden  grenzen.  Wenn  sie 
aber  frei  enden,  mögen  sie  sogar  fast  direkt  unter  der  Epidermis 
enden,  sind  auch  diese  Wände  mit  Chlorophyllkörnern  belegt.  Ich 
bemerke  hier,  dass  ich  diese  Angabe  bestätigen  kann,  denn  vielfach 
habe  ich  diese  Erscheinung  bei  Blättern  mit  Spaltöff'nungen  auf  der 
Oberseite  beobachten  können. 

Was  HABERLANDT  besonders  gegen  STAHL  anfülirt,  ist  der 
Kranztypus,  d.  i.  die  Lagerung  der  Pallisadeuzellen  um  das  leitende 
Gewebe,  wobei  alle  Zellen,  nach  welcher  Himmelsrichtung  sie  auch 
schauen  mögen,  dennoch  etwa  die  gleiche  gestreckte  Form  haben. 
Also  trotz  verschieden  empfangener  Lichtstärke  eine  gleiche  Streckun«; 
der  grünen  Zellen! 

Diese  Theorien,  welche  vor  fast  fünfundzwanzig  Jahren  auf- 
gestellt sind,  stehen  sich  noch  heute  gegenüber.  W^ir  wollen  im 
Folgenden  durch  einige  neue  Beobachtungen  versuchen,  die  ge- 
nannten Theorien  in  einigen  Punkten  zu  bekräftigen,  andererseits 
aber  auch  einige  neue  Gesichtspunkte  einzuführen. 


Die  Ähnlichkeit  im  anatomischen  Bau  des  Schwammparenchyms 
der  Blattunterseite  mit  dem  Mesophyll  eines  Schattenblattes  über- 
haupt führte  Stahl  zum  Schluss,  dass  ausser  vom  Licht  diese 
Ähnlichkeit  im  Baue  von  der  Transpiration  abhängig  sei.  Wie 
schon  erwähnt,  soll  das  Schwammparenchym  das  transpiratorische 
Gewebe  darstellen.  Ich  glaube,  dass  dieser  Vergleich  auf  Schwierig- 
keiten stossen  muss.  STAHL  führt  die  wohlbekannte  Tatsache  an, 
dass  die  Schattenblätter  viel  dünner  sind  und  zugleich  auch  „dünn- 
häutigere Oberflächen  bieten"  (3),  Im  Bau  des  Schwammparenchyms 
den  Pallisaden    gegenüber    liegt    eine    sehr    verbreitete    Erscheinung 


198  S.  RYWOSCH: 

vor.  Im  allgemeinen  ist  das  erstere  das  dickwandigere  Ge- 
webe im  Yergleich  mit  dem  Pallisadenparenchym.  Das 
Mesophyll  des  Schattenblattes  dagegen  im  A'^ergleich  zum 
Sonnenblatt  ist,  wie  schon  erwähnt,  dünnwandis:.  Ich  führe  als 
Beispiel  Evonymus  japojiieus  an. 

Bei  vielen  Coniferen  ist  im  Mesophyll  Kalkoxalat  gefunden, 
welches  die  Membranen  imprägniert  (Graf  SOLMS-LaubacH).  Es 
lässt  sich  feststellen,  dass  da,  wo  sich  pallisaden  ahn  liehe  Zellen 
finden,  diese  sehr  wenig,  fast  gar  keine  Kristalle  in  ihren 
Wänden  führen,  während  die  Schwammparenchymzellen 
solche  in  reichem  Masse  aufzuweisen  haben.  AVir  finden 
diese  Erscheinung  z.  B.  bei  den  Cephalota^ius- Arten  gut  ausge- 
sprochen. Mittelst  des  Polarisationsapparates  ist  diese  Tatsache 
leicht  festzustellen.  —  Die  dicken  Wände  aber  setzen  selbstredend 
die  Transpiration  herab.  Somit  sind  die  Schwammparenchymzellen 
schon  aus  anatomischen  Gründen  nicht  zu  den  speziell  für  starke 
Verdunstung  berechneten  Zellen  zu  zählen.  ARESCHOÜG  (2,  S.  17), 
welcher  verdickte  Zellwände  im  Zentralgewebe  einiger  Succulenten 
gefunden  hat,  gibt  zu,  dass  in  solchen  Fällen  die  Transpiration  von 
den  Pallisadenzellen  besorgt  wird.  Da  aber  die  Verdickung  der 
Schwammparenchymzellen  eine  recht  verbreitete  Erscheinung  ist,  die 
Verdickung  ihrer  Membranen  aber  im  Vergleich  zu  denjenigen  der 
Pallisaden,  wenn  es  sich  nicht  um  spezielle  Einrichtungen  handelt 
(z.  B.  Wassergewebe)  allgemein  zu  sein  scheint,  so  ist  dieses  Ge- 
webe als  ein  gegen  Transpiration  wohlgeschütztes  Gewebe  zu  be- 
trachten. 

Die  früher  erwähnte  Tatsache,  dass  in  den  Blättern  der  Cepha- 
lotaxus  wie  auch  z.B.  hei  Abies  Nordmaniiiana  die  Schwammzellen 
meist  verkalkte  Membranen  haben,  lässt  entschieden  eine  be- 
deutende Verminderung  der  Transpiration  vermuten.  So  soll  ja  die 
Kalkablagerung  der  Epidermis  die  Verdunstung  stark  herabsetzen. 
(BUEGERSTEIN,  S.  208.     Dort  die  Literatur.) 

Wir  wollen  jetzt  die  Frage  zu  behandeln  suchen,  wie  sich  die 
Grösse  der  Transpiration  von  Schattenblättern  zu  derjenigen  von 
Sonnenblättern  verhält  und  andererseits,  in  welchem  Verhältnisse 
die  Transpiration  vom  Schwammparenchym  zu  dem  des  Pallisaden- 
gewebes  im  selben  Blatte  steht. 

Stahl  (3)  zitiert  die  Angaben  von  V.  HÖHNEL  und  sagt  dabei 
,,so  begreift  man  leicht  warum,  wie  V.  HöHNEL  nachgewiesen  hat, 
unter  sonst  gleichen  Bedingungen  die  Schattenblätter  viel  mehr 
transpirieren  als  die  Sonnenblätter".  Das  Schwammparenchym  eines 
bilateralen  Blattes  findet  sich  bei  normaler  Blattstellung  im  Schatten, 
d.  i.  das  Licht  gelangt  zu  ihnen  in  sehr  geschwächtem  Grade,  denn 
so\\ohl  das  Licht  als  solches,    wie    auch  durch  die  Strahlen  erzeugte 


Über  die  Pallisadcnzellcn.  199 

Wärme  wird  selir  stark  von  den  chlorophyllreichen  Pallisaden  ab- 
sorbiert. 

Man  kann  aber  auch  die  Blattunterseite  und  Oberseite  in  aleiche 
Tra^spirationsbeding•un^en  bringen.  Man  kann  gleiche  Blätter  oder 
Blatthälften  mit  der  Oberseite  bezw.  Unterseite  gegen  die  Sonne 
wenden. 

Es  liegen  einige  A'^ersuche  vor,  die  diese  Frage  berühren. 
GRIFF(^N  fand  bei  einer  Versuchsreihe,  dass  die  Blätter,  welche  er 
mit  der  Unterseite  gegen  die  Sonne  kehrte,  weniger  Wasser  ver- 
loren, als  in  normaler  Stellung'  Er  variierte  den  Versuch  und  fand 
wieder  das  umgekehrte  Verhältnis. 

Bürgerstein,  welcher  solche  Versuche  ebenfalls  gemacht  hat, 
fand  bei  starker  Insolation  eine  stärkere  Transpiration  bei  direkt 
beleuchteter  Oberseite,  bei  zerstreuter  Tao-esbeleuchtuno'  dac^etjen 
verdunsteten  energischer  die  mit  der  Unterseite  nach  der  stärkeren 
Lichtquelle  gekehrten  Blätter.  BüRGERSTElN  nimmt  an,  dass  die 
Spaltöffnungen  sich  vielleicht  etwas  verengen,  wenn  sie  direkt  dem 
Lichte  ausgesetzt  werden.  Die  Erklärungen  von  GRIFFON  über  die 
verschieden  ausgefallenen  Versuche  führe  ich  nur  kurz  an.  Es 
liegen  ihnen  zwei  wenig  berechtigte  Annahmen  zugrunde:  L  Die 
geringe  Absorption  der  Lichtstraiilen  durch  die  Pallisaden  und 
"2.  dass  die  Pallisaden  ihr  Wasser  direkt  aus  den  tJefässen  auf- 
nehmen. Was  die  erste  Annahme  betrifft,  so  ist  Tatsache,  dass  das 
chlorophyllreiche  Pallisadengewebe  bedeutend  stärker  das  Licht  und 
die  W^ärme  absorbiert,  als  das  Schwammgewebe;  denn  der  Farb- 
stoff, welcher  diese  Eigenschaft  in  so  hohem  Masse  besitzt,  ist  in 
letzterem  weniger  als  im  Pallisadengewebe  vorhanden.  Auch  sitzen 
die  Pallisaden  den  Gefässen  nicht  direkt  auf. 

Bei  Bestimmungen  der  Transpiration  der  Pflanzen  ist  die 
Methode  mit  ganzen  beblätterten  Exemplaron,  wobei  die  Blätter  im 
Zusammenhange  mit  der  Pflanze  bleiben,  wohl  die  einzig  richtige, 
um  die  wirkliche  Verdunstung  unter  normalen  Lebensbedingungen 
der  Pflanze  zu  ermitteln. 

Um  die  relative  Verdunstung  normal  bezw.  invers  gestellter 
Blätter  zu  bestimmen,  schien  mir  die  Methode  mit  aboeschnittenen 
Blättern  die  geeignetere.  Man  kann  nämlich  in  diesem  Falle  ganz 
gleiche  Blätter  untereinander  vergleichen.  Ausserdem  aber  fällt  die 
gegenseitige  Beschattung  der  Blätter  fort,  und  so  kann  man  für 
kurze  Zeit  völlig  gleiche  Verhältnisse  schaffen.  Ich  experimentierte 
immer  mit  Blättern,  die  nicht  nur  ein  und  demselben  Spross  ent- 
nommen waren,  sondern  zugleich  die  benachbarten  waren,  bei  ge- 
teilten Blättern  die  entsprechenden  Blättchen;  im  ganzen  also  waren 
es  möglichst  gleiche  Verdunstungsobjekte.  Die  Versuche  wurden 
zumeist  um  die  Mittagsstunde  aus;>eführt.      Die  Blätter    wurden    auf 


200  S.  RYWOSCH: 

graue  Pappe  gelegt,  manchmal  aber  so  durch  eine  Stecknadel  an- 
gebracht, dass  etwa  ein  Zentimeter  breiter  Raum  sich  zwischen  dem 
Blatte  und  der  Pappe  bildete  (natürlich  alles  möglichst  gleich  für 
die  iiivers  und  normal  gelegten  Blätter). 

Ich  habe  im  ganzen  viel  geringere  Werte  erhalten,  als  die 
beiden  genannten  Autoren,  d.  h.  die  evaporierte  Wassermenge  ver- 
schieden gelegter  Blätter  blieb  fast  dieselbe.  Bei  der  Birke,  wo 
mehrere  Blätter  verglichen  wurden,  betrug,  wenn  man  die  Menge 
der  normal  gelegten  Blätter  =  100  setzt  (wie  wir  es  hier 
immer  tun  werden),  die  verdunstete  Wassermenge  für  pervers 
gelegte  in  verschiedenen  Fällen  98,  97,  andererseits  aber  auch  100. 
Sehr  ähnlich  verhielteu  sich  Tmpatiens  par;-?/?oro-Blätter.  Manchmal  ist 
man  geradezu  überrascht  durch  die  sehr  geringen  Unterschiede,  die 
man  gefunden  hat.  So  war  der  Unterschied  der  Verdunstung  bei 
zwei  Blättchen  eines  Blattes  der  Gartenerdbeere  etwa  0,2  pCt. 

Eine  grössere  Depression  der  Ausdunstung  zeigten  dagegen  Evonij- 
mus  japonicus  und  Eriobotnjajaponica.  Bei  ersterer  sank  sie  in  perverser 
Lage  bis  86,  bei  der  anderen  dagegen  bis  etwa  92,  und  zwar  wieder- 
holte sich  dieses  Verhältnis  recht  konstant.  Möglich  ist  es  wohl, 
dass  dieses  Verhalten  dieser  Pflanzen  durch  das  ausgesprochen  dick- 
wandige Schwammparenchym  zu  erklären  ist. 

Es  ergibt  sich  also,  dass  Schattenblätter,  in  gleiche  Beleuchtungs- 
verhältnisse gebracht,  viel  mehr  verdunsten  als  Sonnenblätter 
(V.  HÖHNEL).  —  Bringt  man  dagegen,  wie  die  angeführten  Versuche 
zeigen,  dörsiventrale  Blätter  in  gleiche  Bedingungen  der  Beleuchtung 
für  die  Ober-  bezw.  Unterseiten,  so  ist  die  Verdunstung  geringer 
da,  wo  die  Schattenseite  vom  Licht  begünstigt  ist.  Eine 
Analogie  zwischen  Schattenblatt  und  Schattenseite  (Blatt- 
unterseite, Schwammparenchym)  eines  Blattes  ergibt  sich  eben 
nicht. 

Und  wenn  die  grosse  Verdunstungsfähigkeit  der  Schattenblätter 
nicht  zu  verkennen  ist,  so  verdunsten  sie  unter  den  in  der  Natur 
gegebenen  Bedingungen  viel  weniger,  als  Sonnenblätter.  HeSSEL- 
MANN  fand,  dass  die  Sonnenblätter  an  ihren  natürlichen  Standorten 
drei-  bis  acht-,  sogar  bis  zehnmal  mehr  verdunsteten,  als  die  im 
Schatten    verharrenden    Schattenblätter.      (Diese  Angabe    zitiere    ich 

nach  Bürgerstein,  S.  94.) 

Ich  selbst  fand  bei  der  Linde  bei  Versuchen,  die  ich  im 
Sommer  1900  anstellte,  die  Verdunstung  der  Sonnenblätter  in 
der  Sonne  häufig  zehnmal  grösser,  als  die  Verdunstung  der 
Schattenblätter  an  ihrem  natürlichen  Standorte.  Bei  der 
geringen  Verdunstung  der  Blattunterseite,  welche  jedenfalls  nicht 
höher  ist,  als  die  der  Oberseite,  wird  das  untere  Gewebe  unter 
den    in    der    Natur    gegebenen    Bedingungen    um    viele  Mal 


über  die  PallisaflciiZfllen.  "201 

weniger  verduiisteD,  als  die  der  Sonne  zugekehrten  Ober- 
seiten. 

Mit  der  Frage  der  Pallisaden-  bezw.  Schwammparenchyinbiklung 
beschäftigte  sich  auch  KOHL  in  seiner  „Transpiration  der  Pflanzen". 
Seine  Versuche  ergaben,  dass  unter  trockenen  Glocken,  wo  die  Ver- 
dunstung natürlich  grösser  war,  eine  grössere  Streckung  der 
Pallisaden  zu  beobachten  war.  Wie  er  diese  Erscheinung  erklärt, 
zeigen  folgende  Zeilen,  welche  auch  EBERDT  anführt.  Es  heisst  da: 
„Es  ist  nicht  schwer  einzusehen,  weshalb  gerade  die  Transj)irations- 
bedingungen  so  mächtig  auf  die  Gestaltung  der  Pflanzen  einwirken 
müssen,  ist  doch  die  Transpiration  der  Prozess,  welcher  die 
Turgescenz  jeder  Zelle,  jedes  Gewebes  beherrscht,  die  Turgescenz 
aber  wieder  die  Erscheinung,  die  das  Membranwachstum  aller  Zellen 
reguliert.  Kann  eine  Pflanze  wenig  transpirieren  und  doch  genügend 
Wasser  durch  die  Wurzeln  oder  andere  Organe  aufnehmen,  wie  die 
Pflanzen  feuchter  Standorte,  was  ist  natürlicher,  als  dass  sie  ihren 
Zellen  mehr  Wasser  zu-,  als  aus  diesen  ableitet,  die  Wasserbilanz 
ist  eine  günstige;  das  steigert  die  Turgescenz,  diese  das  Flächen- 
wachstuni  der  Zellmembranen,  die  Zellen  bleiben  dünnwandig,  sind 
abgerundet,  lassen  grosse  Intercellularräume  zwischen  sich  oder 
schwellen  so  an,  dass  sie  sozusagen  in  der  Epidermis  keinen  Platz 
mehr  haben,  es  entsteht  tangentiale  Abplattung  der  Oberflächen- 
zellen. Eine  stark  transpirierende  Landpflanze  dagegen  gibt  viel 
Wasser  ab,  der  Zellturgor  wird  selten  oder  nie  so  gross  wie  bei 
jener  Pflanze,  die  Zellwänle  werden  weniger  gedehnt,  sie  wachsen 
mehr  in  die  Dicke  und  können  sich  in  radialer  Richtuno-  am  meisten 
ausdehnen  usf."  (KOHL,  S.  95). 

Diese  Erklärung  der  Pallisaden  und  Schwammzellen  teilt  voll- 
ständig EberDT;  S.  48  (1)  führt  er  die  oben  zitierte  Stelle  an  und 
gibt  seiner  Übereinstimmung  mit  dem  ausgesprochenen  Gedanken 
Ausdruck. 

Ich  muss  hier  wiederum  darauf  hinweisen,  wie  schwer  ein  Ver- 
gleich eines  Schattenblattes  und  des  Schwammgewebes  einerseits, 
und  des  Pallisadenoewebes  und  eines  Sonnenblattes  andererseits 
durchzuführen  ist.  Und  gerade  die  verschiedene  Verdickung 
der  Membranen  schliesst  den  Vergleich  aus.  Was  aber  die 
Hauptthese  dieser  Erklärung  betrifft,  so  hat  es  mir  nie  klar  werden 
können,  weshalb  die  wasserreichen  Schwammparenchymzellen  mit 
dem  starken  Turgor  nicht  die  Kraft  haben  sollen,  sich  zwischen  den 
Epidermen  zu  strecken,  das  schwach  turgeszierende  Pallisadengewebe 
aber  mit  Leichtiokeit  das  Hindernis  überwindet?  Und  müssen  denn 
wirklich  stark  turgeszierende  Zellen  grössere  Zwischenzellgänge 
zwischen  sich  lassen,  als  schwächer  turgeszierende?  Ich  fasse  kurz 
die    von    den    beiden    Autoren    vertretene    Ansicht    zusammen,    dass 


202  S.  RYWOSCH: 

Wasserreichtum  —  Schwamm-,  Wasserarmut  —  Pallisadeageweb- 
bildung"  nach  sich  ziehe.  EbeRDT  firnlet  noch  ausserdem,  dass  nicht 
nur  mit  der  Transpiration,  sondern  zugleich  auch  mit  der  Assimi- 
hrtion  die  Streckung  Hand  in  Hand  geht.  Er  sieht,  entgegen 
ARESCHOUCt,  in  den  Pallisaden  kein  Schutzgewebe  gegen  Transpiration. 
—  HeSSELMANN  (19)  fand,  dass  Pflanzen  mit  Pallisaden  mehr  Ter- 
dunsteten  als  solche,  bei  welchen  dieses  Gewebe  nicht  ausgebildet 
war.  Er  meint  S.  442:  ,,Die  Auffassung  des  Paliisadenparenchyms 
als  eines  transpirationshemmenden  Gewebes  ist  durch  die  Tran- 
spirationsversuche auf  jeden  Fall  nicht  bestätigt  worden." 

So  wenig  das  Schwammparenchym  als  spezifisches  Transpirations- 
gewebe betrachtet  werden  kann,  ebenso  findet  sich  aucli  manche 
Schwierigkeit,  wenn  wir  ihis  Pallisadengewebe  als  Schutz  gegen 
Transpiration  ansehen  wollen.  Ausser  den  eben  erwähnten  Versuchen 
von  HESSELMANN  mache  ich  hier  auf  die  Beobachtungen  von 
HaBERLANDT  und  YOLKENS  aufmerksam. 

Es  finden  sich  nämlich  in  unserer  Flora  (tiABERLANDT  2),  wie 
auch  in  der  Wüstenflora  Pflanzen  mit  sehr  lockerem  Parenchym, 
trotz  der  gestreckten  Form  der  Zellen.  Das  Pallisadengewebe 
braucht  eben  niclit  gerade  ein  dichtes  Gewebe  zu  sein.  Was  aber  die 
Streckung  der  Pallisadenzellen,  d.  h.  eigentlich  das  Ausbleiben  von 
tangentialen  Wänden  betrifft,  so  wüsste  ich  nicht,  weshalb  dies  eine 
Verminderung  der  Transpiration  nach  sich  ziehen  soll? 

Wenngleich  die  Cellulosewände  nicht  einmal  verglichen  werden 
können  mit  den  Korkzellen  in  bezug  auf  ihr  Schutzvermögen  gegen 
Transpiration,  so  sind  sie  doch  gegenüber  dem  Zellinhalt  ein 
schützendes  Organ,  und  die  Bilduni»'  von  Tangentialwänden  nach  dem 
Muster  des  spezifischen  Schutzgewebes  gegen  Transpiration  sollte 
auf  keinen  Fall,  wenn  es  sich  um  solchen  Schutz  handelt,  gerade 
verworfen  werden.  Aber  der  entgegengesetzte  Bau  und  die 
entgegengesetzte  Anordnung  der  Membranen  kann  doch  auf 
keinen  Fall  als  Beweis  einer  Schutzvorrichtung  gelten. 

Oben  ist  schon  erwähnt  worden,  dass  STAHL  seine  Theorie  auf 
der  vorteilhaften  Verteilung  der  Chlorophyllkörner  gebaut  hat  Es 
ist  wohl  im  allgemeinen  auch  häufig  zu  beobachten,  dass  Sonnen- 
blätter ein  besser  entwickeltes  Pallisadenparenchym  haben  als  die 
Schattenblätter.  Allein  es  gibt  viele  Einwände  gegen  die  Erklärung, 
die  Streckung  hinge  nur  von  der  Richtung  und  Intensität  der 
Sonnenstrahlen  ab.  So  weist  HABERLANDT  darauf  hin,  dass  erstens 
die  Blätter  unter  den  in  der  Natur  gegebenen  Verhältnissen  selten 
unter  einem  rechten  Winkel  getroffen  werden.  Ausserdem  aber 
finden  wir  häufig,  besonders  bei  unseren  krautartigen  Gewächsen, 
dass  die  Pallisaden  zur  Fläche  des  Blattes  nicht  senkrecht  stehen 
und    so,    trotz    verschiedener    Anordnung    und    trotzdem    die    Licht- 


über  die  l'allisadonzellon.  203 

strahlen  entscliieden  unter  geneigtem  AVinkel  empfangen  werden,  ist 
(loch  ein  starkes  Pallisadengewebe  entwicdvelt.  Dass  die  Streckung 
glicht  durch  die  Beleuchtung  allein  bedingt  wird,  nehmen  natürlich 
alle  Forscher  an,  welche  der  Transpiration  einen  bedeutenden  Ein- 
fluss  beimessen.  So  sagt  z.  B.  EbeeDT  (1,  S.  51):  ,,Denn  wie  ich 
bei  schwacher  Transpiration,  aber  doch  starker  Beleuchtung,  meist 
eine  tangentiale  Streckung  und  Lacunenbildung  bemerkte,  so  findet 
man,  sobald  man  starke  Transpiration  herbeiführt,  das  Bestreben 
der  Zellen,  sich  mehr  radial  zu  strecken  und  lückenlos  aneinander 
zu  legen."  Dass  HaBERLANDT  den  Kranztypus  als  Argumentation 
gegen  STAHL  anführt,  wurde  schon  oben  erwähnt.  —  Wir  haben 
also  Gelegenheit  gehabt  uns  zu  überzeugen,  dass.  trotz  der  vielen 
Beobachtungen,  die  endgültige  Entscheidung  dennoch  nicht  ge- 
fällt ist. 

Ich  will  versuchen,  einige  Erwägungen  und  Beobachtungen  an- 
zuführen, welche  es  vielleicht  ermöglichen  werden  der  Lösung  der 
Gegebenen  Frage  etwas  näher  zu  kommen. 

Das  Prinzip,  welches  der  gestreckten  Pallisadenform  zugrunde 
liegt  ist,  meiner  Ansicht  nach,  die  Wasserleitung.  Die  Stoff- 
leitung allein  reicht  tatsächlich  nicht  aus,  um  alles  zu  erklären;  die 
AVirkung  des  Lichtes  wie  der  Transpiration  ist  ja  genügend  von 
verschiedenen  Forschern  festgestellt. 

Es  gibt  viele  Fälle,  wo  die  äusseren  Bedingungen  sowohl  starkes 
Licht,  als  auch  bedeutende  A^erdunstung  ermöglichen,  und 
dennoch  keine  Bildung  von  Pallisaden  erfolgt.  Weder  hat  hier 
das  Licht,  noch  das  Bedürfnis  eines  Transpirationsschutzes  ein 
Pallisadengewebe  produzieren  können.  Ich  meine  die  Succulenten. 
Ich  finde  doch  keine  Pallisaden  z.  B.  bei  den  Eclieveria^  bei  den 
Mesembri/ant/iemum^  Agave  usw. 

In  unserer  Flora  vermissen  wir  ein  solches  bei  den  an  trockenen 
Orten  lebenden  Sempervicum- Äxten  und  auch  bei  dem  auf  trockenen 
und  seimigen  Standorten  lebenden  Sedum  acre.  Also  gerade  an  den 
Orten,  wo  sich  die  bestentwickelten  Pallisaden  finden,  sehen  wir 
Pflanzen  mit  sehr  unterdrückter  Entwicklung  dieses  Gewebes.  Diese 
Erscheinung  ist,  meiner  Meiiiung  nach,  auf  folgende  Art  zu  er- 
klären: "Während  Blätter  von  gewöhnlichem  Bau,  bei  uns  z.  B.  die 
Centaureen  (HEINRICHER),  auf  sonnigen  Standorten  faktisch  viel 
verdunsten,  so  ist  die  tatsächliche  Ausdunstung  des  Chlorophyll- 
gewebes der  succulenten  Pflanzen,  dank  der  Yerminderung  der 
Oberfläche,  den  schleimreichen  Zellen  usw.,  sehr  herabgesetzt,  und 
die  Wasserleitung  ist  gering.  Wie  sehr  gerade  die  Wasserleitung 
mit  der  Streckung  im  Zusammenhang  steht,  beweisen  auch 
zum  Teil  die  Wasserpflanzen.     Die  untergetauchten  Blätter  haben 


204  S.  RYWOSCH: 

nie  Pallisaden.  Man  könnte  natürlich  die  Sache  durch  schwache  Be- 
leuchtung zu  erklären  suchen. 

COSTANTIN  hat  aber  nachgewiesen,  dass  die  Lichtnienge  ge- 
nügend ist  bei  Pflanzen,  welche  sich  nicht  unter  Wasser  befinden, 
Pallisadenbildung  hervorzubringen.  Andererseits  sehen  wir,  dass 
gerade  Wasserpflanzen  zugleich  stark  entwickeltes  Pallisadengewebe 
haben.  Das  sind  aber  die  Schwiinmblätter,  welche  diesen  Bau 
aufweisen.  YOLKENS  (1)  hat  eine  bedeutend  stärkere  Entwickelung 
bei  der  Wasserforni,  als  bei  der  terrestren  von  Pohjgonum  amphibium 
gefunden.  Diesen  Fall  erklärt  VOLKENS  durch  den  Einfluss  der 
Beleuchtung.  So  sagt  er  (1):  „Die  Schwimmblätter  beschatten  sich 
weder  selbst,  noch  werden  sie  durch  andere  Pflanzen  beschattet, 
ihre  wagerechte  Lage  setzt  sie  ausserdem  der  vollen  Einwirkung 
des  Sonnenlichtes  aus."  '*' 

Ich  habe  nach  terrestrischen  Exemplaren  gesucht,  welche  ganz 
frei  und  unbeschattet  wachsen.  Auch  solche  ero-aben  länoere 
Pallisadenzellen  im  Veroleich  mit  der  Wasserform.  Die  oeo-enseitioe 
Bedeckung  der  Blätter  kommt  hier  insofern  fast  gar  nicht  in  Be- 
tracht, da  sie  sehr  voneinander  entfernt,  die  oberen  ausserdem 
auch  kleiner  sind.  Es  haben  Wasserpflanzen  aber  gut  entwickeltes 
Pallisadengewebe,  wenn  sie  nicht  untergetaucht  sind.  Es  ist  hier 
wieder  ein  Verhältnis,  welches  an  die  Standorte  der  succulenten 
Pflanzen  erinnert:  in  ein  und  demselben  Medium  haben  wir  die 
bestentwickelten  Pallisaden  und  eine  fast  völlige  Unterdrückung  der- 
selben. In  keinem  Falle  handelt  es  sich  natürlich  bei  den  Wasser- 
pflanzen um  Herabsetzung  der  Verdunstung.  Die  tatsächliche 
Transpiration,  welche  eine  gesteigerte  Wasserleitung  zur  Folge 
hat,  ist  die  Bedingung'  der  Pallisadenbilduno-.  Da  aber 
mit  der  Feuchtigkeit  des  Substrates  die  Transpiration  zunimmt 
(FiTTBOGEN  und  andere,  vgl.  BüRGERSTEIN,  daselbst  die  Literatur), 
so  ist  ein  Wasserblatt,  welches  nicht  untergetaucht  ist,  ein  sehr 
stark  transpirierendes  Objekt.  Ich  glaube,  dass  Versuche  unter  Be- 
dingungen gleicher  Beleuchtung  und  gleicher  Luftfeuchtigkeit,  bei 
verschieden  feucht  gehaltenem  Boden,  die  Frage  aufklären  könnten. 
Einen  ähnlichen  Versuch  in  der  uns  interessierenden  Frage,  bei 
sonst  normalen  Verhältnissen,  hat  schon  MeR  angestellt.  Aber  er 
gibt  nicht  an,  wie  die  Länge  der  Zellen  ausgefallen  ist.  Ich  stellte 
meine-  Versuche  hauptsächlich  an  Sedum-Axtaw  an,  weil  diese 
Pflanzen  in  trockenem,  wie  in  feuchtem  Boden  gut  gedeihen. 

Die  grösste  Keihe  der  Versuche  machte  ich  mit  Sedum 
Majcimoioiczi.  Eine  grosse  Reihe  von  Exemplaren  wurde  in  grossen 
Töpfen  gezogen.  Ein  Teil  der  Pflanzen  erhielt  immer  grosse 
Quantitäten  von  Wasser,  ein  anderer  dagegen  sehr  w^enig  Wasser; 
ausserdem    aber    begoss    ich    einige     andere    Exemplare     mit     ver- 


über  die  PallisadenzpUcn.  205 

schiedenen  Wassermengen,  wobei  weder  das  Maximum  der  feuchten 
Töpfe,  noch  das  Minimum  der  trockenen  erreicht  wurde.  Und  ich 
^nuss  sag-en,  dass  auch  der  Bau  dieser  Pflanzen  etwa  eine  Zwischen- 
stufe der  Extreme  der  sehr  trockenen  bezw.  feuchten  Pflanzen 
zeigte.  Der  Unterschied  im  Bau  der  trockenen  und  der  feuchten 
Pflanzen  ist,  wie  Fig.  1  und  2  ersehen  lässt,  für  die  Pallisadenlagen 
sehr  in  die  Augen  fallend.  Die  Zellen  beider  Reihen  der  feuchten 
Pflanze  ist  sehr  stark  in  die  Länge  senkrecht  zur  Blatt- 
fläche gestreckt.  Im  trockenen  Blatte  dagegen  ist  die 
Streckung  kaum  angedeutet.  Es  ist  ersichtlich  in  wie  hohem 
Masse  die  Leitung  des  Wassers  in  feuchtem  Boden  stärker  ist  und 
wie  die  Ausbildung  des  Pallisadengewebes,  die  sich  in  der  Streckung 
der  Zellen  kundgibt,  mit  dieser  Erscheinung  Hand  in  Hand  geht.  — 
Fig.  3  zeigt  uns  einen  Querschnitt  durch  ein  Blatt  von  Asphodelus 
luteus. 

Wir  sehen  hier  das  dunkelgrün  gefärbte  Gewebe  (in  der  Ab- 
bildung schraffiert)  aus  kürzeren  Zellen  zusammengesetzt  als  das 
hellere  Gewebe.  Diese  verschieden  gestreckten  Zellen  könnten  hier 
durch  stärkere  und  schwächere  Beleuchtung  nicht  erklärt  werden, 
denn  alle  Zellen  sind  dem  Lichte  gleich  ausgesetzt.  Mit  der  Stoff- 
ableitungstheorie  (HaberlaNDT)  kommt  dieser  Bau  eigentlich  in 
Kollision.  Die  chlorophyllreicheren  Zellen  sind  gar  die  kürzeren, 
und  die  Leitung  in  den  chlorophyllarmen  ist  entschieden  in 
diesem  Falle  die  bessere.  Solche  Bildunoen  kommen  mehrfach 
vor.  In  solchen  Fällen  sind  die  gestreckten  Zellen  die  wasser- 
reicheren, und  die  Funktion  der  AVasserleitung  wird  mehr  oder 
weniger  in  den  Vordergrund  gerückt,  zugleich  aber  die  Assimilations- 
tätigkeit durch  geringeren  Inhalt  an  Chlorophyll  geschwächt. 
ÄlONTEMARTINI  führt  einen  ähnlichen  Fall  für  Euphorbia  splendens 
(Fig.  8  seiner  Tafel)  an.  Er  sucht  die  Erklärung  dieser  Erscheinung 
in  dem  Einfluss  der  Nähe  der  Spaltöffnungen,  da  bei  Eiqjhorbia  die 
kurzen  chlorophyllreichen  Zellen  sich  in  der  Nähe  der- 
selben finden.  Unsere  Abbilduns;  zeio-t  aber  o-erade  den  um- 
gekehrten  Fall:  hier  sind  die  der  Spaltöffnung  näher  gelegenen 
gerade  die  längeren,  und  der  Einfluss  der  Spaltöffnungen  kann 
natürlich  nicht  für  diesen  Bau  verantwortlich  gemacht  werden. 

Wir  haben  aber  in  beiden  Fällen  wasserreiche  Zellen,  welche 
einen  Teil  der  Chlorophyllkörner  verloren  und  ihre  Funktion  ein- 
gebüsst  haben  —  sich  zugleich  gestreckt  haben,  um  der  Wasser- 
leitung besser  dienen  zu  können.  AVie  Mesophyllzellen  in  spezielle 
Wasserelemente  übergehen,  dafür  haben  wir  mehrere  Beweise.  Bei 
den  Capparideen  fand  YeSQUE,  dass  unter  den  Mesophyllzellen  sich 
solche  finden,  welche  nicht  nur  ihren  Chlorophyllgehalt  völlig  auf- 
gegeben haben,    sondern    die    zugleich  auch  netzförmige  Verdickung 


'206  S.  RYWOSCH: 

erhalten,  die  Holzelenienteii  ähnlich  sind.  Ganz  in  wasserleitende 
Elemente  sind  die  Querpareuchymzellen  bei  den  Fodocarjms- Arten 
mit  breiten  Blättern  über^e2:anoen.     Diese  Elemente  haben  an  ihren 

CO  o 

Wänden  zweiseitige  Hoftüpfel  (Fig.  4).  SCHEIT's  Angabe  ZIMMER- 
MANN gegenüber,  dass  sie  unbehöft  sind,  kann  ich  nicht  teilen,  denn 
dass  sie  wirklich  behöfte  Tüpfel  führen,  lässt  sich  auch  daraus 
schliessen,  dass  wir  zwischen  diesen  Elementen  und  den  lebenden 
Zellen  einseitige  Hoftüpfel  konstatieren  können.  In  den  quer- 
gestreckten Mesophyllzellen  der  Taxineen,  wie  auch  in  den 
Cycadeenfiedern  müsste  man  mit  HABERLANDT  natürlich  Zuleitungs- 
gewebe sehen.  Allein,  da  sich  mit  zunehmender  Breite  des  Blattes 
die  quergestreckten  Zellen  immer  mehr  und  mehr  in  farblose, 
wasserführende  Elemente  verwandeln,  bis  sie  in  den  ganz  breiten 
den  höchsten  Grad  ihrer  Umwandlung  erreichen,  zeigt  es  sich  zur 
Genüge,  wie  sehr  unter  Leitung  im  Mesophyll  auch  Wasserleitung 
mit  einbegriffen  werden  muss. 

Ihre  wichtige  Nebenfunktion  der  AYasserleitung  wird  zur  Haupt- 
funktion. Es  entstehen  Trache'iden,  also  typische  Wasserelemente. 
Die  l'odocajyus- Arten  sind  noch  insofern  interessant  und  lehrreich, 
als  sie  ihre  Wasserelemente  beim  Fehlen  von  Quertracheiden  in 
das  Chlorenchym  eingreifen  lassen.  Die  schmalblättrigen  nämlich 
haben,  wie  sonst  die  Coniferen,  um  das  Leitbündel  des  Blattes  eine 
Scheide;  innerhalb  dieser  Scheide  finden  sich  natürlich  auch  die 
Tracheidensäume,  w^elche  zu  beiden  Seiten  des  Bündels  liegen.  Bei 
den  breitblättrigen,  z.  B.  Podocavpus  latifolia.,  liegt  auch  diese 
reo'elmässige  Anordnung  vor.  Nur  kommen  hier  Quertracheiden 
ausserhalb  der  Scheide  hinzu.  Bei  einer  mittelbreiten  Art, 
Podocarpus  ehngata,  fand  ich  folgenden  Bau:  Es  hat  sich  hier  kein 
Quertracheidensystem  ausgebildet,  die  Tracheidensäume  selbst 
aber  springen  sehr  weit  in  das  Chlorophyllgewebe  nach 
rechts  und  links  vom  Nerven  ein,  und  das  Merkwürdige 
dabei  ist,  dass,  um  diesen  Ersatztracheiden  die  Möglich- 
keit in  das  wasserbedürftige  Gewebe  einzutreten  zu  geben, 
die  sonst  gerade  an  den  Flanken  nie  fehlende  Scheide 
sich  an  diesen  Stellen  auflöst.  —  Ein  anderer  Fall,  wo  die 
Streckung  ganz  klar  im  Dienste  der  Wasserleitung  steht,  ist  bei 
einigen  Schwimmblättern  zu  finden.  Fig.  5  zeigt  uns  einen  Quer- 
schnitt durch  ein  Schwimmblatt  von  Potamogefon  nutuns.  Wir  sehen, 
dass  die  unteren  Zellen,  ebenso  wie  die  der  Oberseite,  gestreckt 
sind,  —  es  sind  sozusagen  isolateral  gebaute  Blätter,  aber  es  fehlen 
hier  natürlich  alle  Bedingungen,  welche  nach  HEINRICHER  vor  allem 
Trockenheit  des  Standortes  u.  s.  f..  die  Bildung  der  Isolateralität  her- 
vorrufen. Da  das  Wasser  hier  vom  Blatte  endosmotisch  auf- 
genommen wird,  so  ist  es  natürlich  ilie  untere  Seite,  die  es  tut,  und 


Übf'r  die  rallisailcnzellcn.  207 

diu  o-estreckten  Zellen  sind  dazu  wohl  am  i»'eeio,netsten,  das  aufue- 
nommene  Wasser  weiter  zu  leiten.  —  Den  isolateralen  Bau  fand 
^EINßlOHER  für  eine  Reihe  von  Pflanzen,  welche  nnter  gewissen 
gleichen  Bedingungen  leben  —  die  Faktoren  waren  Licht,  trockener 
Standort  u.  s.  f. 

Ausserdem  finde  ich  aber  auch  in  unserer  Flora  eine  Reihe  von 
Pflanzen,  deren  isolateraler  Bau  durch  die  zerschlitzten  Blätter  be- 
dingt ist,  so  bei  manchen  Kompositen,  z.  B.  bei  Antliemis  arvensis, 
Matricaria  CJiamomüla.  Dank  der  feinen  Teilung  werden  sie  viel  meiir 
von  den  Luftzügen  in  Mitleidenschaft  gezogen,  werden  von  relativ  seiir 
viel  Luft  umspült,  wodurch  die  Transpiration  steigt  und  immer  schnelle 
Wasserleitung  erforderlich  macht.  Und  die  unteren  Zellagen  sind 
häufig,  da  diese  Luftumspülung  sie  intensiver  zu  verdunsten  veranlasst, 
auch  in  einer  für  die  Wasserleitung  angepassten  Form  ausgebildet. 
Auch  der  Bau  des  P'eldrittersporns,  welchen  HeiNKICHER  bemerkt 
hat,  gehört  hierher.  In  einem  anderen  Falle,  wo  eine  nicht  ge- 
nügend rasche  Wasserleitung  schädliche  Folgen  haben  könnte,  hat 
das  Blattparenchym  durch  gestreckte  Zellen  den  Verhältnissen  sich 
anzupassen  gesucht  Ich  meine  die  Salzpflanzen.  Und  die  Versuche 
von  SCHDIPER  und  LesAGE  haben  eben  den  Einfluss  des  Salzbodens 
auf  den  Bau  des  Mesophylls  festgestellt.  SCHIMPER  hält  auch  diese 
Streckung  durch  die  eventuelle  Wassergefahr  bedingt.  In  diesem 
Falle,  wie  so  häufig,  wo  es  sich  um  ökonomische  Wirtschaft  mit 
dem  Wasser  handelt,  wird  das  Blatt  dicker,  und  bei  gleicher  Ober- 
fläche wird  ein  grösseres  Volumen  entwickelt. 

Was  früher  von  Blättern  trockenen  Standortes,  welche  durch 
tue  bedeutende  Succulenz  einen  Schutz  erhalten  haben,  gesagt 
wurde,  gilt  auch  für  das  Assimilationssystem,  welches  wir  im 
Stamme  blattloser  Pflanzen  finden.  Wo  wahre  Succulenz  vorliegt^ 
wo  sehr  fleischige  Stämme,  wie  etwa  bei  den  Cacteen,  die  Assimilation 
übernehmen,  da  finden  wir  in  solchen  mächtig  dicken  schleimigen 
Organen  keine  Pallisadenbildung;  bei  den  assimilierenden  Zw^eigen 
von  Asparagus  und  Casuarina  dagegen,  die  nicht  diesen  enormen  Schutz 
besitzen,  finden  wir  gut  entwickeltes  Pallisadenparenchym.  Im  all- 
gemeinen sehen  wir  also,  dass  die  Wasserleitung  es  ist,  welche  in 
ganz  verschiedenen  Fällen,  manchmal  geradezu  überraschend,  den 
spezifischen  Bau  bedingt.  — 

Schliesslich  hat  ja  auch  STAHL  nicht  bestreiten  wollen,  dass  die 
Beleuchtung,  der  er  die  Hauptw^irkung  zuschrieb,  zu  ihrem  Begleiter 
die  Transpiration  haben  muss.  Ich  glaube,  dass  im  Prinzip  die 
richtige  Verallgemeinerung  HaBERLANDT  gemacht  hat,  denn  die 
Pallisaden  stellen  (in  den  meisten  Fällen)  tatsächlich  nur  einen 
Spezialfall  der  gestreckten  Assimilationszellen  dar.  Man  könnte  die 
Bezeichnung  vielleicht  noch  näher  präzisieren,    indem  wir  statt  „ge- 


'208  S.  Rywosch: 

streckte  Assimilationszellen"  gestreckte  Leitungszellen  sagen. 
Aber  nur  vom  Standpunkte  der  Wasserleitung  wird  in  den 
meisten  Fällen  das  Auftreten  und  der  Grad  der  Entwicke- 
luno- bezw.  das  Fehlen  des  Pallisadeng-ewebes  erst  ver- 
ständlich. 


Erkläi-uug  der  Abbilduugen. 


(Die  Epidermis  uml  die  Spaltöfifnungen  sind  scliematisch  dargestellt) 

Fig.  1.     ^edam  Maxii/ioioiczi,  BLittquerschnitt.     Die  Pllanze  i>t  in  feuchtem  Boden 
gewachsen.     Veryr   240. 
„     2.     Sediim  Maxiinoiiüczi,  Blattquerschnitt.   Die  Pflanze  ist  in  trockenem  Boden 

gewachsen. 
.,    3.     Axplwddu.'i  lufeus,  Blattquerschnitt.     Vergr.  135. 

.,     4.     Podocarpus  latifolia,  Quertracheide  mit  behöften  Tüpfeln.     Vergr.  240. 
„     5.     Potaiiioyeton  naiaiix,  Blattquerschnitt.     Verg.  240. 

Up  =  Untere  Pallisadenzellen. 


Literatiir. 


ARESCHOUG,  f.  W.  C.     1.    Der  Einflnss    des    Klimas    auf   die    innere  Organisation 
der  Pflanzen.     Bot.  Jahrbücher,  herausg.  von  ENGLEE,  Bd.  2,  1882. 

2.  Über  die  physiologischen  Leistungen  und  die  Entwickelung  des  Grund- 
gcWebes  des  Blattes.     Lund  1897. 

3.  Bibliotheka  Botanica,  Heft  G,  li)02 

4.  Flora  IDOG. 

Brown  und  Morris,  .lourna!  cliem.  Soc  Trans.  1893  (63,  p.  604). 

BURGERSTEIN,  A.,  Die  Transpiration  der  Pflanzen,  1904,  Jena. 

COSTANTIN,    Etudes  sur  les  fenilles  des  plantes  aqiiatiqups.     Ann.  des  scienc.  nat. 

Ser.  7,  Bd.  3,  1886. 
DUEOUR,    L.,    Influence    de    la   lumiere    sur    les   feuilles.      Ann.  des  scienccs    nat. 

Ser.  7,  Bot.  Bd.  5.  1887. 
Eberdt,  0.     1.  Beitrag    zu    den  Untersuchungen    über    die  Entstehungsweise    des 
Pallisadi^nparenchyms.     Diss.    Freiburg  1887. 

2.    Über    das    Pallisadenpareuchjm.      Bor.    der  Deutsch.  Bot.  Gcs ,    Bd.  6, 
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Frank,  A.B.,  Über  die  Veränderung  der  Lage  der  Chlorophyllkörner  usw.  PrinGSH. 

Jahrb.  für  wissenschaftl.  Bot.,  Bd.  8,  1872. 
Griffon,  Ed  ,  Coniptes  rendus,  B.  137,  p  529. 

Haberlandt.     1.    Jahrb.  für  wiss.  Bot.,  Bd.  13,  1882.  —  Vgl.  Anatomie  des  assi- 
milatorischen Gewebesystems  der  Pflanzen. 

2.  Über  das  Assimilationssystem.    Ber.  der  Deutsch.  Bot.  Ges.,  Bd.  4,  1886. 

3.  Physiologische  Pflanzenanatomie,  3  Aufl.,  1904. 


Über  die  Pallisadenzellen.  209 

Heinricher,  E.,  Pringsh.  Jahrb.,  Bd.  15. 

Hesselmann,    H.,    Zur   Kenntnis    des    Pflanzenlebcns    schwedischer    Laubwiesen. 

Sonderabdruck  aus  den  Beilieften  zum  Bot.  Centralblatt,  1904. 
J.0ST,  L.,  Vorlesungen  über  Pilanzcnphysiologie.    Jena  H>04. 
Kohl,  F.  G.,  Die  Transpiration  der  Pflanzen.    Braunschweig  1886. 
Lesage,  P.,  Influence  du  bord  de  la  mer  sur  la  structure  des  feuilles.  Rennes  1890. 
LOTHELIER,    M.  A.,    Influence    de  Tetat  hygrometrique  et  de  l'eclairement  sur  les 

tiges  et  les  feuills  des  plautes  ä  piquants.    Lille  1893. 
Mer,  M.  E.,  Recherches  sur  les  causes  de  la  structure  des  feuilles. 

Bulletin  de  la  Societe  Botanique  de  France.    1883  (Bd.  30),  S.  110  ff. 
MONTEMARTINI,    L.,   Intorno    alla    anatomia  e  fisiologia    del    fessuto  assimilatore 

delle  Plante.     Atti  delP  Istituto  Botanico  di  Pavia.    Serie  2,  Vol.  4,  1895. 

(Daselbst  die  sehr  vollständig  zusammengestellte  Literatur.) 
Pick,   H.,    Über   den  Einfluss   des  Lichtes    auf   die  Gestalt   und  Orientierung    der 

Zellen  des  Assimilationsgewebes.    Bot.  Cenfralbl.  1888. 
Scheit,    Max,    Die  Tracheidensäume  etc.     Zeitschrift  für  Naturwissenschaft,  1883, 

Jena. 
SCHIMPER,   A.  F.  W ,    Über    Schutzmittel   des    Laubes    gegen   Transpiration,    be- 
sonders   in    der   Flora   Javas.      Sitzungsberichte    der   Preuss.   Akad.    der 

Wissensch.  1890. 
Solms-IjAUBACH,    H.  Graf  zu,    Über   einige  geformte  Vorkommnisse   Oxalsäuren 

Kalkes  in  lebenden  Zellmembranen.    Bot.  Ztg   1871. 
Stahl,  E.     1.    Über  den  Einfluss    der  Richtung   und  Stärke    der  Beleuchtung   auf 
einige  Bewegungserscheinungen  im  Pflanzenreiche.     Bot.  Ztg.  1880. 

2.  Über  den  Einfluss  der  Lichtintensität  etc.    Bot.  Ztg.  1880. 

3.  Über    den    Einfluss    des    sonnigen    oder    schattigen    Standortes    etc. 
Jenaische  Zeitschr.  für  Naturwissenschaften,  Bd.  IG  (N    F.  9)  1883. 

Strumpf,  Arb.  der  Petersb.  Ges.  der  Naturf.,  Bd.  29. 

VüLKENS,    G.      1.    Beziehungen    zwischen   Standort    und   anatomischem   Bau    der 
Vegetationsorganc.  Jahrb.  des  kgl.  bot.  Gart,  zu  Berlin,  Bd.  3,  1884. 
2     Die  Flora  der  Ägyptisch-Arabischen  Wüste.     Berlin  1887. 
Zimmermann,  A.,  Über  das  Transfusionsgewebe.    Flora  1880. 


ßer.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  -^^ 


210  .  N.  JUNITZKY: 


29.   N.  Junitzky:  Über  Zymase  aus  Aspergillus  niger. 

Eingegangen  am  22.  April  1907. 


Die  Theorie  des  genetischen  Zusammenhanges  der  Alkoholgärung 
mit  der  Sauerstoffatmung  wurde  bekanntlich  von  DlAKONOW^)  in 
Abrede- gestellt.     Dieser  Forscher  hat  gefunden: 

1.  Die  anaerobe  Atmung  der  Schimmelpilze  findet  überliaupt 
nur  bei  Zuckerernährung  statt. 

2.  Die  Schimmelpilze  Aspergillus  niger  und  Penicillium  glmicum 
bewirken  selbst  bei  Zuckerernähruno-  eine  äusserst  fferinye 
COo-Produktion  und  sind  gegen  die  Anaerobiose  sehr  wenig 
widerstandsfähig,    indem    sie  durch  eine  zweistündige  Sauer- 

j   .^  Stoffentziehung  zugrunde  gebracht  werden. 

Durch  diese  Resultate  glaubte  DiAKONOW  nachgewiesen  zu 
haben,  dass  die  anaerobe  Atmung  ein  Prozess  sui  generis  ist,  der 
erst  bei  Sauerstoffabschluss  eingeleitet  wird  und  unter  Umständen 
unterbleiben  kann;  das  Zustandekommen  der  Sauerstoffatmung  sei 
also  von  den  sich  bei  Sauerstoffabschluss  abspielenden  Vorgängen 
vollständig  unabhänoig.  Diese  Schlussfolgerungen  DiAKONOW's  wurden 
jedoch  durch  spätere  Untersuchungen  widerlegt.  KOSTYTSCHEW^)  hat 
dargetan,  dass  die  anaerobe  Atmung  der  Schimmelpilze  bei  ver- 
schiedenartiger Ernährung  stattfindet;  Fräulein  KRASNOSSELSKY^)  hat 
nachgewiesen,  dass  Aspergillus  niger  durch  eine  G  Tage  (143  Stunden) 
dauernde  Anaerobiose  nicht  getötet  wird.  Der  geringeu  Intensität  der 
anaeroben  COg-Produktion  von  Aspergillus  niger  ist  KOSTYTSCHEW's*) 
Meinung  nach  keine  theoretische  Bedeutung  beizulegen,  da  der  ge- 
nannte Pilz  durch  die  Produkte  des  anaeroben  Stoffwechsels  schnell 
vergiftet  wird;  die  Vergiftung  ist  aber  allerdings  eine  sekundäre 
Erscheinung,  die  mit  den  Grundursachen  der  Atmung  nichts  zu  tun 
hat.  KOSTY'TSCHEW*)  hat  beobachtet,  dass  die  anaerobe  CO^- 
Produktion  von  Aspergillus  niger  in  auffallender  Weise  zunimmt, 
wenn  das  Mycelium  in  eine  beträchtliche  Menge  der  Zuckerlösung 
total     versenkt    wird;     durch    Anwendung     dieser    Methode     ist     es 


1)  DiAKONOW,  diese  Ikrichte,   Bd.  4,    188G,    S.  1.    —   DiAKONOW,   Arcliives 
slaves  de  biologie,  t.  4,  1887,  S.  ?>1  und  121. 

2)  KOSTYTSCHEW,  diesc  Berichte,  Bd.  20,  1902,  S.  327.    —    KOSTYTSCHEW, 
Jahrb.  für  wissensch.  Botanik,  Bd.  40,  1904,  S.  5G3. 

3)  Krasnosselsky,  Centralbl.  für  Bakteriol.,  Abt.  II,  Bd.  13,  1904,  S.  673. 

4)  KOSTYTSCHEW,  diese  Berichte,  Bd.  2.'),  1907,  S.  44. 


über  Zjmase  aus  Aspergillus  niger.  211 

KOSTYTSCHEW  gelungen  nachzuweisen,  dass  die  anaörobe  Atmung 
von  Aspergillus  niger  bei  Zuckerernährung  mit  der  Alkohölgärung 
ii^  wesentlichen  identisch  ist.  Bereits  früher  hat  auch  MaximOW^) 
gefunden,  dass  der  Pressaft  von  Aspergillus  niger  ebenso  wie  der 
Hefcpressaft  gleiche  Mengen  der  COo  bei  SauerstofFzutritt  und  Sauer- 
stoffabschluss  ausscheidet. 

Es  liegt  wohl  die  Annahme  nahe,  dass  die  Alkoholbildung  von 
Aspergillus  niger  eine  Folge  der  enzymatischen  Glykolyse  ist.  Auf 
Vorschlag  und  unter  Leitung  des  Herrn  Prof.  PalladiN  habe  ich 
mir  vorgenommen,  die  Anwesenheit  der  Zymase  in  Aspergillus  niger 
experimentell  nachzuweisen. 

Eine  grosse  Anzahl  der  Pilzkulturen  wurde  in  den  etwa  2  Liter 
fassenden  FEßNBACH'schen  Kolben  auf  RAULIN'scher  Lösuno-  orezoo-en. 
Ein  jeder  Kolben  wurde  mit  300  ccm  der  Lösung  beschickt,  mit 
Watte  geschlossen,  bei  120°  sterilisiert,  geimpft  und  dann  in  einen 
Thermostaten  (bei  32°)  gestellt.  Die  im  Anfang  der  Fruktifikation 
begriffenen  Mycelien  wurden  mit  destilliertem  Wasser  schnell  ab- 
gespült, mit  Quarzsand  zerrieben  und  in  einer  BuCHNER'schen  Presse 
bei  300  Atm.  abgepresst.  Dem  auf  die  geschilderte  Weise  ge- 
wonnenen Safte  wurde  kristallinischer  Traubenzucker  in  einem 
Gehalt  von  20  pCt.  zugegeben  und  das  Gemenge  in  einen  konischen 
Kolben  gebracht.  Nun  wurde  im  Verlauf  von  24—29  Stunden  ein 
Luftstrom  durch  den  Kolben  geleitet;  die  Bestimmungen  der  aus- 
geschiedenen COo  wurden  in  einem  PETTENKOFER'schen  Apparate 
ausgeführt.  Nach  absolvierter  COo-Ausscheidung  wurde  der  Saft 
durch  eine  beträchtliche  Menge  destillierten  Wassers  verdünnt  und 
mehrfach  abdestilliert,  darunter  einmal  aus  schwach  alkalischer  und 
einmal  aus  schwach  saurer  Lösung  (zur  Alkalisierung  wurde  Kreide, 
zur  Ansäuerung  Weinsäure  verwendet).  Die  erhaltenen  Destillate 
waren  immer  aldehyd-  und  acetonfrei;  davon  habe  ich  mich  ver- 
mittelst der  Reaktionen  mit  fuchsinschwefliger  Säure  und  mit  Nitro- 
prussidnatrium  vergewissert.  Zur  Identifizierung  des  Äthylalkohols' 
habe  ich  die  Jodoformprobe  benutzt;  die  quantitativen  Alkohol- 
bestimmungen wurden  durch  Ermittelung  des  spezifischen  Gewichts 
der  Destillate  auss-eführt. 


Versuch  1  (Kontrollversuch). 

Neuntägige  Kulturen  von  Aspergillus  niger  (13  Kolben);  Gesamt- 
gewicht 3G0  r/,  Saftmenge  160  crwi.  Der  Saft  wurde  unmittelbar  zur 
Alkoholbestimmung  verwendet.  C0H5OH  =  0,0  w?(/;  Jodoformprobe 
negativ. 


1)  Maximow,  diese  Berichte,  Bd.  22,  1904,  S.  225 

15* 


212  N.  JUNITZKY:  Über  Zymase  aus  Aspergillus  niger. 

Tersuch  2  (Kontrollversuch). 
Yiertägige  Kulturen    von  Aspergillus  niger  (9  Kolben).     Gesamt- 
gewicht 155  g^    Saftmenge    60  ccm.      Die  Alkoholbestimmung    ergab 
dasselbe  Eesultat  wie  im  Versuch  1. 

Versuch  3. 

Achttägige  Kulturen  von  Aspergillus  niger  (15  Kolben).  Gesamt- 
gewicht 460  g,  Saftmenge  220  ccm,  Versuchsdauer  29  Stunden. 

CO.  =  68,8  mg 
aH,OE[  =  54,4   „ 
CO,  :CJH50H=100:79,0 

Versuch  4. 

Fünftägige  Kulturen  von  Aspergillus  niger  (17  Kolben).  Gesamt- 
gewicht 370  g,  Saftmenge  185  ccvi,  Versuchsdauer  26  Stunden. 

CO,  =  90,4  mg 
C3H,OH  =  83,4   „ 
CO,  :C,H,OH  =  100:92,2. 

Versuch  5. 

Achttägige  Kulturen  von  Aspergillus  niger  (16  Kolben).  Gesamt- 
gewicht 400  g,  Saftmenge  200  ccm,  Versuchsdauer  24  Stunden. 

COo  =  70,4  mg 
C,H,OH  =  63,l    „ 
CO,  :C,H5OH=100:89,6. 

Aus  all  diesen  Versuchen  ist  ersichtlich,  dass  die  bei  vollem 
Luftzutritt  gezüchteten  Mycelien  von  Aspergillus  niger  immer  eine 
gewisse  Menge  der  Zymase  enthalten.  Die  gegen  die  Theorie  des 
genetischen  Zusammenhanges  der  Alkoholgärung  mit  der  Sauerstoff- 
atmung angewandten  Versuche  mit  Aspergillus  niger  sprechen  also 
bei  modifizierter  Versuchsanstellung  gerade  zugunsten  dieser  Theorie. 

St.  Petersburg,  Pflanzenphysiologisches  Institut  der  Universität. 


E.  SCHULZE:  Bililungsweise  des  Asparaj,Mns  und  des  Glutamins.  213 


30.  E.  Schulze:  Zur  Frage  der  Bildungsweise  des  Asparagins 
und  des  Glutamins  in  den  Keimpflanzen. 

Eingegangen  am  25.  April  l'JÜ7. 


Aus  zahlreiclieii,  teils  von  mir  selbst,  teils  von  meinen  Mit- 
arbeitern o-emachten  Beobachtunoen  habe  ich  die  Schlussfoloeruno- 
abgeleitet,  dass  das  in  den  Keimpflanzen  sich  anhäufende  Asparagin 
durch  Umwandlung  primärer  Eiweisszersetziingsprodukto  (Monoamino- 
säuren,  Hexonbasen  usw.)  entsteht;')  diese  Schlussfolgerung  hat  auch 
durch  die  von  anderen  ausgeführten  Uutersuchuugen^)  eine  Bestäti- 
gung erhalten.  Die  Frage  nach  der  Bildungsweise  des  Asparagins 
in  den  Keimpflanzen  ist  damit  aber  noch  nicht  vollständig  beant- 
wortet; es  ist  noch  festzustellen,  in  welcher  Weise  aus  den  primären 
Produkten  des  Eiweissabbaues  Asparagin  sich  bildet.  Da  es  kaum 
möglich  ist,  über  den  Verlauf  dieses  Vorganges  auf  dem  Versuchs- 
wege direkt  Aufschluss  zu  gewinnen,  so  ist  man  zunächst  auf  Ver- 
mutungen angewiesen.  Für  wahrscheinlich  kann  es  erklärt  werden, 
dass  aus  den  primären  Eiweisszersetzuugsprodukten  Ammoniak  ent- 
steht, und  dass  letzteres  bei  der  synthetischen  Bildung  von  Asparagin 
Verwendung  findet.  Zur  Stütze  dieser  Ansicht  kann  u.  a.  die  von 
Suzuki')  gemachte  Beobachtung  dienen,  dass  nach  Zuführung  eines 


1)  Ich  verweise  auf  die  in    diesen  Berichten,   Bd.  18,    S.  36  -  42,    und  Bd.  22, 

S.  ^81  -  384,  von  mir  gemachten  MitttMlungen,  sowie  auf  meine  Abhandlung  .,Über 
den  Abbau  und  den  Aufbau  organischer  Stickstoffverbindungen  in  den  Pflanzen" 
im  Jahrgang  1906  der  Landwirtschaftlichen  Jahrbücher  (herausgegeben  von 
H.  Thiel). 

2)  Auch  W.  ZALESKI  gelangt  in  einer  vor  kurzem  in  diesen  Berichten, 
Bd.  24,  S.  292—205  gemachten  ^Mitteilung  zu  der  Schlussfolgerung,  dass  durch  die 
Eiweisszersetzung  in  den  Keimpflanzen  ein  Material  geschaffen  werde,  aus  welchem 
in  noch  unbekannter  Weise  Asparagin  sich  bildet.  Er  weist  auf  die  in  meinem 
Laboratorium  von  M.  Merlis  an  Keimpflanzen  von  Lupinus  angustifolius  aus- 
geführten Untersuchungen  hin,  durch  welche  gezeigt  wurde,  dass  im  letzten 
Stadium  der  Keimung  Asparagin  sich  bildet,  ohne  dass  gleichzeitig  die  Pflänzchen 
noch  einen  Verlust  an  Eiweissstoffen  erleiden.  Es  sei  hier  bemerkt,  dass  die 
gleiche  Erscheinung  auch  in  Versuchen  hervortrat,  die  schon  viel  früher  von  mir 
an  Lupinus  luteus  ausgeführt  wurden.  Schon  damals  habe  ich  es  für  wahrscheinlich 
erklärt,  dass  das  in  den  Keimpflanzen  sich  anhäufende  Asparagin  nicht  primäres 
Eiweisszersetzungsprodukt  sei.  Ich  verweise  auf  meine  Abhandlungen  in  den  Land- 
wirtschaftlichen Jahrbüchern,  Jahrgang  1878,  S.  429  und  Jahrgang  1880,  S.  728. 

3)  Bull.  College  of  Agriculturc,  Imperial  Universitj,  Tokyo.  Vol.  2,  Nr.  7 
(1897). 


214  E.  Schulze: 

Ammoniaksalzes  der  Asparagiugelialt  der  Keimpflanzen  sich  erhöht. 
Die  Animoniakbildung  kann  erfolgen,  wenn  die  beim  Eiweisszerfall 
entstandenen  Mono-  und  Diaminosäuren  im  pflanzlichen  Stoffwechsel 
oxydiert  werden;  es  ist  aber  auch  möglich,  dass  ohne  gleichzeitige 
Oxydation  eine  Desamidierung  der  Aminosäuren  stattfindet.  Dass 
diese  Vorgänge  unter  Mitwirkung  von  Enzymen  sich  vollziehen, 
kann  für  sehr  wahrscheinlich  erklärt  werden/) 

Im  Hinblick  auf  diese  Hypothesen  ist  es  von  Interesse,  über 
den  Ammoniakgehalt  der  Keimpflanzen  Kenntnisse  zu  besitzen. 
Dass  etiolierte  Keimpflanzen  nur  kleine  Ammoniakquantitäten  ent- 
halten, ist  von  meinen  Mitarbeitern  und  mir  früher  schon  gefunden 
worden;  die  bezüglichen  Bestimmungen  sind  in  der  Regel  nach 
E.  BosSHARD's  Verfahren  ausgeführt  worden.^)  Vor  kurzem  hat  auf 
meine  Veranlassung  N.  CastORO^)  dieses  Verfahren  mit  A.  LONGl's 
Methode  (Abdestillieren  des  Ammoniaks  mit  Magnesia  im  Vakuum 
bei  40°  C.)*)  verglichen.  Er  erhielt  auf  letzterem  Wege  etwas 
niedrigere  Resultate,  als  nach  dem  Verfahren  "BosSHARD's;  doch 
waren  die  Differenzen  nur  gering.  In  den  teils  in  frischem  Zu- 
stande, teils  nach  dem  Trocknen  untersuchten  etiolierten  Keim- 
pflanzen fand  N.  CASTORO  ebenfalls  nur  kleine  Mengen  von 
Ammoniak;  die  dieser  Verbindung  angehörende  Stickstoffmenge  be- 
trug im  Maximum  0,131  pCt.  der  Pflanzentrockensubstanz.  Durch 
andere  Versuche  CastorO's  wurde  festgestellt,  dass  die  Ammoniak- 
menge sich  vermehrte,  wenn  die  getrockneten,  fein  zerriebenen 
Keimpflanzen  unter  Zusatz  von  Wasser  und  eines  Antiseptikums  bei 
35 — 40°  C.  der  Autolyse  unterworfen  wurden.  Für  diese  Versuche 
dienten  teils  viertägige,  teils  siebentägige  Keimpflanzen  von  Lupinus 
luteus  und  Lupinus  albus.  In  den  der  Autolyse  unterworfenen 
Substanzproben  betrug  die  als  Ammoniak  vorhandene  Stickstoff- 
menge 0,228— 0,'265  pCt.  der  Pflanzentrockensubstanz,  während  in 
Proben,  die  im  übrigen  gleich  behandelt,  aber  vor  Beginn  der 
Autolyse  durch  Erhitzen  auf  100°  von  wirksamen  Enzymen  befreit 
worden    waren,    nur    0,074—0,078  pCt.    Stickstoff   in  Animoniakform 


1)  Ich  weise  darauf  hin,  dass  Shibata  (Beiträge  zur  chemischen  Physiologie 
und  Pathologie,  Bd.  5,  S.  384-394)  bei  Pilzen  Abspaltung  von  Ammoniak  aus 
Aminosäuren  durch  Enzyme  beobachtete.  Auch  Zaleski  erklärt  es  in  seiner  oben 
zitierten  Abhandlung  für  wahrscheinlich,  dass  bei  der  Asparaginbildung  Enzyme 
mitwirken. 

2)  Dies  Verfaluen  besteht  darin,  dass  man  das  Ammoniak  aus  den  von 
Eiweissstoffen  möglichst  befreiten  Extrakten  durch  Phosphorwolframsäure  ausfällt, 
die  Niederschläge  abliltriert,  mit  verdünnter  Schwefelsäure  aaswäscht  und  sodann 
der  Destillation  mit  Wasser  und  Magnesia  unterwirft.  Das  überdestillierende 
Ammoniak  wird  in  verdünnter  Schwefelsäure  oder  Salzsäure  aufgefangen. 

8)  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie,  Bd.  50,  S.  525. 
4)  Landwirtschaftliche  Versuchsstationen,  Bd.  32,  S.  IG. 


Hildiingswcise  des  Asparagins  und  dos  Glutamins  in  den  Keimpflanzen.     215 

gefunden  wurden  (die  Amnioniakbestinimungen  wurden  sämtlicli 
nach  der  Methode  von  LONGI  ausgeführt).  Ob  das  während  der 
Autolyse  entstandene  Ammoniak  direkt  aus  EiweissstofFen  abgespalten 
oder  ob  es  beim  Abbau  primärer  Eiweisszersetzuugsprodukte  gebildet 
worden  war,  blieb  unentschieden. 

Durch  früher  auss-eführte  Versuche  ist  bewiesen  worden,  dass 
wälirend  der  Autolyse  der  Gehalt  der  Keimpflanzen  an  Monoamino- 
säuren  und  an  Hexonbaseu  steigt;  nach  genügend  langer  Dauer 
jenes  Prozesses  ist  der  Gehalt  an  Tyrosin,  Leucin  und  Arginin  in 
den  bezüglichen  Substanzproben  grösser,  als  in  etiolierten  Keim- 
pflanzen gleicher  Art,  deren  Vegetation  mehrere  Wochen  gedauert 
hat.^)  Diese  Erscheinung  erklärt  sich  aus  der  Annahme,  dass  in 
den  lebenden  Pflänzchen  die  Aminosäuren  und  Hexonbasen  sich  in 
der  Regel  nicht  anhäufen,^)  weil  sie  im  Stoffwechsel  dem  Verbrauche 
unterliegen.  Das  Gleiche  hat  mau  auch  für  das  Ammoniak  anzu- 
nehmen, das  in  den  lebenden  Pflänzchen  in  kleinerer  Menge  sich 
vorfindet,  als  in  den  Substanzprobeu,  die  der  Autolyse  unterworfen 
worden  waren.  Stellt  man  aber  die  Frage,  in  welcher  Weise  das 
in  den  lebenden  Pflänzchen  entstehende  Ammoniak  zum  Verbrauche 
erelanut,  so  darf  man  es  wohl  für  das  Wahrscheinlichste  erklären, 
dass  dasselbe  für  die  synthetische  Bildung  von  Asparagin  verwendet 
wird.  Dafür  spricht  ausser  der  oben  erwähnten  Beobachtung 
SUZUKi's  auch  die  von  W.  BüTKEWITSCH^)  gemachte  Angabe,  dass 
in  Keimpflanzen  während  der  Anästhesie  Ammoniak  sich  ansammelt, 
während  zugleich  die  Asparaginbildung  sich  verlangsamt. 

Aus  Versuchen  SüZUKl's*)  ist  die  Schlussfolgerung  abgeleitet 
worden,  dass  der  Sauerstoffzutritt  die  Asparaginbildung  begünstigt 
—  eine  Schlussfolgerung,  die  auch  mit  Beobachtungen,  die  von 
GODLEWSKl^)  beim  Studium  der  intramolekularen  Atmung  der 
Pflanzen  gemacht  wurden,  in  Übereinstimmung  zu  bringen  ist.  Dies 
erklärt  sieh,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Oxydation  von  Mono- 
und  Diaminosäuren  im  pflanzlichen  Stoffwechsel  mit  der  Bildung  des 
für  die  Asparaginsynthese  erforderlichen  Ammoniaks  verbunden  ist. 
Gesetzt  aber,  dass  diese  Aminosäuren,  auch  ohne  dabei  oxydiert  zu 
werden,  durch  Desamidierung  Ammoniak  liefern,  so  könnte  doch 
ein    Zusammenhang    der  Asparaginbildung    mit  Oxydationsvorgängen 


1)  Eine  Ausnahme  zeigte  sich  in  bezug  auf  das  Arginin  bei  den  Keimpflanzen 
von  LiipiiHis  luteus;  man  vergleiche  die  Abhandlung  von  E.  SCHULZE  und 
N.  Castoro  in  der  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie,  Bd.  43,  S.  176. 

2)  Eine  Ausnahme  bildet  z.  B.  die  Anhäufung  des  Arginins  bei  Lupinus  luteus. 

3)  Tageblatt  des  11.  Naturforscherkongresses  in  St.  Petersburg. 

4)  Bull.  College  of  Agriculturo,  Imperial  University,  Tokyo,  Vol.  4,  S.  531. 

5)  Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau,  1904,  115;  Kef.  im 
Chem.  Centralblatt,  1904,  Bd.  1,  S,  1G55. 


216  E.  SCETüLZE:  Bildungsweise  des  Asparagins  und  des  Glutamins. 

bestehen.  Da  das  Asparagin  das  Amid  der  Asparaginsäure,  letztere 
aber  nichts  anderes  als  Aminoberusteinsäure  ist,  so  muss  es  für 
möglich  erklärt  werden,  dass  die  Pflanzen  zur  Asparaginbildung 
Bernsteinsäure  verwenden;  diese  Säure  kann  aber  bei  der  Oxydation 
nicht  nur  von  stickstofffreien  Stoffen,  sondern  auch  von  Arginin  ent- 
stehen.^) 

Wenn  es  auch  nicht  für  unmöglich  erklärt  werden  kann,  dass 
bei  der  Spaltung  der  EiweissstofiPe  Asparagin  in  kleiner  Quantität 
direkt  sich  bildet,  so  konnte  letzteres  doch  bis  jetzt  nicht  nach- 
gewiesen werden.  Zwar  fand  W.  ßUTKEWITSCH^)  in  seinen  Unter- 
suchungen über  die  proteolytischen  Enzyme  gekeimter  Samen,  dass 
die  Keimpflanzen  nach  der  Autolyse  eine  Substanz,  die  beim  Er- 
hitzen mit  verdünnter  Salzsäure  Ammoniak  lieferte,  in  grösserer 
Menge  enthielten  als  vorher;  da  aber  aus  den  der  Autolyse  unter- 
worfenen Substanzproben  durch  Fällung  mit  Mercurinitrat  nicht 
mehr  Asparagin  gewonnen  werden  konnte,  als  aus  den  Proben,  in 
denen  vor  Beginn  der  Autolyse  die  Enzyme  durch  Erhitzen  auf 
100°  unwirksam  gemacht  worden  waren,  so  konnte  jene  ammoniak- 
liefernde Substanz  nicht  für  Asparagin  erklärt  werden.  Diese  von 
BüTKEWITSCH  gemachten  Beobachtungen  zeigen  schon  für  sich 
allein,  dass  man  sich  auf  die  SACHSSE'sche  Methode  der  Asparagin- 
bestimmung  nicht  unbedingt  verlassen  kann  —  eine  Tatsache,  auf 
die  aucli  ich  in  meinen  Abhandlungen  wiederholt  aufmerksam  ge- 
macht habe.  Wenn  diese  Methode  von  meinen  Mitarbeitern  und 
mir  angewendet  wurde,  so  haben  wir,  wenn  irgend  möglich,  die 
dabei  erhaltenen  Resultate  dadurch  zu  kontrollieren  gesucht,  dass 
wir  feststellten,  wie  viel  Asparagin  aus  den  für  jene  Bestimmungen 
verwendeten  Extrakten  durch  Kristallisierung  zur  Abscheidung  ge- 
bracht werden  konnte.  Auch  bei  Fortführung  der  Untersuchungen 
über  die  Bildungsweise  des  Asparagins  in  den  Pflanzen  wird  es  sicli 
empfehlen,  die  nach  SacHSSE's  Methode  für  den  Asparagingehalt  der 
Unters Qchuugsobjekte  gewonnenen  Zahlen  nicht  olme  weitere  Prüfung 
als  massgebend  anzusehen. 

Man  darf  annehmen,  dass  das  im  vorigen  in  bezug  auf  das 
Asparagin  Gesagte,  mutatis  mutandis,  auch  für  das  Glutamin  seine 
Geltung  hat. 

Zürich,  Agrikulturchemisches  Laboratorium  des  Polytechnikums. 


1)  Zu  den  bei  der  Oxydation  des  Arginins  mittels  Permanganat    entstehenden 
Produkten  gehört  nach  den  Versuchen  F.  KUTSCHEE's  auch  Bernsteinsäure. 

2)  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie,  Bd.  32,  S.  1. 


Sitzung  vom  Ol.  Mai  1007.  217 


Sitznno;  vom  31.  Mai  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  Kny. 


Der  Vorsitzende  teilt  mit,  dass  Herr  Professor  Dr.  OTTO  MÜLLER, 
welcher  seit  Begründung  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  das 
Amt  des  Schatzmeisters  verwaltet  hat,  vor  wenigen  Tagen  (am 
28.  Mai)  die  70.  Wiederkehr  seines  Geburtstages  beging.  Da  der 
Vorstand  Kenntnis  davon  erhalten  hatte,  dass  der  Jubilar  diesen  Tag 
in  stiller  Zurückgezogenheit  zu  feiern  wünsche,  hat  er  die  demselben 
gewidmete  Adresse  durch  die  Post  in  seine  Hände  gelangen  lassen. 
Die  Adresse  hatte  folgenden  Wortlaut: 


'a' 


Hochoeehrter  Herr  Doktor! 

Am  heutigen  Tage,  an  welchem  Sie  auf  70  Jahre  eines 
an  Arbeit  und  Mühen,  aber  auch  an  geschäftlichen  wie 
wissenschaftlichen  Erfolgen  reichen  Lebens  zurückblicken, 
darf  auch  die  Deutsche  Botanische  Gesellschaft,  die 
Ihre  hervorragenden  Verdienste  als  Mitglied  des  Vorstandes 
wohl  zu  würdigen  weiss,  nicht  versäumen,  Ihnen  als  Zeichen 
aufrichtiger  Teilnahme  die  herzlichsten  Glück-  und  Segens- 
wünsche darzubringen. 

Wir  schätzen  in  Ihnen,  verehrter  Herr  Kollege,  nicht 
bloss  den  ausgezeichneten  Sachverständigen,  der  in  getreuer 
Mitarbeit  seine  bewährte  Kraft  den  Obliegenheiten  des  Vor- 
Standes  gewidmet  und  nun  schon  seit  einem  Vierteljahr- 
hundert unsere  Gesellschaftskasse  mustergültig  verwaltet  hat, 
sondern  auch  den  wissenschaftlichen  Forscher,  dem  wir  so 
manche  wertvolle  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Bacillariaceen 
in  systematischer  wie  anatomisch  -  physiologischer  Richtung 
zu  verdanken  haben.  Es  ist  Ihnen  gelungen,  auf  diesem 
Spezialgebiet  die  schwierigsten  Fragen,  die  sich  auf  den 
Bau  der  Membran  und  der  Inhaltsgebilde,  auf  die  Gesetz- 
mässigkeit der  Zellteilungsfolge  und  auf  die  Mechanik  der 
Ortsbewegungen  beziehen,  wesentlich  zu  fördern  oder  end- 
gültig zu  entscheiden. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  Jg 


218  Sitzung  vom  31.  Mai  1907. 

So  kommen  wir  denn  zur  Feier  Ihres  Ehrentages,  um 
bei  diesem  erfreulichen  Anlass  mit  unseren  besten  Wünschen 
zugleich  den  Dank  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft 
für  alles,  was  Sie  für  sie  getan,  und  unsere  Anerkennung 
Ihrer  wissenschaftlichen  Leistungen  zum  Ausdruck  zu 
bringen. 

Möge  es  Ihnen  beschieden  sein,  die  in  letzter  Zeit  ein- 
getretenen Störungen  in  Ihrem  Wohlbefinden  zu  überwinden 
und  im  Genüsse  eines  heiteren  Lebensabends  aufs  neue  die 
Kraft  zu  erlangen,  die  Ihnen  so  viele  Jahre  hindurch  ein 
Sporn  zu  freudiger  Arbeit  gewesen. 

Der  Yorstand 
der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft. 

S.   SCHWENDENER        W.  PFEFFER.       L.  KNY.       A.  ENGLER. 

L.  WITT3IACK.     M.  0.  Reinhardt.     E.  Koehne. 

G.  Lindau. 


Der  Vorstand  hat  leider  verspätet  Kenntnis  davon  erhalten,  dass 
unser  ordentliches  Mitglied,  Herr  Medizinalrat  Dr.  FOCKE  in  Bremen 
am  24.  Januar  1907  sein  50jähriges  Doktorjubiläum  gefeiert  hat.  Es 
werden  ihm  nachträglich  durch  den  Präsidenten  die  Glückwünsche 
der  Gesellschaft  ausgesprochen  werden. 


Der  Vorsitzende  macht  ferner  die  Mitteilung,  dass  unser  ordent- 
liches Mitglied, 

Herr  Professor  Dr.  phil.  Sir  Dietrich  Brandis, 
vormals  Generalforstinspektor  in  Britisch-Ostindien   am  28.  Mai  ver- 
schieden ist. 

Um  das  Andenken  des  Verstorbenen  zu  ehren,  erhoben  sich  die 
Anwesenden  von  ihren  Sitzen. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Jlerren: 

Engler,  Victor,  cand.  rer.  nat.  (durch  F.  Pax  und  H.  WiNKLER), 
Iwanowski,    Dr.    Dimitri,     Professor    der    Pflanzenphysiologie    an    der 
Universität  Warschau  (durch  M.  TSWETT  und  L.  KNY). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert: 
Fräulein  Heimann,  Emmy,  in  Braunschweig, 
sowie  die  Herren 

Heiden,  Dr.  H.,  in  Rostock, 
Junk,  W.,  in  Charlottenburg, 
Renner,  Dr.  Otto,  in  München. 


W.  Voss:  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten.        219 

Herr  A.  ENGLER  erstattete  Bericht  über  die  in  Uppsala  und 
Stockliolm  stattgefundene  Feier  des  200jährigen  Geburtstages 
Ll|:fNE's,  welcher  er  als  Vertreter  der  Königl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, der  Universität  Berlin  und  mehrerer  wissenschaftlicher 
Vereine  beigewohnt  hat. 


Herr  M.  TSWETT  legt  der  Gesellschaft  ätherische  Lösungen 
seiner  Reinpräparate  der  Ciilorophylline  vor,  nämlich  eine  grünblaue 
Lösung  des  Chlorophyllins  a  und  die  grasgrüne  des  Chlorophyllins  ß. 
Ausserdem  wird  ein  Präparat  vorgelegt,  welches  das  Verhalten  des 
eigentlichen  Karotins  im  zweiphasigen  System  der  „KRAUS'schen 
Reaktion"  demonstriert.  Das  Karotin  bleibt  vollständig  in  der 
oberen,  petrolätherisclien  Schicht  Dieses  Karotin  wurde  nach  der 
Adsorptionsmethode  des  Vortragenden  aus  grünen  Blättern  dar- 
gestellt. 


Mitteilungen. 


31.  W.Voss:  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen 

Blüten. 

1.  Kosa  viridiflora. 

Eingegangen  am  G.  Mai  1907. 


In  den  grundlegenden  Arbeiten  von  GREGOR  MENDEL  und  in 
den  hervorragenden  Untersuchungen  von  CORRENS,  TSCHERMAK  und 
DE  VRIES  auf  dem  Gebiet  der  Bastardforschung  und  Vererbungslehre 
wurden  eine  grosse  Anzahl  von  Tatsachen  gefunden,  die  den  ein- 
zelnen Merkmalen  eines  Organismus  eine  verhältnismässig  grosse 
Selbständigkeit  zuweisen.  Über  die  Faktoren,  von  denen  die  Akti- 
vierung einer  Merkmalsanlage,  abgesehen  von  ihren  spezifischen 
Eigenschaften,  im  Bastard  abhängig  ist,  ist  noch  ausserordentlich 
wenig  bekannt.  Doch  scheint  es,  als  ob  die  Zugehörigkeit  einer 
Merkmalsanlage  zu  der  einen  oder  anderen  Art  oder  Rasse  von 
Einfluss  auf  das  Verhalten  derselben  im  Bastard  sei.  (Vgl.  z.  B. 
das  Verhalten    der    Langform    oder    der    Kurzform    der    Ähren    von 

16* 


220  W.Voss: 

Getreiderassen  beim  Bastardieren,  TSCHERMAK,  Zeitschrift  für  das 
laudwirtsch.  Versuchsw.  in  Österreich,  1901).  Ausserdem  sind  in 
der  Bastardliteratur  einige  Fälle  bekannt  geworden,  in  denen  die 
Ernährungsbedingungen  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  Einfluss  auf 
die  Aktivierung  einer  Merkmalsanlage  zeigten.  So  gibt  DE  YRIES 
an  (Ber.  der  deutsch,  bot.  Ges.,  1900),  durch  künstliche  Eingriffe  das 
Verhalten  von  Merkmalen  zu  einander  verändert  zu  haben.  Auch 
CORRENS  gibt  an,  durch  ungenügende  Ernährung  bei  Mathiola  glabra 
-{-  Mathiola  incana  statt  homogen  violetter  violett  und  weiss- 
gescheckte  Blumenblätter  erzielt  zu  haben  (Ber.  der  deutsch,  bot. 
Ges.  1901,  S.  84). 

Zahlreicher  sind  die  Tatsachen,  die  auf  einen  funktionellen 
Zusammenhang  der  Aktivierung  von  Merkmalsanlagen  und  der  Er- 
nährungsbediugungen  in  reinen  Arten  hinweisen.  Yor  allen  haben 
GÖBEL,  KlebS  und  YÖCHTING  durch  eine  Eeihe  von  bekannten 
Arbeiten  gezeigt,  dass  es  dem  Experimentator  möglich  ist,  den  Ent- 
wickelungsgang  einzelner  Organe,  ja  selbst  ganzer  Individuen  einer 
grossen  Reihe  von  Cryptogamen-  und  Phanerogamenarten  durch  die 
von  ihm  geschaffenen  äusseren  Bedingungen  wirkungsvoll  zu  beein- 
flussen. In  allen  diesen  Fällen  reagiert  jedoch  die  Anlage  auf  die 
Yersuchsbedingung  in  qualitativ  gleicher  Weise,  so  dass  es  keine 
Schwierigkeit  macht,  sich  den  funktionellen  Zusammenhang  zwischen 
der  Aktivierung  der  Merkmalsanlage  und  den  äusseren  Bedingungen 
vorzustellen.  Anders  liegen  die  Yerhältnisse  bei  dem  oben  er- 
wähnten  Bastard  Mathiola  glabra  -}-  Mathiola  incana  von  CORRENS. 
Die  äusseren  Bedingungen,  unter  deren  Einfluss  die  Anlagen 
einander  benachbarter  Zellen  der  Kronblätter  stehen,  können  eben- 
sowenig als  verschieden  angenommen  werden  als  die  diesen  Zellen 
im  Laufe  der  Entwickelung  übermittelten  inneren  Bedingungen  im 
Sinne  von  KLEBS.  Genau  ebenso  liegen  die  Yerhältnisse  bei  den 
Mosaikbildungen  vieler  Bastarde.  (Ygl.  MiLLARDET,  Yitisbastarde, 
Mem.  d.  la  Soc.  phys.  et  nat.  de  Bordeaux,  1894;  CORRENS,  Endo- 
sperm-Bastarde  von  Zea  Mais,  Biblioth.  botan.,  53,  1901;  derselbe, 
Mirabilisbastarde,  Ber.  der  deutsch,  bot.  Ges.,  1902,  1903,  Über 
Yererbungsgesetze  1905;  DE  YriES,  Yeronikabastarde,  Ber.  der 
deutsch,  bot.  Ges.  1900.) 

In  der  Hoffnung,  durch  eine  genaue  morphologische  Unter- 
suchung einen  Hinweis  auf  irgend  welche  Faktoren  zu  erhalten,  die 
ausser  der  Lebenslage  eine  verschiedenartige  Aktivierung  gleich- 
wertiger Anlagen  bedingen  —  KlebS  nimmt  zur  Erklärung  solches 
Yerhaltens  einen  Mutationsvorgang  au  (Willkürliche  Entwickelungs- 
änderungen,  S.  157  —  158)  — ,  habe  ich  eine  Reihe  von  Organen 
reiner  Arten  untersucht,  in  welchen  eine  grosse  Anzahl  von  Merk- 
malen ein  Yerhalten  zeigte,    wie  es  für  die  Mosaikbildung  charakte- 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten.  221 

ristisch  ist.  Aus  dem  durch  diese  Untersuchungen  gewonnenen 
Material  teile  ich  das  folgende  mit,  obgleich  es  sich  zeigte,  dass  das 
er^Jtrebte  Ziel  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  nicht  zu  erreichen  ist, 
einmal  weil  es  mir  den  Beweis  zu  liefern  scheint,  dass  die  Akti- 
vierung einer  Merkmalsanlage  in  vielen  Fällen  eine 
Funktion  der  äusseren  und  inneren  Bedingungen  und  der 
spezifischen  Eigenschaften  im  Sinne  von  Klebs  nicht  sein 
kann,  sondern  dass  auch  hiervon  unabhängige  Faktoren, 
freilich  ganz  unbekannter  Natur,  von  entscheidendem 
Einfluss  auf  die  Aktivierung  einer  Merkmalsanlage  sein 
können;  dann  aber  auch  weil  es  die  grosse  Unabhängigkeit  einer 
grossen  Anzahl  von  Merkmalen  von  einander  innerhalb  eines 
Individuums  zeigt. 

Ich  untersuchte  zunächst  die  Blüten  von  Rosa  viridiflora.  Gute 
Abbildungen  und  Beschreibungen  der  vergrünten  Blüte  dieser 
Pflanze  geben:  A.  WiGAND,  Bot.  Hefte,  S.  120;  CeLAKOWSKY, 
Teratologische  Beiträge  zur  morphologischen  Deutung  der  Staub- 
gefässe,  PßINC4SHEOfs  Jahrb.,  1878;  MASTER,  Pflanzenteratologie; 
Penzig,  Pflanzenteratologie.  Auf  den  ersten  Blick  zeigt  sich  hier, 
dass  in  den  einzelnen  Blütengliedern  Merkmale  verschiedener  Blatt- 
arten gemischt  auftreten.  Jedoch  ist  ein  Einfluss  der  Stellung  des 
Blattes  in  der  Blüte  auf  seine  Ausbildung  nicht  zu  verkennen.  Die 
Ausbildung  der  Spreite,  der  Zähne  des  Randes,  des  Chlorophylls 
z.  B.  wird  schwächer,  je  näher  das  Organ  der  Mitte  der  Blüte  steht. 
Eine  mikroskopische  Untersuchung  der  Blätter  lehrt  jedoch,  dass  der 
Einfluss  der  Lage  auf  das  Verhalten  der  Merkmalsanlagen  nicht  allein 
bestimmend  sein  kann. 

Ich  untersuchte  zunächst  die  Zellen  der  oberen  Epidermis  von 
Blättern,  die  noch  deutlich  einen  spreitenförmigen  Teil  besitzen, 
und  zwar  richtete  ich  mein  Augenmerk  auf  die  Form  der  Radial- 
wände,  auf  die  Ausbildung  der  Cuticula,  auf  den  Farbstoff- 
gehalt des  Zellsaftes. 

Um  das  Verhalten  von  Zellen  normaler  Organe  in  Beziehung 
auf  die  Ausbildung  dieser  Merkmale  kennen  zu  lernen,  wurde  zu- 
nächst die  obere  Epidermis  des  Laub-  und  Kelchblattes,  des  Kron- 
blattes und  des  Staubblattes  untersucht. 

Die  obere  Epidermis  der  Laubblattspreite  von  Rosa  viridiflora 
setzt  sich  ausschliesslich  aus  polygonalen  Zellen  zusammen,  deren 
Radialwände  vollständig  eben  sind.  Die  Cuticula  ist  stets,  auch  über 
den  Nerven  vollständig  glatt.     Der  Zellsaft  ist  immer  farblos. 

Das  Kelchblatt  zeigt,  abgesehen  von  ihrer  geringeren  Grösse, 
Epidermiszellen  mit  denselben  Merkmalen  wie  das  Laubblatt. 

Da  normale  Kronblätter  bei  Rosa  viridiflora  nicht  vorkommen, 
wurde  die  obere  Epidermis  derjenigen  vieler    anderer  Rosen    unter- 


222 


W.Voss: 


sucht.  Die  Epidermis  setzt  sich  aus  Zellen  zusammen,  deren  Radial- 
wände stets  ungewellt  sind.  Die  Cuticula  der  stark  papillös  vor- 
getriebenen Aussenwände  zeigt  zahlreiche  starke  Cuticularfalten. 
Der  Zellsaft  ist  bei  roten  Rosen  gefärbt. 

Auch  normale  Staubblätter  kommen  bei  der  untersuchten  Form 
nicht  vor,  jedoch  sind  die  Staubbeutel  der  innersten  Staubblattkreise 
doch  noch  so  weit  ausgebildet,  dass  sie,  wenn  auch  taube,  Pollen 
enthalten.  Es  ist  von  vornherein  wahrscheinlich,  und  die  Unter- 
suchung normaler,  zum  Vergleich  herangezogener  Rosenstaubblätter 
bestätigte  diese  Annahme,  dass  die  Form  der  Epidermiszelle  solcher 
Pollensäcke  der  der  ursprünglichen  Pollensackepidermis  annähernd 
gleich  kommt.  Ein  Flächenschnitt  zeigt,  dass  sie  sich  aus  Zellen 
zusammensetzt,  deren  Radialwände  eine  kräftige  Wellung  zeigen. 
Häufig  sind  dieselben  durch  von  aussen  nach  dem  Innern  des  Orgaus 
zu  sich  auskeilenden  Leisten  versteift.  Die  Cuticula  zeigt  nicht  sehr 
zahlreiche,  doch  kräftige  Cuticularfalten.     Der  Zellsaft  ist  farblos. 

In  der  folgenden  Tabelle  stelle  ich  die  ausgewählten  Merkmale 
der  beschriebenen  Zellformen  zusammen: 


Blattform 

Radialwand 

Cuticula 

Zellsaft 

Laubblatt 

Kronblatt 

Staubblatt    .... 

eben,  ungewellt 

do. 

gewellt 

glatt,  nicht  gefaltet 

gefaltet 

do. 

nicht  gefärbt 
event.  gefärbt 
nicht  gefärbt 

Aus  der  Zusammenstellung  ersehen  wir,  dass  wir  es  mit  den 
folgenden  drei  Merkmalspaaren  zu  tun  haben,  deren  Glieder  sieh 
äusserlich  nur  quantitativ  unterscheiden: 

Radialwand  gewellt  —  ungewellt, 
Cuticula  gefaltet  —  ungefaltet, 
Zellsaft  gefärbt  —  ungefärbt. 

Untersucht  man  auf  Flächenschnitten  die  obere  Epidermis  von 
Blättern  mittlerer  Kronblattkreise,  so  beobachtet  man,  dass  sie  sich 
aus  Zellen  der  verschiedensten  Form  zusammensetzt.  Achtet  man 
zunächst  auf  die  Ausbildung  der  Radialwände,  so  findet  man  Zellen 
mit  vollständig  geraden  Seitenwänden,  neben  und  zwischen  diesen 
ebenso  solche,  bei  denen  dieselben  so  stark  gewellt  sind,  wie  bei 
den  Zellen  der  Staubbeutelwandung.  Auch  die  Yerstärkungsleisten 
derlelben  wurden  an  einzelnen  Zellen  beobachtet.  Die  äussere 
Umrissform  sowohl  der  ersten  wie  der  zweiten  Zellform  gleicht  voll- 
ständig der  der  entsprechenden  Zellen  der  normalen  Blattorgane. 
Ausserdem  kommen  Zellen  vor,  wie  es  scheint  in  überwiegender 
Zahl,  bei  denen  die  Radialwände  wohl  gewellt  sind,  jedoch  nicht  in 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten.  223 

dem  Grade,  wie  bei  den  Zellen  der  Staubbeutelepidermis;  es  waren 
alle  Übergänge  von  der  ebenen  zur  gewellten  Radialwand  neben- 
einander zu  beobachten. 

In  den  allermeisten  Fällen  zeigt  die  Cuticula  voll  das  Merkmal 
der  Laubblattepidermiszelle,  sie  ist  vollständig  glatt.  Jedoch  kommen 
nicht  gerade  selten  Fälle  vor,  wo  einzelne  Zellen  oder  Zellgruppen 
einige  leicht  gewellte  Cuticularfalten  von  einer  Stärke  zeigen,  die 
von  derjenigen  der  Falten  der  Staubbeutelepidermis  nicht  zu  unter- 
scheiden ist.  Besonders,  jedoch  nicht  ausschliesslich,  in  der  Nähe 
der  Nerven,  wo  die  Laubblattepidermis  auch  eine  glatte  Cuticula 
aufweist,  wurden  diese  Falten  beobachtet.  Häufig  wurden  auch 
Zellen  mit  einer  in  allen  Abstufungen  gefalteten  Cuticula  ange- 
troffen. 

Recht  häufig  wurden  Epidermiszellen  gefunden,  deren  Zellsaft 
eine  intensiv  karminrote  Färbung  zeigte,  die  meisten  führten  jedoch 
einen  vollständig  farblosen  Zellsaft.  Dazwischen  lagen  wieder  solche, 
die  die  allerverschiedeusten  Abstufungen  in  der  Intensität  der  Zell- 
saftfärbuno-  aufwiesen. 

Aus  den  mitgeteilten  Beobachtungen  geht  hervor,  dass  jedes  der 
drei  in  Betracht  gezogenen  Merkmale  der  Zellen  der  oberen 
Epidermis  des  Laubblattes,  des  Kronblattes  und  des  Staubblattes  in 
ihrer  vollen  oder  doch  sehr  annähernd  in  ihrer  vollen  Ausbildung 
in  den  Epidermiszellen  der  Blätter  der  Kronblattkreise  von  Rosa 
veridiflora  auftreten  kann.  Andererseits  zeigen  dieselben,  dass  die 
Merkmale  in  den  verschiedensten  Graden  geschwächt  auftreten 
können.  Es  kam  mir  zunächst  darauf  an,  zu  entscheiden,  ob  mit 
dem  Auftreten  eines  der  ins  Auge  gefassten  Merkmale  in  seiner 
vollen  Stärke  notwendig  das  eines  bestimmten  anderen  der  in  Beob- 
achtung genommenen  Gruppe  verbunden  sein  müsse. 

Es  sind  acht  Merkmalspaare  vorhanden,  die,  von  den  Fällen  ab- 
gesehen, wo  zwei  antagonistische  Merkmale  zusammentreffen,  acht 
Kombinationen  von  je  drei  Merkmalen  möglich  machen.  Tatsächlich 
wurden  diese  acht  möglichen  Zusammenstellungen  in  nicht  geringer 
Zahl  gefunden.  Ich  gebe  hier  die  Übersicht  eines  der  Beobachtungs- 
protokolle wieder,  die,  um  die  aufgestellte  Frage  zu  entscheiden, 
aufgestellt  worden  sind  (s.  die  Tabelle  auf  S.  '22A). 

Aus  den  mitgeteilten  Beobachtungen  geht  mit  Sicher- 
heit hervor,  dass  jedes  der  ins  Auge  gefassten  Merkmale 
in  seiner  Ausbildung  nicht  beinflusst  zu  werden  braucht 
durch  die  Ausbildung  der  vier  Merkmale  der  beiden 
Merkmalspaare,  denen  es  nicht  angehört. 

Wie  ich  schon  weiter  oben  bemerkt  habe,  kommen  zwischen 
den  Gliedern  der  einzelnen  Merkmalspaare  alle  möglichen  Über- 
gänge vor.     Solche  Übergänge  können  in  einer  Zelle  mit  allen    voll 


224 


W.  Voss:  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten. 


Nummer 

Ausbildung  der 
Radialwand 

Ausbildung  der 
Cuticula 

Farbe  des  Zellsaftes 

1 

nicht  gewellt,  gerade 

gefaltet 

gefärbt 

2 

do. 

do. 

nicht  gefärbt 

3 

do. 

glatt,  nicht  gefaltet 

gefärbt 

4 

do. 

do. 

nicht  gefärbt 

5 

gewellt 

do. 

do. 

6 

do. 

gefaltet 

do. 

7 

do. 

nicht  gefaltet 

gefärbt 

8 

do. 

gefaltet 

do. 

ausgeprägten  Merkmalen  der  anderen  Paare  in  Kombination  treten, 
ebenso  wie  die  Übergänge  in  einer  Zelle  aktiv  werden  können. 
In  diesem  Verhalten  zeigt  sich  ebenfalls,  dass  die  ins  Auge  gefassten 
Merkmale  in  ihrem  Auftreten  vollständig  unabhängig  von  einander 
sind.  — 

Ausserdem  geht  jedoch  aus  dem  bis  hierher  mitgeteilten  hervor, 
dass  Zellen  mit  all  den  verschiedenen  Kombinationen  der 
sechs  ins  Auge  gefassten  Merkmale  gemischt  neben- 
einander in  den  Blättern  der  äusserten  Blattkreise  vor- 
kommen. Wenn  also  die  verschiedenen  Merkmalskombinationen 
keine  Funktion  des  Einflusses  der  verschiedenen  Merkmalsanlagen 
aufeinander  sein  können,  so  sind  sie  es  auch  nicht,  wenigstens 
nicht  absolut,  von  den  die  einzelne  Zelle  von  aussen  beein- 
flussenden Faktoren,  da  dieselben  für  zwei  benachbarte  Zellen 
derselben  Art  kaum  als  verschieden  angesehen  werden  können,  und 
eine  durch  frühere,  von  einander  abweichende  äussere  Einflüsse  auf 
solche  Zellen  selbst  und  auf  deren  Ahnen  in  ihnen  hervorgerufene 
verschiedenartige  Reaktionsfähigkeit  auf  denselben  Reiz  hier  auch 
nicht  ans:enommen  werden  kann. 


L.  Marchlewski:  Herrn  Tswett's  historische  ChlorophjUforschungeu.  225 


32.   L  Marchlewski:  Über  Herrn  Tswetts  historische 
Chlorophyllforschungen  und  seine  Chlorophylline. 

Eingegangen  am  14.  Mai  1007. 


Auf  meine  an  dieser  Stelle  veröffentlichte  Reklamation^)  hat 
Herr  TSWETT  es  für  angezeigt  gehalten,  noch  einmaP)  seine  un- 
gerechten Vorwürfe  an  den  Tai»-  zu  bringen.  Eines  wird  von  ihm 
jetzt  aber  doch  nicht  verheimlicht,  nämlich,  dass  in  der  von  ihm 
angefeindeten  Abhandluno-  von  mir  und  C.  A.  SCHUNCK  der  Name 
SORBY's  doch  viermal  erwähnt  ist;  erwarten  durfte  man  allerdings 
auch  ein  Zugeständnis,  dass  dort  direkt  von  der  „Methode  von 
SOKBY"  gesprochen  wird. 

Es  ist  mir  eigentlich  unverständlich,  warum  Herr  TSWETT  be- 
sonders den  Umstand  hervorhebt,  dass  während  in  unserer  englischen 
Abhandlung  nicht  nur  der  Name  SORBY's,  sondern  auch  das  Zitat 
seiner  Publikation  enthalten  ist,  in  der  deutschen  Publikation 
letzteres  unterblieb.  Glaubt  denn  Herr  TsWETT,  dass  der  deutsche 
Leser,  sobald  er  den  Namen  eines  Forschers  beim  Studieren  einer 
Publikation  erfährt  und  er  sich  für  die  betreffende  Publikation 
interessiert,  die  Arbeit  selbst  nicht  ausfindig  machen  können  wird? 
—  oder  glaubt  er  gar,  dass  das,  natürlich  durchaus  zufällige  Weg- 
lassen des  Zitates  des  Ortes  der  Publikation,  in  der  Absicht  geschah, 
dem  Leser  eine  Orientierung  zu  erschweren?  Ich  nehme  an,  dass 
Herr  TsWETT  doch  unmöglich  einen  solchen  Gedanken  haben 
konnte,  das  Motiv  seiner  Handlung  bleibt  aber  dennoch  unverständ- 
lich. Nicht  glücklicher  versucht  Herr  TsWETT  meinen  Vorwürfen 
entgegenzutreten,  dass  er  bis  zur  Zeit  meiner  Reklamation  sich  nicht 
im  Klaren  war,  worin  unsere  Methode  der  Isolierung  des  Allo- 
chlorophylls  eigentlich  besteht,  und  wenn  er  jetzt  die  Resultate 
dieser  Methode  zu  kritisieren  unternimmt  ohne  sie  praktiziert  zu 
hal)en,  dann  darf  ich  seine  Auslassungen  mit  Stillschweigen  über- 
gehen. 

Anders  ist  es  mit  Herrn  TsWETT's  Ansichten  über  die  Spektren 
des  AUochlorophylls  und  Chlorophylls.  Hier  wird  es  dem  Leser 
viel  schwerer  fallen,    TSWETT's  Ansichten  richtig  zu  beurteilen  und 


1)  Band  XXIV,  534  (1906). 

2)  Band  XXV,  71  (1907). 


226  L-  Marchlewski: 

da  die  seinigen  von  den  von  SCHUNCK  und  mir  vertretenen  stark 
divergieren,  so  sehe  ich  mich  genötigt,  dieselben  etwas  eingehender 
zu  behandehi.  Ich  habe  mit  C.  A.  SCHUNCK  behauptet,^)  dass  es 
unter  gewissen  Bedingungen  gelingt,  Chlorophyll  soweit  zu  reinigen, 
dass  es  das  soü'enannte  vierte  Band  auf  der  Linie  E  nicht  mehr 
zeio't.  Dieses  vierte  Band  wurde  bereits  von  anderen  Forschern  als 
wahrscheinlich  dem  unveränderten  Chlorophyll  nicht  zugehörig  be- 
zeichnet, da  seine  Intensität  je  nach  dem  Ursprung  der  Lösung  sehr 
variiert.  Während  es  häufig  stärker  als  das  dritte  Band  erscheint, 
geben  manche  Pflanzenblätter  Lösungen,  die  dieses  vierte  Band  nur 
in  sehr  konzentrierten  Lösungen  erscheinen  lassen,  so  z.  B.  im  Falle 
der  Ficus  r^pews-Blätter.  Letztere  verlieren  dasselbe  nach  unseren 
Erfahrungen  bei  entsprechender  Behandlung  ganz.  Es  ist  möglich, 
dass  wir  uns  geirrt  haben,  d.  h.  dass  unsere  Augen  nicht  empfindlich 
genug  waren,  auch  bei  grosser  Konzentration  das  Band  zu  entdecken; 
aber  dass  es  nicht  erst  Herrn  TsWETT's  bedurfte  mir  klar  zu  machen, 
dass  schwache  Bänder  in  konzentrierten  Lösungen  zu  suchen  sind, 
darf  ich  doch  wohl  als  sicher  betrachten.  Nicht  minder  klar  ist  es 
aber,  dass  es  viel  leichter  ist,  Lösungen  zu  erhalten,  die  dieses 
Band  enthalten,  als  solche,  in  denen  es  fehlt,  und  ehe  ich  dieses 
vierte  Band  als  dem  Chlorophyll  gehörig  annehme,  muss  erst  eine 
Methode  gefunden  werden,  die  die  Sache  objektiv  entscheiden  kann. 
Die  Photographie  der  Spektren  hat  mich  in  diesem  einen  Falle  im 
Stich  gelassen,  denn  die  bis  jetzt  von  mir  versuchten  Platten  sind 
in  dieser  Region  zu  wenig  empfindlich.  Yersuche  mit  den  neuen 
Platten  von  Wratten  und  Wainwright  helfe  ich  in  diesem  Jahre  ab- 
zuschliessen. 

Für  die  weitere  Beurteilung  der  TSWETT'schen  Resultate  ist 
dieser  Punkt  jedoch  nebensächlich.  Hauptsache  ist,  dass  auch  Herr 
TSWETT  gefunden  hat,  dass  das  vierte  von  ihm  beobachtete  Band  in 
Rohchlorophylllösungen  das  schwächste  von  allen  ist.  Nun  vergleiche 
man  die  von  TsWETT  gegebenen  Zeichnungen  seiner  Chlorophylline 
(Taf.  III,  Fig.4u.8)  und  berücksichtige,  dass  TSWETT  mir  vor- 
gehalten hat,  meine  und  SCHUNCK's  Behauptung,  die  Menge  des 
Allochlorophylls  bezw\  Chlorophyllins  ^  sei  in  der  Regel  im 
Verhältnis  zu  der  des  eigentlichen  Chlorophylls  gering, 
unrichtig  sei,  dass  im  Gegenteil  der  grüne  Begleiter  des 
Chlorophylls    in    grossen  Mengen    auftritt.^)     Dann  muss  man 


1)  J.  f.  prakt.  Ch.  [2]  62  (1900)  47.    Journ.  Chem.  Society  27  (1900)  1081. 

2)  Hierfür    vermisse    ich     übrigens     trotz    TsWETT's    Versicherungen    einen 
Beweis  auch  in  der  letzten  Abhandlunof. 


Herru  TsWETT's  historische  ChloiopliyUforscliuiigcn  und  seine  Chlorophylline.  227 

ZU  dem  unanfechtbaren  Schlüsse  gelangen,  dass  es  mit  der  „neuen" 
mit  so  viel  Begeisterung  bearbeiteten  Trennungsmethode  der  Chloro- 
phylle  schlecht  steht.  Falls  Chlorophyllin  ß  mit  den  von  TSWETT 
gefundenen  Eigenschaften  wirklich  in  Chlorophylllösungen  auftritt 
und  falls  seine  Menge  verhältnismässig  beträchtlich  ist,  dann  dürfte 
das  vierte  in  Rohchlorophylllösuugen  von  TSWETT  beobachtete  Band 
nicht  schwächer  als  Band  drei  sein  (oder  überhaupt  das  schwächste 
von  allen);  denn  Chlorophyllin  ß  zeigt  nach  TSWETT  ein  starkes 
Band  vor  E,  welches  sich  in  Rohchlorophylllösungen  mit  dem  vierten 
Band  des  Chlorophyllin  a  summieren  müsste.  Es  sei  denn,  dass 
Herrn  TSWETT  zu  Liebe  in  diesem  Falle  „luterferenzbänder"  (eine 
Bezeichnung,  die  sich  hoffentlich  nicht  einbürgern  wird)  nicht  ent- 
stehen werden.  Tatsächlich  ist  nun  aber  das  vierte  Band  wenig 
veränderter  Rohchlorophylllösungen  das  schwächste  und  es  folgt 
daraus,  dass  entweder  ein  Farbstoff'  von  den  Eigenschaften  des 
Chlorophyllins  ß  im  Blatte  nicht  präexistiert,  oder  wenn  es  vorhanden 
ist,  seine  Menge  verschwindend  klein  sein  müsste. 

Geradezu  empörend  ist  daher  die  Art  und  Weise  wie  Herr 
TSWETT  mit  den  Resultaten  umgeht,  die  C.  A.  SCHUNCK  zuerst  und 
später  SCHUNCK  und  ich  bei  der  Untersuchung  der  Absorptions- 
verliältnisse  des  Chlorophylls  im  A^iolett  und  Ultraviolett  erhalten 
haben,  Herr  TSWETT  erlaubt  sich  hierüber  ein  Urteil  zu  fällen 
ohne  zu  wissen,  dass  es  absolut  unmöglich  ist,  nach  der  von  ihm 
benutzten  primitiven  Methode  die  Spektren  der  Chlorophylle  im 
stärker  gebrochenen  Teil  des  Spektrums  genau  zu  studieren.  Die 
Photographie  der  verursachten  Bänder  ist  nur  an  Lösungen  durch- 
zuführen, die  soweit  verdünnt  sind,  dass  nur  das  erste  Band  im  Rot 
noch  zu  sehen  ist,  also  unter  Bedingungen,  unter  denen  das  Auge 
nur  annähernd,  wenn  überhaupt,  Lichtuuterschiede  im  Spektrum 
wahrnehmen  kann.  Herr  TsWETT  süudigt  aber  nicht  nur  in 
methodischer  Hinsicht,  er  bedient  sich  apodiktischer  Äusserungen, 
die  in  der  Wissenschaft  keinen  Wert  haben.  Unsere  Resultate 
müssen  falsch  sein,  einfach  deswegen,  weil  sie  mit  den  seinigen 
nicht  übereinstimmen!  Herr  TsWETT  müsste  erst  beweisen,  warum 
die  Kriterien,  die  wir  zur  Beurteilung  der  Reinheit  des  von  uns 
dargestellten  Chlorophylls  ungenügend  sind,  und  solange  er  dies  an 
Hand  exakter  Experimente  nicht  tut,  muss  ich  irgend  welche  weitere 
Auslassungen  in  dieser  Beziehung  des  Herrn  TSWETT  unbeantwortet 
lassen. 

Herrn  TsWETT  ist  es  geläufig,  Arbeiten  anderer  als  einen 
Rückschritt  zu  bezeichnen;  jetzt  wird  er  aber  doch  wohl  eingesehen 
haben,  dass  man  mit  Hilfe  eines  Filtrationsversuches  sich  nicht  auf 
die  Höhe  eines  Reformators  der  Chlorophyllchemie  schwingen 
kann. 


228  A.   SCHERFFEL: 

Was  endlich  die  Umwandlung  des  Phylloxanthins  in  Phyllo- 
cyanin  anbelangt,  so  wäre  es  ratsam,  dass  Herr  TSWETT,  ehe  er 
wieder  unnötigerweise  den  Kriegspfad  betritt,  die  einschlägige 
Literatur  gründlich  liest. 

Krakau,  Medizinisch  Chem.  Labor,  der  Universität. 


33.   A.  Seh  er f fei:   Algologische  Notizen. 

Mit  eiuer  Abbildung  im  Text. 
Eingegangen  am  IG.  Mai  1907. 


Das  nachstehend  Mitgeteilte  stellt  eine  kleine  Eeihe  ganz  ge- 
legentlicher, im  Verlaufe  meiner,  den  Mikrokosmos  des  Süsswassers 
betreffenden  Studien,  gemachter  Beobachtungen  dar,  welche  —  wie 
ich  glaube  —  doch  so  viel  Interesse  bieten,  dass  ihre  Veröffent- 
lichung in  vorliegender  Form  gerechtfertigt  erscheint.  Auch  möge 
man  sich  nicht  an  der  Bezeichnung  „Algologische"  Notizen  stossen, 
wenn  man  hier  auch  Organismen  begegnet,  welche  zwar  in  nicht 
ganz  richtiger,  doch  in  althergebrachter  Weise  den  „Algen"  zugezählt 
zu  werden  pflegen. 

1.  Verschiedenartige  Ausbildung  der  Stigmen  bei  Pandorina 

morum  (Müll.)  Bory. 

Dieser  durch  die  von  PringSHEIM  im  Jahre  1869  an  ihm  zu- 
erst gemachte  Entdeckung  der  Schwärmerkopulation  berühmt  ge- 
wordene Organismus  ist  dermassen  interessant,  dass  man  ihn  immer 
wieder  mit  unvermindertem  Interesse  betrachtet,  und  so  kam  es, 
dass  ich  an  ihm  eine  Erscheinung  beobachtete,  welche  bisher  an- 
scheinend der  Aufmerksamkeit  der  Beobachter  entging. 

Der  üblichen  Darstellung  gemäss  besitzt  eine  jede  Zelle  der 
maulbeerförmigen  Kolonie  ein  deutliches,  rotes  Stigma,  welches  in 
allen  Zellen  der  Kolonie  in  gleicher  Grösse  und  Ausbildung  er- 
scheint. Dies  trifft  jedoch  keineswegs  immer  zu,  denn  ich  beob- 
achtete im  Mai  des  vorigen  Jahres  eine  Fandor^ma-Kolome,  welche 
in  auffallendster  Weise  eine  Erscheinung  zeigte,    welche    bisher  nur 


Algologische  Notizen.  229 

bei  VoIvo.v  zuerst  durch  RYDER  0  beobachtet  wurde.  Es  fanden  sich 
nämlich  in  den  an  einem  Pole  der  Kolonie  gelegenen  Zellen  auf- 
fallend grosse  Stigmen,  während  sie  an  den  Zellen  des  entgegen- 
gesetzten Poles  gänzlich  fehlten;  die  in  der  Zone  zwischen  diesen 
beiden  Polen  liegenden  Zellen  hingegen  zeigten  das  Stigma  in 
geringer  Grösse  (s.  Fig.  1).  Mithin  kommt  also  auch  hier  jene  ver- 
schiedene, durch  den  Ort  der  Zellen  bedingte  Ausbildung  der 
Stigmen  vor,  welche  Volvox  oft  in  sehr  schöner  Ausbildung  zeigt, 
und  welche  mit  einer  gewissen  Berechtigung  mit  der  angeblichen, 
Licht  perzipierenden  Funktion  der  Stigmen  in  Beziehung  gebracht 
werden  kann.  Bei  Pandarina  ist  diese  Yerschiedenartigkeit  in  der 
Ausbildung  der  Stigmen  keineswegs  immer  deutlich  ausgeprägt,  ja 
bisweilen  tatsächlich  nicht  vorhanden,  was  auch  die  Tatsache  erklärt, 
dass  diese  Erscheinung  bisher  keine  Erwähnung  fand. 

2.  Mehrere  Stigmen  bei  grüuen  Scliwärrazellen. 

Die  Angabe  des  Yorkommens  mehrerer  Stigmen  ist  —  meines 
Wissens  —  überhaupt  neu.  Auf  das  nicht  gerade  seltene  Vor- 
kommen mehrerer  Stigmen  bei  Phaeophyceen-Schwärmern  machte 
mich  mein  Freund,  Herr  Professor  Dr.  KUCKUCK  im  März  1904, 
gelegentlich  eines  Zusammenseins  an  der  Zoologischen  Station  in 
Bovigno  aufmerksam,  und  zeigte  mir  auch  eine  Reihe  diesbezüg- 
licher, bisher  noch  nicht  veröffentlichter  Abbildungen.  Ihm  gebührt 
daher  das  Verdienst,  zuerst  das  Vorkommen  von  Schwärmzellen  mit 
mehreren  Stigmen,  deren  Mehrzahl  nicht  etwa  auf  vorhergegangener 
Kopulation  von  ein  einziges  Stigma  führenden  Zellen  beruht, 
konstatiert  zu  haben.  Es  war  daher  für  mich  von  besonderem 
Interesse  im  November  desselben  Jahres  an  einem  Schwärmer  einer 
grünen  Alge,  an  einer  Bulbochaete-Zoospore  mehrere,  nämlich  vier 
Stigmen  zu  finden.  Sie  fanden  sich  (Fig.  2)  alle  am  Rande  des 
Chromatophors,  in  der  Nähe  der  Ursprungsstelle  des  Cilienkranzes 
in  einer  horizontalen  Reihe  nebeneinander  liegend,  doch  voneinander 
völlig  getrennt.  Die  einzelnen  Stigmen  waren  etwas  längsgestreckt, 
ihr  Längsdurchmesser  ging  mit  der  Längsachse  des  Schwärmers 
parallel,  ferner  waren  sie  der  Grösse  nach  nicht  ganz  gleich  und  be- 
sonders eines,  am  Ende  der  Reihe  liegend,  erschien  nur  punktförmig, 
ganz  rudimentär.  Gerade  bei  einer  Oedogoniacee,  wo  das  Vor- 
handensein des  Stigmas  nicht  sehr  typisch  ist,  ist  das  gelegentliche 
Vorkommen  mehrerer  Stigmen  überraschend. 

Ein  zweiter  Fall  betrifft  eine  nicht  näher    bestimmte  Chlamydo- 


1)  J.  A.  Ryder,    The  Polar-diffcrentiation    of   Volvox    and   the    specialisation 
of  possible  anterior  Senseorgan.    Amer.  Naturalist.  1889. 


230  A.  SCHERFFEL: 

monas-Zel\e,  wo  zwei  Stigmen  vorhanden  waren.  Das  eine  Stigma 
befand  sich  etwa  ein  Drittel  vom  Yorderende  entfernt,  während  das 
andere  im  hinteren  Drittel  des  Zellkörpers  lag. 

Die  Fälle  des  gelegentlichen,  ausnahmsweisen  Yorkommens 
mehrerer  Stigmen  werden  sich  voraussichtlich  noch  mehren, 
interessant  aber  ist  es,  dass  sich  diese  Erscheinung  nicht  blos  bei 
braunen,  sondern  auch  grünen  Organismen  findet. 


3.  Eine  verschollene  Chlaraydomonadinee,   Carteria  dubia  (Perty) 

Scherffel  (Fig.  3). 

In  den  ersten  Apriltagen  des  vorigen  Jahres  stiess  ich  in  einer, 
aus  der  nächsten  Umgebung  Iglö's  stammenden  Probe,  in  leider  nicht 
grosser  Zahl  auf  einen  Organismus,  den  ich  vorerst  mit  keinem  be- 
kannten identifizieren  konnte  und  demzufolge  geneigt  war,  für  neu 
anzusehen.  Später  jedoch  fand  ich  bei  Durchsicht  von  PerTY's 
Werk  „Zur  Kenntnis  kleinster  Lebensformen"  (Bern  1852)  zu  meiner 
Überraschung  auf  Taf.  XI  in  Fig.  2  eine  zur  Identifizierung  genügend 
gute  Darstellung  meines  anscheinend  neuen,  in  der  neueren  Literatur 
nirgends  erwähnten,  somit  verschollenen  Organismus.  FeETY  hatte 
also  diesen  Organismus  bereits  1852  abgebildet  und  auf  Seite  163 
des  angegebenen  Werkes  —  mit  Fragezeichen  —  als  Cryptomonas 
dubia  auch  beschrieben. 

Nun  möchte  ich  meinerseits  diesen  Organismus  etwas  näher 
charakterisieren  und  einiges  über  seine  systematische  Stellung  sagen. 

Cellula  valde  compressa,  de  latere  lato  late  elliptica,  postice 
acuminata,  antice  obtusata  et  incisura  distincta  emarginata,  13  =  8/{ 
diam.;  latere  angusto  cuneiformis.  Ex  incisura  antica  cilia  4,  aequi- 
longa,  ca  longitudine  corporis  oriuntur.  Chromatophoris  duobus?, 
granulosis,  flavo-viridibus,  laminaeformibus,  parietalibus,  medio  lateris 
lati  vittam  (spatium)  longitudinalem  plus  minusve  latam,  semper 
distinctam,  achroam  inter  se  mittentibus;  pyrenoido  nullo;  stigmate 
magno,  rubre,  versus  medium  cellulae  sito. 

Multiplicatio  et  propagatio  ignota.     Prope  Iglo  (Hungaria). 

Durch  die  stark  zusammengedrückten,  flachen  Schwärmzellen, 
welche  während  der  lebhaften,  rotierend-taumelnden  Bewegung  eine 
charakteristisch  dreieckige  Gestalt  vortäuschen,  und  durch  die 
dünnen,  plattenförmigen,  parietalen,  pyrenoidlosen,  wahrscheinlich  in 
Zweizahl  vorhandenen,  gelbgrünen  Chromatophoren,  welche  an  der 
Breitseite  der  Zelle  zwischen  sich  einen  höchst  charakteristischen, 
farblosen,  die  ganze  Zelle  ihrer  Länge  nach  durchziehenden,  stets 
deutlich  ausgeprägten  und  in  die  Augen  fallenden  Zwischenraum, 
einen  Streifen  frei  lassen,    ist  dieser  Organismus  sehr  ausgezeichnet. 

Die  Zelle   besitzt    eine    sehr    zarte,    doch  feste,    d.  h.  nach  dem 


Algologische  Notizen. 


231 


Absterben  nicht  sofort  vergängliche  Hüllmembran,  denn  ich  fand 
einige  leere  Hüllen  (Fig.  3c),  welche  die  Form  der  Zelle  und  den 
anj  vorderen  Ende  befindlichen  Einschnitt,  d.  h.  die  Öffnung,  durch 
welche  die  vier  Cilien  austreten,  sehr  schön  erkennen  Hessen.  Am 
vorderen  Ende,  in  der  ^ahe  der  Geisseibasis  sind  zwei  kleine, 
contractile  Vacuolen  erkennbar,  während  das  stets  augenfällige, 
grosse  Stigma  immer  an  der  Breitseite,  einem  der  Chromatophoren 
aufliegend,  mehr  gegen  die  Mitte  der  Zelle  gerückt  erscheint.  Die 
hervortretende  körnige  Struktur  der  Chromatophoren  dürfte  wohl 
auf  dem  Vorhandensein  von  Stromastärkekörnchen  beruhen. 

Schon  PerTY,  dem  die  Geisseiverhältnisse  dieses  Organismus 
unbekannt  geblieben  waren,  erschien  es  zweifelhaft,  ob  derselbe 
eine    Cryptomonas    sei,    worauf    nicht    nur    der    von    ihm    gewählte 


:  t 

Hl 


Fig.  1.     Pandorina  vioruin,  Kolonie  mit  ungleich  ausgebildeten  Stigmen. 
„      2.     Bulbochaete-Schwärmer  mit  vier  Stigmen. 
„      3.     Carteria  dubia  (Perty)    Scherffel.     a)  Von    der    breiten  Seite,     b)  Von    der 

schmalen  Seite,     t)  Leere  Hülle. 
„      4.     C/iainaesiphon  liyalinns  n.  sp. 


Speziesname  ,/luhia^'-,  sondern  auch  das  dem  Gattungsnamen  bei- 
gefügte Fragezeichen  deutlich  hinweisen.  Nach  unseren  heutigen 
Kenntnissen  und  nach  dem  tieferen  Einblick  in  den  Bau  der  Zellen, 
welche  uns  unsere  gegenwärtigen  optischen  Hilfsmittel  gestatten,  ist 
es  sofort  ganz  klar,  dass  dieser  viergeisselige  Organismus,  der  in  so 
mancher  Beziehung  Übereinstimmung  mit  dem  Bau  der  Chlamydo- 
monadineenzelle  zeigt,  zu  den  zweigeisseligen  und  andere  Besonder- 
heiten des  Zellenbaues  aufweisenden  Cryptomonadineen  nicht  gestellt 
werden  kann,  demnach  keine  Cryptomonas  ist. 

Mir  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  dieser  Organismus  zu  den 
Chlamydomonadineen  gehört,  und  hier  Hesse  er  sich  in  nicht  allzu 
gezwungener  Weise  der  Gattung  Carteria  einreihen.  Der  Besitz  von 
vier  gleich  langen,  einem  apicalen  Einschnitt  bezw.  Öffnung  ent- 
springenden Geissein  spricht  für  die  Zugehörigkeit  zu  Carteria. 
Eine    Abweichung    ist    hingegen    in    dem    Mangel     eines    typischen 


232  A.  SCHEEFFEL:  Algologische  Notizen. 

Becherchromatophors,  und  in  dem  Fehlen  des  sonst  allen  bisher  be- 
kannt gewordenen  C'ar^ma-Arten  zukommenden  Pyrenoids  gegeben. 
Misst  man  diesen  letzteren  Umständen  hohen  Wert  bei,  so  müsste 
für  unseren  Organismus  eine  neue  Gattung  geschaffen  werden.  Da 
es  jedoch  nicht  feststeht,  dass  der  Beschaffenheit  des  Chromatophors 
hier  gattungsbegründende  Wichtigkeit  zukommt  und  betreffs  des 
Pyrenoids  SeEBINOAV^)  das  Yorkommen  einer  pyrenoidlosen  Rasse 
bei  einer  typisch  pyrenoidführenden  Chlamyclomonas-Krt  nachwies,  so 
wäre  auf  dem  Mangel  dieser  Dinge  hier  kein  so  hohes  Gewicht  zu 
legen  und  demzufolge  hielt  ich  es  für  nicht  allzu  gewagt,  unseren 
in  Rede  stehenden  Organismus  der  Gattung  Carteria  zuzuweisen. 
Nachdem  schon  PeRTY  ihn  mit  einem  leider  auch  jetzt  noch  zu- 
treffenden Speziesnamen  versehen  hatte,  so  muss  er  wohl  bis  auf 
weiteres,  bis  zur  Vervollständigung  der  noch  sehr  lückenhaften 
Kenntnisse,  den  Namen  Carteria  dubia  (Perty)  Scherffel  führen. 

4.  Chamaesiphon  liyaliuus  nov.  spec.  (Fig  4). 

Thallo  fere  cylindrico,  sursum  paulo  attenuato,  5  [x  alto,  2  jx  crasso, 
homogeneo,  hyaline,  apice  seriem  moniliformam  gonidiorum 
perpQsillorum,  depresso-globosorum,  circa  1  /t  diam.  producente. 

In  Epithemia  turgida  (Fhb.)  Kütz.  vivente  epiphyticus,  substrato 
plus  minusve  perpendiculariter  insidens. 

Prope  Iglö  (Hungaria). 

Dem  morphologischen  Aufbau  nach  gehört  dieser  winzige, 
durchaus  farblose  Organismus  zu  der  Schizophyceen-Gattuug  Cha7nae- 
siphon,  wo  sich  jedoch  bis  jetzt  nur  gefärbte  Formen  finden.  Die 
Farblosiokeit  ist  aber  durchaus  kein  Grund  ihn  nicht  hierher  zu 
stellen,  oder  auf  ihm  ein  neues  Schizomyceten-Genus  zu  gründen. 


1)  J.  L.  Serbixow,    Über    eine  neue  pyrenoidlose  Rasse  von  C/damydonwnas 
stellata  Dill.  Bull,  jardin.  imp.  bot.  St.  Petersbourg,  1902,  Bd.  2,  S.  141. 


W.  ZOPF:  Biologische  und  morphologische  Beobachtungen  an  Flechten.    233 


34.  W.  Zopf:  Biologische  und  morphologische  Beobachtungen 

an  Flechten. 

Mit  Tafel  VIII. 


Eingegangen  am  IT.  Mai  1907. 


III.  Durcli  tierische  Eingriffe  hervorgerufene  Gallenbildungen  au 
Vertretern  der  Gattung  Kamalina. 

Von  Gallenbildung  an  Flechten  sind  zwar  bereits  mehrere  Fälle 
bekannt,  doch  handelt  es  sich  hierbei  immer  um  Erzeugnisse 
pilzlicher  Natur.')  Durch  tierische  Eingriffe  erzeugte  Flechten- 
gallen scheinen  noch  nicht  l)eobachtet  zu  sein. 

Als  ich  seinerzeit  die  Ramalina  kuUensis  auf  der  schwedischen 
Halbinsel  KuUen  für  meine  Flechtensäurestudien  in  Menge  zu- 
sammenbrachte,  fiel  es  mir  auf,  dass  zahlreiche  Exemplare  eigentüm- 
liche Deformationen  zeigten.  Die  Thallusäste  waren  nämlich  mehr 
oder  minder  stark  aufgetrieben  (Taf.  YIII,  Fig.  1  und  2),  entweder 
in  ihrer  ganzen  Länge  (Fig.  2)  oder  nur  in  der  unteren  Hälfte 
(Fig.  1).  Durch  diese  Auftreibnngen,  die  bis  zu  1  cm  an  Durchmesser 
hielten,  erlangten  die  Achsen  meistens  schlauchartige,  wurstartige 
oder  dickdarmartige,  mehr  oder  minder  auffällig  gekrümmte  Form 
(Fig.  1).  Zweigbildungen  pflegten  den  deformierten  Achsenteilen 
entw^eder  ganz  zu  fehlen,  oder  nur  in  stark  verkürzter  Form  aufzu- 
sitzen; weniger  häufig  erschienen  sie  etwas  verlängert  und  waren 
dann  meistens  ebenfalls  deformiert.  Man  trifft  nicht  selten  Thalli 
an,  die  sämtliche  aus  dem  kräftigen  Rhizoid  entspringende  Achsen 
im  Zustande  der  Deformation  zeigen  (Fig.  2),  dann  wieder  andere, 
wo  sich  die  Missbildungen  nur  auf  eine  oder  ein  paar  Achsen  er- 
strecken. 

An  solchen  Achsen,  die  ihrer  ganzen  Länge  nach  hypertrophiert 
erscheinen,  sind  Spermogonien  häufig  und  ebenso  reichlich,  wie  an 
normalen;  Apothecien  fehlen  aber  in  der  Regel.  Nur  im  unteren 
Teile  hypertrophierte  Achsen  habe  ich  mehrfach  mit  Apothecien  in 
guter  Entwickelung  angetroffen  (Fig.  1). 


1)  Siehe  unter  anderem  W.  ZOPF,  Untersuchungen  über  die  durch  parasitische 
Pilze  hervorgerufenen  Krankheiten  der  Flechten  (Fortsetzung).  Nova  Acta  Leop. 
Carol.  Akad.,  Bd.  LXX,  Nr.  4,  Abschnitt  XXV:  Didt/mosp/iaeria  pu/posi  Zopf .  Ferner 
J.  M.  A.  Ceombie,  Monograph  of  Lichcns  found  in  Britain.  Part  I,  p.  227: 
A  monstrosity,  caused  by  the  preseuce  of  the  parasite  Ahrothallus  Sitiithü. 
Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUscli.    XXV.  17 


234  W.  Zopf: 

Die  eben  beschriebenen  Bildungen  sind  stets  hohl  und  zeigen 
hie  und  da  sehr  kleine,  mit  blossem  Auge  kaum  bemerkbare  Löcher. 
Mitunter  sind  grössere  Löcher  von  kreisförmigem  oder  elliptischem 
Umriss  und  1  —  l'/o  ww  Durchmesser  vorhanden.  Ihre  Ränder 
miachen  den  Eindruck,  als  ob  sie  durch  Tierfrass  entstanden  sind. 
Tatsächlich  findet  mau  in  den  Auftreibungen  stets  kleine  Glieder- 
tiere oder  Häute  von  solchen  vor,  sowie  auch  mehr  oder  minder 
massenhaft  mikroskopisch  kleine  Exkremente  von  rundlicher  oder 
zylindrischer  Form  und  dunkler  Färbung. 

Wie  die  in  Gemeinschaft  mit  dem  hiesigen  Zoologen,  Herrn 
Professor  Dr.  STEMPELE,  vorgenommene  Untersuchung  zeigte, 
kommen  dreierlei  winzige  Gliedertiere  in  Betracht:  milbenartige, 
spinnenartige  und  asselartige. 

In  allen  Deformationen  fanden  sich  Milben  vor  in  mehr  oder 
minder  grosser  Zahl.  Sie  fressen  das  Mark  der  Thalli  mehr  oder 
weniger  vollständig  heraus  und  setzen  oft  so  zahlreiche  Exkremente 
ab,  dass  die  Wand  der  Hohlröhren  bei  schwacher  mikroskopischer 
A^ergrösserung  wie    mit    schwarzen  Punkten    dicht    besetzt  erscheint. 

In  einigen  Deformationen  (6)  waren  ausserdem  Häute  einer  und 
derselben  winzigen  Spinne  vorhanden.  Der  Kopf  (Fig.  4)  trug 
acht  einfache  Augen  in  charakteristisclier  Stellung  und  verschiedener 
Grösse.  Es  fanden  sich  ferner  die  für  Spinneu  charakteristischen 
Kieferfüsse  vor  (Fig.  5),  bestehend  aus  einem  grossen  Basalgliede  (a) 
und  einer  hakenförmigen  Klaue  (i),  an  deren  Spitze  der  Aus- 
fiihrungsgang  einer  Giftdrüse  mündet.  An  der  Innenseite  des 
Basalgliedes  konnte  man  zahnähnliche  hornige  Bildungen  sehen,  die 
gewissem! assen  die  Form  von  Reisszähnen  des  Hundes  nachahmten. 
Die  Kieferntaster  zeigten,  ebenfalls  dem  Spinnencharakter  ent- 
sprechend, die  Form  von  Beinen.  Die  Chitinhäute  waren  teils  mit 
einfachen  Haaren  (Borsten)  versehen,  teils  mit  gefiederten  (Fig.  6). 
Am  Kopfe  waren  nur  letztere  vorhanden,  um  die  Augen  herum 
bildeten  sie  einen  förmlichen  Wimperkranz.  Ich  sah  immer  nur  die 
leeren  Chitinhäute  und  in  deren  Nähe  die  grossen  zylindrischen 
schwarzen  Exkremente;  die  Tiere  waren  um  die  Zeit,  wo  ich  die 
Flechte  sammelte  (Ende  August)  schon  ausgeschlüpft. 

Endlich  habe  ich  in  den  Auftreibungen  nicht  selten  einen 
mikroskopisch  kleinen  Diplopoden  angetroffen,  einen  Vertreter  der 
Gattung  Polyxenus. 

Wenn  man  nun  fragt,  welche  von  den  genannten  Glieder- 
füsslern  als  die  hau})tsächlichen  Gallenerzeuger  in  Betracht  kommen, 
so  glaube  ich,  dass  es  die  Milben  sind,  und  zwar  aus  dem  Grunde, 
weil  sie,  wie  gesagt,  in  jeder  Galle  zu  finden  waren,  während  die 
Spinne     und     der    Pohjxenus    nur    in    einzelnen    Gallen    vorkamen. 


Biologische  und  morphologische  Beobachtungen  an  Flechten.  235 

letzterer  immer  nur  in  alten  löclierigen  Gallen,    die    schon    an  ihrer 
Verfärbuno-  ins  Graubräunliche  kenntlich  werden. 

y  Die  Milben  üben  wahrscheinlich  durch  die  Tätigkeit  ihrer 
Mundteile  einen  mechanischen,  vielleicht  auch  einen  chemischen 
Reiz  auf  Algenzoue  und  Rinde  aus,  der  die  Folge  hat,  dass  diese 
Gewebsschichten  in  tangentialer  Richtung  ein  starkes  Wachstum  er- 
fahren. 

Möglich  wäre  es  aber,  dass  auch  die  kleine  Spinne  eine 
ähnliche  Wirkung  auszuüben  vermag.  Die  grossen  Löcher  in  den 
Gallen  werden  jedenfalls  von  der  Spinne  und  nicht  von  den 
Acarinen  oder  dem  Po\\jxenus  hervorgerufen. 

Auf  Kullen  wird  die  gallentragende  Flechte  sowohl  an  den 
Granitblöcken  des  Strandes  bei  Mölle  wie  an  den  Granitwänden  und 
Klippen  von  Djupadalen,  Josefinelyst,  in  der  Umgebung  des  Leucht- 
turms (Kullens  Fyr)    und    anderen  Orten  massenhaft  angetroffen. 

Von  Bornholm  brachte  mir  der  Direktor  des  botanischen 
Gartens  in  Bremen,  Herr  Dr.  G.  BITTER,  zahlreiche  Exemplare 
einer  Hamalina  mit,  die,  wie  ich  kürzlich  nachwies,  Ramalina 
kullensis  Zopf  darstellt.  Unter  diesen  Exemplaren  fanden  sich  ver- 
schiedene, welche  ebenfalls  Gallenbildungen  aufwiesen.  Beim 
Öffnen  derselben  fand  ich  zahlreiche  Milben  und  deren  Exkremente 
vor.  Es  scheinen  also  auch  auf  Bornholm  Milben  die  Ursache  jener 
Bildungen  zu  sein. 

Dass  es  sich  bei  der  gallentragenden  Flechte  von  Kullen  wie 
von  Bornholm  tatsächlich  um  Ramalina  kullensis  handelt,  habe  ich 
durch  die  chemische  Untersuchung  festgestellt.  Die  gepulverten 
Exemplare,  die  zur  Entfernung  von  Usninsäure  mit  Benzol  be- 
handelt worden  waren,  lieferten  nämlich  beim  Auskochen  mit 
Aceton  und  Abdestillieren  des  zuvor  von  Wachs  befreiten  Auszuo-es 
bis  auf  einen  o-eringen  Rest,  Kullensissäure.  Die  Identifizierung- 
geschah  in  der  früher  von  mir  angegebenen  Weise  (LiEBIG's 
Annalen  der  Chemie,  Bd.  352,  S.  18  ff.  und  diese  Berichte,  Bd.  XXIV 
(1906)  S.  578)  unter  anderem  auch  durch  Erhitzen  der  salzsauren 
alkoholischen  Lösung,  wobei  ein  blaugrüner  bis  blauer  Körper 
entstand. 

In  bezug  auf  den  anatomischen  Bau  der  normalen  und  der 
in  Gallen  umgewandelten  Thallusäste  konnte  kein  irgendwie  auf- 
fälliger Unterschied  o-efunden  werden. 

Ein  Querschnitt  der  normalen  Äste  zeigt  das  in  Fig.  3  dar- 
gestellte Bild.  An  die  Rinde  r  schmiegen  sich  meist  mächtig  ent- 
wickelte Pfosten  m  von  stark  sklerotischen  Fasern.  Das  Durch- 
lüftungsgewebe (Mark)  durchbricht  hie  und  da  die  Rinde  (bei  <T). 
Querschnitte  durch  gallenartige  Thallusäste  gaben  meist  dasselbe 
Bild.     Nur  zeigten  sich  hin  und  wieder    die    sklerotischen  Elemente 

17* 


236  W.  ZOPF: 

auf  mehr  oder  minder  weite  Strecken  nicht  als  Pfosten,  sondern  als 
kontinuierlicher,  meist  dicker  Riudenbelag  entwickelt.  Im  übrigen 
ist  stets  eine  grosse  Markhöhhmg  vorhanden  und  das  Markgewebe 
auf  mehr  oder  minder  weite  Strecken  bis  zu  den  Algen  hin  weg- 
gefressen. 


Für  die  Westküste  Frankreichs  und  die  Küste  der  Canaren 
gibt  NylandeR  das  Vorkommen  der  echten,  d.  h.  durch  Kalilauge 
im  Mark  rot  bis  rotbraun  werdenden  Ramalina  scopulorum  (Dicks.) 
in  einer  Varietät  an,  die  er  als  incrassata  Nyl.  bezeichnet  (Recognitio 
monographica  Ramalinarum,  S.  59).  Sie  besitzt  nach  ihm  miss- 
gestaltete Thallusäste,  die  bis  \2  mm  dick  werden  können! 

Zwei  Seiten  weiter  führt  er  für  Ramahna  cuspidata  (Ach.),  die 
durch  Kalilauge  im  Mark  nicht  gefärbt  wird,  eine  Varietät  crassa 
(Del.)  Nyl.  ebenfalls  von  Westfrankreich  und  den  Canaren  an  und 
sagt,  sie  sei  gestaltlich  analog  und  ziemlich  ähnlich  der  var.  incrassata 
von  Ramalina  scopulorum. 

Beim  Lesen  dieser  Angaben  kam  mir  unwillkürlich  der  Ge- 
danke, dass  die  eben  genannten  beiden  Varietäten  wohl  nichts 
anderes  darstellen  dürften  als  Gallenbildungen. 

Dass  dieser  Gedanke  richtig  war,  lehrten  vier  Exemplare  der 
echten  incrassata  Nyl ,  welche  ich  durch  die  Güte  des  Herrn 
Professor  Dr.  VlAUD  -  GRAND  -  MARAIS  (Nantes)  von  der  Insel  Noir- 
moutier  (Vendee)  erhielt,  und  die  im  Mark  mit  Kalilauge  Rot- 
färbung zeigten;  und  ferner  zwei  Exemplare  der  echten  crassa  (Del.) 
Nylander  von  Ile  d'Yeu  (Vendee)  die  mir  der  Genannte  ebenfalls 
zur  Verfügung  stellte,  und  die  im  Mark  keine  Färbung  mit  Kalilauge 
gaben. 

Beide  Flechten  waren  gestaltlich  von  gewissen  Gallenformen 
der  Ramalina  kullensis  nicht  wohl  zu  unterscheiden.  Ich  prüfte 
daher  sogleich  auf  die  Gegenwart  von  Tieren  und  fand  kleine 
Milben  nebst  zahlreichen  winzigen  dunklen  Kotballen  in  jeder 
gallenartig  deformierten  Achse  sowohl  der  incrassata  als  der  crassa 
vor.  Chitinhäute  einer  Miniaturspinne  oder  von  Polyxenus  konnte 
ich  nicht  bemerken. 

Ich  glaube  daher  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich  die  Entstehung 
der  Incrassata-Q aUen  wie  der  Crassa- Gallen  ebenfalls  auf  Milben- 
eingriffe zurückführe.  Ob  die  Milben  identisch  sind  mit  denen 
der  Kullensis -GsiWen  liess  sich  nicht  feststellen. 

Was  LeightON  (Lichen-Plora  of  Britain  p.  89  und  70)  sowie 
CROMBIE  (Monograph  of  Lichens  found  in  Britain  p.  ]9G  und  198) 
als  Ramalina  scopulorum  var,  incrassata  Nyl.  für  die  Channel  Islands, 
Südwest  -  England  und  Nordwest  -  Irland,    und    was  sie  als  Ramalina 


Biologische  und  iiiorpliologisclie  Beobachtungen  an  Flechten.  237 

cuspidata  var.  crassa  (Del.)  für  die  Channel  Islands,  Nord-England 
und  Nordost-Schottland  aufführen,  sind  zweifellos  ebenfalls  durch 
Tiere  verursachte  Galleubildungen.  LeighTON  hebt  die  „tuber- 
kulöse Missffestaltung-"  der  Thallusäste  der  englischen  incrassata 
durch  gesperrten  Druck  noch  besonders  hervor.  Ob  auch  für  die 
englischen  Incrassata-  und  Crassa-Gallen  Milben  als  Ursache  anzu- 
nehmen sind,  habe  ich  aus  Mangel  an  Material  nicht  prüfen  können, 
halte  es  aber  nach  den  an  den  schwedischen,  dänischen  und 
französischen  Gallen  o-emachten  Befunden  für  höchst  wahrscheialich. 

Fassen  wir  das  Resultat  vorstehender  Untersuchungen  zusammen, 
so  ergibt  sich,  dass  in  der  Scopulorum-Sippe  der  Ramalinen  drei 
Vertreter  tierische  Gallenbildungen  aufweisen  können,  nämlich 
Ranialina  kuUensis  Zopf,  Ramalina  scopulorum  (Dicks.)  und  Ramalina 
cuspidata  (Ach.).  Wahrscheinlich  sind  diese  Bildungen  meist  durch 
Milben,  seltener  durch  Miniaturspinnen  veranlasst. 

Die  Varietäten  incrassata  Nyl.  und  crassa  (Del.)  Nyl.  sind,  da 
sie  nur  gallenartig  veränderte  Formen  von  Ramalina  scopulorum 
(Dicks.)  und  Ramalina  cuspidata  (Ach  )  darstellen,  zu  streichen. 


Erklärung:  der  Abbildungen. 


Fig.  1.  Ein  Thallus  der  Ramalina  kullensis  Zopf  von  der  schwedisclien  Halbinsel 
Kullen,  dessen  Äste  partiell  oder  total  in  Gallen  umgewandelt  sind,  im 
frischen  Zustande  gezeichnet,  rh  Ehizo'id,  ap  Apothecien.  Natürliche 
Grösse. 

„  2.  Ein  Thallus  derselben  Flechte,  dessen  Achsen  sämtlich  mehr  oder  minder 
stark  deformiert  erscheinen,  ebenfalls  im  frischen  Zustande  gezeichnet. 
Das  Rhizoid  ist  dem  Beschauer  abgewendet.  Die  Punkte  und  Wärzchen 
stellen  Spermogonien  dar.     Apothecien  fehlen.     Natürliche  Grösse. 

„  3.  Querschnitt  durch  eine  normale  Achse  derselben  Flechte,  r  Rinde,  m  die 
mächtigen  mechanischen  Pfosten,  in  der  Mitte  das  Mark,  d  Durchlüftungs- 
stellen, 60 fach:  nacli  Brandt. 

„     4,  5,  6.     Teile  der  Miniaturspinne,  die  ich  in  sechs  Gallen  vorfand. 

-      4.     Spinneukopf  mit  seinen  acht  Punktaugen,  8  fach. 

„      5.     Kieferfüsse,  40 fach. 

„  6.  Gefiederte  Fühlborston,  rechts  eine  en  face,  links  eine  im  Profil, 
540  fach. 

Münster,  Botanisches  Institut  der  Universität. 


238  ROBEET  LAUTERBORN: 


35.  Robert  Lauterborn:  Eine  neue  Gattung  der  Schwefel- 
bakterien (Thioploca  Schmidlei  nov.  gen.  nov.  spec.) 

Mit  einer  Abbildung. 
Eingegangen  am  19.  Mai  1907. 


Bei  einer  Untersuchimg  des  Bodeusees,  welche  ich  im  April 
dieses  Jahres  in  Gesellschaft  des  Herrn  Geheimrat  Professor  NCSSLIN- 
Karlsruhe  vornahm,  fand  ich  in  dem  sogenannten  Untersee  eine 
recht  interessante  Schwefelbakterie,  die  bisher  der  Aufmerksamkeit 
entsranoen  zu  sein  scheint.  Ich  schlage  für  dieselbe  den  Namen 
Thioploca^)  vor  und  widme  die  Art  meinem  Freunde,  Herrn  Seminar- 
direktor Professor  W.  SCHMIDLE,  dem  trefflichen  Erforscher  der 
Aloenflora  des  Oberrheins. 

Während  die  Ufer  und  besonders  der  abfallende  Hang  des 
Untersees  —  die  „Halde"  —  zum  grossen  Teil  mit  ausgedehnten 
Characeen-Rasen  übergrünt  sind,  erscheinen  die  grösseren  Tiefen, 
welche  in  der  Nähe  von  Ermatingen  bis  zu  21  m  absinken, 
völlig  frei  von  höherer  Vegetation.  Hier  ist  der  Seegrund  bedeckt 
mit  einem  sehr  feinen  graugelben  Schlick,  der  von  assimilierenden 
Pflanzen  nur  einige  wenige  lebende  Diatomeen,  dagegen  zahllose 
leere  Panzer  der  letzteren  enthält.  Beim  Sieben  dieses  Schlicks  fiel 
mir  nun  auf,  dass  der  Rückstand  —  ganz  im  Gegensatz  zu  ent- 
sprechendem Materiale  aus  dem  Obersee  —  auf  dem  Boden  des 
Siebes  zu  grösseren  eigentümlich  verknäuelten  und  verfilzten  Massen 
vereinigt  blieb,  die  sich  mit  der  Pinzette  leicht  in  grösseren  Flocken 
abheben  Hessen.  Schon  mit  freiem  Auge  war  zu  erkennen,  dass 
dieses  Gewirre  von  pflanzlichem  Detritus,  Würmern,  Fliegenlarveu 
usw.  von  zahlreichen  feinen  weisslichen  Fäden  durchsponnen  war, 
welche  in  ihrem  Aussehen  ganz  an  äusserst  dünne  Zwirnfäden  er- 
innerten. Unter  dem  Mikroskope  erwiesen  sich  diese  Gebilde  als 
Bündel  von  beggiatoa-arügen  Fäden,  welche  von  weiten  schlauch- 
förmigen Gallertröhren  umschlossen  waren. 

In  ihrem  Bau  und  Aussehen  gleichen  die  Fäden  von  Thioploca 
völlig  denen  von  Beggiatoa,  besonders  jenen  von  Beggiatoa  arachnoidea 
Rabenhorst.  Ihre  Dicke  schwankt  zwischen  5  und  9  a\  an  ihren 
freien  Enden  wird  sie  oft  mehr  oder  weniger  verschmälert  und  ab- 
gerundet.    Die  einzelnen  Zellen  sind  bei   stärkeren  Yergrösserungen 


1)  Tluün  =  Schwefel,  ploka  =  Flechte  (Haarllechte,  Locke). 


Eine  neue  Gattung  der  Schwofelbakterien. 


239 


X 


J 


ziemlich  deutlich  gegeneinander  abgegrenzt:  ihre  Länge  beträgt 
durchschnittlich  das  l—V/.Jäehe  der  Breite.  Das  Plasma  ist  meist 
scheinbar  homogen  und  von  schwach  bläulicher  Farbe.  Bisweilen 
beobachtete  ich  aber  auch  recht  bewegliche  Fäden,  die  schon  bei 
schwächeren  Yergrösserungen  fein  granuliert  erschienen;  bei  An- 
wendung stärkerer  Systeme  lösten 
en  sich  diese  scheinbaren  ,, Gra- 
nula" in  ein  sehr  feinmaschiges 
plasmatisches  Wabenwerk  auf. 
Die  charakteristischen  Schwefel- 
körnchen waren  meist  in  so  be- 
trächtlicher Zahl  den  Zellen  ein- 
oelao-ert,  dass  die  Bündel  der 
T/iioploca-¥ iidew  bei  schwächeren 

Yergrösserungen  im  durclifallen-       li-  mJ^^    '^  /:     M    -1 

den    Lichte    ganz    schwarz     er- 
schienen. 

Was  nun  aber  die  Thioploca- 
Fäden  bei  einer  so  weitgehenden 
Ähnlichkeit  mit  denen  von 
Beggiatoa  sofort  von  dieser  letz- 
teren unterscheidet,  ist  der  Um- 
stand, dass  sie  nicht  frei  den 
Schlamm  durchkriechen,  sondern 
in  farblose  Gallertschläuche 
eino-eschlossen  sind.  Die  Ober- 
fläche  dieser  Schläuche  ist  nach 
aussen  stets  deutlich  begrenzt  und 
fast  immer  mehr  oder  weniger 
mit  mineralischen  Fremdkörpern 
inkrustiert,  oft  so  dicht,  dass  ein 
Einblick  in  das  Schlauchinnere 
erschwert  wird.  Gar  nicht  selten 
zeigen  die  dickeren  Schläuche, 
wie  dies  auch  auf  der  bei- 
gegebeneu Figur  angedeutet  ist, 

ringförmige  Einschnürungen,  welche  den  Schläuchen  ein  eigen- 
artiges,  fast  wurmartiges  Ansehen  verleihen.  Von  einer  feineren 
Struktur  der  Gallerte  ist  im  Leben  kaum  etwas  zu  erkennen,  ab- 
gesehen vielleicht  von  einem  öfters  hervortretenden  System  feinster 
Längsfasern  im  Innern,  welche  aber  wohl  nichts  anderes  darstellen 
dürften,  als  die  Wände  der  Kanäle,   in  denen  sich  die  Pilzfäden  be- 


I 


Tliioftloca  Sc/imiillei  Lauterb. 

Ein  dickeres  und  ein  dünneres  Fadciibruch- 

stück.     Yergr.  ca.  200. 


wegen. 


Die  Dicke  der  Schläuche  ist  sehr  verschieden,  je  nach  der  Zahl 


240  liOBERT  LAUTERBORN: 

der  umschlossenen  Fäden;  bei  den  gemessenen  Exemplaren  sehwankten 
sie  zwischen  50—160  ,m.  Sehr  beträchtlich  ist  ihre  Länge:  ich  habe 
aus  dem  absresiebten  Detrituss-ewirre  mit  der  Pinzette  3  —  4  cm 
lange  Fadenschläuche  herausziehen  können,  glaube  aber,  dass  damit 
noch  keineswe2:s  die  grösste  Länge  erreicht  ist.  Yerzweiguno-en 
wurden  niemals  gesehen. 

Diese  Schläuche  umschliessen  nun  in  einem  ziemlich  beträcht- 
lichen Abstände  die  Bündel  der  Pilzfäden.  Die  Zahl  der  letzteren 
ist  recht  verschieden:  dünne  Schläuche  enthalten  nur  wenige  (1  —  5), 
dickere  dagegen  bis  zu  einlösen  Dutzenden  von  Fäden.  Die  Fäden 
verlaufen  meist  dicht  gedrängt,  einander  parallel,  vielfach  mehr  oder 
weniger  gewunden  und  seilartig  gedreht.  Mehrfach  habe  ich  auch 
beobachtet,  dass  ein  dickeres  Bündel  sich  an  einer  Stelle  spaltete, 
worauf  die  eine  Hälfte  der  Fäden  die  andere  spiralig  umwand. 

Die  von  Beggiatoa  her  bekannte  gleitende  Bewegung  der  Pilz- 
fäden fehlt  auch  bei  Thioploca  nicht.  Es  gewährt  stets  ein  an- 
ziehendes Bild,  zu  beobachten,  wie  innerhalb  der  Gallertscheiden  die 
Fäden  sich  fortwährend  und  oft  sehr  lebhaft  verschieben,  wobei  zwei 
benachbarte  Fäden  gerade  ento-egengesetzte  Richtuns:  einhalten 
können.^)  Reisst  an  irgend  einer  Stelle  der  Gallertschlauch,  so 
quellen  die  Fäden  bogen-  oder  schleifenförmig    nach    aussen  vor.  — 

Die  vorstehende  Schilderung  dürfte  wohl  dartun,  dass  T/noploca 
im  System  am  nächsten  mit  Beggiatoa  verwandt  ist.  Sie  steht  zu 
letzterer  in  einem  ganz  ähnlichen  Verhältnis,  wie  unter  den  Cyano- 
phyceen  die  bündelweise  in  Gallertröhren  eingeschlosseneu  Gattungen 
Hydrocoleum  oder  Microcoleus  zur  freibeweglichen  Oscülatoria.  Da 
man  ja  schon  vielfach  an  die  Möglichkeit  verwandtschaftlicher  Be- 
zielmngen  zwischen  den  fadenbildenden  Schwefelbakterien  und 
Oscillarieu  gedacht  hat  —  haben  doch  die  älteren  Algologen 
Beggiatioa  unbedenklich  unter  Oscillatoria  eingereiht!  —  scheint  es 
mir  nicht  ohne  Interesse,  dass  nun  auch  unter  den  fadenförmigen 
Schwefelbakterien  eine  gallertumhüllte  Form  vorkommt,  welclie  ohne 
Zwang  als  Parallelform  zweier  bei  den  Cyanophyceen  schon  längst 
bekannten  Gattungen  aufgefasst  werden  darf.  — 

Schliesslich  noch  einige  Worte  über  das  Vorkommen  von 
Thioploca.     Wie  bereits  kurz  bemerkt,    habe  ich  dieselbe  bisher  nur 


1")  Eine  ähnliche  und  wolil  auch  durch  diesoll)e  Ursache  (üallcrtabscheidung) 
hervorgerufene  gleitende  Bewegung  findet  sich  übrigeus  auch  bei  dem  als  Wasser- 
blüte auftretenden  Aphanizomenon  flos  aquae  Almann.  Diese  Cjanopliycee  bildet 
vielfach  Bündel  und  Flöckchen  ziemlich  straffer,  parallel  gerichteter  Fäden,  welche 
sich,  wie  ich  wiederholt  beobachten  konnte,  oft  sehr  lebhaft  an  einander  ver- 
schieben; auch  hier  bewegen  sich  oft  zwei  benachbarte  Fäden  in  gerade  entgegen- 
gesetzter Richtung  hart  aneinander  vorbei.  Die  Bewegungserscheinungen  erinnern 
an  diejenigen  der  Diatomee  Bacillaria  paradoxa  0.  F,  M, 


Eine  neue  Gattiin.tr  der  Schwefelbakterieii.  241 

im  Untersee  des  Bodensees  bei  Ermatingen  und  nur  in  Tiefen  von  etwa 
];, — •_)(>  m  oefunden.  In  der  Nähe  des  seichteren  Ufers  kam  sie  mir 
iiipht  zu  Gesicht,  ebensowenig  in  den  Characeen  -  Rasen  der  Halde 
in  etwa  5  m  Tiefe,  wo  einzelne  Beggiatoa-Yäi^iiW  nicht  selten  waren. 
Während  die  letzteren  aber,  wie  bekannt,  vor  allem  die  Oberfläche 
•des  Schlammes  in  weisslichen  kreidigen  Filzen  überspinnen,  durch- 
wuchert  Thioploca  mit  ihren  Gallertschläuchen  das  Innere  des  feinen 
Schlicks  der  Tiefe;  nie  habe  ich  auch  nur  ein  einziges  Exemplar  auf 
<ler  Oberfläche  des  Schlammes  gesehen.  Obgleich  nun  dieser  kalkreiche 
Schlick  durchaus  keinen  so  ausgesprochenen  Geruch  nach  Schwefel- 
wasserstoff erkennen  liess  wie  beispielsweise  der  von  Beggiatoa  bevor- 
zugte faulende  oroanische  Schlamm  unserer  Abwässer,  bewies  das  reich- 
liehe  Vorkommen  von  Schwefelkörnchen  in  den  Zellen  doch,  dass 
Thioploca  trotzdem  das  für  die  Entwickelung  der  Schwefelbakterien  so 
notwendige  Gas  zu  speichern  weiss.  Als  Quelle  für  die  Entbindung 
von  HoS  dürfte  in  unserem  Falle  vor  allem  die  Fäulnis  abgestorbener 
Reste  der  Tier-  und  Pflanzenwelt  des  Grundes  als  auch  derjenigen 
des  freien  Wassers  in  Frage  kommen.  Von  Tieren  leben  in  der 
Tiefe  des  Untersees  zahlreiche  Fliegenlarveu  der  Gattung  Chironomus, 
<lann  Borstenwürmer  (Tubificiden),  kleine  Muscheln  {Pisidiutii), 
Hydrachniden  usw.,  alle  meist  in  recht  beträchtlichen  Mengen.  Die 
Pflanzen  sind,  von  Bakterien')  abgesehen,  hauptsächlich  tfurch 
Diatomeen  vertreten.  Lebende  Exemplare  waren  indessen,  nament- 
lich im  Vergleich  zu  ihrer  üppigen  Entfaltung  in  den  Characeen- 
Rasen  der  Halde,^)  in  L'O  m  Tiefe  nur  noch  verhältnismässig 
spärlich  anzutreffen,  am  zahlreichsten  noch  Pinnularia  viridis, 
Pleurosigma  attenuatiim,  Nitzschia  sigmoidea,  Surirella  biseriata, 
Amphora  ovalis.  Desto  grösser  war  die  Zahl  der  abgestorbenen 
Kieselalgen.  Dieselben  stammten  teils  aus  den  Characeen-Rasen, 
teils  aus  dem  Plankton;  unter  den  zu  Boden  gesunkenen  Formen 
der  letzteren  war  Cycloteüa  bodanica  Eulenstein  besonders  vor- 
herrschend. — 

Fassen  wir  das  Ergebnis  meiner  Untersuchung  noch  einmal  zu- 
sammen, so  können  wir  folgende  kurze  Diagnose  der  neuen  Gattung 
o-eben: 


1)  Im  Anscliliiss  an  die  Bakterien  wäre  hier  wohl  auch  das  Vorkommen  der 
interessanten  durch  ihre  ungeheuere  Flexilität  an  Spirochaete  erinnernde  Gattung 
SyirohaciUus  zu  erwähnen,  deren  Typus  S.  (jigas  Certes  aus  getrocknetem  Schlamm 
von  Arabien  und  Ostafrika  beschrieb.  Eine  zweite  kleinere  und  dünnere  Art  der- 
selben Gattung  {Sp.  Buetschlii  nov.  sp.),  habe  ich  wiederholt  im  Schlamme  einiger 
Weiher  des  Pfälzerwaldes  bei  Kaiserslautern  beobachtet  und  dies  auch  bereits 
gelegentlich  mitgeteilt;  zu  ihr  gehört  auch  die  Form  aus  dem  Bodensee. 

2)  Unter  den  zahlreichen  hier  vorkommenden  Diatomeen  war  auch  die  prächtige 
Riesenform  Surirella  calcarata  Ptitzer  vertreten.  Von  Oscillarien  war  die  saprophile 
Oscillatoria  chlorina  Kützing  nicht  selten. 


242  Werner  Magnus  und  Hans  Friedenthal: 

Familie  Beggiatoaceae. 
Gattung   Thioploca  Lauterb. 

Fäden  von  heggiatoa-üYi\gQvt\  Habitus,  mit  reichlichen  Schwefel- 
körnern, beweglich,  in  oft  beträchtlicher  Zahl  parallel  nebeneinander 
verlaufend,  zu  seilartigen  Bündeln  vereinigt  und  verflochten.  Nach 
aussen  umschlossen  von  weit  abstehenden  farblosen  Gallertröhren, 
meist  mit  Schlammpartikeln  inkrustiert  und  bisweilen  mit  ring- 
förmigen Einschnürungen  versehen. 

Thioploca  Schmidlei  Lauterb.     Mit  den  Charakteren  der  Gattung. 

Zellen  der  Fäden  5 — 9  ju  dick,  1  — lYomal  so  lang  als  breit, 
Gallertschläuche  50  — 160  fi  dick,  bis  mehrere  Centimeter  lang. 

Vorkommen:  Untersee  des  Bodensees  in  der  Gegend  von 
Ermatingen,  in  15 — 20  m  Tiefe  das  Innere  des  kalkreichen  Grund- 
schlicks durchziehend. 

Ludwigshafen  a.  Khein-Heidelberg,  Mai  1907. 


36.    Werner  Magnus  und  Hans  Friedenthal:   Über  die 
Specificität  der  Verwandtschaftsreal<tion  der  Pflanzen. 

EiniresaDSCii  am  21.  Mai  1907. 


In  einer  früheren  Mitteilung^)  wurde  gezeigt,  dass  Presssäfte 
von  Pilzen,  die  in  die  ßlutbahn  von  Kaninchen  eingeführt  wurden, 
das  l^lutserum  nach  einiger  Zeit  so  veränderten,  dass  es  nach  Zusatz 
geringer  Mengen  des  zur  Vorbehandlung  dienenden  Saftes  Nieder- 
schläge (Präcipitine)  erzeuj^te.  Aus  den  Erfahrungen  bei  der  Vor- 
behandlung der  Kaninchen  mit  Sera  anderer  Tierarten  und  mit 
einigen  tierischen  eiweissartigen  Stoften  hatten  wir  geschlossen, 
dass,  falls  das  Serum  eines  mit  Pflanzenpresssaft  vorbehandelten 
Tieres  mit  dem  Presssaft  einer  anderen  Pflanze  gleichfalls  Präcipitine 
bilde,  diese  Tatsache  einen  Rückschluss  auf  ihre  natürliche  Verwand- 
schaft gestatte.  So  wurde  aus  unseren  Versuchen  mit  dem  Presssaft 
der  Hefe,  Trüffel  und  Champignon  gefolgert,  dass  Hefe  mit  Trüffel 
näher  verwandt,  als  beide  mit  Champignon  seien.  — 


1)  Werner  Magnus  und  Hans  Friedenthal:  Ein  experimcuteller  Nach- 
Aveis  natürlicher  Vcrwandschaft  bei  Pflanzen.     Diese  Berichte  XXIV,  S    GOlff.  190G. 


über  die  Specificität  der  Verwandtschaftsreaktion  der  Pflanzen.  243 

Es  war  aber  schon  in  unserer  ersten  Mitteilnng  nicht  unerwähnt  ge- 
blieben, dass  KOWARSKI^)  aus  Inimunisierungsversuchen  an  Kaninchen 
mit  Albumosen  höherer  Pflanzen  geschlossen  hatte,  dass  jiflanzliche 
Eiweisskörper  wahrscheinlich  nicht  so  verschieden  seien,  wie  tierische, 
da  er  z.  B.  mit  dem  Serum  von  mit  Weizenalbumose  behandelten 
Kaninchen  anch  eine,  allerdings  schwache,  Präcipitinreaktion  mit 
Erbsenalbumose  erhielt.  Mit  dem  Serum  des  verwandtschaftlich 
jedenfalls  unverhältnismässig  näherstehenden  Hafer  hatte  er  dagegen 
keine  Keaktiou  erhalten.  Wären  diese  Beobachtunoen  richtis:,  so 
müsste  man  der  Beweiskraft  der  Yerwandschaftsreaktion  bei  Pflanzen 
das  grösste  Misstranen  entgegenbringen  und  sie  zumal  für  die 
höheren  Pflanzen  als  nicht  verwertbar  erachten.  —  Ehe  daher  der 
Ausarbeitung  der  verwandschaftlichen  Beziehungen  einer  speziellen 
Pflanzengruppe  näher  getreten  werden  konnte,  galt  es  nachzuprüfen, 
ob  wirklich  zwischen  systematisch  augenscheinlich  so  entfernt 
stehenden  Pflanzen  wie  Weizen  und  Erbse  die  Präcipitinreaktion 
positiv  ausfiele,  weiterhin  überhaupt  für  verschiedene  Pflanzenformen, 
zumal  für  höhere  Pflanzen,  den  Geltungsbereich  der  Reaktion  zu 
stammesgesehichtlich  voraussichtlich  näher  oder  entfernter  stehenden 
Formen  zu  ermitteln.  —  KOWARSKI  hatte  die  Weizenalbumoselösung 
so  gewonnen,  dass  er  Weizenmehl  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
(0,9  pCt.)  behandelte,  die  erhaltene  Albuminlösung  auf  dem  Wasser- 
bade auf  64  —  70°  erhitzte  und  klar  filtrierte.  Das  Filtrat  ergab 
deutliche  Albumosenreaktion.  — 

Für  die  Zuverlässigkeit  der  Präcipitinreaktion  zum  Nachweis 
natürlicher  Yerwandschaft  erschien  es  uns  notwendig,  möglichst  alle 
eiweissartigen  Stoffe  der  Pflauze  in  Wirksamkeit  treten  zu  lassen. 
So  behandelten  wir  das  —  um  eine  etwaige  Beimeno-uno'  fremder 
Stoff"e  zu  vermeiden  - —  aus  Samen  selbst  gemahlene  Mehl  von  Weizen 
und  Erbse  mit  physiologischer  Kochsalzlösung,  um  alle  diejenigen 
Stoffe  zu  extrahieren,  die  überhaupt  in  der  der  Lösung  isotonischen 
Serumflüssigkeit  lösbar  sein  könnten.  Die  zur  Anstellung  der  Reaktion 
dienenden  Samenextrakte  wurden,  um  jede  Spur  von  vorhandener 
Trübung,  die  leicht  die  Quelle  von  Täuschungen  hätte  sein  können, 
zu  entfernen,  in  der  Saugflasche  unter  Druck  durch  REICHEL'sche 
Tonfilter  filtriert,  wodurch  sie  wasserklar  erhalten  wurden.  Dann 
wurden  sie  wieder  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  versetzt. 
Während  der  Weizenextrakt  klar  blieb,  trübte  sich  der  Erbsenextrakt. 
Es  wurde  so  lange  verdünnt  und  wieder  filtriert  bis  keine  Fällung 
beim  Zusatz  von  Kochsalzlösung  mehr  eintrat.  —  Der  Eiweissg-ehalt 
des  Weizenextraktes  betrug  geschätzt  nach  dem  Albuminimeter  nach 


1)  KoWARSKI:    tiber    den    Nachweis    pflanzlichen    Eiweiss    auf   biologischem 
Wege.    Deutsch,  med.  Wochenschrift  XXVII,  S.  442.  1901. 


244 


Werner  Magnus  und  Hans  Friedenthal: 


ESBACH  0,06 — 0,1  pCt.,  der  zur  Injektion  dienende  Erbsenextrakt 
enthielt  0,7  pCt.  Eiweiss,  während  der  zur  Reaktion  dienende  auf 
das  Zehnfache  verdünnt  war.  —  Die  Injektionsflüssigkeiteu  wurden 
mit  Soda  sch\vach  alkalisch  gemacht.  — 

Die  Untersuchung  der  Sera  des  in  der  folgenden  Tabelle  re- 
gistrierten Versuches  mit  Weizen-  und  Erbsentier  geschah  gleich- 
zeitig. Die  Sera  hatten  sich  aus  dem  in  erwcärmten  Zylindern  auf- 
gefangenen Blut  im  Eisschrank  nach  acht  Stunden  klar  abgesetzt. 
Sie  wurden  durch  REICHEL'sche  Toufilter  filtriert,  um  jede  Spur 
einer  durch  suspendierte  Blutkörperchen  etwa  vorhandenen  Trübung 
zu  vermeiden.     Sie  waren  danach  wasserklar. 


Anfangsgewicht  .    .    . 

Gewicht  bei  Blutentnahme 

Zeit  der  Behandlung    .    . 

Summe  des  injizierten  Ex- 
trakts     

Anzahl  der  Injektionen    . 

2   ccin    Antiserum  +  0,02 
VVeizenextrakt     .    . 

2    ccm   Antiserum   +  0,02 
Erbsenextrakt  .... 


^Yeizentier 

Erbsentier 

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2500.9 

0,02  Erbsen- 

2000 g^) 

2400  (/ 

extrakt  resp. 

60  Tage 

22  Tage 

Weizenextrakt 

210  rem 
sechsmal 

.50  coa 
zweimal 

in  2  ccm 
0,1)  pCt.  Koch- 
salzlösung 

sehr  dichte  Trübung 

wasserklar 

=  wasserklar 

wasscrklar 

sehr  dichte  Trübung 

Der  Versuch  zeigt  mit  voller  Schärfe,  einmal,  dass  auch  für 
höhere  Pflanzen  die  Präcipitinreaktion  eintritt,  und  zweitens,  dass  sie 
jedenfalls  für  systematisch  so  fernstehende  Formen  wie  Weizen  und 
Erbsen  selbst  nach  relativ  langer  und  intensiver  Behandhing  spe- 
zifisch ist.  — 

Um  die  Präcipitinreaktion  für  systematische  Zwecke  bei  höheren 
Pflanzen  verwerten  zu  können,  würde  eine  Specifität  in  so  weiten 
Grenzen  wie  Weizen  und  Erbsen  naturgemäss  nur  selten  von  Wert 
sein.  AVir  untersuchten  daher  an  einer  Reihe  von  Beispielen,  bei 
welchen  voraussichtlich  verwandtschaftlich  nahe  stehenden  Pflanzen 
die  Präcipitinreaktion  auch  nicht  spurenweise  mehr  eintritt.   — 

Aus  den  in  folgenderTabelle  dargestellten  Versuchen,  bei  denen  nur 
absolut  sichere  Fälle  sowohl  hinsichtlich  des  Auftretens  als  des  Aus- 
bleibens der  Präcipitine  berücksichtigt  wurden,  darf  wohl  mit  Sicher- 
heit geschlossen  werden,  dass  die  Specificität  der  Präcipitinreaktion 
unter  Umständen  eine  sehr  weitgehende  ist.  Da  anfänglich  eine  solche 
Specificität    nicht    erwartet    wurde,     und     darum    nur    relativ    weit- 


])  Dem  Weizentier   war   schon   am   21.  Tage    der  Behandlung   reichlich  Blut 
entnommen  worden. 


über  die  Specificität  der  Verwandtschaftsreaktion  der  Pflanzen. 


245 


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246  "VV.  Magnus  und  H.  Friedenthal:  Specificität  der  Verwandtschaftsrcaktion. 

stehende  Formen  geprüft  wurden,  bewegt  sie  sich  voraussichtlich  in 
vielen  Fällen  in  noch  engeren  Grenzen.  —  Es  kann  jedenfalls  nicht 
davon  die  Rede  sein,  dass  pflanzliche  Eiweissstoflfe  weniger  spezifisch 
reagieren  wie  tierische.^)  Eher  ist  das  Gegenteil  der  Fall  und  es 
wäre  nicht  unmöglich,  dass  sich  hieraus  öfters  gewisse  Schwierigkeiten 
für  die  praktische  Anwendung  zu  systematischen  Zwecken  ergeben 
werden.  Doch  auch  sie  sind  nicht  als  allzu  schwerwiegend  zu  be- 
trachten, da  die  Specificität  der  Präcipitinreaktion  durch  mancherlei 
in  der  Serumtherapie  ausgebildete  Methoden,  wie  etwa  durch  die 
der  „Komplementablenkung"  abschwächbar  ist.  —  Die  Hauptschwierig- 
keit bei  der  Yerwandschaftsreaktion  der  Pflanzen  gegenüber  der  der 
Tiere  scheint  vielmehr  darin  zu  liegen,  dass  in  jedem  einzelnen  Falle 
der  zur  Serumbehandlung  dienende  Pflauzensaft  verschieden  her- 
zustellen und  erst  auf  seine  Eigenschaften  zu  prüfen  ist,  während  bei 
höheren  Tieren  im  Blut  oder  der  Blutflüssigkeit  ein  mehr  weniger 
gleichartiges  Impfmaterial  vorliegt.  —  Um  eine  einigermassen  für  die 
Präcipitinbildung  vergleichbare  Pflanzeulösung  zu  erhalten  und  zu- 
gleich um  stets  die  zu  prüfenden  Pflanzen  vorrätig  zu  haben,  wurde 
letzthin  so  vorgegangen,  dass  die  Säfte  möglichst  schnell  auf  Fliess- 
papier eingetrocknet  und  dieses  unter  Chlorcalcium  in  dunklen 
Flaschen  aufbewahrt  wurde.  Zur  Anstellung  der  Reaktion  werden 
Stücke  eines  solchen  Fliesspapiers  etwa  eine  Viertelstunde  in  phy- 
siologischer Kochsalzlösung  gelöst  und  der  Extrakt  klar  filtriert.  So- 
weit  wir  bisher  bei  der  relativ  kurzen  Aufbewahrungszeit  sehen 
konnten,  tritt  keine  Vernichtung  der  Wirkung  durch  diese  Behand- 
lung ein.  —  Niemals  sollte  aber  bei  Anstellung  von  Verwandt- 
schaftsreaktionen mit  Pflanzen  die  Kontrolle  mit  Normalserum  und 
mit  physiologischer  Kochsalzlösung  ausser  Acht  gelassen  werden,  ebenso 
wie  die  Filtration  durch  Tonkerzen,  statt  deren  in  vielen  Fällen 
auch  sehr  dichte  Papierfilter  z.  B.  No.  602  hart  und  extra  hart  von 
Schleicher  und  SCHÜLL  verwendet  werden  können,  zur  Erreichung- 
absolut  klarer  Flüssigkeiten.  Statt  des  Serum  eines  Normaltieres 
wird  in  der  Praxis,  wie  es  auch  zumeist  von  uns  geschah,  vorteil- 
haft das  Serum  eines  Tieres  verwendet  werden,  das  mit  einer  syste- 
matisch sehr  entfernt  stehenden  Pflanze  behandelt  ist;  auf  diese 
Weise  können  zwei  Versuchsreihen  zu  gleicher  Zeit  angestellt 
werden. 

Die  Verwandschaftsreaktion  für  systematische  Zwecke  sind 
wir  im  Begriff  für  die  natürliche  Gruppierung  der  Gramineen- 
abteilungen im  speziellen  auszuarbeiten. 


1)  Zur  Ergänzung  der  früher  angeführten  Phytopräcipitinc  mag  darauf  hin- 
gewiesen werden,  dass  nach  CiTEOX:  Über  das  Verhalten  der  Favus-  und  Tricho- 
phjtenpilze  im  Organismus,  Zeitschrift  f.  Hygiene  und  Infektionskrankheiten  Bd.  49, 
S.  1201f.  1905,  alle  favusartigen  Pilze  gleichartige  Präcipitinc  ergeben. 


^r.  AIÖBIUS:  Notiz  über  scblaiichbildcnde  Diatomeen.  247 

Die  Specificität  der  Reaktion  dürfte  aber  auch  für  eine  Reihe 
praktischer  Fragen  nicht  bedeutungslos  sein,  wo  es  sich  um  die 
Uij.terscheidung  pflanzlicher  Produkte  liandelt.  —  Die  jetzt  häufig 
Torkonimende  Vermengung  des  Weizenmehls  mit  Castormehl  (Mehl 
von  Vk'i((  Faba),  das  in  kleineren  Mengen  mikroskopisch  nicht  nach- 
Aveisbar  ist\),  lässt  sich,  wie  sich  schon  aus  den  oben  angeführten 
Erbsen-Weizenversuch  ergibt  und  wie  an  anderer  Stelle  mit  aus- 
führlicherer  Angabe  der  zu  verwendenden  Methoden  geschildert 
werden  soll,  durch  die  Präcipitinmethode  mit  Sicherheit  feststellen. 
Das  gleiche  gilt  höchstwahrscheinlich  für  die  in  Amerika  vielfach 
geübte  Yermengung  mit  Maismehl  und  vermutlich  auch  durch  volu- 
metrische  Messung  der  auszentrifiigierten  Präcipitinniederschlägen  in 
graduierten  Capillarröhreu")  für  die  mit  (Jerstenmehl;  ähnliches  gilt 
für  die  Verunreinigungen  des  Roggenmehles. 

Privatlciboratorium  von  HaNS  FRIEDENTHAL ,  Nicolassee  bei 
Berlin  und  Botanisches  Institut  der  Könii*!.  landwirtschaftlichen  Hoch- 
schule  zu  Berlin. 


37.  M.  Möbius:  Notiz  über  schiauchbiidende  Diatomeen  mit 

zwei  verschiedenen  Arten. 

Mit  einer  Abbildung. 


Eingegangen  am  22.  Mai  1907. 


Vor  längerer  Zeit  hatte  ich  bei  der  Untersuchung  javanischer 
Algen  Gelegenheit,  in  den  Schläuchen  von  Homoeocladia  Martiana 
ein  Schizonema  zu  finden,  dessen  Zellen  teils  vereinzelt,  teils  in 
längeren  Ketten  zwischen  den  Homoeocladia-ZeWen  auftraten.  Ich 
habe  die  Sache  damals  in  meinem  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Aliien- 
flora  Javas  (diese  Berichte,  1893,  Bd.  XI,  S.  131)  veröffentlicht,  es 
ist  mir  aber  nicht  bekannt  geworden,  dass  jemand  Notiz  von  meiner 
Beobachtung  genommen  oder  etwas  ähnliches  beobachtet  hätte.      Da 


1)  \Yir  verdanken  diese  Angaben  Herrn  Dr.  BuCHWALD,  Abteilungsvorstelier 
■des  Instituts  für  Getreideverwertuug. 

2)  Nach  HAMBURGER:  Zur  Untersuchung  der  qualitativen  Verhältnisse  bei 
der  Prcäcipitiureaktion  Folia  /uiematologica  II,  p.  539.  1905.  Wir  erhielten  im 
Serum  der  Weizentiere  mit  Weizenmehl  24,  mit  Eoggenmehl  11,  mit  Gerstensaft 
4  Teilstriche  der  Röhre  Niederschlagsmengen,  doch  verfügten  wir  nur  über  eine 
relativ  geringe  Zentrifugalkraft. 


248  ^^-  MöBius: 

ich  nun  jetzt  wieder  eine  solche  Vermischung  zweier  Diatomeen- 
Arten  in  demselben  Schlauche  gefunden  habe,  so  erlaube  ich  mir, 
diesen  Fall  hier  mit  einigen  Figuren  zu  beschreiben.  Merkwürdiger- 
weise liegt  das  Verhältnis  hier  umgekehrt,  wie  bei  der  javanischen 
Form,  da  eine  Homoeocladia  in  den  Schläuchen  von  Schizonema  vor- 
kommt. Das  Material  verdanke  ich  Herrn  Dr.  RÖMER,  Direktor 
des  Senckenbergischen  Museums  hier,  der  es  auf  seiner  Nordlands- 
reise 1898  in  einem  See  der  Insel  Kildin  an  der  Nordküste  Lapp- 
lands selbst  gesammelt  hat.  Dieser  See  ist  ein  Relictensee  und 
Herr  Dr.  RÖMER  wollte  wissen,  ob  die  in  zwei  Gläsern  gesammelten 
Algen  mehr  den  marinen  oder  mehr  den  Süsswassertypus  repräsen- 
tierten. Ich  fand  in  der  Tat  ein  merkwürdiges  Gemisch  von 
marinen  Algen  (Stictyosiphon,  Ectocarpus^  Pohjsiphonia  u.  a.), 
brackischen  (z.  B  Spirulina  suhsalsa)  und  echten  Süssw^asserformen 
(Botri/ococcus,  Scenedesmus,  Pediastrum  u.  a.),  abgesehen  von  den 
Diatomeen.  Das  Plankton  ist  von  P.  T.  ClevE  und  A.  K.  LiNKO 
bearbeitet  worden  und  wird  an  anderer  Stelle  publiziert  werden, 
dort  werden  auch  die  meisten  Diatomeen  Erwähnung  finden. 

Zwischen  den  grösseren  Algen  fand  ich  nun  auch  mehrere 
schlauchbildende  Diatomeen  und  es  fielen  mir  sogleich  Schläuche 
auf,  die  zweierlei  verschiedene  Arten  einschliessen,  eine  grössere, 
die  ich  als  Scldzonema  Gi^evülei  Ag.  bestimmte  und  eine  kleinere, 
stabförmige,  die  einer  Nitzsclda  oder  kleinen  Homoeocladia  ähnlich 
ist.  Da  ich  in  der  Kunst,  Diatomeen  zu  bestimmen,  nicht  genug 
eingearbeitet  bin,  so  sandte  ich  eine  Probe  des  Materials  an  Herrn 
Chr.  BROCKMAiSN  in  Lehe  und  erhielt  von  diesem  Herrn  auf  meine 
Bitte  freundliche  Auskunft,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle 
danke.  Er  bestätigte  zunächst,  dass  die  grössere  Diatomee 
Schizonema  GreviUei  sei,  von  der  kleineren  Art  Hess  er  es,  da  keine 
selbständigen  Schläuche  von  ihr  vorhanden  seien,  unbestimmt,  ob  es 
eine  echte  Homoeocladia  oder  eine  Nitzschia  sei,  in  letzterem  Falle 
würde  sie  der  Nitzschia  dissipata  (Kg.)  Grün.  var.  media  am  nächsten 
stehen.  Sie  ist  etwa  30  f.i  lang  und  4  /(  breit  und  meiner  Ansicht 
nach  auch  sehr  ähnlich  der  kleinen  Form  von  Homoeocladia  filiformis,. 
die  Smith  in  seiner  Synopsis  of  the  British  Diatomaceae,  vol.  H, 
p.  80,  beschrieben  und  auf  Taf.  LV,  Fig.  348/5  abgebildet  hat;  die 
Maasse,  die  SMITH  für  diese  Form  angibt:  0,0018"  (45,7  fx)  lang  und 
0,0002"  (5  /t)  breit,  sind  immer  noch  etwas  grösser  als  die  von  mir 
gefundenen.  Ich  möchte  noch  darauf  aufmerksam  macheu,  dass 
Homoeocladia  filiformis  eine  Bew^ohnerin  des  brackischen  AVassers  ist, 
die  Speciesfrage  hinsichtlich  der  vorliegenden  Form  aber  offen 
lassen. 

Von  Schizonema  Gremilei   habe    ich    nui"    kleinere    oder  grössere- 
Stücke  von  Schläuchen  gefunden,    da    die    verschiedenen  Algenfäden 


Notiz  über  schlauchbildende  Diatomeen  mit  zwei  verschiedenen  Arten.     249 

sehr  niiteiiiander  verfilzt  waren  und  überhaupt  von  den  faden- 
förmigen Algen  wohl  infolge  der  Konservierung  oder  des  Transportes 
nur  Bruchstücke  vorlagen.  Die  Grösse  der  Zellen  ist  ziemlich  ver- 
schieden und  variiert  in  der  Länge  zwischen  40  und  70  ,i<,  die 
Breite  beträgt  bis  zu  20  /t,  in  verschiedenen  Schläuchen  findet  man 
verschieden  grosse,  aber  untereinander  ziemlich  gleiche  Exemplare. 
Wo  die  Schläuche  schmäler  sind,  bilden  die  Zellen  eine  Reihe,  an 
dickeren  Stellen  liegen  mehrere  nebeneinander  (Fig.  1  unserer  Ab- 
bildung). —  Sehr  verschieden  ist  nun  auch  die  Verteilung  der  fremden 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


Fig.  B 


Fig.  4. 


Art  zwischen  die  Schizonema  -  Zellen,  manchmal  kommt  sie  nur 
vereinzelt  vor,  nicht  selten  sieht  man  Stellen,  wo  die  Reihe  von 
ScMzonema-7^e\\Qr\,  von  der  Schalenseite  gesehen,  auf  zwei  Seiten 
von  zwei  Reihen  der  fremden  Art  eingefasst  ist,  wie  es  Fig.  3 
unserer  Abbildung  zeigt,  während  Fig.  2  ungefähr  denselben  Zu- 
stand, die  Schizonema-LQWew  von  der  Gürtelbandseite  gesehen,  zeigt. 
Die  Nitzschia  oder  Homoeocladia  kann  dann  immer  stärker  auftreten, 
so  dass  sie  fast  den  ganzen  Schlauch  ausfüllt  und  nur  noch  einzelne 
Schizonema-TjeMen.  dazwischen  übrig  bleiben,  wie  in  Fig.  4,  schliess- 
lich fehlen  auch  diese  streckenweise,  so  dass  man  glauben  könnte, 
wenn  man  nur  diese  Stelle  im  Mikroskop  sieht,  es  mit  einem  reinen 
iZo??iogoc/a<im-Schlauch  zu  tun  zu  haben. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  j^g 


250  "  P-  MAGNUS: 

Schliesslich  will  ich  noch  erwähnen,  dass  ich  ganz  vereinzelt  in 
den  Schläuchen    von  Schizonema  Grevillei    auch    kleine    Zellen    eines 
anderen,    viel  kleineren  Hcliizonema  (?)    gefunden    habe.      Es    waren 
nämlich    ausser    Schizonema    Grevillei     auch    andere    Schläuche    mit 
anderen,    kleineren    Arten    vorhanden.       Hierzu    sei    noch    bemerkt, 
dass    die    chemische    Substanz    der    Schläuche    verschiedener    Arten 
chemisch    verschieden    sein    kann.      Wiederholt    nämlich    habe    ich 
folgende  Beobachtung    gemacht.      Legt    man    das  Algenfädengemisch 
in  einen  Tropfen  Methylenblaulösung,  so  färbt  sich  nach  kurzer  Zeit 
alles  tief  blau,    bringt    man    dann    aber  ein  schwaches  Alkali    hinzu, 
wozu  ich  essigsaures  Kali  benutzte,    so    tritt  eine  Differenzierung  in 
der  Färbung  der  Diatomeenschläuche  ein,  indem  die  von  Schizonema 
Grevillei,    mögen    sie    rein    oder    mit    der  fremden  Art  infiziert  sein, 
blau  bleiben,   während  andere  dünnere  Schläuche  mit  anderen  Arten 
einen  rötlichen  Ton  annehmen.      Vielleicht    können    die  Diatomeen- 
forscher in  Zukunft  die  Färbung  der  Schläuche  mit    zur  Charakteri- 
sierung der  Arten,    die    solche    bilden,    verwenden.      Yor  allem  aber 
möchte  ich    die  Aufmerksamkeit    auf   die  Erscheinung    lenken,    dass 
die  Schläuche  einer  bestimmten  Art  auch  andere  Arten  beherbergen 
können,  und  zu  einer  genaueren  Erforschung  dieser  Erscheinung  an- 


regen. 


Frankfurt  a.  M.  1907, 


38.  P.Magnus:  Beitrag  zur  morphologischen  Unterscheidung 
einiger  Uromyces-Arten  der  Papih'onaceen. 

Mit  Tafel  IX. 


Eingegangen  am  28.  Mai  1907. 


Bei  der  Fortsetzung  meiner  Studien  über  die  Pilze  Tirols, 
Graubündens  und  Frankens  musste  ich  zur  schärferen  Umgrenzung 
des  Artbegriffes  einige  auf  Yicieen  auftretende  Urowi/ces  -  Arten  ge- 
nauer untersuchen  und  gelangte  dadurch  zu  einer  etwas  geänderten 
Auffassung  der  Arten  als  früher. 

Im  Ersten  Verzeichnis  der  Pilze  des  Kantons  Graubünden 
(XXXIV.  Jahresbericht  der  Naturf.  G eselisch.  Graubündens,  Chur 
1890)  gab  ich  an,  dass  ich  auf  Vicia  tenuifolia  bei  Vulpera  einen 
Uromyces  beobachtet    habe,    den    ich    in  Übereinstimmung    mit    dem 


Morphologische  Unterscheidung  einiger  Uromyces-Arten  der  Papilionaceen.   251 

von  mir  angefragten  Oberstabsarzt  Dr.  SCHROETER  als  dessen 
Uromijces  striatus  bezeichnete.  ED.  FISCHER  hat  ihn  in  seinen 
Ui'ßdineen  der  Schweiz  (Bern  1904),  S.  35,  vorLäufig  zu  Uromyces 
Euphorbiae  corniculatae  E.  Jordi  gestellt,  den  JORDI  auf  Grund  seiner 
Kulturversuche  von  Urovii/ces  striatus  Schroet.  abgetrennt  hatte. 
Dass  er  nicht  zu  dieser  Art  gehört,  mochte  schon  aus  JORDl's 
Kulturversuchen  und  den  Charakteren  des  Epispors  der  Teleuto- 
s]>oren  und  deren  geringere  Grösse  folgen  (s.  E.  JORDI,  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  Papilionaceen  bewohnenden  Uromyces- Arten,  Central- 
blatt  für  Bakteriologie  usw.,  II.  Abt.,  XI.  Bd.,  1904). 

Zum  genaueren  Studium  dieses  Pilzes  wurde  ich  wieder  ver- 
anlasst, als  ich  von  Herrn  Kgl.  Oberstabsveterinär  AUG.  SCHWARZ 
in  Nürnberg  schönes  reichliches  Material  einer  von  ihm  in  der 
bayerischen  Oberpfalz  bei  Kastl  und  Lauterhofen  im  August  ge- 
sammelten Uromyces  auf  Lens  esculenta  Mnch.  (=  Ervum  Lens  L.) 
erhielt.  Auch  auf  dieser  Wirtspflanze  ist  der  Uromyces  als  Uromyces 
striatus  Schroet.  bestimmt  worden  und  unter  diesem  Namen  in 
Sydow  üredineen  Nr.  355  aus  Prencov  in  Ungarn  von  KmeT  ge- 
sammelt ausgegeben  worden. 

Ich  beschreibe  zunächst  den  Uromyces  auf  Vicia  tenuifolia  von 
Tarasp  im  Unterengadin. 

Die  Teleutosporen  des  Uromyces  sind  durch  schöne  Leisten  auf 
dem  Epispor  ausgezeichnet  (s.  Taf.  IX,  Fig.  3-6).  Diese  Leisten 
laufen  immer  in  der  Längsrichtung  der  Teleutospore.  Sie  gehen 
vom  warzig  hervorspringenden  apicalen  Keimporus  oft  unver- 
zweio;t  oder  zum  o-rössten  Teile  unverzweigt  und  blos  in  der 
Nähe  des  Äquators  anastomosierend  über  den  Sporenkörper  (siehe 
Fig  3 — 5).  Aber  häufig  anastomosieren  sie  auch  an  zahlreichen 
Stellen  über  der  ganzen  Oberfläche  der  Spore  und  bilden  dann  ein 
mehr  oder  minder  regelmässiges  Netz  mit  kleineren  oder  grösseren 
Maschen  (s.  Fig.  6).  Die  Sporen  sind  durchschnittlich  25  /*  lang 
und  19  /(  breit.  Sie  sind  begleitet  von  kugeligen  Uredosporen,  an 
denen  ich  meist  fünf  Keimporen  beobachtete  (s.  Fig.  1  und  2), 
über  deren  Laoe  ich  aber  nicht  ins  Klare  kam,  da  ich  nicht  den 
Stielansatz  zu  Gesicht  bekam.  Ich  habe  schon  1.  c.  bemerkt,  dass 
ich  in  der  Nähe  des  Standortes  Aecidien  auf  Euphorbia  cyparissias 
beobachtete,  und  sprach  die  Vermutung  aus,  dass  dieser  Uromyces 
auf  Evphorbia  Cyparissias  sein  Aecidium  bilden  möchte. 

Mit  diesem  Uromyces  ist  höchstwahrscheinlich  identisch  der 
Uromyce-i  Viciae  Craccae  Constant.,  den  J.  C.  CONSTANTINEANU  1904 
in  den  Annales  Mycologicae,  Vol.  II,  Nr.  3,  beschrieben  hat.  Er  fand 
ihn  auf  Vicia  Cracca  L.  im  September  in  der  Umgegend  von  Jassy. 
Die  Teleutosporen  sind  ebenfalls  durch  den  scharf  vorspringenden 
apicalen  Keimporus  und    die   längsverlaufenden    zuweilen    anastomo- 

18* 


252  P-  MAGNUS: 

sierenden  Leisten  des  Epispors  ausgezeichnet.  Auch  ihre  Grösse 
(21,6  —  27  ju  lang  und  22,2  ju  breit)  stimmt  gut.  Zwar  gibt 
CONSTANTINEANU  an,  dass  seinem  Uromi/ces  die  Uredosporen  fehlen, 
weshalb  er  ihn  zu  Microuromyces  oder  Leptowomyces  gestellt  wissen 
will.  Aber  da  er  ihn  im  September  bei  Jassy  gesammelt  hat,  waren 
wahrscheinlich  die  Uredosporen  schon  alle  abgefallen,  und  die  von 
ihm  beschriebenen  fadenförmigen  Paraphysen,  die  ich  ebenfalls  an 
meinem  Funde  nicht  beobachtete,  möchten  die  stehengebliebenen 
Sterigmen  der  Uredosporen  sein,  von  denen,  nachdem  sie  aus- 
gewachsen waren  und  die  reifen  Uredosporen  über  die  Oberfläche 
des  Lagers  gehoben  hatten,  die  Uredosporen  abgefallen  waren.  Ich 
glaube  daher  meinen  Uromyces  auf  Vicia  tenuifolia  von  Tarasp  zum 
Uromyces   Viciae  Craccae  Constant.  ziehen  zu  müssen. 

Mit  dem  Uromyces  auf  Vicia  tenuifolia  stimmt  vollständig  über- 
ein der  schon  erwähnte  Uromyces  auf  Lens  esculenta  Mnch.,  den  Herr 
Oberstabsveterinär  A.  SCHWARZ  in  der  bayerischen  Pfalz  und  Herr 
Pfarrer  KmeT  bei  Prencov  in  Ungarn  gesammelt  haben  (siehe 
Fig.  7 — 12).  Er  stimmt  in  dem  charakteristischen  Keimporus  (siehe 
Fig.  8  —  10;  in  Fig.  11  ist  der  Keimporus  nicht  sichtbar,  weil  er 
etwas  schräg  auf  der  abgewandten  Seite  des  Scheitels,  etwa  wie  in 
Fig.  12,  liegt).  Auch  die  Uredosporen  stimmen  überein.  Ich 
kann  keinen  Unterschied  finden,  so  sehr  ich  mich  auch  bemühte. 
Ich  muss  sie  daher  für  dieselbe  Art  gelten  lassen,  wenn  auch  Kultur- 
versuche wahrscheinlich  eine  biologische  Verschiedenheit  der  auf 
den  verschiedenen  Wirtspflanzen  und  an  den  verschiedenen  Lokali- 
täten auftretenden  Formen  dartun  möchten. 

Von  Herrn  Professor  Dr.  A.  HeiMERL  in  Wien  erhielt  ich  eine 
sehr  schöne  Kollektion  von  ihm  bei  Vahrn  in  Südtirol  gesammelter 
Pilze.  Unter  denselben  fanden  sich  ein  Uromyces  auf  Vicia  hirsuta 
und  ein  Uromyces  auf  Vicia  Cracca  aus  Brixen.  Anfänglich  hielt  ich 
sie  für  Uromyces  Fisi  (Pers.)  De  By.  Ich  fand  dann  aber  konstante, 
wenn  auch  nur  geringe,  Unterschiede  der  Teleutosporen.  Diese 
Unterschiede  sind  mir  um  so  interessanter,  als  JORDI  in  der  vorne 
angeführten  Arbeit  durch  seine  Kulturversuche  eine  Spezialisierung 
des  Uromyces  Pisi  (Pers.)  einerseits  auf  Vicia  Cracca  und  anderer- 
seits auf  Lathyrus  pratensis  und  Fisum  sativum  nachwies.  Da 
ich  auch  konstante,  wenngleich  geringe  morphologische  Unter- 
schiede der  Teleutosporen  nachweisen  kann,  so  muss  ich  den 
Uromyces  auf  Vicia  Cracca  und  Vicia  hirsuta  als  eine  eigene  neue 
Art  bezeichnen,  den  ich  nach  dem  um  die  Kenntnis  der  Uromyces- 
Arten  der  Papilionaceen  hochverdienten  Herrn  Dr.  ERNST  JORDI 
Uromyces  Jordianus  P.  Magn.  benenne.  Vielleicht  liegen  auch  zwei 
verschiedene  Arten  auf  diesen  beiden  Vielen  vor,  da,  wie  ich  zeigen 
werde,  die  Teleutosporen  auch  einige  geringe  morphologische  Unter- 


Morphologische  Unterscheidung  eiuiger  Urom3'ces- Arten  der  Papilionaceen.   253 

schiede  aufweisen.  Dann  würde  ich  den  Uromi/ces  von  Vicia  Cracca 
als  Uromi/ces  Jordianus  P.  Magn.  bezeichnen,  während  ich  den  von 
Herrn  Professor  HeimerL  auf  Vicia  hirsuta  bei  Brixen  o-esammelten 
TJromyces  Heimerlianus   P.  Magn.    als    Art    oder    als  Form    benenne. 

Der  Unterschied  der  Teleutosporen  liegt  in  deren  Grösse,  im 
Charakter  des  Keimporus  und  der  Bewarzung  des  Epispors.  Der 
Keimporus  (s.  Fig.  23  —  26  und  Fig.  32  —  37  im  Vergleiche  zu  den 
Fig.  13  u.  14  und  17  u.  18)  ist  weit  flacher  und  niedriger,  als  bei 
Uromyces  Pisi  (Pers.)  und  springt  häufig  fast  gar  nicht  vor,  sondern 
verläuft  an  seinen  Seiten  allmählich  in  das  Epispor.  Wenn  er 
hervorspringt,  wie  in  Fig.  35  oder  Fig.  37,  tritt  er  nur  wenig  her- 
vor, und  wird  an  der  Seite  vom  braunen  Epispor  überzogen,  so 
dass  der  hyaline  Teil  nur  wenig  oder  gar  nicht  hervorragt.  Ferner 
ist  die  Bewarzung  viel  feiner  und  dichter,  als  bei  Uromyces  Pisi 
(Pers.).  Auch  sind  die  Teleutosporen  von  Uromyces  Jordianus 
durchschnittlich  etwas  grösser  als  bei  Uromyces  Pisi.  Auf  Vicia 
hirsuta  waren  sie  durchschnittlich  24  tt  lang  und  18,6  /u  breit,  auf 
Vicia  Cracca  28,2  jli  lang  und  22,7  jli  breit,  auf  Pisum  sativum  von 
Brixen  durchschnittlich  25  /.i  lang  und  18  ,u  breit. 

Diese  Unterschiede  der  Teleutosporen  zeigen  sich  auch  schon 
in  den  Abbildungen  Ed.  FisCHER's  1.  c.  S.  29.  Die  beiden  ge- 
zeichneten Sporen  von  Uromyces  Pisi  auf  Vicia  Cracca  sind  grösser 
und  feiner  punktiert,  als  die  dort  abgebildeten  von  Pisum  sativum 
und  der  Keimporus  verstreicht  an  denen  von  Vicia  Cracca  mehr  in 
die  Seiten  und  ragt  kein  hyaliner  Teil  heraus,  während  er  an  dem 
von  Pisum  sativum  meist  als  scharf  abgesetzte  Warze  mit  hyalinem 
Scheitel  gezeichnet  ist. 

Au  den  Uredosporen  vermochte  ich  nicht  Unterschiede  festzu- 
stellen. Dies  liegt  daran,  dass  die  Zahl  der  Poren  an  den  Uredo- 
sporen von  Uromyces  Pisi  (Pers.)  auf  Pisum  sativum  sehr  verschieden 
ist.  In  den  einfachsten  Fällen  waren  oft  drei  Keimporen  im 
Äquator  (s.  Fig.  16),  und  solche  sah  ich  auf  Vicia  hirsuta  (Fig.  30) 
und  Vicia  Cracca  (Fig.  38).  Hierzu  tritt  häufig  ein  apicaler  Keim- 
porus (Fig.  15);  bei  anderen  treten  dann  im  Äquator  4  statt  3  Keim- 
poren auf,  so  das  die  Uredospore  5  Keimporen  hat  (s.  Fig.  19  —  21), 
wobei  Fig.  19  der  apicale  Keimporus  etwas  an  der  Seite  der  Spitze 
sitzt.  Auch  bei  Uromyces  Jordianus  treten  Uredosporen  mit  ebenso 
gelagerten  5  Keimporen  häufig  auf  (s.  Fig.  27,  29  und  31).  Den 
interessantesten  und  kompliziertesten  Fall  bot  mir  die  in  Fig.  22  ab- 
gebildete Uredospore  von  Pisum  sativum.  Die  Spore  ist  stark  ver- 
längert, trägt  einen  apicalen  Keimporus  und  unter  demselben  in 
zwei  Ettgen  zwei  Gürtel  von  Keimporen,  von  denen  der  obere  an 
der  breiteren  Stelle  dreizählig,  der  untere  der  verschmälerten  Basis 
genäherte  zweizählig  ist,   so  dass  die  Spore  im  ganzen  6  Keimporen 


254     P-  MAGNUS:  Morphologische  Unterscheidung  einiger  Uromyces- Arten. 

trägt.  Auch  von  Uromyces  Jordianus  P.  Magii.  ist  in  Fig.  27  eine 
Uredospore  mit  6,  aber  anders  gelagerten  Keimporen,  gezeichnet. 
Bei  dieser  Yariabilität  des  Auftretens  der  Keimporen  konnte  ich, 
wie  gesagt,  keine  Unterschiede  der  Uredosporen  bei  den  beiden 
oder  drei  Arten  feststellen. 

Es  ist  sehr  interessant,  dass  hier  mit  der  von  JORDI  nach- 
gewiesenen biologischen  Verschiedenheit  eine  wenn  auch  geringe 
morphologische  Yerschiedenheit  verbunden  ist.  Ja  vielleicht  sind 
auch,  wie  oben  schon  hervorgehoben,  die  Formen  auf  Vicia  hirsuta 
und  Vicia  Cracca  biologisch  und  konstant  morphologisch  von- 
einander verschieden,  was  erst  Untersuchungen  an  reichlicherem 
Materiale  werden  definitiv  entscheiden  können.  In  der  Tat  zeigten 
sich  die  untersuchten  Teleutosporen  von  Vicia  Cracca  durchschnittlich 
etwas  grösser  als  die  von  Vicia  hirsuta  und  sprang  der  Keimporus 
meist  ein  wenig  mehr  vor  (vgl.  Fig.  23  —  26  mit  Fig.  33  —  37). 

Diese  mit  der  biologischen  Verschiedenheit  eintretende  morpho- 
logische Verschiedenheit  ist  mir  um  so  interessanter,  als  es  mir 
bei  anderen  biologischen  Arten  trotz  darauf  gerichteter  Untersuchung 
nicht  möglich  war,  solche  nachzuweisen,  wie  z.  B.  bei  den 
biologischen  Arten  der  Puccinia  sessilis  Schneid,  auf  Phalaris 
arundinacea. 

Bemerkenswert  ist,  dass  auf  den  F^Wa-Arten  3,  vielleicht  4  oder  ä 
verschiedene  Uromyces  -  Axiew  auftreten,  nämlich  Uromyces  Viciue 
f'raccae,  Uromyces  Jordianus  und  Uromyces  Heimerlianus,  der  autoecische 
Uromyces  Fobae  und  vielleicht  auch  Uromyces  Pisi,  was  erst  weitere 
Untersuchungen  entscheiden  können. 

Die  beigegebenen  Figuren  hat  Herr  Dr.  P.  ROESELER  nach  der 
Natur  gezeichnet. 


Erklärnu^  der  Abbilduugeii. 


Fig.  1 — G.     Uromyces    Viciae  Craccae  Cohstant.  auf  Vicia  ienuifolia  von  Tarasp. 
„     1-2.     Uredosporen,  Verg.  765. 
„    3 — G.    Teleutosporen,  Vergr.  7G5. 
„     7 — 12.     Uromyces    Viciae  Craccae  Constant.  auf  Lms  esculenla  vom  Südahhange 

des  Calvarienberges  bei  Kastl. 
„     7.     Uredospore,  Vergr.  765. 
„     13  —  16.     Uromyces  Pisi  (Fers.)   De  By.    auf  Fisum  sativum    von    Gross-Lichter- 

felde. 
,,     13  und  14,    Teleutosporen,  Vergr.  765. 
„     15  und  16.     Uredosporen,  Vergr,  765. 
„     17 — 22.     Uromyces    Pisi   (Pers.j    De    By.    auf    Pisum   sativum    von    Brixen    in 

Südtirol. 
„     17  und  18.     Teleutosporen.    Vergr.  765, 


G.  RlTTER:  Über  Kugelhefe  und  Riesenzellen  bei  einigen  Mucoraceen.     255 

Fig.  19  -  22.    Uredosporen,  Vergr.  7G5. 

„  23-31.  üromyces  Heiinerlianus  P.  Magn.  auf  Vicia  hirsuta  von  Brixen  (oder 
var.  von    Üromyces  Jordianus  P.  Magn.). 

^   23—26.    Teleutosporen,  Vergr.  765. 

„    27.    Uredospore  mit  6  Koimporen,  Vergr.  765. 

„  28.  Uredosporen,  zum  Teil  schematisch  gezeichnet,  mit  verschiedener  Anzahl 
von  Keimporen. 

„     32 — 38.     üromyces  Jordianus  P.  Magn.  auf  Vicia  Cracca  bei  Brixen. 

„  38—37.  Teleutosporen,  Vergr.  7(15.  —  In  Fig.  33  liegt  der  Keimporus  auf  der 
Seite  statt  am  Scheitel. 

„     38.    Uredospore,  Vergr.  765. 

„  39-41.  üromyces  striatus  Schroet.  auf  Medicago  sativa  von  Orange  in  Süd- 
frankreich. 

„     39—41.     Uredosporen,  Vergr.  765. 

„  42—45.  Üromyces  slriatus  Schroet.  auf  Trifolien  arvense  von  Westend  bei 
Berlin. 

„    42—44.    Teleutosporen,  Vergr.  765. 

„    45.     Uredospore,  Vergr.  7G5. 


39.  G.  Ritter:  Über  Kugelhefe  und  Riesenzellen  bei  einigen 

Mucoraceen/) 

Mit  Tafel  X  und  einer  Textfigur. 


Eingegangen  am  29.  Mai  1907. 


Die  Kugelhefebildung  der  A/Mcor-Arten  wird  bekanntlich  durch 
zwei  Prozesse  eingeleitet;  erstens  durch  eine  lebhafte  Septierung 
des  Mycels  und  zweitens  durch  kugelförmige  Anschwellung  der 
dadurch  entstandenen  kurzen  Zellen.  Diese  beiden  Prozesse,  welche 
normalerweise  nur  in  zuckerhaltioen  Medien  und  bei  Luftabschluss 
erfolgen,  lassen  sich,  wie  KLEBS  (96,  S.  512  ff.)  gezeigt  hat,  auch 
künstlich  nachahmen.  Man  kann  nämlich  auch  in  zuckerfreien 
Lösungen  und  bei  vollem  Luftzutritt  ein  stark  septiertes  Mycel  er- 
halten, wenn  man  z.  B.  Mucor  racemosus  in  einer  1  prozentigen 
Peptonlösung  (oder  auf  Peptonagar)  mit  genügenden  Mengen 
osmotisch  wirksamer  Stoffe  kultiviert.  IvLEBS  benutzte  z.  B. 
15 prozentigen  Kalisalpeter,  nach  meinen  Erfahrungen  bewährt  sich 
noch    besser  Natrium chlorid    (6—8  pCt.).      Andererseits    können    die 


1)  Eine  ausführliche  Abhandlung    mit  mikrophotographischen  Aufnahmen    soll 
bald  veröffentlicht  werden. 


256  Gr.  RITTER: 

Sporen  von  Mucor  racemosus  durch  Kultur  auf  Pflaumensaft  mit 
3  pCt.  Zitronensäure  zur  Bildung  von  Anschwellungen  von  ganz 
beträchtlichen  Dimensionen  (0,5  mm  nach  KLEBS)  veranlasst  werden. 

Diese  von  KlebS  festgestellten  Tatsachen  bildeten  den  Aus- 
gangspunkt für  meine  Untersuchungen.  Zunächst  schien  es  geboten, 
durch  die  Kombination  der  beiden  Faktoren  (konzentrierte  Salz- 
lösungen einerseits  und  Zitronensäure  andererseits)  die  Kugelhefe- 
bildung künstlich  nachzuahmen. 

Weiter  erschien  das  Problem  der  Riesenzellenbildung  unter 
Einwirkung  von  Zitronensäure  interessant  genug,  um  zu  einer  ge- 
naueren Untersuchung  der  Einwirkung  von  organischen  und  an- 
organischen Säuren  auf  die  Entwicklung  der  i/wor-Sporen  aufzu- 
fordern. 

Was  die  Erzeugung  der  Mucor-Heie  durch  kombinierte  Wirkung 
von  Salz-  und  Säurelösungen  anlangt,  so  konnte  dieselbe  erst  nach 
einer  ganzen  Reihe  vorläufiger  Untersuchungen  erreicht  werden.  Es 
stellte  sich  nämlich  heraus,  dass  die  Kombination  von  Zitronensäure 
und  anorganischer  Salzlösung  (z.  B.  Natrium chlorid)  ganz  unerwartet 
starke  Giftwirkungen  hervorzurufen  imstande  ist. 

W^enn  man  die  Keimung  der  Sporen  von  Mucor  racemosus  in 
einer  Nährlösung  von  1  pCt.  Pepton,  0,1  pCt.  KHoPO^  und  0,05  pCt. 
MgSO^  mit  verschiedenen  Mengen  von  Zitronensäure  und  Natrium- 
chlorid beobachtet,^)  so  lässt  sich  feststellen,  dass  die  Sporenkeimung 
absolut  verhindert  wird  in  Nährlösungen  ohne  Zitronensäure  — 
durch  974  pCt.  NaCl,  in  solchen 

mit     Vi  pCt-  Zitronensäure  —   durch  9V2  pCt.  Na  Gl 

w        ■'•    li        11  11  11  ^   74 

9  9 

11       ^  11  yi  n  ^ 

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11  'J  5?  11  )1  ^ 

11         '*  11  J5  55  /2 

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11     ^  11  11  11       ^1^ 

11        ^  j'2        11  "  11  ^ 

Dieses  Verhältnis  lässt  sich  auch  graphisch  veranschaulichen, 
wenn  man  die  Konzentrationen  der  Zitronensäure  auf  die  Abscissen- 
achse,  diejenigen  des  Natriumchlorids  auf  die  Ordinatenachse  auf- 
trägt (vgl.  die  Kurve  Fig.  la). 

Was  die  Ursache  dieser  auffallenden  Verschiebung  des  Gift- 
wertes der  Säure  betrifft,    so  möchte  ich  nur  betonen,    dass   dieselbe 


55 


1)  Die  Beobachtungen  erstreckten  sich  auf  eine  Periode   von   vier  Tagen  be 
20°  C. 


über  Kujrelhefe  und  Riesenzellcn  bei  einijjen  Mucoracceu. 


257 


jedenfalls  nicht  in  der  einfachen  Kombination  zweier  schädlicher 
Einflüsse  —  Giftigkeit  der  Säure  und  hoher  osmotischer  Druck  der 
Salzlösung  —  liegen  kann.  Wenn  man  nämlich  in  einer  beliebigen 
Kombination,  z.  B.  2  pCt.  Zitronensäure  und  2  pCt.  NaCl,  das  NaCl 
durch  andere  Salze  ersetzt,  so  erweisen  sich  nur  anorganische  Salze 
(z.  B.  NaNOj,  Na^SO^)  in  isosmotischer  Konzentration  annähernd 
ebenso  wirksam,  Natriumbimalat  dagegen  ruft  noch  in  löprozentiger 


v'aCl 

9 

8 

\ 

\ 

7 
6 
5 
4 
3 

\ 

\ 

2 

1 

\ 

\ 

-~_ 

0 


s- 


Coit  i . 


Fig.  1«. 


Lösung  (isosmotisch  mit  etwa  5,8  pCt.  NaCl)  keine  nennenswerte 
Verzögerung  in  der  Keimung  der  Sporen  und  Entwickelung  des 
Mycels  hervor.  Der  Grund  der  hier  besprochenen  Erscheinungen 
dürfte  eher  in  der  besonders  von  AERHENIUS  (99)  studierten  Ver- 
änderung der  Dissociationskonstaute  schwacher  Säuren  durch  Salz- 
zusatz gesucht  werden. 

Jedenfalls  lassen  uns  diese  Resultate  deutlich  erkennen,  dass 
eine  Kombination  von  etwa  3  pCt.  Zitronensäure  und  6 — 8  pCt.  NaCl 
(oder  10  pCt.  NaNOg),    an  welche   man  auf  Grund    der  EXEBS'schen 


258  <j.  Ritter: 

Daten  am  ehesten  denken  könnte,  sich  als  ganz  erfolglos  heraus- 
stellen musste,  weil  die  Sporen  von  Mucor  racemosus  in  einer  solchen 
Lösung  überhaupt  nicht  keimen.  Dagegen  lassen  sich  in  Lösungen 
von  1  pCt.  Pepton  (mit  0,1  pCt.  Kaliumphosphat  und  0,05  pCt. 
Magnesiumsulfat),  Yl-  P^t-  Zitronensäure  und  97^  pCt.  NaCl  Mycel- 
formen  erzielen,  welche  der  Kugelhefe  von  Mucor  racemosus  ganz 
ähnlich  sind  (Taf.  X,  Fig.  1).  Die  Sporen  keimen  zu  kurzen,  eng 
septierten  Hyphen  aus,  deren  einzelne  Zellen  kugelförmig  anschwellen 
und  schliesslich  nur  lose  zusammenhängen.  Auch  hefeartig  sprossende 
Auswüchse  fehlen  nicht. 

Ähnliche  Resultate  lassen  sich  auch  beim  Übertragen  stark 
septierter  Mycelstückchen  in  isotonische  Lösungen  organischer  Ver- 
bindungen (z.  B.  Glyzerin)  mit  Zitronensäurezusatz  erzielen.  Freilich 
wird  in  diesen  Versuchen  die  Kugelhefebildung  nur  nachgeahmt;  ein 
wirkliches  Einsehen  in  die  reale  Natur  der  in  normalen  A^erhältnissen 
wirkenden  Faktoren  ist  durch  sie  noch  nicht  gewonnen. 

Indem  ich  mich  jetzt  zum  Problem  der  Riesenzelleubildung 
wende,  möchte  ich  zunächst  betonen,  dass  die  Entstehungsbedingungen 
und  Eigenschaften  der  Riesenzellen  hauptsächlich  an  Mucor  spinosus 
van  Tiegh.  erforscht  worden  sind,  welcher  ein  viel  günstigeres  Objekt 
als  Mucor  racemosus  ist.  Was  diese  letztere  Art  betrifft,  so  möchte 
ich  nur  erwähnen,  dass  die  von  Klebs  beschriebenen  Erscheinungen 
(Anschwellen  der  Sporen  zu  Blasen  von  500  /u  usw.)  sich  nicht  nur 
in  Pflaumensaft  mit  Zitronensäure,  sondern  auch  in  künstlichen 
iS[ährlösungen,  z.  B.  in  einer  Lösung  von  3  pCt.  Traubenzucker, 
1  pCt.  Ammoniumeitrat  und  etwa  6  pCt.  Zitronensäure  erzeugen 
lassen.  Die  meistens  kugelförmigen  Riesenzellen  erreichen  dabei 
ganz  gewaltige  Dimensionen  —  bis  800  ju  — ,  sind  also  mit  blossem 
Auge  sehr  gut  erkennbar.  Sie  sind  aber  so  dünnwandig  und  zart, 
dass  von  weiteren  Versuchen  mit  ihnen  Abstand  genommen  werden 
musste,  um  so  mehr  als  Mucor  spinosus  sich  als  ein  vorzügliches 
Objekt  für  derartige  Untersuchungen  herausstellte. 

Zunächst  möüen  die  Entstehungsbedingungen  der  Riesenzellen 
von  Mucor  spinosus  genauer  präzisiert  werden.  Um  klare  Resultate 
zu  erhalten,  ist  es  notwendig,  ausschliesslich  künstliche  Nährlösungen 
von  genau  bekannter  Zusammensetzung  anzuwenden.  Zahlreiche 
Versuchsserien  mit  verschiedenen  Kohlenstoff-  und  Stickstoffquellen 
in  Kombination  mit  verschiedenen  organischen  und  anorganischen 
Säuren  führten  zu  folgenden  Resultaten.  Erstens  erwies  sich  der 
Zucker,  welchem  bei  der  Kugelhefebildung  eine  so  wichtige  Rolle 
zukommt,  für  die  Entstehung  der  Riesenzellen  durchaus  nicht 
prinzipiell  notwendig.  Sowohl  in  Pepton-Zuckerlösungen,  als  auch 
in  Pepton-Mannit,  Pepton-Glyzerin  und  reinen  Peptonlösungen 
keimen     die    Sporen     bei     entsprechendem    Zitronensäurezusatz     zu 


über  Kugellielc  und  Kiesenzcllen  bei  einigen  i\lucoraceen. 


259 


kug-el-  oder  birnförmigen  Rieseuzellen  aus.  Schon  bei  einem  Zusatz 
von  o  pCt.  Zitronensäure  zeigen  sich  an  den  verdickten  Hyphen 
auch  blasenförmige  Anschwellungen;  erhöht  mau  die  Konzentration 
^der  Säure  bis  auf  3,4—4  pCt.,  so  schwellen  die  Sporen  direkt  zu 
mehr  oder  weniger  grossen,  durchsichtigen  Blasen  mit  feinkörnigem 
plasmatischen  Wandbelag  an.  Die  Grösse  dieser  liiesenzellen  ist 
verhältnismässig  bescheiden  (selten  über  150  ju). 

Dagegen  lassen  sich  ganz  enorme  und  besonders  charakte- 
ristische Riesenzellen  in  zuckerhaltigen  Lösungen  mit 
anorganischen  Ammonsalzen  als  Stickstoffquelle  und  ge- 
ringen Mengen  organischer  Säuren  erzeugen. 

Am  leichtesten  erhält  man  solche  Hiesenzellen  in  Lösungen  von 
2  —  4  pCt.  Zucker,  0,7  pCt.  Ammonnitrat  und  0,5 — 0,7  pGt.  Zitronen- 
säure oder  0,3  —  0,4  pCt.  Weinsäure.  Bei  vollkommen  ungehindertem 
Luftzutritt  entwickeln  sich  die  Sporen  von  Nucor  spinosus  im  Laufe 
von  5  —  8  Tagen  zu  birnförmigen  Riesenzellen,  welche  eine  Länge 
von  über  650  ju  bei  einer  Breite  von  über  400  /t  erreichen  können 
(Taf.  X,  Fig.  2).  Ehe  ich  zu  einer  kurzen  Besprechung  der  morpho- 
logischen und  physiologischen  Eigenschaften  dieser  merkwürdigen 
Gebilde  übergehe,  möchte  ich  noch  einige  Tatsachen  anführen,  welche 
ganz  entschieden  für  die  Abhängigkeit  ihrer  Entstehung  von  den 
H-Ionen  sprechen. 

Schon  der  Umstaml,  dass  in  einer  Lösung  von  Zucker  und 
Ammonnitrat  geringe  Mengen  verschiedener  organischer  Säuren 
(0,5  pCt.  Zitronensäure,  0,3  pCt.  Weinsäure,  0,8  pCt.  Apfelsäure) 
ganz  ähnliche  Wirkungen  hervorbringen,  spricht  dafür,  dass  weder 
der  osmotische  Druck,  noch  die  spezifischen  molekularen  Eigen- 
schaften der  verschiedenen  Säuren  für  diese  auffallenden  Chemo- 
morphosen  massgebend  sind.  Entscheidend  w^aren  aber  in  dieser 
Richtung  Versuche  mit  anorganischen  Säuren,  nämlich  Salz-  und 
Salpetersäure.  Die  Konzentrationen,  in  w^elchen  diese  beiden  Säuren 
zur  Entstehung  von  Riesenzelleu  bei  Mucor  spinosus  führen,  liegen 
hart  an  der  Grenze  des  entwicklungshemmenden  (obgleich  noch  nicht 
tödlichen)  Wertes,  wie  folgende  Tabelle  zeigt: 


Salzsäure 

Salpetersäure 

0,U04  norm. 

kleine  Mycelllockeu  mit 
Anschwellungen 

kleine  Mycelflocken, 
keine  Anschwellungen 

0,005  norm. 

desgleichen, 
Anschwellungen  bis  220  ,m 

— 

0,006  norm. 

sehr  schwache  Entwickelung, 
kleine  Blasen 

kleine  Mycelflocken  und  Blasen 
bis  220-275  /t 

0,008  norm. 

nicht  gekeimt 

keine  Hyphen;  die  Sporen 

schwellen  direkt  zu  Blasen 

(bis  220^0  an. 

0,01  norm. 

— 

nicht  gekeimt 

260  Gr.  RITTER: 

Zu  dieser  Tabelle  muss  bemerkt  werden,  dass  die  Salpetersäure 
in  Gegenwart  von  Ammonuitrat,  die  Salzsäure  von  Ammonclilorid 
angewandt  wurde.  In  beiden  Fällen  enthielten  die  Lösungen  4  pCt. 
Traubenzucker. 

Die  Anschwellungen  in  den  anorganischen  Säurelösungen  hatten 
ganz  dasselbe  charakteristische  Aussehen,  wie  die  in  organischen 
Säurelösungen  -f  Ammonnitrat  oder  Chlorid  (und  Zucker)  gebildeten 
und  standen  ihnen  nur  an  Grösse  nach  (Taf.  X,  Fig.  3).  In  beiden 
Fällen  muss  also  dieselbe  Ursache  gewirkt  haben.  Nun  sind  aber  die 
beiden  Säuren  in  den  oben  angeführten  stark  verdünnten  Lösungen 
so  weitgehend  dissoziiert,  dass  wir  mit  Bestimmtheit  von  lonen- 
wirkungen  sprechen  können,  und  zwar  muss  wegen  der  bekannten 
Unwirksamkeit  der  NO3-  und  Cl-Ionen  die  entscheidende  Bedeutung 
den  H-Ionen  zukommen. 

Es  ist  aber  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  günstigsten  Bedingungen 
für  die  Bildung  typischer  Riesenzellen  dann  geschaffen  werden, 
wenn  die  giftigen  H-Ionen  sich  allmählich  ansammeln  (wie  das  in 
Ammonnitrat  und  organische  Säuren  enthaltenden  Lösungen  der 
Fall  ist),  und  nicht  von  Anfang  an  in  maximaler  Konzentration  ent- 
halten sind.  Aus  den  später  angeführten  Übertragungsversuchen 
scheint  ausserdem  zu  folgen,  dass  die  wirksamen  H-Ionen  sich  nicht 
ausserhalb,  sondern  innerhalb  der  Zellen  ansammeln. 

In  diesem  Falle  ist  es  also  gelungen,  mit  vollerKlarheit  die  Ursachen 
der  Riesenzellenbildung  aufzudecken.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
lässt  sich  derselbe  kausale  Zusammenhang  für  die  Entstehung  der  kugel- 
förmigen Riesenzellen  (und  traubenförmigen  Riesenzellenkolonien) 
von  Mucor  racemosus  behaupten,  welche  Klebs  in  Pflaumensaft  mit 
Zitronensäure,  und  ich  in  Zucker-Ammoncitratlösuugen  -|-  6  pCt. 
Zitronensäure  beobachtet  haben.  Allerdings  muss  aber  bemerkt 
werden,  dass  die  für  Mucor  sjnnosus  besonders  günstigen  Bedingungen 
(organische  und  anorganische  Säuren  mit  Ammonnitrat  oder  Chlorid) 
bei  Mucor  racemosus  nur  zur  Bildung  von  verhältnismässig  kleinen 
Blasen  (nicht  über  100  [jl)  führten,  welche  alsbald  nach  allen  Rich- 
tungen Hyphen  auszutreiben  begannen.  Nur  ab  und  zu  konnte  ein 
Anlauf  zur  Bildung  von  grösseren  birnförmigen  Zellen  beobachtet 
werden. 

Schliesslich  muss  ich  erwähnen,  dass  Mucor  racemosus  auch  ohne 
direkten  Säurezusatz  Riesenzellen  auf  seinem  Mycel  bilden  kann. 
Das  geschieht,  wenn  der  Pilz  in  einer  Lösung  von  4  pCt.  Trauben- 
zucker und  0,7  pCt.  Ammoniumnitrat  mit  einem  Zusatz  von  7  bis 
9  pCt.  NaCl  kultiviert  wird.  Nach  zweiwöchentlicher  Kultur  ist  das 
Mycel  von  einer  Menge  meistens  kugelförmiger  Riesenzellen  durch- 
setzt, welche  durch  septierte  und  unseptierte  Hyphen  untereinander 
verwachsen    sind.      In  Kulturen    mit    S^i— 87^  pCt.   NaCl  erreichen 


über  Kugelhefe  und  Riesenzellen  bei  einigen  Mucoraceen.  261 

diese  Blasen  einen  Durchmesser  von  300  /t  und  mehr  (Taf.  X,  Fig.  4 
u.  5).  Diese  Erscheinung  tritt  nur  in  Lösungen  auf,  welche  neben  NaCl 
auch  NH^  NO3  enthalten;  deshalb  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass 
die  Konzentration  der  Lösung  massgebend  sei.^) 


Wenden  wir  uns  jetzt  zur  Besprechung  der  morphologischen 
und  physiologischen  Eigenschaften  der  typischen  Riesenzellen  von 
Miicor  spinosus.  In  den  mehrfach  erwähnten  Bedingungen  (anorganische 
Stickstoffqnelle)  bilden  die  Sporen  innerhalb  bestimmter  Konzen- 
trationsgrenzen der  Säuren  (z.  B.  0,3—0,4  pCt.  Weinsäure  oder  0,5 
bis  0,7  pCt.  Zitronensäure)  meistenteils  überhaupt  keine  Hyphen, 
sondern  wachsen  direkt  in  eigentümlich  gestaltete  Riezenzellen  aus. 
Ein  Teil  des  Spore  bleibt  aber  au  diesem  enorm  gesteigerten 
Flächenwachstum  unbeteiligt;  immer  ist  am  schnabelförmig  ver- 
jüngten Ende  der  Zelle  (welches  der  Ausgangspunkt  für  ihre  Ent- 
wicklung war),  eine  starke  Verdickung  der  Membran  vorhanden.  Die 
typische  Form  dieser  Zellen  ist  eine  birnförmige  (Taf.  X,  Fig.  2)  oder 
luftballonähnliche;  man  kann  sie  auch  mit  einem  Botrydium  ver- 
gleichen. Viele  Zellen  sind  auch  hornartig  gebogen.  Sie  erreichen, 
wie  schon  erwähnt,  eine  Länge  von  G50  /t  bei  einer  Breite  von  400  fx. 
Oft  bilden  sich  an  ihrer  Oberfläche  kleine  runde  Auswüchse,  welche 
aber  niemals  zu  grösseren  lebensfähigen  Zellen  auswachsen. 

Die  Zellen  sind  durchsichtig,  ganz  von  Zellsaft  erfüllt;  das  Plasma 
bildet  nur  einen  dünnen  Wandbelag,  in  w^elchem  eine  sehr  zarte 
maschen-  oder  netzförmige  Struktur  bemerkbar  ist,  welche  zuweilen  vor 
dem  Absterben  der  Zelle  mit  grosser  Schärfe  hervortritt  (Taf.  X,  Fig.  2) 
und  dann  oft  der  Vorbote  eines  vacuoligen  Zerfalls  des  Plasmas  ist. 
Jüngere,  lebenskräftige  Zellen  erscheinen  (besonders  bei  schwächerer 
VergTösserung)  zart  gestreift  oder  gesprenkelt  (Taf.  X,  Fig.  3),  da  dieses 
plasmatische  Netzw^erk  unregelmässig  und  ziemlich  durchsichtig  ist. 
Durch  geeignete  Fixier-  und  Färbemethoden  (z  B.  Eisenalaun  und 
Hämatoxylin)  lassen  sich  in  jeder  Zelle  eine  Menge  kleiner  Zellkerne 
nachweisen,  welche  im  plasmatischen  Wandbelag  eingebettet  sind. 

Derartige  typische  einzelliegende  Riesenzellen  entstehen  aber 
nur  in  Lösungen  von  ganz  bestimmtem  Säuregehalt.  Nimmt  man 
schwächere  Konzentrationen,  so  keimen  die  Sporen  zunächst  zu 
kleinen  Mycelflocken  aus,  an  welchem  sich  alsbald  kugel-  oder  birn- 


1)  Basidbolus  ranarum  bildet  nach  Eaciborski  (1896,  S.  112  u.  113;  Riesen- 
zellen in  einer  Zucker-Peptonlösung  mit  10  pCt.  Glyzerin  bei  30°  C.  Indessen  ist 
aus  seinen  Angaben  nicht  zu  ersehen,  welchem  von  den  drei  Faktoren  (spezifische 
Wirkung  des  Glyzerins,  Konzentration,  Temperatm)  dabei  die  Hauptrolle  zu- 
zuschreiben ist. 


262  (i.  RiTTEK: 

förmige  Auswüchse  zeigen,  welche  nach  Struktur  und  Grösse^)  den 
typischen  Riesenzellen  ganz  ähnlich  werden.  Dieser  Umstand  lässt 
uns  schon  erkennen,  dass  nicht  nur  die  Sporen,  sondern  auch  ein 
entwickeltes  Mycel  von  Mucor  spinosus  unter  Einwirkung  von  Säuren 
typische  Anschwellungen  zu  bilden  vermag.  Das  lässt  sich  auch 
durch  direkte  Versuche  mit  Übertragung  junger,  normal  gewachsener 
Mycelflöckchen  in  eine  Lösung  von  0,5  —  0,7  pCt.  Zitronensäure,  0,7  pCt. 
Ammonuitrat  und  4  pCt.  Zucker  nachweisen.  Auf  Fig.  6  ist  ein  Teil 
eines  solchen  Mycelräschen  nach  zweitägigem  Verweilen  in  einer 
Lösung  von  oben  angeführter  Zusammensetzung  abgebildet.  Dasselbe 
Vermögen  zeigen  auch  die  Kugelhefezellen  von  Alucor  spinosus; 
die  dabei  entstehenden  Formen  erinnern  teilweise  au  die  eben  er- 
wähnte Figur. 

Sich  selbst  überlassen,  sterben  die  typischen  birnförmigen  Rieseu- 
zellen  allmählich  ab,  nachdem  sie  über  eine  Woche  gewachsen  und 
eine  Länge  von  400  —  650  jli  erreicht  haben.  Doch  können  sie  durch 
rechtzeitige  Übertragung  zum  Austreiben  von  ganz  normalen  Hyphen 
an  ihrer  gesamten  Oberfläche  veranlasst  w^erden.  Dieses  Auskeimen 
lässt  sich  durch  Übertragen  in''  annähernd  isotonische  Lösungen  er- 
reichen, in  welchen  die  Säure  entweder  ganz  fehlt  oder  mit  anderen 
Stoffen  kombiniert  ist.  Der  osmotische  Druck  spielt  dabei  keine 
entscheidende  Rolle;  nur  wird  das  Übertragen  in  isotonische  und 
hypertonische  Lösungen  besser  vertragen,  als  in  hypotonische.  Ein 
Teil  der  Zellen  geht  bei  diesen  Versuchen  regelmässig  zu  Grunde. 
Das  Auskeimen  geht  ziemlich  rasch  vor  sich,  indem  die  kleineren, 
noch  annähernd  runden  Zellen  ihre  Keimschläuche  schon  nach  2Y2 
bis  3  Stunden,  die  grösseren  nach  5^/^ — 6  Stunden  (bei  etwa  20°  C.) 
auszutreiben  beginnen.  Fig.  7  stellt  den  Beginn  der  Hyphenbildung 
an  einer  beinahe  300  jli  langen,  in  0,3  pCt.  Weinsäure  -|-  Zucker 
-|-  Ammonitrat  entstandenen  Zelle  nach  Übertragung  in  eine  säure- 
freie Lösung  dar.  Manchmal  ist  die  Zahl  der  austreibenden  Hyphen 
so  gross  und  ihre  Verteilung  an  der  Oberfläche  so  regelmässig,  dass 
die  Zelle  in  einem  gewissen  Stadium  einem  Seeigel  ähnlich  aussieht. 
Im  weiteren  Verlauf  ihrer  Entwicklung  verzweigen  sich  die  Hyphen 
immer  mehr    und    hüllen    bald  die  Mutterzelle  in  ihrem  Gewirr  ein. 

Das  Auskeimen  der  Riesenzellen  wird  also  einerseits  durch  ein- 
faches Ausschliessen  der  betreffenden  Säure  veranlasst.  Andrerseits 
lässt  sich  dasselbe  Resultat  dadurch  erreichen,  dass  die  Konzentration 
der  Säure  nicht  vermindert  (sogar  erhöht),  dabei  aber  die  Zu- 
sammensetzung der  Lösung  verändert  wird.  Das  Ammonnitrat  muss 
nämlich  in  diesem  Falle  durch  ein  organisches  Salz  (Citrat  oder 
Malat),  Asparagin  oder  Pepton  ersetzt  w'erden.     Es  genügt  sogar  das 


1)  Ihre  Dimensionen  bleiben  freilich  hinter  den  maximalen  zurück. 


über  Kngelliefe  iiud  Riesenzellen  bei  einigen  Mucoraceen. 


263 


Amnionnitrat  einfach  wegzulassen;  die  Zellen  also  in  eine  Lösung 
von  Säure  -\-  Zucker  zu  übertragen,  um  ebenfalls  ein  Auskeimen 
liprvorzurufen. 

Die  auf  den  ersten  Blick  paradox  erscheinende  Tatsache,  dass 
z.  B.  in  0,5  pCt.  entstandenen  Riesenzellen  beim  Übertragen  in  eine 
1 — 2 prozentige  Lösung  derselben  Säure  normal  auskeimen,  wenn  das 
Amnionnitrat  durch  eine  andere  (organische)  Stickstoffquelle  ersetzt 
wird,  steht  in  vollkommenem  Einklang  mit  einer  von  mir  allgemein 
beobachteten  Erscheinung.  Für  alle  organischen  und  auch  an- 
organischen Säuren  gilt  nämlich  die  Regel,  dass  ihre  Giftigkeit  durch 
die  Gegenwart  von  anorganischen  Salzen  ganz  bedeutend  erhöht 
wird.  Besonders  klar  tritt  diese  Regel  beim  Vergleich  zweier  Stick- 
stoffquellen, z.  B.  Amnionnitrat  einerseits  und  Pepton,  Asparagin  oder 
Ammoncitrat  andrerseits,  hervor.  In  folgender  Tabelle  sind  die  Kon- 
zentrationen angegeben,  welche  die  Keimung  der  Sporen  von  Mucor 
spinosus  unterdrücken,  links  in  Zucker-Pepton,  rechts  in  Ziicker- 
Ammonnitratlösungen.  Eine  ganz  genaue BestimmungdiesesHemmungs- 
wertes  ist  nicht  möglich,  erstens  wegen  der  grossen  individuellen  Ver- 
schiedenheiten der  Sporen,  zweitens  wegen  der  früh  auftretenden 
Riesenzellenbildung  (in  der  Tabelle  abgekürzt  auf  R.  Z.). 


Pcpt 

on 

Ammonnitrat 

Zitronensäure 

>4pCt.,R.Z.v. 

SV^pCt.an) 

1,25  pCt.  (R.  Z.  bei  0,5  pCt.) 

Apfelsäure 

>4  pCt. 

IpCt.  (R.  Z.  bei  0,6  pCt) 

Weinsäure') 

-3pCt. 

0,6  pCt.  CR.  Z.  bei  0,3  pCt.) 

Salpetersäure 

0,025  norm. 

0,01  norra.(R.Z.  bei0,006norm.) 

Salzsäure   

0,03  norm. 

0,00Snorm,(R  Z.bei0,005norm.) 

Eine  ganz  ähnliche  Tabelle  könnte  ich  für  Mucor  racemosus  zu- 
sammenstellen; nur  fallen  alle  Werte  höher  aus,  da  dieser  Pilz  be- 
deutend widerstandsfähiger  als  Mucor  spinosus  ist.  Die  Regel  be- 
schränkt sich  keineswegs  auf  diese  Mucorarten.  In  vielen  Beziehungen 
interessant  ist  z.  B.  die  Bestimmung  der  Grenzwerte  für  Oxalsäure 
und  Aspergillus  niger.  In  einer  Lösung  von  2  pCt.  Zucker  und  0,5  pCt. 
Chlorammonium  wird  die  Keimung  schon  durch  0,02  Mol  (=0,18  pCt.) 
Oxalsäure  deutlich  beeinträchtigt,  durch  0,13  Mol  (1,17  pCt.)  ganz 
gehemmt.  In  einer  1  pCt.  Peptonlösung  wird  dagegen  der  schädliche 
Einfluss  der  Oxalsäure  erst  bei  0,04  Mol  (0,36  pCt.)  bemerkbar,  und 


1)  Anschwellungen  von  47 — 94  /<  bei  Mucor  spinosus  unter  Einwirkung  von 
l'/o  pCt.  Weinsäure  mit  Pflaumensaft  hat  Beauverie  (1900,  S,  151)  beobachtet. 
In  Ammonnitrat  +  Zuckerlösungen  sah  ich  schon  bei  Zusatz  von  0,1  pCt.  Weinsäure 
ebensolche  und  noch  grössere  Erweiterungen  am  Mycel  auftreten. 


264  ^-  RITTER: 

uur    durch    0,22  Mol    (1,98  pCt.)    wird    die    Keimung    ganz     unter- 
drückt. *) 

Die  Ursache  dieser  Erscheinung  dürfte  in  der  Bildung  freier 
Mineralsäuren  aus  den  anorganischen  Ammonsalzen  gesucht  werden. 
Es  ist  in  der  Tat  bekannt,  dass  in  Aspergilluskulturen  auf  an- 
organischen Ammonsalzen  beträchtliche  Mengen  freier  Mineral- 
säuren entstehen  können  (BUTKEWITSCH,  1902,  S.  210—212; 
NiKITINSKY,  1904,  S.  12—20).  Aber  im  Gegensatz  zu  den  eben 
zitierten  Yersuchen  konnte  in  den  meinigen  eine  Ansammlung  freier 
Mineralsäuren  in  der  Kulturflüssigkeit  nicht  konstatiert  werden, 
besonders  in  den  Fällen,  wo  nur  wenig  Sporen  ausgesät  wurden, 
oder  wo  die  Keimung  überhaupt  ausblieb  (Grenzkonzentrationen). 
Wenn  also  die  Mucorsporen  in  Ammonnitratlösungen  schon  durch 
0,5  pCt.  Zitronensäure  zur  Riesenzellenbildung  veranlasst  werden,  so 
scheint  mir  diese  Tatsache  nur  durch  die  Annahme  einer  intra- 
cellularen  Abspaltung  freier  Mineralsäure  verständlich  zu 
sein.  Diese  Annahme  wird  noch  durch  folgendes  Experiment  unter- 
stützt. Überträgt  man  einige  gut  ausgebildete  Riesenzellen  aus  der 
ursprünglichen  8  —  9  Tage  alten  Kulturflüssigkeit  in  eine  identische,  aber 
frische  Xälirlösun»;,  so  bleiben  diese  Zellen  unverändert  und  zeigen 
keine  Neio'uno-  zum  Auskeimen:  die  Beseitio-uns;  von  etwa  vorhandenen 
Stoffwechselprodukten  übt  also  keinen  merklichen  Einfluss  auf  die 
pathologisch  veränderte  Zelle  aus. 


Wenn  wir  nun  aus  dem  vorlieo'enden  Versuchsmaterial  mit  Be- 
stimmtheit  schliessen  dürfen,  dass  die  H-Ioneu  bei  der  Bildung  der 
Riesenzellen  direkt  beteiligt  sind,  so  bleibt  uns  doch  der  eigentliche 
Mechanismus  dieses  Vorgangs  durchaus  unklar.  Man  könnte  freilich 
verschiedene  Vermutungen  darüber  aussprechen,  dass  durch  die  Ein- 
wirkung der  H-Ionen  auf  die  Hautschicht  des  Plasmas  die  Regulation 
der  osmotischen  Verhältnisse  und  auch  der  Zellwanddehnbarkeit  in 
ganz  bestimmter  Weise  gestört  wird  und  dass  diese  Störungen  zu 
einem  anormalen  Flächenwachstum  der  Zellwaud  und  folglich  zur 
Bilduno-  von  Riesenzellen  führen.  Doch  möchte  ich  von  einem 
weiteren  Ausmalen  dieser  Hypothese  um  so  mehr  absehen,  als  wir 
einerseits  keine  o-enüo-end  beorründete  meclianische  Theorie  des  Zell- 
Wachstums  besitzen,  andererseits  aber  meine  diesbezüglichen  Unter- 
suchungen nicht  abgeschlossen  sind. 

Zu  den  geschilderten  Tatsachen  mag  aber  noch  zugefügt  werden, 
dass  ausser  Mucor  spinosus  und  raceinosus  auch  andere  Schimmelpilze  zur 


1)  Die  Keimung  wurde  nach  Clark's  (1899,  S.  301)  Beispiel  während 
48  Stunden  beobachtet;  die  Temperatur  betrug  20°  C.  Nach  3—4  Tagen  keimen 
allerdings  einige  Sporen  auch  in  höheren  Konzentrationen  aus. 


über  Kugelhefe  und  Rieseuzellen  bei  einigen  Mucoraceen.  265 

Bilduii"-  von  Rieseuzellen  durch  Säuren  veranlasst  werden  können.  So 
entwickelt  Rhizopus  nigricans  in  Aramonnitrat-Zuckerlösung  -|-  lYi  pCt. 
Zitronensäure  ein  Mycel,  welches  eine  Menge  verschieden  geformter 
Rieseuzellen  aufweist.  Es  erinnert  dann  vielfach  an  das  von  Mucor 
racemosus  in  Fig.  5  entworfene  Bild,  nur  sind  die  Blasen  kleiner 
und  ihr  Inhalt  körnig  und  dunkel  gefärbt.  Auch  Aspergillus  niger 
zeigt  in  Lösungen  von  Chlorammonium  und  Zucker  -i-  0,5 — 0,75  pCt. 
Oxalsäure  eine  ganz  ausgesprochene  Neigung  zur  Bildung  von  kuge- 
ligen Anschwellungen,  welche  einen  Durchmesser  von  40  f.i  erreichen 
können ')  (Taf.  X,  Fig.  8). 

Herrn  Prof.  Dr.  KlebS,  in  dessen  Laboratorium  ein  grosser 
Teil  dieser  Arbeit  ausgeführt  wurde,  möchte  ich  für  sein  liebens- 
würdio-es  Entgegenkommen  und  mannigfache  Anregungen  meinen 
tiefempfundenen  Dank  aussprechen. 

Nowo-Alexandria,  Institut  für  Land-  und  Forstwirtschaft. 


Literatur. 


18i)9.  Arrhenius,  Über  die  Änderung  der  Stärke  schwacher  Säuren  durch  Salz- 
zusatz.    (Zeitschr.  für  phys.  Chemie,  1899,  Bd.  Ol,  S.  197.) 

1900.     Beauverie,  Etudes  sur  le  polyniorphisme  des  Champignons,  Lion  1900. 

1902.  BüTKEWITSCH,  Umwandlungen  der  Eiweissstoffe  durch  die  niederen 
Pilze  usw.     (Jahrb.  für  wiss.  Bot.  1902,  Bd.  XXXVIII.) 

1899.  Clark,  On  the  toxic  effect  of  deleterious  agents  usw.  (Bot.  Gazette,  1899, 
Vol.  XXVIII.) 

189G.  Klebs,  Die  Bedingungen  der  Fortpflanzung  bei  einigen  Algen  und  Pilzen. 
1896. 

1904.  NiKITINSKY,    Über  die  Beeinflussung    der  Entwickelung    einiger  Schimmel- 

pilze   durch    ihre  Stofifwechselprodukte.     (J.  für  wiss.  Bot.,  1904,  Bd.  XL.) 
1896.     Raciborski,  Über  den  Einfluss  äusserer  Bedingungen  auf  die  Wachstums- 
weise des   Basidiobolus  ranarum.     (Flora  1896,  Bd.  32.) 

1905.  — ,  Einige  Chemomorphosen  bei  Aspergillus  niger.     (Bull.  Acad.  des  Scienees 

de  Cracovie,  Dec.  1905.) 


Erkläriiug  der  Abbilduugeu. 


Fig.  1.     Kugelhefeähnliche    Zellen    von    Mucor  racemosus   bei  Luftzutritt   in    einer 
zuckerfreien   Lösung    von    1  pCt.    Pepton,    97^  pCt.    NaCl    und    V2  pCt. 
Zitronensäure  entstanden.    Vergr.  100. 
„      2.    Riesenzelle    von    Mucor   spinosus   in    ^/^  pCt.    Zitronensäure     mit   Zucker- 
Ammonuitrat  nach  acht  Tagen  entstanden.    Vergr.  107. 


1)  Noch  grössere  Riesenzellen  (bis  50  /«)  hat  bei  Aspergillus  niger  RACIBORSKI 
(1905,  S.  777)  beobachtet,  und  zwar  unter  Einwirkung  von  molekularem  Jod. 

18** 


266        Gr.  RITTER:  Über  Kugelhefe  und  Riesenzelleu  bei  einigen  Mucoraceen. 

Fig.  3.     Riesenzelle  von  Mucor  spinosus,  in  0,008  norm    Salpetersäure  mit  Zucker- 

Ammonnitrat.    Vergr.  107. 
„      4.     Mucor    racemosus,    zweiwöchentliche    Kultur     in    4   pCt.    Traubenzucker, 

0,7  pCt.  NH4NO3,  8,2  pCt.  NaCl.     Vergr.  107. 
„      5.     Mucor  racemosus,  ebensolche  Kultur  mit  8,8  pCt.  NaCl.     Vergr.  107. 
„      (1.     Mjcelstückchen  von  Mucor  spinosvs  nach  zweitägigem  Verweilen  in  einer 

Lösung  von  0,5  pCt.  Zitronensäure    und  Zucker-Ammonnitrat.     Vergr.  107. 
„      7.     Riesenzelle    von    Mucor   spinosus,    7  Stunden    nach  Übertragung   in    eine 

isotonische  Lösung  ohne  Zitronensäure.     Vergr.  85. 
,,      8.     Aspergillus  niger,    Mycelformen    in    einer   Lösung   von   2  pCt.  Rohrzucker, 

0,5  pCt.  NH4CI  und  0,36  pCt.  Oxalsäure.     Vergr.  180. 

Die  Figuren  1  und  7    sind   nach   mikrophotographischen   Aufnahmen,    die   übrigen 

mit  dem  Zeichenprisma  gezeichnet. 


Sitzung  vom  28.  Juni  1907.  267 


Sitzung  vom  '28.  Juni  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Der  Vorsitzende  beklagt  den  schweren  Verlust,  welchen  die  Ge- 
sellschaft durch  den  am  13.  Juni  erfolgten  Tod  des  Herrn 

Professor  Dr.  Carl  Müller 

erlitten    hat.      Seit    1890    hat    derselbe    die  Geschäfte    des  Sekretärs 
in  ausgezeichneter  Weise  geführt. 

Um  das  Andenken  des  Verstorbenen  zu  ehren,  erhoben  sich  die 
Anwesenden  von  ihren  Sitzen. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Herren: 

Schellenberg,  Gustav.  Assistent  am  botanischen  Laboratorium  der 
Universität  München,  Karlstr.  42,  part.  (durch  L.  KadlKOFER  und 
H.  RüSS). 

Lepeschkin,  Dr.  Wladimir,  Privatdozent  an  der  Universität  St.  Petersburg, 
Botanisches     Institut      der     Universität     (durch     L.    KNY     und 

W.  Magnus). 
Gulzeit,    Dr.  Ernst,    Professor    an    der  Universität    in    Königsberg  i.  Pr. 

(durch  W.  RüHLAND  und  0.  APPEL). 
Laibach,  Dr.  Friedrich,  Assistent  an  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  für 

Land-  und  Forstwirtschaft  in  Dahlem  bei  Berlin  (durch  AV.  RUHLAND 

und  0.  APPEL). 

Zum  ordentlichen  Mitgliede  ist  proklamiert: 
Herr  Koorders,  Dr.  S.  H.,  in  Steglitz  bei  Berlin. 


Herr  TSWETT  legte  der  Gesellschaft  Demonstrationsobjekte  vor, 
welche  bestimmt  sind,  die  Anwendung  seiner  Adsorptionsanalyse  auf 
die  Analyse  des  Chlorophylls  zu  zeigen: 

1.  Das  Chromatogramm  eines  CSg- Auszuges  aus  gekochten 
Taxus-Blättern.  Ausser  den  beiden  Chlorophyllinen  und  den 
drei  Xanthophyllen  ist  noch  ein  ansehnlicher  grüner  Chloro- 
phyllan-a-Ring  zu  sehen. 

2.  Die  quantitative  Abtrennung  einer  petrolatherischen  Chloro- 
phylllösung durch  physikalische  Ausfällung  derselben  mittels 
CaCOg,  wobei  nur  das  Karotin  in  Lösung  bleibt. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  ]^9 


268  Einladung  zur  Generalversammlung. 


Einladung 

zur 

Generalversammlung  und  zur  Feier  des  25jährigen  Bestehens 

der 

Deutschen  Botanischen  Gesellschaft. 


Die    Mitglieder    der    Gesellschaft    werden    hiermit    zu    der     am 

Donnerstag,  den  12.  September,  9  Uhr  vormittags,  in  Dresden 

stattfindenden  Generalversanimluno;  einoeladen.  Für  die  Sitzun»-  ist 
ein  Saal  im  Ausstellungsgebäude  am  Stübel-Platz  (neben 
dem  botanischen  Garten)  in  Aussicht  genommen,  wo  auch  die  wissen- 
schaftlichen Sitzungen  stattfinden  sollen. 

Die  Tagesordnung  ist  durch  §  15  des  Reglements  unserer  Ge- 
sellschaft vorgezeichnet.  Als  besondere,  einer  Beschlussfassung  der 
Versammlung  unterliegende  Anträge  sind  eingegangen  oder  an- 
o-eküiidiot: 

1.  Ein  Antrag  zur  Wahl  einiger  Ehrenmitglieder  und  einer 
grösseren  Anzahl  von  korrespondierenden  Mitgliedern.  Die 
Gewählten  sollen  am  folgenden  Tage  (Freitag)  in  der  Fest- 
sitzung proklamiert  werden. 

2.  Ein  zweiter  Antrag  zur  Wahl  von  Ehren-  und  korre- 
spondierenden Mitgliedern,  vom  Antrag  1  namentlich  durch 
die  kleinere  Zahl  der  vorgeschlagenen  korrespondierenden 
Mitglieder  abweichend. 

3.  Ein  Antrag  zur  Umarbeitung  „der  gesamten  Statuten". 
Dieser  Antrag,  der  satzungsgemäss  eingereiclit  und  von 
28  Mitgliedern  unterzeicimet  ist,  wird  zur  Diskussion  o-estellt 
werden.  Die  Versammlung  hat  alsdann  zunächst  die  Vor- 
frage zu  entscheiden,  ob  eine  -Statutenänderung  überhaupt 
stattfinden  soll.  Im  bejahenden  Falle  ist  eine  Kommission 
zur  Ausarbeitung  eines  Entwurfes  zu  wählen. 

Ein  Sammelreferat  über  Parthenogenesis  im  Pflanzen- 
reich  hat  Herr  Prof.  Dr.  HANS  WiNKLER  (^Tübingen)  über- 
nommen. 


W.  KiNZEL:  Über  den  Einfluss  dos  Lichtes  auf  die  Keimung.  269 

Zu  den  vereiubarten  Jubiläumsveraustaltungen  gehört  ausser  der 
Festsitzung  am  Freitag,  den  18.  September,  V^l^  Uhr  (im  Ausstellungs- 
o^ebäude)  auch  ein  gemeinsames  Festessen  auf  dem  Belvedere 
(BRÜHL'sche  Terrasse),  welches  auf  Donnerstag,  den  1  "2.  September, 
abends  6  Uhr,  angesetzt  ist. 


Berlin,  im  Juli  1907. 


S.  SCHWENDENER, 
z.  Z.  Präsident. 


Für  die  in  Aussicht  genommene  Festschrift  sind  bisher  drei 
Manuskripte  eingegangen  und  ein  viertes  in  sichere  Aussicht  gestellt. 
Dieselben  werden  im  ganzen  etwa  acht  Druckbogen  und  vier  Tafeln 
füllen.  AYeitere  Beiträge  werden  bis  zum  12.  September  d.  J.  an 
Herrn  Dr  \A^\CHTER  in  Steglitz  bei  Berlin,  Florastr.  '2B  erbeten, 
welcher  bis  auf  weiteres  das  Amt  des  Sekretärs  übernommen  hat. 
Es  sei,  gegenüber  mehrfach  geäusserten  Zweifeln,  noch  besonders 
hervorgehoben,  dass  die  Festschrift  nicht  in  Quart-  sondern  in  Oktav- 
format erscheinen  und  sich  als  Band  '26  unseren  „Berichten"  ein- 
fügen wird. 


Mitteilunoeii. 


40.  Wilhelm  Kinzel:  Über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die 
Keimung.    „Lichtharte''  Samen. 


Vorläufige  Mitteilung. 
Eingegangen  am  18.  Juni  1907. 


Ebenso  wie  es  von  einer  Reihe  von  Sameuarten  bekannt  war, 
dass  ihre  Keimung  bei  Belichtung  ganz  erheblich  verzöüert  und  in 
gewissen  Fällen  sogar  ganz  verhindert  wird,  liegen  in  der  Literatur 
auch  zahlreiche  Beobachtungen  von  Fällen  vor,  wo  eine  Belichtung 
zur  Erzielung  der  normalen  Keimung  nicht  nur  förderlich,  sondern 
sogar  notwendio;  ist. 

Gleichwohl  ist  gerade  die  letztere  Erscheinung  am  hartnäckigsten 
und    immer    wieder    von  vielen  Autoren  bestritten  worden,  zum  Teil 

19* 


270  Wilhelm  Kinzel: 

auf  Grund  von  mathematischen  Berechnungen,  zum  Teil  mit  Hilfe  des 
aus  der  Mehrzahl  der  Fälle,  in  denen  allerdings  eine  Belichtung  in 
den  ersten  Stadien  der  Keimung  nicht  gerade  förderlich  ist,  abge- 
leiteten Dogmas. 

Obwohl  von  mir  schon  längst  einerseits  eine  eingehendere  Nach- 
prüfung der  bisher  über  die  Lichtwirkung  angestellten  Versuche, 
andrerseits  eine  Untersuchung  der  Fälle,  wo  die  Keimung  unregel- 
mässig verläuft,  geplant  war,  forderte  eine  sehr  merkwürdige 
Keimungsgeschichte  geradezu  zur  zusammenhängenden  Untersuchung 
möglichst  vieler  empfindlich  reagierender  und  sonst  geeigneter  Arten 
heraus. 

Den  Anlass  zur  Aufnahme  der  geplanten  Untersuchungen  gab 
die  Tatsache,  dass  frischgeerntete,  im  Keimbett  belichtete^)  Samen 
von  Nigella  sativa  sich  nicht  allein  zu  100  pCt.  keimunfähig  erwiesen, 
sondern  sogar  in  ihrem  Endosperm  so  verändert  wurden,  dass  auch 
nachfolgende  Verdunkelung  während  langer  Zeit  bei  der  angewandten 
Temperatur  von  20°  niemals  irgend  eine  Keimung  erzielte.  Die 
gleichen  Samen  keimten  aber,  exakt  verdunkelt,  in  schon  vier  Tagen 
vollkommen  aus  zu  94  pCt.  Dunkelgelbe,  einen  nach  den  Reaktionen 
dem  Xanthophyll  nahestehenden  Farbstoff  enthaltende  Dunkelkeime. 
Wahrscheinlich  spielt  dieser  Farbstoff  als  Ernährungsvermittler  — 
Attraktionszentrum  ^)  für  wandernde  Kohlehydrate  —  eine  grosse 
Rolle.  Bei  den  kränkelnden  Lichtkeimen  (bei  14°)  fehlt  dieser 
Farbstoff  je  nach  der  Intensität  der  Belichtung  fast  ganz.  Dagegen 
bildet  sich  in  diesen  Keimen  sehr  frühzeitig  anormaler  Weise  — 
Chlorophyll.  Umgekehrt  konnte  bei  dem  „Lichtsamen"  Poa  die 
schon  vor  dem  Aufbrechen  der  Samen  erfolgende  Chlorophyll- 
bildung im  Innern  als  Grund  ihrer  Lichtbedürftigkeit  nachgewiesen 
werden. 

Nachträglich  wurde  auch  ermittelt,  ebenso  wie  in  vielen 
anderen  ähnlichen  Fällen,  dass  nur  die  vereinte  Wirkung  von 
Licht  und  einer  bestimmten  Temperatur  diese  merkwürdige  Er- 
scheinung bei  Nigella  zu  Wege  brachte,  während,  wie  in  anderen 
Fällen,  die  Samen  bei  10°,  oder  auch  noch  bei  15°,  zwar  wesentlich 
langsamer  auskeimten  als  verdunkelte  (statt  in  vier  Tagen  in  vier 
Wochen),  aber  doch  nicht  jenen  eigentümlichen  Schlummerzustand 
erreichten,  den  ich  als  „lichthart"  bezeichnen  möchte. 

Denn  solche  Samen  verhalten  sich  in  der  Tat  ähnlich  wie  hart- 
schalige  Samen.  Sie  können  bei  20°  viele  Monate  feucht  liegen, 
ohne    zu    keimen.     Nach    Monaten    gelang    es,    solche    Samen    teils 


1)  Auf  Vorschlag  meines  Kollegen,  Dr.  G.  IhSSEN,  dem  ich  für  die  Anregung, 
auch  diese  Samen  am  Licht  zu  prüfen,  zu  grossem  Danke  verpflichtet  bin. 

2)  vgl.  Gehetz. 


über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.     „Lichtharte"  Samen.     271 

durch  Anstechen,  teils  durch  Temperaturwechsel,  wie  üblich  von  20° 
zu  30°,  zur  Keimung  zu  bringen.  Erst  die  vereinte  Wirkung  des 
Anstechens  und  der  Temperaturerhöhung  auf  30°  vermochte  es 
jedoch,  von  100  derartigen  lichtharten  Samen,  die  schon  Monate 
lang  bei  20°  feucht  lagen,  7G  pCt.  zur  Keimung  zu  bringen.  Der 
noch  frische  Rest  von  24  pCt.  lag  weitere  zwei  Monate  teils  bei 
,20°/30°",  teils  bei  20°,  bis  eine  Methode  gefunden  wurde,  auch  von 
diesen  Samen  nach  sieben  Monate  langer  Durchfeuchtung  sehr  bald 
noch  12  pCt.,  also  insgesamt  88  pCt.  normale  Keime  zu  erzielen. 
Es  fehlten  demnach  zu  der  beiläufig  fünfmal  bei  Dunkelversuchen 
ganz  regelmässig^)  erhaltenen  Keimzahl  von  94  pCt.  nur  noch  6  pCt., 
bei  denen  es  auf  irgend  eine  andere  Weise  zweifellos  auch  noch 
gelungen  wäre,  das  Leben  zu  erregen. 

Das  Yersuchsmaterial  von  lichtharten  Xigellasamen  wurde  durch 
künstliche  Belichtung  unter  einem  abwärts  brennenden  Auerbrenner 
bei  20°  erhalten.  Zahlreiche,  zu  diesem  Zwecke  nötige  Vorversuchs- 
reiheu  ermittelten  zunächst  bei  stundenweis  abgestufter,  ein-  bis 
siebenstündiger  Belichtung  diejenige  Belichtungsdauer,  welche  in 
einem  möglichst  weitgehenden,  also  der  Schädigung  durch  Licht 
möglichst  wenig  ausgesetzten  Entwicklungsstadium  der  Samen  im 
dunkeln  Keimbett^)  schon  einen  erheblichen  Schaden  zu  bewirken 
vermochte.  Eine  weitere  Versuchsreihe  ero-ab  dann  bei  einer  Be- 
lichtung  von  immer  sieben  Stunden  dasjenige  Keimungsstadium,  in 
w^elchem  diese  deutlich  beginnende  Schädigung  von  dem  grössten 
Einfluss  ist.  Dabei  wurden,  wie  immer,  je  100  Samen  sieben 
Stunden  lang  von  Anfang  an,  dann  noch  nach  7,  15,  24,  39  und  endlich 
nach  48  Stunden  Dunkelkeimung  belichtet.  Der  Zeitpunkt  28  Stunden 
vor  dem  Hervorbrechen  der  ersten  Würzelchen,  nach  24  Stunden 
Dunkelkeimung,  erwies  sich  als  die  gefährlichste  Entwicklungsstufe,^) 
da  schon  eine  drei  Minuten  währende  Belichtung  in  dieser  Zeit 
sehr  merkliche  Anderunoen  der  Keimkraft  bewirkte. 

Auf  Grund  dieser  Yorversuche  konnten  dann  viele  Hundert 
Samen  während  25 stündiger  Gasbelichtung  nach  24  Stunden  Dunkel- 
keimung lichthart  gemacht  werden.  Auch  Rotlicht  in  einem  spektro- 
skopisch geprüften  Glaszylinder  hatte  nach  24  stündiger  Belichtung 
den  gleichen  Erfolg. 

Mannigfach  variierte  Yersuche  mit  solchen  lichtharteu  (oder 
vielleicht  besser  „lichtmüden")  Samen  bei  Enzymbehandlung,  Asparagin- 


1)  Zu   allen  Versuchen   wurden   gemischte  Mengen    ausgewählter   tadelloser 
Samenexemplare  verwandt. 

2)  63  Stunden    Dunkelkeiniung    in    sterilisierten    Petrischalen    mit    zehn  Blatt 
Filterscheiben  Nr.  595  von  SCHLEICHER  &  SCHÜLL;  Wassermenge  200  pCt. 

3)  Nach    anderen  Versuchen    höchst  wahrscheinlich  überhaupt  der  Beginn  der 
inneren  Arbeit  des  Keimprozesses. 


272  Wilhelm  Kinzel: 

wirkuug,  vorsichtigem  Eintrocknen  usw.  führten  zu  der  besten 
Metliode,  nämlich  1 4 tägigem  Trocknen  der  Samen  über  CaClo  bei  i^0° 
und  sofortigem  Einquellen  in  eine  Lösung  von  1  pCt.  Asparagin 
und  0,1  pCt.  Papayotin,  dem  proteolytischen  Enzym  aus  Carica  Papaya}) 
Nach  fünfstündiger  Quellung  wurden  die  Samen  dann  angestochen 
und  nach  24stündiger  Quellung  zum  Keimen  bei  „20730°"  angesetzt. 
Der  Erfolg  dieser  Behandlung  selbst  bei  schon  durch  andere 
Operationen  sehr  müde  gewordenen  lichtharten  Samen  war  ein  so 
grosser,  dass  auch  von  solchen,  noch  80  pCt.  keimten  gegenüber 
50  pCt.  bei  Samen,  die  dem  gleichen  Trocknungs-  und  Quellungs- 
verfahren, jedoch  ohne  Asparagin  und  Enzym,  ausgesetzt  waren. 
Das  gleiche  A^erfahren  brachte  dann  auch  den  oben  erwähnten  Rest 
der  100,  durch  Sonnenlicht  lichthart  gewordenen  Samen,  nach  sieben 
Monaten  Quelldauer  schon  während  14  Tagen  zur  Keimung. 

Nigella  damascena  ist  noch  empfindlicher  wie  Nigella  sativa^ 
doch  sei  in  diesem  Vorbericht  auch  schon  erwähnt,  dass  bei  diesem 
Dunkelsamen,  ebenso  wie  bei  dem  „Lichtsamen"  Po«,  nur  ganz 
frische  Samen  so  exklusiv  reagieren,  dass  die  Keimung  entweder 
erfolgt  oder  nicht.  Dies  wurde  bei  zahlreichen  Yersuchsreihen  mit 
selbstgesammelter  Poa  pratensis  wiederum  bestätigt,^)  ebenso,  dass  auch 
frische  Selleriesamen  ^)  im  Dunkeln  nicht  keimen.  Für  ganz  frische  Poa 
scheint  jedoch,  umgekehrt  wie  bei  Nigella,  das  Rotlicht  das  vorteil- 
hafteste für  die  Keimung  zu  sein.  Die  zahlreichen  hierauf  bezüg- 
lichen Yersuche  mit  Poa^  die  noch  in  den  sieben  verschiedenen 
Farben  vom  Rot  bis  zum  Violett  mit  ganz  frischen  Samen  wieder- 
holt werden,  sollen  später  eingehend  beschrieben  werden.  Soviel 
aber  geht  daraus  unzweifelhaft  hervor,  dass  frische  Poa-Samen. 
die  am  Licht  bei  genau  20°  in  schon  zehn  Tagen  zu  95  pCt. 
keimen,*)  im  Dunkeln  unter  vollkommen  gleichen  Be- 
dingungen (auf  sterilem  Filterblock  in  Petrischale)  bei  20°,  ebenso 
wie  Apium  zu  0  pCt.  keimen!  Ebenso,  dass  sich  durch  abwechselnde 
Belichtung  und  Verdunkelung  (mit  Unterbrechungen  von  Tagen  und 
Wochen)  die  Keinmng  von  Poa  zur  Durchlaufung  ganz  beliebiger 
Keimungskurven  zwingen  lässt,  allerdings  mit  der  Nebenwirkung, 
dass  bei  sehr  häufiger  und  gewaltsamer  (in  energischem  Keimungs- 
stadium  erfolgter)  Unterbrechung  der  Lichtkeimung  die  Lebens- 
energie der  Samen   so  geschwächt  wird,    dass  bei  den  im  September 


1)  Versuche    mit    deu    eigenen  Enzymen    der  Nigellasanien  waren  resultatlos; 
andere  Enzyme  wirken  nur  in  sehr  verdünnten  Lösungen. 

2)  cf.    Atterberg.     1899.      Om    inflytandet    och    växlandc    temperatur    vid 
groningen  af  kulturväxternas  och  särskildt  af  tallens  frön. 

3)  HICKS  u.  S.  Key,  Yearhook  of  the  U.  S.  A.  Dept.  of  Agriculture  1897. 

4)  Nach  einer  vierwöchigen  Nachreife,    Über   die  interessanten  Nachroifungs- 
kurven  ebenfalls  später! 


über  (Ion  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.     „Lichtliartc"  Samen.     273 

gesammelten  Samen  schliesslich  die  geringe  Intensität  des  Winter- 
lichtes, des  Gasglühlichts,  ebenso  natürlicli  die  Behandlung  bei 
20°/oO°  (durch  Wochen!!)  in  müdem  Zustande  verbleibende  Reste 
von  20 — 30  pCt.  der  Versuchssamen  nicht  zur  Keimung  bringen 
konnte.  Solche  Monate  lang  (ö — 6  Monate)  feucht  liegende  Poa- 
Samen  (K.  =  95  pCt),  die  obigen  Einwirkungen,  auch  der  Wärme 
von  '20°I'.W°  gegenüber,  lange  Zeit  stumm  blieben,  keimten  dann 
nach  halbjähriger  Yersuchszeit  erst  mit  Hilfe  des  intensiven  Früh- 
jahrslichtes im  März  und  April  in  vier  verschiedenen  Versuchen 
prompt  zu  91 — 93  pCt.,  also  mit  ganz  unerheblichen  Unterschieden 
gegen  die  im  September  erreichte  Normalzahl. 

Der  praktische  Beweggrund  zu  den  hier  nur  kurz  erwähnten 
Versuchen  war  niclit  nur  die  immer  wiederkehrende  erhebliche 
Differenz  zwischen  den  Keimprüfungsresultaten  verschiedener 
Anstalten  bei  Poa^  sondern  auch  Differenzen  bei  anderen,  namentlich 
gärtnerischen  Samen. 

Die  Zwiebelsamen    gelten    von   jeher    als  Schmerzenskinder  der 
Prüfungsanstalten.     Eine  Notiz   im  Österr.  Landwirtsch.  Wochenblatt 
von   1883,  Xr.  30,  welche  das  Keimungsoptimum  bei  15,5°  C  =  66  pCt. 
findet,      bei     höherer     Temperatur     (29°)     aber     eine     wesentlich 
niedrigere  Keimziffer  (40  pCt.),    berücksichtigt    offenbar    nicht,    dass 
höhere  Temperaturen  nur  bei  gleichzeitiger  Belichtung  die  Keimungs- 
energie störend    beeinflussen.     Denn  Allium  Cepa  keimte  bei  20°  im 
Dunkeln    in    vier  Tagen    zu    75  pCt.,    im    Licht    nur    zu    7  pCt.  (!), 
Allium    ascalonicum    in    acht    Taoen    gar    in    einem    Abstände    von 
88  pCt.  (7  pCt.  :  95  pCt.)!     Ähnlich  andere  Allium-X\:ien\    bei  Allium 
Porrum    konnten    übrigens    bei    einer    verregneten    Saat    20  pCt.  im 
Freien    lichthart    gewordene  Samen    nachgewiesen  werden,    die  nach 
entsprechender  Behandlung,  Anstechen  und  20°/30°,  natürlich  sämtlich 
keimten.      Unter    Nichtbeachtuno-     der    Belichtunosverhältnisse    wäre 
auch    das    eigentümliche  Verhalten    der  Ni^ellaSamen   nie  ganz  auf- 
geklärt worden.     Es    keimten    bei   den  ersten  Versuchen  bei  20°  im 
Sonnenlicht  0  pCt.,  bei  20°/30°  55  pCt.,  bei  20°,  nur  selten  schwach 
belichtet    und    immer    von    feuchtem  Filtrierpapier  dicht  umgeben, 
88  pCt.     Man    hätte  demnach,    wie  jener  österreichische  Autor,^)  die 
Temperatur     von     30°     für     eine     sehr     schädliche    halten    müssen. 
Jedoch    erwiesen  spätere  Versuche  mit  Sicherheit,  dass  nur  die  zeit- 
weise,    wenn    auch    sehr    schwache    Belichtung    im    Verein    mit    der 
hohen  Temperatur  45  pCt.  der  Samen  lichthart  machte,  während  bei 
exakter  Verdunkelung  88  pCt.   keimten,    selbst    bei  30°.     Zahlreiche 
Versuchsreihen    mit    Asphoclelus    ramosus    und    Nigella    bei    \^%    20°, 
20730°  im  Licht,  Halblicht,  Dunkel  brachten  hierüber  volle  Klarheit. 


1)  Name  nicht  zu  crmittehi! 


274  Wilhelm  Kinzel: 

Besonders  bemerkenswert  verhält  sich  Asphodelus  ramosus.  In 
14  Tagen  im  Dunkeln  zu  90  pCt.  keimend,  zögert  der  Same  mit 
der  Keimung  bei  *20°  im  Licht  so,  dass  zu  dieser  Zeit  erst  35  pCt. 
später  meist  kränkelnde*)  Keime  erschienen  sind.  Xach  16  Tagen 
waren  in  zwei,  drei  volle  Monate  auseinanderliegenden  Yersuchen 
genau  nur  42  pCt.  beidemal  gekeimt,  während  die  Samen  im 
Dunkeln^)  längst  90  pCt.  erreicht  hatten,  aber  ebenso  auch  im  Licht 
bei  14°.  Auf  die  bereits  abgeschlossenen  Versuche  in  farbigem 
Licht  soll  hier  nur  ganz  kurz  eingegangen  werden.  Besonders  über- 
raschend ist  dabei  die  Schädigung  durch  das  violette  Licht  bei  14° 
gegenüber  dem  Keimungsoptimum  (92  pCt.)  in  demselben  Violett 
bei  20°.  Bei  14°  schädigt  die  blaue  Hälfte  des  Spektrums  mehr, 
namentlich  auch  das  Dunkelblau  besonders^)  energisch  gleich  im 
Anfang  der  Keimung,  während  bei  20°  die  roten  Farben,  rot  bis 
orange  mehr  und  dauernd  schädigten.  P]in  Optimum  lag  bei  allen 
Temperaturen  im  Gelb  (92  und  93  pCt.),  bei  20°  ein  gleiches, 
auch  hinsichtlich  des  späteren  Wachstums  der  Keimlinge,  im  Violett. 
Dennoch  w^aren  die  im  hellen  Gelb  befindlichen  5  cm  langen  Keime 
lebhaft  grün,  die  ebenso  langen  im  Violett  bleich  gelbgrün.  Der 
Verdunkelungsgrad  des  fast  undurchsichtigen  Violett  spielte  demnach 
gegenüber  der  spezifischen  Wirkung  der  Lichtwellenlänge  nur  eine 
sehr  geringe  Rolle.  War  doch  das  Gelb  fast  gleich  hell  wie  das 
Weiss  —  trotzdem  dort  das  Maximum  der  Schädigung  mit 
Differenzen  bis  60  pCt.  gegen  das  Optimum  im  lichten  Gelb! 

Die  Unterschiede  gleichen  sich  schliesslich  bei  14°  bis  auf 
einen  erheblichen  Abstand  im  Dunkelblau  und  Violett  ziemlich  aus, 
während  bei  20°  Differenzen  bis  zu  60  pCt.  und  namentlich  der 
gewaltige  Unterschied  in  der  späteren  Entwicklung  der  Keimlinge 
verständlich  machen,  wie  etwa  der  Einfluss  des  Lichtes  auf  die 
Inhaltsstoff'e  des  keimenden  Samens  zu  denken  ist.*) 

Besonders  bemerkenswert  ist  auch  der  kräftig  hindernde  Eingriff 
des  hellblauen  Lichtes  bei  20°,  fast  gleichkommend  dem  dunkeln 
Rot,  während  bei  14°  hellblau  wie  dunkelrot  in  dieser  Hinsicht 
fast  einflusslos  waren,  nur  mit  wenig  rascherer  Anfangsentwicklung 
wie  das  bei  14°  gleichfalls  unschädliche  weisse  Licht. 


1)  Auch  von  vornherein  meist  abweichend  hervorbrechende,  rasch  anormal 
ergrünende  — . 

2)  hier  später  mit  unbedeutender  Beschleunigung  durch  die  Nachreife. 

3)  Viel    weniger   im  Anfang    das  Violett,  später  allerdings  sehr  bedenklich. 

4)  Hierbei  ist  auch  die  Tütsache  zu  bedenken,  dass  ,l,ichtsamen'  oft  anfangs 
am  Licht  erheblich  gegen  entsprechend  warme  Dunkelversuche  in  der  Keimzahl 
zurückstehen,  besonders  wenn  bei  den  durch  die  Erregung  der  Enzyme  eingeleiteten 
Umsetzungen  die  Wärme  fehlt.     Violett  bei  14°  und  Violett  bei  20°. 


über  den  Eiufluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.     „Lichtharte"  Sameu.     275 

Keimversuche  unter  den  verschiedenen  Regenbogenfarbeu  sind 
noch  im  Gange  mit  Nigella  damascena^  Allium  ascalonicwn^  Poa, 
Ntcotiana,^)  Apium,  Veratrum. 

Besonders  Verutriim,  das  in  fünf  Monaten  im  Diinkehi  zu 
oO  pCt.,  im  Licht  fast  zu  0  pOt.  ^)  —  später  alhnählich  nur  früh 
vergrünte  Keimlinge  —  keimt,  verspricht  bei  der  langandauernden 
farbigen  Belichtung  lehrreiche  Pjinblicke.  Hierzu  werden  kleine 
farbige  Glasglocken  (aus  Dänemark  bezogen)  verwandt  werden. 

Der  Einfluss  der  Belichtung  wurde  noch  geprüft  bei  Aquüec/ia, 
Delphinium,  Allium  7ngrum,  A.  Schoenoprasum.,  A.  Victoriaiis.,  A. 
ursinum,  A.  suaveolens,  Bijacinthus  candicans,  Anthericum  Liliago, 
Gentiana  nivalis.,  Asphodelus  albus.,  Allium  AJoli/  und  einigen  schon 
früher  erwähnten. 

über  alle  diese  Versuche  kann  erst  viel  später  zusammenhängend 
berichtet  werden  unter  Beigabe  grossenteils  schon  fertiger  ausführ- 
licher Tabellen  und  graphischer  Kurvenzeichnungen.  Dennoch  habe 
ich  gerne  diese  kurze  Notiz  vorausgeschickt,  weil  es  mich  freuen 
würde,  wenn  die  leicht  zu  wiederholenden  Versuche  zu  weiterem 
Studium    dieser    auch    für  die  Praxis  interessanten  Fragen  anreo-ten. 

Zu  den  Versuchen  in  farbio'em  Licht  dienten  schwarz  lackierte 
Petrischalen  ("i-^XlSO  mm)  mit  farbigen  eingekitteten  Deckeln, 
welche  durch  die  Firma  Dr.  A.  SCHWALM,  München,  Sonnenstr.,  besorgt 


1)  Eine  Anführung  der  Keimzahlen  von  Nicotinna  Tabacum  für  den  vierten  his 
neunten  Keimtag  (wo  die  Keimung  für  die  gut  nachgereifte  Saat  auch  im  Blau- 
licht beendet  war,  möge  noch  ein  typisches  Beispiel  für  das  merkwürdige  Ver- 
halten der  .„Lichtsamen"  in  den  verschiedenen  Farben  abgeben  (bei  20°): 


Hell 

Rot 


Orange 


Gelb  .... 
(irün  .... 
Hellblau  .  . 
Dunkelblau  . 
Dunkelviolett 
Ultraviolett  . 


10 

75 

92 

96 

97 

_ 

12 

25 

36 

50 

54 

55! 

27 

64 

87 

93 

96 

— 

26 

63 

89 

96 

97 

— 

•.M 

77 

94 

95 

— 

— 

10 

18 

24 

29 

32 

32! 

12 

25 

34 

39 

39 

41! 

17 

33 

50 

54 

54 

56! 

17 

33 

53 

60 

63 

67! 

s 
S 

CS 
CA; 
O 


(1> 

o 


o 


o      S 


Das  Grün  wirkt,  wie  oft,  als  Optimum  bei  den  Lichtsamen,  namentlich 
bei  gelagerter,  noch  stark  lichtempfindlicher  Poa;  bei  ganz  frischer  kann  es  durch 
Rot  vertreten  werden. 

Auch  bei  den  „Dunkelsamen"  liegt  das  Optimum  oft  in  der  Mitte  des  Spektrums, 
im  reinen  Grün  (z.  B.  bei  Xiijella  daiuascena). 

2)  Ein  erschienener,  sofort  unter  krankhafte  Krümmung  ergrünender  Keim 
starb  wieder. 


276  W.  Voss: 

wurden.  Von  diesen  Schalen  wurden  aber  zunächst  nur  die  Deckel 
benutzt,  als  Keinigefäss  dagegen  innen  weiss  emaillierte  5  cm  hohe 
Pfannen,  die  innen  über  einem  Wasservorrat  von  15  ccm.  den  genau 
gleichmässig  feuchten  Filterscheibenblock  auf  einer  nach  unten 
offenen  Petrischalenhälfte  enthalten. 

Besonders  auch  im  Hinblick  auf  die  FiSCHER'sche  Arbeit 
„Wasserstoff  und  Hydroxylionen  als  Keimungsreize"  ^)  war  mir  daran 
gelegen,  diese  vorläufige  Notiz  möglichst  bald  zu  geben,  weil  diese 
Lichtwirkungeu  mit  jenen  Ionen -Wirkungen  vielleicht  in  irgend 
eine  Verbindung  zu  bringen  sind.  Auf  die  von  FISCHER  gefundenen 
Tatsachen  wies  ich  bereits  vermutungsweise  mit  Angabe  der 
Keimung  von  Hottonia  in  der  Naturwiss.  Zeitschrift  für  Land-  und 
Forstwissenschaft^)  hin.  Vorbehalten  möchte  ich  mir  augenblicklich 
bis  zur  ausführlichen  Veröffentlichung  die  im  Gange  befindlichen 
Versuche  im  farbigen  Licht  mit  den  angegebenen  Samenarten. 
Später  hoffe  ich  die  gleichzeitige  Reizwirkung  von  Wasserstoff-  und 
Hydroxylionen  mit  Einwilligung  ihres  Entdeckers  beobachten  zu 
können. 

Die  meisten  Samen  lieferte  die  Firma  HAAGE  &  SCHMIDT 
in  Erfurt. 

München  2:5,  den  16.  6.  1907. 


41.  W.  Voss;  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen 

Blüten. 

2.  Chrysanthemumform  „Waban". 

Eingegangen  am  20.  Juni  1907. 


Die  grossen  Köpfchen  der  Chrysanthemumform  Waban  zeichnen 
sich  durch  ihre  sehr  langen,  steil  aufgerichteten  Strahlblüten  aus, 
deren  weisslichrote  Kronen  einen  recht  verschieden  laugen  röhren- 
förmigen Teil  zeigen.  Im  Innern  des  Köpfchens  findet  sich  eine 
Scheibe    von  Rölirenblüten    von    recht    variabler  Ausdehnuuo-.     Ein- 


1)  D.  B.  G.  1907  Heft  ?>.  S.  108. 

2)  1903.  S.  110. 


über  ^lerkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten.  -^Ti 

zeliio  Röhrenblüten  stehen  auch,  wie  immer  bei  gefüllten  Chrysan- 
themen, unregelmässig  zerstreut  unter  den  Strahlblüten.  Äusserst 
charakteristisch  für  die  vorliegende  Form  ist  der  Umstand,  dass  fast 
ohiie  Ausnahme  die  Blüten  der  Köpfchen,  freilich  in  verschieden 
starkem  Grade,  proliferiert  sind. 

Die  Proliferationen,  die  die  Fruchtknotenhöhle  durchwachsen, 
trauen  Blattorgane  der  verschiedensten  Art.  die  meistens  einen 
äusserst  komplizierten  Bau  zeigen.  So  zeigten  von  den  beiden 
untersten  Blättern  an  der  Proliferation  einer  sonst  normalen  Röhren- 
blüte, die  beide  in  der  Gestalt  einem  tiefgespalteuen  Hochblatt 
glichen,  das  eine  die  rein  gelbe  Farbe,  die  Struktur  und  die  Art 
der  Behaarung  durch  Drüsenhaare  der  Röhrenblütenkrone,  das 
andere  zeigte  diese  Merkmale  nur  in  dem  einen  Zipfel,  während  der 
andere    die    grüne  Farbe  und  die  Behaarung  der  Hochblätter  zeigte. 

Ähnlich  gestaltet  waren  die  Blätter  an  der  proliferierenden 
Achse  einer  grossen  Strahlblüte.  Die  ältesten  Blattgebilde  ähnelten 
in  der  Gestalt  petaloiden  Staubblättern  und  waren  am  Grunde  zu 
einer  kurzen  Röhre  miteinander  verwachsen.  Die  eigentümliche 
Färbung  dieser  Zipfel  wies  auf  einen  eigentümlichen  Bau  derselben 
hin.  Der  kürzere  derselben  zeigte  auf  der  Oberseite  ebenso  wie 
der  eine  der  an  ihn  angrenzenden  Zipfel  die  Farbe  der  Strahlblüten- 
krone auf,  während  seine  Unterseite  auf  der  dem  zweiten  Zipfel  ab- 
gekehrten Hälfte  die  gelbe  Farbe  der  Rölirenblütenkrone  zeigte. 
Die  andere  Hälfte  zeigte  die  grüne  Farbe  und  die  Behaarung  der 
Laub-  und  Hochblätter.  An  diesen  Streifen  anschliessend  wies  die 
untere  Seite  ebenso  wie  die  Oberseite  des  schon  erwähnten  zweiten 
Zipfels  die  Farbe  der  Strahlblütenkrone  auf.  Das  dritte  Blattgebilde 
des  Wirteis  war  auf  der  Unter-  sowie  auf  der  Oberseite  zur  Hälfte 
grün,  zur  Hälfte  blassrosa  gefärbt.  Die  grüne  Hälfte  trug  auf  der 
Unterseite  die  Behaarung  der  Laub-  und  Hochblätter. 

Aus  der  Färbung  der  eben  beschriebenen  Blattgebilde  geht  ohne 
weiteres  hervor,  dass  sich  in  denselben  die  Merkmale  sowohl  der 
Strahlblüten-  und  Röhrenblütenkrone  als  auch  des  Laub-  und  Hoch- 
blattes treffen.  Zunächst  wurde  untersucht,  zu  welchen  Kom- 
binationen eine  Reihe  von  Merkmalen  der  Zellen  der 
oberen  Epidermis  und  des  darunter  liegenden  Parenchyms 
normaler  Blattorgane  in  einer  Zelle  zusammentreten 
können. 

Wie  bei  allen  untersuchten  Chrysanthemumformen  setzt  sich 
auch  bei  der  vorliegenden  Form  Waban  die  obere  Epidermis  der 
Strahlblütenkrone  aus  nicht  oder  sehr  wenig  in  der  Längsachse  der 
Blüte  gestreckten,  sehr  häufig  fast  quadratischen  Zellen  mit  massig 
gewellten  Radialwänden  und  stark  papillöser,  von  einer  kräftig  ge- 
falteten Cuticula  überzogenen  Aussenwand  zusammen.    Im  Cytoplasma 


o 


278  W.Voss: 

der  allermeisten  Zellen  liegen  Leucoplasten,  doch  kommen,  wenn 
auch  nicht  häufig,  in  vollständig  normalen  Strahlblüten  in  der 
oberen  Epidermis  der  Zunge  in  allen  Höhen  eine  oder  wenige  Zellen 
breite  Längsstreifen  von  Zellen  vor,  die  statt  der  Leucoplasten  gelbe 
Chromoplasten  führen.  In  diesen  Streifen  kommen  ausserdem  ein- 
zelne Zellen  mit  glatter  Cuticula  vor,  die  sowohl  Leucoplasten  als 
auch  Chromoplasten  führen  können.  In  den  Zipfeln,  deren  Spitze 
nicht  wie  die  der  Röhrenblüte  Büschel  stark  papillöser  Zellen  trägt, 
nimmt  die  Aussenwand  der  Spitze  nach  dem  Rande  zu  immer  mehr 
eine  ebene  Gestalt  an.  Der  Zellsaft  der  ins  Auo-e  o-efassten  Zellen 
schwankt  von  fast  vollständiger  Farblosigkeit  bis  zu  einem  intensiven 
Carmin. 

Die  Krone  der  Röhrenblüte  von  oben  von  der  Fläche  betrachtet 
zeigt  dasselbe  Bild  wie  bei  allen  untersuchten  Chrysanthemen.  Die 
langgestreckten,  gerade  Radialwände  und  ebene,  von  einer  glatten 
Cuticula  bedeckte  Aussenwände  zeigenden  Zellen,  in  deren  Cyto- 
plasma  zahlreiche  gelbe  Chromatophoren  liegen,  werden  nach  den 
Zipfeln  zu  etwas  kürzer,  während  die  Radialwände  stark  gewellt 
werden.  Die  Spitze  der  Zipfel  zeigt  das  für  die  Röhrenblüten  der 
Chrysanthemen  charakteristische  Büschel  zottenförmiger  Zellen  mit 
zahlreichen  gelben  Chromatophoren. 

Die  obere  Epidermis  des  Hochblattes  setzt  sich  aus  Zellen  zu- 
sammen, die  deutlich  in  der  Längsrichtung  des  Blattes  gestreckt 
sind.  Die  in  den  Hüllkelchblättern  verdickten  und  deshalb  deutlich 
getüpfelten  Radialwände  sind  leicht  geschwungen,  die  Aussenwände 
sind  eben  und  von  einer  glatten  Cuticula  bedeckt.  Die  Chromato- 
phoren sind  als  Leucoplasten  ausgebildet. 

Das  Laubblatt  hat  eine  obere  Epidermis,  die  gebildet  wird  von 
nicht  gestreckten  Zellen,  die  häufig  auf  Flächenschnitten  fast 
quadratisch  erscheinen.  Die  Radialwände  sind  leicht  gewellt  und 
die  ebene  Aussenwand  ist  von  einer  glatten  Cuticula  bedeckt.  Wie 
in  den  entsprechenden  Zellen  des  Hochblattes  sind  die  Chromato- 
phoren als  Leucoplasten  ausgebildet,  während  der  Zellsaft  farb- 
los ist. 

Für  die  nähere  Untersuchung  der  abnormen  Gebilde,  bei  der 
ich  zunächst  wie  auch  sonst  in  dieser  Arbeit  das  Verhalten  normal 
ausgebildeter  Merkmale  ins  Auge  gefasst  habe,  habe  ich  mich 
für  folgende  Paare  antagonistischer  Merkmale  entschieden: 

Zelle  in  der  Längsrichtung   des  Organs 

gestreckt nicht  gestreckt, 

Aussenwand  papillös  vorgetrieben  .  eben, 

Cuticula  gefaltet glatt, 

Chromatophoren  gelb farblos. 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten. 


279 


Um  einen  Massstab  für  den  Grad  der  Streckung-  der  einzelnen 
Zellen  und  dadurch  die  Möglichkeit  einer  zahleuniässigen  Abgrenzung 
der  beiden  Glieder  des  ersten  Merkmalspaares  zu  gewinnen,  habe 
ich  'bei  einer  Anzahl  von  Zellen    das  A  erhältnis  Län"e  :  Breite    fest- 


gestellt und  folgende  Resultate  erhalten: 


Lcänge  :  Breite 

1 

so 
1 

CS 
1 

1 

1 

1 

cd" 

o 
1 

C5, 

1 

Oi 

1—1 
1 

cc 

1— i       1— t 

1         1 

1—1 
1 

C5 

1— t 
1 

1 

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G^ 

CO 

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t— 

GO 

<n 

o 

1-1 

T— l 

T-l 

eo 
1—1 

1—1      1—1 

1—1 

1—1 

Röhrenblüte: 

Glocke.    .    . 

0 

0 

6 

6 

2 

5 

1 

1 

1 

2 

2 

1 

0 

1 

0 

0 

0 

1 

Zipfel  .    .    . 

0 

0 

1 

8 

17 

10 

8 

4 

3 

0 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Strahlenblüten: 

Mitte    .    .    . 

4 

51 

19 

1 

1 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 



Rand  der 

Zunge  .    . 

0 

:5 

18 

7 

3 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

—  ■ 

— 

— 

— 



Hochblatt   .    . 

0 

0 

2 

3 

G 

10 

5 

5 

3 

3 

1 

2 

2 

1 

0 

2 

1 

1 

Laubblatt   .    . 

1 

26 

10 

1 

0 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 



Obgleich  die  beiden  Glieder  dieses  Merkmalspaares  transgressiv 
variieren,  mache  ich  doch,  wie  aus  den  oben  wiedergegebeneu 
Yariationsreihen  ersichtlich  ist,  bei  der  Beurteilung  einer  Zelle  nur 
in  seltenen  Fällen  einen  Fehler,  wenn  ich  alle  Zellen  mit  einem 
Quotienten  unter  3  für  „nicht  gestreckt",  über  4  für  „gestreckt'^  in 
Anspruch  nehme. 

Bei  den  drei  übrigen  Merkmalspaaren  kann  eine  zalilenmässige 
Abgrenzung  der  Glieder  gegeneinander  nicht  vorgenommen  werden. 
Es  wurde  deshalb  hier  wie  bei  später  behandelten  Merkmalen  in 
zweifelhaften  Fällen  immer  durch  Yergleich  mit  typischen  Formen 
die  Frage  entschieden,  ob  das  Merkmal  in  typischer  Stärke  aus- 
gebildet sei  oder  nicht,  meistens  wurden  jedoch  solche  Fälle  nicht 
als  Beweis  für  die  Möglichkeit  der  gerade  ins  Auge  gefassten 
Merkmalskombination  in  Anspruch  genommen.  Die  Beurteilung  der 
Farbenintensität  der  Chronioplasten  erfolgte  immer  unter  Anw^endung 
von  Comp.  cc.  XII -|- \'j^,  Im.  ZeiSS  an  in  3 prozentiger  Zuckerlösung 
liegenden  Präparaten. 

Ich  habe  zunächst  in  dem  oben  beschriebenen  eigentümlichen 
dreizipfligen  Blattgebilde  den  zur  Hälfte  grünen,  zur  Hälfte  gelben 
Zipfel  untersucht.  Die  obere  Epidermis  des  gelben  Teils  setzte  sich 
aus    typischen    Strahlblütenzellen    zusammen,     die     über     dem    ein- 


280  W,  VOSS: 

gesprengten    grünen    Teil    die    papillöse    Aussenwand    und    gefaltete 
Cuticiila    vertauschten    mit    einer    ebenen,    von    glatter  Cuticula    be- 
deckten Aussenwand,  wie  sie  charakteristisch    ist    für  das  Laubblatt. 
Auch  die    untere  Epidermis    des    grünen  Teils    zeigt  Zellen    ähnlich 
den  entsprechenden  Zellen  des  Laubblattes.      Ich    habe   jedoch    die- 
selben   nicht    genauer    analysiert.      Erwähnen    tue    ich    die    untere 
Epidermis  in  diesem  Falle  ausnahmsweise,    weil  in  dem  gelben  Teil 
des  Zipfels    dieselbe    sich    aus  Zellen    zusammensetzt,    die    in   jeder 
Beziehung    sich    als  Zellen    des   glockenförmigen  Teils    der  Röhren- 
blütenkrone  auswiesen.     Sie  waren  langgestreckt,  ihre  ebene  Aussen- 
wand war  mit    einer    glatten  Cuticula    bedeckt    und    ihre  Chromato- 
phoren    waren     als    Chromoplasten     ausgebildet.        Ein    Querschnitt 
durch  den  Zipfel  zeigte,  dass  gelbe  Chromatophoren  auf  die  Epidermis 
beschränkt  waren,    eine    merkwürdige  Analogie    zur  Einschichtigkeit 
des    nicht    um    einen    Nerv    liegenden    glockenförmigen    Teils     der 
Röhrenblütenkrone.     Die  drei  Blattarten  haben  sich  in    ganz    eigen- 
tümlicher Weise    in    den  Zipfel    geteilt.      Die    eine   Hälfte    hat    das 
Laubblatt    in    Anspruch    genommen,     während     die     andere    Hälfte 
tangential    zwischen  Röhrenblüten-    und    Strahlenblütenkrone    geteilt 
ist.     Ich  habe  den  Zipfel  beschrieben,    um    die    ganz    eigentümliche, 
scheinbar    ganz    willkürliche    Verteilung    von    Gewebearten 
dreier  verschiedener  Blattorgane  in  einem  Blatt  zu  zeigen, 
die    ebenso    wie    das    erwähnte    vereinzelte    Auftreten    von 
Chromoplasten    führenden   Zellen    in    dem    sonst    farblosen 
Parenchym  des    gelben  Teils    eine  Abhängigkeit    der  Akti- 
vierung   dieser    Merkmale    von    äusseren    Faktoren    ausser- 
ordentlich unwahrscheinlich  macht. 

Für  das  Studium  der  Abhängigkeitsverhältnisse  zwischen  den 
obengenannten  Merkmalen  eignete  sich  das  eben  beschriebene  Blatt 
weniger,  da  der  Übergang  von  den  Strahlblütenzellen  der  oberen 
Epidermis  zu  den  Laubblattzellen  fast  plötzlich  erfolgt.  Günstiger 
hierfür  war  ein  etwas  mehr  als  2  cm  langes  Blattgebilde,  von  der 
Gestalt  eines  breiten  petaloiden  Staubblattes,  das,  von  oben  gesehen, 
an  der  Spitze  nach  rechts  hackenförmig  gekrümmt  w^ar  und  auf  der- 
selben Seite  in  halber  Höhe  einen  kurzen,  keilförmigen  Zipfel  trug. 
Dieser,  sowie  die  rechte  Seite  des  eine  netzförmige  Nervatur  auf- 
weisenden Blattes  zeigen  einen  leichten  gelben  Anflug,  der  in  dem 
mit  Zotten  besetzten  Bande  des  seitlichen  Zipfels  zu  einer  intensiv 
gelben  Färbung  wird.  Der  übrige  Teil,  der  durch  ein  mächtiger 
entwickeltes  Parenchym  eine  derbere  Struktur  erhält,  zeigt  die 
weisslichrosa  Färbung  der  Strahlblütenzunge.  Am  oberen  Rande 
tritt  eine  carmingefärbte  Partie  auf.  Auf  den  ersten  Blick  scheint 
das  beschriebene  Blatt  einen  ziemlich  einheitlichen  Bau  zu  haben, 
und  doch  setzt  sich  die  obere  Epidermis  aus  einer  Reihe  von  Zellen 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten.  281 

der  verschiedensten  Kombinationen  zusammen.     Es  wurden  foloende 
Zellformen  gefunden: 

■^    1.    Zelle  nicht  gestreckt,  Aussenwand  eben,  Cuticula  glatt,  Leuco- 
plasten; 

2.  Zelle    nicht  gestreckt,    Aussenwand  papillös,    Cuticula    glatt, 
Leucoplasten; 

3.  Zelle  nicht  gestreckt,  Aussenwand  papillös,  Cuticula  gefaltet, 
Leucoplasten; 

4.  Zelle    gestreckt,    Aussenwand    eben,    Cuticula    glatt,    Leuco- 
plasten; 

5.  Zelle  gestreckt,  Aussenwand  eben,   Cuticula  gefaltet,    I^euco- 
plasten; 

G.    Zelle  gestreckt,    Aussenwand   eben,    Cuticula  glatt,    Chrcmo- 
plasten 

Die  einzelnen,  eben  angeführten  Zellformen  liegen  auf  dem 
Blatt  freilich  zu  grösseren  Gruppen  vereinigt,  jedoch  liegen  diese  so 
scheinbar  regellos  über  die  Oberfläche  zerstreut,  dass  es 
sicher  erscheint,  dass  die  Ausbildung  einer  Zellform  in 
unserem  Falle  keine  Funktion  der  Lage  der  Zelle  im  Blatt 
und  damit  auch  nicht,  wie  auch  schon  das  äussere  Aussehen 
der  untersuchten  Blattgebilde  zeigt,  eine  Funktion  von 
der  Gesamtheit  der  äusseren  Lebensbedingungen  der  ein- 
zelnen Zellen  abhängiger  Faktoren  ist,  da  von  nebeneinander 
auf  der  Blattspreite  liegenden  Epidermiszellen  nicht  angenommen 
werden  kann,  dass  sie  unter  verschiedenen  Lebensbedingungen  ent- 
standen sein  sollen,  aber  auch  nicht,  dass  sie  sich  als  Zellen  der- 
selben Abstammung,  und  häufio-  auch  sogar  oenau  desselben  Alters 
zur  Zeit  ihrer  Entwicklung  in  ihren  „inneren  Bedingungen"  im 
Sinne  von  Klebs  (vgl.  z.  B.  Willkürliche  Entwicklungsänderungen) 
unterschieden  haben  sollen,  wie  es  nötig  wäre,  wenn  die  gleichen 
äusseren  Bedingungen  eine  verschiedenartige  Entwicklung  hätten 
auslösen  sollen. 

Ganz  ebenso  waren  die  Beobachtungen,  die  an  einem  laugen, 
schmalen,  scbuppenförmigen  Blatt  gemacht  wurden,  das  auch  eine 
netzförmige  Nervatur  zeigte.  Die  rechte  Seite  desselben,  von  oben 
gesehen,  zeigte  die  Farbe  der  Strahlblütenzunge,  während  ein  Stück 
der  linken  Hälfte,  dicht  unter  der  Spitze  gelegen,  eine  wechselnd 
intensive  Gelbfärbung  aufwies.  An  diesen  gelben  Teil,  dessen  Band 
keine  Zottenbüschel  trug,  schloss  sich  ein  Stück  fast  trockenhäutigen 
Saumes  an  von  teilweise  brauner  Farbe,  während  der  noch  fehlende 
Teil  des  Blattes  ein  lichtes  Grün  zejote.  In  dem  Teil  der  oberen 
Epidermis,  die  über  dem  weisslichroten  Stück  lag,  fanden  sich 
Zellen  von  folgender  Zusammensetzung: 


282  W.  Voss: 

Form:    nicht  gestreckt,    Aussenwand    papillös,     Cuticula 

gefaltet,  Leiicoplasten; 
strichweis:  nicht  gestreckt,  Aussenwand  papillös,  Cuticula 

glatt,  Leucoplasten. 

In  dem  gelben  Teil  der  Spitze  fanden  sich  Zellen,  wie  sie 
charakteristisch  sind  für  die  Zipfel  der  Röhrenblütenkrone.  Nach 
rechts  zu  ging  diese  Zellform  zunächst  über  in  niclit  gestreckte 
Zellen  mit  papillöser  Aussenwand,  gefalteter  Cuticula  und 
Chromoplasten  und  schliesslich  in  die  für  Strahlblüten  charakte- 
ristische Form.  Gegen  den  trockenhäutigen  Saum  zu  treten  die 
Merkmale:  gestreckte  Form,  ebene  Aussenwand,  glatte  Cuticula 
und  Chromoplasten  in  einer  Zelle  auf  und  in  diesem  Teil  selbst 
Zellen  folgender  Merkmalskombination:  gestreckte  Form,  ebene 
Aussenwand,  glatte  Cuticula,  Leucoplasten.  Gegen  den  mit 
Strahlblütenzellen  bedeckten  grünen  Teil  zu  traten  in  der  Gruppe 
der  genannten  Zellformen  an  einzelnen  Stellen  an  Stelle  der 
Leucoplasten  auch  Chromoplasten,  gefaltete  Cuticula  oder  beides  auf, 
um  an  einigen  Stelleu  über  Zellen  mit  den  Merkmalen  nicht  ge- 
streckte Zellform,  ebene  Aussenwand,  glatte  oder  gefaltete 
Cuticula,  Leucoplasten  oder  nicht  gestreckte  Zellform,  ebene 
Aussenwand,  glatte  oder  gefaltete  Cuticula,  Chromoplasten 
sich  an  die  Strahlblütenzellen  des  grünlichen  Teils  anzuschliessen. 
Ein  fester  Modus  des  Überganges  von  einer  Zellform  zur  anderen 
war  nicht  vorhanden. 

Bemerken  will  ich  noch,  dass  in  dem  trockenhäutigen  und  in 
dem  gelben  Teil  das  Blatt  nur  aus  der  unteren  und  der  oberen 
Epidermis  besteht.  Ausserdem  will  ich  auch  hier  noch  besonders 
darauf  hinweisen,    dass  auch   die  eben  mi toeteilten  Tatsachen 


'r> 


eine  Abhängigkeit  der  Ausbildung  der  Zelle  von  ihrer 
Lage  im  Blatt  nicht  erkennen  lassen. 

Ich  will  die  gefundenen  Kombinationen  vollausgebildeter  Merk- 
male in  einer  Tabelle  zusammenstellen  (S.  283). 

Aus  dieser  Tabelle  der  aufgefundenen  Zellformen  geht  hervor, 
dass  alle  ins  Auge  gefassten  Merkmale,  natürlich  von  den 
antagonistischen  abgesehen,  voll  ausgebildet  zusammen  in  einer 
Zelle  auftreten  können  mit  Ausnahme  von  „gestreckte 
Form"  und  „papillöse  Aussenwand",  die  ich  trotz  allen  Suchens 
nicht  zusammen  beobachten  konnte.  Es  folgt  hieraus  jedoch  nicht, 
dass  das  Merkmal  „gestreckte  Form"  die  volle  Ausbildung  einer 
„ebenen  Aussenwand"  fordert.  Es  wurden  vielmehr  häufig  gestreckte 
Zellen  mit  massig  papillöser  Aussenwand  gefunden.  Die  volle 
Ausbildung  einer  papillösen  Aussenwand  schliesst  also  das 
Merkmal    „gestreckte   Zellform"    aus,    während    jedoch    die 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten. 


283 


Form  der  Zelle 

Form  der 
Aussenwand 

Form  der  Cuticula 

Ausbildung  der 
Chromatophoren 

1 

gestreckt 

eben 

glatt 

Chromoplasten 

2 

do. 

do. 

do. 

Leucoplasten 

3 

do. 

do. 

gefaltet 

do. 

4 

do. 

do. 

glatt 

Chromoplasten 

5 

nicht  gestreckt 

papillös 

gefaltet 

Leucoplasten 

6 

do. 

eben 

do. 

do. 

7 

do. 

do. 

glatt 

do. 

8 

do. 

do. 

do. 

Chromoplasten 

9 

do. 

do. 

gefaltet 

do. 

10 

do. 

papillös 

do. 

do. 

11 

do. 

do. 

glatt 

Leucoplasten 

1-2 

do. 

do. 

do. 

Chromoplasten 

nur 


volle     Ausbildung     des      antagonistischen     Merkmals 
möglich,  nicht  Bedingung  ist. 

Ausser    den    Zellen    der    oberen  Ei)idormis    habe    ich    noch    die 
unter  derselben  liegenden  Parenchymzellen  untersucht. 

Das  Parenchyni  der  Strahlblütenkrone  setzt  sich  aus  parallel  zur 
Längsachse  der  Blüte  langgestreckten  Zellen    zusammen,    bei    denen 


der   Quotient 


Länge  der  Zelle 
Breite  der  Zelle 


schwankt    zwischen    3    und    7.      Am 


häufigsten  kamen  Zellen  mit  einem  Quotienten  von  5 — 6  vor.  Für 
die  äussere  Gestalt  der  Zellen  ist  ausserdem  die  Art  ihrer  Ver- 
zweio'uno-  charakteristisch,  die  in  äusserst  konstanter  Weise  an- 
nähernd  senkrecht  zu  der  wenig  oder  garnicht  gebogenen  Längs- 
achse der  Zelle  erfolgt.  Die  Chromatophoren  sind  als  Leucoplasten 
auso-ebildet. 

An  den  Stellen,  wo  die  Krone  der  Röhrenblüten  Parenchyni 
führt,  also  in  den  Partien  um  die  Nerven  herum,  liegen  Zellen  von 
genau  derselben  Form  wie  die  des  Strahlblütenparenchyms,  von 
welchen  sie  sich  nur  durch  ilu'en  Gehalt  an  gelben  Chromatophoren 
unterrcheiden. 

Das  Parenhym  des  Laubblattes  setzt  sich  natürlich  aus  auf  dem 
Querschnitt  kreisförmigen,  stark  in  radialer  Richtung  gestreckten 
Pallisaden,  die  viel  Chloroplasten  führen,  und  aus  Schwamm- 
parenchym  zusammen.  Die  Zellen  dieses  Gewebes  sind  garnicht 
oder  sehr  wenig  in  einer  bestimmten  Richtung  gestreckt.  Sehr 
selten  ist  eine  Zelle  in  irgend  einer  Richtung  doppelt  so  lang  als  in 
der  dazu  senkrechten.     Ausserdem  ist  der  Yerzweio-uno-smodus  dieser 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV. 


20 


284 


W.  Voss: 


Zellen  ein  nicht  fest  bestimmter,  teilweise  eine  Folge  von  der 
häufig  vorkommenden  Krümmung  der  Längsachse  der  Zelle.  Im 
Cytoplasma  liegen  viele  Chloroplasten. 

Ganz  ähnlich  den  Schwammparenchymzellen  des  Laubblattes 
sind  die  Parenchymzellen  der  Hüllkelchblätter  gebaut.  Sehr  häufig 
unterscheiden  sie  sich  in  der  äusseren  Form  gar  nicht  von  den  eben 
beschriebenen  Zellen.  Es  kommen  jedoch  nicht  selten  auch  solche 
vor,  die  einen  viel  geringeren  Verzweigungsgrad  aufweisen  als  die 
Schwammparenchymzellen  des  Laubblattes,  ja  oft  fast  oval  erscheinen. 
Dann  kommt  es  auch  vor,  dass  die  Zellen  in  der  Längsrichtung  des 
Organes  gestreckter  sind,  als  dies  bei  Schwammparenchymzellen 
sonst  vorkommt,  wenn  auch  der  Grad  der  Streckung,  w^ie  er  typisch 
ist  für  Zellen  des  Kronparenchyms,  nicht  erreicht  wird.  Da  diese 
Zellen  jedoch  den  Eindruck  von  Hemmungsbildungen  machen,  sind 
sie  im  folgenden  nicht  berücksichtigt.  Ln  Cytoplasma  aller  dieser 
Zellen  liegen  Chloroplasten. 

Wenn  ich  die  Pallisaden  unberücksichtigt  lasse,  da  sie  in  den 
monströsen  Gebilden  nicht  beobachtet  wurden,  so  kommen  in  den 
Blättern  der  vorliegenden  Chrysanthemumform  folgende  Parenchym- 
zellen vor: 


Länge 
Breite 

Verzweigung  der  Zelle 

Ausbildung  der 
Chromatophoren 

1 

2 

»> 

gestreckt 

.lo. 

nicht  gestreckt 

regelmässig 

do. 

unregelmässig 

Leucoplasten 

Cliromoplasten 

Chloroplasten 

Die  ins  Auge  gefassten  Merkmale  lassen  sich  zu  folgenden  anta- 
gonistischen Paaren  zusammenstellen: 

gestreckte,  nicht  gestreckte  Form; 
regelmässige,  unregelmässige  Verzweigung; 
Chromoplasten,  Leucoplasten ; 
Chloroplasten,  Leucoplasten; 

Es  ist  freilich  zu  bedenken,  dass  die  Färbung  der  Chloroplasten 
im  w^esentlichen  durch  zwei  Farbstoffe,  durch  das  Chlorophyll  und 
das  Carotin  bedingt  ist,  deren  Ausbildung  im  Chloroplasten  nicht 
durch  eine  Merkmalsanlage  bedingt  sein  kann,  da  das  Stärken- 
verhältnis der  beiden  Earbstoff'e  hier  schwanken  kann  und  da  von 
mir  in  Epidermiszellen,  die  normalerweise  gelbe  Chromoplasten 
führen,  solche  mit  einem  sehr  deutlichen  grünen  Ton  gefunden 
worden  sind.  AVenn  ich  trotzdem  das  komplette  Merkmal  „Chloro- 
plast"    hier    als    ein    einheitliches    betrachte,    so    hat    dies    nur    den 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten. 


285 


praktischen  Gruud,  dass  nur  durch  Beurteilung  der  Gesamtfarbe  es 
möglich  ist,  zu  beurteilen,  ob  die  beiden  dieselbe  zusammen- 
setzenden Farbstoffe  in  der  für  Chloroplasten  typischen  Stärke  aus- 
gebildet sind.  An  einem  in  der  Färbung  von  einem  normalen 
Chloroplasten  abweichenden  Chromatophor  ist  nicht  zu  entscheiden, 
ob  diese  Färbung  durch  eine  nicht  normale  Ausbildung  nur  des 
einen  oder  beider  Farbstoffe  zustande  gekommen  ist. 

Es  wurde  das  Parenchym  einer  Reihe  monströser  Blätter  unter- 
sucht. Ich  will  hier  die  Zellformen  anführen,  die  unter  der  oberen 
Epidermis  des  zuletzt  beschriebenen  dieser  Organe  auftraten,  in 
welchen  die  Glieder  der  ins  Auge  gefassten  Merkmalspaare  in 
typischer  Ausbildung  auftraten.  In  der  Höhe  der  trockenhäutigen 
Partie  lagen  am  rechten  Rande  gestreckte  Zellen  mit  regel- 
mässiger Verzweigung  und  Leucoplasten.  Meist  verschwand  die 
Streckung  der  Zellen  eher  als  die  beiden  übrigen  Merkmale.  Es 
fanden  sich  nicht  selten  nicht  gestreckte  Zellen  mit  regel- 
mässiger Verzweigung  und  Leucoplasten.  Häufig  traten  in 
solchen  Zellen  Chloroplasten  an  die  Stelle  der  Leucoplasten. 
Selten  fand  sich  die  Merkmalskombination:  nicht  gestreckte 
Form,  unregelmässige  Verzweigung  und  Leucoplasten. 
Weiter  nach  links  folgen  ein  Strich  Zellen,  die  in  der  Form  meist 
den  nicht  gestreckten,  abgerundeten  Zellen  der  Randpartien  des 
Hochblattes  glichen.  Vereinzelt  lagen  jedoch  auch  typische,  nicht 
in  der  Ausbildung  gehemmte  Schwammparenchymzellen  an 
dieser  Stelle.  In  der  Gegend  des  trockenhäutigen  Teils  lagen  ge- 
streckte Zellen  mit  regelmässiger  Verzweigung  und  Chromo- 
p lasten,  zwischen  denen  und  den  eben  beschriebenen  Zellen  sich 
gestreckte  Zellen  mit  regelmässiger  Verzweigung  und 
Chloroplasten  einschieben.  Ich  will  die  beobachteten  Zellformen 
in  einer  Tabelle  zusammenstellen. 


Streckung  der  Zelle 

Verzweigung  der  Zellen 

Ausbildung  der 
Chromatophoren 

1 

gestreckt 

regelmässig 

Leucoplasten 

2 

do. 

do. 

Cliromoplasten 

o 
O 

do. 

do. 

Chloroplasten 

4 

nicht  gestreckt 

do. 

Leucoplasten 

5 

do. 

do. 

Chloroplasten 

6 

do. 

unregelmässig 

Leucoplasten 

7 

do. 

do. 

Chloroplasten 

Völlig  unabhängig  in  ihrer  Ausbildung    zeigten  sich  hier- 
nach   die  Merkmale:    gestreckte  Zellform,    Chloroplasten;    gestreckte 

20* 


286  A.  Schulz: 

Zellform,  Chromoplasten;  gestreckte  Form,  Leucoplasten;  nicht  ge- 
streckte Form,  regelmässige  Verzweigung;  nicht  gestreckte  Form, 
Chloroplasten;  nicht  gestreckte  Form,  Leucoplasten;  regelmässige 
Verzweigung,  Chloroplasten;  regelmässige  Verzweigung,  Chromo- 
plasten; regelmässige  Verzweigung,  Leucoplasten;  unregelmässige 
Verzweigung,  Chloroplasten;  unregelmässige  Verzweigung,  Leuco- 
plasten. Gestreckte  Form  scheint  jedoch  unregelmässige  Ver- 
zweigung auszuschliessen,  jedoch  fordert  sie  nicht  regelmässige 
Verzweigung.  Unbekannt  ist  das  Verhältnis  der  Merkmale  „Chromo- 
])last"  zu  „unregelmässiger  Verzweigung"  und  nicht  „nicht  gestreckte 
Zellform". 

Zum  Schluss  will  ich  noch  einmal  auf  die  unregelmässige  Ver- 
teiluno-  der  verschiedenen  Merkmalskombinationen  im  Blatt  sowohl 
in  tangentialer  als  auch  radialer  Richtung  hinweisen,  aus  der 
hervorgeht,  dass  in  diesem  Falle  die  Aktivierung  einer 
Merkmalsanlao-e  in  einer  Zelle  keine  direkte  Funktion  der 
Lage  der  Zelle  im  Organ  und  der  LTmgebung  derselben  ist, 
da  in  Bezug  auf  die  Reaktionsfähigkeit  der  Zellen  auf 
äussere  Einflüsse  dasselbe  anzunehmen  ist  wie  bei  den 
Epidermiszellen  von  „Waban". 


42.  A.  Schulz:   Über  Briquets  xerothermische  Periode  il. 

Eingegangen  am  20.  Juni  1907. 


Schon  1904,  im  22.  Bande  dieser  Berichte^)  habe  ich  eine  Ab- 
handlung „Über  BRIQUET's  xerothermische  Periode"  veröffentlicht, 
in  der  ich  nachgewiesen  habe,  dass  es  eine  xerothermische  Periode 
in  BRIQUET's  Sinne  nicht  gegeben  hat,  dass  BRIQUET's  —  postglaziale  — 
xerothermische  Periode  vielmehr  Eigenschaften  mehrerer  postglazialer 
und  ausserdem  noch  Eigenschaften  interglazialer  Perioden  in  sich 
vereinigt.  In  einem  1905  auf  dem  Internationalen  botanischen  Kon- 
gresse in  Wien  gehaltenen,  in  den  1906  erschienenen  „Resultats 
scientifiques    du  Congres    int    de  Botanique    de  Vienne   1905"")  ver- 


1)  S.  235—247.  Vgl.  hierzu  auch  SCHULZ,  Entwicklungsgeschichte  der  gegen- 
wärtigen phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  der  Schweiz,  Beihefte  z.  Bot. 
Centralblatt  17.  Bd.  (1904)  S.  157  u.  f. 

2)  S.  130-173. 


über  Briquets  xerothermische  Periode  II.  287 

öffeutlichten  Vortrage  über  „Le  developpement  des  flores  dans  les 
Alpes  occidentales  (avec  aperQu  sur  les  Alpes  en  general)"  ist  Briquet 
wieder  auf  seine  xerotlierniische  Periode  eingegangen  und  hat  ganz 
kurz^)  seine  jetzigen  Ansichten  über  diese  mitgeteilt,  die  nur  un- 
wesentlich von  seinen  früheren,  in  meiner  eingangs  genannten  Ab- 
handlung  kritisierten  Ansichten  hierüber  abweichen.^) 

Der  wichtigste  Unterschied  zwischen  BRIQUET's  jetzigen  und 
seinen  früheren  Ansichten  über  seine  xerothermische  Periode^) 
besteht  darin,  dass  er  jetzt*)  nicht  mehr  wie  früher  —  noch  1900  — 
den  gesamten  Löss  für  eine  Bildung  seiner  —  postglazialen  — 
xerothermischen  Periode  ansieht,  sondern  es  jetzt  für  wahrscheinlich 
hält,  dass  ein  Teil  des  Lösses  der  Alpen  und  ihrer  nächsten  Um- 
gebung, nämlich  der  „loess  rhodanien",  aus  der  „phase  la  plus 
continentale  de  la  derniere  periode  interglaciaire"  stammt.  Die 
übrigen  Lössablao-erunii-en  dieses  Gebietes  stammen  nach  seiner 
Meinung  jedoch  aus  seiner  —  postglazialen  —  xerothermischen 
Periode,  wenn  sie  auch  vielleicht  nicht  sämtlich  ganz  gleichaltrig 
sind.^)  Dass  die  postglazialen  Lössablagerungeu  der  Alpen  und 
ihrer  nächsten  Umgebung  nicht  sämtlich  gleichaltrig  sind,  lässt  sich 
nicht  bezweifeln.  Sie  stammen  aber  nicht,  wie  es  BRIQUET  an- 
nimmt®), aus  verschiedenen  Abschnitten  einer  einzigen  —  von 
Briquet  als  xerothermische  Periode  bezeichneten  —  Periode,   sondern 


1)  S.  166  u.  f. 

2)  Über  meine  Kritik  geht  BRIQUET  (S.172)  mit  den  bequemen  Worten  leicht  hin- 
weg .jL'ensemble  de  nos  travaux  sur  la  periode  xerothermique  ä  etc  l'objet  recemment 
d'un  requisitoire  de  la  part  de  M.  Aug.  Schulz.  La  multitude  des  points  auxquels 
il  faudrait  repondre  ä  cet  auteur,  et  les  divergences  tres  nombreuses  qui  nous 
separent,  rendent  une  courte  reponse  fort  difficile.  En  ce  qui  concerne  la  Chrono- 
logie et  les  speculations  arbitraires  de  M.  SCHULZ,  nous  ne  pouvons  que  renvoyer 
ä  la  critique  de  M.  Geadmaxx  que  nous  approuvons  sur  tous  les  points  essentiels. 
Un  point  seulement  nous  arrötera"  [auf  diesen  Punkt  -werde  ich  weiter  unten  ein- 
gehen, SCHL^LZ].  Über  den  Charakter  und  den  Wert  der  genannten  Abhandlung 
von  Gradmann  habe  ich  mich  in  einer  Abhandlung  „Über  einige  Probleme  der 
Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke 
Süddeutschlands'^  (Beihefte  z.  Bot.  Centralbl.  20.  Bd.  2.  Abt.  S.  197-295),  auf  die 
ich  hiermit  verweise,  aiisführlich  geäussert.  Da  BRIQUET  der  Art  und  Weise  von 
Gradmann's  Kritik  beizustimmen  scheint,  so  treffen  ihn  dieselben  Vorwürfe,  die 
ich  Gradmann  gemacht  habe. 

3)  Nur  auf  diese  will  ich  in  der  vorliegenden  Abhandlung  eingehen. 

4)  Le  developpement  S.  138  u.  170. 

5)  „Nous  envisageons  ces  divers  loess,  dont  la  formation  a  commence  pendant 
la  retraite  des  glaciers  würmiens,  comme  des  loess  contemporains  de  la  periode 
xerothermique,  sans  qu'il  soit  d'ailleurs  neressaire  que  leur  äge  soit  partout  par- 
faitement  identique"  (a.  a.  0.  S.  170). 

6)  So  deute  ich  wenigstens  Briquet's  in  der  vorigen  Anmerkung  angeführte 
Worte. 


288  A.  Schulz: 

aus    zwei,    oder  wahrscheinlich    sogar    drei   verschiedenen   Perioden, 
nämlich  z.  T.    aus  dem  trockensten  Abschnitte  der  ersten,    z.  T.  aus 
dem  trockensten  Abschnitte    der  zweiten  meiner  „heissen"  Perioden, 
welche  beiden  Perioden  durch  eine   —  meine  erste  —  kühle  Periode, 
in    die    der    durch    PenCK's  Gschnitzstadium    beendete  Yorstoss    der 
Alpengletscher  fällt,    getrennt  sind^),  und  wahrscheinlich  sogar  z.  T. 
aus  der  Zwischenzeit  zwischen  dem  von  PeNCK  Maximum  der  Würm- 
eiszeit   genannten   kältesten  Abschnitte    der  letzten    der  vier  grossen 
pleistocänen    Yergletscherungsperioden    und    der    Periode     der     von 
PeNCK    Bühlvorstoss    genannten    ebenfalls    sehr    bedeutenden    Ver- 
grösserung    der    Alpeugletscher. -)      In    diese   Zwischenzeit    —    aber 
durchaus    nicht    in    einen  Abschnitt  derselben    mit    für    Lössbildung 
geeignetem    Klima    —    fällt    bestimmt  die  Entstehung    der    „Gelben 
Kulturschicht"  der  vielgenannten  Schweizersbildablageruug.^)  BRIQUET 
verlegt*)  die  Ablagerung  dieser  Schicht,  die  er  für  das  Gebilde  einer 
trockenheissen  Zeit    ansieht,    in    seine   xerothermische  Periode.     Die 
(reibe  Kulturschicht  ist  aber,    wie    ich  soeben  gesagt  habe,    nicht  in 
einer  solchen  Zeit  entstanden.    Wenn  diejenigen  der  in  ihr  gefundenen 
Tierreste,    die    man    als  Reste    von    „Steppentieren"    ansehen    kann, 
wirklich  von  solchen  Tieren  stammen,  so  sind  sie  erst  nach  der  Ab- 
lagerung   dieser  Schicht,    entweder    schon  während    eines  durch  aus- 
geprägt kontinentales   Klima    ausgezeichneten  auf    sie  folgenden  Ab- 
schnittes   jener    Zwischenzeit^),    oder    erst  während    des  trockensten 
Abschnittes    meiner    ersten    heissen    Periode,     in    dieselbe    gelangt. 
Ich  bin  überzeugt,  dass  mir  jeder,  der  die  A^'erhältnisse  der  Schweizers- 


1)  Vgl.  hierzu  SCHULZ  ,Die  Wandlungen  des  Klimas,  der  Flora,  der  Fauna 
und  der  Bevölkerung  dei  Alpen  und  ihrer  Umgebung  vom  Beginne  der  letzten  Eis- 
zeit bis  zur  jüngeren  Steinzeit,  Zeitsch.  f.  Naturw.  77.  Bd.  (1904)  S.  41  u.  f.,  und 
Ders. ,  Das  Schicksal  der  Alpenvergletscherung  nach  dem  Höhepunkte  der  letzten 
Eiszeit,  Centralbl.  f.  Mineralogie,  Geologie  u.  Palaeontologie  1904  S.  266  u.  f. 

2)  Die  Lössbildung  hat  in  allen  Fällen  erst  begonnen,  nachdem  sich  die  Ver- 
gletscherung der  Alpen  unter  ihren  gegenwärtigen  Umfang  verkleinert  hatte. 
BßlQUET's  abweichender  Annahme  (a.  a.  0.  S.  170)  vermag  ich  nicht  beizustimmen. 

o)  Diese  Ablagerung  habe  ich  in  meiner  Entwicklungsgeschichte  der  gegen- 
wärtigen phanerogamen  Flora  u.  Pflanzendecke  der  oberrheinischen  Tiefebene  und 
ihrer  Umgebung  (Stuttgart  1906)  S.  81  u.  f.  eingehend  behandelt. 

4)  A.  a.  0.  S.  171. 

5)  Es  ist  meines  Erachtens  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  die  bei  Thiede 
und  Westeregeln  gefundenen  Fteste  von  Steppentieren  aus  diesem  Zeitabschnitte 
und  nicht  aus  der  in  die  letzte  Interglazialzeit  fallenden  Zeit  der  Ablagerung  der 
Hauptmasse  des  sog.  jüngeren  Lösses  stammen.  Auf  keinen  Fall  stammen  sie  aber, 
wie  es  Briquet  a.  a.  0.  S.  171  für  möglich  hält,  aus  seiner  xerothermischen 
Periode,  also  aus  dem  trockensten  Abschnitte  meiner  ersten  heissen  Periode.  (Dass 
bei  NEHßING,  der  diese  Reste  als  „postglazial"  bezeichnet,  das  Wort  „postglazial" 
eine  andere  Bedeutung  hat  als  bei  den  meisten  übrigen  Schriftstellern,  darauf  habe 
ich  schon  vor  Ch.  Jerosch  hingewiesen.) 


Über  Briquots  xerothermisclie  Periode  II.  289 

bildablageruiig    nicht  nur  oberfläclilicli  vom    stratigraphisch-palaeon- 
tologischen  Standpunkte  aus  betrachtet,  hierin  beistimmen  \Yird. 

^  Diejenigen  Phanerogamenarten,  deren  Ansiedlung  in  den  West- 
alpen ßRIQUET  in  seine  durch  ein  gleichartiges,  für  die  Lössbilduug 
geeignetes  trockenheisses  Klima  ausgezeichnete  xerothermische 
Periode  verlegt,  haben  sich  in  Mitteleuropa  nicht  während  eines 
einzigen  Zeitabschnittes  mit  gleichartigem  Klima,  sondern  während 
mehrerer,  klimatisch  zum  Teil  recht  bedeutend  von  einander  ab- 
weicliender  Zeitabschnitte  angesiedelt.  Und  zwar  fällt  die  An- 
siedlung der  einzelnen  von  ihnen  entweder  nur  in  einen  einzigen 
von  diesen  Zeitabschnitten  oder  in  mehrere  derselben.  Die  wichtigsten 
von  diesen  Ansiedlun^szeitabschnitten  sind  die  drei  mittleren  Ab- 
schnitte  —  der  erste  warme  Abschnitt,  der  trockenste  Abschnitt  und 
der  zweite  warme  Abschnitt  —  meiner  ersten  heissen  Periode,  vor- 
züglich die  beiden  ersten  von  ihnen.  ^)  Nur  während  des  zweiten 
dieser  drei  Zeitabschnitte  hatte  das  mittlere  Europa  ein  für  die 
Lössbilduug  geeignetes,  ausgeprägt  kontinentales  Klima.  Während 
des  Höhepunktes  dieses  Zeitabschnittes  herrschte  in  der  südlichen 
Partie  der  östlichen  Hälfte  des  nördlich  der  Alpen  und  Karpathen 
gelegenen  Teiles  Mitteleuropas  ohne  Zweifel  ein  dem  gegenwärtigen 
Klima  des  südwestrussischen  Steppengebietes  ähnliches  Klima.  Weiter 
im  Westen  war  das  damalige  Klima  etwas  milder,  in  den  niedrigen 
Strichen  der  Mittelrheingegenden  glich  es  wahrscheinlich  ungefähr 
dem  gegenwärtig  in  den  Pusstengegenden  des  inneren  Ungarns 
herrschenden  Klima.  Das  Klima  des  Alpeugebietes  wich  damals  von 
dem  der  südlichen  Partie  des  nördlich  der  Alpen  und  Karpathen  ge- 
legenen Teiles  Mitteleuropas  wahrscheinlich  in  derselben  Weise  ab 
wie  heute.  Während  dieses  Zeitabschnittes  wanderten  sehr  zahl- 
reiche Arten  aus  Ungarn  und  dem  südlichen  Russlaud^)  in  den 
nördlich  der  Alpen  und  Karpathen  gelegenen  Teil  Mitteleuropas  ein, 
in  dem  sie  damals  teilweise  bis  zu  den  Mittelrheingegendeu  gelangten. 
Ein  Teil  von  ihnen  drang  damals  aus  dem  nördlichen  Alpenvorlande 
in  die  Alpentäler  ein.  Auch  in  dem  Tale  zwischen  dem  Jura  und 
den  Alpen  wanderten  damals  ohne  Zweifel  nicht  wenige  dieser  Ge- 
wächse südwärts.  Manche  davon  o-elano-ten  bis  zum  Genfer  See  und 
von  hier  in  das  Wallis.  Ein  Teil  von  diesen  —  darunter  Adonis 
vernalis  L.  —  hat  sich  hier  bis  zur  Gegenwart  erhalten.  Wie 
früher,    so    scheint    BRIQUET    auch   jetzt    anzunehmen,    dass    damals 


1)  Vgl.  betreffs  der  klimatischen  Waudlnngon  Mitteleuropas  und  der  Pflauzen- 
wanderungen  in  diesem  Gebiete  •während  der  seit  dem  Beginne  der  ersten  heissen 
Periode  verflossenen  Zeit  z.  B.:  SCHULZ,  Entwicklungsgeschichte  d.  gegenw.  phan. 
Flora  u.  Pflanzendecke  d.  oberrheinischen  Tiefebene  S.  11  u.  f. 

2)  Aus  Westen  und  Südwesten  fand  damals  aber  wohl  keine  Einwanderung  in 
Mitteleuropa  statt. 


290  A.  SCHULZ: 

infolge  von  ungünstigen  topographischen  Verhältnissen  keine  Wan- 
derung von  Phanerogamen  über  das  Schweizer  Plateau^)  und  von 
hier  in  das  Wallis  stattgefunden  habe.^)  Wie  die  meisten,  die 
über  die  Florengeschichte  mitteleuropäischer  Landschaften  ge- 
schrieben haben,  so  bedenkt  auch  BRIQUET  nicht,  dass  zahlreiche 
der  heute  in  Mitteleuropa  bestehenden  in  der  Topographie,  dem 
Klima,  den  Bodenverhältnissen,  der  Pflanzendecke  usw.  der  be- 
treffenden   Gegenden    begründeten    Hindernisse    für    die    —   heutige 

—  Ausbreitung  der  während  des  trockensten  Abschnittes  der 
ersten  heissen  Periode  in  Mitteleuropa  eingewanderten  Florenelemente 
w^ährend  dieses  Zeitabschnittes  wegen  seines  von  dem  der  Gegenwart 
so  wesentlich  abweichenden  Klimas  nicht  vorhanden  waren.  Wenn 
man  dies  ausser  acht  lässt,  so  wird  man  die  heutige  Verbreitung  sehr 
zahlreicher  dieser  Elemente  in  dem  nördlich  der  Alpen  und  Kar- 
pathen  gelegeuen  Teile  Mitteleuropas  gar  nicht  verstehen.  In  den 
beiden  anderen  der  drei  Hauptansiedlungszeiten  der  ersten  heissen 
Periode  herrschte  in  Mitteleuropa  ein  wesentlich  anderes  Klima  als 
während  des  trockensten  Abschnittes  dieser  Periode.  Ich  bin 
überzeugt,  dass  während  der  wärmsten  Phase  des  ersten  warmen 
Abschnittes  das  Klima  der  —  damals  —  wärmsten  Gegenden 
des  nördlich  der  Alpen  und  Karpathen  gelegenen  Teiles  Mittel- 
europas vollständig  mediterran,  erst  westmediterran,  dann  ost- 
mediterran, war.  Das  Klima  der  niederen  Gegenden  des  Alpen- 
gebietes wich  damals  von  dem  des  nördlicli  der  Alpen  und  Karpathen 
gelegenen  Teiles  Mitteleuropas  wahrsclieinlich  in  derselben  Weise  ab 
wie  o'egenwärtio'.  W^ährend  dieses  Zeitabschnittes  wanderten  ebenfalls 
zahlreiche  Arten  —  aus  dem  Westen,  Südwesten  und  Südosten  —  in 
Mitteleuropa  ein.  Die  meisten^)  von  den  Arten  der  Lemanischen 
Alpen*),  die  BßlQUET  für  Einwanderer  seiner  xerothermischen  Periode 
erklärt,  sind  in  Mitteleuropa  —  also  auch  in  die  Lemanischen  Alpen 

—  sicher  ausschliesslich  während  des  ersten  warmen  Abschnittes 
oder  während  dieses  und  des  zweiten  warmen  Abschnittes  einge- 
wandert.    Während    des  trockensten  Abschnittes    der  ersten    heissen 


1)  Ich  verstehe  hier  unter  dem  „Schweizer  Plateau"  das  ganze  Gebiet  zwischen 
den  Alpen  und  dem  höheren  Jura. 

2)  Er  sagt  a.  a.  0.  S  172 :  „Les  colonies  xerothermiques  si  nombreuses  qui  fönt 
la  richesse  du  Valais  proviennent  presque  toutes  du  Piemont,  par  les  cols  de  la 
chaine  meridionale." 

3)  Betreffs  der  Einwanderung  der  übrigeu  Arten  vgl.  Schulz,  Über 
Briquet's  xerothermische  Periode  I,  a.  a.  0.  S.  243  und  24.'). 

4)  Ein  Teil  dieser  Arten  ist  in  Mitteleuropa  auch  während  des  trockensten 
Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode  eingewandert  und  zur  dauernden  Ansiedlung 
gelangt;  doch  sind  diese  Einwanderer  nicht  bis  in  die  Lemanischen  Alpen  vor- 
gedrungen. 


über  Briquets  xerothermische  Periode  II.  291 

Periode,  der  doch  allein  den  Namen  einer  trockenheisseu  —  xero- 
thermischen  —  Periode  verdient^),  konnten  diese  Gewächse  —  und 
andere  mit  gleicher  Anpassung  an  das  Klima  —  weder  in  Mittel- 
europa einwandern  noch  sich  in  ihm  ausbreiten.  Das  Klima  war 
während  des  Höhepunktes  dieses  Zeitabschnittes  selbst  im  südwest- 
lichen Teile  Mitteleuropas  für  die  Einwanderer  des  ersten  warmen 
Abschnittes  der  ersten  heisseu  Periode  so  ungünstig,  dass  damals 
auch  hier  von  diesen  ein  Teil  ganz  zugrunde  ging  und  die  übrigen 
eine  bedeutende  Verkleinerung  ihres  Areales  erfuhren.  Nördlich  der 
Alpen  und  Karpathen,  wo,  vorzüglich  im  Osten,  der  trockenste  Ab- 
schnitt dieser  Periode  eine  längere  Dauer  und  ein  extremeres  Klima 
—  vor  allem  ein  kälteres  und  trockneres  Winterklima  —  hatte  als 
im  südwestlichen  Mitteleuropa,  hatten  die  Einwanderer  des  ersten 
warmen  Abschnittes  der  Periode  noch  mehr  zu  leiden  als  in  diesem 
Gebiete.  Der  zweite  w^arme  Abschnitt  der  ersten  heissen  Periode  schuf 
wieder  günstige  A^erhältnisse  für  diese  Gewächse.  Sie  konnten  wieder 
sich  in  Mitteleuropa  ausbreiten  und  in  dieses  einwandern.  Die  da- 
maligen Einwanderer  gehörten  aber  wohl  meist  zu  Arten,  die  damals 
auch  schon  in  Mitteleuro])a  lebten:  im  Beginne  des  zweiten  warmen 
Abschnittes  in  Mitteleuropa  nicht  vorkommende  Arten  sind  im  Ver- 
laufe dieses  Abschnittes  wohl  nur  in  geringer  Anzahl  eingewandert. 
Dieses  alles  habe  ich  bereits  in  meiner  eingangs  genannten  Ab- 

o        o       o 

handlung    auseinandergesetzt.      In    dieser    habe    ich")    folgendes    ge- 
schrieben:^) 

„Diejenigen  Phanerogamen,  welche  sich  während  der  xero- 
thermischen  Periode  [von  BriQUETJ  in  Mitteleuropa  augesiedelt 
haben,  lassen  sich  nach  BRIQUET  in  zwei  Gruppen  zusammenfassen, 
in  die  Gruppe  der  östlichen  oder  pontischen  Arten  und  die  Gruppe 
der  südlichen  Arten;  zu  der  letzteren  Artengruppe  rechnet  er  sämt- 
liche —  103  —  von  ihm  ausführlicher  behandelte  der  in  den 
Lemanischen  Alpen  wachsenden  phanerogamischen  Ansiedler  dieser 
Periode.  .  .  .  Nach  BRIQUET"s  Ansicht  sollen  sich  ...  die  mittel- 
europäischen Arten  seiner  beiden  Artengruppen  gleichzeitig 
während  der  xerothermischen  Periode  in  Mitteleuropa  angesiedelt 
haben.  Meines  Erachtens  ist  es  jedoch  vollständig  ausgeschlossen, 
dass  eine  gleichzeitige  Ansiedlung  dieser  beiden  Artengruppen  in 
Mitteleuropa  stattgefunden  hat.  Die  Ansiedlung  der  .  .  .  Mehrzahl  der 
östlichen  oder  pontischen  Arten  BriqüET's  in  Mitteleuropa  fällt  in  den 


1)  Schulz,    Entwickhmgsgesch.   d.  gegenw.  phau.  P'lora  u.  Pflanzendecke  der 
Schweiz,  a.  a.  0.  S.  176. 

2)  A.  a.  0.  S.  243-247. 

■3)  Die  in  eckige  Klammern  eingeschlossenen  Worte    sind  von  mir  in  der  vor- 
liegenden Abhandlung  zugesetzt. 


.e,v,i.^>.u   ii^iii^iiviiuog    "^Qy 


292  A.   SCHULZ: 

trockensten  Abschnitt  rler  ersten  heissen  Periode.  .  .  .  Die  Einwanderer 
des  trockensten  Abschnittes  drangen  in  Mitteleuropa  nach  Westen  hin 
nicht  nur  bis  zum  Rheine  vor  .  .  .,  sondern  zahlreiche  von  ihnen 
wanderten  —  entgegen  BriquET's  . .  .  Annahme  —  über  das  Schweizer 
Plateau  nach  der  Gegend  des  Genfer  Sees  und  von  hier  nach  dem  Wallis. 
Aclonis  venialis  L.,  Astragalus  exscapus  L.  und  manche  andere  Arten 
sind  offenbar,  und  zwar  ausschliesslich,  auf  diesem  Wege  in  das 
Wallis  gelangt.  Es  lässt  sich  kaum  bezweifeln,  dass  damals  manche 
derjenigen  Elemente,  welche  von  Norden  her  über  das  Schweizer 
Plateau  wanderten,  auch  in  die  Lemanischen  Alpen  gelangt  sind,  und 
dass  sie  sich  zum  Teil  in  diesen  seitdem  dauernd  erhalten  haben. 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  von  diesen  Ansiedlern  der 
Lemanischen  Alpen  einige  zu  demjenigen  Teile  von  Beiquet's  103 
südlichen  —  nach  seiner  Ansicht  während  der  xerothermischen  Periode 
zur  Ansiedlung  gelangten  —  Arten  der  Lemanischen  Alpen  gehören, 
dessen  Glieder  sicher  auch  während  des  trockensten  Abschnittes  der 
ersten  heissen  Periode  in  Mitteleuropa  eingewandert  sind.  Doch 
können  diese  letzteren  —  ungefähr  25  —  Arten  auch  sämtlich 
ausschliesslich,  natürlich  in  anderer  Anpassung  an  das  Klima, 
während  eines  der  beiden  warmen  Abschnitte  der  ersten  heissen 
Periode  von  Südwesten  und  vielleicht  auch  von  Südosten  her  in  die 
Lemanischen  Alpen  eingewandert  sein.  Die  Hauptmasse  von 
BßlQUET's  südlichen  Arten  der  Lemanischen  Alpen  ...  ist  in  die 
Lemanischen  Alpen  sicher  während  dieser  Zeitabschnitte,  und  zwar 
aus  dem  Südwesten  und  Südosten,  eingewandert^);  während  des 
trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode  waren  diese  Ge- 
wächse nicht  imstande  in  Mitteleuropa  zu  wandern.  Der  eine  Teil 
derjenigen  Elemente,  welche  sich  während  des  ersten  jener  beiden 
warmen  Zeitabschnitte  in  Mitteleuropa  angesiedelt  haben  .  .  .,  kam 
aus  dem  südöstlichen  Mediterrangebiete  .  .  .  Der  andere  Teil  jener 
Ansiedler  kam  aus  dem  südv>estlichen  Europa  (einschl.  Italiens), 
vorzüglich  aus  dem  südlichen  Teile  des  Rhonegebietes.  Tiele  von 
diesen  gelangten  längs  der  Rhone  nach  der  Umgebung  des  Genfer 
Sees.  Von  hier  wanderte  eine  Anzahl  derselben  über  das  Schweizer 
Plateau  nach  dem  Rheine,  nach  welchem  auch  zahlreiche  .  .  .  westlich 
des    Juras    wanderten.  .  .  .    Die    Hauptmasse    derjenigen    Elemente, 


1)  Au  einer  anderen  Stelle  derselben  Abhandlung  (S.  243)  habe  ich  gesagt: 
^Einige  der  in  den  Lemanischen  Alpen  -svachsenden  von  BeiqüET's  Ansiedlern  der 
xerothermischen  Periode  haben  sich  sogar,  und  zwar  zum  Teil  ausschliesslich,  schon 
während  der  letzten  Eiszeit  in  Mitteleuropa  angesiedelt.  In  die  Lemanischeu 
Alpen,  auf  deren  Verhältnisse  sich  Bßlc^UET's  Ansichten  in  erster  Linie  gründen, 
sind  mit  Ausnahme  dieser  letzteren  vielleicht  sämtliche  von  ihm  eingehender 
behandelte  —  103  —  phanerogame  Arten  ausschliesslich  während  der  warmen 
Abschnitte  der  ersten  heissen  Periode  eingewandert." 


über  Briquets  xerothermische  Periode  11.  293 

welche  längs  der  Rhone  bis  in  die  Umgebung  des  Genfer  Sees  ge- 
langten, überschritt  das  Schweizer  Plateau  aber  yielleicht  nicht; 
eiije  bedeutende  Anzahl  von  diesen  Elementen,  sowie  die  meisten 
derjenigen,  welche  das  Schweizer  Plateau  überschritten,  drangen 
in  das  Wallis  und  die  Lemanischen  Alpen  ein  Die  heute  in 
diesen  beiden  Gebieten  lebenden  Individuen  der  Mehrzahl  der 
von  Briquet  eingehend  behandelten  südlichen  Arten  sind  ohne 
Zweifel  Nachkommen  damaliger  Einwanderer  aus  dem  unteren 
Rhonegebiete.  .  .  .  Auch  in  die  Lemanischen  x\lpen  und  das  Wallis, 
und  zwar  längs  des  Südfusses  der  Alpen,  wo  sich  ihnen  wahr- 
scheinlich aus  dem  südlicheren  Italien  stammende  Elemente  an- 
schlössen, gelangten  wohl  ostmediterrane  Einwanderer,  doch  wahr- 
scheinlich nur  in  geringer  Anzahl  und  erst  spät,  da  die  St.  Gotthard-, 
die  Penniuisclien  und  die  Grajischen  Alpen,  über  welche  nur  wenige 
damals  für  diese  Gewächse  gangbare  Pässe  führen,  deren  Ein- 
wanderung sehr  erschwerten.  Diese  Einwanderer  konnten  sich  ohne 
Zweifel  im  W^allis  und  in  den  Lemanischen  Alpen  wesentlich  länger 
ausbreiten  als  die  südwestlichen  Einwanderer.  .  .  .  Während  der 
Zeit,  in  der  sich  bis  zum  Rheine  hin  von  charakteristischen  Steppen- 
organismen bewohnte  Steppen  ausdehnten,  hatten  sie  [d.  h.  die  Ein- 
wanderer des  ersten  warmen  Abschnittes],  und  zwar  vorzüglich  die- 
jenigen von  ihnen,  welche  aus  dem  Südwesten  gekommen  waren, 
nicht  nur  im  östlichen,  sondern  auch  im  westlichen  Mitteleuropa  sehr 
zu  leiden  Damals  verschwand  zweifellos  auch  aus  letzterem  eine 
ganze  Anzahl  dieser  Elemente  vollständig,  während  alle  diejenigen, 
welche  in  diesem  Teile  Mitteleuropas  erhalten  blieben,  eine  mehr 
oder  weniger  bedeutende  Yerminderurg  ihrer  Verbreitung  in  dem- 
selben erfuhren.  Wie  schon  dargelegt  wurde,  war  das  Klima  des 
sich  an  den  trockensten  Abschnitt  der  ersten  heissen  Periode  an- 
schliessenden zweiten  warmen  Abschnittes  dieser  Periode  wieder  sehr 
günstig  für  die  Elemente  [d.  h.  die  Einwanderer  des  ersten  warmen 
Abschnittes].  Sie  konnten  sich  damals  von  neuem  ausbreiten.  .  .  . 
Wahrscheinlich  fand  während  des  zweiten  warmen  Abschnittes  in  das 
obere  Rhonegebiet  auch  eine  Einwanderung,  und  zwar  aus  dem 
unteren  Rhonegebiete,  statt,  doch  gehörten  die  Einwanderer  wahr- 
scheinlich meist  oder  vielleicht  sogar  sämtlich  zu  Arten,  die  sich  in 
diesem  Gebiete  bereits  während  des  ersten  warmen  Abschnittes 
dauernd  angesiedelt  hatten." 

Gegen  diese  Ausführungen  wendet  sich  nun  BRIQUET  mit  folgenden 
Worten:^)  „Un  point  seulement  nous  arretera.  L'attribution  de  Torigine 
d'une  grande  partie  des  colonies  xerothermiques  du  Yalais,  et  aussi 
des    Alpes    Lemaniennes,     a    des    migrations    pontiques    venues     de 


1)  Le  developpemeut,  a.  a.  0.  S.  172— 173. 


294  A.  Schulz: 

l'Europe  Orientale  en  traversant  le  plateau  suisse,  peut  etre  qualifiee 
de  pure  fantaisie.  II  faut  iie  pas  coimaitre,  la  topographie  du 
plateau  suisse,  ni  les  flores  du  Valais  et  du  Haut-Piemont,  et  encore 
moins  la  porte  eisodiale  du  Valais  a  St.  Maurice  pour  souteuir  une 
these  pareille.  Plusieurs  des  types  valaisans  les  plus  caracteristiques 
manqueut  d'ailleurs  completement  dans  les  colonies  pontiques  de 
rAllemagne  et  de  TAutriche  (Ranunculus  gramineus,  LoJiicera  etrusca^ 
Asphodelus  albus,  Asfragalus  monspessulamis,  lielianthemum  salicifolium, 
Trigonella  mofispeliaca^)  etc.  etc.).  Quant  a  l'attribution  d'une  origine 
pontique  aux  colonies  xerotherniiques  montagnardes  des  Alpes 
Lemaniennes,  eile  est  en  complete  contradiction  avec  tous  les  faits 
connus  sur  les  lisieres  analogues  des  Alpes  d'Aunecy,  des  Bauges,  et 
de  la  Gde  Chartreuse  qui  les  relient  a  Celles  du  Dauphine.  Nous 
engageons  vivement  M.  SCHULZ  ä  venir  etudier  sur  place  ces  diverses 
colonies,  en  procedant  de  la  Provence  au  lac  Leman  et  en  passant  du 
Piemont  au  Valais.  II  renoncerait  alors  saus  doute  une  methode 
quil  a  trop  souvent  suivie  jusqu'  ici,  et  qui  consiste  ä  resoudre  en 
cabinet,  avec  une  documentation  insuffisante,  des  problemes  qui  denian- 
deut  a  etre  abordes  sur  place,  avec  une  parfaite  connaissance  de  la 
topographie  et  de  la  flore".^) 

Jeder  der  das  Vorstehende  mit  den  zitierten  Ausführungen  meiner 
ersten  Abhandlung  sorgfältig  vergleicht,  wird  mir  beistimmen,  dass 
es  unbegreiflich  ist,  wie  BriQUET  so  etwas  schreiben  konnte.  Den 
Hauptpunkt  meiner  Kritik,  den  IS^achweis,  dass  die  Wanderungen, 
die  er  in  einen  einzigen  —  von  ihm  xerothermische  Periode  ge- 
nannten —  Zeitabschnitt  verlegt,  sich  auf  mehrere,  klimatisch  be- 
deutend von  einander  abweichende  Zeitabschnitte  verteilen,  und  dass 
gerade  die  Hauptmasse  der  von  ihm  eingehend  behandelten  Arten 
der  Lemanischen  Alpen  in  diese  sicher  nicht,  wie  er  annimmt, 
während  seiner  xerothermischen  Periode,  sondern  während  der 
Herrschaft  eines  Klimas  von  ganz  anderem  Charakter  als  er  ihn  dem 
Klima  dieser  Periode  zuschreibt,  eingewandert  ist,  hat  er  ganz  mit 
Stillschweigen  übergangen. 

Nach  BßlQUET's  früherer  Annahme  folgte  auf  die  xerothermische 
Periode  eine  durch  regenreicheres  und  kühleres  Klima  und  eine  sehr 
grosse  Ausdehnung  des  Waldes  charakterisierte  „Waldperiode",  die 
noch  heute  ihr  Ende  nicht  erreicht  hat.  Ich  habe  darauf  hin- 
gewiesen,   dass    sich    mit   Bestimmtheit    behaupten    lässt,    dass    diese 


1)  Dies  ist  ein  Irrtum.  Tri;/,  monsp.  ist  sowohl  in  Böhmen  als  auch  in  Mähren 
—  und  vielleicht  auch  in  Niederösterreich  —  indigen!  Sie  ist  in  das  Wallis  aber 
nicht  aus  Osten,  sondern  aus  Südwesten  eingewandert. 

2)  Wenn  BRIQUET  nicht  will,  dass  icli  den  Inhalt  des  letzten  der  oben 
zitierten  Sätze  für  eine  gemeine  Verleumdung  erkläre,  so  möge  er  öffentlich 
sagen,  worauf  sich  dieser  Satz  beziehen  soll. 


über  Briquets  xerothermische  Periode  II.  295 

Annahme  unrichtig  ist,  dass  vielmehr  das  Klima  Mitteleuropas 
Avährend  der  seit  den  drei  soeben  behandelten  Zeitabschnitten, 
denen  die  wichtigsten  der  Eigenschaften,  die  Briquet  seiner 
xerothermischen  Periode  zuschreibt,  zukommen,  verflossenen  Zeit 
recht  zahlreiche  sehr  bedeutende  Wandlungen  durchgemacht  hat. 
Besonders  drei  Zeitabschnitte  treten  in  diesem  Zeiträume  scharf 
hervor:  meine  erste  kühle  Periode,  der  trockenste  Abschnitt  meiner 
zweiten  heissen  Periode  und  meine  zweite  kühle  Periode.  Da  ich 
die  Gründe  für  die  Annahme  dieser  und  der  übrigen  von  mir  unter- 
schiedenen  Abschnitte  des  bezeichneten  Zeitraumes  schon  sehr  häufig 
ausführlich  dargelegt  habe,  so  will  ich  in  der  vorliegenden  Ab- 
handlung hierauf  nicht  eingehen.  ^) 

Nach  BRIQUET's  Meinung")  scheinen  viele  Tatsachen  —  vor- 
züglich die  Mischung  (renchevetremeut)  von  „types  purement  alpins" 
mit  „types  des  basses  montagnes  meridionales"  in  mehreren  der 
xeroth ermischen  Stationen  der  Alpen  —  darauf  hinzuweisen  „que  la 
periode  glaciaire  ultimo^)  a  ete  rapidement,  peut-etre  meme  imme- 
diatement,  suivie  de  hi  periode  xerothermique."  Dies  ist  nicht  der 
Fall.  Es  sind  vielmehr  die  beiden  warmen  Abschnitte  und  der  von 
ihnen  eingeschlossene  trockenste  Abschnitt  der  ersten  heissen 
Periode,  in  die  die  meisten  der  von  BriquET  in  seine  xerother- 
mische Periode  verlegten  Wanderungen  fallen,  von  der  „letzten  oder 
Wurm -Eiszeit",  worunter  BRIQUET  doch  wohl  den  von  PENCK 
„Maximum  der  Würm-Eiszeit"  genannten  Zeitabschnitt  versteht,  durch 


1)  In  seiner  in  der  vorliegenden  Abhandlung  kritisierten  Abhandlung  äussert 
sich  Briquet  (S.  IIB')  über  das  Klima  der  seit  dem  Ausgange  seiner  xero- 
thermischen  Periode  verflossenen  Zeit  folgen dermassen:  „Nous  considerons  la 
pluralite  des  periodes  xerothermiques  postglaciaires  comme  une  hypothese  dont 
l'utilite  n'est  pas  immediate  et  dont  la  preuve  serait  impossible  ä  faire  actuellement. 
Est-ce  donc  ä  dire  qu'il  n'j  ait  pas  eu  de  variations  climateriques  notables  dans  la 
])hase  silvatique  qui  a  succede  a  la  periode  xerothermique?  Certainement  pas. 
Les  alternatives  de  secheresse  et  d'humidite  relatives,  ainsi  quo  des  variations  dans 
les  moyennes  de  temperature  ont  du  se  produire  ä  plus  d'une  reprise  etcelajusque 
dans  les  temps  historiques.  Mais,  relativement  aux  phases  glaciaires  et  inter- 
glaciaires,  ainsi  qu'ä  la  periode  xerothermique  postglaciaire,  elles  n'out  eu  que 
Famplitude  necessaire  aux  localisations,  et  leur  repercussion  sur  la  Vegetation  n'a 
pas  ete  assez  considerable  pour  laisser  dans  la  distribution  des  flores  des  traces 
susceptibles  d'une  analyse  rigoureuse;  leur  nombre  et  leur  duree  serait  d'ailleurs, 
dans  l'etat  actuel  de  uos  connaissances,  impossible  ä  supputer."  Wenn  BRIQUET 
die  Verbreitung  der  Phanerogamen  in  dem  nördlich  des  Juras,  der  Alpen  und  der 
Karpathen  gelegenen  Teile  Mitteleuropas  bekannt  wäre,  so  würde  er  das  Vor- 
stehende, über  das  ein  Kenner  dieses  Gegenstandes  nur  lächeln  kann,  wohl  nicht 
geschrieben  haben. 

■2)  A.  a.  0.  S.  169. 

3)  Weiter    unten    bezeiclinet    er    diese    Periode     als     „la    periode    glaciaire 


296  A,  Schulz:  Über  Briquets  xerothermische  Periode  IL 

einen  sehr  langen  Zeitraum  getrennt,  in  den  eine  langdauernde 
klimatisch  wahrscheinlich  meiner  ersten  heissen  Periode  sehr  ähn- 
liche Periode,  und  eine  dieser  folgende  Periode  bedeutender  A^er- 
gletscherung  des  nördlicheren  Europas,  die  Periode  des  von  PenCK 
Bühlvorstoss  genannten  Verstosses  der  Alpengletscher  —  die  mit  dem 
ersten  warmen  Abschnitte  meiner  ersten  heissen  Periode  durch  eine 
von  mir  zur  ersten  heissen  Periode  gerechnete  Übergangszeit  ver- 
bunden ist  —  fallen.  In  der  Periode  des  Bühlvorstosses  hat  in 
Mitteleuropa  ein  bedeutender  Teil  der  Wanderungen,  die  die  Mehr- 
zahl der  Florenhistoriker  in  die  letzte  —  oder  in  diese  und  die  vor- 
letzte —  „Eiszeit"  verlegen,  stattgefunden.  Die  Vermischung  von 
rein  alpinen  Typen  mit  Typen  der  niedrigen  südlichen  Gebirge  in 
mehreren  der  xerothermischen  Stationen  der  Alpen  hat  erst  statt- 
gefunden, als  sich  die  betreffenden  alpinen  Typen  während  der 
ersten  heissen  Periode  die  klimatische  Anpassung  der  damaligen 
Einwanderer  mehr  oder  weniger  vollständig  erworben  hatten  und 
darauf  wieder  ausbreiteten.  Durch  die  Änderung  ihrer  bisherigen 
klimatischen  Anpassung  waren  sie  so  empfindlich  geworden,  dass  sie 
sich  während  der  ersten  kühlen  Periode  nur  oder  fast  nur  an  den- 
selben Örtlichkeiten  wie  die  Einwanderer  der  ersten  heissen  Periode 
zu  erhalten  vermochten.  Ähnliche  Mischungen  von  Einwanderern  einer 
Periode  mit  sehr  kühlem  Sommerklima  —  wohl  meist  der  Periode 
des  Bühlvorstosses  —  mit  P]inwanderern  der  ersten  heissen  Periode 
gibt  es  auch  in  zahlreichen  Strichen  des  nördlich  der  Alpen  gelegenen 
Teiles  Mitteleuropas.  Ich  habe  häufig  hierauf  hingewiesen  und  dar- 
gelegt, wie  sich  diese  Erscheinung  erklären  lässt. 

Aus  dem  Vorstehenden  geht  meines  Erachtens  deutlich  hervor, 
dass  man  zu  der  Behauptung  durchaus  berechtigt  ist,  dass  es  eine 
xerothermische  Periode  in  BRIQUET's  Sinne  nicht  gegeben  hat,  dass 
Briquet's  xerothermische  Periode  vielmehr  Eigenschaften  ganz  ver- 
schiedener, zum  Teil  durch  lange  Zwischenräume  von  einander  ge- 
trennter Zeitabschnitte  in  sich  vereinigt.  ^) 


1)  Bkiquet  identifiziert  (a.  a.  0.  S,  168)  seine  xerothermische  Periode  mit  der 
einige  Zeit  vor  seiner  ersten  Veröffentlichung-  über  dieselbe  von  KERNER  —  in  seiner 
Abhandlung:  Studien  über  die  Flora  der  Diluvialzeit  in  den  östlichen  Alpen,  Sitzungs- 
berichte der  K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  Math.-Xaturw.  Klasse  97. 
Bd.  1.  Abt.  (1888)  S.  7  u.  f.  —  aufgestellten  Periode  der  Einwanderung  der 
„aquilonaren"  Flora  in  die  Ostalpen.  Sie  gleicht  dieser  in  der  Tat  in  allen 
wesentlichen  Punkten.  Näher  will  ich  hierauf  nicht  eingehen.  Auch  schon  vor 
Kerner  sind  ähnliche  Anschauungen  von  anderen  Florenhistorikern  ausgesprochen 
worden. 


A.  URSPRUNG:  Dickenwaclistum  des  Markes  von  Sambucus  nigra  L.      297 


43.  A.  Ursprung;  Weitere  Beobachtungen  über  das  Dicken- 
wachstum des  Markes  von  Sambucus  nigra  L 


Eingegangen  am  21.  Juni  1907. 


In  einer  vorläufigen  Mitteilung^)  hob  ich  hervor,  dass  zur  Er- 
klärung der  auffällig  verschiedenen  Markweiten  in  verschiedeneu 
Partien  derselben  Sambucus-Püanze  a  priori  zwei  Möglichkeiten  vor- 
liegen. Die  eine  besteht  darin,  dass  das  Mark  in  verschiedener 
AVeite  angelegt  wird,  also  schon  vor  Schliessung  des  Holzzylinders 
die  definitive  Grösse  besitzt;  die  zweite  beruht  darauf,  dass  das 
Mark  nach  Ausbilduug  eines  geschlossenen  Holzkörpers  noch  in  die 
Dicke  wächst.  Während  ich  mich  auf  Grund  der  mir  damals  vor- 
liegenden Tatsachen  für  die  letztere  Annahme  entschied,  suchte 
Schellenberg ^)  die  erstere  als  zutreffend  zu  erweisen.  Beide 
Mitteilungen  können  aber  meines  Erachtens  nur  als  vorläufige 
Notizen  aufgefasst  werden,  da  beiderseits  das  publizierte  Tatsachen- 
material nicht  ausreichend  war,  um  den  Entwicklungsgang  mit 
genügender  Klarheit  festzustellen.  Durch  die  vorliegenden  Unter- 
suchungen hoffe  ich  die  zweifelhaftesten  Punkte  aufzuklären  und 
damit  die  Unrichtigkeit  meiner  früheren  Ansicht  definitiv  zu  be- 
weisen. 

Bei  meinen  letztjährigen,  Ende  Oktober  ausgeführten  Be- 
obachtungen hatte  ich  gefunden,  dass  die  oberen  Internodien  der 
jüngsten  Zweige  enge  Markdurchmesser  besassen,  die  bei  dem  mir 
vorliegenden  Material  nicht  über  2,8  7nm  hinausgingen.  In  baum- 
artigen Sambucus-Füanzen  hatte  ich  weiter  unten  solche  Werte  nicht 
mehr  finden  können;  die  Markweiten  nahmen  mehr  oder  weniger 
regelmässig  zu  und  erreichten  in  älteren  Partien  Werte  bis  zu  8  mm. 
Da  ich  in  vier-  und  mehrjährigen  Sprossen  nur  Markdurchmesser 
zwischen  vier  und  acht  mm  fand,  während  in  einjährigen  viel  engere 
die  Regel  bildeten,  so  glaubte  ich  damals  daraus  schliessen  zu 
dürfen,  dass  ein  nachträgliches  Dickenwachstum  des  Markes 
stattfinde. 

Schellenberg    wies    nun    durch  Messungen,    die  er  im  Winter 


1)  A.  Ursprung;    Über    die  Dauer    des    primären  Dickenwachstums.    Diese 
Berichte  1906  p.  489. 

2)  H.  C.  SCHELLENBERG:   Über   das   primäre   Dickeuwachstum    des   Markes 
von  Sambucus  nigra  L.     Diese  Berichte  1907  p.  8. 


298      A.  URSPRUNG:  Dickenwachstum  des  Markes  von  Sambucus  nigra  L. 

ausführte,  nach,  dass  an  ausgewachsenen  kräftigen  einjährigen 
Trieben  Markweiten  bis  zu  12  mm  vorkommen  und  zeigte  ferner, 
dass  es  möglich  ist,  auch  au  zwei-,  drei-,  vier-  und  fünfjährigen 
Zweigen  Markdurchmesser  von  1,5  mm  zu  finden. 

Durch  zahlreiche  weitere  Untersuchungen,  die  ich  dieses 
Frühjahr  anstellte,  zeigte  es  sich,  dass  die  SCHELLENBERG'schen 
Befunde  Ausnahmefälle  darstellen  und  dass  in  der  Regel  ältere 
Äste  keine  Markdnrchmesser  von  1—4  mm  Weite  besitzen.  Die 
Frage:  wie  kommt  es,  dass  in  älteren  Asten  enge  Markdurchmesser 
in  der  Hegel  fehlen,  während  sie  in  jüngeren  regelmässig  vorhanden 
sind,  bleibt  somit  unbeantwortet.  Ebenso  fehlt  noch  der  Nachweis, 
dass  die  grossen  Markdurchmesser  kräftiger  Wasserschosse  vor  der 
Schliessuno-  des  Holzrinos  vorhanden  waren. 

Was  die  Entwicklung  der  Wasserschosse  betrifft,  so  fand  ich 
an  diesjährigen  Trieben  Markdurchmesser  von  b,  9  und  10  mm  zu 
einer  Zeit,  als  zwischen  den  verholzten  Hadrombündeln  noch  deut- 
liche unverholzte  Partien  lagen.  Hiermit  ist  endgültig  gezeigt,  dass 
die  grossen  Differenzen  in  den  Markweiten  einjähriger  Wasserschosse 
darauf  beruhen,  dass  das  Mark  vor  Ausbildung  eines  geschlossenen 
Holzkörpers  in  diesen  verschiedenen  Weiten  angelegt  wird.  Es 
dürfte  nicht  überflüsssig  sein  darauf  hinzuweisen,  dass  diese  Zu- 
nahme der  Weite  des  Holzzylinders  nach  der  Basis  in  mechanischer 
Hinsicht  für  den  Zweig  wesentliche  Vorteile  bietet,  indem  eben  mit 
der  Steigerung  der  mechanischen  Beanspruchung  eine  deutliche 
Yergrösserung  der  Festigkeit  verbunden  ist. 

Es  handelt  sich  jetzt  noch  darum,  das  in  der  Regel  zu  kon- 
statierende Fehlen  enger  Markzylinder  in  älteren  Zweigen  zu 
erklären. 

Bei  der  Untersuchung  von  Sprossspitzen  im  Frühjahr  zeigte  es 
sich,  dass  die  oberen,  also  engsten  letztjährigen  Internodien  in  der 
Regel  absterben,  sich  also  nicht  an  dem  weiteren  Aufbau  der  Pflanze 
beteiligen.  Vor  allem  konstatierte  ich,  dass  bei  solchen  Sprossen 
die  später  als  Stämme  oder  starke  Äste  am  Aufbau  des  Ganzen 
eine  grosse  Rolle  spielen,  die  oberen  Teile  mit  engerem  Mark  zu- 
grunde gehen  oder  doch  von  jüngeren  kräftigen  Trieben  zur  Seite 
gedrängt  werden.  So  fand  ich  in  den  obersten  lebenden  Internodien 
solcher  Sprosse  Markweiten  von  5,  6,  7  und  selbst  7,5  mm.  Solche 
Sprosse  stellen  allerdings  Ausnahmen  dar,  aber  um  solche  Aus- 
nahmen handelt  es  sich  auch  bei  den  zu  Stämmen  und  starken 
Ästen  sich  entwickelnden  Trieben.  Die  gewöhnlichen  Triebe  nehmen 
am  Aufbau  der  Pflanze  keinen  dauernden  Anteil,  das  ist  nur  der 
Fall  bei  stark  entwickelten  Sprossteilen,  die  schon  von  Anfang  an 
ein  weites  Mark  hatten.  Der  Grund  dafür,  dass  in  älteren  Achsen 
enge  Markzylinder    in    der  Regel    fehlen,    liegt    also   weder    in    dem 


P.  MAGNUS:  Benennung  der  Septoria  auf  Chrysauthemum  indicum.       299 

Umstand,  dass  von  Anfang  an  nur  weite  Markdurelimesser  vorhanden 
waren,  noch  darin,  dass  ein  späteres  Dickenwachstum  stattfand, 
sondern  der  Grund  beruht  darauf,  dass  die  engeren  Teile  zugrunde 
gegangen  bezw.  zur  Seite  gedrängt  worden  sind.  Das  Erhalten- 
bleiben der  kräftigen  Sprosse  beruht  offenbar  darauf,  dass  sie  im 
Kampf  ums  Dasein  vor  den  übrigen  bevorzugt  sind. 

Die  Annahme,  es  finde  bei  Satnbucus  nigra  nach  Schliessung 
des  Holzzylinders  noch  ein  Dickenwachstum  des  Markes  statt,  hat 
sich  also  als  unrichtig  erwiesen.  Damit  fällt  natürlich  auch  die 
Schlussfolgerung  von  der  Wachstumsfähigkeit  der  verholzten  Membran 
dahin. 


44.  P.  Magnus:  Über  die  Benennung  der  Septoria  auf 
Chrysanthemum  indicum   und  deren  Auftreten    im   mittleren 

Europa. 


Eingegangen  am  22.  Juni  1907. 


In  der  Hedwigia  Bd.  XLA^  (1907)  S.  294  haben  F.  BUBÄK  und 
J.  E.  KaBAT  als  neue  Art  die  Septoria  Chrysanthemi  indici  Bubäk 
et  Kabät,  die  KaBÄT  auf  lebenden  Blättern  von  Chrysanthemum 
indicum  L.  in  Gewächshäusern  in  Turnau  i.  Böhmen  beobachtet  hatte, 
aufgestellt  und  beschrieben.  Sie  bemerken  dazu,  dass  der  Pilz  ein 
gefährlicher  Parasit,  besonders  in  Glashäusern  ist. 

Dieser  Pilz  ist  schon  mehrfach  in  verschiedenen  Ländern  Mittel- 
europas beobachtet  worden,  wie  ich  darlegen  werde. 

Zuerst  wurde  er  nach  meinem  Wissen  von  CAVARA  in  den 
Gärten  von  Pavia  im  nördlichen  Italien  beobachtet.  CAVARä  nannte 
ihn  Septoria  Chrijsanthemi  Cav.  und  gab  ihn  mit  Abbildung  in  den 
Fungi  Longobardiae  exsiccati  Xr.  40  heraus,  die  nach  SacCARDO 
Sylloge  X  p.  XV  1892  herauskam.  Ebenfalls  1892  beschrieb  er  die 
Art  in  den  Atti  del  R.  Istituto  Botanico  dell'üniversitä  di  Pavia 
IL  Ser.  Vol  III  p.  266. 

Den  Xamen  dieser  Septoria  änderte  SaCCARDO  in  seiner  Sylloge 
Fungorum  omninm  hucusque  cognitorum  Vol.  XI  p.  542  in  Sej^t. 
chrysantemella  Sacc.  um.  (SACCARDO  schreibt  1.  c.  als  Autor  Cav.  mit 
Angabe  seiner  eben  erwähnten  Veröffentlichungen  und  Hinzufügung 
(sub  nom.  Sept.  Chrysanthemi);  daher  muss  wohl  SACCARDO,  trotzdem 

Ber.  der  deutschen  bot.  neseUsuh.    XXV.  21 


300  P.  Magnus: 

er  selbst  Cav.  als  Autor  gesetzt  hat,  dennoch  als  Autor  dieses  Namens 
gelten).  Trotzdem  CAVARA  1.  c.  Chrysanthemum  indicuvi  als  Wirts- 
pflanze seiner  Sept.  Chrysanthemi  Cav.  angegeben  hatte,  sagte  SaCCARDO 
in  Sylloge  XI  p.  542  von  dieser  Art  „Hab.  in  foliis  Chrysanthemi 
sp.  cult.  in  hortis  ticinensibus  Ital.  bor."  Diese  unbestimmte  An- 
gabe „auf  einem  kultivierten  Chrysanthemum"  scheint  das  spätere 
Verkennen  dieser  Art  veranlasst  zu  haben. 

SacCARDO  änderte  1.  c.  den  CAVARA'schen  Namen  um,  weil 
Allescher  nach  SaCCARDO's  Angabe  schon  1891  eine  Septoria 
Chrysanthemi  k\\.  a,ui  Chrysanthemum  Leucatifheinum  veröffentlicht  hatte. 
In  Wahrheit  erschien  aber  die  Beschreibung  der  ALLESCHER'schen 
Art  erst  1892  im  12.  Berichte  des  Botanischen  Vereins  in  Landshut 
S.  57.  SACCARDO  kam  zur  Angabe  des  Jahres  1891,  weil  ALLESCHER 
die  Vorbemerkung  zu  diesem  Beitrage  „München,  am  31.  Dezember 
1891"  unterschrieben  hat.  Es  ist  daher  recht  fraglich,  ob  wirklich 
Septoria  Chrysanthemi  All.  im  Jahre  1892  vor  Sept.  Chrysanthemi  Cav. 
in  demselben  Jahre  erschienen  ist.  Da  aber  SACCARDO  den  Namen 
der  ALLESCHER'schen  Art  gelassen  hat  und  ihm  alle  späteren  Autoren 
darin  gefolgt  sind,  so  mag  der  Name  dieser  Art  verbleiben  und 
muss  dann  der  CAVARA'sche  Namen  geändert  werden,  wie  das 
SACCARDO  1.  c.  getan  hat. 

Nun  hat  E.  ROSTRUP  in  Botanisk  Tidsskrift  21  Bind  1  Hefte 
(Kopenhagen  1897)  S.  48  als  S.  Chrysanthemi  n.  sp.  ebenfalls  die 
Septoria  auf  Chrysanthemum,  indicum  aus  einem  Gewächshause  in 
Kopenhagen  beschrieben.  Diesen  Namen  haben  SACCARDO  und  SYDOW 
in  Saccardo  Sylloge  Fungorum  omnium  hucusque  cognitorum  Vol.  XIV 
p.  973  wieder  wegen  der  Sept.  Chrysanthemi  All.  in  Sept.  Rostrupii 
Sacc.  &  Syd.  umgeändert;  und  unter  diesem  Namen  möchte  die 
Septoria  am  meisten  bekannt  geworden  sein  in  der  letzten  Zeit. 
So  habe  ich  sie  auch  in  dem  eben  erschienenen  vierten  Beitrag  zur 
Pilzflora  von  Franken  (Abhandlungen  der  Naturhistorischen  Gesell- 
schaft in  Nürnberg  XVI.  Bd )  S.  98  —  99  aufgeführt  und  sie  in 
Vestergren  Micromycetes  rariores  selecti  No.  1089  von  Berlin  aus- 
gegeben. Neuerdings  haben  sie  nun,  wie  am  Eingange  bemerkt, 
Bub  AK  und  KabÄT  1.  c.  als  neue  Art  Sept.  Chrysanthemi  indici  Bub. 
&  Kab.  beschrieben. 

Dass  alle  diese  zu  einer  und  derselben  Art  gehören,  folgt  aus 
den  drei  Beschreibungen  von  CaVARA  1.  c,  ROSTRUP  1.  c.  und 
BUBÄK  und  Rabat  1.  c,  mit  denen  meine  Beobachtungen  völlig 
übereinstimmen.  Bei  allen  werden  die  Flecken  in  Form  und  Farbe 
gleich  beschrieben,  so  bei  CaVARA  1.  c.  „Maculis  orbicularibus  .  .  . 
fuscorubris";  bei  ROSTRUP  1.  c.  „Macula  orbicularia  atro-fusca";  bei 
BUBAK  und  KabaT  1.  c.  „Flecken  .  .  .  rundlich  .  .  .  anfangs  dunkel- 
braun,   später  schwarzbraun  .  .  .".     Bei    allen    liegen  die  Perithecien 


über  die  Benennung  der  Septoria  auf  Chrysanthemum  iudicum.  301 


auf  der  Blattoberflcäche  usw.  Nur  in  einem  wichtigen  Punkte  scheinen 
die  Beschreibungen  voneinander  abzuweichen,  d.  i.  in  der  Länge  der 
Sporen.  CavARA  gibt  55  — 65  «  1,2  —  2  ^i  an;  ROSTRUP  gibt  40  bis 
50  «  2  fi  an  und  BUBAK  und  KabaT  55—70  (einzeln  bis  90)  «  2,5  bis 
:^,5 /<  an.  Ich  habe  an  den  Berliner  Exemplaren  40— 70  «etwa  2 /z 
beobachtet.  Es  ist  ja  bekannt,  dass  bei  solchen  langen  faden- 
förmigen Conidien  die  Länge  derselben  relativ  beträchtlich  schwankt, 
und  daher  solche  Schwankungen  der  Grössenverhältnisse  recht  wohl 
innerhalb  derselben  Art  öfter  auftreten. 

Diese  Art  muss  daher  jetzt,  wenn  man  dem  Namen  der  Sept. 
Chrysantkemi  All.  stillschweigend  die  Priorität  zugesteht  und  ihn 
daher  unverändert  lässt,  den  Namen  Septoria  ckrysantheviella  Sacc. 
Syll.  Fung.  XI  p.  542  (1895)  führen. 

Gleichzeitig  lehrt  diese  Untersuchung,  dass  dieser  die  Kulturen 
des  Chrysanthemum  indicum  sehr  schädigende  Pilz  in  den  Gärten  von 
Pavia  in  Oberitalien,  von  Kopenhagen  und  von  Turnau  in  Böhmen 
aufgetreten  ist.  Wie  ich  schon  1.  c.  mitgeteilt  habe,  habe  ich  ihn 
von  Herrn  KüI.  Oberstabsveterinär  A.  SCHWARZ  aus  einer  Kunst- 
gärtnerei  in  Thon  bei  Nürnberg  erhalten.  Von  Herrn  Bezirks- 
Veterinär  A.  ViLL  erhielt  ich  ihn  im  Oktober  1906  aus  Gärten  in 
Gorolzhofen  in  Unterfranken.  Herr  Professor  Dr.  E.  ZeTTNOW  teilte 
ihn  mir  aus  Kunstgärtnereieu  in  Berlin  mit,  wo  er  auf  einzelnen 
Sorten  im  Oktober  1904,  im  Oktober  1905  und  im  August  1906 
epidemisch  aufti-at.  Schon  im  September  1896  hat  ihn  W.  KRIEGER 
in  einer  Gärtnerei  in  Königstein  i.  Sachsen  beobachtet  und  ge- 
sammelt und  in  seinen  Fungi  saxonici  No.  1371  unter  dem  Namen 
Septoria  Chrysantkemi  Cavara  ausgegeben.  Sicher  tritt  er  noch  an 
vielen  andern  Orten  auf,  vermutlich  überall,  wo  Chrysanthemum, 
indicum  gezogen  wird. 

Dies  ist  die  dritte  in  grösserem  Maasse  auftretende  und  ver- 
breitete Pilzkrankheit,  der  diese  schöne  Blumenpflanze  in  unseren 
Gärtuereien  unterworfen  ist.  Die  beiden  anderen  sind  ein  Mehltau, 
von  dem  man  bisher  nur  die  Conidien  kennt  unter  dem  Namen 
Oidium  Chrysanthemi  Rabenh.,  und  die  Puccinia  Chrysanthemi  Roze, 
die  bei  uns  meist  nur  in  der  Uredoform  auftritt.  Wie  diese  beiden 
letzteren  parasitischen  Pilze  ihre  höchsten  Fruchtformen  nicht  oder 
nur  sehr  selten  bei  uns  auszubilden  scheinen,  so  scheint  auch  die 
zu  der  Septoria  chrysanthernella  Sacc.  gehörige  Ascusfruchtform  nicht 
oder  nur  sehr  selten  entwickelt  zu  werden  und  bisher  noch  nicht 
beobachtet  zu  sein. 


21=' 


302  'W.  EUHLAND: 


45.  W.  Ruh I and:  Zur  Physiologie  der  Gummibildung  bei  den 

Amygdaleen. 

Mit  drei  Abbildungen  im  Text. 


Eingegangen  am  24.  Juni  1907. 


Im  Nachstehenden  soll  über  einen  Teil  der  mehrjährigen,  um- 
fassenden Studien  berichtet  werden,  welche  der  Verfasser  in  der 
Kaiserlichen  Biologischen  Anstalt  zu  Dahlem  zum  grossen  Teil 
gemeinsam  mit  dem  inzwischen  verstorbenen  R.  ADERHOLD  dem 
bisher  so  wenio-  geklärten  Problem  der  Gummibildung  gewidmet  hat. 
Das  Gesamtergebnis  dieser  Studien,  welche  sich  sowohl  auf  die 
entwicklungsgeschichtlich  -  anatomische  wie  auf  die  physiologische 
(Excretionsvorgang,  Rolle  der  Mikroorganismen,  Mitwirkung  von 
Enzymen  usw.)  Seite  der  Frage  erstreckten,  soll  später  in  den 
„Arbeiten  aus  der  Kaiserl.  Biolog.  Anstalt"  niedergelegt  werden;  an 
dieser  Stelle  möchte  ich  nur  die  Vorstellungen  über  die  Entstehung- 
des  Gummis  auseinandersetzen,  zu  denen  wir  gelaugt  sind,  sowie 
die  morphologischen  Tatsachen  und  experimentellen  Belege,  welche 
nach  unserer  Auffassung  diese  Theorie  stützen. 

In  jüngster  Zeit  haben  Bei.JERINCK  und  RaNT^)  eine  Erklärung 
der  Erscheinung  des  sog.  Gummiflusses  zu  geben  versucht.  Nach 
ihrer  Auffassung  beruht  sie  in  einer  durch  Wundreiz  verursachten 
anomalen  Entwicklung  des  embryonalen  Holzgewebes,  die  schliess- 
lich zur  „Verflüssigung"  desselben  führt.  Die  Verflüssigung  wird 
herbeigeführt  durch  einen  cytolytischen  Körper,  wie  solche  auch  im 
normalen  Leben  der  Pflanze,  nämlich  bei  der  Tracheenbildung  eine 
Rolle  spielen.  Cytolytische  Substanzen  werden  von  nekrobiotischen 
Zellen,  wie  man  sie  in  der  Umgebung  der  Wunden  findet,  vielleicht 
in  besonders  g-rosser  Menge,  abgeschieden.  Nekrobiotische  Zellen 
sind  gekennzeichnet  dadurch,  dass  ihr  Plasma  getötet  ist,  die  Enzyme 
aber  noch  wirksam  sind.  Alle  Ursachen,  welche  zur  Nekro- 
biose  führen,  veranlassen  Gummifluss,  und  zwar  um  so 
heftiger,  je  umfangreicher  die  nekrobiotischen  Prozesse 
sind.  Aus  diesem  Grunde  soll  z.  B.  das  heftig  wirkende  Quecksilber- 
chlorid selbst  dort  noch  Gummiausfluss  zu  stände  bringen,  wo  er  ohne 
ein  so  heftig  wirkendes  Agens  ausbleibt.    Coryneuvi  und  andere  Para- 


1)  „Wundreiz,    Parasitismus    und  Gummifluss  bei  den  Amygdaleen"  (Ccntralb. 
f.  Bakteriol.,  II.  Abt.  Bd.  XV,  p.  oGöff.). 


Zur  Physiologie  der  Gummibildung  bei  den  Amygdaleen.  303 

siten  führen  Gummibildung  herbei,  weil  sie  ein  Gift  ausscheiden,  das 
zur  Xekrobiose  von  Zellen  führt.  Saprophyten,  wie  Dematiuin  pullulans 
oder  Phi/llosticta  Persicae  verstärken  unter  Umständen  die  Gummibildung, 
^'ei\  sie  durch  Sauerstoffentziehung  den  Tod  einzelner  an  die  Wund- 
grenze stossender  Zellen  und  damit  nekrobiotische  Prozesse  herbei- 
führen; andere  sind  belanglos. 

Das  "Wesentlichste  in  dieser  Theorie  liegt  darin,  dass  die 
Gummifizierung  in  Beziehung  gebracht  wird  zu  einem  Vorgange  in 
der  normalen  Pflanze:  der  Lösung  gewisser  Zellenteile  bei 
der  Gefässbilduug.  In  der  vorläufigen  Mitteilung,  welche  Bei.JERINCK 
und  RanT  über  den  Gegenstand  gebracht  haben  und  in  der  Disser- 
tation RanT's,  führen  sie  zugunsten  der  Analogie  beider  Prozesse, 
soweit  ich  sehe,  nur  an:  1.  dass  das  bei  der  Gefäss-  und  Trache'iden- 
bildung  durch  die  cytolytischen  Substanzen  gebildete  „physiologische" 
Gummi^)  zwar  gewöhnlich  gänzlich  resorbiert  wird,  dass  es  aber 
unter  Umständen  als  solches  selbst  in  der  Höhlung  der  erwachsenen 
Gefärsse  nachweisbar  ist  und  2.  dass  Gummifluss  wirklich  bedeutungs- 
voll nur  im  sekundären  Jungholze  auftritt,  wo  auch  normalerweise 
die  Cytolyse  am  ausgiebigsten  ist. 

Es  niuss  zugegeben  werden,  dass  dieser  Kernpunkt  der 
BELTERINCK-RANT'schen  Theorie  viel  Bestechendes  hat.  Er  ist  in- 
dessen doch  nur  ein  Bestandteil  einer  Theorie.  Die  Autoren  selbst 
sagen,  dass  Gummifluss  „wirklich  bedeutungsvoll"  nur  im 
sekundären  Jungholze  auftrete;  offenbar  deshalb,  weil  ihnen  nicht 
unbekannt  ist,  dass  gelegentlich  auch  Gummi  in  Samen,  an  der 
Frucht,  am  Blatt  und  endlich,  worauf  ich  das  Hauptgewicht  legen 
möchte,  im  Phellogen  auftritt.  Kann  man  auch  zugeben,  dass  in 
den  erstgenannten  Organen  cytolytische  Körper  bei  den  Vorgängen 
im  Endosperm,  der  Gefässbildung  in  den  Leitsträngen  (von  deren 
Cambium,  nebenbei  bemerkt,  in  diesen  Organen  der  Gumnii- 
fizierungsprozess  stets  seinen  Ausgang  nimmt)  eine  Rolle  spielen,  so 
scheint  mir  dies  doch  nicht  ohne  Zuhilfenahme  neuer  Theorien  hin- 
sichtlich der  Gummibildung  im  Phellogen  der  Fall  zu  sein.  Diese 
ist  aber  unter  Umständen  bei  Prunus  Cerasus  recht  bedeutend.  Ich 
habe  an  drei-  bis  fünfjährigen  Ästen  oder  auch  an  Stammstümpfen 
junger  Bäume  Gummidrusen  im  jüngsten  Phellogen  gefunden,  die  in 
anatomischer  Hinsicht  ganz  typisch  waren  und  schätzungsweise  bis 
zu  1  ccvi  Gummi  enthielten.     Ich  kann  mit  dieser  Tatsache  die  Vor- 


1)  Die  Unterscheidung  zwischen  „pathologischem"  und  ..phj-siologischem" 
Gummi  rührt  nach  \VlLL"s  Angabe  („Beiträge  zur  Kenntnis  von  Kern-  und  Wund- 
holz",  Inaug.  Diss.  Bern,  1899,  p.  52)  von  TsCHIRSCH  („Angewandte  Pflanzen- 
anatomie I,  1889,  S,  208—212  her.  Danach  ist  das  Gummi  des  Wundholzes  phy- 
siologisches Gummi,  welches  ohne  regressive  Metamorphose  oder  Desorganisation 
der  Zellmembranen  zustande  kommt. 


304  W.  RUHLAND: 

Stellung,  dass  Gummifizierungsprozesse  sich  gerade  dort  abspielen, 
wo  im  normalen  Leben  cytolytische  Vorgänge  Platz  greifen  und 
dass  sie  nur  eine  durch  Wundreiz  gesteigerte  Form  eines  normalen 
Vorganges  seien,  nicht  vereinbaren.  Vielmehr  dürfte  es  sich,  wie 
sogleich  auszuführen  sein  wird,  bei  der  gummösen  Auflösung  um  eine 
allgemeine  Eigenschaft  embryonaler  Zellen  handeln,  die  aber 
im  normalen  Leben  nicht  zur  Auslösung  kommt,  sondern  erst  auf 
einen  äusseren  Anstoss  hin  (vgl.  weiter  unten). 

Den  zweiten  wesentlichen  Bestandteil  der  BelJERINCK-Rant'- 
schen  Theorie  erblicke  ich  in  der  Rolle,  welche  den  nekrobiotischen 
Zellen  zugeschrieben  wird.  Die  Möglichkeit  der  Existenz  solcher 
Zellen,  welche  durch  die  Verwundung  abgestorbenes  Plasma,  aber  noch 
wirksame  Enzyme  enthalten,  muss  unbedingt  zugestanden  werden. 
So  arbeitete  in  letzter  Zeit  z.  B.  Palladin^)  vielfach  mit  Pflanzen, 
die  er  durch  Gefrieren  zuvor  ganz  abtötete,  um  die  Tätigkeit  ihrer 
Atmungsenzyme  studieren  zu  können.  Schliesslich  hat  BeULAYGUE^) 
jüngst  in  den  Chemismus  nekrobiotischer  Zellen  einzudringen 
versucht. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  bei  dem  Auftreten  von  Gummi  immer 
von  nekrobiotischen  Zellen  die  Rede  sein  kann?  Dies  ist  aber  mit 
Entschiedenheit  zu  verneinen,  und  zwar  gerade  für  einen  Fall,  der 
nach  der  BEIJERINCK-RANT'schen  Theorie  für  diese  besonders  be- 
weiskräftig sein  soll.  In  ihr  wird  (p.  369),  wie  bereits  erwähnt,  aus- 
geführt, „dass  es  sich  dabei  um  eine  Beeinflussung  der  lebenden 
cambialen  Gewebe  durch  die  absterbenden  nekrobiotischen  Zellen 
handelt.  Es  konnnte  deshalb  erwartet  werden,  dass  starke  Gifte,  in 
das  Cambium  eingeführt,  auf  eine  ähnliche,  vielleicht  jedoch 
kräftigere  Weise  um  sich  her  greifen  würden,  wie  eine  blosse  Ver- 
wundung, weil  das  Gift  bei  der  Diffusion  mehrere  Zellen  hinter 
einander  zum  Absterben  bringen  kann,  als  eine  einfachere  Ver- 
wundung." Als  Gift  verwendeten  die  Verfasser  Sublimat  und  er- 
reichten hierdurch  intensiveren  Gummiausfluss  als  bei  einfachen 
Stichwunden  und  überdies  auch  zu  einer  Jahreszeit,  in  der  dies 
sonst  kaum  überhaupt  zu  erreichen  ist.  Im  Gegensatz  zu  den  Ver- 
fassern, die  hierin  eine  der  Heftigkeit  des  Giftes  entsprechende, 
besonders  weitgehende  nekrobiotische  Wirkung  erblicken,  möchte 
ich  betonen,  dass  hier  von  einer  Nekrobiose,  einem  „Aktiv- 
bleiben der  enzymartigen  Körper  nach  Tötung  des  Proto- 
plasmas" (p.  371)  keine  Rede  sein  kann,  da  Sublimat  zu 
jenen  Schwermetallsalzen  gehört,  die  schon  bei  geringster 
Dosis   jede    Enzymwirkung    zerstören. 


1)  Vgl.  Berichte    der  Deutschen    botan.  Gesellschaft,    Band  XXIV    und  XXV. 

2)  „Recherches    sur    la   necrobiose    vegetale."      These    presentee  ä  la    faculte 


des  Sciences  de  Paris.     Corbeil  1905,  8°. 


Zur  Physiologie  der  Gummibiidung  bei  den  Amygdaleen. 


305 


Umgekehrt  kann  man  auch  gegen  die  BEIJERINCK-RANT'sche 
Theorie  geltend  machen,  dass  nicht  im  Gefolge  aller  Vorgänge,  die 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zur  Bildung  uekrobiotischer  Zellen 
fuhren,  Gummifluss  eintritt.  Wir  haben  z.  B.  oft  beobachtet,  dass 
durch  künstlich  erzeugten  Frost  erfrorene,  sonst  aber  unverletzte 
oder  seltener  mittelst  heisser  Eisen  verbrühte  Stammstellen  von 
Prunus  Cerasus  keine  Gummilückeu  ergaben,  obschon  die  Versuche 
zu  günstiger  Jahreszeit  ausgeführt  wurden. 

Um  nunmehr  zugleich  zur  Darleauno-  der  nach  unserer  Auf- 
fassung  zur  Gummibildung  führenden  Momente  übergehen  zu  können, 
weise  ich  schliesslich  noch  auf  einen  Punkt  hin,  der  mit  der 
BEIJERINCK-RANT'schen  Theorie    nicht    recht  verständlich  erscheint, 


Fig.  1.    Schnitte   durch    das    gummibildende  Gewebe   (fixiert   mit  Chromessigsäure, 

gefärbt   mit  Safranin-Gentianaviolett-Orange  G.).    A.  Ein  conferveuartiger  Zellfaden. 

B.  Eine  junge  Gummilücke.    Bei  a  und  b  je  eine  zweikernige  Zelle. 


von  den  Autoren  aber  nicht  berührt  wird.  Er  betrifft  die  Ent- 
wicklung eines  Gummiherdes  oder  Gummikanals,  wie  BeijeRINCK 
und  RANT  sagen.  Es  ist  schon  von  vielen  Autoren  hervorgehoben 
und  von  ADERHOLD  und  MiKOSCH  genau  beschrieben  w^orden,  dass 
ein  Gummikanal  aus  dem  Verfall  eines  abnormen  Gewebekomplexes 
hervorgeht.  In  einem  eben  entstehenden  Gummikanale  findet  man  ein 
lockeres,  gegenüber  der  Umgebung  relativ  grosszelliges,  inhaltsarmes 
und  daher  durchsichtiges,  parenchymatisches  Gewebe.  Dasselbe  hat 
die  umgebenden  Gewebschichten  keineswegs  zusammengedrückt,  um 
für  seine  grossen  Zellen  Platz  zu  schaffen,  sondern  diese  füllen  den 
ihnen  von  der  Umgebung  gegönnten  Raum  nicht  einmal  aus  und 
haben  deshalb  interzellulare  Hohlräume  bilden  müssen.  Man  kommt 
daher  zu  dem  Eindruck,  dass  die  krankhaft  affizierten  Zellen  das 
weitere  Teilungsvermögen  verloren  haben.  In  der  Tat  habe  ich  an 
entsprechend    gefärbten    Schnitten    durch    Material,    das    mit  Chrom- 


306  W.    FiUHLAND: 

essigsaure  fixiert  und  in  Paraffin  eingebettet  worden  war,  in  den 
betreffenden  Partien  niemals  karyokinetisclie  Vorgänge  nach- 
weisen könneil.  Noch  bezeichnender  ist  die  Tatsache,  dass  ich 
hierbei  mehrfach  blasenartig  vergrösserte  Zellen  auffand,  welche 
zwei  völlig  ausgebildete  Kerne  enthielten,  ohne  dass  aber 
zwischen  ihnen  eine  trennende  Zellwand  gebildet  worden 
wäre.  (Vgl.  Fig.  1.)  Die  so  auffälligen  konfervenartigen  Zellfäden, 
welche  man  öfter  in  den  grösseren  Gummikanälen  findet  und  die,  wie 
BeIJERINCK  und  RaNT  hervorheben,  vielfach  ihren  Ursprung  von  den 
dem  Gummifizierungsprozess  gegenüber  widerstandsfähigeren  Mark- 
strahlen nehmen,  kommen,  wie  das  Studium  der  Kerne  zeigt,  dadurch 
zustande,  dass  eine  nicht  kranke,  an  der  Basis  des  Fadens  liegende 
Zelle  sich  wiederholt  teilt,  die  entstehenden  Tochterzellen  aber  nur 
noch  sich  vergrössern,  ohne  sich  zu  teilen.  Es  ergiebt  sich  somit 
die  wichtige  Tatsache,  dass  eine  embryonale  Zelle  dadurch 
den  in  ihr  beginnenden  Gummifikationsprozess  anzeigt, 
dass  die  weitere  Zellteilung  unterbleibt,  die  Raum- 
vergrösserung  der  Zellen  aber  wohl  noch  mehr  oder  minder  fort- 
dauert, während  die  eigentlich  zur  Querwandbildung  be- 
stimmten Kohlenhydrate  in  Gummisubstanzen  übergehen, 
wie  weiter  unten  näher  auszuführen  sein  wird. 

Diese  Vorgänge  scheinen  mir  nicht  auf  Zellstoff  lösende  Körper, 
die  aus  nekrobiotischen  Zellen  in  das  embryonale  Gewebe  hinein- 
diffiindieren,  zu  deuten,  sondern  vielmehr  darauf,  dass  durch  einen 
von  aussen  kommenden  Einfluss,  der  natürlich  mit  der  Verwundung 
im  Zusammenhange  stehen  muss,  der  normale  Wandbildungsvorgang 
in  den  embryonalen  Zellen  gehemmt  wird.  Das  Nächstliegende 
scheint  mir,  hierbei  an  den  atmosphärischen  Sauerstoff  zu  denken, 
welcher  durch  die  Verwundung  Zutritt  zum  embryonalen  Gewebe 
erhält,  welches  ihm  sonst  absolut  verschlossen  ist.  Hierauf  wird 
sogleich  näher  einzugehen  sein;  vorerst  sei  der  Deutlichkeit  halber 
unsere  Theorie  nochmals  kurz  gekennzeichnet: 

Werden  durch  eine  Verwundung  der  Pflanze  embryonale 
Gewebe  (gleichgültig,  wo  diese  liegen),  dem  Einflüsse  des  Sauer- 
stoffs der  Luft  zugänglich  gemacht,  so  bewirkt  derselbe, 
dass  die  eigentlich  zur  Querwandbildung  bestimmten 
Kohlenhydrate  in  das  sauerstoffreichere  Gummi  übergehen. 
Die  betreffenden  Zellen  stellen  somit  ihre  weitere  Teilung 
ein.  Das  Verhältnis  von  Parasiten  und  Saprophyten  zum  Gummi- 
fluss,  das  BelJERINCK  und  RANT  klarzustellen  versucht  haben, 
erklärt  sich  so,  dass  diese  Organismen  durch  Schaffung  und  Ver- 
grösserung  von  Rissen,  W^und-  oder  toten  Flächen,  Verhinderung  der 
Überwalluno-  und  Verheiluno-  von  Wunden  usw.  dem  Sauerstoff  Zutritt 
ermöglichen. 


Zur  Plijsiologie  der  Gummibildang  bei  den  Amygdaleen.  307 

Sehr  nahe  liegt  nun  der  Einwand,  der  einen  weiteren  wichtigen 
Punkt  berührt,  weshalb  bei  solcher  Sachlage  nicht  auch  in  den 
embryonalen  Markstrahlzellen  und  dem  embryonalen  Gewebe  der 
^egetationspunkte  sich  regelmässig  Gummi  bildet,  wie  in  den  inter- 
radialen Kambialpartien?  Der  Grund  hierfür  liegt  offenbar  darin, 
dass  sich  die  ersteren  dem  Sauerstoffe  gegenüber  anders  verhalten 
als  diese.  Überträgt  man  Schnitte  durch  solche  Gewebe  führende 
Organe  in  Kaliumbichromat-  oder  Ferrichloridlösung,  so  färben 
sich  die  Markstrahlen,  das  sekundäre  Rindengewebe  und  grossenteils 
mich,  die  äusseren  parenchymatischen  Riudenpartien  tief  braunrot 
bezw.  schwarz. 

Diese  Gewebe  führen  also,  wie  die  gleichen  Elemente  sehr 
vieler  Baumarten,  Gerbstoffe  und  verwandte  Glukoside, ^)  deren 
aromatischen  Komponenten  bekanntlich  stark  reduzierende,  Sauerstoff 
bindende  Eigenschaften  zukommen;  es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass 
hierdurch  für  die  von  derartigen  Zellen  rings  umschlosseneu  embryo- 
nalen Gewebe  ein  Schutzwall  gegen  den  atmosphärischen  Sauerstoff 
gegeben  ist,  der  nur  durch  eine  Verwundung  durchbrochen  wird. 
Dass  eine  solche  Zelle  andrerseits  nicht  selbst  zur  (Jummibilduno-  ueio;t, 
würde  dann  '  eben  auf  ihrem  eigenen  Gehalt  an  reduzierenden 
Substanzen  beruhen.  Von  den  reduzierenden  Eigenschaften  der 
letzteren  kann  man  sich  an  wässrigen  oder  alkoholischen  Aus- 
zügen derselben  leicht  überzeugen;  namentlich  in  der  Wärme  oder 
bei  nur  sehr  schwach  alkalischer  Reaktion  schon  unter  gewöhnlicher 
Temperatur  treten  schnell  dunkle  Verfärbungen  auf.  Die  Möglich- 
keit einer  ausgiebigen  Bindung  des  Sauerstoffs  an  diese  Substanzen 
ist  der  Zelle  aber  durch  ihren  reichen  Gehalt  an  Oxydasen  gegeben, 
wie  die  tiefen  Färbungen  der  Rinde  mit  1  pCt.  Dimethyl-p-phenylen- 
diaminchlorhydrat  und  einer  mit  a-Xaphthol  gesättigten  Iprozentigen 
Natriumcarbonatlösung,  ferner  die  fast  stürmische  Zerlegung  von 
Wasserstoffsuperoxyd  bei  Eintragung  von  Rindenstücken  zeigen. 

Werfen  wir  nun  noch  einen  Blick  auf  die  Beziehunoen  zwischen 
Gummi  und  Zellwandsubstanz.  Die  erste  Lamelle  einer  entstehenden 
Zellwand  soll  bekanntlich  nach  den  heute  ziemlich  allgemein  auo:e- 
nommenen  Feststellungen  von  ManGIN  aus  Pektin  oder  Pektinaten 
bestehen.  Wenn  das  richtig  ist,  würde  man  unsere  Theorie  auch 
so  ausdrücken  können,  dass  in  den  embryonalen  Zellen  unter 
dem  Einflüsse    von  Sauerstoff   statt  Pektin  und  Pektinaten 


1)  Eine  genauere  chemische  Untersuchung  dieser  Glukoside  lag  nicht  im 
Rahmen  der  Arbeit.  Erwähnt  werden  mag  nur,  dass  die  fraglichen  gerbstoff- 
ähnlichen Körper  sich  durch  Leim-,  Eiweisslösung  usw.  nicht  wie  andere  Gerb- 
stoffe quantitativ  niederschlagen  lassen,  auch  nicht  bei  oft  wiederholter  Ausfällung. 
Die  Filtrato    ergeben  vielmehr  jedesmal  noch  tiefe  Schwärzungen  mit  Ferrichlorid. 


308  W.  Ruhland  : 

Gummi  gebildet  wird.  Dass  aber  diese  Körper  ausserordentlich 
nahe  mit  einander  verwandt  sind  und  von  der  Arabinsäure  abgeleitet 
werden  können,  wird  heute  allgemein  angenommen.  Wahrscheinlich 
ist  gerade  bei  den  Araygdaleen  für  die  leichte  Überführung  der  Pektine 
in  Gummi  die  besonders  lockere,  gelatinöse  Beschaffenheit  der 
Primärlamelle  der  Zellwand,  oder,  wie  sie  gewöhnlich  genannt 
wird,  der  Interzellularsubstanz  gegenüber  anderen  Baumarten  nicht 
ohne  Bedeutung.  Infolge  dieser  Beschaffenheit  haften  die  Zellen 
der  Amygdaleenrinden  weniger  fest  aneinander  als  die  anderer 
Pflanzen,  sodass  man  zu  gewissen  Jahreszeiten  kaum  imstande 
ist,  einen  Querschnitt  durch  die  Rinde  von  Prunus  Cerasus  zu 
machen,  ohne  das  Markstrahlengewebe  von  dem  angrenzenden 
Rindengewebe  abzuspalten  und  im  Frühjahr  ist  nichts  leichter  als 
beim  Ablösen  der  Rinde  vom  Holze,  die  Markstrahlen  aus  dem 
Rindengewebe  herauszuziehen,  wobei  sie  als  kurze,  dünne  Bänder 
auf  dem  Holze  sitzen  bleiben.  Nirgends  findet  man  aucli  in  der 
Rinde  oder  im  Mesophyll  der  Blätter  so  häufig  Gewebsspalten  und 
nirgends  tritt  die  durch  einen  Zerfall  der  Gewebe  in  die  einzelneu 
Zellen  gekennzeichnete  Erscheinung  des  „Milchglanzes"  so  häufig 
auf,  wie  bei  den  Amygdaleeu. 

Bei  der  Durchsicht  der  bisherigen  Litteratur  findet  man,  dass 
der  Gedanke,  dem  Sauerstoff  müsse  bei  der  Gummibildung  eine  be- 
sondere Rolle  zufallen,  bereits  mehrfach  geäussert  wurde.  Zunächst 
schon  auf  Grund  rein  chemischer  Überlegungen.  Es  ist  bekannt, 
dass  die  der  Pflanze  als  Ausgangsmaterial  zur  Gummibildung  zu 
Gebote  stehenden  Kohlenhydrate  (Zucker,  Stärke,  Cellulose)  Hexosen 
bezw.  Hexosane  darstellen,  während  die  Gummistoffe  zwar  keine 
reinen  Pentosane  sind,  aber  doch  der  Hauptmasse  nach  aus  ihnen 
(neben  Galactinen)  bestehen.^)  TOLLENS  spricht  in  seinem  Handbuch 
der  Kohlenhydrate  die  Vermutung  aus,  dass  die  Pentosen,  welche 
durch  Kondensation  und  Polymerisation  jene  Körper  liefern,  aus 
vorhandenen  Hexosen  durch  Oxydation  entstehen,  wobei  er  be- 
sonders auf  veränderte  Produkte,  wie  die  Gummiarten,  hinweist. 
MlKOSCH^)  macht  auf  die  Ergebnisse  RUFF's  aufmerksam,  dem  es 
gelungen  ist,  aus  Glukose  resp.  Gluconsäure  einen  in  seinen  charak- 
teristischen Eigenschaften    mit  Arabinose    übereinstimmenden  Körper 


1)  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  hinweisen,  dass  auch  die  fertig 
ausgebildete  Rindeiiwandsubstanz,  z.  B.  der  Kirsche,  wie  mehrere  Analysen  mir 
zeigten,  obwohl  relativ  im  Vergleich  zu  anderen  Rinden  sehr  reich  an  Pentosanen 
doch  an  ihnen  um  ein  Mehrfaches  ärmer  ist  als  eine  gleiche  Trockengewichts- 
menge Gummis.  Kirschgummi  enthält  nach  meinen  Analysen  durchschnittlich 
etwa  40  pCt.,  Rindenw&ndsubstanz  aber  nur  18—20  pCt.  Pentosan. 

2)  „Untersuchungen    über    die    Entstehung    des  Kirschgummis."     (Sitzungsber. 
der  K.  Akad.  der  Wiss.  Wien,  Bd.  CXV,  1906,  p   911-961.) 


Zur  Physiologie  der  Gummibildung  bei  den  Amygdaleen.  309 

durch  Oxydation  zu  erhalten  und  hält  für  möglich,  dass  die  in  den 
Wundgeweben  als  Reaktion  auf  die  Verletzung  erhöhte  Atinungs- 
tätigkeit  zu  einer  oxydativen  Umwandlung  der  vorhandenen  Hexosen 
utld  Pentosen  in  Gummi  Veranlassung  geben  könnte. 

An  dieser  Stelle  müssen  wir  auch  kurz  auf  die  Vorstellungen 
von  J.  GRÜSS^)  eingehen.  Er  behauptet,  ausgehend  vom  Traganth- 
gummi,  den  bei  Acacia  und  Astragalus  herrsehenden  Verhältnissen, 
dass  auch  bei  Prunus- Axtew  sich  im  ruhenden  Holze  eine  Hemi- 
celluloselamelle  als  Membranverdickung  finde,  die  bei  der  Färbung 
mit  Fuchsin  ungefärbt  bleiben  soll.  Es  soll  ein  Galaktan,  Araban 
oder  ein  Gemenge  beider  sein  können  und  beim  Austreiben  der 
Bäume  durch  diastatische  Fermente  in  Hemicellulose-Gummis  (Arabin- 
Galaktiu)  umgewandelt  werden,  „welche  entweder  als  solche  aus- 
wandern können  oder  durch  weitere  fermentative  Tätio-keit  der 
Enzyme  in  Zuckerarten  verwandelt  werden"  (S.  11)  .  .  .  „In  dem 
Holzkörper  der  kurzen  einjährigen  Äste  von  Primus  avium^  welche 
nur  eine  Terminalknospe  tragen,  fehlen  die  Hemicelluloseschichten 
so  gut  wie  ganz.  Dafür  sind  die  Zellen  der  Mark-  und  Rinden- 
strahlen meist  völlig  vollgepfropft  mit  Gummi"  (d.  h.  Hemicellulose- 
Gummi).  „Behandelt  man  das  Gewebe  mit  Alkali-Alizarin,  so  geben 
diese  Zellen  die  schöne  Violettfärbung  ..."  „Nach  dieser  Dar- 
stellung finden  die  reinen  Hemicellulosegummis  im  Stoffwechsel 
Verwendung.  Sie  können  jedoch  noch  so  verändert  werden,  dass 
sie  dann  wahrscheinlich  als  Excret  gelten  müssen.  Eine  wohl 
häufig  eintretende  Veränderung  besteht  in  der  Oxydation.  Die 
Gruppe  COH  in  dem  Zucker-  oder  Saccharo-Colloidmolekül  nimmt 
Sauerstoff  auf  und  geht  in  die  Gruppe  COOH  über,  wodurch  Arabin- 
resp.  Galaktinsäuren  entstehen.  Die  Oxydation  geschieht  durch 
0-Überträger,  welche  sich  beim  Austreiben  im  Gewebe  bilden  .  .  . 
Das  Auftreten  der  Sauerstoffüberträger  erfolgt,  soviel  ich  bis  jetzt 
gefunden  habe,  vor  der  Diastaseerzeugung;  beide  Körper  stehen 
vermutlich  in  genetischem  Zusammenhang.  Das  diastatische  Ferment 
dient  dann  dazu,  die  Hemicellulose  oder  deren  Gummis  zu  lösen, 
wie  ich  dies  oben  bei  der  Einwirkuno-  von  Diastase  auf  Traganth 
gezeigt  habe." 

Es  kam  mir  zunächst  darauf  an,  zu  zeigen,  dass  auch  GRÜSS 
sich  die  Entstehung  des  Gummiexcretes  durch  Oxydation  einer  vor- 
gebildeten Substanz  denkt.  Es  erübrigt  sich,  näher  auf  die  Art 
einzugehen,  wie  er  sich  diese  Umwandlung  denkt,  da  dies  (Über- 
gang der  COH-  in  die  Carboxylgruppe)  ganz  hypothetisch  ist  und 
in  Anbetracht    der    colloidalen  Beschaffenheit    der    fraglichen  Körper 


1)  „Über  Lösung  nnd  Bildung  der  aus  Hemicellulosen  bestehenden  Zellwände 
und  ihre  Beziehung  zur  Gummosis."     (Bibl.  botan.  Heft  39,  Stuttgart  1896.) 


?,10  W.  Ruhland  : 

wohl  auch  vorläufig  bleiben  wird.  Aber  die  Annahme,  dass  hier  im 
Holze  gewisse  Lamellen  rein  aus  Hemicellulosen  bestehen,  welche  nach 
Überführung  in  gummiartige  Zwischenprodukte  wieder  in  den  Stoff- 
wechsel durch  teilweise  Aufspaltung  einbezogen  werden  können  und 
so  die  Muttersubstanz  des  Excretes  darstellen,  möchte  ich  nicht  un- 
widersprochen lassen.  Den  Beweis  für  die  Existenz  der  behaupteten 
Hemicelluloseschicht  und  der  Arabin-Galaktiusubstanz  bringt  GrCss 
lediglich  durch  die  erwähnten  Färbemittel.  Es  ist  mir  aber  trotz 
mannigfacher  Wiederholungen  mit  den  verschiedensten  Prunus-Arten 
und  zu  verschiedenen  Jahreszeiten  nie  gelungen,  mit  Fuchsin  eine 
ungefärbte  Hemicelluloseschicht  zur  Darstellung  zu  bringen.  Die 
Wände  waren  durchweg  gleichartig  gefärbt.  Auch  GrÜSS's 
Alkali  -  Alizarinmethode  versagte  trotz  mannigfachster  Variation. 
Man  kann  vielmehr  willkürlich  jede  beliebige  Farbenabstufung 
hervorbringen.  Ich  muss  also  GrÜSS's  colloidale  Arabin-Galaktin- 
Substanz  für  hypothetisch  erklären  und  bezweifle  auch  ent- 
schieden die  Existenz  einer  in  den  Stoffwechsel  wieder  einziehbaren 
Hemicelluloselamelle  bei  den  Amygdaleen.  Dieselbe  auf  dem  Wege 
der  Hydrolyse  mit  verdünnten  Säuren  nachzuweisen,  ist,  wie  ich 
mich  überzeugte,  ganz  unmöglich,  da  hierbei  das  Gewebe  völlig 
verquillt  und  zum  Teil  zerfällt.  Dass  aber  chemisch  hierbei  Zucker 
erhalten  werden,  ist  selbstverständlich  und  beweist  nichts  im  Sinne 
von  GRÜSS.  Ich  sehe  vielmehr  nach  wie  vor  die  Muttersubstanz  des 
Gummis  in  den  zur  Wandbildung  bestimmten,  im  übrigen 
aber  unbekannten  Kohlenhydraten  der  embryonalen  Zellen 
—  und  später  in  den  gänzlich  der  Cytolyse  anheim- 
fallenden Geweben,  eine  Anschauung  zu  der  unabhängig  von 
mir  auch  MiKOSCH  (1.  c.)  auf  Grund  seiner  anatomischen  Studien 
gelangt  ist. 

Wenn  unsere  Annahme  von  der  Rolle  des  infolge  der  Ver- 
wundung von  aussen  eindringenden  Sauerstoffs  richtig  ist,  so  müssen 
Wunden,  welche  unter  Sauerstoffabschluss  gefertigt  und 
gehalten  werden,  ohne  Gummibildung  verlaufen. 

Wunden,  zu  welchen  der  0-Zutritt  scheinbar  abgeschlossen  war, 
hat  WlLL^)  gemacht.  Er  verschloss  entweder  die  Schnittfläche 
sofort  nach  ihrer  Anbringung  mit  Teer  oder  Wachs  oder  er  tauchte 
die  am  Baum  gebliebenen  Stumpfe  gestutzter  Zweige  bald  nach  der 
Dekapitierung  in  Wasser.  Bei  diesen  Versuchen  hat  jedoch  im 
Moment  der  Verletzung  der  Sauerstoff  Zutritt  gehabt  und  kann 
auch  durch  die  Organismen,  die  meinen  Erfahrungen  nach  in  dem 
Verschlusswasser    sich    gebildet    haben    werden,    übertragen    worden 


1)  Will,  A.,  „Beiträge  zur  Kenntnis  von  Kern-  und  Wuudholz".     (Inaugural- 
Dissert.,  Bern,  1899.) 


Zur  Physiologie  der  Gummibildung  bei  den  Amygdaleen.  311 

sein.  Dass  unter  dem  Teer-  und  Wachsverschluss  die  Gummi- 
bildung aber  etwas  geringer  war,  gibt  WILL  zu  und  PßAEL  hat  ihm 
geg'enüber  angegeben,  dass  sie  in  solchen  Fällen  ausbleibe. 

Unsere  eigenen  Versuche  zielten  darauf  hin,  Verwundungen 
unter  möglichst  vollst<ändiger  Verhinderung  von  Sauerstoffzutritt  zu 
erzielen.  Es  braucht  wohl  kaum  besonders  erwähnt  zu  werden,  dass 
eine  Versuchsanstellung,  wie  sie  zunächst  wohl  am  einfachsten  er- 
scheinen könnte,  bei  der  sich  die  Zweige  in  einer  0-freien  bezw. 
0-haltigen  Atmosphäre  oder  Flüssigkeit  befänden,  ausgeschlossen  ist, 
da  bei  gänzlichem  Mangel  an  Sauerstoff  sogleich  intramolekulare 
Atmung  unter  Alkoholbildung  einsetzt  und  meist  schliesslich  binnen 
einio-er  Taoe  zum  Tode  der  Pflanzen  führt.  Es  ist  klar,  dass  bei 
einem  so  tiefgehenden  Eingriff  in  den  normalen  Lebensprozess  das 
Ausbleiben  von  Gummibildung  nicht  allein  auf  mangelnden  Sauer- 
stoffzutritt zur  Wundfläche  zurückgeführt  werden  darf. 

Meist  wurüe  ganz  einfach  (Versuchsanordnung  1)  so  verfahren, 
dass  die  unverletzten  Zweige  unter  verflüssigtem  Paraffin  oder 
einem  ähnlichen  Fettkörper')  mit  einer  scharfen  Scheere  abge- 
schnitten wurden,  sodass  die  Zweige  mit  einer  sehr  kurzen  Kappe 
überzogen  waren  und  die  übrige  gesamte  Zweigoberfläche  den 
normalen  Gasaustausch  beibehielt.  Nur  selten  wurden  statt  der 
Querschnitte  auch  seitlich  Einschnitte  gemacht.^)  Mit  den  so  be- 
handelten, am  unteren  Ende  unter  Wasser  abgeschnittenen  und  in 
Wasser  stehenden  Zweigstücken  wurde  eine  entsprechende  Anzahl 
gleichartiger,  ebenso  behandelter,  aber  mit  dem  oberen  Ende  an  der 
Luft  abgeschnittener,  nicht  mit  Paraffin  überzogener  Zweige  ver- 
glichen. Einige  Male  wurden  auch  die  Zweige  mit  ihrem  oberen 
Ende  in  die  Öffnung  eines  durchbohrten,  tief  schalenförmigen  Uhr- 
glases    eingeführt    und    dieses   mit  Quecksilber  gefüllt,    von  welchem 


1)  Die  Temperatur  der  verwendeten  Yerschlussmittel  ist  natürlich,  um  Ver- 
brühungen zu  vermeiden,  möglichst  niedrig  über  dem  Schmelzpunkt  zu  halten  und 
beständig  zu  kontrollieren.  Notwendig  für  das  Gelingen  des  Versuches  ist, 
dass  die  Wundfläche  bei  diesem  Verfahren  wirklich  eine  dicht  schliessende, 
möglichst  dicke  Verschlusskappe  erhält.  Kakaobutter  und  das  Paraffin -Wachs- 
gemisch haben  den  Nachteil,  mitunter  infolge  der  nachträglichen  Spannungs- 
änderungen in  den  umschlossenen  Gewebekomplexen  feine  Eisse  zu  bekommen;  das 
reine  Paraffin  aber  hebt  sich,  wenn  auch  seltener,  bei  läugerer  Versuchsdauer  und 
hierdurch  bedingtem  Zusammenschrumpfen  des  Zweiges  von  dessen  Oberfläche  ein 
wenig  ab,  so  dass  dann  in  beiden  Fällen  Versuchsfehler  entstehen.  Es  ist  aber 
schwer,  für  diese  Verschlussmedien  Ersatz  zu  schaffen.  Entweder  liegen  deren 
Schmelztemperaturen  so  hoch,  dass  Verbrühungen  zu  befürchten  sind,  oder  ihre 
Verwendung  ist,  wie  bei  den  Cellulosederivaten  (Photoxylin,  Celloidin  usw.),  wegen 
der  Giftigkeit  des  Lösungsmittels  ausgeschlossen. 

2)  Die  seitlichen  Einschnitte  müssen  bis  ins  Cambium  reichen.  Hierüber 
später  an  anderer  Stelle  Näheres. 


312 


W.  Ruhland: 


also    dann    das    Zweigende    überdeckt    war.     (Versuchsanstellung  2, 
vgl.  Fig.  2.) 

Endlich  wurde  noch  mehrfach  eine  etwas  umständlicliere  Ver- 
suchsanordnung (Nr.  3,  vgl.  Fig.  3)  durchgeführt,  bei  welcher  die 
Pflanzen  ohne  jeden  Überzug  verblieben.  Die  Zweige  wurden  mit 
ihrem  unteren  Ende  unter  Wasser  abgeschnitten  und  darauf  mit 
ihrem  oberen,  unverletzen  Ende  durch  eine  durchlöcherte  Korkplatte 
geführt,  welche  nach  unten  zu  ein  sehr  kurzes,  weites  Glasrohr 
wasserdicht  verschloss.  Die  Dichtung  um  die  zu  mehreren  in  der 
Korkplatte    befindlichen,     einzeln    in    je    einem    Loche    steckenden 


/~\ 


Fi-  2. 


Fi-r.  3. 


Zweige  wurde  durch  Watte  und  zähflüssig  gemachtes  Guttapercha 
erreicht,  wobei  eine  Schädigung  der  Zweige  ausgeschlossen  war. 
Darauf  wurde  das  Glasrohr  mit  W^asser  gefüllt  und  die  Zweige  oben 
unter  Wasser  abgeschnitten.  Da  aber  einerseits  dieser  Abschluss 
wegen  des  im  Wasser  mit  der  gelösten  Luft  vorhandenen  Sauer- 
stoffes als  noch  nicht  genügend  betrachtet  werden  konnte  und 
andrerseits  in  dem  unter  diesen  Umständen,  ohne  die  Zweige  der 
Luft  auszusetzen,  schwierig  zu  regenerierenden  Wasser  sich  bald 
Organismen  aller  Art  ansiedeln,  wurde  über  die  Zweigenden  je  ein 
umgekehrtes  Reagensglas  mit  W^asser  gestülpt  und  dies  durch  Zu- 
leitung von  Wasserstoff  oder  durch  Stickstofl'  (resp.  beim  Kontroll- 
versuch   durch  Luft)    verdrängt.     Selbst    bei    dreiwöchiger  Versuchs- 


Zur  Phjsiologie  der  Gummibilduiig  bei  den  Amygdaleen.  3]  3 

dauer  trat  keinerlei  Schädigung  der  Versuchspflanzen  hervor.  Die- 
selben entwickelten  ihre  Knospen  weiter,  blühten  vielfach,  bildeten 
reichlich  Callus  und  Hessen  auch  bei  der  nachfolgenden  genauen 
anatomischen  Durchmusterung  auf  das  Vorhandensein  von  Gummi- 
lücken, der  jeder  Zweig  nach  Beendigung  eines  Versuches  unter- 
worfen    wurde,     keine    Spuren     schädlicher    Einwirkung    erkennen. 

Lei<ler  waren  häufig  die  Versuche  deshalb  nicht  zu  verwerten,  weil 
die  Zweige  auch  bei  Sauerstoffzutritt  nicht  zur  Gummibildung 
schritten.  Es  hängt  dies  zweifellos  von  der  Jahreszeit  ab.  Im 
ganzen  ist  die  Zeit  der  beginnenden  Winterruhe  und  das  Frühjahr 
für  Laboratoriumsversuche  am  günstigsten.  Am  meisten  empfiehlt 
es  sich,  Zweige  von  Prunus  Persica  zu  nehmen,  wegen  der  be- 
sonderen Leichtigkeit,  mit  der  diese  Art  zur  Gummibildung  schreitet. 

Es  folgt  eine  kurze  Übersicht  über  die  nach  Methode  1  angestellten 
Versuche.  Das  genauere  Protokoll  über  jeden  einzelnen  Zweig  soll 
später  an  anderer  Stelle  mitgeteilt  werden.  Die  Zweige  waren 
meist  25 — 40  cm  lang,  sie  standen  im  Laboratorium  am  Fenster,  bei 
einer  durchschnittlichen  Temperatur  von  15 — 17°  C. 

(Tabelle  s.  S.  314.) 

Als  Ergänzung  zu  diesen  Versuchen  sei  noch  erwähnt,  dass  am 
30.  Mai  1906  und  am  3.  Juni  1907  je  sechs  Zweige  eines  freistehen- 
den Strauches  von  Prunus  Persica  unter  Paraffin  abgeschnitten  und 
mit  einer  sehr  kurzen,  dicken  Kappe  desselben  überzogen  wurden. 
Nur  an  einem  Zweige  des  vorjährigen  Versuches  ergab  sich,  ver- 
mutlich infolge  einer  geringen  Rissbildung  eine  schwache  Gummi- 
produktion, die  anderen  blieben,  so  lange  die  Paraffinkappe  gut 
haftete  (15  Tage)  ohne  Gummi,  während  von  den  entsprechenden, 
nicht  überzogenen  Kontrollzweigen  1906  je  5,  1907  je  4  ziemlich 
viel  Gummi  bildeten. 

Die  Versuche  nach  der  zweiten  Methode  waren  sehr 
wenig  zahlreich  (im  ganzen  nur  acht  Pfirsichzweige);  nirgends 
konnten  an  diesem  Material  Gummilücken  aufgefunden 
werden. 

Auch  die  Versuche  nach  der  Methode  o  konnten,  infolge 
ihrer  Umständlichkeit,  nicht  sehr  zahlreich  angesetzt  werden.  Ein  am 
17.  Januar  1907  begonnener  Versuch  mit  Pfirsichzweisen,  der  am 
4.  Februar  abgebrochen  wurde,  war  wenig  beweiskräftig,  weil  das 
Material  nicht  zur  Gummibildung  neigte.  Verwandt:  je  fünf  Zweige: 
an  den  Wasserstoffzweigen  nirgends  und  nur  an  einem  der  Luft- 
zweige Gummi.  —  Ganz  dasselbe  Resultat  ergab  sich  bei  einer 
Wiederholung  des  Versuches  am  29.  Januar,  wobei  nur  statt  Wasser- 
stoff Stickstoff  verwendet  wurde.  Von  den  sieben  Luftzweigen  hatte 
nur    einer    Gummi    gebildet,     während     alle    Stickstoffzweige     ohne 


314 


W.  RüHLAND: 


Art  der 

Ver- 
wundet 
am 

Unter- 
sucht 
am 

Verschlussmittel 

Mit  dem 

Verschluss 

überzogene 

Zweige 

unver- 
schlossene 
Zweige 

Versuchspflanze 

CO  r^ 
<X>     CO 

Ü5    '^ 

£•5 

c  £ 
c  s 
>  = 

^0 

1 
C3  N 

ff   - 

c   = 

Prunus  Geras  US 

3. 

2.06 

22. 

2.08 

Paraffin 

7 

0 

10 

8 

Fr.  Ptrsicn  .    . 

17. 

2  06 

1. 

3.06 

Kakaobutter 

5 

0 

0 

5 

do.         .    . 

22. 

2  05 

1 

3.06 

do. 

2 

1 

5 

0 

do.          .    . 

22. 

2.06 

6. 

3.06 

do. 

2 

0 

3 

2^) 

do.          .    . 

20 

2.06 

6. 

3  06 

lOprozentige  Gelatine 

11 

4-0 

8 

G 

do.          .    . 

26. 

2.01 

6. 

3.06 

Gemisch  von  ^s  Kakao- 
butter und  Vs  Wachs 

14 

13) 

12 

10 

do.         .    . 

3. 

12.06 

17. 

12  06 

do 

19 

1 

17 

9 

do.          .    . 

8. 

1.07 

31 

1.07 

Paraffin 

13 

0 

12 

12 

do.         .    . 

8. 

1.07 

31. 

1.07 

Kakaobutter- Wachs- 
gcniisch 

12 

0 

12 

12 

Pr.  (loinestka   . 

11. 

1.07 

21. 

1.07 

Kakaobutter 

16*) 

0 

8 

3 

Pr.  Persicn  .    . 

10. 

1.07 

22. 

1  07 

Paraffin 

9 

0 

5 

5 

do.          .    . 

23. 

1.07 

7. 

2.07 

Kakaobutter-Paraffin- 

12 

0 

12 

0 

mischung 

Pr.  iiciuin.    .    . 

11. 

1.07    31. 

1.07 

teils  Paralfin,  teils 

14 

0 

9 

3 

Kakaobutter 

Pr.  Persicn  .    . 

17 

1.07 

4. 

2,07 

Paraffin 

8 

1 

8 

6 

do.          .    . 

4 

2.07 

11. 

2.07 

Paraffin-Kakaobutter- 
gemisch (3  :  2) 

6 

1 

5 

5 

do.          .    . 

15. 

2.07 

28. 

2  07 

do. 

5 

2^^) 

7 

4 

Pr.  aciuui     .    . 

15. 

2.07 

28. 

2.07 

Paraffin 

8 

3 

8 

8 

Pr.  Parsica   .    . 

1. 

3.  07 

9. 

3.  07 

do. 

6 

0 

5 

5 

do.         .    . 

i. 

3.07 

18. 

3.07 

do. 

6«) 

0 

5 

2^) 

do.          .    . 

4. 

3  07 

14. 

3.07 

du 

6 

0 

6 

2 

do.          .    . 

5. 

3.07 

19 

3  07 

do. 

5 

0 

5 

;; 

Pr.  avium     .    . 

5. 

3.07 

19. 

3.  07 

do. 

5 

0 

5 

1 

Pr.  Mahakb     . 

7. 

3.07* 

21. 

3.07 

do. 

6 

0 

6 

3 

Pr.  daniestica   . 

7. 

3.07 

21. 

3.07 

Paraffin-Kakaobutter- 
gemisch 

5 

0 

5 

4 

do.          .    . 

7. 

3.07 

21. 

3.07 

Paraffin 

5 

0 

5 

1 

1)  Der  dritte  Zweig  zu  dünn,  schnell  vertrocknet. 

2)  Wohl  ungeeignetes  Verschlussmittel. 

3)  Verletzung  der  Verschlussschicht  äusserlich  nicht  erkennbar. 

4)  Nach  Beendigung  des  Versuches    und  Abtragen    der  Kappe    entstand    nacli- 
träglich  an  drei  Zweigen  Gummi. 

5)  An  einem  Zweige  Riss  im  Periderm,  am  andern  lag  die  Gummizone  um  eine 
tote  Knospe  herum. 

6)  Davon  drei  vertrocknet. 

7)  Ursprünglich  sechs,  einer  aber  schon  nach  zwei  Tagen  vertrocknet 

Die  anatomisch-mikroskopische  Durchsuchung  der  Zweige  nach  Gummilakunen 
geschah    ausser    durch    mich    ebenso    häufig    durch    die    Herren    ADERHOLD    und 


Zur  PM'siologie  der  Gummibildung  bei  den  Amygdaleen.  315 

RlEHM.  In  der  Tabelle  ist  ein  Versuch  mit  Pfirsichzweigen  unerwähnt  geblieben, 
bei  welchem  alle  Zweige  Gummi  gebildet  hatten;  es  stellte  sich  jedoch  heraus, 
dass  hier  der  Sauerstoff  seinen  Eintritt  in  die  mit  Paraffin  verschlossenen  Zweige 
durch  unverschlossen  gebliebene,  gestutzte  Seitenzweige  gefunden  haben  konnte. 
Dasselbe  war  möglicherweise  der  Fall  bei  zwei  im  Vorjahre  mit  Prunus  Cerasus 
durchgeführten  Versuchen,  wo  auch  mehrere  verschlossene  Zweige  Gummi  gebildet 
hatten.  Da  ich  die  Zweige  nicht  gesehen  iiabe,  sind  sie  nicht  in  der  Tabelle  auf- 
geführt worden- 


Lücken  blieben.  Dagegen  ergaben  bei  einem  am  6.  April  ein- 
o;eleiteten  Wasserstoffversuch  von  sieben  Luftzweigen  am  20.  April 
vier  Gummibildung,  während  die  siebeii  WasserstofFzweige  keine 
Lücken  bildeten.  Am  18.  April  wurde  der  letzte  Versuch  dieser  Art 
mit  einer  gleichen  Anzahl  von  Zweigen  angesetzt:  am  2.  Mai  zeigten 
sich  fünf  von  den  Luftzweigen  als  gummihaltig,  während  alle 
WasserstofFzweige  gummifrei  geblieben  waren. 

Diese  Versuche  scheinen  mir  sehr  im  Sinne  der  vorgetragenen 
Theorie  zu  sprechen  und  eine  andere  Deutung  nicht  zuzulassen, 
welche  mir  zuerst  am  nächsten  zu  liegen  schien,  wonach  den  An- 
stoss  zur  Gummibildung  lediglich  der  traumatische  Reiz  als  solcher 
sähe  und  nur  rein  chemisch  zum  Zustandekommen  der  Gummi- 
Substanz  aus  einem  unbekannten,  aber  sauerstoffarmeren  Grundstoffe 
der  Sauerstoffzutritt  durch  die  normalen  Gaswege  nötig  wäre.  Über 
mannigfache  Versuche  in  dieser  Richtung  w^erde  ich  später  be- 
richten. 

Es  steht  dieser  Punkt  mit  einer  weiteren,  interessanten  Seite 
des  Problems  in  Zusammenhang,  nämlich  der  Ausbreitung  des 
Prozesses  in  der  Longitudinalrichtung  der  Sprosse,  worüber  eben- 
falls erst  die  spätere  Mitteilung  handeln  wird.  Im  Anschluss 
an  das  Vorstehende  sei  hier  nur  noch  der  Hinweis  darauf  ver- 
stattet, dass  —  abgesehen  von  den  sonst  bei  der  weiteren  Ausbreitung 
des  Prozesses  in  Fras-e  kommenden  Faktoren  —  die  zur  Gummi- 
bildung  führenden  katalytischen  Vorgänge  hierbei  natürlich  die 
jeweilige  Sauerstoff  zufuhr  erfordern.  Hierfür  spricht  u.  a.  deutlich 
der  Umstand,  dass  der  Gummifizierungsprozess,  von  der  Wundstelle 
am  Zweige  abwärts  schreitend,  wenn  nicht,  wie  meistens  schon  nach 
einigen  Zentimetern,  so  doch  stets  Halt  macht,  sobald  das  Niveau 
des  Wassers  erreicht  ist,  in  dem  die  abgeschnittenen  Zweige  stehen. 
Die  unter  Wasser  befindliche,  vom  direkten  Sauerstoffzutritt  abge- 
schnittene Partie  der  Zweige  blieb  ausnahmslos  bei  allen  von  mir 
angestellten  Versuchen  gummifrei,  obwohl  sich  hier  niemals  Anzeichen 
irgend  welcher  Schädigungen,  selbst  nicht  nach  mehrwöchigem  Ver- 
weilen daselbst,  erkennen  Hessen. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  22 


316  Wilhelm  Wollenweber: 


46.   Wilhelm  Wollenweber:  Das  Stigma  von 

Haematococcus. 

Mit  Tafel  XI. 
Eingegangen  am  24.  Juni  1907. 


Bis  jetzt  kennen  wir  nur  zwei  sichere  Arten  der  Algeugattung- 
Haematococcus^  nämlich  Haematococcus  pluvialis  Flotow  (1)  und 
Haematococcus  BütscliUi  Blochmann  (2).  Obgleich  einige  morpho- 
logische und  physiologische  Arbeiten  über  diese  Organismen  vor- 
liegen, ist  die  wichtige  Frage,  ob  ein  Augenfleck  bei  diesen  so 
lichtempfindlichen  Organismen  vorkommt  oder  nicht,  bisher  ungelöst 
geblieben.  Die  Gattungsdiagnose  schwankt  in  diesem  Punkte  er- 
heblich. In  den  Arbeiten  von  FlOTOW,  COHN  (3),  BRAUN  (4), 
PerTY  (5)  (1844—51)  über  H.  pluvialis  ist  öfter  das  Stigma  er- 
wähnt, auoenscheinlich  aber  stets  das  mehr  oder  wenioer  zentral 
gelegene  meist  reichlich  enthaltene  Haematochrom  darunter  ver- 
standen worden  (Fig.  1).  Pa-st  BCtscHLI  (6)  (1884)  spricht  sich 
klar  dahin  aus,  dass  der  Augenfleck  fehlt. 

Eine  neue  Haematococcus- Axt  beschreibt  BLOCHMANN  (1886)  als 
H.  Bütschlii.  Da  er  bei  dieser  Art  ein  Stigma  auffand,  ändert  er 
die  BÜTSCHLl'sche  Gattunosdiagnose  um  und  sagt:  Auo-enfleck  vor- 
banden  oder  fehlt.  In  einer  grösseren  amerikanischen  Originalarbeit 
von  HAZEN  (7)  (1899)  über  Sphaerella  lacustris  (^Haematococcus  plu- 
vialis) ist  nur  eine  kurze  Bemerkung  über  den  Augenfleck  enthalten: 
„The  haematochrom  never  seems  to  have  the  character  of  the  red 
,eye  spot'  of  other  genera",  woraus  hervorgeht,  dass  auch  Hazen 
dieses  Organ  nicht  beobachten  konnte.  In  AVlLLES  algologischen 
Notizen  (8)  (1903)  verdichtet  sich  der  reiche  literarische  Stoff  zu 
einer  neuen  Gattungsdiagnose,  und  wir  finden  hier  in  Anerkennung 
der  schon  von  BLOCHMANN  gegebenen  Modifikation:  „Stigma  kann 
vorhanden  sein  oder  fehlen",  ersteres  auf  H.  Bätschlii,  letzteres  auf 
H.  pluvialis  bezüglich.  SCHMIDLE  (9)  (1903)  konnte  bei  beiden 
Arten  ein  Stigma  nicht  nachweisen.  Auf  Grund  meiner  Unter- 
suchungen glaube  ich  nunmehr  aussprechen  zu  können,  dass  alle 
Arten  in  allen  beweglichen  Entwicklungsstadien  ein  Stigma  besitzen. 

Grüne  Formen  verschafften  mir  die  erste  Sicherheit  von  dem 
Vorhandensein  des  Stigmas  bei  H.  plmialis  (Fig.  2).  Solche  Formen 
lassen  sich  mit  Sicherheit  erzielen  in  KNOP'scher  Nährlösung  0,2  pCt., 
ferner  in  einem  Reoen-  oder  Schneewassermedium   mit  einer  Unter- 


Das  Stigma  von  Haematococcus.  3]  7 

läge  von  ^'^,  — 1  pCt.  Nährsalz- Agar;  auch  bietet  deuselbeii  Erfolg 
eine  Nährsalzlösung,  der  organische  Stoffe:  Zucker,  Pepton,  Asparagin, 
beigemengt  sind;  diese  Lösung  darf  indes  nicht  frisch  angewandt 
werden,  da  die  auftretenden  Bakterien  jede  Algenentwicklung  zurück- 
drängen. Erst  nach  ein  paar  Monaten  wirkt  die  nun  geklärte  Lösung 
vorzüglich  und  bringt  grüne  Schwärmsporen  mit  zarter  Membran 
hervor,  die  man  mit  Chlamydomonas  verwechseln  könnte,  wenn  sie 
nicht  ein  anderes  Chromatophor  besässen.  Hat  man  auf  die  eine 
oder  andere  Art  grüne  Formen  erhalten,  so  zeigt  sich  das  Stigma 
dieser  Individuen  stets  gut  ausgebildet,  trotzdem  aber  wegen  seiner 
gelborangen  matten  Färbung  mit  Trockensystenien  nur  undeutlich. 
Eine  Immersionslinse  ist  hier  entschieden  vorzuziehen,  ebenso  wie 
das  künstliche  Licht,  wenn  gut  filtriert,  dem  Tageslichte.  Yon 
künstlichen  Lichtquellen  eignen  sich  Gasglühlicht  und  Nernstlicht 
vorzüglich  zur  Untersuchung  wie  zum  Zeichnen.  Um  solches  Licht 
zu  filtrieren,  bedient  man  sich  seit  langem  parallelwandiger  und 
kugeliger  Glasgefässe.  Letztere  bieten  hier  mehr  Vorteile,  da  sie 
die  Lichtintensität  erhöhen  und  selbst  bei  Anwendung  von  mehreren 
Glaskugeln  hintereinander  immer  noch  lichtstark  genug  bleiben. 
Solche  Kugeln,  die  mit  sehr  verdünnter  Kupfersulfatlösung  beschickt 
werden,  erleichtern  die  Auffindung  des  Stigmas  wesentlich  und 
liefern  ein  gutes  Konturenbild,  bei  offener  Blende  auch  ein  gutes 
Farbenbild.  Dies  zeigte  sich  bei  der  Untersuchung  von  Microgonidien 
(Gameten?)  des  H.pluvialis  (Fig.  9),  die,  aus  Aplanosporen  stammend, 
noch  viel  Haematochrom  in  roten  Tröpfchen  in  der  Zelle  zerstreut 
enthalten.  Ich  habe  mich  mit  Absicht  über  die  Beobachtungsart 
etwas  weiter  verbreitet,  um  eine  Nachkontrolle  zu  erleichtern. 

Nachdem  ich  so  Sicherheit  bekommen  hatte,  dass  bei  dem  grünen 
H.  pluvialis  ein  Augenfleck  existiere,  gelang  es  mir  auch,  denselben 
bei  roten  Formen  aufzufinden. 

Rote  Formen  erhält  man  in  destilliertem  Regen-,  Schnee-  oder 
Leitungswasser,  auch  in  0,2  pCt.  Saccharose  enthaltenden  destilliertem 
Wasser.  Die  Menge  des  Rotes  aber  schwankt,  und  es  finden  sich 
Individuen,  die  nur  noch  eine  schmale  grüne  Randzone  zeigen  (Fig.  1) 
und  solche  mit  mehr  oder  weniger  reduziertem  am  Zellkern  haften- 
den Haematochromfleck  (Fig.  ;3,  5).  Auf  Fig.  3  würde  die  Be- 
merkung COHN's  (3)  (1850)  p.  62  (668)  passen:  „Eine  Stufe  ist  von 
Interesse,  wo  das  rote  Pigment  auf  ein  einzelnes  kleines  Körnchen 
reduziert  ist,  welches  im  Innern  oder  an  einer  Wand  der  Primordial- 
zelle  hängt  und  dann  jenes  Gebilde  darstellt,  welches  von  EHREN- 
BERG  als  „rotes  Auge"  bei  Infusorien,  von  KCTZING,  FRESENIUS 
und  ThURET  bei  Algensporen  entdeckt  wurde."  Neben  diesem 
Stigma  früherer  Auffassung  findet  sich  das  wahre  Stigma  in  der 
Abbildung.     Da  die  noch  so    stark    geröteten  Zoosporen    stets  einen 

22* 


318  Wilhelm  Wollenweber: 

grünen  Rand  haben,  so  wird  man  in  der  Lage  sein,  auch  bei  ihnen 
den  Augenfleck  zu  finden;  durch  A^erschieben  des  Deckglases  dreht 
man  das  Individuum  so,  dass  das  Organ  im  Medianschnitt  in  Coin- 
cidenz  mit  der  grünen  Randzone  tritt  (Fig.  1). 

Die  Form  des  Augenfleck  von  H.  pluvialis  ist  sehr  verschieden. 
Bei  älteren  Individuen  ist  die  Keulenform  (Fig.  6a  u.  b),  bei  jüngeren 
die  eines  spitzwinkligen  sphärischen  Dreiecks  (Fig.  c,  d,  e)  vor- 
herrschend. Der  Basis  des  Dreiecks  ist  nicht  selten  noch  eine  kurze 
Zacke  aufgesetzt,  die  aber  perspektivisch  aufzufassen  ist  (Fig.  5a), 
da  der  Mediauschnitt  sie  als  keilförmigen  nach  innen  gerichteten 
Zapfen  erkennen  lässt  (Fig.  5  b  und  Fig.  6h).  Die  Seitenansicht  des 
Stigmas  zeigt  oft  die  Gestalt  einer  Sichel  (Fig.  6f)  oder  eines  spitz- 
winkligen Dreiecks  (Fig.  5b  und  Fig.  6h). 

Auch  über  den  inneren  Bau  lässt  sich  bei  oben  geschilderter 
Beobachtungsart  so  viel  sagen,  dass  ein  feinmaschiges  Netzwerk,  die 
Grundsubstanz,  die  Farbkörnchen  in  sich  schliesst,  so  wie  es  FßANZE 
(10)  1892  bei  den  Stigmata  der  Euglenen  und  Chlamydomonaden 
beschreibt. 

Das  Stigma  liegt  peripherisch  im  oberen  Teile  der  Zelle 
(Fig.  4a)'),  meist  dicht  vor  dem  Äquator^)  oder  wird  von  ihm 
halbiert,  wenn  die  Zelle  sich  teilen  will,  wobei  es  meist  mit  geteilt 
wird.  Fig.  8  zeigt  den  Ausnahmefall,  wo  der  Augenfleck  bei  der 
Teilung  ungeteilt  dem  oberen  Abschnitt  zugefallen  ist. 

Das  Stigma  liegt  konstant  in  der  Höhe  des  Zellkerns  (Fig.  3  u.  7)^), 
nur  bei  den  Microgonidien  (Gameten?),  deren  Kern  ganz  vorn  ge- 
legen ist,  sehen  wir  ihn  manchmal  tiefer  (Fig.  9a),  meist  aber 
normal  (Fig.  9  b). 

Die  Grösse  des  Organs  schwankt  bedeutend.  Es  wurden  Längen 
von  2  bis  13  /t.  Breiten  bis  1,5  /<  gemessen.  Die  Durchschnitts- 
zoospore begnügt  sich  mit  einer  solchen  von  5  ^  Länge.  Lage  und 
Farbe  erwiesen  sich  konstant  auch  bei  Änderung  des  Nährmediums, 
ob  die  Zoospore  grün,  rot  oder  doppelfarbig  ist.  Dagegen  konstatierte 
ich  eine  Verschiedenheit  in  der  Phototaxis,  die  man  immer  mehr 
als  vom  Stigma  beherrscht  betrachtet  (KÜNSTLER,  FeanZE,  OVERTON 
usw.).  Grüne  Zoosporen  suchen  im  Kulturglase  bei  normaler  Tempe- 
ratur stets  den  positiven  Lichtrand  auf,  während  rote  eine  stärkere 
Ansammlung  seitlich  bilden,  also  ein  geringeres  Lichtoptimum  be- 
sitzen dürften.     Es  ist  nicht  unwichtig,  dass  nunmehr  mit  Sicherheit 


1)  Der  Mecliansclinitt  (Fig.  4b)  würde  es  erst  bei  Drehung  um  die  Längsachse 
um  45°  im  Sinne  des  Uhrzeigers  zeigen. 

2)  Unter  Äquator  verstehe   ich   die  Umrisslinie   des  grössten  Querschnitts  der 
ein  Rotationsellipsoid  darstellenden  Zelle. 

3)  Fig.  7  nach  einer  mikrophotographischeu  Aufnahme    der   photographischen 
Lehranstalt  des  Lettevereius,  Berlin. 


Das  Stigma  von  Haematococcus.  319 

bei  diesen  topophototaktischeu  Organismen  der  Angenfleck  nach- 
gewiesen werden  konnte,  und  es  nun  nicht  mehr  nötig  ist,  die  Ur- 
sache phototaktischer  Reaktion  bei  Haematococcus  pluvialis  allein  im 
Cytoplasma  oder  gar  im  zentralen  Haematochrom  zu  suchen.  ThUEET 
behauptete  einst,  das  Stigma  könne  die  Lichtstimmung  nicht  leiten, 
da  auch  Oedogoniumschwärmer,  die  er  für  stigmenlos  hielt,  photophil 
seien.  STRASBURGER  fand  dieses  Organ  bei  Oedogonium,  stellte 
sich  indes  doch  auf  THURET's  Standpunkt,  da  auch  Chijtkridium  vorax 
auf  Licht  reagiere.  In  neuerer  Zeit  sind  mehrfach  Stigmata  auf- 
o-efunden  worden,  so  dass  es  in  Zukunft  bei  so  bestimmten  Be- 
merkungen  wie  der  PFEFFER's  (11)  p.  774:  „Übrigens  reagieren 
viele  Schwärmzellen  phototaktisch,  die  keinen  Augenfleck  besitzen", 
wünschenswert  wäre,  die  Gattungen  oder  Arten  aufzunenneu,  zumal 
nach  CHODAT  die  Verhältnisse  nicht  immer  genügend  geklärt  sind 
(1'2),  wie  aus  dem  Fragezeichen  hervorgeht,  z.  B.  bei  seiner  Äusserung 
S.  17:  II  y  a  des  zoospores  qui  sont  depourvues  de  stigma;  ce  sont 
Celles  des  Confervacees  et  des  Trentepohliacees  (?). 

So  harrt  die  Frage  nach  der  Funktion  des  Stigmas  der  Haemato- 
coccen  noch  immer  ihrer  Lösung.  Weiter  wird  zu  untersuchen  sein, 
ob  das  Haematochrom  einen  Lichtschutzapparat  darstellt.  Es  gelang 
mir,  Zoosporen  72  ^^^^^  völlig  grün  und  im  Schwärmzustande  zu 
erhalten,  trotzdem  aber  behielten  sie  die  Fähigkeit,  bei  Übergang 
zur  Ruhe  wieder  Haematochrom  zu  bilden. 

Das  Stigma  des  Haematococcus  Bütscldii  liegt  nach  BLOCHMANN's 
Artdiagnose  in  der  Höhe  des  vorderen  Pyrenoides,  nach  seineu  Ab- 
bildungen sogar  ein  Stück  höher.  Es  ist  2  /t  lang  und  soll  halb- 
mondförmig sein.  Ich  habe  diese  Art  vom  Originalstandort  bisher 
nicht  erhalten  können,  dagegen  besitze  ich  eine  mit  H.  Biitschln 
nahe  verwandte  Haematococcus  -  Art.  Dieselbe  fand  sich  bei 
DröBAK  auf  einer  Insel  im  Kristiania  -  Fjord.  Sie  hat  mit 
H.  BütschUi  die  zwei  Pyrenoide  von  konstanter  Stellung  gemein, 
auch  die  feinen  Plasmaausstrahlungen  in  die  Membran,  die  indes 
für  gewöhnlich  nicht  ringsum  vom  Cytoplasma  ausstrahlen, 
sondern  sich  mehr  auf  den  hinteren  Teil  der  Zelle  beschränken 
(Fig.  10  u.  13).^) 

Das  Stigma  liegt  indes  ein  Stück  unter  dem  oberen  Pyrenoid 
(Fig.  10  u.  11),  also  etwas  vor  dem  Äquator  der  Zelle.  Die  Länge 
ist  etwa  2  /<,  die  Breite  bis  1  /<,  bei  Gameten  ist  die  grösste  Länge 
1  f.1.  Die  Form  des  peripherisch  gelegenen  Augenflecks  variiert  auch 
hier  etwas,  lässt  sich  indes  immer  auf  die  bei  H.  pluvialis  be- 
schriebene   zurückführen    (Fig.  11,  12  u.  15  b).      Durchschneidet    der 


1)  Fig.  13  nach  einer  mikrophotographischen  Aufnahme  wie  Fig.  7. 


320  Wilhelm  Wollenweber: 

Medianschnitt  das  Stigma  der  Länge  nach,  so  zeigt  die  sichelförmige 
Schnittfigiir  manchmal  zwei  Zapfen,  die  keilförmig  nach  innen  gehen 
(Fig.  10  u.  15  a,  c,  d).  Etwas  wie  einen  hyalinen  Linsenkörper, 
welchen  STRASBUEGER  bei  Cladophora  gesehen,  habe  ich  bei  beiden 
Arten  nicht  unterscheiden  können.  Was  mir  aber  auffiel,  war  die 
gegenseitige  Lage  von  Stigma  und  Nucleus.  Bei  allen  mir  bekannten 
stigmenführenden  Zoosporen  fand  ich  beide  Organe  in  einer  Höhe, 
so  dass  man  eine  gegenseitige  Beziehung  mutmassen  könnte. 

Die  Lage  des  Augenflecks  ist  konstant  während  der  AA^achs- 
tumsperiode  der  Schwärmzelle,  vor  der  vegetativen  Teilung  dagegen 
rückt  dieses  Organ  bei  H.  ßvtschln  und  der  von  mir  untersuchten 
neuen  Art  ganz  ans  Torderende  (Fig.  12),  während  es  bei  H.  lüuvialis 
seineu  Platz  beibehält. 

Ich  nenne  den  neuen  Organismus  bis  auf  weiteres  Haematococcus 
droehakensis  u.  sp. 

Pflanzenphysiologisches  Institut  der  Universität  Berlin. 


LiteraturTerzeichnis. 


1.  J.  VON  Flotow,    Über  Haematococcus  pluvialis.     (Nova  Acta  Acad.  Leopold. 

-      Card.  Vol.  XX,  P.  2.    Halle  1844.) 

2.  F.  BloCHMANN,  Über  eine  neue  Haematococcus -Art.     (Verhandl.  d.  naturhist. 

medic.  Ver.    B.  III.     Heidelberg  1886.) 

3.  F.  COHN,   Nachträge    zur    Naturgeschichte    des    Protococcus  pluvialis  Kützing. 

(Nova  Acta  Acad.  Leopold.  Carol.    Vol.  XXII.   P.  2.    Wratisl.  1850 ) 

4.  A.  Braun,  Betrachtungen  über  die  Erscheinung  der  Verjüngung  in  der  Natur. 

Leipzig  1851. 

5.  M.  Perty,  Zur  Kenntnis  kleinster  Lebensformen.    Bern  1852. 

6.  0.  BÜTSCHLI,  Protozoa,  IL  Abt.  Mastigophoren,     (1883—87.) 

7.  TR.    Ell.  Hazen,    The    Life    History    of   Sphaerella  lacustris    (Haematococcus 

pluvialis).    (Memoirs    of  Torrey    Bot.    Club.    Vol.  VI.    No.  3.    New  York 
1899.) 

8.  N.  Wille,  Algologische  Notizen.    (Nyt  Magazin  f.  Naturvidenskab.  B.  41,  H,  1. 

Kristiania  1903.) 

9.  W.  SCHMIDLE,   Bemerkungen    zu    einigen   Süsswasseralgen.     (Ber.  d.  deutsch. 

bot.  Gesellsch.  21.     1903.) 

10.  R.  Franze,  Zur  Morphologie  und  Systematik  der  Stigmata  der  Mastigophoren. 

(Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  56.     1893.) 

11.  W.  Pfeffer,  Pflanzenphysiologie  1904.     2.  Bd. 

12.  R.  Chodat,  Algues  vertes  de  la  Suisse.    Berne  1902. 


Das  Stigma  von  Haematococcus.  3'21 

Erkläiung^  der  Abbilduugeu  der  Tafel  Nr.  XI. 


Vergr.  1000  mit  Ausnahme  von  Fig.  6,  wo  Vergr.  2000  gewählt  ist.  Zeichen- 
apparat nach  Abbe,  homogeue  Immersion  Vie»  Ocular  3  (Leitz)  benutzt.  Zellen 
getötet  mit  Os04-üän)pfeu  (1  pCt). 

Abkürzungen. 

st:  Stigma,  h:  Haematocbrom,  N:  Nucleus,  n:  Nucleolus,  p:  P^renoid,  sf:  Schnitt- 
linie. 

Fig.  1 — 9.     Haematococcus  pluvialis. 

1.  Zoosporen  (Z.)  aus  Schneewasser  mit  seitlichem  Stigma   und   reichlichem 
Haematocbrom. 

2.  Z.  aus  einem  Schneewassermedium  mit  V2  pCt..  Nährsalz-Agar  Unterlage. 

3.  Z.  aus  Knop  0,2  pCt.  mit  reduziertem  Haematocbrom  und  wohlentwickeltem 
Stigma. 

4.  Z.    aus    Kultur   Avie  3    mit    Stigma    und    Netzchromatophor.     a)   Teil  der 
Oberfläche  mit  Stigma,  b)  Medianschuitt. 

5.  Zwei  verschiedene  Querlagen    einer  Z.,   mit  Stigma   a)  von  oben,   b)  von 
der  Seite  gesehen. 

6.  Stigmata,  verschiedene  Formen. 

7.  Eben  entschlüpfte  Z.  mit  Stigma  fast  in  der  Mitte  und  Zellkern  darunter 
(naeh  Mikrophotographie). 

8.  Stigma  bei  Zweiteilung  ungeteilt. 

9au.  b.  Microgonidien  (Gameten?),  aus  Aplanosporen  entstanden,  mit  Stigma. 
Fig.  10 — 15,     Haematococcus  droebakensis  n.  sp 

10.  Z.  im  Medianschnitt  mit  Zapfen-Stigma. 

11.  Z.  angeschnitten,  Stigma  von  oben  gesehen,  Zellkern  in  der  Mitte,  Pjrenoide 
der  oberen  Hülle  entblösst. 

12.  Stigma  vor  der  Teilung  nach  vorn  gewandert. 

13.  Junge  eben  entschlüpfte  Z.    mit    cytoplasmatischen  Ausstrahlungen  in  die 
Membran,  vorwiegend  am  Hinterende  (nach  Mikrophotographie). 

14.  Gameten  mit  winzigem  Stigma. 

15.  Stigmata,     a,  c,  d)  Seitenansicht  mit  Zapfen,  b)  Obertlächenansicht. 

Fig.  16.    Halbmondförmiges    Stigma    von    Haematococcus   Bütschlii   (nach    Bloch- 
MANX). 


322  W.  ßENECKE: 


47.  W.  Benecke:  Über  die  Giftwirkung  verschiedener  Salze 
auf  Spirogyra,  und  ihre  Entgiftung  durch  Caiciumsaize. 

Eingegangen  am  26.  Juni  1907. 


In  einem  Aufsatz:  „Über  die  Yeränderung  des  Zellkerns  durch 
kalkfällende  Mittel"  behandelt  0.  LOEW  (11)  die  Giftwirkung  der 
Magnesiumsalze  auf  Pflanzen  und  ihre  Entgiftung  durch  Caicium- 
saize, und  greift  dabei  die  Darstellung,  welche  F.  CZAPEK  in  seiner 
„Biochemie"  (Bd.  2,  S.  850)  von  dieser  Frage  gibt,  scharf  an. 
Czapek  hatte  ausgeführt,  dass  die  entgiftende  Wirkung  der  Caicium- 
saize sich  nicht  bloss,  wie  LOEW  meint,  gegenüber  den  Magnesium- 
salzen, sondern  auch  gegenüber  anderen  Salzen  und  Salzgemischen 
geltend  mache;  LOEW  wirft  nun  CZAPEK  vor,  dass  er  dadurch  „die 
ffanze  Fraoe  wieder  verdunkle  und  von  einem  einseitigen  Partei- 
Standpunkt  aus  behandele."  Da  sich  nun  diese  von  LOEW  be- 
anstandete Darstellung,  wie  ein  Einblick  in  die  „Biochemie"  zeigt, 
im  wesentlichen  auf  Versuche  und  Folgerungen  stützt,  die  von  mir  (1,  3) 
herrühren,  will  ich  im  Folgendem  nachweisen,  dass  die  LOEW'schen 
Angriffe  der  Berechtigung  entbehren,  und  einige  neue  Beobachtungen 
über    die    Giftwirkuno-    von  Neutralsalzen    auf    die    Alo-enzelle    ver- 


•O       ■  ""     ^- """ "^"      — ^       ^'"O^ 


öffentlichen.    Zur  Orientierung  diene  folgender  historische  Rückblick 
auf  die  Entwicklung  der  Streitfrage: 

Im  Anschluss  an  Angaben  früherer  Forscher,  welche  mit  höheren 
Pflanzen  —  landwirtschaftlichen  Kulturgewächsen  —  experimentiert 
hatten,  teilte  LOEW  (1)  mit,  dass  Spirogyren,  die  in  dest.  Wasser, 
sowie  Kalium-  und  Natriumsalzlösnngen  lange  Zeit  am  Leben  bleiben, 
in  Magnesiunisalzlösungen  bald  absterben,  und  dass  die  giftige  Wirkung 
des  Magnesiums  durch  Anwesenheit  von  Calciumsalzen  aufgehoben 
werden  kann.  Da  LOEW  eine  gleiche  Giftwirkung  auch  bei  Über- 
führung der  Algen  in  Oxalatlösungen,  nach  neueren  Angaben  (8) 
auch  in  Lösungen  von  NaFl  und  K^COg,  d.  h.  Mitteln,  die  seiner 
Ansicht  nach  durch  Calciumentzug  wirken,  eintreten  sah,  glaubte  er, 
dass  auch  die  GHftwirkung  des  Mg  auf  einem  Entzug  von  Ca  aus 
wichtigen    Zellorganen  ^)    und    Ersatz    desselben     durch    Mg    beruhe, 


1)  1902  schloss  J.  LOEB  aus  Versuchen  mit  tierischen  Objekten  gleichfalls, 
dass  Caiciumsaize  als  Gegengabe  gegen  Ca-fällende  Mittel  zu  betrachten  seien. 
(Vgl.  HOEBER,  S.  291.) 


über  die  Giftwirkung  verschiedener  Salze  auf  Spirogyra.  323 

welcher  Austausch  nur  durch  Anwesenheit  von  Ca-Salzen  verhindert 
werden  könne.  Kalium  und  Natrium,  die  sich  als  stärkere  Basen 
nicht  so  leicht  von  ihren  Säuren  trennen  sollen,  wie  das  Mg,  können 
'nach  LOEW  das  Ca  nicht  verdrängen,  darum  auch  keine  durch 
Ca-Zusatz  zu  verhindernde  Giftwirkung  ausüben.  Soweit  lassen  sich, 
die  Richtigkeit  der  Versuche  vorausgesetzt,  die  LOEW'schen  Aus- 
führungen hören,  w^enn  man  sie  auffasst  als  heuristisclie  Hypothesen, 
die  Anregung  geben  sollen  zur  genaueren  experimentellen  Bearbeitung 


o 


dieser  Fragen.  Wenn  aber  LOEW  aus  seinen  Beobachtungen  weiter 
folgert,  dass  die  Grundsubstauz  des  Zellkerns  höherer  Pflanzen  aus 
einer  Calciumverbindung  des  „Nukleins"  oder  „Chromatins'^,  die  der 
Chloroplasten  aus  einer  ebensolchen  des  „Plastins"  bestehe,  und  dass 
aus  diesen  Verbindungen  Magnesium  das  Calcium  verdränge  und  so 
Desorganisation  bewirke,  so  kann  darüber  nicht  weiter  mit  ihm  ge- 
stritten werden,  da  die  fraglichen  Calciumverbindungen  chemisch 
vollkommen  Undefiniert  sind,  ihre  Realität  somit  weder  bewiesen 
noch  widerlegt  werden  kann.  Schon  aus  diesem  Grunde  können  die 
Arbeiten  BOEH^rs  RAUMER's  u.  A.,  die  eine  Wechselwirkung  zwischen 
Calciumsalzen  einerseits,  andern  Nährsalzen,  zumal  Magnesiumsalzen 
andererseits  erweisen,  nicht,  wie  LOEW  will,  als  Stützen  seiner 
Theorie  dienen,  jene  Wechselwirkung  ist  vielmehr  noch  unerklärt. 
Natürlich  kann  auch  der  von  LOEW  (4.  6.  7.  9.  10.)  eingeführte 
Begriff  des  ,, Kalkfaktors"  (CaO  :  MgO),  selbst  wenn  seine  Bedeutung 
für  bestimmte  Fälle  nachgewiesen  werden  sollte,  nichts  über  die 
chemische  Natur  der  Grundsubstanz  von  Kern  und  Chloroplast  aus- 
sagen. Endlich  lassen  auch  PORTHEDl's  und  SAMEC's  Befunde, 
dass  in  Ca -frei  gezüchteten  Pflanzen  sich  ein  Überschuss  des  Mg 
über  das  Ca  im  Vergleich  mit  normal  ernährten  Pflanzen  einstellt, 
die  LOEW'sche  Theorie  nicht,  wie  diese  Forscher  sagen,  „an  W^ahr- 
scheinlichkeit  gewinnen",  denn  die  Autoren  betonen  mit  Recht  selbst, 
dass  man  über  die  Wirkung  des  im  Überschuss  aufgenommenen  Mg 
nichts  wisse,  und  dass  ferner  das  Verhältnis  der  anderen  Aschen- 
bestandteile zum  Ca  gleichfalls  grösser  werde,  als  in  vollkommen  er- 
nährten Pflanzen. 

War  somit  eine  auf  experimenteller  Basis  ruhende  Stellung- 
nahme zur  LOEW'schen  Theorie  vom  chemischen  Aufbau  jener  Organe 
von  vornherein  unmöglich,  so  forderten  doch  seine  Beobachtungen 
über  die  Giftigkeit  des  Mg  und  dessen  Entgiftung  durch  Ca  zu  einer 
Nachprüfung  auf.  Da  war  es  mir  (1,  3)  nun  aufgefallen,  dass 
Spirogyren  und  andere  Algen  in  Ca- freien  Salzlösungen,  die  kein 
Mg,  vielmehr  nur  Kaliumnitrat  und  Dikaliuraphosphat  enthielten, 
„ebenso  schnell  und  unter  denselben  Symptomen"  abstarben,  als  in 
Lösungen,  die  ausserdem  noch  Mg  enthielten;  hiernach  konnte  meines 


324:  W.  Benecke  : 

Erachtens  der  Tod  bei  Ca-Entzug  nicht  durch  eine  Wirkung  des 
Mg  allein  erklärt  werden,  vielmehr  musste  eine  gleichartige  Gift- 
wirkung auch  anderen  Salzen  z.  B.  K-Salzen  zugesprochen  werden. 
LOEW  (5)  antwortete  auf  diese  Schlussfolgerungen  mit  verschiedenen 
Einwänden,  ich  meinerseits  (4)  legte  meine  Auffassung  nochmals  in 
einem  Sammelreferat  dar.  LOEW  (8)  hinwiederum  hielt  seine 
Meinung  in  einem  Aufsatz  aufrecht,  den  er  mit  dem  Versprechen 
schloss,  auf  weitere  ,, Angriffe"  bloss  dann  antworten  zu  wollen,  wenn 
dieselben  „wirklich  neue  Beobachtungen  oder  neue  Ideen  brächten." 
Endlich  legt  er  (11)  sich  in  der  eingangs  genannten  Polemik  gegen 
Czapek  nochmals  mit  wünschenswerter  Deutlichkeit  auf  seine  An- 
schauung fest:  bei  Calciummangel  und  Gegenwart  verschiedener 
Kaliumsalze  soll  ,,ein  langsames  Absterben  infolge  mangelhafter  Er- 
nährung, also  quasi  ein  Tod  durch  Yerhungern  eintreten,  welcher 
nur  durch  Calcium-  aber  nicht  durch  Magnesiumsalze  aufgeschoben 
werden  kann."  Die  Giftwirkung  des  Magnesiums  bei  Ausschluss  von 
Ca  sei  hingegen  ,,eine  wahre  Giftwirkung,  die  gar  nicht  zu  ver- 
wechseln ist  mit  dem  eben  erwähnten  Tod  aus  Ernährungs- 
man  gel." 

In  meinen  zur  Entscheidung  der  Frage  neuerdings  angestellten 
Versuchen  verwendete  ich  Spirogyra  arcta  Ktzg.  (nach  KiRCHNER's 
Algenflora),  die  ich  in  einem  Wiesengraben  bei  Kiel  sammelte;  die 
„Konjugationsstimmung"  war  zurzeit  der  Versuche  so  stark,  dass  sie 
auch  bei  Zucht  in  vollständigen  Nährlösungen  nicht  unterdrückt 
werden  konnte,  doch  wuchsen  stets  eine  genügende  Zahl  von  Fäden 
vegetativ  und  dienten  als  Versuchsobjekte.  Vor  Beginn  der  Ver- 
suche wurden  die  Fäden  entweder  längere  Zeit  in  dest.  Wasser,  in 
dem  sie  sich  recht  lange  wohl  befanden,  gezüchtet,  oder  im  Wasser 
ihres  natürlichen  Standortes  oder  endlich  in  künstlichen  Nährsalz- 
lösungen. In  allen  Fällen  wurden  sie  unmittelbar  vor  Beginn  des 
Versuchs  nochmals  in  reinstem  dest.  Wasser  abgewaschen.  Meist 
gelangten  etwa  zehn  Fäden  in  kleine,  mit  den  Salzlösungen  gefüllte 
Kölbchen;  einige  Versuche  wurden  auch  so  durchgeführt,  dass  ein 
Faden  in  mehrere  Stücke  zerschnitten  wurde  und  dann  die  einzelnen 
Stücke  auf  die  Kölbchen  verteilt  wurden.  Das  hatte  den  Vorteil, 
dass  in  derselben  Versuchsreihe  nur  von  einer  Mutterzelle  ab- 
stammende Zellen  zum  Vergleich  gelangten.  Da  aber  selbst 
Zellen  eines  und  desselben  Fadens  sich  häufig  von  sehr  ver- 
schiedener Resistenz  erwiesen,  wurde  doch  meistens  die  erst- 
genannte Versuchsanordnung  gewählt,  die  eine  grössere  Zahl  von 
Zellen  zu  vergleichen  erlaubte  und  so  zu  besseren  Durchschnitts- 
werten führte: 

Ich  stellte  zunächst  die  folgenden  fünf  Lösungen  her: 


über  die  Giftwirkung  verschiedener  Salze  auf  Spirogyra. 


325 


1 

2 

3 

4 

5 

KN03 

KNO3 

KNO3 

KNO3 

KNO3 

K2HP04 

K2HPO4 

K2HPO4 

K2HPO, 

K2HPO, 

MgSO^  +  aq 

MgS04+aci 

MgSO,  +  aq 

K2SO4 

Na,,  SO, 

CaClj 

KCl 

NaCl 

KCl 

NaCl 

Die  Konzentration  jedes  Salzes  betrug  0,1  pCt;  wie  ersichtlich 
war  die  Lösung  1  eine  ,, vollständige"  Nährlösung  (abgesehen  davon, 
dass  Fe  fehlte),  in  Lösung  2  und  3  fehlte  von  notwendigen  Grund- 
stoffen Ca,  indem  das  CaClo  der  Lösung  1  durch  KCl  bzw.  NaCl 
ersetzt  war;  in  Lösung  4  und  5  fehlte  ausserdem  das  Mg,  hier  war 
MgSO^  der  Lösung  1  durch  KoSO^  bzw.  NaoSO^  ersetzt,  das  CaCl., 
durch  KCl  bzw.  NaCl. 

Nach  LOEW  hätten  nur  in  Lösung  2  und  3  die  Algen  jene  Ver- 
giftungssymptome zeigen  dürfen,  in  4  und  5  hätte  ein  langsamer 
Hungertod  eintreten  müssen.  Tatsächlich  zeigte  sich  aber  folgendes: 
Nach  14  Stunden  war  nur  1  gut  weiter  gewachsen,  in  2  bis  5  waren 
die  Fäden  in  die  einzelnen  Zellen  zerfallen,  wie  das  bei  Ca-Mansel 
nicht  selten  zu  beobachten  ist  (vgl.  BenECKE  2).  Von  diesem  Zeit- 
punkt an  starben  die  Zellen  in  2  bis  5  allmählich  ab,  ohne  dass  irgend 
ein  Unterschied  zwischen  diesen  Kulturen  sich  gezeigt  hätte;  nach 
48  Stunden  waren  nur  noch  etwa  3  bis  4  pCt.  aller  Zellen  lebend- 
In  Parallelkulturen  zu  2  bis  5,  die  etwas  CaClo  erhalten  hatten, 
sowie  in  1  war  kaum  eine  Zelle  abgestorben. 

Somit  komme  ich  wieder  zu  demselben  Ero-ebnis  wie  früher. 
In  Kalisalzlösungen  tritt  der  Tod  infolge  Ca-Entzugs  ebenso  schnell 
ein,  wenn  Mg  fehlt  als  bei  Gegenwart  des  Mg.  Das  Ergebnis  ist 
dasselbe,  sei  es  nun,  dass  man  die  Alge  vor  dem  Versuch  in  dest. 
AVasser  oder  in  Wasser  des  Standortes,  oder  in  rollständigen  Nähr- 
salzlösungen züchtet,  nur  werden  sie  im  letzten  Falle  widerstands- 
fähiger, so  dass  der  Tod  in  Lösung  2  bis  5  erst  später  eintritt. 
Bemerkenswert  ist,  dass  eine  derartige  Kräftigung  nicht  erzielt  wird, 
wenn  man  die  Alge  vorher  in  reinen  Calciumsalzlösungen  kultiviert; 
vielleicht  werden  bei  alleiniger  Zufuhr  von  Ca-salzen  diese  nicht 
ins  Zellinnere  aufgenommen.  Ich  erinnere  daran,  dass  es  LiEBENBERGr 
vor  Jahren  gelang,  Bohnen  durch  Kultur  in  Ca-haltigem  Wasser 
gegen  nachherigen  Ca-Mangel  widerstandsfähiger  zu  machen.  An 
diesem  Ergebnis  hatte  zweifellos  die  bei  Spirogyra  wegfallende 
Transpiration  ihren  Anteil. 

Ein  weiterer  Versuch,  den  ich  anstellte,  wich  von  dem  oben  be- 
schriebenen nur  dadurch  ab,    dass    sämtliche  Salze   in    einer  fünfmal 


326 


W.  Benecke  : 


geringeren  (d.  h.  0,02prozentigeu)  Konzentration  verwendet  wurden. 
Es  erübrigt  sich,  ihn  eingehender  zu  beschreiben,  weil  er  zu  dem- 
selben Ergebnis  führte. 

Gegen  meine  früheren  gleichartigen  Versuche  hatte  nun  LOEW, 
um  seine  Theorie  zu  retten,  den  Einwand  erhoben,  dass  offenbar 
meine  Algen  viel  Mg  und  wenig  Ca  gespeichert  gehabt  hätten,  dies 
ira  Zellinnern  gespeicherte  Mg  hätte  die  von  mir  in  K-salzlösungen 
beobachtete  Schädigung  zur  Folge  gehabt.  Das  kann  aber,  wie  ich 
früher  (4)  schon  sagte  nicht  der  Grund  des  Ausfalls  meiner  Versuche 
gewesen  sein,  denn  es  wäre  dann  schlechterdings  nicht  einzusehen, 
warum  nicht  auch  bei  Kultur  in  dest.  ^yasser  sich  dieser  im  Zell- 
innern vermutete  Überschuss  des  Mg  über  das  Ca  schädlich  be- 
merkbar gemacht  haben  sollte.  Gleichwohl  prüfte  ich  den  Einwurf 
LOEW's  experimentell,  indem  ich  meine  Algen  vor  dem  Versuch 
längere  Zeit  in  einer  Mg-freien,  sonst  vollständigen  Nährlösung 
züchtete,  in  welcher  sie  längere  Zeit  aushalten.  Brachte  ich  sie 
hiernach  in  die  Lösungen  1  bis  5,  so  starben  sie  wiederum  in  2  bis  5 
gleich  schnell  ab,  und  zwar  etwas  schneller,  als  wenn  sie  vorher  in 
dest.  Wasser  gehalten  worden  waren. 

Also  ergab  auch  dieser  Versuch  keinen  Anhalt  für  die  Richtig- 
keit der  LOEW'schen  Deutung. 

Ich  wende  mich  nun  dazu,  einiges  über  die  Giftwirkung  einzelner 
Salze  mitzuteilen.  Zunächst  prüfte  ich  einen  von  LOEW  (11)  be- 
schriebenen Versuch  nach,  in  welchem  eine  Yoprozentige  MgSO^- 
Lösung  innerhalb  24  Stunden  Spirogyra  abgetötet,  w^ährend  eine 
gleich  starke  KNOg-  und  KoHPO^-Lösung  nicht  geschadet  hatte.  Die 
Nachprüfung  meinerseits  ergab,  dass  alle  drei  Lösungen  die  Algen 
innerhalb  12  Stunden  abgetötet  hatten,  ein  geringer  Gipszusatz  hob 
die  Giftwirkung  aller  drei  Lösungen  auf.  Woran  das  abweichende 
Ergebnis  LOEW's  liegt,  daran,  dass  er  bei  sehr  niederer  Temperatur 
(8°)  arbeitete,  oder  eine  andere  Art  verwendete,  vermag  ich  nicht  zu 


sagen. 


Ein    weiterer    Versuch,    bei    welchem     die    Algen    in    folgende 


Lösungen  eingebracht  wurden: 


KNOs: 

K2HPO,: 

MgS04  +  aq: 

CaCl^: 

0,1  pCt. 

0,1  pCt. 

0,01  pCt. 

0,1  pCt. 

iCaNjäOo: 

iCaaP^O,: 

rtCaSO^  +  aq: 

iCaCIa: 

0,05  pCt. 

0,05  pCfc. 

0,05  pCt. 

0,05  pCt. 

lässt  die*  Wirkung  derselben  Lösungen  bei  stärkerer  Verdünnung  er- 
kennen: Nach  36  Stunden,  und  ebenso  nach  mehreren  Tagen  waren 
die  Algen    in  allen  Ca-haltigen  Lösungen  gesund,  in  allen  Ca-freien 


über  die  Giftwirkung  verschiedener  Salze  auf  Spirogyra. 


327 


im  Gegensatz  dazu  bis  auf  wenige  Zellen  abgestorben.  Am  frühesten 
trat  die  Schädigung  ein  in  der  MgSO^-Lösung,  dann  in  der  K^HPO^-, 
endlich  auch  in  der  KXOg-Lösung.  In  der  erstgenannten  war  der 
Zellinhalt  stärker  verquollen,  als  in  den  anderen  Ca-freien  Lösungen. 
Diese  zwei  Versuche  zeigen  also  im  Gegensatz  zu  LOEW's  Aus- 
führungen, dass  sowohl  in  der  MgSO^-  als  in  der  KXO3-  und 
KoHPO^-Lösung  Spirogyra  schnell  abstirbt,  falls  kein  Ca  zugegen 
ist;  bei  Verwendung  von  etwa  Y^iPi'ozentigen  Lösungen  erweisen  sich 
die  drei  Salze  als  annähernd  gleich  schädlich,  bei  Verwendung 
schwächerer,  etwa  */,oprozentiger  Lösungen  sind  die  MgSO^-  etwas 
giftiger  als  die  KoHPO^-,  diese  entschieden  giftiger  als  die  KXO3- 
Lösungen. 

Die  bislang  beschriebeneu  Versuche  sind  nur  als  vorläufige 
Orientierungsversuche  anzusehen,  da  ein  exakter  Vergleich  der 
Wirkung  verschiedener  Salze  natürlich  nur  bei  Verwendung  isos- 
motischer,  nicht  aber  gewichtsprozentisch  gleicher  Lösungen  möglich 
ist;  ausserdem  muss  auch  noch  die  Wirkung  des  Anions  in  Betracht 
gezogen  werden.  Die  folgenden  Versuche,  die  gleichzeitig  Xatrium- 
und  Eisensalze  in  die  Untersuchung  mit  einbeziehen,  entsprechen 
dieser  Forderung. 

Von  den  drei  isosmotischen  Lösungen: 

KoSO^:  0,64  pCt.,  Na,SO,:  0,52  pCt.,  MgSO,  4-a(j:  1,82  pCt. 

tötete  die  KgSO^-  und  die  MgSO^-Lösung  die  Zellen  schon  innerhalb 
24  Stunden  ab,  in  dieser  war  der  Zellinhalt  stärker  verquollen  als 
in  jener. 

Auch  in  der  Na. SO^ -Lösung  waren  die  meisten  Zellen  tot, 
immerhin  ein  kleiner  Teil  noch  lebend.  Gipszusatz  hob  auch  hier 
wieder  die  schädliche  Wirkung  der  drei  Lösuns-en  auf.  Dieser 
Versuch  bestätigt  die  früheren  Angaben,  zeigt  ferner,  dass  Na  etwas 
weniger  giftig  ist  als  K. 

Der  nun  folgende  Versuch  ermöglicht  einen  Vergleich  der 
Wirkung  derselben  drei  Salzlösungen  bei  vier  verschiedenen  Kon- 
zentrationen : 


K.,SO^ 

Ka^SO, 

MgSO,  +  aq 

pCt. 

pCt. 

pCt. 

1 

2,6 

2,1 

7,2 

2 

0,52 

0,42 

1,45 

3 

0,10 

0,08 

0.3 

4 

0,02 

0,016 

0,06 

328  W.  Benecke : 

Die  stärksten  Lösungen  der  drei  Salze  (1)  hatten  alsbald 
Plasmolyse  bewirkt,  und  schon  nach  drei  Stunden  war  Schädigung 
und  Tod  einzelner  Zellen  zu  beobachten.  Nach  24  Stunden  waren 
die  Zellen  in  allen  MgSO^-Lösungen  tot,  nur  in  MgSO^  1  waren 
ganz  vereinzelte  plasmolysierte  Zellen  noch  am  Leben;  offenbar 
hatten  diese  aus  unbekannten  Gründen  sich  des  Eintritts  des  Mg-SO^ 
ins  Innere  erwehren,  und  so  ihr  Leben  retten  können.  Die  stärkste 
KoSO^-Lösung  zeigte  ausschliesslich,  die  zweitstärkste  grösstenteils 
tote  Zellen,  in  der  dritt-  und  viertstärksten  waren  die  Zellen  weniger 
geschädigt,  zum  grossen  Teil  noch  normal.  Die  stärkste  NaoSO^- 
Lösung  hatte  ebenfalls  alle  Zellen  getötet,  die  anderen  aber  die 
Zellen  weniger  geschädigt,  als  die  entsprechenden  KoSO^ -Lösungen. 
Die  stärkere  Giftigkeit  des  Mg  im  Vergleich  zum  K  tritt  also 
wiederum  besonders  in  den  schwächeren  Konzentrationen  deutlich 
hervor,  auch  die  geringere  Schädlichkeit  des  Xa  im  Vergleich  zum 
K  ist  bei  Verwendung  nicht  zu  starker  Lösungen  deutlicher  erkennbar. 
Parallelkulturen  mit  CaSO^-Zusatz  zeigten  gesunde  Zellen,  nur  in  der 
stärksten  MgSO^-Lösung  trat  der  günstige  Einfluss  des  Ca-Zusatzes 
nicht  sehr  deutlich  zu  Tage;  bei  der  starken  Konzentration  der 
MgSO^-Lösung  hatte  also  das  Ca  das  Mg  nur  zum  Teil  zu  entgiften 
vermocht.  In  der  stärksten  KoSO^-  und  NaoSO^ -Lösung  mit  Gips- 
zusatz waren  aber  alle  Zellen  gesund  und  ihre  Plasmolyse  zurück- 
gegangen. ') 

Im  Anschlüss  an  diesen  Versuch  war  nun  zu  fragen,  ob  Calcium- 
salze  auch  dann  unschädlich  sind,  wenn  sie  allein  und  in  Plasmolyse 
bewirkender  Konzentration  auf  die  Zellen  einwirken.  Es  zeigte  sich, 
dass  in  den  drei  Lösungen: 

CaCl:  1,6  pCt.,   CaN.Oß  f  4H,0:  3,4  pCt.,    CaSO,  +  2HoO:  0,25  pCt., 

deren  erste  und  zweite  mit  den  stärksten  Lösungen  des  vorher- 
gehenden Versuchs  isosmotisch  sind,  die  Zellen  mehrere  Tage  lang 
lebendig  blieben;  die  in  der  CaCL  und  CaNoOg-Lösung  eingetretene 
Plasmolyse  blieb  bestehen.    Wenn  hierdurch  festgestellt  ist,  dass  Ca- 


1)  Dieser  Eückganp^  der  Plasmolyse  beruht  wahrscheinlich  auf  dem  Eiu- 
driugfen  des  Na^-  bzw.  K2SO4  iu  die  Zellen.  Wie  das  Ca  dabei  wirkt,  ist  voll- 
kommen unbekannt,  vielleicht  lässt  sich  aber  die  Beobachtung  in  Zusammenhang 
bringen  mit  der  von  Klebs  beobachteten  Ersclieinung,  dass  Zucker  nur  bei 
Gegenwart  bestimmter  Stoffe  (Eisenweinstein,  KNOP'sche  Lösung)  in  die  Konjugaten- 
zelle  unter  Rückgang  der  Plasmolyse  eindringen  kann.  —  Es  wäre  auch  zu  unter- 
suchen, ob  der  von  JANSE  in  seinen  Studien  über  Meeresalgen  beobachtete  Plas- 
inolyseausgleich  dadurch  mit  bedingt  wurde,  dass  zur  Plasmolyse  Lösungen  der 
Salze  iu  „Ca-haltigem  Dünenwasser"'  verwendet  wurden.  Jedenfalls  zeigt  der  Ausfall 
unserer  Versuche  soviel,  dass  die  günstige  "Wirkung  des  Ca  nicht  einfach  darin 
besteht,  dass  es  auf  irgend  eine  Weise  das  Eindringen  der  schädlichen  Salze  ins 
Zellinnere  verhindert. 


über  die  Giftwirkung  verschiedener  Salze  auf  Spirogyra.  329 

Salze  während  mehrerer  Tage,  in  welcher  Zeit  K-,  Na-  und  Mg- 
Salze  erheblich  schädigen  oder  abtöten,  keinerlei  ungünstio-e  Wirkun": 
^usüben;  so  wäre  doch  durch  weitere  Versuche,  die  sich  über  noch 
längere  Zeiträume  erstrecken,  erst  zu  ermttteln,  ob  sie  ebenso  un- 
schädlich sind,  wie  nach  den  Versuchen  von  KLEBS  Rohrzucker  oder 
andere  Nonelektrolyte,  und  es  müsste  ferner  durch  solche  Versuche 
entschieden  werden,  ob  Zucht  in  schwachen  Ca-salzlösungen  bessere 
Resultate  ermöglicht  als  Zucht  in  dest.  Wasser,  wie  das  seit  BOEHM 
für  Keimlinge  höherer  Pflanzen  bekannt  ist. 

Wir  werfen  noch  einen  Blick  auf  die  Wirkung  von  Eisensalzen, 
deren  Giftwirkung  auf  Spirogijra  schon  LOEW  (1)  beschreibt,  ohne 
zu  untersuchen,  ob  auch  hier  Calciumsalze  entgiftend  wirken.  Ich 
brachte  Fäden  der  Alge  in  0,01  prozentige  und  0,05  prozentige 
Lösungen  von  Ferrosulfat,  mit  oder  ohne  CaSO^- Zusatz.  Nach 
24  Stunden  waren  in  den  Ca- freien  Lösungen  alle  Zellen  unter 
Blaufärbung  des  Inhalts  abgetötet,  in  den  Ca-haltigen  Fe-Lösungen 
waren  zwar  nicht  alle,  aber  doch  viele  Zellen  am  Leben  geblieben; 
im  Gegensatz  zu  den  abgestorbenen  zeigte  ihr  Inhalt  keine  Gerb- 
stoffreaktion. Somit  war  das  Ergebnis  eine  zwar  deutliche,  aber 
nicht  durchgreifende  Entgiftung  des  Fe  durch  Ca.  ^) 

Um  nun  noch  die  Beteiligung  des  Anions^)  an  der  Giftwirkung 
der  Salze  zu  studieren,  wurde  zunächst  die  Wirkung  folgender  isos- 
motischer  Lösungen  untersucht  (s.  obenstehende  Tabelle  auf  S.  330). 

Nach  30  Stunden  waren  die  Zellen  in  allen  Mg-  und  K-Salz- 
lösungen  tot,  die  starke  Giftwirkung  der  Kationen  hatte  hier  offenbar 
etwaige  Unterschiede  in  der  AA^irkung  der  Anionen  verschleiert.  Von 
den  Na-Salzlösungeu  zeigte  aber  nur  die  Nag  SO^- Lösung  geschädigte 
Zellen,  in  der  NaCl-Lösung  waren  alle  Zellen  so  gesund,  als  in  den 
mit  CaS04  angesetzten  Parallellösungen.  Nach  den  in  der  Literatur 
vorliegenden  Angaben  (vgl.  weiter  unten  KLEBS  und  TRUE)  wäre  es 


1)  Die  Beobachtung,  dass  die  ungeschädigten  Zollen  im  Gegensatz  zu  den  ge- 
schädigten keine  Gerbstoffreaktion  im  Zellsaft  zeigten,  scheint  darauf  hinzudeuten, 
dass  in  diesem  Fall  das  Ca  dem  Fe  den  Eintritt  ins  Zellinnere  verwehrte.  Aus  dem 
vorher  beschriebenen  Versuch  (vgl.  Anm.  auf  vor,  S.),  in  dem  K2SO4  bzw.  NboSO^  und 
CaS04  gemeinsam  auf  die  Zellen  einwirkte,  konnte  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
geschlossen  werden,  dass  Ca  die  Alge  gegen  K  und  Na  auch  schützt,  ohne  diesen 
den  Eintritt  ins  Zellinnere  zu  verwehren.  —  Hier  müssen  weitere  Versuche  ein- 
setzen, um  das  Wesen  der  Gift-  und  Schutzwirkung  zu  erklären  und  zu  ermitteln, 
ob  der  Schutz  des  Ca  gegen  Fe  einer-,  Alkalien  andererseits  ein  wesensgleicher 
Vorgang  ist.  Es  sei  daran  erinnert,  dass  in  der  zoologischen  Literatur  die  Frage, 
inwieweit  die  Salzwirkung  eine  Innen-  und  inwieweit  sie  eine  Aussenwii-kung  ist, 
eine  grosse  Rolle  spielt.    Vgl.  Herbst,  ferner  Hoeber  S.  259  und  301. 

2)  Die  Beobachtung  WOLEG.  OST WALDS,  dass  Mg  im  Verein  mit  SO4  der 
Giftwirkung  von  NaCl  auf  Gammarus  entgegenarbeitet,  im  Verein  mit  Cl  dieselbe 
aber  verstärkt,  verdient  in  diesem  Zusammenhang  erwähnt  zu  werden. 


330 


W.  Benecke  : 


KN03: 

0,25  pCt. 

— 

— 

KCl: 

NaCl: 

MgClalGH^O: 

0,1''^  pCt. 

0,14  pCt. 

0,38  pCt. 

K2SO,: 

^32804.- 

MgSO^+THaO: 

0,33  pCt. 

0,27  pCt. 

0,9  pCt. 

K^HPO,: 

— 

— 

0,33  pCt. 

— 

— 

falsch,  daraus  auf  eine  vollkommene  Unschädlichkeit  des  Kochsalzes 
zu  schliesseu,  nur  soviel  kann  gesagt  werden,  dass  Kochsalz  weniger 
schädlich  als  Natriumsulfat,  d.  h.  das  Ion  Cl  weniger  schädlich  als 
das  Ion  SO4  ist.  KNO3  hatte  dieselbe  Wirkung  wie  KoSOj^;  d.  h. 
die  Anionen    der  Schwefel-  und  Salpetersäure  sind  annähernd  gleich 


giftig. 


Zum  selben  Resultat  führte  folg-ender  Versuch: 


KN03: 

NaNOg: 

MgN^Oe  +  ßHoO: 

CaNs06+4H20: 

0,25  pCt. 

0,21  pCt. 

0,48  pCt. 

0,45  pCt. 

KCl: 

NaCl: 

MgCla-fGH/J: 

CaCl,: 

0,18  pCt. 

0,14  pCt. 

0,38  pCt. 

0,21  pCt. 

K2SO4: 

— 

— 

— 

0,83  pCt. 

— 

— 

— 

K2HPO4: 

Na^HPO^f  I2H2O: 

— 

— 

0,33  pCt. 

0,68  p  Ct. 

— 

— 

Nach  18  Stunden  waren  ungeschädigt  nur  die  Algen  in  den 
NaCl-  und  in  den  CaCL-  bzw.  CaNoOg-Lösungeu,  alle  anderen 
wiesen  Schädigung  auf.  Doch  war  hier,  offenbar  infolge  der  etwas 
kürzeren  Yersuchsdauer,  zu  erkennen,  dass  KCl  weniger  als  KgSO^ 
geschadet  hatte,  was  also  wiederum  auf  die  geringere  Giftigkeit  des 
Cl  im  Vergleich  zu  SO^  hinweist.  NO3  erwies  sich  wieder 
als  etwa  ebenso  schädlich  wie  SO^.  Die  NaNOg- Lösung  hatte  ihre 
Zellen  ungefähr  ebenso  stark  geschädigt  als  die  KCl-Lösung,  es 
hatte  also,  wie  zu  erwarten  war,  die  Kombination  des  stärker  giftigen 
Anions  NO3  mit  dem  weniger  giftigen  Kation  Na  ungefähr  die  gleiche 
Wirkuno-  entfaltet  wie  die  Kombination  des  schwächer  «iftigen 
Anions  Cl  mit  dem  stärker  giftigen  Kation  K.    Die  beiden  Phosphat- 


über  die  Giftwirkmig  verschiedener  Salze  auf  Spirogyra.  331 

lösuugeii  hatten  eine  recht  erhebliche  Giftwirkung  ausgeübt,  doch  sind 
diese  Wirkungen  mit  den  anderen  wegen  der  von  der  neutralen 
stark  abweichenden  Reaktion  dieser  I^ösungen  nicht  streng  ver- 
gleichbar. Die  starke  Giftigkeit  der  Kombination  KNOg-j-KoHPO^, 
die  oben  geschildert  wurde,  ist  aber  jedenfalls  zum  grösseren  Teil 
auf  Rechnung  des  Phosphates  zu  setzen.  — 

Wir  fassen  unsere  Versuchsergebnisse  folgendermassen 
zusammen:  Während  Spirogyren,  wie  bekannt,  in  ge- 
eigneten vollständigen  Mineralsalznährlösungen  üppig 
gedeihen,  sind  sie  gegen  die  einzelnen  Komponenten  der- 
selben, ausser  gegen  die  Calciumsalze,  auffallend  empfind- 
lich. Die  Chloride,  Nitrate,  Sulfate  und  Phosphate  des 
Xatriums,  Kaliums,  Magnesiums,  Eisens  sind  mehr  oder 
minder  giftig,  und  zwar  sind  von  den  genannten  Kationen 
Fe  und  Mg  giftiger  als  K,  dieses  giftiger  als  Na;  von  den 
genannten  Anionen  sind  die  Phosphat-,  Sulfat-  und  Nitrat- 
Anionen  giftiger  als  das  Anion  Gl.  Die  Giftigkeit  aller 
dieser  Ionen,  Anionen  sowohl  als  Kationen,  kann  durch 
Beigabe  des  Ions  Ca  aufgehoben  oder  doch  vermindert 
werden. 

Wenn  hiernach  dem  Ion  Ca  eine  Sonderstellung  zukommt,  so  ist 
zu  bemerken,  dass  nach  Angaben  von  MOLISCH  u.  A.  zweifellos  auch 
dem  Ba  und  Sr  eine  älmliche  Schutzwirkung  zukommen  dürfte. 
Falls  genauere  Untersuchungen  das  bestätigen,  könnte  man  sagen, 
dass  Ba  und  Sr  das  Ca  zwar  in  seiner  schützenden,  aber  nicht  in 
seiner  ernährenden  Funktion  vertreten  könnte;  denn  ein  Ersatz  des 
Ca  durch  Ba  oder  Sr  in  Nährlösungen  ist  bekanntlich  unmöglich. 
Auch  J.  LOEB  schlägt  neuerdings,  veranlasst  durch  eine  Kritik  von 
Herbst,  vor,  die  Funktion  der  für  die  Lebensvorgänge  unentbehr- 
lichen Mineral-Ionen  in  eine  schützende  und  eine  ernährende  zu 
zergliedern;  vorläufig  handelt  es  sich  dabei  bloss  um  eine  Um- 
schreibung, nicht  Erklärung  der  Yersuchsergebnisse,  denn  weder  das 
Wesen  der  Schutzfunktion  ist  bekannt,  noch  kann  etwas  Sicheres 
ausgesagt  werden  darüber,  wie  das  Ca,  Mg,  K  usw.  in  die  Ernährung 
und  Zellvermehrung  eingreift. 


Wir  werfen  nun  noch  einen  Blick  auf  die  Literatur,  soweit  sie 
sich  mit  uusern  Versuchsergebuisseu  berührt.^)  Dass  Salze,  die 
liäufig  als  harmlos  betrachtet  werden,  tatsächlich  schwache  Gifte  sind 
(vgl.  Pfeffer  S.  330),  ist  in  der  Algenphysiologie  bekannt,  seitdem 


1)    Wobei    die    Frage    von    der    Kalkfeindlichlveit    bestimmter   Pllanzen    nicht 
behandelt  werden  soll. 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellsch-    XXV.  23 


332  ^V.  Benecke  : 

Klebs  lehrte,  dass  plasmolysiereiide  Lösuiigeu  von  KNO3  und  NaCl 
iiiclit  bloss  durch  Wasserentzug,  sondern  auch  durch  spezifische 
Eigenschaften  schädigen  und  nachwies,  dass  ausgetretenes  Vaucheria- 
Plasma,  welches  sich  in  Lösungen  yon  schwachem  osmotischem  Druck 
(verdünnten  Rohrzuckerlösungen)  w^ohler  befindet,  als  in  destilliertem 
Wasser,  trotzdem  durch  verdünnte  Lösungen  von  KNOg  und  NaCl 
stärker  geschädigt  wird,  als  durch  destilliertes  Wasser.  Später  zeigte 
TßUE,  dass  Lösungen  der  genannten  Salze  fast  gar  nicht  durch 
osmotische  Leistung,  sondern  beinahe  nur  durch  spezifische  Eigen- 
schaften schädigen;  er  fand  w^eiter,  dass  für  Spirogijra  NaCl  weniger 
schädlich  als  KNO3  ist,  was  durch  unsere  Untersuchungen  bestätigt 
wurde.  Auf  andere  Pflanzen  näher  einzugehen,  würde  zu  weit  führen, 
es  muss  genügen,  daran  zu  erinnern,  dass  A.  FISCHER  nachwies,  dass 
für  den  Heubazilkis  die  Grenzkonzentrationen  verschiedener  Alkali- 
salze nicht  isosmotisch  sind,  was  eine  verschieden  starke  Gnftigkeit 
anzeigt;  wichtig  wäre  es  festzustellen,  ob  auch  bei  Bakterien,  die 
kein  Ca  zum  Aufbau  der  Zellen  nötig  haben,  trotzdem  das  Ion  Ca 
schützende  Wirkungen  entfalten  könnte.  Betreffs  der  LTntersuchungen 
an  höheren  Pflanzen  sei  auf  die  Arbeiten  von  BOEHM,  PORTHEOI, 
STIEHR,  CöUPIN  und  die  dort  verzeichnete  Literatur  verwiesen,  nur 
kurz  erinnere  ich  endlich  an  die  Angaben  von  LiDFORSS  über  die 
uno-leich  starke  Giftigkeit  verschiedener  Salze  auf  Pollenschläuche 
verschiedener  Pflanzen.  In  den  ebeno-enannten  Arbeiten  ist  von 
Entoiftung  schädlicher  Salze  durch  andere  Salze  oder  Stoffe  nicht 
die  Rede.  ^)  Eine  derartige  Entgiftung  wurde  1875  von  BOEHM  er- 
kannt, welcher  fand,  dass  Bohnen,  deren  Wurzeln  in  Ca-Salzlösungen 
tauchen,  gut  gedeihen  und  ihre  Reservestoffe  mobilisieren,  was  bei 
Kultur  in  destilliertem  Wasser  nicht  geschieht,  dass  aber  andere  Salze, 
z.  B.  die  Sulfate  und  Phosphate  des  K,  Na,  Mg  schädlicher  sind,  als 
destilliertes  Wasser.  Die  Giftwdrkung  der  Magnesia  konnte  Boeh:\[ 
durch  CaCOg,  die  der  genannten  Alkalisalze  durch  Kombination  mit 
CaR.O^  oder  CaSO^  aufheben.  Arbeiten,  die  sich  hier  anschliessen, 
beschäftigen  sich  vorwieo-end  mit  der  giftioen  Wirkung  von  Ms;- 
Salzen  und  deren  Ento-iftunii'  durch  Ca.  Hatten  schon  vor  BOEH^I 
W.  Wolf  und  H.  Wolff  die  Mg-Salze  als  besonders  giftig  für 
viele  höhere  Pflanzen  erkannt,  so  bestätigte  LiEBENBERG  später 
diese  Angaben;    er  fand,    dass   MgSO^-Lösungen    auf   viele  Pflanzen 


1)  Abgesehen  von  der  Bemerkung  von  LlDFORSS,  dass  Rohrzucker  die  Giftig- 
keit der  Mineralsalze  für  Pollenschläuchc  herabsetzt.  Nebenbei  bemerkt,  legt  diese 
Beobachtung  nahe,  zu  untersuchpn,  ob  auch  die  Giftwirkung  der  Salze  auf  Spiroi/yra 
durch  Nonelektrolyte  bccinflusst  wird.  Dass  Ca  in  seiner  Schutzfunktion  nicht 
durch  Zucker  oder  Glyzerin  vertreten  werden  kann,  erkannte  allerdings  schon  LOEW  (1). 
(Vgl.  auch  Benecke  (1)). 


über  die  Giftwirkimg  verschiedener  Salze  auf  Spirojryra.  383 

ebenso  giftij^'  wirken,  als  Ca-freie  Nährlösungen,  dass  KNOg  und 
K.IIPO^  weniger  giftig  sind  und  korrigierte  auch  die  Angabe  von 
BOEHM,  dass  CaClo  nicht  jene  günstige  Wirkung  wie  andere  Ca-Salze 
"entfalte;  dies  stimmt  mit  unsern  Resultaten  an  Spirogyra  überein. 
Raumer  fand  ebenfalls,  dass  für  Bohnen  Ca-freie  Salzlösungen 
schädlicher  sind,  als  destilliertes  Wasser  und  dass  deren  schädlichste 
Komponente  die  Mg-Salze  sind;  immerhin  starben  auch  bei  gleich- 
zeitigem Mangel  an  Ca  und  Mg  die  Pflanzen  unter  typischen 
Symptomen  des  Ca-Mangels  (vgl.  PORTHEIM),  nur  etwas  verspätet, 
ab.  ATTERBERG  fand,  dass  die  Giftwirkung  grösserer  Mengen  von 
MgO  auf  Hafer,  der  in  Moorböden  kultiviert  wird,  durch  CaO  ge- 
mindert wird;  über  ganz  ähnliche  Resultate  auch  bei  Verwendung 
anderer  Böden  (Sandböden)  berichtet  ULBRICHT;  hier  findet  sich 
auch  die  Angabe,  dass  Hafer  gegen  Mg  weniger  widerstandsfähig  ist, 
als  Gerste  und  dass  die  Entgiftung  von  MgO  durch  CaO  sich  deutlich 
beim  Hafer,  weniger  beim  Mais  bemerklich  mache.  Während  diese 
Arbeiten  wesentlich  von  praktischen  Gesiclitsj)uukten  geleitet  werden, 
treffen  wir  in  Versuchen  SCHIMKIN's,  über  die  RüTHERT  berichtet, 
einschlägige  Mitteilungen,  die  dem  Boden  der  reinen  Pflanzen- 
physiologie  entsprungen  sind:  Die  Giftwirkung  der  AI-Salze  wird 
nach  den  russischen  Forschern  durch  die  Salze  der  KNOP'schen 
Lösung,  auch  durch  K-Salze,  aufgehoben  und  ROTHERT  weist  aus- 
drücklich darauf  hin,  dass  hierbei  eine  schützende,  nicht  etwa  eine 
ernährende  Funktion  der  genannten  Salze  vorliegt.  Ob  aus  den 
Versuchen  MiCHEELS,  in  denen  Pflanzen  in  NaCl-Lösungen  mit  und 
ohne  Gipszusatz  gezüchtet  wurden,  eine  Entgiftung  des  Na  durch  Ca 
oder  bloss  ein  fördernder  Einfluss  des  Ca  (BOEHM)  hervorgeht,  kann 
ich  nicht  entscheiden.') 

Besonders  wichtig  für  uns  sind  die  neuerdings  erschienenen 
Arbeiten  von  OSTERHüUT  und  DUGGAR.  Ersterer  fand,  dass  Lösungen 
der  einzelnen  Seewassersalze  den  3Ieeresalgen  schädlich  sind,  dass 
diese  Schädigung  durch  gleichzeitige  Darbietung  eines  oder  mehrerer 
anderer  Salze  mehr  oder  minder  herabgesetzt  werden  kann.  Als 
ein  Idealmedium  empfiehlt  er  die  Kombination  NaCl  -}-  KCl  -f"  CaCL 
(wobei  es  hauptsächlich  auf  die  Kationen  ankommt),  d.  h.  dasselbe 
„Dreigespann",  welches  nach  RINGER  und  LOCKE  (vgl.  HOEBER 
S.  282)  als  Medium  für  isolierte  Frosch-  und  Säugetierorgane  am 
empfehlenswertesten  ist.  Auch  DUGGAR  konnte  durch  geeignete 
Versuchsanstellung  nachweisen,  dass  das  NaCl  auf  Meeresalgen  giftig 
wirken  und  durch  andere  Salze  entgiftet  werden  kann.  OSTERHOUT's 
Resultate    unterscheiden    sich    von    den    unsrigen,    an    Spirogyra  er- 


1)  Auf  die  Angabe  von  Galeotti,  dass  die  Giftwirkung  colloidaler  C'u-Lösung 
auf  Spirogyra  durch  NaCl  vormindert  wird,  sei  liior  nur  kurz  hingewiesen. 

23* 


334  W.  Benecke : 

haltenen  wesentlich  dadurch,  dass  wir  dem  Ca  (ßa,  Sr)  eine  Sonder- 
stellung gegenüber  den  andern  Salzen  zuschreiben  nmssten,  während 
nach  OSTERHOUT  jedes  Salz  des  Seewassers  durch  jedes  andere  in 
seiner  Wirkung  mehr  oder  minder  abgeschwächt  wird;  er  kommt  so, 
wie  vor  ihm  LOEB,  zum  Begriff  der  „physiologically  balanced 
Solutions",  d.  h.  Lösungen  mehrerer  Salze,  denen  die  Giftwirkung 
abgeht,  welche  der  Lösung  jedes  einzelnen  Salzes  innewohnt.  Dass 
hier  ein  prinzipieller  Gegensatz  im  Verhalten  der  See-  und  Süss- 
wasseralgen  vorliegt,  ist  nicht  wahrscheinlich,  ich  halte  vielmehr 
dafür,  dass  bei  Fortführung  meiner  *Sp?Vo^^ra -Versuche,  Ausdehnung 
über  längere  Zeiträume,  sich  auch  an  Spirogyra  ähnliches  wird  nach- 
weisen lassen,  wie  an  den  Meeresalgen.  Vielleicht  würden  Kultur- 
versuche in  sehr  verdünnten,  vollständigen  Nährlösungen  (Boden- 
extrakten, ausgefaultem  Erbsenwasser  nach  KlebS  o.  ä.)  unter  Bei- 
fügung verschiedener  Salze  und  Salzkombinationen  und  genauer 
Beachtung  der  gegenseitigen  Mengenverhältnisse  zum  Ziel  führen. 
Übrigens  erwähnt  OSTERHOUT  selbst,  dass  er  bei  Süsswasseralgeu 
zu  ganz  analogen  Ergebnissen  gelangt  sei,  wie  bei  Versuchen  mit 
Meeresalgen. 

Während  der  eben  referierte  botanische  Literaturbestand  über 
die  Entgiftung  von  Salzen  durch  andere  Salze  ein  recht  kleiner  ist, 
liegen  darüber  von  Seiten  der  Zoologen,  zumal  dank  den  Bemühungen 
von  J.  LOEB,  schon  eine  recht  grosse  Summe  von  Arbeiten  und  Er- 
fahrungen vor,  von  denen  einige  wenige  schon  oben  erwähnt  wurden, 
und  welche  in  ausführlicher  Weise  von  HOEBER  zu  einem  Gesamt- 
bild verarbeitet  worden  sind,  worauf  hier  verwiesen  sei.  Die  in  diesen 
zoologischen  Studien  behandelten  Salzlösungen  sind  meistens  solche, 
welche  die  Lebenstätigkeit  der  erwachsenen  Zellen  und  Organe  oder 
den  Ablauf  bestimmter  Entwicklungsvorgänge  auf  Kosten  der  in  den 
Versuchsobjekten  gespeicherten  Reservestoffe  ermöglichen  und  unter- 
scheiden sich  somit  wesentlich  von  den  „Nährlösungen"  der  Botaniker, 
welche  Lösungen  die  zum  Wachstum  und  zur  Vermehrung  der  Zellen 
nötigen  Mineralstoffe  führen.  Wenn  HOEBER  schreibt,  dass  mit  den 
Untersuchungen  von  RINGER  und  LOCKE  und  andern  Zoophysiologen 
ein  „überaus  natürlicher  Anschluss  der  Erfahrungen  der  Tierphysio- 
logen an  die  der  Pflanzenphysiologen  gewonnen  sei"^,  so  möchte  ich 
eher  sagen,  dass  dieser  Anschluss  erst  hergestellt  werden  muss,  da- 
durch, dass  sich  zoologische  Forscher  (wie  es  z.  B.  schon  HebbST  getan 
hat)  mehr  der  bei  Botanikern  üblichen  Fragestellungen  bedienen, 
und  umgekehrt  eine  grössere  Zahl  von  Botanikern,  OSTERHOUT's 
Beispiel  nachahmend,  den  bisher  hauptsächlich  von  Zoologen  be- 
tretenen Weg  beim  Studium  der  Salzwirkungen  wandeln.  Jedenfalls 
bin  ich  aber  mit  HOEBER  der  Meinung,  dass  der  weitere  Ausbau 
des    in    Rede    stehenden    Forschungsgebietes    erlauben    wird,    neue 


über  die  Giftwirkunp  verschiedener  Salze  auf  Spirogyra.  335 

Brücken  zwisclion  Tier-  und  Pflanzenpliysiologie  zu  schlagen  und 
glaube,  dass  Parallelen  zu  ziehen  sind  zwischen  unsern  Spirogyra- 
Versuchen  und  den  Erfahrungen  der  Zoologen,  z.  B.  LOEBS  über  die 
Entgiftung  des  Na  durch  Ca  oder  andere  Ionen/) 

Über  das  Wesen  der  Giftwirkung  von  Neutralsalzen  und  ihre 
Entuiftunu  durch  andere  weiss  man  nichts;  es  sei  darum  zum  Schluss 
nur  in  aller  Kürze  daran  erinnert,  in  welcher  Richtung  sich  die 
augenblicklich  vorliegenden  Erklärungsversuche  bewegen:  PFEFFER 
sagt,  dass  es  sich  vielleicht  in  manchen  Fällen  um  die  Folge  einer 
Massenw^rkung  handle,  indem  z.  B.  durch  die  Verdrängung  des  K 
oder  Ca  die  Konstitution  des  Protoplasten  verändert  und  der  Tod 
herbeigeführt  wird.  Der  Vorkämpfer  dieser  3Ieinung,  die  also  mit 
einer  organischen  Bindung  bestimmter,  in  Nährsalzform  gebotener 
Grundstoffe  rechnet,  auf  zoologischem  Gebiet  ist  LOEB  und  auf  dem- 
selben Boden  bewegt  sich  auch  die  eingangs  erwähnte  Erklärung, 
die  O.  LOEW  für  die  Giftigkeit  des  Mg  und  seine  Entgiftung  durch 
Ca  gegeben  hat.  Diese  könnte  hiernach  im  Prinzip  zutreffend  sein, 
immerhin  niüsste  LOEW  seine  Ansicht  ändern,  dass  nur  das  Mg, 
nicht  auch  das  K  oder  Na  solche  Giftwirkung  ausüben  könne,  und 
ferner  ganz  absehen  von  jenen  hypothetischen,  gänzlich  unfassbaren 
Grundsubstanzen  der  Kerne  und  Chloroplasten.  Die  besagte  Er- 
klärung kann  aber  nicht  für  alle  Fälle  ausreichen,  denn  die  oben 
erwiesene  Ent^iftunti"  bestimmter  Anionen  durch  das  Kation  Ca  lässt 
sich  nicht  einfach  durch  eine  derartige  Wechselwirkung  zwischen 
Kationen  erklären.  So  ist  denn  darauf  hinzuweisen,  dass  HOEBER 
überhaupt  von  einer  organischen  Bindung  von  Kationen  (exkl.  Fe)  ab- 
sehen möchte^),  und  glaubt,  dass  die  Wirkung  von  Elektrolyten  und 
deren  Kombinationen  ihre  Erklärung  finden  wird  durch  das  Studium  der 
Beziehungen  zwischen  Colloiden  und  Salzen,  und  darauf  hinauslaufen 
wird,  dass  der  richtige  für  die  Lebensvorgänge  unerlässliche  Lösungs- 
zustand der  CoUoidsubstanzen  des  Protoplasmas  durch  Anwesenheit 
bestimmter  Salze  und  Salzgemische  gewährleistet  wird. 


1)  0,  LOEW  (11)  ist  freilich  auch  hier  anderer  Meinung  wie  ich,  und  sagt, 
jener  LOEB'sche  Befund  sei  „ein  für  Seetiere  ganz  spezieller  Fall  und  ohne  Analogie 
hei  höheren  Land-  und  den  Süsswassertiercn".  Dieser  Behauptung  gegenüber 
genügt  CS,  darauf  hinzuweisen,  dass  die  RiNGER-LoCKE'sche  Lösung  u.  a  für 
Organe  von  Säugetieren  erprobt  worden  ist,  ferner  darauf,  dass  WOLFGr.  OSTWALD 
für  einen  SüsswasseryamMarf/.«  nachweisen  konnte,  dass  die  Giftigkeit  des  NaCl 
durch  andere  Salze  herabgemindert  oder  ganz  aufgehoben  werden  kann. 

2)  Übrigens  geht  HÖBER  wohl  zu  radikal  vor,  wenn  er  meint,  dass  von  den 
Nährsalzionen  nur  die  Anionen  und  das  Fe  am  Aufbau  des  Organismus  teilnehmen, 
nicht  aber  K,  Mg,  Ca,  die  vielmehr  „denselben  Rang  einnehmen  sollen,  wie  di^' 
Kationen  in  der  RiNGER-LoCKE'schen  Lösung". 


336  W.  Benecke  :  Giftwirkung  vei-schiedener  Salze  auf  Spirogyra. 

Für  die  Pflauzeiipliysiologie  ist  jedenfalls  noch  nicht  die  Zeit 
der  „Erklärung",  vielmehr  erst  der  gründlichen  experimentellen 
Durcharbeitung  dieser  Fragen  angebrochen. 

Botanisches  Institut,  Kiel. 


Nachschrift:  Eine  Arbeit  von  LoEW  und  AiSU:  „On  physio- 
logically  balanced  Solutions"  (Bull.  coli,  of  agric.  Tokyo,  1!)07.  Vol.  7 
S.  305),  die  mir  soeben  zugeht,  während  ich  im  Begriff  bin,  das 
Manuskript  abzusenden,  ist  nicht  mehr  berücksichtigt  worden. 


Literatur. 


Atterberg,  Svensk.  Moork.  För.  Tidsk.    1891.     S.121  (cit.  nach  ULBRICHT  (2)). 
Benecke,  W.  (1),  Bot.  Ztg.    1898,    Bd.  56,  1.  Abt ,  S.  Sa. 

—  (2),  Pringsb.'s  Jahrb.     1898.     Bd.  32,  S.  474. 

—  (3),  Bot.  Ztg.     1903.     Bd.  61,  1.  Abt.,  S.  79.  ■ 

—  (4),  Ebenda.     1904.    Bd.  62,  2.  Abt,  S.  113. 

BOEHM,  J.,  Ber.  d.  Wien.  Akad.,  math.-nat.  Kl.     1875.     Bd.  71,  1,   S.  287. 

COUPIN,  H.,  Rev.  gen.  d.  Bot.     1898.     Bd.  10,  S.  177. 

Czapek,  F.,  Biochemie  der  Pflanzen,  2.  Bd.     Jena  1905. 

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u.  Samec). 


48.    Werner  Magnus  und  Hans  Friedenthai:    Über  die 
Artspecificität  der  Pfianzenzelle. 


Eingegangen  am  25.  Juni  1907. 


In  unseren  frühereu  Mitteilungen  über  die  Verwertbarkeit  der 
Präcipitinreaktion  zur  Aufdeckung  verwandtschaftlicher  Beziehungen 
bei  Pflanzen*)  waren  wir  stillschweigend  von  der  Yermutung  aus- 
gegangen, dass  alle  Pflanzenteile  bezw.  -zellen  sich  bei  dieser 
Reaktion  gleichwertig  erweisen  müssten  Wir  glaubten  dies  be- 
sonders  daraus  folgern  zu  dürfen,  dass  einer  von  uns  gezeigt  hatte, ^) 
dass  während  der  ganzen  Enibryonalentwicklung  eines  Tieres  seine 
Organsäfte  stets  gleiche  Reaktionen  ergeben.  —  Dennoch  dürfte  der 
experimentelle  Nachweis  der  Gleichartigkeit  der  präcipitingebenden 
Substanzen  für  alle  Zellen  einer  Pflanzenart  nicht  überflüssig  sein. 
Denn  es  hat  bisher  keine  sichere  Entscheidung  darüber  getroffen 
werden  können,  ob  verschiedene  künstlich  isolierte  Eiweisssubstanzen 


1)  Diese  Berichte,  Bd.  XXIV,  S.  601  ff ,  und  dieser  Band,  S.  242. 

2)  Hans  Friedenthal,  Archiv  für  Anat.  und  Phys.,  Phys.  Abt.,  1905. 


338  Werner  Magnus  und  Hans  Friedenthal: 

einer  Tierart,  z.  B.  die  verschiedenen  aus  der  Serumtiüssigkeit 
isolierten  Globuline  und  Albumine  verschiedenartige  Präcipitin- 
reaktion  gäben  oder  nicht.  So  wäre  es  denkbar,  dass  auch  ver- 
schieden geartetes  Eiweiss  der  einzelnen  Pflanzenorgane  sich  bei 
der  Yerwandtschaftsreaktiou  verschiedenartig  verhielte.  Anderer- 
seits Hesse  der  experimentelle  Nachweis  einer  Übereinstimmung  der 
Reaktion  verschiedenartiger  Zellelemente  einer  Pflanze  darauf 
schliessen,  dass  nicht  sowohl  die  Anwesenheit  dieses  oder  jenes 
EiweissstofPes  von  Bedeutung  sei,  als  vielmehr  bisher  noch  un- 
bekannte Faktoren  für  die  Artspecificität  der  Zelle.  — 

Als  Untersuchungsmaterial  diente  Roggen  {Seeale  cereale).  Zur 
Vorbehandlung  zweier  Kaninchen  wurden  die  Kochsalzextrakte 
(0,9  pCt.  Na  Gl)  geschroteter  Samen  und  ausgestäubter  zerriebener 
Pollen,  als  Repräsentant  der  geschlechtlichen  Generation,  ver- 
wendet. Geprobt  w^urde  mit  diesen  Säften,  mit  den  Presssäften  von 
Wurzeln  und  Sprossen  zehntägiger  Keimpflanzen,  und  da  letztere 
nur  Spuren  von  Eiweiss  enthielten,  zur  Ergänzung  mit  in  physio- 
logischer Kochsalzlösung  zerriebenen  Wurzeln  und  Blättern.  Eine 
Probe  wurde  auch  mit  etwa  2  Monate  auf  Fliesspapi(h*  ein- 
getrocknetem Samenextrakt  gemacht.^)  Zur  Kontrolle  diente  ein 
nicht'  vorbehandeltes  Tier  und  0,9  pCt  Kochsalzlösung.  Auch 
Kochsalzextrakte  der  Samen  nahe  verwandter  Pflanzen  (Weizen 
und  Gerste)  und  nicht  nahe  verwandter  Gramineen  CHafer)  wurden 
geprobt.  —  Die  durch  Reicheltilter  filtrierten  Sera  waren  wasser- 
klar, ebenso  alle  zur  Reaktion  dienenden  Säfte,  die  teilweise  gleich- 
falls durch  Reichelfilter  filtriert  waren. 

Aus  der  Tabelle  ist  deutlich  ersichtlich,  dass  alle  verschieden- 
artigen zur  Untersuchung  verwendeten  Organe  des  Roggens  (Same, 
Wurzel,  Spross  und  Pollen)  wirksam  sind,  nach  Vorbehandlung  so- 
wohl mit  Samen  als  mit  Pollen,  dass  also  die  Artspecificität  der 
Zellen  und  ihre  Gleichwertigkeit  für  die  Verwandtschafts- 
reaktionen  der  Pflanzen  als  erwiesen  betrachtet  werden 
kann.  —  Die  quantitativen  üntersciiiede  erklären  sich  voraussicht- 
lich aus  dem  Grade  der  Immunisierung,  die  bei  dem  Samentier  so- 
wohl in  der  Dauer  der  Behandlung,  als  der  Summe  der  injizierten 
Substanzen  ungleich  höher  ist.  Das  schwach  immunisierte  Pollen- 
tier lässt  keine  Reaktion  mehr  erkennen  bei  Zusatz  nur  eines 
Tropfens  des  nur  sehr  wenig  Eiweiss  enthaltenden  Presssaftes  der 
Wurzeln  und  des  Sprosses.  Bei  Zusatz  grösserer  Mengen  etwas 
eiweissreicheren  Kochsalzextraktes  tritt  auch  hier  deutliche  Reaktion 
ein.      Die    geringe    Immunisierung    bekundet    sich    auch    durch    das 


1)  Vsl.  S.  24(). 


über  die  Artsiiecificität  der  Pflanzenzellc. 


339 


^ 

Roggen- 

samen- 

immunserum 

1 

Roggen-      1 
pollen- 
iramunserum 

KontroU- 
seriim 

0,9  NaCl 

Dauer  der  Behandlung.    . 

42  Tage 

16  Tage 

Summe  d.  injizierten  Saftes 
(alkalisch  gemacht) .    . 

130  ccm 

2,5  g  in 
50  ccm 

Anzahl  der  Injektioneu     . 

fünfmal 

dreimal 

'2  ccm    Serum  +  0,0'2  ccm 
Roggensamenextrakt    . 

sehr  starker 
Niederschlag 

deutliche 
Trübung 

wasserklar 

wasserklar 

2  ccm    Serum  +  0,02  ccm 
Fliesspapierextrakt')    . 

deutliche 
Trübung- 

wasserklar 

do. 

do. 

2  ccm    Serum   +  0,02  ccm 
Roggenpollenextrakt    . 

leichte,  aber 

sichere 

Trübung 

deutliche 
Trübung 

do. 

do. 

2  ccm    Serum     +    2   ccm 
Roggcnpollenextrakt    . 

sehr  starker 
Niederschlag 

selir  starker 
Niederschlag 

do. 

do. 

2  ccm    Serum  +  0,02  ccm 
Roggenwurzelpresssaft 

leiclite,  aber 

sichere 

Trübung 

wasserklar 

do. 

du. 

2    ccm    Serum     \-    2    ccm 
Roggenwurzelextrakt  . 

deutliche 
Trübung 

do. 

do. 

2  ccm    Serum   +  0.02  ccm 
Roggensprosspresssaft . 

leichte,  aber 

sichere 

Trübung 

wasserklar 

do. 

do. 

2    ccm    Serum    +    2    ccm 
Roggensprossextrakt    . 

2  ccm    Serum  +  0,02  ccm 
Woizensamenextrakt    . 

sehr 
deutliche 
Trübung 

deutliche 
Trübung 

wasserklar 

do. 
do. 

do. 
do. 

2  ccm    Serum  +  0,02  ccm 
Gerstensamen extrakt   . 

do. 

do. 

do. 

do. 

2  ccm    Serum  +  0,02  ccm 
Hafersamenextrakt   .    . 

wasserklar 

do. 

do. 

do. 

Ausbleiben    der    Reaktion     bei     der    verwandten    Gerste    und    dem 
Weizen. 

So  lange  die  Niederschläge  hervorrufenden  Substanzen  un- 
bekannt, ist  es  nicht  angängig,  aus  den  quantitativen  Unterschieden, 
wie    sie    sich    in    obigem  Versuch  ergaben,    Folgerungen   zu    ziehen, 

1)  Siehe  oben! 


23" 


340  P-  MAGNUS:  Nachschrift. 

insbesondere  ob  sich  vielleicht  hierin  doch  einzelne  Zellgruppen 
unterscheiden  lassen.  Dies  müssen  weitere  Untersuchungen  ergeben, 
die  jedoch  die  Artspecificität  der  Zellen  nicht  mehr  in  Zweifel 
stellen  können.  — 

Privatlaboratorium  von  HANS  FßlEDENTHAL,  Nicolassee  bei 
Berlin  und  Botanisches  Institut  der  Königl.  landwirtschaftlichen 
Hochschule  zu  Berlin. 


49.   P.  Magnus:   Nachschrift  zu  meinem  Beitrag  zur 

morphologischen  Unterscheidung  einiger  Uromyces-Arten  der 

Papilionaceen,  S.  250—255  d.  Jahrg.  d.  Berichte. 

Einocgaiigen  am  29.  Juni  1907. 


In  der  am  25.  Juni  1907  angegebenen  Nr.  25  des  Bd.  104  des 
Botanischen  Centralblattes  sehe  ich  soeben  aus  dem  Berichte  von 
MATOUSCHEK,  dass  F.  BUBÄK:  Houby  Ceske.  Dil  1.  Bezy  (Uredinales) 
1906  in  tschechischer  Sprache  in  Prag  erschienen  ist.  Er  ist  mir 
bisher  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Ich  entnehme  dem  MaTOUSCHEK- 
schen  Berichte,  dass  BUBAK  für  den  auf  Astragalus  gli/ci/phyllos  und 
anderen  Astragalus  -  Arten  auftretenden  Uromyces,  den  JOEDI  als 
Uromijces  Euphorhiae  Astragali  Jordi  bezeichnet,  wahrscheinlich  mit 
vollem  Rechte  den  Namen  Uromyces  Astragali  (Opiz)  festhält.  JORDI 
hat  mit  diesem  letzteren  Namen  bezeichnet  den  Uromyces  auf 
Astragalus  e.vscapus^  den  er  namentlich  auf  Grund  der  von  ihm  fest- 
gestellten abweichenden  biologischen  Entwicklung,  von  dem  Uromyces 
auf  Astragalus  glyryiphyllos  u.  a.  als  eigene  Art  abgetrennt  hat. 
Diesem  auf  Astragalus  e.vscapus  auftretenden  Uromyces  hat  daher 
BUBAK  einen  anderen  Namen  gegeben  und  ihn  Uromyces  Jordianus 
Bubak  genannt. 

Ich  muss  daher  leider  den  Namen  des  auf  S.  252—253  dieses 
Jahrgangs  als  neue  Art  aufgestellten  Uromyces  Jordianus  P.  Magn. 
auf  Vicia  Cracca,  einer  Uromyces- Axt  aus  der  A^erwandtschaft  des 
Uromyces  Pisi  (Pers.)  De  By.,  umändern.  Ich  nenne  ihn  Uromyces 
Fischeri  Eduardi  P.  Magn.  zu  Ehren  des  um  die  Kenntnis  der  Ent- 
wicklung der  Uredineen  und  um  die  Erforschung  der  Schweizer 
Pilzflora  so  hochverdienten  Herrn  Professors  EDUARD  FISCHER  in 
Bern. 


Sitzung  vom  2G.  Juli  1907.  34I 


Sitzung  vom  26.  Juli  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Der  Vorsitzende  macht  der  Gesellschaft  die  Mitteilung,  dass  ihr 
Ehrenmitglied,  Sir  Joseph  Hooker  am  30.  Juni  die  90.  Wiederkehr 
seines  Geburtstages  feiern  konnte.  Der  Vorstand  hat  den  Jubilar 
zu  diesem  seltenen  Feste  telegranhisch  beglückwünscht  und  einen 
telegraphischen  Dank  dafür  erhalten. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Herren: 

Fries,  Dr.  Robert  EL,  in  Stockholm,  Riksmuseum  (durch  P.  DUSEN  und 
P.  Magnus) 

Wollenweber,  Cand.  phil.  Wilhelm,    Pflanzenphysiologisches  Institut  der 

Universität  Berlin  (durch  L.  Kny  und  W.  MAGNUS). 
Lakon,  Dr.  G.,  Botanisches  Institut,  Athen  (durch  FR.  Oltmanns  und 

H.  Kniep). 
Cuboni,  Dr.  Giuseppe,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  der  Stazione 

di  Patologia  vegetale  in  Rom,  Via  St.  Susanna  (durch  G.  LOPßlORE 

und  L.  Kny). 
Gatin,    C.  L.,    Docteur  es    söiences,    Preparateur    de    botanique    a    la 

Sorbonne,     15    rue   La   Boissiere,     Fontenay    aux    Roses    (Seine) 

(durch  F.  G.  KOHL  und  L.  DiELS). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Engler,  Victor,    cand.  rer.  nat.  in  Breslau  (Botanischer  Garten), 
Iwanowski,  Dr.  Dimitri,  Professor  in  Warschau,  Universität. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.   XXV.  24 


342  Albert  B.  Reagan: 


Mitteilunoen. 


50.  Albert  B.  Reagan;  Beobachtungen  aus  der  Flora  der 
Rosebud-Indian-Reservation  in  South-Dakota. 

Eingegangen  am  6.  Juni  1907. 


Die  Rosebud  -  lucUaii  -  Reservation  ist  in  South  -  Dakota  südlich 
vom  Big-White-Fhiss  gelegen,  und  dehnt  sich  ungefähr  von  der 
Mitte  der  Südgrenze  des  Staates  östlich  bis  an  die  Rosebud-Lands 
aus,  die  zur  Niederlassung  im  Jahre  1904  eröffnet  wurden.  Sie  ist 
gegen  Norden  von  dem  Big  -  White  -  Fluss,  gegen  Osten  von  der 
Gregory-County  —  dem  Lande,  dass  zur  Niederlassung  eröffnet 
wurde,  gegen  Süden  von  Nebraska  und  gegen  Westen  von  der  Pine- 
Ridge-Indian-Reservation  begrenzt.  Nachstehend  sind  einige  Pflanzen 
dieses  Gebietes  aufgezählt. 

Ranunculaceae. 

Anemone  carolinana  Walt.     Häufig. 

Delphinium  azureum  Michx.     Larkspur.     Gemein. 

Caltha  palustris  Linn.  Marsh  Marigold.    Gemein  in  Niederungen. 

Cruciferae. 

Brassica  arvensis  BeNTH.  et  HOOK.  ChARLOCK,  Nur  ein  Exemplar 
wurde  an  der  Butte-Creek-Landstrasse,  eine  Meile  östlich  von  Widow 
DiRE's  Place  gesehen.     (Nicht  einheimisch.) 

Lepidium  intermedium  Gray.  Pepper-grass.  An  trockenen  Orten, 
auf  Höfen,  an  Strassenrändern  usw. 

Camelina  sativa  Crantz.     Falseflax.     Gemein. 

Violaceae. 

Viola  cucullata  Gray.     Gemein  in  Tälern. 

Viola  sagittata  Ait.  Arrow-leaved  Yiolet.  Gemein  an  feuchten 
Orten  (April  6). 

Viola  delphinifolia.     Blue  Violet.     Gemein  (Mai  16}. 
Viola  rotundifolia  Michx.     Yellow  Yiolet. 

Portulacaceae. 

I'ortulaca  retusa  Engelm.  Purslane.  Diese  Species  wächst  sehr 
reichlich  auf  Dämmen  und  in  bearbeiteten  Feldern. 

Portulaca  pilosu  Linn.  Gemein,  aber  nicht  so  reichlich  wie  die 
vorige  Art. 


Beobachtungen  aus  der  Flora  der  Rosebud-Indian-Reservation  in  South-Dakota.  343 

Malcaceae. 
Malcastnim  coccineum  Gray.     False  Mallow. 

Linaceae. 
Linum  sulcatum  Riciell.    Auf  trockenem  Boden;  gemein  (Juni  1). 

Geraniaceae. 
Oxalis  corniculata  Linn.     Yellow  Wood-Sorrel.     Gemein. 

Vitaceae 
Vitis  aesiicalis  Miehx.    Yellow  Grapevine.   Var.  bicolor,  Le  Conte. 

Saylndaceae. 
Negundo  aceroidts  Moench.     Gemein  an  Bächen. 

Anacardiaceae. 
Rhus  glabra  Linn. 
Rhus  copallina  Linn. 

Rhus  toxicodeiidron  Linn.     Poisonous  Ivy. 
Rhus  tnlobata  Nutt.     {Rhus  canadensis  var.  trilobata,  Gray.) 
Diese  vier  Rhusspezies  sind  sehr  gemein.    Der  Rhus  toxidodendron 
findet  sich  in  Tälern,  auch  entfernt  von  den  bewaldeten  Stellen. 

Leguniinosae. 

Baptisia  leucopliaea  Nutt.     Falschindigo. 
Tephrosia  virginiana  Pres. 
Teplirosia  ? 

Astragalus  caryocarpus  Ker.     Groundplum.  (Mai-Juni). 
Astragalus  pattensis  Nutt.  (Mai   14). 
Astragalus  missouriensuf     Nutt. 
Astragalus  Cooperi  Gray.  (Mai  14). 
Astragalus  ?. 

Astragalus  villosus  Michx.  (Mai-Juni). 
Orobus  atropurpureus?  (Mai   14). 
Psoralea  tenuiflora  Pursh. 
Psoralea  argophylea  Pursh. 
Psoralea  esculenta  Pursh. 

Desmanthus    brachglobus    Benth.     Besonders    au    etwas    feuchten 
Orten  gefunden. 

Schrankia  uncinata  Willd. 

Sehr  gemein,  in  mittlerer  Höhenlage. 

Rosaceae. 

Prunus^  vgl.  P.  chicasa.     Häufig  in  Gebüschen  an  Bächen. 
Prunus  rosebudii  Reagan  n.  sp.     Rosebudzwergpflaume. 

24* 


344  Albert  B.  Reagan: 

Diese  Pflauze  ist  aufrecht  oder  liegend,  wächst  einzeln,  oder 
mehrere  Stämme  aus  einer  Wurzel,  sechs  Zoll  bis  zu  einem  Fuss 
hoch.  Die  Blätter  sind  eiförmig-lanzettlich.  Die  Blumen  stehen  zu 
zwei  bis  vier  zusammen.  Die  Frucht  ist  eirund,  beinahe  schwarz^ 
wenn  reif;  sauer  und  zusammenziehend  von  Geschmack.  Der 
Kern  ist  gross.  Sie  W'ird  auf  den  Felsen  und  auf  dem  Sandufer 
gefunden. 

Primus  virginiana  Linn.     Choke  cherry.     An  Ufern;  gemein. 

Rosa  humulis  Marsh.     Wild  Rose. 

Allenthalben;  sehr  veränderlich;  die  Farbe  der  Blumenblätter 
von  Weiss  bis  Scharlach  (Juni  18). 

Rosa   Woodsii  Lindl. 

Rosa  arkansana  Porter. 

Rosa  rubiginosa  L. 

Crataegus  coccinea,  var.  macraca7itha,  Dudley.  Hawthorn.  Sehr 
selten. 

Grossulariaceae. 
Ribes  oj:yacanthoides  Linn.     Gooseberry.     Nicht  gewöhnlich. 
Ribes   floridum    L'Her.     Die    Wild    Black    Currant.     Gemein    aii 
den  Ufern  der  Bäche  (April  26). 

Ribes  aureum  Pursh.     Buffallo  Currant.     Gemein  (April  20). 

Onagraceae. 
Oenothera  biennis  Linn. 
Oenothera  pinnatifida  Nutt. 
Oenothera  albicaulis  Nutt. 
Oenothera  coronopifolia  Torr.  u.  Gray. 
Oenothera  parviflora  Watson. 
Gaura  coccinea  Nutt. 

Loasaceae. 
Mentzelia  nuda  Toor.  u.  Gray. 
Mentzelia  ornata  Toor.  u.  Gray. 

Cucurbitae  eae. 

Sicyos  angulatus  Linn.  An  Ufern  und  auf  feuchtem,  waldigem 
Boden. 

Cactaceae. 
MamviiUaria  vivipara  Haw.     Kaktus. 
Mammillaria  missouriensis  Sweet. 
Opuntia  RafinescpuH  Engelm.  Indianische  Feige. 
Diese    drei  Arten    finden    sich    auf    den   trockenen  Prairien  und 
auf  hüo-elio-em  Gelände. 


•o^^'o' 


Beobachtungen  aus  der  Flora  der  Rosobud-Indian-Reservation  in  South-Dakota.   345 

TJmhdliferae. 
Polytaenia NiittalliiDC  Allenthalben  in  zeitigem  Frühjahr (Aprill). 
^        Peucedanum  foeniculaceum  Nutt. 

PeucedanuiH  villosum  Nutt.  (April  1), 

m 

Compositae. 

Erigei'on  annuus  Pers. 

Ambrosia  ariemisiaefolia  Linn. 

Xanthium  stmmarium  Linn.     Cocklebur.     Nur  zu  gemein. 

Chrysanthemum  leucanthemum  Linn.  White  weed.  Ein  lästiges 
Unkraut  allenthalben. 

Krkjia  mrginka  Willd.  Dwarf  Dandelion.  Sehr  gemein  in 
mittlerer  Höhenla<je. 

Relianthus  annuus  Linn.     Common  Suufiower. 

Heliantlnis  orgyalis  DC. 

Relianthus  grosse  serratus  Martens. 

Helianthus  Maximiliani  Schrader. 

Helianthus  subcanescens  Gray. 

Snlidago  nemoralis^  var.  incaua,  Gray.     Golden  Rod. 

Cnicus  lanceolatus  Hoffm.  Common  Thistle.  Gemein  auf  ge- 
brochenem Grund. 

Bideiis  bipinnata  Linn.    Spanish  Needle.    Sparsam  und  zerstreut. 

Lobeliaceae. 
Lobelia  inflatalAnw.    Indian  Tobacco.    Gemein;  von  den  Indianern 
als  Medizin  gebraucht. 

Oleaceae. 
Fraxinus  americana  Linn.     White  Ash.     Ln  feuchten  Wald. 

Asclepiadaceae. 

Asclepias  Cornuti  Descaisne. 

Asclepias  verticillata  Linn.,  var.  pumila,  Gray. 

Boraginaceae. 
Echinospernncm  floribundum  Lehm.     „Beggar's  lice." 
Echinospermum  lappula  Lehm. 

Echinospermum  Redowskii  Lehm.     Diese    drei   Spezies  oben    sind 
sehr  gemein  in  den  waldigen  Landstrichen. 
Lithospermiün  hirtum  Lehm.     Gemein. 
Lithospermum  angustifolium  Michx.     Gemein. 

Convolvulaceae. 

Ipomoea  purpurea  Lam.     Kulturflüchtling. 

Ipomoea  leptophylla  Toor.     An  Wasserläufen  gemein. 


346  Albert  B.  Reagan: 

Solanaceae. 
Solanum  rostratum  Dunal.     Gremein. 

Verhenaceae. 

,    Verhena  hastata  Linn. 
Verbena  bracteosa  Michx. 

Labiatae. 

hanthus  caeruleus  Michx      Gemein. 
Mentha  cnnadensis  Liun.     Mint.     Gemein. 

Hedeoma  hispida  Piirsh.    Pennyroyal.  Auf  hohen  sandigen  Hügehi. 
Salma  lanceolata  Willd.     Sage.     Sehr  gemein. 
Monarda    punctata    Linn.      Horse-Mint.      Sehr    gemein    in    den 
Tälern. 

Teucrium  occidentale  Gray. 

Nepeta  cataria  Linn.     Nicht  gewöhnlich. 

Plan  taginacea  e. 
Plantago  major  Linn.     Way-bread. 

Amarantaceae. 
Amarantus  albus  Linn.     Tumble  weed.     Sehr  gemein. 

Chenopodiaceae. 
Chenopodium  album  Linn.    Auf  bearbeitetem  Lande;  allenthalben. 

Polygonaceae. 

Rumex  acetosella  Linn. 

Rumex  venosus  Pursh.     Hie  und  da  beobachtet. 
Rumex  akissimus  "Wood. 
Rumex  crispus  Linn. 

Rumex  verticillatus  Linn.  Water-Dock.  Nur  ein  Exemplar  dieser 
Spezies  wurde  gesehen. 

Elaeagnaceae. 

Shepherdia  canadensis  Nutt.     Yellow  BufFalo  berry. 

Shepherdia  argentea  Nutt.  Scarlet  Buffallo  berry.  Diese  beiden 
S/i^pAerc/ia-Spezies  wurden  in  beinahe  allen  Tälern  des  Creekgebietes 
gefunden.  Die  Frucht  wird  von  den  Indianern  viel  gebraucht.  Sie 
trocknen  dieselbe;  dann  zerreiben  sie  die  Pulpa  und  die  Samen  zu- 
sammen, mischen  das  Pulver  mit  Weizenmehl  und  Wasser  und 
machen  es  zu  einem  Pudding,  den  sie  sehr  gern  essen.  Die  Weissen 
gebrauchen  diese  Frucht  auch,  um  eine  Gelee  zu  machen,  rHe  sie 
sehr  hochschätzen. 


Beobachtungen  aus  der  Flora  der  Rosebud-Indian-Reservation  iu  South-Dakota.  347 

Urtieaccae. 
Ulmus  flava  Michx.     Ked  Elm.     Gemein    an  Bächen.     Sie  wird 
-ein  grosser  Baum. 

Ulmus  americana  Linn.     White  Elm.     Nicht  gewöhnlich. 

(Jeltis  occidentalis  Linn. 

Cannabis  satica  Linn.     Hemp. 

Humulits  lupuhis  Linn.     Hop.     Gemein  an  Bäclien. 

Cupuliferae. 

Quercus  obtusiloba  Wood.     Gemein. 

Quercus  macrocarpa  Michx.  An  Ufern.  Diese  Spezies  bildet 
grösstenteils  den  Wald  im  Gebiet. 

Quercus  macrocarpa^  var.  depressa,  Engelm.  Eine  Zwergspezies, 
die  in  den  tiefen,  trockenen  Wasserläufen  und  Schluchten  gefunden 
ist.     Sie  wird  zwei  bis  vier  Fuss  hoch. 

Sulicaceae. 

Salix  amygdaloides  Anders. 

Salix  rostrata  Richardson.  An  Ufern  unmittelbar  längs  des 
W^assers. 

Salix  longifolia  Mühl.  Längs  des  Whiteflusses  und  bei  der  Ring- 
Thundersday-School. 

Populus  monilifera  Ait.     An  Bächen. 

Populus  heterophjjlla  Wood.     An  Bächen. 

Pinaceae. 

Pinus  Banksiana  Lambert.  Hie  und  da  auf  den  höchsten  Gipfeln 
des  Gebiets. 

Pinus  ponderosa  Dougl.  Dieser  Baum  wird  auf  den  Hoch- 
gipfeln und  längs  der  Lücken  der  Loup-Fork  (Arikaree)  formation 
gefunden. 

Jimiperus  virginiana  Linn.  Red  Cedar.  Dieser  Baum  wird  auf 
den  Robinson-Mauvaises-Terres  und  auf  allen  den  anderen  Miocen- 
Mauvaises-Terres    des  Gebiets  gefunden.     Er  wird  8 — 40  Fuss  hoch, 

Iridaceae. 

Sisyrinchium  angustifolium  Mill.  Blue-eyed  grass.  Gemein  (Mai 
und  Juni). 

Sisyrinchium  anceps  Cav.     Gemein  (Mai— Juni). 

LiUaceae. 

Nothoscordum  striatum  Kunth.  False  Garlic.  Sehr  gemein 
allenthalben. 

Yucca  angustifolia  Pursh.    Sehr  gemein  auf  der  Miocenformation. 


348  A.  B.  REAGAN:  Beobachtungen  aus  der  Flora  der  Rosebud-Indian-Reservation. 

Poli/gonatum  giganteum  Deitrich.  Great  White-wart.  Gemein 
in  Niedeningen  nahe  den  Bächen. 

Smilacina  stellata  Desf.  Die  falsche  Weisswurz.  Gewöhnlich  an 
niedrigen,  feuchten  Orten  (Mai  1). 

Covimelinaceae. 
Tradescantia  virginica  Linn. 

Juncaceae. 
Juncus  efusus  Linn.     Common  Rush. 

Typhaceae. 
Typha  latifolia  Linn. 

Gramineae. 

Bromus  Kahnii  Gray. 

Setaria  glauca  Baeuv.    Fox-tail.    Gemein  auf  bearbeitetem  Lande. 

Cenchrus  tribuloides  Linn.  Burdock-grass.  Auf  sandioem  Boden. 
Es  wird  hauptsächlich  auf  der  Arikareeformation  gefunden. 

Stipa  viridula  Tun. 

Agrostis  vulgaris  With.     Zerstreut  hier  und  dort. 

Bouteloua  oUgostachya  Torr.  Grauiagrass,  Xur  hier  mid  dort 
gefunden. 

Buchloe  dactyloides  Engelm.     Buffalograss. 

Elymus  canadensis  Linn.     Wild  Rye. 

Poa  tenuifolia!     Sehr  gemein. 

Chrysopogon  mutans  Benth. 

Festuca  ovina  Linn. 

AgropyruDi  repens  Baeauv. 

Calamagrostis  canadensis.     Gemein  an  feuchten  Orten. 

Equisetaceae. 
Equisetum  arvense  Linn.     Horse  tail. 

Fungi. 
Agaricus  campestris. 
hycoperdon  giganteum. 


W.  Zaleski:  Über  den  Umsatz  der  Nucleinsäure  in  keimenden  Samen.    349 


51.   W.  Zaleski:   Über  den  Umsatz  der  Nucleinsäure  in 

keimenden  Samen, 


Eingegangen  am  26.  Juni  1907, 


Vorliegende  Mitteilung  stellt  eine  Fortsetzung  der  im  Jahre  1902 
von  mir  publizierten  Arbeit  dar^)  und  hat  den  Zweck,  die  Umwandlung 
des  Eiweissphosphors,  besonders  den  der  Xucleinsäure  in  wachsenden 
Teilen  der  Keimpflanzen  zu  studieren. 

Kurz  vor  meiner  Mitteilung^)  hat  IWANOFF^)  eine  Arbeit  ver- 
öffentlicht, in  welcher  er  zu  dem  Schlüsse  kam,  dass  „die  phosphor- 
haltigen  Eiweissverbindungeu  (Nucleoalbumine  und  Nucleoproteide) 
sich  leicht  zersetzen,  und  dass  dieselben  —  dies  ist  besonders 
wichtio-  —  noch  in  der  lebenden  Pflanze  fast  gänzlich  zerfallen"» 
Ein  solches  Ergebnis  erschien  dem  Verfasser  als  unerwartet,  da  die 
während  der  Keimung  der  Samen  vor  sich  gehende  Vermehrung  der 
lebendeu  Protophasten,  besonders  die  der  Zellkerne,  eine  Zunahme 
„der  Nucleinsubstanzen"  zur  Folge  haben  müsste. 

IWANüFP  hat  keinen  Beweis  für  die  Zersetzung  der  Nucleo- 
proteide während  der  Keimung  der  Wickensamen  geliefert,  da  er 
diese  direkt  nicht  bestimmt  hat;  auch  hat  der  Verfasser  die  voll- 
ständige Abwesenheit  des  Eiweissphosphors  in  27 — 29  tägigen 
Wickenkeimlingen  nicht  durch  Analyse  konstatiert,  da  er  die  ganze 
Phosphormenge  (6,3  pCt.j,  welche  diese  in  Form  von  Lecithin  und 
auch  Eiweissstoffen  zusammen  enthielten,  dem  Lecithin  allein,  ohne 
eine  besondere  Analyse  desselben  zu  machen,  zugeschrieben  hat. 

Weiter  spricht  die  Tatsache  der  Verminderung  der  phosphor- 
haltigen  Eiweissstoffe  während  der  Keimung  der  Samen  nicht  gegen 
einen  Anteil  derselben  bei  der  Vermehrung  der  Protoplasten,  da 
diese  in  den  wachsenden,  nicht  aber  in  den  als  Reservestoffbehälter 
dienenden  Teilen  der  Keimpflanzen  vor  sich  geht. 

So  habe  ich  früher  nachgewiesen,*)  dass  während  der  Keimung 
der  Lupinus-^dmen  Hand  in  Hand  mit  der  fortschreitenden  Abnahme 
des  Eiweissstickstoffes  in  den  Cotyledonen  eine  allmähliche  Zunahme 
desselben  in  Axenorganen  vor  sich  geht. 


1)  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XX. 

2)  Zaleski  1.  c. 

3)  Iwanoff,  diese  Berichte,  Bd.  XX. 

4)  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XVIII. 


350  ^V,  Zaleski: 

Ich  vermutete  daher,  dass  ein  solches  Ergebnis  auch  für  die 
phosphorhaltigen  Eiweissstoffe  zu  beobachten  sein  wird,  was  ich  in 
meiner  oben  zitierten  Arbeit  zu  konstatieren  versuchte. 

Meine  Versuche  haben  aber  die  erwartete  Antwort  auf  diese 
Frage  nicht  gegeben,  was  aus  der  erwähnten  Mitteilung  zu  ersehen 
ist.  Ich  habe  damals  zu  den  Versuchen  die  Axenorgane  der  Lupinus- 
Keimlinge  von  späten  Stadien  der  Keimung  genommen,  in  welchen 
der  Eiweissaufbau,  wenn  solcher  überhaupt  stattfand,  schon  aufgehört 
hatte.  So  zeigten  z.  B.  die  Axenorgane  10-,  15-  und  ^ötägiger 
Keimlinge  nur  einen  geringen  Unterschied  in  ihrem  Gehalt  an 
Eiweissphosphor.  Es  erwies  sich  daher  als  notwendig,  die  früheren 
Stadien  der  Keimung  in  dieser  Beziehung  einer  Untersuchung  zu 
unterwerfen. 

Es  ist  der  Zweck  vorliegender  Mitteilung,  den  Umsatz  der 
phosphorhaltigen  Eiweissstoffe,  besonders  der  Nucleoproteide  oder 
vorsichtio-er  gesagt  den  der  Nucleinsäure  in  den  wachsenden  Teilen 
der  Keimpflanzen  vom  Anfang  der  Keimung  an  zu  verfolgen. 

Lujnnus-':^ameii  sind  zu  diesen  Versuchen  wenig  geeignet,  da  die 
Abtrennung  der  Axenorgane  von  den  Cotyledoneu  auf  sehr  frühen 
Stadien  der  Keimung  in  der  für  die  Analyse  nötigen  Zahl,  welche 
wegen  der  geringen  Grösse  der  Objekte  eine  bedeutende  wird,  eine 
umständliche  Arbeit  ist.  Daher  habe  ich  zu  diesen  Versuchen  die 
Samen  von  Victa  Faba  Windsor  gewählt,  da  die  wachsenden  Teile 
derselben  im  Vergleich  mit  denen  der  Lupinen  sehr  gross  sind 
und  leicht  zur  Analyse  in  hinreichenderMenge  gesammelt  werden  können. 

In  den  Versuchen  wurde  eine  bestimmte  Menge  der  im  Dunkeln 
gekeimten  Samen  von  Vicia  Faba  in  Cotyledoneu  und  Axenorgane 
zerlegt  und  dann  diese  allein  bei  60  -70"  getrocknet  und  zur 
Analyse  benutzt. 

Dann  bestimmte  man  Stickstoff  und  Phosplior  der  Eiweissstoffe 
und  die  Nucleinsäure. 

Zuerst  sei  hier  erwähnt,  auf  welche  Weise  wir  Xucleinsäure  be- 
stimmen können.  Die  von  STÜTZER  eingeführte  Methode  der  Ver- 
dauung der  Eiweissstoffe  durch  Pepsinsalzsäure  mit  der  nachfolgenden 
Bestimmung  des  Stickstoffes  im  unverdaulichen  Reste,  welche  einige 
Forscher  zur  Bestimmung  der  Nucleoproteide  benutzten,  wurde  mit 
Recht  von  IWANÜFF^)  auf  Grund  der  Untersuchungen  von  LUBAWIN,^) 
UmbeR,^)  SZUMOWSKY*)  und  Wimann ^)  einer  scharfen  Kritik  unter- 
worfen. 


1)  Iwanoff,    Über  die  Umwaudlunoeu  des  Phosphors  in  der  Pflanze  im  Zu- 
sammenhange mit  der  Eiweissverwandlung,  russische  Arbeit  19U5. 

2)  LUBAWIN,  Journ.  Russ.  Phys  -ehem.  Ges.,  Bd.  XI. 

3;  Umber,  Zeitschr.  für  klinische  Medizin,  Bd.  43,  1901. 

4)  SZUMOWSKY,  Zeitschr.  für  physiolog.  Cheni.,  Bd.  XXXVI. 

5)  Wimann,  Maly's  Jahresber.,  Bd.  XXVII. 


über  den  Umsatz  der  Nucleinsäurc  in  keimenden  Samen.  351 

Ein  zweites  und  bis  jetzt  einziges  Mittel,  die  Nucleinsäure  zu 
bestimmen,  besteht  in  der  Bestimmung  der  Purinbasen  derselben^ 
welche  die  charakteristischen  Spaltungsprodukte  der  Nucleinsäure 
darstellen,  obgleich  man  zugestehen  muss,  dass  auch  diese  Methode 
an  einigen  Übelständen  leidet.  So  haben  wir  keine  ganz  genaue 
Methode  der  Abscheidung  der  Nucleinbasen  von  anderen  Stoffen,  die 
gleichzeitig  mit  jenen  während  der  Spaltung  der  Nucleinsäure  durch 
Mineralsäuren  entstehen.  In  jedem  Falle  gestattet  sie  aber  bei 
gleicher  Ausführung  eine  Yergleichung  der  relativen  Werte. 

Wenn  wir  also  ein  und  dasselbe  Objekt  auf  verschiedenen 
Stadien  der  Keimung  verfolgen,  so  können  wir  bei  einem  bestimmten 
Unterschiede  im  Gehalt  an  Stickstoff  der  Purinbasen,  die  an  Xuclein- 
säure  gebunden  sind,  von  der  entsprechenden  Umwandlung  der 
letzteren  sprechen. 

Die  Bestimmung  des  Purinbasenstickstoffes  der  Xucleinsäure 
wurde  folgenderweise  ausgefülirt.  Zuerst  wurden  die  Nucleoproteide^ 
eigentlich  die  phosphorhaltigen  Eiweissstoffe,  durch  Erhitzen  im 
Wasserbade  mit  0,2  pCt.  Salzsäure  ausgefällt,  auf  das  Filter  gebracht 
und  mit  derselben  Säure  o-ut  ausgewaschen.  Der  so  erhaltene 
Niederschlag,  welcher  auch  die  Nucleinsäure  enthält,  wur<le  mit 
1  —  4  pCt.  Schwefelsäure  am  Rückflusskühler  gekocht  oder  mit  der- 
selben Säure  im  Autoclaven  bei  100°  erhitzt.  Die  Lösung  wurde 
abfiltriert,  mit  dem  Waschwasser  vereinigt,  neutralisiert  und  nach 
Essigsäurezusatz  auf  dem  Wasserbade  eingeengt.  Dann  wurden  die 
Purinbasen  nach  Ammoniakzusatz  mit  ammoniakalischer  Silberlösung 
gefällt,  mit  Ammoniak  und  Wasser  gewaschen  und  nach  Ammoniak- 
entfernung ^)  zur  Bestimmung  des  Stickstoffes  nach  KJELDAHL  be- 
nutzt. Zur  Kontrolle  wurden  die  Purinbasen  auch  nach  RrCgerV 
Methode^)  mit  Xatriumbisulfit  und  Kupfersulfat  ausgefällt  und  dann 
nach  Kupferentfernung  mit  ammoniakalischer  Silberlösung  versetzt, 
und  der  so  erhaltene  Niederschlag  nach  der  entsprechenden  Be- 
arbeitung zur  Bestimmung  des  Purinbasenstickstoffs  benutzt. 

Die  Bestimmung  des  Eiweissphosphors  geschah  in  der  früher 
beschriebenen  Weise. ^)  Die  durch  10  Minuten  langes  Erhitzen  im 
Wasserbade  durch  0,2  pCt.  Salzsäure  ausgefällten  Eiweissstoffe 
wurden  mehrmals  mit  absolutem  Alkohol  und  Äther  zwecks  Lecithin- 
entferuung  gekocht,  dann  mit  Schwefel-  und  Salpetersäure  nach 
NeUMANN's  Verfahren  verbrannt  und  zur  Bestimmung  des  Phosphors 


1)  Der  Niederschlag  wurde  von  den  letzten  Spuren  Ammoniaks  durch  Kochen 
mit  überschüssiger  Magnesia  befreit. 

2)  Hoppe-Seyler's  Handbuch  der  phys.  Anal.  1903.      BUEIAN    und    HOLL,. 
Zeitschr.  für  physiol.  Chera.  XXXVIII. 

3)  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XXIV. 


352  W.  Z ALESKI: 

iu  üblicher  Weise  verarbeitet.  Der  Stickstoff  der  nach  STUTZER 
-ausgefällten  Eiweissstoffe  wurde  nach  KJELDAHL  bestimmt. 

Die  Menge  aller  bestimmbaren  Substanzen  wurde  auf  100  Objekte 

p 

berechnet.     Ausserdem  wurde  noch    der  Koeffizient  -^^  der  Eiweiss- 

IS 

Stoffe,  dessen  IWANOFF^)  sich  so  oft  bediente,  um  über  den  Anteil 
der  Nucleoproteide  in  der  Gesamtmenge  der  Eiweissstoffe  zu  urteilen, 
bestimmt. 

1.  Versuch. 

100  Axenorgane  der  etiolierten  Keimpflanzen  von    Vicia  Faba. 
Keimlinge     ....         Stägige  9täo;io-e 

Eiweiss-]S^ 
Purinbasen-N    .     . 
Eiweiss-P     .     . 


p 
Koeffizient  -^r^  . 


0,0850  0,3755 

0,0075  0,0262 


0,0125  0,03:37 

1  1 

6,8  11,1 

2.  Versuch. 


100  Axenorgane  der  etiolierten  Keimpflanzen  von  Vicia  Faba. 

Keimlinge     ....         Stägige  9tägige 

Eiweiss-N     ....  0,0849  0,3760 

Eiweiss-P     ....  0,0120  0,0336 

P  1  1 

Koeffizient  ^  .     .     .  -^  vy 

3.  Versuch. 

100  Axenorgane  der  etiolierten  Keimpflanzen  von  Vicia  Faba. 

Keimlinge     ....         Stägige  9tägige 

Eiweiss-P     ....  0,0123  0,0330 

4.  Versuch. 

100  Axenorgane  der  etiolierten  Keimpflanzen  von  Vicia  Faba. 

Keimlinge     ....         3tägige  7  — 8tägige 

Purinbasen-N  .     .     .  0,0070  0,0241 


5.  Versuch.^) 

100  Axenorgane  der  etiolierten  Keimpflanzen  von    Vicia  Faba. 

Keimlinge     ....         2tägige  7  — 8tägige 

Purinbasen-N   .     .     .  0,0044  0,0182 


1)  Iwan  OFF  1.  c. 

2)  In  diesem  Vorsuclie  ■wurden  die  Purinbasen  nach  KRÜGER  bestimmt. 


über  den  Umsatz  der  Nucleinsäure  in  keimenden  Samen.  35ä 

Die  Anwesenheit  der  gebundenen  Purinbasen  in  dem  keimenden 
Embryo  weist  darauf  hin,  dass  dieser  Xucdeinsäure  enthält.  Über 
(l^n  Reichtum  der  Embryonen  an  Nucleinsäure  hat  sich  schon. 
OSBORN^)  ausgesprochen,   der  sie  aus  Weizenembryonen  isoliert  hat. 

Es  ergibt  sich  weiter,  dass  während  der  Keimung  der  Samen 
von  Vicia  Faba  eine  Zunahme  des  Eiweissphosphors  in  wachsenden 
Teilen  der  Keimpflanzen  stattfindet.  Da  Hand  in  Hand  mit  der 
Vermehrung  des  Eiweissphosphors  die  der  Purinbasen  in  den  Axen- 
organen  vor  sich  geht,  so  können  wir  sagen,  dass  während  der 
Keimung  unserer  Samen  die  Nucleinsäure  in  den  wachsenden  Teilen 
derselben  an  Menge  zunimmt.  Da  gleichzeitig  mit  der  Zunahme 
der  Nucleinsäure  auch  die  Yermehrung  des  Eiweissstickstoffes  in 
den  Axenorganen  der  Keimpflanzen  vor  sich  geht,  so  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  in  diesem  Falle  auch  die  Bildung  von  Nucleo- 
proteiden  stattfindet. 

P 

Wir  sehen  weiter,  dass  der  Koeffizient    ,,    der  EiweissstofPe  uus^ 

N 

kein  Mittel  gibt,  um  über  die  Art  der  Eiweissstoffe,  sowie  über  die 
Veränderung  derselben  zu  urteilen.  So  z.  B.  bilden  sich  während 
der  Keimung  der  Samen  in  den  Axenteilen  derselben  Nucleoproteide 

P 

ungeachtet  der  Verminderung  des  Koeffizienten  -^r^. 

Es  fragt  sich  jetzt,  ob  in  unseren  Versuchen  die  Bildung  der 
Nucleinsäure  in  den  Axenteilen  der  Keimpflanzen  stattfindet  oder 
sie  diesen  als  solche  aus  den  Cotyledonen  zuströmt.  Obgleich  die 
endgültige  Lösuns;  dieser  Frage  weiteren  Untersuchungen  überlassen 
sein  soll,  so  vermute  ich  doch,  dass  in  den  wachsenden  Teilen  der 
Keimpflanzen  die  Synthese  der  Nucleinsäure  stattfindet,  da  es  wenig 
wahrscheinlich  ist,  dass  diese  als  solche  den  Axenorganen  zuströmt, 
weil  sie  mit  den  Eiweissstoffen  Ausfällungen  gibt. 

Es  ist  daher  wahrscheinlicher,  dass  die  Purinbasen  und  Phosphate 
den  wachsenden  Teilen  der  Keimpflanzen  zuströmen,  wo  sie  mit  den 
anderen  Verbindungen  zum  Aufbau  der  Nucleinsäure  dienen.  Zu- 
gunsten  einer  solchen  Voraussetzung  spricht  auch  das  Vorhandensein 
in  den  Axenteilen  der  Keimpflanzen  des  Nucleinsäure  spaltenden 
Enzyms,  da  trotz  der  Anwesenheit  desselben  in  Axenorganen  die 
Zunahme  der  Nucleinsäure  stattfindet. 

Zum  Nachweis  des  Nucleinsäure  spaltenden  Enzyms  in  den 
Axenteilen  der  Keimpflanzen  wurden    folgende  Versuche    ausgeführt. 

Zu  diesen  Versuchen  wurden  nur  die  Stengelspitzen  der 
etiolierten  Keimpflanzen  von  Vicia  Faba  benutzt,  da  sie  eine  be- 
deutende   Menge    der    Nucleinsäure    enthalten.      Zu    diesem    Zweck 


^o^ 


1)  OSBOEN  und  Haeris,  Zeitschr.  für  physiolot--.  Chem.,  Bd.  XXXVI. 


354  ^^'-  Z ALESKI: 

wurden  die  Spitzen  bei  37°  getrocknet,  fein  pulverisiert  und  dann 
zu  Autolyseversuchen  benutzt.  Es  wurden  die  abgewogenen  Mengen 
des  Präparates  in  Gefässe  eingeführt,  mit  sterilisiertem  ^Yasser  und 
Toluol  versetzt  und  auf  bestimmte  Zeit  bei  38—39°  stehen  gelassen. 
Zur  Kontrolle  wurden  einige  von  diesen  Gefässen  eine  Viertelstunde 
lang  im  Wasserbade  erhitzt  und  nach  Tuluolzusatz,  wie  jene  bei 
denselben  Bedingungen  gehalten.  Xach  beendigtem  Yersuche  wurden 
Eiweissphosphor  und  die  Purinbasen  der  Nucleinsäure  in  oben  be- 
schriebener Weise  bestimmt  und    auf    300  Stengelspitzen    berechnet. 

6.  Versuch. 

Präparat  aus  Spitzen  24tägiger  Keimpflanzen  von   Vicia  Faba. 

Autodigestionsdauer  13  Tage. 

gekocht  ungekocht 

Eiweiss-P 0,0738  0,0183 

7.  Versuch. 

Präparat  aus  Spitzen  23tägiger  Keimpflanzen  von   Vk-ni  Faba. 

Autodigestionsdauer  13  Tage. 

gekocht  ungekocht 

Eiweiss-P 0,0712  0,0165 

8.  Versuch. 

Präparat  aus  Spitzen  25tägiger  Keimpflanzen  von    Vicia  Faba. 

Autodigestionsdauer  12  Tage. 

gekocht  ungekocht 

Purinbasen-N  .     .     .         0,05409  0,00908 

9.  Versuch. 

Präparat  aus  Spitzen  22tägiger  Keimpflanzen  von   Vicia  Faba. 

Antodigestionsdauer  12  Tage. 

gekocht  uugekocht 

Purinbasen-N  .     .     .         0,05425  0,00950 

Bei  der  Autodigestion  der  Stengelspitzen  von  Vicia  Faba  zersetzt 
sich  also  die  Xucleinsäure,  da  Hand  in  Hand  mit  der  Abnahme  des 
Eiweissphosphors  auch  die  Verminderung  der  gebundenen  Purin- 
basen während  der  Autolyse  stattfindet.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass 
die  enzymatische  Zersetzung  der  Nucleinsäure  in  den  autolysierten 
Spitzen  durcli  die  Nuclease,  welche  von  IWANOFF^)  als  ein  be- 
sonderes Enzym   charakterisiert  wurde,    verursacht    wird.      Ich    habe 


1)  Iwanoff,  Zeitschr.  für  pbysiolog.  Chem.  XXXIX. 


über  den  Umsatz  der  Nucleinsäure  in  keimenden  Samen.  355 

auch  in  audereu  Teilen  der  etiolierten  Keimpflanzen  Nuclease  ge- 
funden. 

Die  Zunahme  der  Nucleinsäure  in  den  Axenteileu  der  Keim- 
pflanzen und  die  Anwesenheit  der  vermutlichen  Nuclease  in  den 
Steng-elenden  derselben  führen  zum  Gedanken,  dass  in  den  Axen- 
oro-anen,  sei  es  an  verschiedenen  Stellen  oder  zu  verschiedenen 
Zeiten,  zwei  entgegengesetzte  Prozesse,  wie  der  Aufbau  und  der 
Abbau  der  Nucleinsäure  stattfinden.  Es  ist  z.  B.  möglich,  dass  der 
Aufbau  der  Nucleinsäure  zu  den  reversiblen  enzymatischen  Reaktionen 
gehört. 

IWANOFF^)  behauptet  auf  Grund  seiner^)  und  besonders  meiner 
früheren  Versuche  mit  Stengelspitzen  von  Vicia  Faba,  dass  Meristem - 
Wachstum  immer  mit  der  Zersetzung  der  organischen  Phosphor- 
verbindungen begleitet  ist.  So  sagt  IWANOFF  z.  B.:  „Das  hat  auch 
ZALESKI  bestätigt,^)  indem  er  (ZaLESKI)  die  Menge  des  Eiweiss- 
phosphors  während  des  Wachstums  der  Stengelspitzen  von  Vicia  Faba 
bestimmt  hat.  Auf  48  —  56  Spitzen  hat  ZalESKI  einen  Eiweiss- 
phosphorverlust  an  13— 18,4  w_^  als  P^MgoO^  bekommen.  Da  das 
Meristem  fast  seine  ganze  Phosphormenge  in  Form  von  Kucleo- 
proteiden  enthält,  so  wird  durch  ZalESKI's  Versuche  bew^iesen,  dass 
im  Meristem  die  Zersetzung  der  Nucleoprotoide  stattfindet." 

Meine  von  IWANOFF  zitierten  Versuche  sprechen  nur  für  den 
Abbau  der  Nucleinsäure  in  den  Stengelspitzen,  aber  geben  keine 
Antwort  darauf,  ob  die  Zersetzung  in  dem  Meristem  oder  an  anderer 
Stelle  der  Keimpflanzen  stattfindet,  da  das  Meristem  einen  sehr 
kleinen  Teil  der  Spitzen  darstellt. 

Ganz  willkürlich  ist  auch  IWANOFF's  Behauptung  über  das  Vor- 
handensein der  Nuclease  im  Meristem,  die  er  auf  Grund  des  folgen- 
den Versuches  gezogen  hat.  Der  Verfasser  hat  die  Spitzen  der 
Spargeln  von  der  Länge  1  cm  vom  Stengel  abgetrennt,  mit  Wasser 
zerrieben  und  den  so  erhaltenen  Brei  in  zw^ei  Portionen  geteilt. 
Eine  dieser  Portionen  wurde  vorher  gekocht  und  dann  mit  der 
anderen  auf  4  Tage  bei  34°  der  Autodigestion  überlassen.  Nach 
Verlauf  dieser  Zeit  bestimmte  der  Verfasser  den  Phosphatgehalt  in 
den  abfiltrierten  Flüssigkeiten: 

.P2O5 

gekocht 13,6  mg 

ungekocht       .     .     .     .     51,2    „ 

Es  bleibt  unentschieden,  ob  die  Bildung  der  Phosphate  auf 
Kosten     der    Nucleoproteide     oder     anderer     organischer    Phosphor- 


1)  Iwanoff  1.  c.  (russische  Arbeit). 

2)  Iwanoff,  Jahrb.  für  wissensch.  Bot.,  Bd.  36. 

3"!  IwANOFF  hat  nur  seine  mikrochemischen  Untersuchungen  im  Auge. 


356  W.  Z ALESKI: 

Verbindungen  vor  sich  ging.  Meine  Bestimmungen  z.  B.  zeigen, 
dass  die  Stengelspitzen  von  Vicia  Faba  nur  58  pCt.  Phosphor  in 
Form  von  Eiweissstoffen  enthalten.  Ob  sich  die  Nuclease  tatsächlich 
im  Meristem  findet,  bleibt  zu  erforschen,  da  das  Meristem  einen  sehr 
geringen  Teil  der  1  cm  langen  Spitzen  darstellt. 

Ich  kann  auch  IWANOFF  auf  Grund  unserer  in  der  vorliegenden 
Arbeit  mitgeteilten  Versuche  mit  Vicia  Faba  nicht  beistimmen,  wenn 
er  sagt:  „So  sehen  wir,  dass  die  Protoplasten  der  Keimpflanzen 
augenscheinlich  nicht  aus  Nucleoproteiden  oder  Plastin,  sondern  aus 
Eiweissstoffen,  die  an  Phosphor  im  Verhältnis  zum  Stickstoff  sehr 
arm  sind,  aufgebaut  werden.  Dass  Wickensamen  keine  Ausnahme 
in  dieser  Beziehung  darstellen,  zeigt  der  Versuch  von  ZalESKI  mit 
Lwpinus,  was  der  Verfasser  (ZALESKI)  selbst  augenscheinlich  nicht 
bemerkt  hat." 

Ich  habe  keine  A^oraussetzung  über  den  Charakter  der  phosphor- 
haltigen  Eiweissstoffe  der  Keimpflanzen  von  Lupinus  ausgesprochen^) 
und  habe  auch  niemals  bezweifelt,  dass  die  Nucleoproteide  im  Ver- 
gleich mit  den  anderen  Eiweissstoffen  des  ganzen  Samens  einen 
kleinen  Betrag  darstellen,  da  der  grösste  Teil  desselben  aus  Reserve- 
stoflfen  besteht.  Ich  habe  daher  damals  die  Veränderung  der 
phosphorhaltigen  Eiweissstoffe  in  Axenorganen,  wo  die  Neubildung 
der  Zellen  erfolgt,  zu  verfolgen  versucht. 

Ich  kann  weiter  eine  Bemerkung  IWANOFF's,  die  auch  Bezug 
auf  mich  hat,  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen. 

IWANOFF^)  schreibt:  „UmiKOFF  und  der  ihn  zitierende  ZALESKI 
halten  unrichtigerweise  diese  Zahlen^)  für  anorganische  Phosphate." 
IWANOFF  hat  diesen  Schluss  nur  aus  folgenden  meinen  Worten  ge- 
zogen: „In  der  Tat  hat  UMIKOFF  gefunden,  dass  der  Phosphor  der 
Samen  und  Knollen  hauptsächlich  in  organischer  Form  gespeichert 
ist."  Aus  diesem  Satze,  welcher  nichts  über  die  Phosphate  enthält, 
konnte  man  allenfalls  eher  den  entgegengesetzten  Schluss  ziehen, 
als  den  von  Seiten  IWANOFF's  gemachten.  Denn  „hat  IWANOFF 
augenscheinlich  nicht  bemerkt",  dass  ich  in  den  Lwpm?<Ä-Keimpflanzeu 
ausser  Phosphaten  auch  die  wasserlöslichen  organischen  Phosphor- 
verbindungen bestimmt  habe,  weshalb  ich  nicht  der  Meinung  sein 
konnte,  dass  UmiKOFF's  Zahlen,  welche  für  alle  in  0,2  pCt.  Salzsäure 
lösliche  Phosphorverbindungen  gelten,  nur  anorganische  Phosphate 
bezeichnen. 

Charkow,  Pflanzenphysiolog.  Kabinett. 


1)  ZALESKI,  diese  Berichte,  Bd.  XX. 

2)  Iwanoff  1.  c.  (russische  Arbeit). 

3)  Diese    Zahlen    bezeichneu    alle   in   0,2  pCt.    Salzsäure   lösliche    Phosphor- 
verbindungeu  (Umikoff's  Tabelle;  ZALESKI,  diese  Berichte,  Bd.  XX). 


über  die  autolytische  Ammoniakbildung  in  den  Pflanzen.  357 


52.  W.  Zaieski:  Über  die  autolytische  Ammoniakbildung  in 

den  Pflanzen. 


Vorläufige  Mitteilung. 


Eingegangen  am  26.  Juni  1907. 


Schulze^)  und  seine  Mitarbeiter  haben  Ammoniak  in  etiollerten 
Keimpflanzen  nachgewiesen.  Später  hat  BUTKEWITSCH^)  gezeigt, 
dass  sich  in  Keimlingen  während  der  Äther-  und  Toluolanästhesie 
Ammoniak  speichert,  obgleich  es  unbekannt  blieb,  ob  diese 
Ammouiakansammlung  in  den  lebenden  oder  in  den  getöteten  Keim- 
pflanzen stattfand. 

Es  drängte  sich  die  Vermutung  auf,  dass  die  Ammoniakbildung 
zu  den  enzymati sehen  Vorgängen  gehört. 

Enzymati  sehe  Ammoniakbildung  wurde  mehrmals  konstatiert. 
So  haben  HlRSCHLER"),  KUTSCHER*),  ZUNZ"*)  und  COHNHEIM^) 
unter  den  Produkten  des  Eiweissabbaues  durch  die  proteolytischen 
Enzyme  Ammoniak  gefunden.  JaCOBY'^)  hat  eine  deutliche  Zunahme 
des  Ammoniaks  in  dem  unter  Toluolzusatz  aufbewahrten  Lebersafte 
beobachtet  und  dies  auf  die  Enzymwirkung  zurückgeführt.  Später 
haben  GONNERMANN^),  LaNG^)  und  SCHIBATA'")  gezeigt,  dass  die 
zerriebenen  tierischen  Orgaue  und  die  autolysierten  Pilze  während 
der  Autodigestion  aus  Aminosäuren  und  Amiden  Ammoniak 
abspalten. 

Neuerdings  hat  CasTORO")  die  autolytische  Ammoniakbildung 
in  den  etiolierten  Keimpflanzen  nachgewiesen.  So  hat  der  Verfasser 
gefunden,    dass    in    Keimpflanzen,    welche    vor    der    Autolyse    gegen 


1)  Schulze,  Landw.  Jahrb.   Bd.  XXXV.     Castoro,    Zeitschr.    für    phjsiol. 
Chemie  Bd.  L. 

2)  Butkewt:tsch,      Tageblatt      des      elften      Naturforscherkongresses      in 
St.  Petersburg. 

3)  Hirschler,  Zeiischr.  für  physiol.  Chemie  Bd.  X. 

4)  Kutscher,  Endprodukte  der  Trypsinverdauung  1899. 

5)  ZUNZ,  Zeitschr.  für  physiol.  Chemie  Bd.  XXVII I. 

6)  COHNHEIM,  Ibidem  Bd.  XXXV. 

7)  Jacoby,  Ibidem  Bd.  XXX. 

8)  GONNERMANN,  PflÜGER's  Archiv  für  ges.  Physiol.  Bd.  89. 

9)  Lang,  Beiträge  zur  ehem.  Physiol.  und  Pathol.  Bd.  V. 

10)  SCHIBATA,  Ibidem. 

11)  Castoro,  Zeitschr.  für  physiol.  Chemie  Bd.  L. 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellsch.    XXV.  95 


358  W.  Zaleski: 

0,074—0,078  pCt.  Ammoniakstickstoff  enthielten,  nach  der  Auto- 
digestion   die  Menge    desselben  bis  0,228 — 0,265  pCt.  gestiegen  war. 

Ich  will  noch  einige  Fälle  der  autolytischen  Ammoniakbildung, 
die  ich  beim  Studium  der  Eiweissbiidung  in  den  Pflanzen  in  einigen 
Objekten  beobachtet  habe,  mitteilen. 

UnsereVersuche  wurden  in  folgenderWeise  angestellt.  DiePflanzen- 
objekte  wurden  bei  37°  getrocknet,  fein  pulverisiert  und  in  diesem 
Zustande  zu  Autodigestionsversuchen  benutzt.  Es  wurden  die  ab- 
gewogenen Mengen  des  Präparates  in  Gefässe  eingeführt,  mit 
sterilisiertem  Wasser  und  Toluol  versetzt  und  auf  bestimmte  Zeit 
bei  38—39°  stehen  gelassen.  Zur  Kontrolle  wurden  einige  von 
diesen  Gefässen  eine  Viertelstunde  lang  im  Wasserbade  erhitzt  und 
nach  Toluolzusatz  wie  jene  bei  denselben  Bedingungen  gestellt. 

In  anderen  Fällen  wurden  Objekte  mit  Quarzsand  zerrieben 
und  in  einer  BUCHNER'schen  Presse  bei  300  Atm.  abgepresst.  Der 
so  erhaltene  Presssaft  wurde  dann  zu  Autodigestionsversuchen  ge- 
nommen. 

Nach  beendigtem  Versuche  wurde  Ammoniak  nach  BOSSHARD^) 
bestimmt. 

1.  Versuch. 

Präparat  aus  Stengelspitzen  der  etiolierten  Keimpflanzen  von 
Vicia  Faba  Windsor.  Autodigestionsdauer  acht  Tage.  In  Prozenten 
des  Präparates: 

gekocht  ungekocht 

pCt.  pCt. 

Ammoniak-N  .     .     .  0,2151  0,3378 

2.  Versuch. 

Präparat  aus  Stengelspitzen  der  etiolierten  Keimpflanzen  von 
Vicia  Faba.  Autodigestionsdauer  sieben  Tage.  In  Prozenten  des 
Präparates: 

gekocht  ungekocht 

pCt.  pCt. 

Ammoniak-N  .     .     .   0,2102  0,3364 

3.  Versuch. 

Presssaft  aus  etiolierten  Keimflanzen  von  Vicia  Faba.  Auto- 
digestionsdauer vier  Tage.  Auf  die  Gesamtmenge  des  Saftes  be- 
rechnet sich: 

gekocht  ungekocht 

Ammoniak-N  .     .     .   0,0870  0,1090 


1)  BOSSHAED,  Landw.  Jahrbücher  1880. 


über  die  autoljtischo  Ammoniakblldnng  in  den  Pflanzen.  359 

4.  Versuch. 

Presssaft  aus  Spargeln.  Autodigestionsdauer  sechs  Tage.  Auf 
die  Gesamtmenge  des  Saftes  berechnet  sich: 

gekocht  ungekocht 

Ammoniak-N  .     .     .  0,1062  0,1264 

Es  bleibt  zunächst  unentschieden,  ob  das  in  unseren  Versuchen 
gebildete  Ammoniak  direkt  aus  Eiweissstoffen  oder  aus  den  primären 
Zersetzungsprodukten  derselben  gebildet  worden  war. 

Schulze^)  hat  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  Ammoniak  aus 
den  primären  Eiweisszersetzungsprodukten  in  den  Keimpflanzen 
entsteht  und  dann  zur  Synthese  von  Asparagin  resp.  Glutamin 
verbraucht  wird.  Der  Grund  einer  solchen  Umwandlung  liegt  nach 
der  Ansicht  von  SCHULZE  darin,  dass  eine  Ammoniakansammlung, 
wie  schon  LOEW  ausgesprochen  hat,  für  die  Pflanzen  ungünstig  ist. 
Es  ist  auch  wahrscheinlich,  dass  in  anderen  Fällen  Ammoniak  mit 
Umgehung  des  Asparaginstadiums  zur  Eiweissbildung  dient.  Eine 
ganze  Reihe  ^)  von  Forschern  haben  gezeigt,  dass  gerade  das 
Ammoniak  ein  für  die  Eiweisssynthese  sehr  brauclibares  Material  ist. 
Der  Grund  dieser  Erscheinung  liegt  wahrscheinlich  darin,  dass 
Ammoniak  das  geeignetste  Material  zur  Bildung  solcher  Verbindungen 
darstellt,  welche  als  Vorstufen  zur  Eiweissbildung  erscheinen. 

Es  ist  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  bei  Bedingungen,  die 
zur  Eiweissbildung  geeignet  sind,  Ammoniak  dazu  verbraucht 
wird,  in  anderen  Fällen  aber  derselbe  in  Form  von  Asparagin 
gespeichert  wird. 

Der  Ammoniakverbrauch  in  den  Pflanzen  wird  wahrscheinlich 
durch  entsprechende  Enzyme  verursacht.  Ich  will  hier  einen  Versuch 
mit  AUiumzwiebehi,  während  deren  Autolyse  ich  Ammoniakverbrauch 
gefunden  habe,  erwähnen. 

5.  Versuch. 

Presssaft  aus  Zwiebeln  von  Allium  Cepa.  Autodigestionsdauer 
vier  Tage  bei  b7°  und  dann  acht  Tage  bei  Zimmertemperatur.  Auf 
die  Gesamtmenge  des  Saftes  berechnet  sich: 

gekocht  ungekocht 

Ammoniak-N  .     .     .  0,1524  0,1202 

0,1541  0,1201 


1)  Schulze,     Zeitschr.     für    physiol.    Chemie    Bd.  24.      Landw.    Jahrbücher 
Bd.  XXXV. 

2)  Maze,  (Ann.  Inst.  Pasteur  T.  XIV).    Treboux,  Diese  Berichte  Bd.  XXII. 
Artari,  Jahrb.  für  wiss.  Botanik  XLIII. 

25* 


360  W.  Z ALESKI: 


Obgleich  dieser  Versuch  auf  den  Ammoniakverbrauch  in  autoly- 
sierten  Zwiebeln  hinweist,  so  wäre  es  doch  jetzt  voreilig,  aus  diesem 
vorläufigen  Versuche  eine  bestimmte  Schlussfolgerung  zu  machen, 
da  ausser  der  Synthese  von  Amidosubstanzen  oder  Phosphatiden 
auch  eine  echte  Aramoniakausfällung  in  Form  von  Ammonium- 
magnesiumphosphat im  Bereiche  der  Möglichkeit  liegt.  Ich  gedenke 
diese  Frage  eingehender  zu  studiereu. 

Charkow.    Pflanzenphysiol.  Kabinett. 


53.  W.  Zaieski:    Über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  in 

den  Pflanzen. 

Eingegangen  am  26.  Juni  1907. 


Ich  habe  schon  vor  längerer  Zeit  gezeigt,^)  dass  nach  der  Ver- 
wundung der  Zwiebeln,  Knollen  und  Wurzeln  verschiedener  Pflanzen 
eine  Zunahme  des  EiweissstickstofFes  in  denselben  stattfindet.  Etwas 
später  versuchte  KOWSCHOFP^)  durch  zwei  unten  folgende  Versuche 
zu  beweisen,  dass  sich  aucTi  die  Nucleoproteide  in  den  verwundeten 
Zwiebeln  von  Allium  Cepa  bilden.     So  z.  B.: 

1.  Versuch. 

Kontrollportion  Versuchsportion 
Eiweiss-P  in  Prozenten  des  Gesamt-P  .     11,5  pCt.  12,0  pCt. 

P    der    unverdaulichen  Eiweissstoffe   in 

Prozenten  des  Gesamt-P    ....       6,3     „  10,5     „ 

P 

Der  Koeffizient  ^r^  der  unverdaulichen 


Eiweissstoffe 


1  2. 

14  13 


2.  Versuch.^) 

Kontrollportion  Versuchsportion 
Eiweiss-P  in  Prozenten  des  Gesamt-P  .       4,2  pCt.  5,8  pCt. 

P    der    unverdaulichen  Eiweissstoffe  in 

Prozenten  des  Gesamt-P   ....       3,6     „  4,6     „ 


1)  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XIX. 

2)  KOWSCHOFF,  diese  Berichte,  Bd.  XXI. 

3)  In    diesen   Versuchen   wurden    die    Zwiebeln    von   Allium    Cepa   in     einen 
dampfgesättigten  dunklen  Raum  auf  fünf  Tage  eingeführt. 


über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  in  den  Pflanzen.  361 

Kontrollportion         Versuchsportion 
p 
Der  Koeffizient  -^r^  der  unverdauliclien 

Eiweissstoffe —  — 

7  7 

Diese  Yersuche  bereehtioen  aber  nicht  die  Schlussfolo-erunu;  des 

Verfassers  über  die  Bildung  der  Nueleoproteide  in  den  verwundeten 

p 
Zwiebeln.   Das  kleine  Verhältnis    -^  der  unverdaulichen  Eiweissstoffe, 

welches  der  Verfasser  im  ersten  Versuche    gefunden    hat,    entspricht 

den    Nucleinen    nicht,    da    sich    diese    durch    einen    weit    grösseren 

p 
Koeffizient  -^^  charakterisieren.      Es    ist    daher    unverständlich,    wie 

der  Verfasser    bei    der  Verdauung    der    Eiweissstoffe    durch    Pepsin- 

P  1 

Salzsäure  ein  so  kleines  Verhältnis  von    „  ,    wie  -  t  bekommen    hat. 

N  14 

Im  zweiten  Versuche  aber  schwankt  der  Phosphorgehalt  der  unver- 
daulichen Eiweissstoffe  in  der  Fehlergrenze  der  Analyse.  Es  ist 
auch  auffallend,  dass  die  Zwiebeln  von  Allium  Cepa  eine  so  kleine 
Menge  des  Eiweissphosphors  (z.  B.  4,2  pCt.),  wie  sie  der  Verfasser 
beobachtet  hat,  enthalten  sollen. 

Weiter  hat  auch  IWANOFF')  die  Zunahme  des  Eiweissphosphors 
in  den  verwundeten  Zwiebeln  von  Allium  ascalonicum  und  Allium 
Cepa  beobachtet,  was  aus  zwei  seiner  Versuche  zu  ersehen  ist. 
So  z.  B. 


1.  Versuch.    Zwiebeln  von  Allium  ascalonicum. 

Kontrollpoitiou  Versuchsportion 

Eiweiss-N  in  Prozenten  der  Trocken- 
substanz      1,070  pCt.  1,240  pCt. 

Eiweiss-P  in  Prozenten  der  Trocken- 
substanz      0,128     „  0,150     „ 

Gesamt-P  in  Prozenten  der  Trocken- 
substanz   0,221     „  0,237     „ 

Eiweiss-P  in  Prozenten  des  Gesamt-P  57        „  63        „ 

P  1  1 

Das  Verhältnis   ^r=p  der  Eiweissstoffe  ^  ^  -^^^k- 

N  8,3  8,3 


1)  Iwanoff,   Über  die  Umwandluno-en  des  Phosphors  in  der  Pflanze  im  Zu- 
sammenhange mit  der  Eiweissverwandluug  (russische  Arbeit  1905). 


362  W.  ZALESKI: 

2.  Versuch.    Zwiebeln  von  Allium  Cepa.^) 

Kontrollportion  Versuclisportion 

Eiweiss-N  in  Prozenten  der  Trocken- 
substanz     1,10  pCt.  1,72  pCt. 

Eiweiss-P  in  Prozenten  der  Trocken- 
substanz     0,12     „  0,18     „ 

P  1  1 

Das  Verhältnis  -^r -pr-  -r- 

N  9  9 

p 

Der  Meinung  IWANOFF's  nach  entspricht  das  Verhältnis  -^  der 

Eiweissstoflfe  der  Zwiebeln  seiner  Grösse  nach  dem  der  Nucleo- 
proteide  und,  da  sich  dasselbe  während  des  Versuches  nicht  ver- 
ändert, so  hat  er  daraus  den  Schluss  gezogen,  dass  sich  nur  Nucleo- 
proteide  in  den  verwundeten  Zwiebeln  bildeten. 

Streng  gesagt,  hat  IWANOFF  die  Bildung  des  Eiweissphosphors 
nach  der  Verwundung  der  Zwiebeln  nicht  exakt  bewiesen,  da  er  im 
ersten  Versuche,  wie  er  selbst  sagt,  Lecithin  nicht  entfernt  hat,  wo- 
durch es  unentschieden  bleibt,  ob  die  vom  Verfasser  nachgewiesene 
Zunahme  des  Eiweissphosphors  den  Eiweissstoffen,  dem  Lecithin 
oder  beiden  zusammen  zugeschrieben  werden  muss.  Im  zweiten 
Versuche  aber  hat  der  Verfasser  die  Bestimmung  des  Gesamt-P  und 
-X  nicht  ausgeführt,  indem  er  über  die  Bildung  des  Eiweissphosphors 
nach  der  Veränderung  desselben  in  Prozenten  der  Trockensubstanz 
urteilte. 

Bevor  wir  uns  zu  den  Versuchen  mit  Zwiebeln  von  Allium  Cepa 
wenden,  wollen  wir  die  Versuche  anführen,  welche  den  Umsatz  des 
Eiweissphosphors  während  der  Verwundung  anderer  perennierender 
Organe,  in  welchen  ich  eine  Zunahme  des  Eiweissstickstoffs  früher 
nachgewiesen  hatte, ^)  zu  verfolgen  bezwecken. 

Zu  diesen  Versuchen  wurden  Kartoffel-  und  Dahlia-KnoUen  ge- 
nommen, wobei  jene  zuvor  von  den  Augenknospen,  um  Meristem- 
zellen zu  beseitigen,  befreit  wurden. 

Bei  diesen  Versuchen  wurde  ein  Quantum  der  Objekte  mit 
einem  Scalpell  in  vier  gleiche  Teile  zerschnitten  und  dann  in  zwei 
Portionen,  von  denen  jede  zwei  Stück  aller  Knollen  enthielt,  geteilt. 
Darauf  ^Yurde  eine  Portion  (Kontrollportion)  bei  70°  getrocknet,  die 
andere  aber  in  einen  dampfgesättigten  dunklen  Raum  eingeführt. 
Nach  beendetem  Versuche  (3—4  Tage)  wurde  auch  diese  Portion 
(Versuchsportion)  bei  70°  getrocknet. 


1)  Im  ersten  Versuche  wurden   die  Zwiebeln   auf   drei,   im    zweiten    auf  vier 
Tage  in  einen  dampfgesättigten  dunklen  Eaum  eingeführt. 

2)  W.  Zaleski  1.  c. 


über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  in  den  Pflanzen.  363 

Darauf  bestimmte  man  Gesamt-  und  Eiweissstickstoff   und   dann 

p 

auch  Gesamt-    und  Eiweissphosphor,    woraus    das  Verhältnis  ^^-  der 

Eiweissstoffe  derselben  berechnet  wurde.  Die  Menge  aller  bestimm- 
baren Verbindungen  wurde  in  Prozenten  der  lufttrockenen  Substanz 
ausgedrückt.  Die  quantitative  Bestimmung  aller  Verbindungen  ge- 
schah in  der  früher  beschriebenen  Weise. ^) 

1.  Versuch,    fiartoffelknolleu. 

Kontrollportion  Versuchsportion 

Gesamt-N 1,4083  pCt.  1,4648  pCt. 

Eiweiss-N 0,6799     „  0,8106     „ 

Gesamt-P 0,3045     „  0,3215     „ 

Eiweiss-P 0,1209     „  0,1270     „ 

P  ^.      .  ]  1 

Das  A  erhältnis  -„-  der  Eiweissstoffe        ,   .  — r — 

N  0,6  6,4 

Eiweiss-X  in  Prozenten  des  Gesamt-N       48,2  pCt.  55,3  pCt. 

Eiweiss-P  „         „  „   Gesamt-P       39,7     „  39,5     „ 

2.  Versuch.    Kartoffelknollen. 

Kontrollportion         Versuchsportion 
Eiweiss-N  in  Prozenten  des  Gesamt-N  .     48,4  pCt.  56,5  pCt. 

Eiweiss-P    „  „  „     Gesamt-P  .     39,8     „  39,6     „ 

p 

Das  Verhältnis  ^^  der  Eiweissstoffe  der  Kartoifelknollen  ist  ein 

N 

bedeutendes  und  entspricht  seiner  Grösse  nach  dem  der  Nucleo- 
proteide,  in  welchen  dieser  Koeffizient  gegen  -^  bis  y^  erreicht. 
Nach    der  Verwunduno;    der  Knollen    verändert    sich    der  Koeffizient 


'o 


p  .  . 

-^  sehr   wenig    und    entspricht    dem    der  Nucleoproteide.     Während 

des  Versuches  beobachteten  wir  in  den  Kartoffelknollen  keine  Zu- 
nahme des  Eiweissphosphors,  obgleich  der  Eiweissstickstoff  eine 
Vermehrung  erfährt,  was  auf  den  Aufbau  der  phosphorfreien  Eiweiss- 
stoffe hinweist. 

Ob  sich  die  phosphorfreien  Eiweissstoffe,  welche  sich  in  den  ver- 
wundeten Kar toffelku ollen  bilden,  als  solche  in  diesen  ablagern,  oder 
sich  mit  der  schon  vorhandenen  Nucleinsäure  die  Nucleoproteide  bilden, 

P  .      . 

was  nach   dem  grossen  Verhältnis  ^^r^  der  Eiweissstoffe  zu  schliessen 

p       .       . 

möglich  wäre,    unbekannt  bleibt,    da    der  Koeffizient  -^rf-  kein  Mittel 

o  :  '  N 

gibt,  um  über  die  Veränderung  der  Eiweissstoffe  zu  urteilen. 


1)  W.  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XX  und  XXIV. 


364  W.  ZALESKI: 

3.  Versuch.    Knollen  von  Dahlia  variabilis. 

Konlrollportion         Versuclisportion 
Eiweiss-N  in  Prozenten  des  Gesamt-N  .     22,7  pCt.  32,4  pCt. 

Eiweiss-P    „  „  „    Gesamt-P  .       6,7     „  7,6     „ 

Nach  der  Verwundung  der  Dahlia-KuoWew  verändert  sieh  der 
Eiweissphosphor  derselben  in  der  Fehlergrenze  der  Analyse,  während 
der  Eiweissstickstoff  eine  starke  Zunahme  erfährt,  was  auch  auf  den 
Aufbau  der  phosphorfreien  Eiweissstoffe  hinweist. 

V\^enden  wir  uns  jetzt  zu  den  Versuchen  mit  den  Zwiebeln  von 
Allium  Cepa,  da  es  sehr  interessant  ist,  ob  sie  eine  Ausnahme  in 
dieser  Beziehung  darstellen. 

Die  Versuche  mit  ^//mm-Zwiebeln  wurden  ganz  in  derselben 
Weise,  wie  die  der  Kartoffel-  und  i)aÄ/m-Knollen  ausgeführt.  Aber 
ich  bestimmte  in  diesem  Falle  auch  die  in  der  Nucleinsäure  ge- 
bundenen Purinbasen,  wie  auch  den  Stickstoff  der  durch  0,2  pCt. 
Salzsäure  auso-efällteu  Eiweissstoffe. 

Der  Stickstoff  der  Purinbasen,  welche  an  Nucleinsäure  gebunden 
sind,  wurde  in  folgender  Weise  bestimmt.  Es  wurden  die  durch  0,2  pCt. 
Salzsäure  ausgefällten  Eiweissstoffe  4  Stunden  lang  am  Eückfluss- 
kühler  mit  4  pCt.  Schwefelsäure  oder  8  Stunden  lang  im  Autoclaven 
bei  100°  mit  derselben  Säure  erhitzt.  Die  Lösung  wurde  abfiltriert, 
mit  dem  Waschwasser  vereinigt,  neutralisiert  und  nach  Essigsäure- 
zusatz auf  dem  Wasserbade  eingeengt.  Dann  wurden  die  Purinbasen 
nach  Ammoniakzusatz  mit  ammoniakalischer  Silberlösung  gefällt  und 
nach  AmmoniakentferDuui?  zur  Bestimmun o'  des  Stickstoffs  derselben 
nach  KjeldahL  benutzt.^) 

4.  Versucb.    Zwiebeln  von  Alliuni  Cepa. 

Kontrollportion  Veisuchsportion 

Gesamt-N 2,5404  pCt.  2,8005  pCt. 

Eiweiss-N      im      Kupferoxydhydrat- 
niederschlag       0,9370     „  1,3497     „ 

Eiweiss-N    im   Salzsäureniederschlag  0,5896     „  0,8814     ,, 

Gesamt-P 0,3888     „  0,4432     „ 

Eiweiss-P 0,0926     „  0,1204     „ 

P  .  1  1  ' 

Das   Verhältnis  -„-  der  Eiweissstoffe        — ; —  — -— 

N  10  11 

Purinbasen-N 0,0476  pCt.             0,0604  pCt. 

Eiweiss-N  in  Prozenten  des  Gesamt-N  36,8           „  48,2           „ 
Eiweiss-P  „           „           „  Gesamt-P  23,8           „  27,1 
Purinbasen-N  in  Prozenten  des  Ge- 
samt-N      1,8           „               2,2 


7) 


1)  BURIAN  und  HOLL,  Zeitsclir.  für  physiolog.  Chemie,  Bd.  38. 


über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  in  den  Pflanzen  365 

5.  Versuch.    Zwiebeln  von  Allium  Cepa. 

KoutroUportion  Versuchsportion 

J*]iweiss-N    in  Prozenten  des  Gesamt-N     36,9  pCt.  4i),9  pCt. 

Puriiibiisen-N  in  Prozenten  des Gesanit-N       2,0     „  2,5     „ 

Eiweiss-P  in  Prozenten  des  Gesamt-P .     24,3     „  27,4     „ 

Nach  der  Verwundung  der  Zwiebeln  von  Allium  Cepa  beobachten 
wir  die  Zunahme  des  Phosphors  mit  der  gleichzeitigen  Vermehrung 
des  Stickstoffs  der  durch  0,2  pCt.  Salzsäure  fällbaren  Eiweissstoffe, 
was  den  Aufbau  der  ])hosphorhaltigen  Eiweissstoffe  bezeichnet.  Da 
in  diesem  Falle  keine  Zunahme  des  gebundenen  PurinbasenstickstofFs 
stattfand,  so  könnte  man  (hiraus  schliessen,  dass  in  den  verwundeten 
Zwiebeln  nur  die  Nucleoalbumine  an  Menge  zunahmen.  Eine  solche 
Schlussfolgerung  wäre  aber  voreilig,  da  bei  der  kleinen  Zunahme 
des  Eiweissphosphors  in  unseren  Versuchen  die  Vermehrung  des 
Purinbasenstickstoffs,  besonders  wenn  wir  die  mangelhafte  Be- 
stimmungsmethode desselben  ins  Auge  fassen,  kaum  zu  konstatieren 
möglich  wäre. 

IWANÜFF  urteilt  über  die  Bildung  der  Nucleoproteide  in  den 
verwundeten     yl/Zmvn-Zwiebeln     nach     der     Unveränderlichkeit     des 

P 

Koeffizienten  ^,    der    seiner  Grösse    nach    dem    der  Nucleoproteide 

entspricht.     Ich  kann  dem  Verfasser    darin    nicht    beistimmen.     Wir 

P 

haben  oben  die  Meinung  ausgesprochen,   dass  das  Verhältnis  -^  der 

Eiweissstoffe  kein  Mittel,  um  über  die  Art  der  Veränderung  derselben 
zu  urteilen,  gibt.  So  haben  wir  gesehen,  dass  vi //?w?«-Z wiebeln  eine 
bedeutende  Menge  der  durch  0,2  pCt.  Salzsäure  nicht  fällbaren 
Eiweissstoffe,  die  nicht  zu  den  Nucleoproteiden  gehören,  enthalten. 
Daher  kann  man  nicht    sagen,    dass    alle  Eiweissstoffe   der  Zwiebeln 

P 

zu    den    JS^ucleoproteiden    gehören,    wenn    auch    der   Koeffizient    -^,- 

seiner  Grösse  nach  dem  derselben  entspricht.     Wir  haben  oben    ge- 

.  .  P  .      . 

sehen,  wie  ü-ross  der  Koeffizient  ^r^-  der  Eiweissstoffe   der  Kartoffeln 

ist.  Trotz  der  Unveränderlichkeit  dieses  Koefficienten  während  des 
Versuches  können  verschiedene  Umwandlungen  der  Eiweissstoffe 
stattfinden.  Ich  stelle  mir  vor,  dass  die  Bildung  der  Eiweissstoffe 
und  die  der  Xucleiusäure  zwei  gesonderte  Prozesse  sind,  und  dass 
diese  mit  Eiweissstoffen  verschiedenartige  Verbindungen  gibt,  ob- 
schon  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  die  Xucleinsäure  auch  im  freien 
Zustande  in  Form  von  Salzen  in  den  Zellen  vorkommt.^) 


1)  OSBORN  und  Harris,  Zeitschr.  für  pbysiolog.  Chemie,  Bd.  XXXVI. 


366  W.  Z ALESKI: 

Obschon  also  die  Bildung  der  ^acleinsäure  bezw.  die  der 
Nucleoproteide  in  den  verletzten  Zwiebeln  von  Allium  Cepa  un- 
bewiesen bleibt,  so  vermute  ich  doch,  dass  in  unseren  Versuchen 
mit  der  Bildung  der  Eiweissstoffe  auch  die  des  Xucleinsäurephosphors 
stattfand,  da  diese  Erscheinung  mit  dem  Wachstum  im  Zusammen- 
hange steht.  So  beobachten  wir  nach  der  Verwundung  der  Zwiebeln 
die  Ausbildung  der  Würzelchen  uud  in  einigen  Fällen  auch  ein 
Wachstum  der  Blätter  derselben.  In  dieser  Beziehung  stehen  die 
Zwiebeln  im  Gegensatz  zu  den  Kartoffel-  und  Z)a/iZm-Knollen,  da  sie 
hauptsächlich  aus  wachsenden  Teilen  bestehen,  während  die  von 
Augenknospen  befreiten  KartofFelknollen  nur  ReservestofPbehälter 
darstellen.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  je  nach  dem  Ruhe- 
stadium der  Allium-Zw'iehelü  die  Bildung  des  Eiweissphosphors  mit 
verschiedener  Intensität  vor  sich  gehend  wird. 

Ich  habe  früher  beobachtet,^)  dass  in  den  ruhenden  Zwiebeln 
von  Allium  Cepa  die  Eiweissstickstoffbildung  vor  sich  geht.  Es  ist 
möglich,  dass  in  diesem  Falle  auch  die  Bildung  des  Phosphors  der 
Nucleoalbumine  stattfindet,  während  die  Vermehrung  der  Nucleo- 
proteide meiner  Meinung  nach  mit  den  Wachstumsvorgängen  im 
Zusammenhange  steht.  Die  weitere  Untersuchung  dieser  Fragen  soll 
der  Zukunft  überlassen  sein. 

Es  ist  weiter  interessant,  dass  Dahlia-KnoWen  und  Allium- 
Zwiebeln  ungeachtet  des  in  ihnen  vor  sich  gehenden  Eiweissauf  baues 
proteolytische  Enzyme  enthalten,  wie  aus  nachstehenden  Versuchen 
zu  ersehen  ist. 

Diese  Versuche  wurden  in  folgender  Weise  angestellt.  Die  Pflanzen- 
objekte wurden  bei  37 — 38°  getrocknet,  fein  pulverisiert  und  das  so 
erhaltene  Mehl  dann  zu  Autodigestionsversuchen  genommen.  Es 
wurden  die  abgewogenen  Mengen  des  Präparates  in  Gefässe  ein- 
geführt, mit  sterilisiertem  Wasser  und  Toluol  versetzt  und  auf 
bestimmte  Zeit  bei  38—39°  C.  stehen  gelassen.  Zur  Kontrolle 
wurden  einige  von  diesen  Gefässen  eine  Viertelstunde  lang  im 
Wasserbade  erhitzt  und  nach  Toluolzusatz  wie  jene  bei  denselben 
Bedingungen  gestellt. 

In  anderen  Fällen  wurden  Objekte  mit  Quarzsand  zerrieben  und 
in  einer  Buchnerschen  Presse  bei  300  Atm.  abgepresst.  Der  so 
erhaltene  Presssaft  wurde  dann  zu  Autodigestionsversuchen  ge- 
nommen. 

Nach  beendigtem  Versuche  wurden  Eiweissstoffe  nach  StüTZER's 
Methode  bestimmt. 


1)  W.  Zaleski,  diese  Berichte,  Bd.  XIX. 


über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  iu  den  Pflanzen.  367 

6.  Yersuch. 

Präparat    aus    Knollen    von    Dahlia    variabüis    mit    1,4919  pCt. 

Cresamtstickstoff   und    0,333:U  pCt.   Eiweissstickstoff".      Es    fällt    also 

vom  Gesamtstickstoft'  22,3  pCt.  auf  Eiweissstickstoff. 

Eiwciss-N  in  Prozenten  des  Gesamt-N 
Autodigestionsdauer  j^ekocht  ungekocht 

7  Tage 22,2  pCt.  17,9  pCt. 

13  22  2  16  0 

7.  Versuch. 

Presssaft  aus  Zwiebeln  von  Allium  Cepa.  Autodigestionsdauer 
12  Tao-e.     Von  dem  Gesamt-N  fällt  auf: 

gekocht  ungekocht 

Eiweiss-N    ....     21,5  pCt.  16,2  pCt- 

8.  Versuch. 

Präparat     aus    Zwiebeln     von    Allium    Cepa     mit     0,75089  pCt. 

Eiweissstickstoff    und    2,08110  pCt.    Gesamtstickstoff    (in    Prozenten 

der    lufttrockenen    Substanz).      Es    fällt    also    vom    Gesamtstickstoff 

;^-6,0  pCt.  auf  Eiweissstickstoff. 

Eiweiss-N  iu  Prozenten  des  Gesamt-N 
Autodigestionsdauer  gekocht  ungekocht 

6  Tage 35,9  pCt.  27,8  pCt. 

9.  Versuch. 

Die  Zwiebeln  von  Allium  Cepa  wurden  in  diesem  Versuche  in 
vier  Teile  zerschnitten  und  in  einen  dampfgesättigten  dunklen  Raum 
auf  vier  Tage  eingeführt,  worauf  aus  ihnen  ein  Präparat  zu  Autolyse- 
versuchen  bereitet  wurde.  Autodigestionsdauer  13  Tage.  In 
Prozenten  des  Präparates  fällt  auf: 

gekoclit  ungekocht 

Eiweiss-N      .     .     1,3023  pCt.  1,1224  pGt. 

Dahlta-Kuollen  und  Zwiebeln  von  Allium  Cepa  enthalten  proteo- 
lytische Enzyme,  welche  den  Abbau  der  Eiweissstoffe  verursachen. 
Es  ist  zu  bemerken,  dass  iu  den  verwundeten  Zwiebeln  eine 
schwächere  Proteolyse  als  in  unverletzten  vor  sich  geht.  So  z.  B. 
wenn  wir  den  Eiweissstickstoffverlust  in  Prozenten  des  anfänglichen 
Eiweissstickstoff  berechnen,  so  bekommen  wir  für  unverletzte 
Zwiebeln  gegen  24  pCt.,  für  verletzte  aber  nur  14  pCt.  Es  ist  wahr- 
scheinlich, dass  sich  nach  der  Verwundung  der  Zwiebeln  von  Allium 
Cepa  antiproteolytisch  wirkende  Stoffe  bilden. 

Charkow,  Pfianzenphysiolog.  Kabinett. 


368  F-  ^V.  Keger  : 


54.   F.  W.  Neger:   Eine  Krankheit  der  Birkenkätzchen. 

(Mit  einer  Textfigur.) 


Eingegangen  am  5.  Juli  1907. 


Seit  Jahren  beobachte  ich,  dass  die  halbreifen  $  Birkenkätzchen 
häufig  an  der  Spitze  abgestorben  und  gebräunt  sind,  während  die 
untere  Hälfte  normal  grün  gefärbt  ist,  sich  weiter  entwickelt  und 
schliesslich  reife  Früchte  trägt. 

Die  Erscheinung  ist  sehr  verbreitet  und  tritt  fast  überall  da  auf, 
wo  Birken  wachsen. 

Im  Sommer  190()  begann  ich  der  Erscheinung  grössere  Auf- 
merksamkeit zu  schenken,  setzte  die  Untersuchung  in  diesem  Jahre 
fort  und  gelangte  so  zu  folgenden  Erfahrungen  über  Wesen  und  Ur- 
sache der  Krankheit. 

Legt  man  kranke  Birkenkätzchen  in  eine  feuchte  Kammer,  so 
wächst  aus  dem  gebräunten  Teil  ein  Mycel  aus,  während  der  grüne 
Teil  (zunächst  wenigstens)  frei  bleibt.^) 

Dieses  Mycel  ist,  wie  aus  der  nachfolgenden  Conidienbildung 
hervorgeht,  eine  Botrytis  vom  Aussehen  der  Botrytis  cinerea.  Zahl- 
reiche Birkenkätzchen  zu  verschiedenen  Zeiten  in  feuchte  Kammern 
gelegt,  gaben  stets  das  gleiche  Resultat,  nämlich  Rasen  einer 
Botrytis.,  so  dass  kaum  daran  gezweifelt  werden  kann,  dass  dieser 
Pilz  tatsächlich  die  Bräununo-  der  Kätzchen  verursacht. 

Ausserdem  fand  ich  sehr  häufio-  in  den  kranken  Kätzchen 
Früchte  mit  wohlausgebildeten  Sklerotien,  wie  sie  von  NawaSCHIN 
beschrieben  und  als  zu  Sclerotinia  Betulae  Wor.  gehörig  nachgewiesen 
worden  sind.^)  Es  lag  nun  die  Yermutung  nahe,  dass  die  aus  den 
abgestorbenen  Teilen  der  Kätzchen  erzogene  Botrytis  zu  Sclerotinia 
Betulae  als  Nebenfruchtform  gehörte. 

Freilich  wäre  dies  eine  Abweichung  von  der  Regel  insofern,  als 
bekanntlich  nur  Zweig  und  Blatt  bewohnende  Sclerotinien  Botrytis- 
artige  Conidienfruktifikation  besitzen,  während  den  Frucht-  (bezw. 
Blüten-)bewohnenden  Sclerotinien  in  der  Regel  J/om7?'a-Conidien  zu- 
kommen. Auch  hätte  wohl  schon  NawASCHIN  in  seiner  genauen 
Untersuchung    der  Sclerotinia  Betulae    auf    die  Botrytis-iixiige  Neben- 


1)  Nicht    selten    befindet    sich    dieser    Mycelflauni    (besonders    bei    feuchtem 
Wetter)  sogar  schon,  so  lange  die  Kätzchen  noch  am  Baum  hängen. 

2)  NAWASCHIN,  Sclerotinia  Betulae  Wor.  1893. 


Eine  Krankheit  der  Birkenkätzchen. 


369 


fruchtforni  dieses  Pilzes  stossen  müssen.  Er  erwähnt  aber  hiervon 
in  seiner  Arbeit  nichts. 

In  der  Tat  steht  die  das  Absterben  der  Kätzchen  verursachende 
Botrytü  in  keiner  Beziehung  zu  der  Sclerotien  bildenden  Sclerotinia, 
wie  aus  folgenden  Beobachtungen  hervorgeht. 

Zunächst  wurde  die  Tatsache  konstatiert,  dass  die  sclerotisierten 
Früchte  stets  nur  in  dem  gesunden  Teil  des  Kätzchens,    niemals  im 


Birkenkätzchen  mit  gebräunter  Spitze. 


gebräunten  auftraten,  und  gerade  der  gesunde  Teil  des  Kätzchens 
zeigte  —  in  die  feuchte  Kammer  gelegt  —  keinerlei  Bildung  von 
Botrytis-Mjcel.  Auch  einzelne  sclerotisierte  Früchte  entwickelten, 
in  einer  sterilisierten  feuchten  Kammer  aufbewahrt,  kein  Mycel. 

Andererseits  gelang  es,  aus  dem  den  gebräunten  Teil  der 
Kätzchen  durchwuchernden  Mycel  Reinkulturen  herzustellen  (auf 
Gelatine  oder  sterilisiertem  Schwarzbrot),  welche  nach  reichlicher 
Mycel-  und  Conidienbildung  mächtige  Sclerotien  bildeten. 


370  F-  W.  NEGER: 

Diese  Sclerotien  wurden  nun  vor  Vertrocknung  geschützt,  den 
Winter  über  aufbewahrt  und  während  mehrerer  Monate  der  Winter- 
kälte ausgesetzt.  Falls  zur  Bildung  einer  Apothecienfruktifikation 
bedeutende  Temperatureruiedrigung  nötig  sein  sollte,  so  war  diese 
Bedingung  erfüllt,  unter  gleichzeitigem  Schutz  vor  anderen  die 
Sclerotien  bedrohenden  Organismen.  In  der  Tat  waren  die  Rein- 
kulturen am  Ende  des  Winters  ebenso  rein  wie  zu  Beginn  desselben. 
Als  die  Sclerotienkulturen  nun  im  April  in  das  warme  Zimmer 
überführt  wurden,  da  brachen  nach  kurzer  Zeit  aus  den  Sclerotien 
Botri/tis-Conidienh'äger  hervor,  welche  schliesslich  die  ersteren  mit 
dichten  Rasen  bedeckten.  Von  Apothecien  war  keine  Spur  zu 
sehen. 

Bekanntlich  ist  es  auch  BßEFELD^)  nicht  gelungen,  aus  jenen 
Sclerotien  der  Sclerotinia  Fuckeliana  Fuck.,  welche  Botnitis-Gomdiaw 
entwickelten,  Ascusfruktifikation  zu  erziehen. 

Das  Ausbleiben  der  Apothecienbildung  an  den  aus  dem  mycel- 
kranken  Birkenkätzchen  erzogenen  Sclerotien  spricht  jedenfalls  dafür, 
dass  jene  Botrytis  in    keiner  Beziehung    steht    zu  Sclerotinia  Betulae. 

Eine  weitere  Bestätigung  dieser  Annahme  ergab  sich  aus 
folgenden  Tatsachen. 

Im  Herbst  1906  würden  kranke  Birkenkätzchen,  welche  auch 
sclerotisierte  Früchte  enthielten  in  einen  Blumentopf  gelegt  und 
unter  Laub  den  Winter  über  im  Freien  gelassen.  Im  Frühjahr  1907 
war  folgendes  zu  beobachten:  Von  den  sclerotisierten  Früchten  war 
nichts  mehr  zu  sehen  —  dieselben  waren  vielleicht  Tausendfüssern 
zum  Opfer  gefallen;  diese  Tiere  haben  eine  grosse  Vorliebe  für 
Sclerotien  — ,  dagegen  zeigte  sich  auf  einzelnen  der  dreilappigen 
Kätzchenschuppen  eine  bemerkenswerte  Erscheinung.  An  der  Spitze 
des  Mittellappens  (seltener  an  einem  Seitenlappen)  sass  ein  kleines 
kugeliges  Sclerotium  von  Mohnkorngrösse.  Die  meisten  dieser 
Sclerotien  waren  schon  zu  Botri/tis-ltiasen  ausgewachsen  und  diese 
7iof/-_;/f/s-Sporen,  auf  Nährgelatine  gebracht,  keimten  aus  und  lieferten 
Kulturen,  welche  vollkommen  mit  jenen  Botrijtis-Rasen  überein- 
stimmten, die  auf  den  künstlich  erzogenen  Sclerotien  entstanden 
waren. 

Daraus  geht  hervor,  dass  der  die  Bräunung  der  Katzchen  ver- 
ursachende Pilz  auch  auf  dem  natürlichen  Substrat  Sclerotien  zu 
bilden  vermag,  aber  nicht  wie  die  Sclerotinia  Betulae  in  den  Früchten, 
sondern  in  den  Kätzchenschuppen  —  also  blattartigen  Gebilden. 

Wir  haben  demnach  auf  den  Birkenkätzchen  zwei  Sclerotien 
bildende  Pilze  zu  unterscheiden: 


1)  Mycologische  Untersuchungen  usw.,  Heft  IV'^,  S.  129. 


Eine  Krankheit  der  Birkenkätzchen.  371 

Sclerotinia  Betulae  Wor.  in  den  Früchten,  Apothecien  aus  den 
Sclerotien,  Nebenfruchtform  voraussichtlich  eine  Monilia 
(bisher  noch  nicht  bekannt);  die  Wirkung-  dieses  Pilzes  ist 
äusserlich  an  den  Kätzchen  nicht  zu  sehen. 

Botrytis  (wahrscheinlich  cinerea  Pers.).  Das  Mycel  befällt  hauptsäch- 
lich die  Kätzchenschuppen/)  an  deren  Spitze  auch  die 
Sclerotien  gebildet  werden.  Apothecien  unbekannt;  aus  den 
Sclerotien  wieder  i?of/v/^w-Conidien;  die  Wirkung  dieses 
Pilzes  ist  schon  äusserlich  sichtbar,  in  dem  die  vordere 
Hälfte  der  ?  Kätzchen  abstirbt  und  sich  braun  färbt. 

Nun  wäre  noch  die  Frage  zu  erörtern:  Ist  Botrytis  cinerea  bei 
dieser  Erkrankung  der  Birkenkätzchen  die  primäre  Ursache  oder 
kommt  ihr  nur  eine  sekundäre  Bedeutung  zu? 

Ich  möchte  mich  für  das  letztere  entscheiden  und  zwar  aus 
folgenden  Gründen: 

Wenn  die  Botrytis  imstande  wäre,  durchaus  gesunde  und  wohl- 
ernährte Kätzchenschuppen  zu  befallen,  so  müsste  doch  wenigstens 
vereinzelt  der  Fall  eintreten,  dass  auch  die  Basis  eines  Kätzchens 
erkrankt  und  die  Spitze  gesund  bliebe. 

Dieser  Fall  kommt  aber  niemals  vor.  Selten  ist  das  Kätzchen 
der  ganzen  Länge  nach  gebräunt,  fast  stets  ist  die  Basis  grün  und 
gesund  und  nur  die  Spitze  oder  die  vordere  Hälfte  gebräunt  (siehe 
Figur). 

Offenbar  kommt  dieser  Teil  des  Kätzchens  bei  der  Yersorguno; 
mit  Wasser  und  Nährstoffen  zu  kurz,  indem  er  unter  der  Konkurrenz 
der  unteren  Hälfte  leidet.  — 

Anhangsweise  möchte  ich  hier  kurz  eines  anderen  Sclerotiums 
gedenken,  welches  mir  durch  die  Güte  von  Herrn  Prof.  THOMAS, 
Ohrdruf,  zuging,  nämlich  schwarzer,  stecknadelkopfgrosser  Dauer- 
körper, welche  abgestorbenen  Haselnussblättern  aufsitzen.  Auch 
diese  liess  ich  in  geeigneter  Weise  überwintern  in  der  Hoffnung,  im 
Frühjahr  daraus  Apothecien  zu  erziehen.  Die  Frage  erschien  um  so 
interessanter  als  vor  kurzem  SCHELLENBERG  ^)  über  eine  von  ihm 
beobachtete  Sclerotinia  in  der  Blütenachse  von  männlichen  Haselnuss- 
kätzchen  berichtet  hatte. 

Meine  Sclerotien  keimten  im  April  dieses  Jahres  (im  Freien) 
aus,  gaben  aber  keine  Apothecien,  sondern  gleichfalls  nur  Botrytis- 
Rasen.  Aus  den  Conidien  dieser  Botrytis  erzogene  Eeiukulturen 
unterscheiden    sich    in    nichts   von  Botrytis  cinerea.     Demnach  stehen 


1)  Hier   und   da   fand   ich  vereinzelte  Mjcelfäden  auch  in  den  verkümmerten 
Früchtchen. 

2)  Ber.  der  Deutschen  Bot.  Ges.,  Bd.  XXIV,  1906,  S.  505. 


372  Ed.  Fischer: 

offenbar  auch  diese  blattbewohnenden  Sclerotien  mitderSCHELLENBEßG- 
schen  Sclerotinia  Coryli  in  keiner  Beziehung. 

Herrn  W.  BÄE,  Assistent  am  zoologischen  Institut  der  Königl. 
Forstakademie,  welcher  mir  bei  Beschaffung  der  kranken  Birken- 
kätzchen und  Überwachung  der  Sclerotien  in  freundlichster  Weise 
behilflich  war,  spreche  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichen 
Dank  aus. 


55.  Ed.  Fischer:  Über  einige  kalifornische  Hypogaeen. 

(Yorläufige  Mitteilung.)  j 

Mit  einer  Textfigur. 


Eing'egangen  am  11.  Juli  1907. 


Im  Jahre  1905  erhielt  ich  von  Herrn  Professor  W.  A.  SeTCHELL 
in  Berkeley  eine  Reihe  von  Hypogaeen,  die  derselbe  mit  Herrn 
N.  L.  GaRDNER  in  Kalifornien  gesammelt  hatte  und  die  er  mir 
gütigst  zur  Bearbeitung  überliess,  wofür  ich  ihm  meinen  herzlichen 
Dank  ausspreche.  Es  befanden  sich  unter  denselben  mehrere 
Formen,  welche  namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  Frage  nach  den 
Verwandtschaftsverhältnissen  dieser  Pilze  ein  grösseres  Interesse 
beanspruchen.  Da  die  eingehendere,  von  Abbildungen  begleitete 
Darstellung  aber  erst  in  einiger  Zeit  publiziert  werden  kann,  so 
soll  im  Folgenden  eine  kurze  Besprechung  dieser  Pilze  gegeben 
werden. 

1.  Pseudogenea  californica  n.  sp.  Dieser  Pilz  unterscheidet  sich 
von  der  durch  BUCHOLTZ^)  zum  erstenmal  beschriebenen  Pseudogenea 
Vallisumbrosae  sowohl  in  der  Form  des  Fruchtkörpers,  als  auch  in 
den  Dimensionen  der  Asci  und  Sporen:  die  Fruchtkörper  erscheinen 
viel  unregelmässiger  gestaltet;  sie  erinnern  durch  ihre  fast  halb- 
kugeligen Höcker  etAvas  an  Genea  verrucosa,  doch  sind  sie  weisslich 
gefärbt.  Die  zentrale  Höhlung  derselben  ist  durch  zahlreiche 
Wülste  und  Vorwölbungen  der  Wandung  eingeengt  und  mündet  an 
mehreren  Stellen  nach  aussen.  Innen-  und  Aussenseite  der  Wandung 
sind  von  höckeriger  Rinde  überzogen.  Die  Asci  bilden  zahlreiche  von 
einander    getrennte,    in    der  Fruchtkörperwandung    eingebettete,    ge- 


1)  BUCHOLTZ,   Pseudogenea   Vallisumbrosae   nov.   gen.  et  spec.     Hedwigia  XL 
lÜÜl.   p.  129-131. 


über  einige  kalifornische  Hypogacen.  37H 

bogene  uiul  mit  ihrer  Koiikavseite  gegen  die  Friichtkörperliölilung 
orientierte  Hymenien.  Die  Asci  sind  180—250  /.i  lang  und  haben 
einen  Durchmesser  von  etwa  35  /j..  Die  Sporen  sind  kugelig,  ihr 
Öurchmesser  beträgt  "28—35  /<,  die  dicke,  blassgelbe  Membran  der- 
selben zeigt  eine  feine,  aus  unregelmässig  gekrümmten  verzweigten 
und  zuweilen  anastomosierenden  Leisten  bestehende  Skulptur. 
BüCHOLTZ^)  stellt  mit  Recht  Paeudogenea  in  die  nächste  Nähe  von 
Genea.  Zugleich  weist  er  darauf  hin,  dass  eine  Verwandtschaft  mit 
der  Gattung  Genabea  bestehen  könnte.  Nach  Untersuchung  von 
Psetidogenea  californica  und  Vergleichung  derselben  mit  Genabea 
kann  ich  dieser  Ausiclit  voll  und  ganz  beistimmen;  die  Beziehungen 
zwischen  beiden  Gattungen  sind  sogar  ausserordentlich  nahe.  Frag- 
licher erscheint  mir  dagegen  der  Anschluss  von  Lhoiromyces  an 
Genabea. 

Möglicherweise  ist  Pseudogenea  californica  identisch  mit  einem 
der  von  HaRKNESS'^)  unter  dem  Gattungsnamen  Myrmecocgstis  be- 
schriebenen Pilze.  Sollte  dies  wirklich  der  Fall  sein,  so  gehört 
dem  Namen  Mijrmecocijstis  vor  Pseudogenea  der  Vorrang,  da  er  die 
Priorität  hat. 

2.  Piersonia.  Diese  Gattung  ist  von  HaRKNESS  (1.  c.)  aufgestellt 
worden;  doch  ist  aus  seiner  Beschreibung  die  systematische  Stellung 
des  Pilzes  nicht  recht  klar  ersichtlich.  Die  mir  zur  Verfügung 
stehenden  Exemplare  (welche  sich  durch  ihre  Asci  und  Sporen  un- 
zweifelhaft als  hierher  gehörend  erweisen)  zeigten,  dass  es  sich  um 
einen  höchst  interessanten  Typus  der  Eutuberineenreihe  handelt:  Auf 
einem  Durchschnitt  durch  den  Fruchtkörper  findet  man  Venae 
externae,  die  von  zahlreichen  Punkten  der  Oberfläche  ausgehen  und 
sich  im  Innern  reichlich  verästeln.  Während  nun  bei  den  übrigen 
Eutuberineen  die  Venae  externae  ihrer  ganzen  Länge  nach  vom 
Hymenium  umkleidet  sind,  finden  wir  sie  hier  nur  in  ihren  letzten, 
etwas  erweiterten  Auszweigungen  von  den  Asci  umschlossen;  in 
ihrem  ganzen  übrigen  Verlaufe  werden  sie  dagegen  nur  von  einer 
mehr  oder  weniger  deutlichen  Paraphysenpalissade  begrenzt.  Infolge 
dessen  bilden  die  Ascushymenien  kurze  bogige  oder  schleifen- 
förmige,  einzeln  im  Fruchtkörpergeflecht  eingelagerte  Bänder.  Da- 
durch entsteht  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  (Jhoiromyces.,  welcher 
allerdings  der  Venae  externae  entbehrt.  Die  Figur  auf  S.  374  gibt 
eine  schematische  Darstellung  einer  Partie  aus  dem  Fruchtkörper- 
innern    von   Piersonia:    E,  stellt    die  Aussenrinde    des    Fruchtkörpers 


1)  BUCHOLTZ,  Beiträge  zur  Morphologie  und  Systematik  der  Hypogaeen. 
Moskau  und  St.  Petersburg  1902  und  Autoreferat  über  diese  Arbeit  iu  Annales 
Mycologici  Vol.  I  1903  p.  152. 

2)  HARKNESS,  Californian  hypogaeous  Fungi.  Proceedings  of  the  California- 
Academy  of  sciences.     Ser.  IU  Botany  Vol.  I  1899  p.  241—292. 

Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUsch.    XXV.  26 


374 


Ed.  Fischer: 


dar,  ve  die  Yenae  exteniae,  H  die  Asciishymenien,  welche  die  Enden 
der  Venae  externae  nmschliessen.  Am  nächsten  verwandt  ist  Padnj- 
phloeus  (besonders  dessen  Untergattung  Cryptica),  bei  dem  aber  die 
Venae  externae  eben  auch,  wie  bei  den  übrigen  Eutnberineen,  in 
ihrer  ganzen  Länge  von  den  Asci  begleitet  werden,  statt  nur  an 
ihren  Endauszweigungen. 

3.  Pseudobahamia  Setcltelli  nov.  gen.  et  spec.  Die  Fruchtkörper 
sind  hier  von  Yenae  externae  durchsetzt,  welche  entweder  von  einer 
ffrubioen  Vertiefung  der  Oberfläche  ins  Innere  ausstrahlen  oder  einen 
unreo-elmässigen  Verlauf  zeigen  und  an  mehreren  Punkten  der 
Oberfläche  ausmünden  und  welche  von  einer  mehr  oder  weniger 
deutlichen     Hyphenpalissade     umgrenzt     werden.       Aussen     ist     der 


-.,ve. 


Fruchtkörper  von  einer  warzigen  Pseudoparenchymrinde  bedeckt. 
Üie  Asci  erscheinen  in  dem  ganzen  zwischen  den  Venae  externae 
liegenden  Fruchtkörpergeflecht  gleichmässig  und  regellos  verteilt,  sie 
sind  meist  ellipsoidisch  bis  zitronenförmig  oder  dick  spindelförmig 
gestaltet  und  enthalten  in  regelloser  Lagerung  acht  ellipsoidische 
Sporen  mit  w^enig  verdickter,  farbloser,  glatter  Membran.  Bei 
Ps.  Setchelli  sind  die  Asci  50 — 70  /t  lang,  ihr  Durchmesser  beträgt 
"25 — 35  f.L.  Die  Sporen  messen  21  —  28:10—12  jx.  —  Am  nächsten 
steht  Pseudohalsamia  der  Gattung  Bijdnobolifes,  welche  ich  in  meinen 
früheren  Bearbeitungen^)  der  Hypogaeen  zu  den  Plectascineen 
gestellt  hatte,  die  aber  vielleicht  doch  den  Tuberineen  und  speziell 
der  Gattung  Tuber  angereiht  werden  könnte. 


1)  In  Engler  und  Prantl,  Natürliche  Pflauzenfamilieu. 


über  einige  kalifornische  Hypogaeen.  375 

4.  Geopora  und  Pseudhijdnotrjia.  Die  Gattung-  Pseudhydnotrya^ 
welche  ich  seinerzeit^)  nach  einem  oder  zwei  von  HARKNESS  er- 
haltenen Exemplaren  aus  Kalifornien  aufgestellt  und  in  der  Nähe 
von  Hißdnotrya  an  die  Eutuberineen  angereiht  hatte,  kann  ich  nach 
Untersuchung  der  mir  von  Herrn  Prof.  SetCHELL  zugesandten 
Exemplare  nicht  mehr  aufrecht  erhalten.  Es  handelt  sich  hier  viel- 
mehr um  einen  Vertreter  der  Gattung  Geopora,  bei  welchem  von 
der  Fruchtkörperwand  zahlreiche  Vorsprünge  ins  Innere  vorragen 
und  so  ein  kompliziertes  System  von  Falten  und  Gängen  hervor- 
rufen. Da  wo  Öffnungen  in  der  Wandung  vorliegen,  sind  dieselben 
vielleicht  doch  nur  zufällig  oder  nachträglich  entstanden.  Übrigens 
besitzt  auch  die  nahe  verwandte  Gattung  Hydnocijstis  in  gewissen 
Vertretern  (H.  arenaria)  eine  spaltförmige  Öffnung  ihrer  Wandung. 
Der  von  mir  als  Pseudhydnotrya  llarknessi  beschriebene  Pilz  gehört 
somit  nicht  zu  den  Eutuberineen,  sondern  wie  die  übrigen  Geopora- 
arten  un^l  Hydiiocystis  zu  den  Pezizaceen.  Wie  es  sich  mit  dem  von 
mir  angenommenen,  aber  von  3[ATTIR0L0^)  bestrittenen  Anschluss 
von  Balsamia  an  diese  Formen  verhält,  muss  einstweilen  noch  un- 
entschieden gelassen  werden. 

5.  Hysterangiuvi  und  die  Clathraceen- Reihe.  Der  von 
H.  Rehsteiner'')  zum  ersten  Male  nachgewiesene  Anschluss  der 
Clathraceen-Reihe  an  die  Gattung  Bysterangium  ist  bekanntlich  durch 
die  geuauere  Untersuchung  von  Protubera*)  und  P/tallogaster^),  dann 
auch  durch  L.  PETRINS **)  Clathrogaster  aufs  schönste  bestätigt  worden. 
Es  ist  nun  von  Interesse  zu  sehen,  dass  auch  innerhalb  der  Gattung 
Hysterangium  verschiedene  Abstufungen  in  der  Differenzierung  der 
Fruchtkörper  auftreten,  die  den  Übergang  zwischen  dem  von  Reh- 
STEINER  untersuchten  //.  clathroides  und  Phallogaster  vermitteln. 
Eine  solche  Form  befindet  sich  auch  unter  den  mir  von  Herrn 
Prof.  SETCHELL  übersandten  Pilzen.  Dieselbe  steht  MaTTIROLO's'') 
H.  siculum  sehr  nahe,  hat  aber  kleinere  Sporen  (9 — 12  :  5  ,a).  Die 
Eigentümlichkeit  dieser  Arten  besteht  darin,  dass  sich  die  Trama- 
platten  unter  der  Peridie  verbreitern  und  mit  einander  in  seitliche 
Verbindung  treten,  wodurch  eine  nur  von  Zeit  zu  Zeit  durch  schmale 


1)  In  Engler  und  PrANTL,  Natürliche  Pflauzenfamilien. 

2)  Gli  ipogei  di  Sardegna  e  di  Sicilia.  Malpighia  Vol.  XIV,  190!). 

3)  Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Fruchtkörper  einiger  Gastromyceten. 
Botanische  Zeitung  18U2 

4)  Alfred  Möller,  Brasilische  Pilzblumen.    Jena  1895  p.  10  ff. 

5)  Vgl.  Ed.  Fischer,  Untersuchungen  zur  vergleiclienden  Entwicklungs- 
geschichte und  Systematik  der  Phalloiden  III.  Teil.  Neue  Denkschriften  der 
schweizerischen  naturforschenden  Gesellschaft  Band  XXXVI,  2,  1900. 

6)  L.  Petri,  Descrizioni  di  alcuni  Gastromiceti  di  Borneo.  Malpighia 
Vol.  XIV,  1900. 

7)  Mattirolo,  Gli  ipogei  di  Sardegna  e  di  Sicilia  1.  c. 

26* 


376  Gr.  TISCHLER: 

geschl angelte  imd  verzweigte  Spalten  unterbrochene  Gallertschiclit 
entsteht,  die  man  ganz  gut  mit  der  Volvagallerte  von  Phallogaster, 
Clathrogaster  und  der  Clathraceeu  vergleichen  kann. 

Unter  den  von  mir  untersuchten  kalifornischen  Hypogaeen 
befand  sich  ferner  eine  andere  Spezies,  die  ich  Hysterangium  Gar- 
dneri  n.  sp.  nenne  und  welche  wieder  einen  besonderen  Typus  der 
Gattung  darstellt:  Es  ragen  nämlich  hier  von  der  Peridie  her  und 
als  Fortsetzung  derselben  breite  Adern  mehr  oder  weniger  tief 
in  die  Gleba  hinein;  die  umgebenden  Tramaplatten  und  Gleba- 
kammern  konvergieren  gegen  diese  Adern  und  die  Glebakammern 
münden  in  die  letzteren  ein.  Die  übrigen  Verhältnisse  entsprechen 
denen  anderer  Hysterangien,  die  Peridie  besteht  aus  einem  weit- 
lumigen  Hyphengeflecht,  das  an  der  Oberfläche  pseudoparen- 
chymatisch  wird;  die  Sporen  sind  10 — 11  /<  lang,  ihr  Durchmesser 
Jjeträgt  3  —  4  fx. 


56.  G.  Tischler:   Weitere  Untersuchungen  über  Sterilitäts- 
ursachen bei  Bastardpflanzen. 

Vorläufige  Mitteilung. 
Eingegangen  am  19.  Juli  1907. 


Im  Anschluss  an  meine  früheren  Studien  bei  sterilen  Bastarden 
liabe  ich  in  der  letzten  Zeit  über  gewisse  Mirabilis-Hybriden,  für 
die  mir  Herr  Professor  CORRENS  gütigst  genügendes  Material  zur 
Verfügung  stellte,  sowie  über  Potentilla  Tabernaemontani  X  rubens^ 
die  ich  Herrn  Dr.  Th.  WOLF  in  Dresden  verdanke,  und  endlich 
über  den  schon  von  JUEL  studierten  Fliederbastard:  Syringa  vulgaris 
X  persica  (Syr.  ehinensis)  cytologisch  gearbeitet.  Da  die  Druck- 
legung des  ziemlich  umfangreichen  Manuskriptes  erst  in  einigen 
Monaten  erfolgen  dürfte,  sei  es  mir  erlaubt,  schon  jetzt  die  wichtigsten 
der  erhaltenen  Resultate  zusammenzustellen. 

Bei  Mirabilis  Jalapa  X  ttibi^ora^  einem  total  sterilen  Bastard, 
fällt  als  erste  Besonderheit  auf,  dass  die  Archesporzellen,  ehe  sie  in 
Teilung  eintreten,  nicht  in  dem  Masse  zu  -wachsen  vermögen  wie 
die  umgebenden  Tapeteuzellen.  Der  von  diesen  eingeschlossene 
Raum  wird  somit  nicht  mehr  völlig  vom  sporogenen  Gewebe  aus- 
gefüllt und  grössere  Intercellularräume  treten  in  diesem  auf.  Die 
allotypen    Mitosen     gehen    anscheinend    völlig     normal    vor    sich. 


Weitere  Untersuchungen  über  Sterilitätsursachen  bei  Bastardptlanzen.      377 

Bivalente  Strukturen  finden  sieh  allerdings  nicht  vor  der  Diakinese 
und  die  Synapsis  schien  mir  keine  ganz  typische  zu  sein.  Die  Zahl 
>ler  Chromosomen  bestimmte  ich  auf  annähernd  16  nach  der  Re- 
duktion. Plasmamangel  macht  sich  während  der  Teilungen  noch 
nicht  bemerkbar,  doch  zeigte  er  sich  in  den  meisten  der  Zellen 
kurz  nach  Lösung  der  Tetraden  aus  dem  gemeinsamen  Yerband. 
Schliesslich  vertrocknen  Plasma  und  Kern  total;  merkwürdigerweise 
wachsen  aber  die  Exineu  ungestört  fort.  Sie  haben  eine  ziemlich 
komplizierte  Struktur,  bestehen  aus  drei  Schichten,  die  nacheinander 
aus  dem  Plasma  abgeschieden  werden  und  deren  interessanteste  die 
mittlere,  die  „Stäbchenschicht",  ist.  Über  ihre  Entstehung  wollen  wir 
erst  seinerzeit  eingehend  berichten. 

Die  junge  Spezialzelle  hat  zunächst  etwa  einen  Durchmesser 
von  IG  /<,  das  fertige,  wenn  auch  taube,  Pollenkorn  mass  hingegen 
weit  über  100  ,«;  die  ganze  Zellwand  war  anfangs  ein  kaum  wahr- 
nehmbares Häutchen  und  zeigte  schliesslich  eine  Dicke  von  mehr 
als  "22  ix\  Während  des  grössten  Teiles  ihres  Wachstums  existierte 
gar  kein  oder  nur  degeneriertes  Plasma  mit  einem  verschrumpften 
Kern.  Die  Tapetenzellen  allein  müssen  somit  die  Baustoffe  geliefert 
haben,  die  zum  Wachstum  der  Membran  nötig  sind.  Warum  sie 
aber  alle  von  letzterer  absorbiert  werden  und  dem  Protoplasten  nicht 
auch  zugute  kommen,  vermag  man  nicht  einzusehen.  —  Nur  ganz 
woiiige  Pollenkörner  füllen  sich  normal  mit  Plasma,  lassen  ihren 
Kern  sich  teilen  und  sogar  eine  generative  Zelle  sich  bilden.  Diese 
dürften  auch  noch  funktionstüchtig  sein;  da  künstliche  Keimungs- 
versuche bei  Mirabilis  aber  bekanntlich  nicht  gelingen,  ist  ein 
exakter  Nachweis  sehr  erschwert. 

Bei  dem  $  Archespor  konnte  ich  nur  die  ersten  Stadien  ver- 
folgen. Es  ist  von  Interesse,  dass  auch  hier  sich  ein  nicht 
genügendes  W^achstum  der  Embryosack  -  Mutterzelle  bemerkbar 
macht. 

Im  Gegensatze  dazu  kann  man  bei  dem  Elter  Mirabilis  Jnlapa 
finden,  dass  eine  derartige  „Harmoniestörung"  weder  in  den  5 
noch  in  den  $  Sexualorganen  vorkommt,  dass  hier  vielmehr  Archespor 
und  die  Nachbargewebe  ganz  gleichmässig  wachsen.  Dagegen 
stellen  sich  bis  zu  einem  gewissen  Prozentsatze  bei  den  beiden 
Eltern,  wie  auch  bei  den  sonst  untersuchten  Mirabilis  longiflora  und 
Mirabilis  Jalapa  X  lorigißora  (erste  und  zweite  Generation)  völlig 
taube  Körner  ein,  deren  Exinen  wieder  allein  gewachsen  sind.  Dies 
eigenartige  Verhalten  kann  als  Charakteristikum  der  Hybriden 
somit  nicht  gelten,  und  es  bleibt  für  den  oben  genannten,  gänzlich 
sterilen  Bastard  als  einziger  prinzipiell  wichtiger  sichtbarer  Unterschied 
gegenüber  den  Eltern  das  nicht  entsprechende  Wachsen  des  Arche- 
spors  übrig.   — 


378  Gr.  Tischler: 

Pote7itilla  Tahernaemontani  X  ruhen?,  ist  eiae  Pflanze,  die  zwa 
bis  zu  ^/g  und  mehr  total  verschrumpfte  Pollenkörner  besitzt,  deren 
restierende  aber  noch  genügen,  besonders  da  die  Samenanlagen 
intakt  sind,  um  den  Bastard  zu  einem  so  gut  fertilen  zu  machen, 
dass  er  an  seinen  natürlichen  Standorten  ^Yeg■en  seiner  grösseren 
vegetativen  Kraft  zuweilen  die  beiden  Eltern  ganz  verdrängen  kann. 
Eine  cytologische  Untersuchung  lehrte  mich  auch  hier  die  Re- 
duktions-  wie  die  nachfolgende  homöotype  Teilung  als  eine  im 
wesentlichen  normale  kennen:  nur  gelegentliche  Abnormitäten  kamen 
vor.  Die  Chromosomenzahl  betrug  wieder  16,  vor  der  Reduktion  ;-i2, 
Doppelstrukturen  wurden  hier  schon  unmittelbar  nach  der  Synapsis, 
lange  vor  der  Diakiuese  beobachtet.  Bei  vielen  Körnern  trat  bereits 
während  der  allotypen  Mitosen  eine  sehr  bemerkbare  Plasmaarmut 
auf,  die  auch  an  lebendem  Material  konstatiert  werden  konnte.  Nach 
Vollenduno-  der  Teiluno-en  macht  sie  sich  nur  noch  um  so  mehr 
bemerkbar. 

Neben  dem  cytologischen  Verhalten  der  Bastardmikrosporen 
wurde  auch  eine  lückenlose  Reihe  der  einzelnen  Stadien  bei  FotentiUa 
Tahernaemontani  verfolgt.  Ein  prinzipieller  Unterschied  ist  weder 
bei  den  Mitosen  noch  im  definitiven  Aussehen  nachzuweisen,  nur 
hat  der  Bastard  schliesslich  mehr  taube  Körner  als  der  Eiter.  Im 
Gegensatz  zu  ihnen  beiden  hat  der  andere  Elter,  Potentllla  rubens, 
fast  nur  gesunde  und  volle  Pollenkörner.  Diese  stellt  auch  eine 
„ganz  konstante"  Art  dar,  während  Potentilla  Tahernaemontani 
„mutationsverdächtig"  ist,  wie  wir  ausführen  werden. 

Es  gelang  mir  nun  durch  veränderte  Kulturbedingungen  (völliges 
Etiolement  in  Verbindung  mit  Warmhaustemperatur)  bei  dem 
Bastarde  totale  Sterilität  hervorzurufen.  Der  Plasmamangel  machte 
sich  dann  überall  schon  in  den  Archesporzellen  bemerkbar,  auch 
fiel  eine  sehr  grosse  Chromatinarmut  auf.  Die  Tetradenteilung  wird 
anscheinend    wieder    normal    durchgeführt.      Künstliches    Austreiben 


o^ 


der  Pollenschläuche,  das  bei  Potentilla  sonst  leicht  gelingt,  war 
nirgends  mehr  möglich,  da  der  grösste  Teil  der  Pollenkörner  total 
degeneriert  und  taub  war.  Doch  zeigten  sich  ausserdem  in  meinen 
Präparaten  einige  monströse  Körner,  reich  mit  Plasma  angefüllt,  die 
selbst  bis  zu  doppelter  Grösse  der  Norm  herangewachsen  waren. 
Hier  liess  sich  ein  starkes  Missverhältnis  zwischen  Plasma  und 
Kern  nachweisen;  letzterer  hatte  sich  oft  gar  nicht  mehr  geteilt 
und  eine  „Harmoniestörung"  war  somit  auch  hier  sehr  weitgehend 
ausgeprägt. 

Ja  selbst  bei  Potentilla  rubens  konnte  ich  unter  den  gleichen 
Kulturen,  wenn  auch  nicht  bei  allen  Pollenkörnern,  so  doch  bei 
einem  grösseren  Teil,  künstliches  Taubwerden  hervorrufen.  Auch 
hier  war  es  unabhängig  von  dem  Verlauf  der  Tetradenteilung. 


Weitere  Untersuchungen  über  Sterilitiitsursachen  bei  Bastardpilanzen.      379 

Einen  Einfluss  auf  die  Bildung-  der  Pollenkörner  auszuüben  war 
mir  aber  nicht  mehr  möglich,  wenn  die  Pflanzen  unmittelbar  vor 
j\en  Teilungen  unter  abnorme  Lebensverhältnisse  gebracht  wurden.  — 
Und  doch  wurde  im  Warmhaus  gerade  Potentilla  rubens  total  steril, 
auch  wenn  genügend  Licht  zur  Verfügung  stand.  Die  Befruchtung 
war  zwar  noch  überall  erfolgt,  desgleichen  sah  ich  junge  wenig- 
zellige  Embryonen;  diese  starben  aber  immer  alsbald  ab  und 
schliesslich  degenerierte  und  faulte  die  ganze  Pflanze.  Der  Bastard 
war  wenigstens  etwas  widerstandsfähiger,  am  besten  ertrug  Potentilla 
Tabernaemontani    den  Eingriff,    da   sie  sogar    reife  Samen  ausbildete. 

Ich  beobachtete  übrigens  bei  letztgenanntem  Elter  in  der  freien 
Natur  unter  bestimmten  Umständen  völlig  contabescente  Antheren. 
Sie  gehörten  zu  Blüten,  welche  zu  allererst  im  Frühjahr  aufbrachen; 
die  Pflanze  war  somit  zu  dieser  Zeit  gynomonöcisch.  Cytologisches 
Studium  zeigte  mir,  dass  Teilungen  des  Archespors  unterblieben; 
diese  Zellen  waren  vielmehr  gänzlich  geschrumpft  und  speicherten 
lebhaft  Farbstoffe. 

Als  letzten  Hybriden  zog  ich  die  schon  von  JUEL  behandelte 
Sijringa  chinensis  heran.  Bekanntlich  hat  dieser  Autor  weitgehende 
Abweichungen  von.  der  normalen  Tetradenteilung  hier  beschrieben 
und,  trotzdem  er  sich  sehr  vorsichtig  über  seine  Beobachtungen  aus- 
gedrückt hat,  hatte  man  seine  Angaben  zu  weitergehenden  Spekulationen 
benutzt.  Ich  kann  die  von  JUEL  entdeckten  oft  höchst  merk- 
würdigen Kernbilder  zum  grössten  Teile  bestätigen,  denn  auch  ich 
konstatierte 

1.  Verkümmerung  der  Archesporzellen, 

2.  Durchschnürung  der  Kerne  vor  der  Synapsis, 

•    3.    unreoelmässio-e    Verteilung    der    Chromosomen    während    der 
Teilungen, 

4.  Auftreten  von  überzähligen  Kernen, 

5.  merkwürdige  Spindelausbildung, 

6.  Durchschnürung    der  Kerne  während  der  heterotypen  Mitose, 

7.  Auftreten    von    zwei  Kernen    in    den   jungen  PoUen-Spezial- 
zellen. 

Aber  alle  diese  Unregelmässigkeiten  beziehen  sich  nur  auf  einen 
nicht  allzu  grossen  Teil  der  Polleukörner.  Die  grösste  Anzahl, 
wenigstens  bei  dem  von  mir  studierten  Material,  machte  die  Tetraden- 
teilung regelmässig  durch.  Da  Syringa  chinensis  in  den  gärtnerischen 
Anlagen  nicht  immer  unter  den  gleichen  Formen  vorkommt,  dürfte 
diese  Differenz  mit  JUEL  auf  individuelle  Verschiedenheit  der 
Bastarde  zurückzuführen  sein. 

In  zwei  prinzipiell  wichtigen  Dingen,  die  JUEL  nur  vorsichtig 
andeutet,    kann    ich    dem    ausgezeichneten    schwedischen    Cytologen 


380  G-   TISCHLER: 

aber  nicht  beipflichten:  Das  ist  einmal  in  der  Beurteilung  der  Dia- 
kinese  und  zweitens  in  der  Frage  nach  einer  eventuellen  „Entmischung 
des  $  und  ?  Chromatins".  Genau  wie  JUEL  muss  ich  leider  die 
Frage  nach  der  Chromosomenzahl  noch  offen  lassen;  ich  kann  nur 
sagen,  dass  die  reduzierte  wohl  zwischen  14  und  20  liegen  wird. 
Doppelstrukturen  finden  sich  deutlich  schon  kurz  nach  der  Synapsis, 
vielleicht  selbst  früher,  ein,  und  in  der  Diakinese  haben  wir  dann 
eine  ganz  normale  Anordnung  der  Chromosomen.  (Nur  zuweilen 
schienen  einige  ohne  gegenseitige  Bindung  zu  sein.)  Dass  nun 
diese  sich  nicht  w^ie  gewöhnlich  während  der  Reduktionsspindel 
halbieren  sollen,  vermag  ich  nicht  anzunehmen.  Gewiss  kommen 
auch  solche  Abnormitäten  vor,  z.  B.  bei  den  Durchschnürungen  der 
Kerne,  aber  das  sind  doch  nur  verschwindend  geringe  Fälle.  Das 
ähnliche  Aussehen  der  Chromosomen  in  der  Interkinese  und  Diakinese, 
auf  das  JUEL  verweist,  habe  auch  ich  gefunden.  Ich  möchte  es 
aber  darauf  zurückführen,  dass  bei  ersterer  sich  besonders  stark 
schon  die  Längsspaltung  der  Chromosomen  für  den  zweiten  Teilungs- 
schritt markiert.  Die  Form  und  gegenseitige  Lagerung  der  chro- 
matinhaltigen  Bestandteile  ist  für  die  Entscheidung  all  solcher 
Fragen,  wie  auch  JüEL  meint,  nicht  günstig. 

Die  „Entmischung"  des  Chromatins  halte  ich  hauptsächlicli  aus 
dem  Grunde  für  unmöglich,  weil  bei  der  weitaus  grössten  Mehrzahl 
die  dazu  notwendigen  „Doppelspindeln"  nicht  existieren.  Auch 
betrugen  die  versprengten  oder  überzähligen  Chromosomen  niemals 
die  Hälfte,  wie  das  doch  der  Fall  sein  müsste,  wenn  JUEL 
Recht  hätte. 

Vor  allem  aber  hat  JUEL  bei  seinen  theoretischen  Folgerungen 
nicht  genügend  berücksichtigt,  dass  doch  auch  Syringa  persica,  der 
eine  Elter,  senau  so  taub  wie  der  Bastard  ist  und  dass  bei  dem 
anderen  Elter,  Syringa  vulgaris^  die  tauben  Körner  bis  zu  einem 
ziemlich  hohen  Prozentsatz  vorkommen  können.  Trotzdem  führt  er 
dies  Verhalten  der  beiden  Eltern  ausdrücklich  an.  Ich  habe  die 
Pollenentwicklung  von  Syringa  persica  verfolgt  und  eine,  allerdings 
nicht  lückenlose,  Serie  der  einzelnen  Stadien  erhalten.  Einen 
prinzipiellen  Unterschied  zwischen  der  Pollensterilität  bei  dieser 
Pflanze  und  der  hybriden  habe  ich  ebensowenig  gefunden,  wie  er 
nach  meinen  früheren  Untersuchungen  bezüglich  der  Embryosack- 
obliteration  hier  besteht. 


Diesen  cytologischen  Erfahrungen,  die  wir  in  unserer  ausführ- 
lichen Arbeit  mit  einer  grossen  Menge  von  Figuren  genau  zu  er- 
läutern haben  werden,  w^ollen  wir  noch  einen  theoretischen  Teil 
anschliessen,    über    den    sich    hier    nicht    gut    kurz    referieren    lässt. 


NVeitere  Untersuchungen  über  Sterilitätsursaclien  bei  Bastardpflanzen.      381 

Immerhin  darf  ich  wohl  einige  Sätze  als  „Thesen"  schon  jetzt  an- 
führen. Ich  will  nur  noch  vorausschicken,  dass  wir  aus  unseren 
Betrachtungen  die  Fälle  von  Sterilität  ganz  ausschliessen,  in  denen 
sie  durch  sekundäre  Hindernisse,  wie  Nichtaustreiben  des  Pollen- 
schlauches, mangelnde  Narbenfeuchtigkeit  usw.  erreicht  wird  (siehe 
hierüber  die  gute  Zusammenstellung  bei  MÜLLER-ThURGAU). 

1.  Die  Sterilität  bei  Hybriden  hängt  nicht  von  irgend  welcher 
Ohromatinrepulsion  ab.  Die  Unregelmässigkeiten  bei  der  Tetraden- 
teiluno"  dürfen  nicht  als  Charakteristikum  der  Bastardnatur  betrachtet 
werden.  Wo  sie  vorkommen,  werden  sie  gewiss  zur  Unfruchtbarkeit 
beitragen,  aber  selbst  eine  unnormale  Chromosomenzahl  braucht  an 
sich  eine  Weiterentwicklung  noch  nicht  auszuschliessen. 

2.  Die  Sterilität  ist  dadurch  bedingt,  dass  zwei  Sexualzellen  zu- 
sammeno'etreten  sind,  die  eine  nicht  identische  Entwickluns-s- 
richtuns'  oder  -Tendenz  besitzen.  Einige  Male  wird  der  bei  der 
Fusion  ausgelöste  Anreiz  zu  gering,  andere  Male  wieder  zu  gross, 
vor  allem  aber  niemals  so  ausgeglichen  sein,  dass  der  ganze  Ablauf 
einer  normalen  Outooenese  gut  gelingt.  Beim  Eintritt  des  Indi- 
viduums  in  den  besonders  „kritischen"  Zeitpunkt  der  generativen 
Phase  wird  sich  dann  die  starke  „Harmoniestörung"  auch  äusserlich 
dokumentieren. 

3.  Dieser  nicht  normal  angepasste  „Stimulus"  zur  Weiterent- 
wicklung kann  möglicherweise,  wenn  wir  überhaupt  eine  Erklärung 
versuchen  wollen,  darin  seinen  Grund  haben,  dass  —  im  Sinne  von 
R.  HERTWIG  und  seiner  Schule  —  nicht  aufeinander  „angepasste" 
Kern-  und  Plasmamengen  zusammentreffen,  so  dass  die  normale 
Kernplasmarelation  nicht  völlig  erreicht  wird.  Die  Hauptsache 
wird  aber  nicht  in  der  rein  quantitativen,  sondern  in  der  quali- 
tativen Verschiedenheit  der  kopulierenden  Zelliuhalte  liegen. 

4.  Wir  haben  gewisse  Anzeichen  dafür,  dass  in  einigen  Fällen 
die  zu  starke  Üppigkeit  der  vegetativen  Teile  im  Sinne  von  JOST 
auf  eine  Art  „Giftwirkung"  zurückzuführen  ist. 

5.  Auch  die  Tatsachen  der  Selbststerilität,  natürlich  nur  für  die 
Beispiele,  in  denen  die  Sexualzellen  auch  wirklich  Gelegenheit 
haben,  zusammenzukommen,  lassen  sich  für  unsere  Anschauung 
verwerten. 

6.  Durch  Modifikationen  der  äusseren  Lebensbedingungen 
o-eling-t  es  bis  zu  einem  o-ewissen  Grade,  die  Sexualzellen  der  Nicht- 
hybriden  genau  so  zu  beeinflussen,  wie  die  innere  Ursache  der 
Bastardnatur  es  bei  den  Hybriden  tut. 

7.  Die  Sterilität  der  Bastarde  ist  durchaus  relativ. 

8..  Ein  wirkliches  „Abspalten"  von  Merkmalen  kommt  bei  den 
Reduktionsteilungen  nicht  vor.     Dies  folgt  aus  den 


382   G-  Tischler:  UntersuchuDgen  über  Stcrilitätsursachcn  bei  Bastardpllanz'^n. 

a)  Erfahrungen  bei  den  vegetativen  Spaltungen, 
h)  Entdeckungen  von  TSCHEE^^LAK  betreffs  der  Kry))tomerie, 
c)  Tatsachen,    anf   die    namentlich  KLEBS  aufmerksam  gemacht 
hat,    dass  auch  Eigenschaften   „mendeln",    die  nicht  einzelne 
Anlagen,    sondern    die    Konstitution    des  ganzen  Idioplasmaa 
betreffen. 

9.  Trotzdem  besteht  die  Ansicht  zu  Recht,  dass  die  Reduktions- 
teilungen für  die  sogenannten  „MENDEL" 'sehen  Spaltungen  die  ent- 
scheidenden sind.  Xur  darf  man  die  Erklärung  nicht  rein  mechanisch 
in  dem  Fortschaffen  gewisser  „ganzer"  Chromosomen  sehen.  E& 
wird,  da  wir  weitere  sichtbare  Yerschiedenheiten  der  allotypen 
Mitosen  von  den  typischen  nicht  haben,  daher  die  Hypothese  nötig 
sein,  dass  während  der  ersteren  eine  weitgehende  Alteration  des 
„Idioplasmas"  stattfindet,  die  vielleicht  durch  die  als  Regulatoren 
dabei  wirksamen  Chromosomen  irgendwie  eingeleitet  wird.  Wie 
wir  uns  diese  Alteration  vorzustellen  haben,  wissen  wir  nicht,  jeden- 
falls kann  sie  auch  unter  bestimmten  Umständen  (z.  B  den  vegetativen 
Spaltungen)    in  anderen  Zellen    als    den  Sexualzellen  sich  einstellen. 

10.  Die  Annahme,  dass  die  einzelnen  Merkmale  an  distinkte. 
räumlich  getrennte  „Pangene"  gebunden  sind,  ist  aufzugeben.  Wir 
haben  es  bei  dem  „Keimplasma"  nicht  mit  extensiven,  sondern 
mit  intensiven  Mannigfaltigkeiten    im  Sinne  von  DßlESCH    zu    tun. 

11.  Das  Chromatin  ist  wohl  nicht  von  alleiniger  Bedeutuno- 
für  die  Erbsubstanzen,  worauf  neuerdings  auch  STRASBURGER 
hinweist.  An  der  Wichtigkeit  der  Chromosomen  für  die  Ver- 
erbung dürfen  wir  iedoch  auch  trotz  scheinbar  entgey-ensteheuder 
Daten  (GODLEWSKI  jun.)  wohl  nicht  zweifeln. 

12.  An  dem  Vorhandensein  eines  spezifischen  „Idioplasmas"  und 
an  einer  bestimmten  Konstitution  desselben  ist  entschieden  fest- 
zuhalten. Aus  dieser  kann  freilich,  wie  DeTTO  kürzlich  klar  «ezeiot 
hat,  niemals  hervorgehen,  weshalb  die  Entwicklung  in  einer 
bestimmten  Richtung  erfokt. 

13.  Das  Chromatin  ist  zähflüssiger  Natur,  wie  es  GregOIRE 
will.  Dabei  können  die  zuweilen  deutlich  sichtbaren  „Chromatin- 
scheiben"  als  regelmässig  aufeinanderfolgende  Tröpfchen  in  einem 
farblosen  Medium  aufoefasst  werden. 

14.  An  einer  Treununo-  von  Chromatin  und  Linin  ist  fest- 
zuhalten. 

15.  Bei  der  Pollenentwicklung  mutierender  Pflanzen  haben 
wir  (Gates)  häufig,  jedoch  nicht  immer,  ganz  die  gleichen  cytologischen 
Bilder  wüe  bei  der  von  ganz  oder  teilweise  sterilen  Hybriden.  Das 
Gemeinsame  bei  beiden  ist,  dass  die  Konstitution  des  Idio])lasmas 
gestört  wurde. 


^ 


R  KRAUS:  biologische  Studieu  über  Immuuität  bei  Pflanzen.  383 

16.  Apogamie  hat  sich  als  „Aushilfe"  auf  die  Mutation  und 
Sterilität  des  Pollens  eingestellt  und  ist  nicht  das  Primäre  und 
die  PoUenobliteratiou  das  Sekundäre.  Ganz  die  gleiche  Ansicht 
vertritt  bekanntlich  STRASBURGER.  Dafür  spricht  auch  die  Un- 
sicherheit in  der  „Wahl  des  Weges"  bei  den  Farnen  (FARMER 
u.  Miss  Digby)  und  Hieracien  (ROSENBERG),  wo  neben  Apogamie  auch 
Aposporie,  vielleicht  sogar  Parthenogenese  ausgelöst  wird. 

17.  Von  grossem  Interesse  für  die  hier  auzuknü])fenden 
Fragen  sind  die  neueren  Untersuchungen  von  CORRENS,  welche 
zeigen,  dass  bei  Spezies,  die  im  Übergange  zur  Monöcie  oder  Diöcie 
begriffen  sind,  ähnliche  Störungen  wie  bei  Mutationen  stattfinden 
und  Contabescentwerden    der  Geschlechtsorgane    zu    beobachten    ist. 

18.  Endlich  haben  wir,  worauf  schon  CHARLES  DARWIN  auf- 
merksam machte,  nahe  Beziehungen  zwischen  der  Sterilität  bei 
Bastarden  und  der  von  Kulturpflanzen.  Namentlich  einige  tropische 
(Zuckerrohr,    Banane)    scheinen    für    cytologische    Studieu    besonders 

'  geeignet    zu    sein.     Wir    hoffen,    in    nicht    allzuferner    Zeit    darüber 
Untersuchungen  vornehmen  zu  können. 

Heidelberg.    Botanisches  Institut  der  Universität. 


57.   R.  Kraus,   L   von   Portheim   und   T.  Yamanouchi: 
Biologische  Studien  über  Immunität  bei  Pflanzen. 

I.  üusersuchungen  über  die  Aufuahnie  piäcipitierbarer  Substanz 

durch  höhere  Pflanzen. 

Vorläufige  Mitteilung. 
Eingegangen  am  19.  Juli  1907. 


Anlässlich  unserer  Untersuchungen  über  Immuuität  bei  Pflanzen 
haben  wir  die  Frage  geprüft,  wie  sich  höhere  Pflanzen  gegenüber 
Antigenen  tierischer  Provenienz  verhalten. 

Die  diesbezüglichen  Versuche  sind  noch  im  Gange  und  soll 
über  dieselben  später  an  anderem  Orte  in  extenso  Bericht  erstattet 
werden. 

Hier  wollen  wir  bloss  in  Kürze  über  die  bisher  erzielten  Resultate 
Mitteilung  machen. 


H84  R-  Kraus,  L  von  Portheim  und  T.  Yamanouchi: 

Über  den  uns  interessierenden  Gegenstand  konnten  wir  in  der 
Literatur  keine  Angaben  finden. 

Was  die  Aufnahme  organischer  Substanzen  durch  die  Pflanzen 
betrifft,  wissen  wir  durch  die  Arbeiten  von  BÖHM,^)  ACTON,^) 
Laurent,^)  MAZE,-")  Gräfe  und  PORTHEIM,^)  dass  verschiedene 
Zuckerarten  durch  die  Pflanzenwurzeln  aufgenommen  werden  können. 

HaNSTEEN,*')  NaKAMURA')  u.  a.  gelang  der  Nachweis,  dass 
Aminosäuren  von  der  Pflanze  aufgenommen  und  verarbeitet  werden 
können. 

Es  war  daher  von  besonderem  Interesse  festzustellen,  ob  es 
möglich  sei,  bei  höheren  Pflanzen  mittels  der  spezifischen  Präcipitin- 
reaktion  die  Aufnahme  von  präcipitierbarer  Substanz    nachzuweisen. 

Unsere  Versuche  wurden  in  fokender  Weise  ano'estellt: 

Keimlinge  von  Pltaseolus  vulgaris  wurden  mit  Sublimat  gewaschen 
und  dann  mit  Hochquellwasser  gut  abgespült. 

Als  Kulturgefässe  dienten  Einsiedegläser,  welche  mit  Organtin 
überspannt  waren.  Die  Keimlinge  wurden  mit  den  Wurzeln  in  die 
Maschen  des  Organtins  gesteckt  und  die  Gläser  mit  Hochquellwasser, 
in  dem  Phaseolus-  vulgaris  gut  gedeiht  und  bis  zur  Blüten-  und 
Fruchtbildung  gebracht  werden  kann,  gefüllt. 


1)  Josef  Böhm,  über  Stärkebildung  aus  Zacker  (Botanische  Zeitung  1883, 
41.  Jahrg.,  Heft  4,  S.  49. 

2)  ACTON  E.  Hamilton,  The  assimilation  of  carbon  by  green  plants  from 
ceitain  organic  Compounds.  Proceedings  of  the  Royal  Society  1889,  No.  280  nach 
J.  Laurent,  Revue  gen.  de  Bot.  1904,  T.  XVI,  p.  27.  —  Proceedings  of  the  Royal 
Society.  Vol.  XLVII,  1890,  p  150,  nach  F.  CZAPEK,  Biochemie  der  Pflanzen  I, 
S.  396. 

3j  J.  Laurent,  Sur  l'absorption  des  matieres  organiques  par  les  racines. 
Comptes  rendus  des  seances  de  l'academie  des  sciences.  T.  CXXV,  1897,  p.  887.  — 
Liflnence  des  matieres  organiques  sur  le  developpement  et  la  structure  anatomicine 
de  quelques  Phanerogames.  Comptes  rendus  des  seances  de  Facadomie  des  sciences. 
T.  CXXXV,  1902,  p  870.  —  Reeherches  sur  la  nutrition  carbonic  des  plantes  vertes 
ä  l'aide  des  matieres  organiques.  Revue  generale  de  Botanique.  1904  T.  XVI, 
p.  14,  CG,  9G,  155,  188,  231. 

4)  Maze,  L'a.ssimilation  des  hydrates  de  carbone  et  Felaboration  de  l'azote 
organique  dans  Ics  vegetaux  superieurs  Comptes  rendus  des  seances  de  l'academie 
des  sciences.  T.  CXXVIII,  1899,  p  185.  —  P.  Maze  et  A.  Perrier,  Reeherches 
sur  l'assimilation  de  quelques  substances  ternaires  par  les  vegetaux  superieurs. 
Comptes  rendus  des  seances  de,  l'academie  des  sciences.    T.  CXXXIX,  1904,  p.  470, 

5)  V.  Gräfe  und  L.  V.  Portheim,  Untersuchungen  über  die  Rolle  des  Kalkes 
in  der  Pflanze.  Sitzungsber.  der  kais.  Akad.  der  Wiss.  in  Wien.  Mathem.-naturw. 
Klasse,  Bd.  CXV,  Abt.  1,  Juli  1906. 

6)  Barthold  HANSTEEN,  Über  Eiweisssynthese  in  grünen  Phanerogamen. 
Jahrbücher  für  wissenschaftliche  Botanik,  1899,  Bd.  XXXIIf,  S.  417. 

7)  T.  NakamuRA,  Bull.  Agric.  Coli.  Tokyo.  Vol.  11,  p.  465,  1897,  nach 
F.  Czapek,  Biochemie  der  Pflanzen  II,  S.  211. 


Biologische  Studien  über  Immunität  bei  Pflanzen.  SS') 

Das  Ganze  wurde  mit  einem  Glassturz  bedeckt  und  so  auf- 
gestellt, dass  die  Pflanzen  gut  assimilieren  konnten. 

Später  wurde  den  Keimlingen  in  verschiedenen  Entwicklungs- 
stadien Pferdeserum  oder  Rinderblut  zugesetzt. 

Bei  Zusatz  von  Pferdeserum  zur  Kulturflüssigkeit  entwickelten 
sich  die  Keimlinge  nicht  gut,  sie  zeigten  eigentümliche  Krankheits- 
erscheinungen. 

Im  Kinderblut  wuchsen  sie  sehr  gut  und  schienen  besser  zu  ge- 
deihen als  die  Kontrollkultureu,  denen  kein  Blut  zugesetzt 
worden  war. 

Nach  verschiedenen  Zeiträumen  (3  —  8  Tagen)  wurden  diesen 
Kulturen  Proben  entnommen  und  die  oberirdischen  Organe  und  die 
Wurzeln  getrennt  verarbeitet. 

Die  Wurzeln  wurden  durch  längere  Zeit  in  fliessendem  Wasser 
ausgewaschen.  Die  Pflanzenteile  wurden  zerkleinert,  zerrieben  und 
der  Pressaft  durch  Papier  filtriert  und  centrifugiert.  Die  Flüssigkeit 
wurde  abpipettiert  und  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  verdünnt. 

Zu  verschiedenen  Verdünnungen  der  Pflanzenextrakte  von  1:10 
bis  1  :  100  wurde  das  zugehörige  Präcipitin  (von  Kaninchen)  zugesetzt. 
Gleichzeitig  wurden  Proben  gleicher  Verdünnung  mit  einem  hetero- 
logen  Präcipitin  als  Kontrolle  versetzt. 

Zuerst  hatten  wir  uns  überzeugt,  dass  Extrakte  aus  Stengeln, 
Blättern  und  Wurzeln  von  Bohnen,  welche  in  reinem  Hochquell- 
wasser gezüchtet  waren,  weder  mit  Menschen-,  noch  mit  Rinder- 
oder  Pferde-Präcipitin  reagieren. 

Auch  gelang  es  nicht  in  Pflanzen,  welche  durch  fünf  Tage  in 
Pferdeseruni  gezogen  worden  waren,  das  Präcipitiuogen  nachzu- 
weisen. 

Hingegen  konnte  bei  Kultur  in  Pferdeserum  nach  acht  Tagen, 
bei  Kultur  in  Rinderblut  bereits  nach  vier  Tagen,  in  einem  Falle 
schon  nach  drei  Tagen,  ein  stärkerer  Niederschlag  in  den  Proben 
mit  dem  entsprechenden  Präcipitinzusatz  wahrgenommen  werden. 

Die  Tabelle  auf  S.  386  und  387  gibt  eine  Übersicht  über  die 
bisher  erzielten  Resultate. 

Durch  quantitative  Versuche  liess  sich  bei  den  Kulturen  in 
Rinderblut  feststellen,  dass  in  den  Wurzeln  nicht  viel  mehr  präcipitable 
Substanz  vorhanden  sei  als  in  den  Stengeln. 

Der  Grenzwert  in  den  Versuchen  mit  positiver  Reaktion  schwankt 
zwischen  Verdünnungen  von  1  :  20  und  1  :  80. 

Wenn  man  berücksichtigt,  dass  unser  Reagens  das  Präcipitin 
noch  in  Verdünnungen  des  Rinder-  oder  Pferdeserums  von  1  :  10  bis 
20  000  anzeigt,  so  muss  man  aus  dem  Ausfall  unserer  Versuche  an- 
nehmen, dass  nur  sehr  geringe  Mengen  der  präcipitablen  Substanz 
aufgenommen  werden  dürften. 


386 


K.  Kraus,  L.  von  Portheim  und  T.  Yam anouchi : 


=  111 

1 

1:5 

1 

:10 

1 

:2a 

K'^  SH 

c/:i 

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Stengel-  und 


I 

— 

7 

II 

— 

7 

III 

— 

12 

IV 

7 

5 

V 

7 

5 

VI 

19 

s 

YII 

8 

VIII 

S 

IX 

14 

4 

X 

10 

4 

XI 

10 

7 

XII 

XIII 

7 

3 

— 

0 
0 

0 

0 
Trübung 

0 
0 

0 

0 
0 

0 



Trübung 
Trübung 

Trübung 
Trübung 

0 
0 

0 

0 
Trübung 

0 

0 

0 

0 
0 

0 

0 

0 
0 

0 

Trübung 

Trübung 

Trübung 
Trübung 
Trübung 
Trübung 

0 

0 

0 
1) 
0 
0 

Wurzel- 


I 

— 

7 

III 



12 

IV 

7 

5 

VI 

19 

« 

VII 

o 

8 

VIII 

3 

8 

IX 

14 

4 

X 

10 

4 

XI 

10 

7 

XII 

7 

0 


0 


Trübung 


Trübung 
Trübung 


Trübung 


Trübung 


Trübung 


Trübung 


Trübung- 
Trübung 


Trübung 


0 
0 

0 

0 

0 

0 

0 


Biologische  Studien  über  Immunität  bei  Pflanzen. 


387 


1:40 

1:50 

1:80 

1  :  100 

Verdünnung 

s 

Ph 

ü 

Ph 

CS 

i— 1 

Ph 

a 

s 

I-c 

P-( 

s 
o 

Präcipitinzusatz 

ßlattextrakte. 


0 


Trübung 


schwache 
Trübung 

schwache 
Trübung 

0 
unsicher 

0 
Trübung 


schwache 
Trübun": 


0 

— 

— 

— 

— 

0 

0 

schwache 
Trübung 

0 

unsicher 

— 

0 

0 

0 

0 
0 

— 

0 

0 





— 

— 

unsicher 

— 

0 

— 

— 

— 

Trübung 

0 

Anmerkungen 

Ohne  Zusatz  von 
Serum 

do. 

do. 

Zusatz  von 
Pferdeserum 

do. 

do. 

Zusatz  von 
Rinderblut 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

Zusatz  von  Rin- 
derblnt  (Hypo- 
kotjle  an  der 
Basis  m.Vasclin 
bestrichen) 


extrakte. 


Trübung 

Trübung 

schwache 
Trübung 

Trübung 

unsicher 
unsicher 


0 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

Trübung 

— 

0 

— 

— 

— 

Trübung 

— 

0 

— 

— 

— 

schwache 
Trübung 

— 

0 

— 

— 

— 

schwache 
Trübung 

— 

0 

— 

— 

— 

unsicher 

— 

0 

— 

— 

— 

unsicher 

— 

0 

— 

- 

Ohne  Zusatz  von 
Serum 

do. 

Zusatz  von 
Pferdeserum 

do. 

Zusatz  von 
Rinderblut 

do. 


do. 

do. 

do. 
do. 


388  M.  TSWETT: 

Dem  Einwände,  dass  das  zur  Kultnrflüssigkeit  zugesetzte  Serum 
oder  Blut  kapillar  von  Aussen  an  den  Hypokotylen  der  Versuchs- 
pflanzen  aufsteigen  konnte  und  nicht  durch  die  Wurzeln  auf- 
genommen wurde,  begegneten  wir  in  der  Weise,  dass  bei  einer 
Kultur  in  Rinderblut  die  Hypokotyle  der  Keimlinge  von  Phaseohis 
vulgaris  am  Wurzelhals  in  einer  Höhe  von  1  —  l'/o  cm  mit  Yaselin 
bestrichen  wurden.  Die  Hypokotyle  w^urden  behufs  Verarbeitung" 
oberhalb  des  Vaselinringes  abgeschnitten.  Auch  in  diesem  Falle^ 
konnte  in  dem  Extrakte  der  oberirdischen  Organe  der  Bohnen- 
keimlinge präcipitable  Substanz  nächgewiesen  werden. 

Die  mitgeteilten  Resultate  sprechen  dafür,  dass  Pflanzen  im- 
stande sein  dürften,    tierische  präcipitierbare  Substanz    aufzunehmen. 

Ob  höheren  Pflanzen  diese  Fähigkeit  im  Allgemeinen  zukomm r^ 
ob  grössere  Mengen  dieser  Substanz  aufgenommen  werden  können, 
und  über  deren  Schicksal  in  der  Pflanze  sollen  weitere  Versuche 
Aufschluss  geben. 

Aus  dem  staatlichen  serotherapeutischen  Institute  und  der  Bio- 
logischen Versuchsanstalt  in  Wien. 


58.   M.  Tswett:   Über   die  Spektrophotometrie   der  Chloro- 
phylline  und  die  Energetik  des  Chlorophylls. 


Eingegangen  am  22.  Juli  1907. 


In  meiner  letzten  in  diesen  Berichten  erschienenen  Abhandlung- 
w^urden  die  spektroskopischen  Eigenschaften  der  Chlorophylline  fest- 
gestellt.^) Die  spektroskopische  Untersuchung,  welche  für  die 
Charakterisierung  der  Farbstoff'e  vollständig  zureicht,  kann  aber  über 
das  relative  Absorptionsvermögen  in  verschiedeneu  Spektralbezirken 
nur    ungefähre,    zuweilen    falsche  Daten  liefern.     Quantitative  Daten 


1)  Auf  den  im  vorletzten  Heft  dieser  Berichte  erschienenen  polemische» 
Aufsatz  Marchlewski's,  wo  u.  a.  der  Versuch  gemacht  wird,  meine  spektro- 
skopischen Ergebnisse  in  Zweifel  zu  ziehen,  werde  ich  nicht  erwidern.  Autwort 
geben  die  in  meinen  früheren  und  in  vorliegender  Mitteilung  angeführten  Tatsachen,, 
sowie  meine  in  der  Biochemischen  Zeitschrift  erschienene  Abhandlung  über 
die  Chlorophyllinderivate. 


Spektrophotometrie  der  Chlorophylline  und  Energetik  des  Chlorophylls.    389 

siiul  aber  für  das  Verständnis  der  Chlorophyllenergetik  von  grossem 
Wert,  und  ich  entschloss  mich  daher,  meine  spektrographische 
Untersuchung  der  Chlorophylline  durch  eine  spektrophotometrische 
zu  vervollständigen.  Ich  beabsichtigte  zuerst  Absorptionskoeffizienten 
für  das  ganze  sichtbare  Spektrum  zu  bestimmen,  nach  tieferer 
unten  mitgeteilten  — ,  Überlegung  erschien  es  mir  aber  zwecklos, 
effektvolle  aber  nutzlose  Zahlentabellen  zu  entwerfen,  und  ich  be- 
gnügte mich,  die  relative  Energie  der  Absorption  in  den  zwei 
Hauptabsorptionsbändern  der  Chlorophylline  zu  ermitteln.  Die 
<  h-enzlage  dieser  Hauptbänder  ist  (zehnfache  Angströmeinheiten)  : 


Ätherische  Lösung 

Alkoholische  Lösung 

I 

VI 

I 

VI 

Chlorophyllin  o.   .    .    . 
Chlorophyllin  />'.... 

;655-667i) 
636-646 

426-438 
448  -  462 

660-670 
640-650 

431-442 

460-475 

Schon  die  spektroskopische  Cntersuchung  schien  zu  zeigen,  dass 
bei  den  beiden  Chlorophyllineu  die  Hauptabsorption  im  Blau  (YI) 
stärker  ist  als  im  Rot  (I).  Eine  Täuschung  war  jedoch  möglich. 
Die  verwendete  Lichtquelle  (WELSBACH'scher  Brenner)  ist  relativ 
arm  an  kurzwelligen  Strahlen  (RUBENS).  Es  konnte  daher  (wie 
auch  infolge  der  grösseren  Dispersion  im  prismatischen  Spektrum) 
eine  schwächere  Absorption  der  blauen  Strahlen  für  das  Auge 
stärker  erscheinen  als  eine  ansehnlichere  Absorption  im  Rot. 
Definitive  Erledigung'  konnte  nur  die  photometrische  Untersuchung 
ermöglichen. 

Dieselbe  wurde  im  Physiologischen  Institut  der  Universität 
Berlin  mit  Hilfe  eines  ENGELMANN'schen  Mikrospektralphotometers 
mit  Gitterspektrum  augestellt.  Es  ist  mir  liier  eine  angenehme 
Pflicht,  Herrn  Prof.  Th.  ENGELMANX  für  die  liebenswürdige  Über- 
lassung seines  Apparates  und  entsprechende  Anweisung,  sowie  Herrn 
Prof.  L.  KNY,  in  dessen  Institut  ich  meine  Präparate  herstellte, 
meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 


Über  die  Bedeutung  der  spektrophotometriselien  Bestininiuugen. 

Es  scheint  eine  verbreitete  Ansicht  zu  sein,  dass  in  der  spektral- 
analytischen Erforschung  eines  Farbstoffes  die  spektrophotometrische 


1)  In  meiner  letzten  Schrift  steht  irrtümlich  662.  Infolge  des  Verlustes  des 
Korrekturabzuges  sind  iu  dem  Aufsatze  zahlreiche,  übrigens  wenig  bedeutende 
Druckfehler  geblieben.  S.  141  ist  in  der  Intensitätsskala  der  C  hlorophylliü-/i-Bänder 
Band  V  abwesend,  Avelches  zwischen  III  und  IE  zu  stehen  hat. 

Ber.  der  deutscbeu  bot.  Gesellsch.    XXV.  97 


390  ^I-  TSWETT: 

Untersuchung-  exaktere  Resultate  liefert  als  die  spektroskopische. 
Diese  in  der  Theorie  wohl  plausible  Annahme  ist  aber  in  der  Wirk- 
lichkeit nicht  unbedingt  zutreffend,  und  es  ist  vielleicht  nicht  über- 
flüssig hier  anzudeuten,  welches  Gewicht  auf  die  spektrophoto- 
metrischen  Daten  zu  legen  ist  und  inwieweit  dieselben  zu  weiterer 
Verwendung  —  der  alleinige  Berechtigungsgrund  aller  wissenschaft- 
lichen Ermittelungen  —  tauglich  sind.  Es  ist  gewiss,  dass  die 
spektroskopische  Untersuchung  uns  nur  über  die  Lage  von  Ab- 
sorptionsbändern in  exakter  Weise  unterrichten  kann.  Die  relative 
Intensität  derselben  kann  nur  dann  richtig  beurteilt  werden, 
wenn  naheliegende  Spektralbezirke  verglichen  werden,  zwischen 
welchen  keine  grossen  LichtintensitätsdifFerenzen  (im  einfallenden 
Lichte)  herrschen  und  für  welche  der  Schwellenwert  der  Licht- 
empfindung (EbeRT)  nnhezu  ein  gleicher  ist.  Sonst  kann  eine 
schwächere  Absorption  in  einem  schwachleuchtenden  Spektralbezirk 
einer  stärkeren  Lichtauslöschung  im  helleren  Bezirke  überlegen 
erscheinen.  Es  ist  nie  zu  vergessen,  dass  „bei  allen  Beobachtungen 
mit  dem  Auge  die  Retina  des  Beobachters  als  inteo'rierendei-  Be- 
standteil  in  den  analysierenden  Apparat  eingeht"  (EBERT  140). 

Die  spektrophotometrische  Untersuchung  ihrerseits  hat  den 
schweren  Nachteil,  dass  sie  für  gewöhnlich  in  weit  unreineren 
Spektren  geschieht  als  die  spektroskopische.  Die  Absorptionen 
müssen  desweo'en  mehr  oder  weniger  verschwommen  und  herab- 
gesetzt  erscheinen.  Es  kann  dies  dazu  führen,  dass  enge  und 
schwache  Absorptionsbänder,  welche  im  scharfen  (mit  engerem 
Spalte  hergestellten)  Spektrum  wohl  auftreten,  bei  der  spektro- 
photometrischen  Bestimmung  —  wenn  nicht  mit  homogenem  Licht  aus- 
geführt —  vermisst  werden.  In  diesem  Falle  ist  also  die  spektro- 
skopische Untersuchung  die  exaktere.  —  AVas  die  Absorptions- 
koeffizienten betrifft,  so  sind  sie  —  wenn  nicht  im  homogenen 
Lichte  bestimmt  —  ausser  dem  von  dem  Auge  des  Beobachters 
abhängigen  Fehler,  noch  mit  dem  konstanten  folgenden  behaftet, 
über  dessen  mögliche  Grösse  folgende  Betrachtung  belehren  mag. 

Es  sei  für  die  spektrophotometrische  Untersuchung  eine  Licht- 
quelle benutzt,  welche  Strahlen  von  den  Wellenlängen  n,  n-|-l, 
n  -|-  2, mit  gleicher  Intensität  aussendet.  Die"  Kollimator- 
spalte des  Apparates  (mit  Normalspektrum)  besitze  eine  solche 
Weite,  dass  das  Licht  einer  bestimmten  Wellenlänge  sich  auf  das 
Intervall  von  sechs  Teilstrichen  der  Wellenlängeskala  ausbreitet  (es 
ist  das  normale  Verhältnis  bei  dem  von  mir  in  folgendem  benutzten 
Apparate).  Die  Strahlen  von  der  Gattung  n  -J--  6  werden  sich  dann 
auf  das  Intervall  n  -f-  -^  his  n  -f"  "  der  Skala,  die  Stralilen  n  -f-  ^  ^uf 
das  Intervall  n  -l-  4  bis  n  4-  10  usw  verteilen.  Man  kann  sich  für 
jeden  Spektralbezirk    des  Apparates  die  Zusanmiensetzung  der  dahin 


Spektrophotometrie  der  Chlorophylline  und  Energetik  des  Chlorophylls.    391 

leuchtenden  Strahlung  bestimmen.  Man  stelle  nun  vor  den  Spalt 
einen  absorbierenden  Körper.  Derselbe  besitzt  bei  gegebener  Dicke 
für  die  Strahlen  n -|-  11  bis  n  -f-  15  den  Schwächungskoeffizienten  0,5, 
für  die  Strahlen  beiderseits  aber  den  Koeffizienten  0,9.  In  folo^ender 
Tabelle  sind  die  wirklichen  sowie  die  zu  beobachtenden  Schwächungs- 
koeffizienten bei  einfacher  wie  bei  doppelter  Dicke  des  absorbirenden 
Körpers  zusammengestellt. 


J4 


n  +  G 
bis  n  +  10 


u  +  11 
bis  n  +  15 


n  +  16 
bis  n  +  20 


I 

IT 

III 

IV 
V 


einfache  Schicht 

gegeben    

beobachtet  

doppelte  Schicht 

gegeben    

beobachtet  

aus  II  berechnet   


0,i)00 

0.831 


0,81(J 
0,714 

o,(;i)i 


0,50() 
0,G37 

0.250 
0,442 
0,40(i 


0,9<X) 
0,831 


0,S10 
(1,714 
0,G91 


Man  sieht,  dass  die  mangelnde  Reinheit  des  Spektrums  unter 
Umständen  recht  bedeutende  Fehler  in  der  Bestimmuno-  der 
Schwächungskoeffizienten  verursachen  kann,  und  dass  die  aus  diesen 
letzten  zu  berechnenden  YlERORDT'schen  Absorptionsverhältnisse,  den 
Gesetzen  LaMBERT's  und  BeER's  widersprechend,  von  der  Dicke 
bezw.  der  Konzentration  der  absorbierenden  Schicht  abhäns-en 
würden.  Zu  dieser,  beim  Studium  aller  Farbstoffe  sich  geltend 
machenden  Fehlerquelle  gesellt  sich  im  Falle  der  Chlorophylline 
noch  eine  andere,  die,  soweit  mir  bekannt,  bisher  nicht  berück- 
sichtigt worden  ist.  Was  wir  nämlich  als  Absorptionsspektrum  eines 
Chlorophyllins  (oder  eines  anderen  Fluoreszenten)  bezeichnen,  ist 
ein  kombiniertes  Absorptions-  und  Emissionsspektrum,  indem  die 
durch  alle  vom  Chlorophyllin  absorbierten  Strahlen  hervorgerufene 
rote  Fluoreszenz  teilweise  in  den  Spektralapparat  hineinstrahlt  und 
die  Absorption  der  entsprechenden  roten  Strahlen  geringer  erscheinen 
lässt,  als  sie  in  Wirklichkeit  ist.  Um  exakte  Werte  für  die  Ab- 
sorptionskoeffizienten der  roten  Strahlen  zu  erhalten,  wäre  es  nötig, 
in  reineni  roten  Licht  zu  arbeiten,  und  noch  dann  würde  die  durch 
rotes  Licht  herorgerufene  Fluoreszenz  die  Genauigkeit  der  Resultate 
beeinträchtigen.  Selbstverständlich  würden  auch  die  exaktesten 
Absorptionskoeffizienten  uns  nicht  ohne  weiteres  über  die  vom 
Farbstoffe    zurückgehaltene,    in  AYärme  oder    chemische  Arbeit    um- 

27* 


392  M.  TSWETT: 

gewandelte  Euergie  belehren,  da  ein  vielleicht  ansehnlicher  Teil  der 
absorbierten  Lichtenergie  sofort  als  Fluoreszeuzlicht  allseitig  ab- 
gestrahlt wird.  Betrachtet  man  in  meinem  Luminoskop  (TSWETT  I) 
eine  verdünnte  ätherische  Chlorophylllösuug,  so  überzeugt  man  sich, 
dass  die  Fluoreszenz  ein  bei  energetischen  Betrachtungen  nicht  zu 
vernachlässigender  Faktor  ist.^) 

Photometrische  Bestimmungen  in  Chlorophylliuenspektreu. 

Als  Lichtquelle  diente  eine  NEENST'sche  Lampe.  Die  Lösungen 
wurden  in  den  von  ZeiSS  verfertigten  Glaszellen  in  Höhen  von  5 
oder  10  m^n  untersucht.  Die  Weite  der  unverändert  bleibenden 
Kollimatorspalthälfte  betrug  den  für  die  Messung  geeignetsten  ^Yert 
von  0,2  mm^  wobei  die  Na-Linie  sich  auf  das  Intervall  von  ungefähr 
7  nfji  ausbreitete.  Die  Farbstoffe  wurden  in  alkoholischer  Lösung 
untersucht,  in  welcher  die  Lage  der  Absorptionsbänder  sich  mehr 
derjenigen  nähert,  welche  dieselben  im  lebenden  Blatte  aufweisen. 
Die  Lösungen  wurden  so  weit  verdünnt,  dass  nur  die  beiden  Haupt- 
absorptionsbänder bei  spektroskopischer  Betrachtung  erschienen. 
Die  für  jedes  Chlorophyllin  gemachten  sechs  Serien  von  Bestimmungen 
stimmen  in  dem  Resultate  überein,  dass  die  Absorption  im  Blau 
grösser  als  die  im  Rot  ist.  Dasselbe  fand  auch  Herr  Prof.  IWANOWSKI 
in  Warschau,  welcher  die  Güte  hatte,  meine  Chlorophyliine  (in 
petrolätherischer  Lösung)  mit  Hülfe  des  von  MARXENS  und  GRÜNBAUM 
umgestalteten  KÖNIG'schen  Spektrophotometers  zu  untersuchen.  Als 
Belege  seien  aus  meinen  Bestimmungen  drei  Serien  mitgeteilt  (die 
Zahlen  sind  Mittelwerte  aus    je  fünf  Messungen  und  bedeuten  pCt.): 

(Siehe  die  Tabelle  auf  S.  393.) 

Das  Überwiegen  der  Absorption  in  Blau  ist  besonders  bei  dem 
Chlorophyllin  ß  stark  ausgeprägt,  dessen  Schwerpunkt  der  Ab- 
sorption unbestritten  in  der  rechten  Spektrumhälfte  liegt.  Das  Band 
460 — 475  ist  noch  bei  solchen  Yerdünnungen  zu  unterscheiden,  in 
welchen  das  „charakteristische"  Band  im  Rot  vollständig  ver^ 
schwunden  ist. 


5) 


Über  die  Energetik  des  Chloropliylls. 

Die  au  der  Hand  des  Photometers  vervollständigten  Daten  über 
die  Spektren  der  Chlorophylline  erlauben  eine  tiefere  Einsicht  in 
den  energetischen  Betrieb  des  Chlorophylls  bezw.  der  Photosynthese 
zu    gewinnen.     Zuerst    ist    wohl    zu    betonen,    dass    das  durch  schon 


1)  Nach  'Walter's  Untersuchungen  (Eosin,  Magdalarot)  ist  das  Fluoreszenz- 
vermögen von  der  Konzentration  abhängig.  NiCHOLS  und  Mereit  haben  zu 
zeigen  versucht,  dass  die  Absorption  von  der  Fluoreszenz  abhänge,  nach  Camichel's 
Untersuchungen  ist  aber  dieses  Resultat  zweifelhaft  geworden. 


Spektrophotometric  der  Chlorophylline  und  Energetik  des  Chlorophylls.    393 


Chlorophyl 

:«    , 

Chlorophyllin  ß 

lu  a 

I 

II 

A 

J-/J.. 

X 

J/Jo 

;. 

J/Jo 

G80-G90 

53,5 

— 

— 

— 

— 

G75-GSO 

15,0 

— 

— 

— 

— 

G70  -  (575 

4,8 

— 

— 

— 

— 

GG0-G70 

1,9 

GGO-670 

71,5 

GG5— 675 

74,5 

G57  -  (JGO 

7,9 

650—660 

54,2 

G55 — 6G5 

Gl,(> 

G50-655 

18,0 

640-G50 

45,8 

645—655 

48.0 

G40-G50 

32,1 

630-640 

65,5 

635-645 

53,0 

G20    G40 

51,2 

— 

— 

— 

— 

5(10-510 

74,2 









490-500 

72,4 

— 

— 

490-500 

71,8 

480-4!)0 

GG,5 

— 

— 

485-490 

54,0 

470-4H0 

(i;',,0 

— 

— 

480    485 

41,7 

4G0-470 

53,8 

475  -  480 

34,5 

475-480 

40,2 

455-4G0 

42,2 

470  -  475 

27,3 

470-475 

26,3 

450-455 

33.3 

460  -  470 

15,7 

4GO-470 

18,1 

445-450 

20,0 

450-460 

20,1 

450-460 

21,7 

440  -  445 
4;'.0-440 

10  G 
0,9 

440-450 
430-440 

}  33,0 

440  -  450 
430-440 

40,2 
40,3 

420-430 

2,4 

— 

— 

420-430 

62,0 

laiigbekannte  Tatsachen  festgestellte  Vorliaudensein  von  Absorptions- 
bändern der  Chlorophylline  in  der  blanvioletten  Hälfte  des  Spektrums 
vollständig  zum  Begreifen  der  Tatsache  ausreicht,  dass  blauviolette 
Strahlen  assimilatorische  Wirkung  besitzen.  Das  nachgewiesene 
Absorptionshauptmaximum  des  Chlorophyllins  ß  hinter  F  macht  uns 
verständlich,  dass  assimilatorische  Tätigkeit  auch  in  gelben  Chromo- 
plasten  auftreten  kann  und  ein  Maximum  auf  der  Linie  F,  nicht 
aber  im  Rot  aufweisen.  Es  liegt  somit  nicht  der  mindeste  Grund 
vor,  den  gelben  Farbstoffen,  dem  Karotin  und  den  Xauthophyllen 
eine  unmittelbare  assimilatorische  Funktion  zu  vindizieren,  und  es 
bleibt  eine  heuristisch  vielleicht  wichtige  Tatsache,  dass  die 
Farbstoffe  der  höheren  Pflanzen  oder  der  Algen,  für  welche  photo- 
synthetische Wirkung  festgestellt  oder  nur  wahrscheinlich  gemacht 
worden  ist,  alle  Fluorescenten  sind.^) 


1)  Dies  Thema  gedenke  ich  in  einer  grösseren  Abhandlung  zu  entwickeln. 


394:  ^I-  TSWETT: 

Optische  Arbeitsteilung  im  Cliloropliyll. 

Die  ChlorophylUösung  besitzt  bekanntlich  im  sehbaren  Spektrum 
sieben  Absorptionsbänder  (einschliesslich  der  sog.  Endabsorption). 
Die  vier  linken  Bänder  rühren  ausschliesslich  von  den  Chlorophyllinen 
her.  In  verdünnten  Lösungen  zeigt  sich  das  I.  Band  des  Chlorophyllins  ß 
als  schattiger  Anhang  des  I.  Bandes  des  Chlorophyllins  a.  In 
konzentrierteren  Lösungen  treten  die  Bänder  des  Chlorophyllins  ß 
zwischen  diejenigen  des  Chlorophyllins  a  und  tragen  dazu  bei, 
dieselben  zum  frühzeitigen  Verschmelzen  zu  bringen.^)  Zugleich 
entsteht  durch  teilweise  Uberdeckung  des  lY.  Chlorophyllin-a-Bandes 
und  des  V.  Chlorophyllin-/5-Bandes  das  schwache  Band  auf  535  /^/i, 
wozu  das  V.  Band  des  in  Chlorophylllösungen  wohl  nie  absolut 
abwesenden  Chlorophyllans  a  beiträgt.  Ob  dies  Chlorophyllan  auch 
im  lebenden  Blatte  spurweise  vorhanden  ist,  kann  mit  voller  Be- 
stimmtheit weder  behauptet  noch  verneint  werden.  Das  bekanntlich 
im  unversehrten  Blatte  vorhandene  Band  im  Grün  kann  jedenfalls 
ausreichend  durch  das  Übereinandergreifen  der  entsprechenden 
Chlorophyllinbänder  erklärt  werden. 

Was  die  drei  Absorptionsbänder  des  Chlorophylls  hinter  F 
betrifft,  welche  auch  ohne  photographische  Platte  vorzüglich  zu  kon- 
statieren sind,  so  rühren  sie,  wenn  nicht  ausschliesslich,  so  doch  hau])t- 
sächlich  auch  Von  den  Chlorophyllinen  her,  wobei  das  erstere,  kurz  nach 
F  gelegene  durch  die  Hauptabsorption  des  Chlorophyllins  ß  bedingt 
ist  und  mittels  Auswaschungen  nach  SORBY's  oder  KRAUS^  Verfahren 
leicht  zu  entfernen  ist,  wie  dies  schon  SORBY  und  MONTEVERDE 
konstatiert  hatten.  Es  ist  hier  interessant,  die  Beobachtungen 
HaGENBACH's  über  die  Fluoreszenz  des  Chlorophylls  heranzuziehen. 
Als  dieser  Forscher  auf  eine  ätherische  Chlorophylllösung  im  dunkeln 
Raum  ein  Sonnenspektrum  projizierte,  sah  er  den  sieben  Absorptions- 
bändern —  der  Lage  nach  —  entsprechend,  ebensoviele  leuchtende  rote 
Bänder  auftreten,  deren  letztes  sich  in  das  Ultraviolette  erstreckte. 
Die  relative  Intensität  dieser  Fluoreszenzbänder  war 

I>  VI>  V>II ->IIIr>  IV') 


1)  Ich  erlaube  mir  daran  zu  erinnern,  dass  die  in  meiner  letzten  Abhandlung 
mitgeteilten  Chlorophyllinspektren  durch  mehrere  Kontrollmethoden  erhärtet  wurden, 
u.  a.  durch  die  an  der  Hand  einer  naturentsprechenden  Vermischung  der  Teil- 
farbstoffe erreichte  Synthese  des  Chlorophyllspektrums  in  vitro  (II.  141).  Will 
man  die  Synthese  auf  dem  Papier  vollzieheu,  so  darf  man  natürlich  nicht  die 
gleichen  Konzentrationen  entsprechender  Spektrogramme  4  und  8  der  Tafel  III 
kombinieren,  sondern  etwa  die  Spektrogramme  3  und  6  oder  4  und  7.  Dies 
entspricht  dem  natürlichen  Verhalten,  Avie  es  sich  in  verdünnter  Chlorophylllösung 
manifestiert,  wo  Band  I  des  Chlorophyllins  ß  als  schattiger  Anhang  des  I.  Chloro- 
phyllin-n- Bandes  auftritt. 

2)  Die  Numerierung  der  Bänder  ist  bei  HAGENBACH  eine  andere,    da  er  als 


Spcktrophotometric  der  Chlorophyllinc  und  Energetik  des  Chlorophylls.    395 

Das  VII.  vom  Chloro])liyllin  a  herrührende,  nach  meinen  Fest- 
stellnngen  dem  I.  überlegene  Band  leuchtete  jedoch  schwächer  als 
dieses.  Dieser  scheinbare  Widerspruch  erkUlrt  sich  aber  durch  den 
£,erino-eren  Enersieo-ehalt  der  verwendeten  blauen  Strahlen  den  roten 
gegenüber  (LaNGLEY),  sowie  durch  ihre  grössere  Dispersion  im 
prismatischen  Spektrum.  Während  nämlich  die  Strahlen  von 
l  =  660  bis  670  sich  auf  etwa  zwölf  Teilstriche  der  HAGENBACH'schen 
Skala  erstreckten,  behaupteten  die  l  =  430  bis  440  ein  Intervall  von 
44  Teilstrichen. 

Gleich  nach  dem  VI.  Band  kam,  der  leuchtenden  Kraft  nach, 
das  Band  V,  welches  dem  Chlorophyllin  ß  angehört.  Die  Absorption 
des  Chlorophyllins  a  war  also  in  der  untersuchten  Lösung  für  die 
brechbareren  Strahlen  eine  ansehnlichere  als  die  Absorption  des 
Chlorophyllins  ß.  Es  ist  natürlich  vorausgesetzt,  dass  die  Intensität 
der  Fluoreszenz  in  allen  Teilen  des  Spektrums  der  absorbierten 
Energie  proportional  ist  (STAKK). 

Alle  diese  Betrachtungen  lassen  sich  mit  einiger  Yorsicht  auf 
das  in  Chloroplasten  eingebettete  Chorophyll  übertragen.  Zwar  sind 
daselbst  die  Bänder  stark  nach  dem  Ultrarot  verschoben,  ihre  Zahl 
und  Intensitätsreihe  bleiben  aber  dieselben  wie  in  Chlorophylllösung. 
Übereinstimmend  mit  GerLAND  und  den  neueren  Forschern  (Weg- 
SCHEIDER,  MONTEVERDE)  sah  ich  {Elodea)  das  I.  Band  ausgesprochen 
doppelt  auftreteu,  wobei  das  schwäcliere  zweite  (zweifellos  dem 
Chlorophyllin  />'  angehörende)  Absorptionsmaximum  sich  von  ersterem 
scharf  abhebt.  Die  relative  Intensität  der  Chlorophyllbänder  in 
jÄ/9/fZwfya-Blättern  fand  310NTEVERDE  als 

la  >  V  >  Ib  >  II  >  III  >  IV. 

Also  erscheint  auch  im  lebenden  Blatte  die  Absorption  der  blauen 
Strahlen  durch  das  Chlorophyllin  ß  intensiver  als  die  der  roten. 

i'ber  das  quantitative  Yerliältuis  der  Clilorophylline  im 

Chlorophyll. 

Es  ist  eine  nächstliegende  Aufgabe  der  physiologischen  Chlorophyll- 
forschnng,  die  qualitative  Analyse  des  Chlorophyllkomplexes  durch 
eine  quantitative  zu  vertiefen.  Sowohl  vom  Standpunkte  des 
Studiums  des  Adaptationsvermögens  der  Lebewesen  (ENGELMANN'sche 
komplementäre  chromatische  Adaptation),  wie  in  Hinsicht  auf  die 
Frage    nach    dem  chemischen  Mechanismus   der  Photosynthese  ist  es 


V.  Band  das  in  frischen  Chlorophjlllösungen  vollständig  abwesende  Band  IVb  der 
späteren  Autoren  (Chlorophyllan-a-Band)  bezeichnet.  Band  VI  (VII.  HAGENBACH's) 
war  von  dem  schwächeren  Vif.  schlecht  abgegrenzt.  Hagenbach  sagt,  dass  seine 
Intensität  gerade  vor  G  die  grösste  war. 


396  M.  TSWETT: 

erforderlich,  die  Abhängigkeit  der  Chlorophyllzusammeiisetziing  von 
den  äusseren  Faktoren  zu  erforschen.  U.  a.  ist  die  Frao-e  nach 
dem  quantitativen  A'erhältnis  der  beiden  Chloropliylline  in  höheren 
Pflanzen  aufzu werfen. 

Es  kann  vorläufig  nicht  die  Kede  sein  von  der  direkten  Fest- 
stellung des  molaren  oder  des  Gewichtsverhältnisses,  welches  auch 
für  die  Physiologie  von  untergeordnetem  Interesse  ist. 

Wir  können  aber  versuchen,  die  relative  Konzentration  der 
beiden  Farbstoffe  zu  eruieren,  indem  wir  deren  optischen  Effekt  unter- 
suchen und  voraussetzen,  dass  gleiche  Mole  gleiche  Absorptions- 
energie, z.  B.  für  die  roten  Strahlen  besitzen.  Es  handelt  sich  also 
sozusagen  um  Bestimmung  der  Farbstoffe  in  optischen  Äquivalenten. 

Schon   SORBY    (S.  480)    hatte    versucht,    die    Frage    auf    diesem 

Wege  zu  lösen.    Zu  dem  Zweck  überführte  er  das  zu  untersuchende 

Chlorophyll    in    Benzol,    in    welcher    Lösung    die    Absorptionen    der 

Chlorophylline     im    Rot    viel    weniger     übereinandergreifen    als    in 

alkoholischer.     Die    Lösung    wurde    dann  in    gleichweite  Glasröhren 

verteilt.     Ihre    Verdünnung    war    derart,    dass    beim    Einstellen    des 

Probierrohres  von  dem  Spalte  des  Spektroskopes,   das  I.  Band  seine 

zwei    ungleich    starken    Hälften    in    bester  Ausprägung    aufwies.     Es 

w^urde  dann  die  Lösung  in  einem  Rohre  solange  mit  Benzol  verdünnt 

bis   das    I    Band  des  Chlorophyllins  a  in  gleicher  Intensität    erschien 

wie  das  I.  Band    des  Chlorophyllins  ß  im  anderen  Rohre.     Aus  dem 

Grade  der  nötigen  Verdünnung  ergab  sich  die  relative  Konzentration 

der    beiden    Pigmente.     Nach    dieser  Methode    fand  SORBY    für    das 

quantitative  Verhältnis  der  Chlorophylline 

Chlorophyllin  a  Chlorophylliu  ß 

(Jjlue  Chlorophyll")         (.,yellow  Chlorophyll'-) 

Gesunde  grüne  Blätter 100  13 — 17 

In  stark    verdunkeltem    Raum   ge- 
wachsene Blätter 100  5 — G 

Um  genauere  Zahlen  zu  erhalten  wäre  selbstverständlich  ein  Spektro- 
photometer  nötig,  und  wären  auch  Lösungen  der  isolierten  Farbstoffe, 
nicht  aber  des  Gemisches  zu  vergleichen,  wo  die  Absorptionen  der 
knapp  aneinandergrenzenden  ersten  Bänder  der  Chloropliylline  not- 
u-edrungen  etwas  übereinander  greifen. 

Die  angeführten  SORBY'schen  Zahlen  finden  sich  in  befriedigender 
Übereinstimmung  mit  den  Resultaten  folgender  Schätzung.  Stellt 
man  sich  Chromatogramme  des  Chlorophylls  (am  leichtesten  aus 
Benzollösung)  her  und  vergleicht  man  die  Höhen  der  in  ihrer  Farbe 
etwa  gleich  gesättigt  erscheinenden  Chlorophyllinzonen,  so  erhält 
man  für  das  Verhältnis: 

Chlorophyllin  ß   _    \ ^1 

Chlorophyllin  a  4  6 


Spektrophotoinetric  der  C'hlorophylline  und  Energetik  des  Chlorophylls.    397 

Dies  Yevhältnis  kann  man  endlich  mit  Hilfe  meiner  in  voriger 
Abhandlung  mitgeteilten  spektroskopischen  Tabellen  und  Spektro- 
g^'amme  annähernd  zu  schätzen  versuchen.  Um  das  Aussehen  des 
<3rsten  Chlorophyllbaudes  in  verdünnter  Lösung  zu  bekommen,  muss 
mau  nämlich  etwa  die  Spektrogramme  3  und  6  der  Tafel  III  kom- 
binieren. Vorausgesetzt  dass  die  Spektrogramme  2  und  (>  derselben 
Konzentration     der    Pigmente     entsprechen,     würde     mau     für     das 

gesuchte  Verhältnis    den  Wert  —r  erhalten.      Aus    den    obi2:en    ver- 

schiedenen  Informationsquellen  folgt  also,  dass,  wenn  wir  für  die 
Chlorophylline  gleiches  molekulares  Absorptionsvermögen  für  die 
s))ezifiscli  roten  Strahlen  beanspruchen,  auf  jedes  Molekel  des 
Chlorophyllins  ß  sich  im  Chlorophyllgemische  etwa  fünf  Molekel 
<les  Chlorophyllins  a  vorfinden. 

Um  exakte,  voraussichtlich  mit  den  Spezies  und  den  Wachstums- 
bedingungen variable  Werte  zu  erhalten,  würde  sich  vielleicht  die 
Titration  der  Chlorophylline  als  Säurederivate,  nämlich  als  Chloro- 
phyllaue bewähren.  Die  petrolätheriscjie  Lösung  des  durch  eine 
organische  Säure  zersetzten  Chlorophylls  liefert  ein  Chromatogramm, 
wo  die  Chlorophyllanzonen,  durch  einen  Xanthophyllring  getrennt, 
scharf  voneinander  gesondert  auftreten.  Die  Chloroj)hyllane  würden 
sich  daher  leicht  quantitativ  abtrennen  und  ohne  vorherige  Ent- 
fernung der  Xanthophylle  spektrophotometrisch  titrieren  lassen. 


Literatur. 


Camichel,  C,  Journal  de  l'hysique  [4]  4  (1905)  873. 

Ebert,  H.,  Wiedem.  Ann.  33  (lS88j  lo(J. 

Oerland,  E.,  Poggend.  Ann.  148  (1873)  99. 

Hagenbach,  E  ,  Pogg.  Ann.  141  (1870)  245. 

Laxgley,  S.,  Researches  on  solar  heat.     Washington  1884. 

Monteverde,  N.,  Acta  Horti  Petropol.  13  (1893)  123. 

NiCHOLS  and  Merrit,  Pliysical  Review  18  (1904)  447. 

Rubens,  H.,  Drudes  Ann.  18  (1905)  856. 

SORBY,  H.,  Proceed  Roy.  Soc.  21  (1873)  442. 

Stark,  J,  Physik.  Zeitschr.  1907,  S.  81, 

TSWETT,   M.,    I.    Diese    Berichte   24   (1906).      IL  ebd.  25  [mfi]  137.      III.   Über 

Phylloxanthin,  Phyllocyanin  und  die  Chlorophyllane  (Biochem.  Zeitschr.  5 

(1907)  6). 
^VALTER,  B.,  Wiedem.  Ann.  34  (1888)  316. 
Wegscheider,  R.,  Diese  Berichte,  2  (1884)  494. 


398  M.  NOEDHAUSEN: 


59.   M.  Nordhausen:  Über  die  Bedeutung  der  papillösen 
Epidermis  als  Organ  für  die  Lictitperception  des  Laubblattes. 


Eingegangen  am  22.  Juli  1907. 


In  einer  Reihe  von  Publikationen  hat  HABERLANDT  nus  mit 
Einrichtungen  bekannt  gemacht,  durch  welche  die  Spreite  des  trans- 
versalheliotropischen  Lanbblattes  die  Richtung  des  einfallenden 
Lichtes  wahrzunehmen  und  sich  mit  Hilfe  des  selbst  verdunkelte» 
Blattstieles  in  die  fixe  Lichtlage  einzustellen  befähigt  sein  soll. 
Unter  diesen  Organen,  die  in  der  oberen  Epidermis  ihren  Sitz  haben,, 
erregt  der  Typus  der  papillösen  Zellform  insofern  unser  besondercs- 
Interesse,  als  er  nicht  nur  am  eingehendsten,  besonders  genau  auch 
nach  theoretisch-physikalischen  Gesichtspunkten  studiert  worden  ist, 
sondern  auch  bisher  das  einzige  Objekt  geblieben  ist,  für  welches- 
der  Versuch  gemacht  wurde,  seine  Bedeutung  in  dem  genannten  Sinne 
experimentell  zu  prüfen.  Ausser  HabeRLANDT  hat  sich  KNIEP  aller- 
dings mit  abweichendem  Erfolge  hieran  beteiligt.  In  gleicher  Richtung 
sind  auch  von  mir,  anfänglich  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  stud. 
Ramme,  später  aliein  Versuche  ausgeführt  worden,  die  im  Folgenden 
zur  Darstellung  gelangen  mögen.  Vorweg  sei  bemerkt,  dass  es  mir 
nicht  o-eluno-en  ist,  die  Richtigkeit  der  HABERLANDT'schen  Auffassung 
zu  bestätigen. 

Die  gewölbten  Aussenwände  der  Epidermis  wirken,  wie  Haber- 
LANDT  ausführt,  nach  Art  von  lichtkonzentrierenden  Sammellinsen. 
Bei  senkrechtem  Ijichteinfall  entsteht  auf  dem  als  lichtempfindlich 
gedachten  Plasmabelege  der  Innenwand  ein  hell  erleuchtetes  Mittel- 
feld und  eine  dunklere  Randzone.  Bei  schrägem  Lichteinfall  rückt 
ersteres  nach  der  von  der  Lichtquelle  abgekehrten  Seite,  die  ur- 
sprünglich zentrische  Lichtverteilung  würd  jetzt  exzentrisch  und  diese 
LTmwandlung  ist  es,  die  infolge  der  Unterschiedsempfindliclikeit  der 
Plasmahäute  als  tropistischer  Reiz  empfunden  werden  soll  (HabER- 
LANDT  IV,  S.  290). 

Das  Prinzip  der  KontroUrersuche  beruht  nun  darauf,  dass  die 
Blattoberseite  bezw.  die  Papillen  mit  einem  Medium  in  Berührung 
gebracht  werden,  welches  in  seinem  optischen  Verhalten  dem  des 
Zellsaftes  oleichkommt  oder  dessen  Lichtbrechungsvermöoen  soo-ar 
übertrifft.  Im  ersten  Falle  w^ird  die  Linsenfunktion  ganz  aus- 
geschaltet, im  zweiten  Falle  die  Linsenwürkuno-  bezw\  die  Licht- 
Verteilung  umgekehrt,    wobei  ein  dunkles  Mittelfeld   und    eine    helle 


Bedeutuni,'  dei'  papiilüsen  Epidermis  als  Organ  für  die  I,ichtperceptiou.     399 

Rauilzone  eutstelieii.  Den  ersten  Weg  wählte  llABERLANDT  nnter 
Benntzuno-  von  Wasser  (Breehungsexponent:  1,333),  den  zweiten 
KNIEP  mit  Paraffinöl  (Brechnngsexponent:  1,476).  Die  Versuche 
wurden  derart  ausgeführt,  dass  HaBP:RLANDT  (abgesehen  von  seinen 
ersten,  nicht  ganz  einwandsfreien  Versuchen  mit  völlig  unter- 
getauchten Blättern)  die  Oberseite  des  Blattes,  dessen  Stiel,  wie 
überall  bei  derartigen  Versuchen  verdunkelt  war,^)  unter  gleich- 
zeitiger Bedeckung  mit  einem  entsprechend  zugeschnittenen  Glimmer- 
])lättcheu  mit  Wasser  benetzte,  wobei  das  letztere  kapillar  fest- 
"•ehalteu  wurde.  Die  Blätter  vermochten  sich  nicht  zum  Licht  zu 
orientieren.  In  ähnlicher  Weise  verfuhr  Kniep  mit  Paraffinöl,  das 
er  ebenfalls  mit  Glimmerplättchen  oder  bei  nicht  völlig  ebener 
Blattspreite  mit  dünnem  Seideupapier  bedeckte.  Bemerkenswerter 
Weise  erreichten  die  Blätter  trotzdem  ihre  Lichtlage.  Dieses  Ergebnis 
wurde  von  HaBERLANDT  (IV,  S.  298)  in  seiner  letzten  Arbeit  für 
Begonia  semperforens  bestätigt,  jedoch  erneut  durch  den  Versuch  ge- 
zeio-t,  dass  unter  gleichen  Umständen  und  an  derselben  Pflanze  eine 
Behandlung  mit  Wasser-Öeidenpapier  die  Einstellnngsfähigkeit  zum 
Licht  aufhebt.  Diese  Resultate  haben  HABERLANDT  allerdings  zu 
einer  Modifikation  seiner  Auffassung  veranhisst,  im  Prinzip  dienen 
sie  ihm  aber  als  Stütze  seiner  Theorie;  mit  welchem  Recht,  soll 
später  besprochen  werden. 

Die  von  mir  ausgeführten  Experimente  bezweckten  ebenfalls 
eine  Ausschaltung  der  Linsenfunktion,  indem  ich  mich  der  Gelatine- 
gallerte bediente.  In  einer  Konzentration  von  5 — IJ  pCt.  wurde  sie 
kurz  vor  dem  Erstarren  mit  einem  Pinsel  auf  die  Epidermis  auf- 
getragen, und  zwar  so  dick,  dass  die  Papillen  vollständig  und  reich- 
lich bedeckt  waren  und  die  Fläche  vollkommenen  Spiegelglanz 
annahm.^)  Die  stets  mit  verdunkeltem  Blattstiel  versehenen 
Versuchsobjekte^)  wurden  dann  in  dampfgesättigter  Atmosphäre 
unter  Glasglocken,  die  zur  einen  Hälfte  mit  feuchtem  schwarzen 
Papier  ausgelegt  waren,  gehalten  und  mindestens  zweimal  täglich 
mit  einem  Zerstäuber  angefeuchtet,  um  ein  Eintrockenen  der  Gelatine- 
gallerte zu  verhüten. 

Die  Vorteile  dieses  Verfahrens  erscheinen  gegenüber  dem  bisher 
geübten  nicht  unwesentlich  und  wohl  geeignet,  die  abweichenden 
positiven  Resultate  zum  grösseren  Teil  schon  allein  zu  erklären. 
Unabhängig  von  der  äusseren  Form  des  Blattes,  mag  dieses  eben 
oder  runzelig    oder  mit  Haaren  bedeckt  sein,    wird  das  gleiche  Ziel 


1)  Nur  ausnahmsweise  kanu  von  einer  Verdunkelung  abgesehen  werden,  wenn 
nachweislich  der  Blattstiel  nicht  heliotropisch  empfindlich  ist. 

2)  Anfänglich  geschah  dies  unter  mikroskopischer  Kontrolle. 

3)  Es  wurde    mit  Ausnahme    von  Tropaeolum   nur    mit    ganzen  Pflanzen    oder 
abgeschnitteneu  Sprossteilen  gearbeitet. 


400  M.  Nordhausen  : 

mit  einem  geringeren  Materialaufwand,  also  mit  geringerer  Be- 
lastung der  Blattspreite  erreicht,  als  selbst  bei  Wasser-Seidenpapier 
Ferner  nähert  sich  der  Brechungsexponent  der  Gelatine,  der  mit  der 
liebenswürdigen  Hilfe  des  Herrn  Prof.  H.  BiLTZ  mittels  Pulfrich- 
schen  Refraktometers  im  Na-Lichte  auf  1,341  der  5prozentigen,  und 
1,847  der  lOprozentigen  Lösung  bestimmt  wurde, ^)  noch  mehr  als 
AVasser  dem  des  Zeilsaftes.  Die  angegebenen  Zahlenwerte  bedeuten 
naturgemäss  nur  Annäherungswerte,  da  im  Laufe  des  Versuchs  der 
Wassergehalt  der  Gelatine  geringen  Schwankungen  unterworfen  war. 
Jedenfalls  zeigte  eine  Nachprüfung  des  Strahlenganges  bei  mit 
Gelatine  bedeckter  Epidermis  unter  dem  Mikroskop  („Linsenversuch'% 
vgl.  HaberlandT  n,  S.  52)  die  völlige  Ausschaltung  jedweder  Licht- 
konzentration. Schliesslich  hat  die  Gelatine  dem  Wasser-Seiden- 
papier gegenüber  den  Vorzug  der  grösseren  Lichtdurchlässigkeit. 
Seidenpapier  ist  bei  Benetzung  mit  Wasser  bei  weitem  nicht  so 
durchsichtig  wie  mit  Öl,  und  noch  weniger  als  Gelatinegallerte. 
Der  Unterschied  wird  aber  noch  grösser,  wenn  die  obere  Faser- 
schicht, wie  dies  im  Versuch  unvermeidlich  bleibt,  nicht  völlig  unter 
Wasser  steht.  Der  letztere  Umstand  bewirkt  ausserdem,  in  Ver- 
bindung mit  dem  stärkeren  Lichtbrechungsvermögen  der  Papier- 
fasern gegenüber  dem  Wasser,  dass  das  Seidenpapier  gleich  einem 
matten  Schirm  wirkt,  der  durch  die  von  ihm  selbst  ausgehenden 
TJchtstrahlen  den  Gans,-  des  schräg  einfallenden  Lichtes  mehr  oder 
minder  verschleiert.  Die  Differenz  in  dem  Ausfall  der  von  HABER- 
LANDT mit  Begonia  semperflorens  ausgeführten  Ol-  bezw.  Wasser- 
b-enetzungsversuche  erscheint  somit  durchaus  plausibel. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  mit  sauberen,  sterilen  Instrumenten 
gearbeitet  wurde,  hielt  sich  die  Gelatine  während  der  Versuche  tage- 
lang unverändert;  durchschnittlich  erst  nach  mehr  als  b — 6  Tagen 
machte  sich  die  Wirkung  von  Mikroorganismen  und  schliesslich  in- 
foloedessen  auch  Schädi2:ung  des  Blattes  geltend.  Es  braucht  kaum 
hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  Versuchsobjekte  vor  direktem 
Sonnenlicht  bezw.  aussergewöhnlich  hoher  Temperatur  geschützt 
wurden,  schon  allein  um  ein  Abschmelzen  der  Gelatinegallerte  zu 
verhüten. 

Die  Verdunkelung  des  Blattstieles  geschah  meist  mit  Staniol, 
ganz  dünnem,  geschwärzten  Leder  oder  sogenanntem  Kohlepapier, 
wie  es  zur  Verv^ielfältigung  von  Schriftstücken  benutzt  wird.  Letztere 
beiden  wurden  stets  in  mehrfacher  Umhüllung  angewandt,  da  sie  in 
einfacher  Lage  nicht  immer  ganz  zuverlässig  sind.  Ein  besonderes, 
später  noch  zu  nennendes  Verfahren  leistete  bei  den  Versuchen  mit 
Tropaeolum    sehr    gute   Dienste.      Lii    übrigen    fanden    die    üblichen 


1)  Meist  wurde  eine  8— lOprozeutige  Lösung  verwandt. 


Bedeutunf,'  der  papillösen  Epidermis  als  Organ  für  die  Liclitporceptioii.    4OI 

Yorsichtsiiiassregelu  Anwendung,  um  Täuschungen  durch  etwaige 
Mitwirkung  der  Schwerkraft  oder  gar  der  Internodien  auszii- 
scliliessen,  ebenso  wie  auf  die  besonderen  Synimetrieverhältnisse  der 
Blätter  speziell  von  Begonia  Rücksicht  genommen  wurde  (GOEBEL, 
S.  102).  Meist  befand  sich  das  Blatt  in  Flankenstellung  zum  Licht, 
jedoch  wurden  gleichzeitig  auch  andere  Orientierungen  vorgenommen. 
Mit  einer  Ausnahme  (Tropaeolum)  diente  stets  Tageslicht  als  Be- 
leuchtnngsquelle. 

Für  den  günstigen  Ausfall  der  Versuche  halte  ich  es  für  be- 
sonders wichtig,  dass  die  Pflanzen  an  die  ihnen  während  des  Ver- 
suches gebotenen,  ungünstigen  Beleuchtungsverhältnisse  vorher 
gewöhnt  werden,  was  bisher  wohl  in  nicht  immer  ausreichendem 
Maasse  berücksichtigt  zu  sein  scheint.  Zu  diesem  Zweck  fanden  sie 
mindestens  für  mehrere  Tage  Aufstellung  an  einem  nicht  zu  hellen 
Orte  des  Gewächshauses  bezw.  Laboratoriums,  an  welch  beiden  Urt- 
lichkeiten  auch  die  Versuche,  und  zw^ar  nur  während  der  warmen 
Jahreszeit  stattfanden.  Eine  Prüfung  mit  dem  Mikroskop  zeigte, 
dass  Veränderungen  im  Bau  und  der  Funktion  des  Linsenapparates 
hierdurch  nicht  eingetreten  waren. 

Unter  den  angeführten  Bedingungen  wurden  eine ,  Reihe  von 
Pflanzen  untersucht.  Den  Hau])twert  lege  ich  dabei  zunächst  auf 
Begonia  semperflorens^  Begonia  Schmidtiana^)  und  Ilumnlus  Lupulns^ 
mit  denen  zahlreiche  Versuche  ausgeführt  wnirden,  während  mit 
Ostrya  carpinifolia  (vulgaris)  nur  wenige,  wenn  auch  immerhin 
positiv  verlaufende  Experimente  angestellt  wurden.  Mit  Ausnahme 
der  zweitgenannten  Pflanze  hat  HABERLANDT  mit  allen  gearbeitet. 
Die  bisher  angeführten  Beispiele  bilden  den  weiter  unten  zu 
nennenden  gegenüber  insofern  eine  Gruppe  für  sich,  als  bei  ihnen 
eine  von  HABERLANDT  gestellte  Forderung  mehr  oder  minder  streng 
erfüllt  ist.  Die  Innenwände  der  Epidermiszelleu  zeigen  nämlich 
keine  oder  nur  sehr  geringe  Ausbuchtungen  nach  dem  grünen  Gewebe, 
sie  sind  also  auch  nicht  infolge  verschiedener  Neigung  zum  Licht- 
einfall  verschiedener  Helligkeit  ausgesetzt;  Epidermiszelleu,  bei  denen 
dies  in  stärkerem  Maasse  der  Fall  ist,  werden  nämlich  von  HABER- 
LANDT (H,  S.  44)  als  ein  besonderer  Typus  von  lichtpercipierendeii 
Organen  für  sich  betrachtet,  insofern  als  hier  gesetzmässige  Hellig- 
keitsunterschiede zwischen  der  stärker  belichteten  Mitte  und  der 
Raudzone  zustande  kommen 

Der  Erfolg  meiner  Versuche  war  der,  dass  unter  günstigen 
Wachstumsbedingnugen  und  bei  Benutzung   jüngerer  Blätter    bereits 


1)  Vou  dieser  Pllanze  wurde  ein  älteres,  ziemlich  stark  behaartes  Exemplar, 
sowie  zahlreiche  junge,  aus  Samen  gezogene  Individuen  benutzt.  Letztere  waren 
nur  spärlich  behaart. 


402  M.  NOEDHAUSEN: 

nach  12 — 24  Stunden  erhebliche  Reaktion  eino-etreteu  war.  die  häufig 
schon  nach  weiteren  24  Stunden  unter  Winkeländerunoen  von  45— 90'^ 
zur  fixen  Lichtlage  führten.  Kontrollpflanzen  mit  unbenetzter  Spreite 
zeigten  häufig  das  gleiche  Verhalten.*)  Nur  bei  Ostrya  vollzog  sich 
die  Orientierung  langsamer  und  gelang  die  vollständige  Erreichung 
der  fixen  Lichtlage  nicht;  dasselbe  galt  aber  auch  für  die  unbenetzten 
Kontrollblätter.  An  einer  ungünstigen  Beschaffenheit  des  Materials 
liegt  dies  aber  keineswegs  allein,  denn  einerseits  hat  auch  HaBERLANDT 
(II,  S.  90)  die  gleiche  Erfahrung  in  Bezug  auf  unvollkommenes 
Reaktionsvermögen  gemacht,  andererseits  ist  das  Missverhältnis 
zwischen  der  Tragfähigkeit  des  zarten  Blattstieles  nnd  der  Grösse 
der  Spreite  speziell  an  jüngeren  Blättern  zu  erheblich. 

Meine  Versuche  zeigen  also,  dass  die  Reaktion  der  benetzten 
Blätter,  deren  Linsenapparate  völlig  ausgeschaltet  sind,  sich  in 
gleicher  Weise  und  unter  Umständen  sogar  mit  gleicher  Schnellig- 
keit wie  unbenetzte  zum  Licht  zu  orientieren  vermögen.  Wenn  aber 
tatsächlich  auch  nicht  selten  eine  geringere  Verzögerung  der 
Reaktion  eintreten  kann,  so  ist  stets  zu  berücksichtigen,  dass  die 
Ansprüche  an  die  Arbeitsleistung  des  Blattstieles  durch  das  er- 
höhte Gewicht  der  belasteten  Spreite  in  Verbindung  mit  dem 
Hemmungswiderstande  der  Blattstielhüllen  viel  grösser  geworden 
sind.  Es  darf  ferner  nicht  ausser  acht  gelassen  werden,  dass  durch 
Reflexion  an  der  spiegelnden  Gelatineoberfläche  jener  Teil  des  auf- 
fallenden Lichtes  dem  Blatt  verloren  geht,  der  sonst  durch  die  als 
„Lichtfänger"  im  STAHL'schen  Sinne  funktionierenden  Papillen  dem 
Blatte  zugute  kommt. 

Die  beschriebenen  Versuchsresultate  berechtigen  somit  zu  der 
Schlussfolgerung,  dass  die  Perzeption  der  Lichtrichtung  unabhängig 
von  der  Linsenfunktion  der  papillösen  Epidermiszellen  vor  sich  geht. 
Um  einige  weitere  Belege  hieriur  zu  geben,  wurden  noch  einige 
Pflanzen  untersucht,  bei  denen,  abgesehen  von  gewissen  Struktur- 
eigentümlichkeiten, allerdings  die  früher  erwähnte  Bedingung,  dass 
die  innere  Epidermiswand  in  einer  Ebene  liegen  müsse,  fallen 
gelassen  wurde,  deren  Lichtsinnesorgane  aber  in  Bezug  auf  Liusen- 
wirkuug  einen  besonders  hohen  Grad  von  Vollkommenheit  auf- 
weisen und  als  solche  auch  von  HABERLANDT  zum  Teil  unter 
Reproduktion  von  Bildern  der  Lichtverteilung  besonders  hervor- 
gehoben worden  sind.  Es  sind  dies  Tropaeolum  majus^  Fittonia 
Verschaffeltn  und  Impatiens  Mariannae.  Eine  Prüfung  des  Strahlen- 
ganges mit  Hilfe    des  „Linsenversuchs"    bot    hier    in    der  Tat  über- 


1)  Unbenetzte  Blätter  von  Be(/onin  sein  per  fbrens  mit  nicht  verdunkelten  Blatt- 
stielen nalimen  bei  HaberlAndt  III,  S.  304  erst  in  vier  Tagen  die  fixe  Lichtlage 
ein!     Übrigens  fanden  meine  Begonienversuche  sämtlich  im  Gewäch<hause  statt. 


ßedcutunn-  der  papillösen  Epidermis  als  Organ  für  die  Lichtperception.    403 

rascheiide  Bilder  und  bestätigte  die  Angaben  HabeeLäNDT's  durch- 
aus. Es  ist  klar,  dass,  wenn  diese  Apparate  in  entsprechendem 
3I^asse  als  Sinnesorgane  funktionieren,  ihre  Eliminierung  selbst 
dann  zur  Geltiino-  kommen  muss,  wenn  tatsächlich  noch  die  be- 
sondere  Struktur  der  Epidermisunterseite  bei  der  Lichtperception 
beteiliot  sein  sollte.  Zum  mindesten  müsste  also  die  Einstellung  in 
<lie  fixe  Lichtlage,  wenn  nicht  direkt  verhindert,  so  doch  ausser- 
o-ewöhnlich  stark  verzös-ert  werden.  Meine  Versuche  Hessen  keines 
von  beiden  erkennen.  An  die  einzelnen  Versuche  seien  einige  Be- 
merkungen geknüpft. 

Tropaeolum  nuijus  zeigt  namentlich  nach  dem  Blattrande  zu 
zwischen  gewöhnlichen  Epidermiszellen  solche,  deren  Aussenwände 
in  der  Mitte  stark  nach  aussen  vorgewölbt  sind.  In  Bezug  auf 
weitere  Einzelheiten  sei  auf  HabERLANDT  (II,  S.  Q)Qi)  verwiesen.  Die 
Wahl  dieser  Pflanze,  mit  der  HaBERLA^'DT  ebenfalls  gearbeitet  hat 
—  KNIEP  benutzte  nur  das  ganz  ähnli<^h  gebaute  Tropaeolum  miiius  — 
könnte  vielleicht  insofern  überflüssig  erscheinen,  als  HaBERLANDT 
in  seiner  neuesten  Arbeit  im  Gegensatz  zu  seinen  früheren  Befunden 
direkt  zugiebt,  dass  trotz  Benetzung  niit  Wasser  das  Orientierungs- 
vermögen der  Spreite  tatsächlich,  wenn  auch  sehr  unvollkommen 
bestehen  bleibt.  Er  führt  diesen  Umstand  auf  die  schon  angedeuteten 
Unebenheiten  der  Innenwände  zurück,  die  aber  bemerkenswerter- 
weise so  gering  sind,  dass  HABERLANDT  (II,  S.  87)  in  seinen  früheren 
Versuchen  von  ihnen  ganz  absehen  zu  können  glaubte. 

Meine  Versuche  wurden  ebenfalls  mit  abo-eschnittenen  Blättern 
ausgeführt,  deren  Blattstiele  mit  ihrem  uuteren  Teile  im  festen 
Staniolverbande  ruhten  und  in  Wasser  tauchten.  Das  Gelingen  der 
Versuche  ist  hier  ganz  besonders  von  einer  geeigneten  Auswahl  des 
Materials  abhängig,  das  von  vornherein  hierzu  wenig  prädestiniert 
erscheint.  Abgesehen  von  den  photonastischen  Bewegungen  des 
Blattes,  stört  vor  allem  die  Zartheit  des  für  die  Bewegung  haupt- 
sächlich in  Betracht  kommenden  oberen  Teiles  des  Blattstieles,  zu 
der  die  relative  Grösse  der  Spreite  in  unvorteilhaftem  Verhältnis 
steht.  Ferner  muss  die  Spreite  selbst  erst  für  Wasser  bezw.  Gelatine 
benetzbar  gemacht  werden,  was  HABERLANDT  unter  gewissen 
Vorsichtsmassregelu  mit  Alkohol,  ich  selbst  ausserdem  auch  durch 
Abreiben  mittels  eines  mit  feuchtem,  geschlemmten  Ton  bestrichenen 
Wattebäusehchen  erzielte.  Umstände,  die  in  Anbetracht  des  Vor- 
kommens von  Spaltöffnungen  auf  der  oberen  Epidermis  das 
Reaktionsvermögen  nicht  o-erade  begünstigen  dürften.  Trotzdem 
erhielt  ich  nach  längerem  Bemühen  mit  grosser  Regelmässigkeit  sehr 
gute  Resultate,  wenn  Blätter  mit  relativ  nicht  zu  grosser  Spreite 
und  vor  allem  mit  kräftio-em  Stiel  sorofältio-  ausgesucht  wurden. 
Solche     erhielt     ich     ohne    Schwierigkeit,     wenn     aus     dem    Freien 


404  ^I-   NOKDHAUSEN: 

stammende,  besonders  kräftige  Sprosse  mehrere  Tage  an  einem 
nicht  zu  hellem  Ort  der  relativ  trockenen  Laboratoriumsluft  aus- 
gesetzt wurden,  wobei  gleichzeitig  die  Liclitstimmuug  günstig  beein- 
flusst  wurde.') 

Die  Verdunkelung  des  Blattstieles  in  seinem  oberen  beweglichen 
Teile  wurde  mit  schwarzem  Leder  (HabERLANDT  II,  S.  11)  oder  Papier 
bewirkt.^)  Fast  noch  bessere  Resultate  erhielt  ich  mit  einem  Über- 
zug von  schwarzer  Gelatinegallerte.  Wie  HABERLANDT  (I,  S.  108)  und 
Krabbe  (S.  257)  mit  Recht  hervorheben,  ist  ein  Überzug  allein  mit 
chinesischer  Tusche  unzureichend.  Wenn  auch  an  und  für  sich  un- 
durchlässig für  Licht,  müssen  naturgemäss  durcli  Wachstums- 
bewegungen des  Stieles  in  dem  sehr  spröden  Material  sehr  schnell 
Spalten  und  Risse  auftreten.  Dies  ist  in  dem  oben  genannten 
Mittel,  welches  ich  durch  A^errühren  einer  grösseren  Portion  Frank- 
furter Schwarz  in  Gelatinelösung  erhielt,  durchaus  vermieden.  Diese 
Mischung  wurde  kurz  vor  dem  Erstarren  in  mehreren  Schichten  auf- 
getragen und  durfte,  um  seine  Elastizität  nicht  zu  verlieren,  während 
des  Versuches  niemals  eintrocknen,  was  bei  der  sonstigen  Yersuchs- 
anordnung  keine  besonderen  Massnahmen  erforderlich  machte.  Dies 
elastische  Verhalten  sowie  eine  gewisse  Gleitfähigkeit  auf  der  Unter- 
lage gestattet  einen  Ausgleich  der  Spannungen,  so  dass  Risse  inner- 
halb begrenzter  Zeiträume  nicht  auftreten.  Werden  diese  über- 
schritten,  so  bilden  sich  allerdings  nur  wenige  Rissstellen,  die  aber 
sofort  so  gross  werden,  dass  sie  niemals  unbeachtet  bleiben  können. 
Der  o'rösseren  Sicherheit  wegen  wurden  die  Versuche  nicht  über 
24  Stunden  ausgedehnt.  Dass  tatsächlich  der  Verband  für  Licht 
undurchlässig^)  ist,  zeigten  mir  eine  Anzahl  von  Kontrollversuchen, 
wo  ausser  dem  Blattstiel  die  Lamina  mit  schwarzem  Papier  oder 
ebenfalls  schwarzer  Gelatine  überzogen  wurden.  Während  daneben 
befindliche  Versuchsblätter  ihre  fixe  Lichtlage  einnahmen,  verhielten 
sich  die  Kontrollblätter,  abgesehen  von  photonastischen  Bewegungen,, 
dem  Licht  gegenüber  durchaus  passiv.*) 


1)  Ausdrücklich  sei  hervorgehoben,  dass  die  benutzten  Blätter,  wie  eine 
Prüfung  unter  dem  Mikroskop  lehrte,  tatsächlich  die  nur  den  etwas  älteren  Blättern 
eigentümlichen  „Sinnesorgane"  besassen  (conf.  HABERLANDT  II,  S.  100). 

2)  Den  sinnreichen,  aber  komplizierten  Apparat  Kniep's  habe  ich  nicht  be- 
nutzt, dagegen  die  neueste  Konstruktion  Haberlaxdt's  (IV,  S.  300)  nachgeprüft. 
Danach  steht  es  für  mich  fest,  dass  die  frühzeitige  Sistierung  der  anfänglich  vor- 
handenen Blattstielbewegung  in  seinen  Versuchen  nur  durch  jenen  wenig  zweck- 
mässigen Apparat  verschuldet  wiu'de. 

o)  Auf  das  Fehlen  von  Luftblasen  muss  besonders  geachtet  werden.  Es 
empfiehlt  sich,  die  zuerst  aufgetragene  Schicht  vollständig  trocken  werden  zu 
lassen;  etwa  voi'handene  Luftblasen  gelangen  dann  zum  Zerplatzen. 

4)  Der  lUattstiel  reagiert  bekanntlich  auch  bei  verdunkelter  Spreite  stark 
heliotropisch  (conf.  Darwin,  S.  414:   Rothert,  S.  121;  Haberlandt  I,  S.  107). 


Bedeutunfi:  der  papillöscn  Epidermis  als  Organ  für  die  Lichtperceptiou.    405 

Die  Beleuchtung  fand  durch  Tageslicht,  in  einigen  Fällen  mit 
sehr  gutem  Erfolge  durch  Aiierlicht  statt,  das  für  einige  Stunden 
während  des  Tages  benutzt  wurde/) 

Das  Resultat  war  nun  derart,  dass  in  günstigen  Fällen  bereits 
nach  6 — 8,  eventuell  12  Stunden  die  Blätter  die  fixe  Lichtlao;e  an- 
nähernd  oder  sogar  vollständig  erreicht  hatten,  erst  recht  natürlich 
von  einem  Tage  zum  anderen,  d.  h.  in  24  Stunden.^)  Bedenken 
wir,  dass  HaberlandT  (II,  S.  12)  selbst  unbenetzte  Blätter  mit  ver- 
dunkelten Blattstielen  nach  5 — 6  Stunden  das  Maximum  ihrer  Ein- 
stellungsbewegung, das  aber  bei  Tropaeolum  majus  bei  weitem  nicht 
der  fixen  Lichtlage  entsprach,  einnehmen  sah,  so  kann  von  einer 
nennenswerten  Verzögerung  der  Reaktion,  wie  sie  der  Ausschaltung 
des  Linsenapparates  entsprechen  müsste,    natürlich   keine  Rede  sein. 

Sehr  instruktiv  ist  das  Verhalten  von  Fittonia  und  Impatiens, 
deren  Einrichtungen  allerdings  von  den  bisher  genannten  erheblich 
abw^eichen,  jedoch  nach  demselben  Prinzip  arbeiten.  Als  sogenannte 
Ocellen  gehören  sie  dem  höchstentw^ickelten  Typus  der  Lichtsinnes- 
organe an  und  finden  sich  auf  der  Epidermis  zerstreut.  Ein  einzelnes 
Ocell  besteht  aus  zwei  Zellen:  Eine  grosse,  stark  papillös  nach 
aussen  gewölbte  Epidermiszelle  trägt  nämlich  an  ihrer  Spitze,  durch 
eine  kurze  Querwand  getrennt,  eine  kleinere  sogenannte  Linsenzelle. 
Die  Querwand  ist  bei  Impatiens  gerade,  bei  Fittonia  gewölbt,  und 
zwar  so,  dass  die  obere  Zelle  bikonvexe  Linsenform  zeigt.  Die 
Innenwand  der  grossen  Zelle  ist  zwar  annähernd  gerade,  die  Seiten- 
wände dagegen  schräg  nach  einwärts  gerichtet,  so  dass  im  Prinzip 
mit  einer  ganz  ähnlichen  Einrichtung  gerechnet  werden  muss,  wie 
sie  durch  die  nach  innen  gewölbten  Epidermiszellwände  repräsentiert 
werden  (HABEßLANDT  II,  S.  44).  In  Bezug  auf  sonstige  anatomische 
Einzelheiten  sowie  die  physikalischen  Grundlagen  sei  auf  die  näheren 
Ausführungen  HabERLANüT's  (II,  S.  107  u.  f.)  verwiesen,  der  übrigens 
in  dieser  Einrichtung  eine  Anpassung  an  häufige  Beuetzung  der 
Blattspreite  sieht.  Hervorgehoben  sei  nur,  dass  sowohl  die  kleine 
als  die  grosse  Zelle  als  Licht  konzentrierende  Linsen  in  Betracht 
kommen,  dagegen  die  Innenwände  der  letzteren  allein  als  licht- 
empfindlich anzunehmen  sind. 


1)  Beiläufig  sei  noch  eine  weitere  Versuclismethodik  erwähnt,  deren  ich  mich 
mit  ziemlich  gutem  Erfolge  bediente.  Es  wurde  nämlich  die  Blattspreite  in 
horizontaler  Lage  fixiert,  während  der  Stiel  in  einen  luftdichten,  zur  Hälfte  mit 
Wasser  gefüllten  Behälter  durch  eine  kleine  Öffnung  im  Deckel  hineinragte  und 
sich,  im  gleichen  Sinne  wie  sonst  die  Lamina  dem  Lichte  zukrümmte.  Auf  Einzel- 
heiten dieses  neben  gewissen  Vorteilen,  auch  Nachteile  in  sich  bergenden  Ver- 
fahrens einzugehen,  dürfte  sich  nicht  verlohnen,  da  es  ein  abschliessendes  urteil  in 
dem  oben  geforderten  Sinne  so  wie  so  nicht  gestattet. 

2)  Dass  die  Blätter  sich  individuell  verschieden  verhielten,  bedarf  kaum  der 
Erwähnung. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  28 


406  M.  Kordhausen: 

Der  „Linsenversuch"  zeigte  mir,  dass  durch  Benetzung-  mit 
Gelatine  die  Linsenfunktion  eliminiert  wird.  Hierzu  bedarf  es  aber 
noch  einer  kurzen  Erörterung.  HABERLANDT  konstatiert,  dass  die 
kleine  Zelle  bei  Fittonia,  dagegen  nicht  bei  Impatiens  stärker  licht- 
brechenden Inhalt  führt  als  die  grosse,  was  auf  Gerbstoffgehalt  be- 
ruhen soll.  Der  Theorie  nach  dürfte  daher  in  obigem  Falle  eine 
völlige  Ausschaltung  der  Liusenfunktion  nicht  eintreten.  Demgegen- 
über sei  festgestellt,  dass  ich  niemals  bei  Fittonia^  wohl  dagegen  in 
geringem  Masse  bei  Impatiens  in  jenen  Zellen  Gerbstoff  nachweisen 
konnte.^)  Li  wieweit  hierfür  ein  verschiedenartiges  Verhalten  der 
Pflanzen  massgebend  ist,  lasse  ich  dahingestellt;  eine  Verwechselung 
dürfte  zweifellos  ausgeschlossen  sein.  Ebenso  wenig  gelang  mir  der 
sichere  Nachweis  eines  stärkeren  Lichtbrechungsvermögens  der 
kleinen  Zelle  bei  Fittonia.  Allerdings  kann  man  beim  „Linsen- 
versuch" bisweilen  unter  Benutzung  sehr  kleiner  Blenden  bei  benetzter 
Epidermis  kaum  merkliche  Spuren  von  Lichtdifferenzen  beobachten, 
denen  aber  ganz  andere  Ursachen  zugrunde  liegen  dürften.  So 
treten  an  den  gewölbten  Seitenwänden  der  kleinen  Linsenzelle  ganz 
schwache  Reflexe  auf  (vielleicht  begünstigt  durch  die  vollständige 
Cutinisierung  der  Aussenwandung  [nach  H.]),  ebenso  bewirkt  unter 
gleichen  Umständen  der  zum  Teil  exzentrisch  gelegene  Kern 
derselben  Zelle  geringe  Ablenkung  der  Strahlen.  Alle  diese 
Momente  sind  aber  im  Vergleich  zu  dem  normal  funktionieren- 
den Apparat  so  ausserordentlich  geringfügig,  dass  sie  für  unsere 
Frage  als  bedeutungslos  ohne  weiteres  vernachlässigt  werden 
können.  Bei  Impatiens  treten  sie  überhaupt  nicht  hervor,  offen- 
bar infolge  der  etwas  abweichenden  Gestaltungsverhältnisse  der 
Zellen;  für  die  Annahme  eines  stärkeren  Lichtbrechungsvermögens 
der  kleinen  Zelle  bot  sich  absolut  kein  Anhalt;  der  Gerbstoffgehalt 
ist  offenbar  hierzu  viel  zu  gering. 

Als  Resultat  ergab  sich,  dass  die  mit  Gelatine  bedeckten  Blätter 
sich  sehr  leicht  in  die  fixe  Lichtlage  einstellen,  und  zwar  zum  Teil 
mit  gleicher  Schnelligkeit  wie  Kontrollblätter,  sei  es  mit  oder  ohne 
verdunkeltem  Blattstiel.  Besonders  deutlich  trat  dies  bei  Fittonia 
hervor,  wo  bei  dekussierter  Blattstellung  das  unveränderte  zweite 
Blatt  eines  Wirteis  stets  zur  Kontrolle  diente.  Der  Blattstiel,  der, 
wie  schon  HABERLANDT  H,  S.  107  angiebt,  bei  Fittonia  von  anderen 
Blättern  stets  beschattet  wird,  dürfte  überhaupt  nicht  heliotropisch 
empfindlich  sein. 

Nach  allem  kann  es  somit  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
auch    bei    der    zweiten    von    mir    behandelten  Gruppe  von  Pflanzen, 


1)  Mittels  Kaliumbichromat  und  Eiseuvitriol. 


Bedeutung  der  papillösen  Epidermis  als  Organ  für  die  Lichtperception.    407 

die  Linsenfimktioii  der  „Lichtsinnesorgane"    ohne  direkte  Bedeutung 
für  die  Orientierung  des  Blattes  zum  Lichte  ist. 


Nach  HaBERLANDT,  der  die  Beobachtungen  KniEP's  an  mit  Öl 
benetzten  Blättern  bestätigen  konnte,  stehen  diese  Versuche  in 
keinem  prinzipiellen  Widerspruch  zu  seiner  Theorie,  sie  gaben  nur 
den  Anlass  zu  einer  kleinen  Änderung  seiner  Auffassung.  Wie 
schon  erwähnt,  werden  die  Beleuchtungsverhältnisse  der  licht- 
empfindlichen Plasmahaut  durch  die  Benetzung  mit  Ol  umgekehrt, 
d.  h.  das  Mittelfeld  erscheint  dunkel,  die  Randzone  hell.  Trotzdem 
reagiert  das  Blatt  in  durchaus  normaler  W^eise.  HABERLANDT  hebt 
nun  besonders  hervor,  dass  das  ausschlaggebende  Moment  seiner 
Theorie  auf  der  Empfindlichkeit  für  die  Art  der  Intensitätsverteilung 
des  Lichtes  auf  der  Plasmahaut  beruht,  d.  h.  ob  diese  zentrisch  oder 
exzentrisch  ist,  dass  dagegen  —  und  dies  ist  das  Neue  seiner  Auf- 
fassung —  die  verschiedene  Reizstimmung  der  verschiedenen  Teile 
der  Plasmahaut  keine  „angeborene  und  unveränderliche  Eigen- 
schaft, sondern  nur  eine  erworbene  Adaptationserscheinung"  sei. 
„Die  Mittelfelder  sind  bei  senkrechtem  Lichteinfall  hell  adaptiert,  die 
Randpartien  dunkel  adaptiert.  Die  Helladaptation  der  Mittelfelder 
stellt  sich  nach  jeder  längeren  Verdunkelung,  an  jedem  Morgen  aufs 
neue  ein."  Ein  vollständiger  Stimmungswechsel  tritt  durch  Be- 
netzung mit  Ol  ein,  so  dass  nunmehr  das  Mittelfeld  dunkel,  die 
Randpartien  helladaptiert  sind  (H.  IV,  S.  293). 

Meines  Erachtens  stehen  dieser  Auffassung  doch  einige  Be- 
denken*) entgegen,  auf  die  ich,  ohne  einen  experimentellen  Beitrag 
zu  dieser  Frage  bieten  zu  können,  kurz  hinweisen  möchte.^)  Abge- 
sehen von  der  beiläufigen  Bemerkung,  dass  das  Verhältnis  der 
Präsentationszeit  des  heliotropischen  Reizes  zu  der  Minimalzeit,  in 
der  die  Adaptation  vor  sich  gehen  kann,  für  ein  Funktionieren  des 
Apparates  wenig  günstig  erscheint  und  noch  sehr  der  Aufklärung 
bedarf,  sei  zunächst  die  Frage  aufgeworfen,  weshalb  eine  Adaptation 
bei  schiefem  Lichteinfall,  d.  h.  exzentrischer  Lichtverteilung  unter- 
bleibt. Die  Angaben  HabeRLANDT's  sind  offenbar  so  zu  deuten, 
dass  ein  beliebiger  Punkt  der  Plasmahaut  sich  nnr  dann  an  einen 
bestimmten  Helligkeitsgrad  zu  adaptieren  vermag,  wenn  ein  korre- 
spondierender Punkt  der  gegenüberliegenden  Hälfte,  der  der 
Peripherie  desselben  konzentrischen  Kreises  (bezw.  Kurve)  angehört, 
von  der  gleichen  Helligkeit  getroffen  wird,    was  ja  einer  zentrischen 


1)  Vgl.  das  Referat  von  H.  FiTTiNG  p.  184. 

2)  Aus    eigener    Anschauung    kenne    ich    nur    die    im    „Linsenversuch"    sich 
bietenden  Bilder  bei  ölbenetzter  Epidermis. 

28* 


408  M.  Nordhausen  : 

Lichtverteilung  bei  senkrechtem  Lichteinfall  entspricht.  Die  Adap- 
tation unterbleibt,  sobald  z^Yischen  beiden  ein  Helligkeitsunterschied, 
also  exentrische  Lichtverteiluno;  besteht.  Wie  wird  aber  der  Hellio-- 
keitsunterschied  empfunden?  Sobald  die  Plasmaliaut  unter  dem 
frischen  Eindruck  vorhergehender  zentrischer  Lichtverteilung  steht 
oder  durch  die  schnelle  Reaktionsbewegung  des  Blattstieles  ein 
ständiger  Intensitätswechsel  auf  der  Plasmahaut  unterhalten  wird,  ist 
die  Erklärung  selbstverständich  sehr  einfach.  Schwierigkeiten  ent- 
stehen aber,  sobald  die  Einstellung  des  Blattes  sehr  langsam  erfolgt, 
oder,  wie  es  in  der  Natur  gar  nicht  selten  der  Fall  ist,  zeitweiligen 
mechanischen  Hindernissen  begegnet.  Alsdann  dürfte  die  Annahme 
nicht  zu  umgehen  sein,  dass  der  Plasmahaut  schon  von  vornherein, 
unabhängig  von  der  von  aussen  durch  Adaptation  erworbenen,  eine 
gewisse  Lichtstiramung  zukommt,  was  aber  gerade  von  HABERLANDT 
zur  Erklärung  der  Versuche  mit  ölbenetzten  Blättern  bestritten  wird. 

Noch  wichtiger  erscheint  mir  eine  praktische  Konsequenz.  Die 
zweckmässigen  Bewegungen  des  Blattstieles  setzen  voraus,  dass  die 
Pflanze  befähigt  ist,  wahrzunehmen,  in  welcher  Richtung  eine 
Änderung  der  Intensitätsverteilung  innerhalb  der  Plasmahaut  statt- 
findet, d.  h.  ob  unter  normalen  Verhältnissen  das  helle  Mittelfeld 
sich  acro-  bezw.  basipetal  oder  rechts  bezw.  links  verschiebt 
(H.  II,  S.  128).  Diese  Fähigkeit  muss  äusseren  Einwirkungen  gegen- 
über eine  gewisse  Konstanz  bewahren,  wenn  nicht  eine  Orientierung 
illusorisch  werden  soll.  Vero-leichen  wir  nunmehr  folgende  zwei 
Fälle: 

Wird  eine  normale  Epidermiszelle  von  rechts  her  schräg  be- 
leuchtet, so  rückt  das  helle  Mittelfeld  nach  links,  d.  h.  auf  der 
linken  Hälfte  befindet  sich  eine  erheblich  grössere  Zahl  von  hellen 
Punkten  als  auf  der  rechten.  Wird  jetzt  die  Lamina  mit  Ol  benetzt 
so  ergibt  sich  bei  gleichem  Lichteinfall,  dass  das  jetzt  dunkele 
Mittelfeld  nach  links  gerückt  ist,  dass  also  nunmehr  die  grössere 
Zahl  von  hellen  Punkten  sich  auf  der  rechten  Seite  befindet.  Die 
Lichtverteilung  ist  somit  im  zweiten  Falle  prinzipiell  die  gleiche, 
als  wenn  das  unbenetzte  Blatt  schräg  von  links  her  beleuchtet 
würde.  Bei  dem  Bestreben,  die  fixe  Lichtlage,  d.  h.  zentrische 
Lichtverteilung  wiederherzustellen,  muss  es  der  Pflanze  ähnlich  er- 
gehen wie  einem  Menschen,  der  zum  erstenmal  in  ein  Mikroskop 
schaut  und  dabei  rechts  und  links  verwechselt.  Nicht  die  Flächen- 
stellung, d.  h.  senkrechte  Einstellung  zum  Licht,  sondern  Profil- 
stellung oder  besser  eine  Abkehr  vom  Licht  müsste  konsequenter- 
weise erfolgen.  Tatsächlich  zeigten  aber  die  Blätter  durchaus 
normales  Verhalten. 

Stehen  somit  die  KNIEP'schen  Versuche  mit  ölbenetzten  Blättern 
im   Widerspruch  mit  der  HABERLANDT'sclien  Auffassung,    so  dürften 


Bedeutung  der  papillösen  Epidermis  als  Organ  für  die  Lichtpercoption.    401) 

die  von  mir  ausgeführten  Gelatineversuche  direkt  die  allgemeine 
Sehlussfolgeriing  rechtfertigen,  dass  die  Linsenfunktion  der 
papillösen  Epidermis  nicht  in  direktem  kausalem  Zu- 
sammenhang mit  der  Perzeption  der  Liehtrichtung  durch 
die  Blattspreite  steht. 


Neben  den  behandelten  Fällen  kommt  nach  IlABERLANDT  noch 
einer  grösseren  Zahl  von  Einrichtungen  die  Bedeutung  von  „Licht- 
sinnesorganen" zu,  von  denen  die  nach  innen  gewölbten  Epidermis- 
zellwände  bereits  genannt  wurden.  Sie  alle  tragen  zunächst  noch 
durchaus  hypothetischen  Charakter  und  namentlich  das  letzterwähnte 
Beispiel  erscheint  mir  am  wenigsten  begründet  zu  sein;  denn  trotz  der 
Bedenken  HABERLANDT's  (II,  S.  41)  dürften  Belichtungsunterschiede, 
die  mit  dem  Lichteinfall  gesetzmässigen  Änderungen  unterworfen 
sind,  sich  zwischen  den  einzelnen  Zellwänden  einer  beliebigen, 
nicht  besonders  strukturierten  Epidermiszelle  nachweisen  lassen. 
Damit  soll  aber  keineswegs  die  Bedeutung  des  den  HABERLANDT- 
schen  Arbeiten  zugrunde  liegenden  Gedankens  bestritten  werden, 
dass  Einrichtungen,  die  auf  eine  Erhöhung  von  Lichtkontrast- 
wirkungen zwecks  Perzeption  der  Lichtrichtung  hinzielen,  eine 
grössere  Verbreitung  im  Pflanzenreich  zukommt.  Speziellere 
Untersuchungen  dürften  sich  aber  erst  dann  lolinen,  wenn  in 
einwandsfreierer  Weise  als  bisher  das  Vorkommen  solcher  Organe 
an  bestimmten  Stellen  des  Blattes,  z.  B.  der  Epidermis,  erwiesen 
würde.  Die  Gründe,  die  HABERLANDT  (II,  S.  30)  gegen  deren  Vor- 
kommen in  den  Palissadenzellen  anführt,  berücksichtigen  beispiels- 
weise gar  nicht  die  mehr  oder  minder  begründete  Anschauung,  zu 
der  sich  HABERLANDT  (II,  S.  84)  neuerdings  selbst  bekennt,  dass 
zwischen  der  Richtuns;  der  Palissaden  und  dem  Lichteinfall  Zu- 
sammenhänge  bestehen  können. 


Literatur. 


Ch.    und    Fr.    Darwin,     Das   Bewcguugsvermögeu    der   Pflanzen.      Deutsch   von 

Carus,  1881. 
H.  FiTTiNG,  Referat  über  HABERLANDT  IV.    Bot.  Zeit.  1907,  AM.  II. 
K.  GoEBEL,  Organ ograpliio  ISOS. 

G.  HABERLANDT,   1.  Die  Perzeption  des  Lichtreizes  durch  das  Laubblatt.     Ber.  d. 

D.  B.  G.,  XXII,  1904. 
IL  Die  Lichtsinnesorgane  der  Laubblätter,  Leipzig  1905  (ENGEL- 
MANN). 


4J0    «yfoi*5  t.i  ERWINfBAUR: 

III.  Ein  experimenteller  Beweis  für  die  Bedeutung  der  papillösen 

Laubblattepidermis    als    Lichtsinnesorgan.      Ber.  d,  D.  B.  G., 

XXIV,  1906. 

IV.  Die    Bedeutung   der    papillösen   Laubblattepidermis    für   die 

Lichtperzeption.    Biol.  Centralbl.,  XXVII,  1907. 

H,  Kniep,  Über  die  Lichtperzeption  der  Laubblätter.  Biol.  Centralbl.,  XXVII,  1907. 

G.  Krabbe,  Zur  Kenntnis  der  fixen  Lichtlage  der  Laubblätter.   Jahrb.  f.  wiss.  Bot. 

XX,  1889. 
W.  ROTHERT,  Über  Heliotropismus.     Beitr.  z.  Biol.  der  Pfl.,  VII,  1896. 
E.  Stahl,  Über  bunte  Laubblätter.     Ann.  du  Jard.  d.  Buitenzorg,  XIII,  1896. 


60.  Erwin  Baur:  Über  infektiöse  Chlorosen  bei  Ligustrum 
Laburnum,  Fraxinus,  Sorbus  und  Ptelea. 

Eingegangen  am  24.  Juli  1907.) 


Im  vergangenen  Herbst  habe  ich  in  diesen  Berichten^)  mit- 
geteilt, dass  infektiöse  Chlorosen,  die  der  am  besten  untersnchten 
Malvaceenchlorose  völlig  analog  sind,  auch  bei  Ligustrum  vulgare  und 
Laburnum  vulgare  vorkommen.  Die  Buntblätterigkeit  der  unter  dem 
Namen  Ligustrum  vulgare  fol.  aureo-variegatis  von  SPÄTH,  Baum- 
schulenweg-Berlin, oder  von  anderen  Baumschulen  beziehbaren  gelb- 
fleokigen  Ijigusterbüsche  ist  genau  in  der  gleichen  eigentümlichen 
Weise  auf  dem  Wege  der  Pfropfinfektion  ansteckend  und  in  der 
gleichen  Weise  vom  Licht  abhängig,  wie  die  Buntblätterigkeit  des 
Ahutilon  Thompsoni. 

Es  war  von  Interesse,  festzustellen,  ob  auch  bei  Ligustrum  die 
Sämlino-e  infektiös  chlorotischer  Eltern  ausnahmslos  normal  grün- 
blätterig  sind,  ob  also  auch  hier  eine  Infektion  der  jungen  Embryonen 
von  der  Mutter  her  unterbleibt.  Versuche  zeigten,  dass  dies  tatsächlich 
der  Fall  ist.  29  Keimpflanzen,  die  ich  im  vergangenen  Frühjalir 
aus  Samen  von  infektiös  chlorotischen  Eltern  erzog,  waren  alle  rein 
grünblätterio;  und  sind  es  bis  heute  geblieben. 

OD  O 

Ebenso  gaben  auch  elf  Keimpflanzen  von  Laburnum  vulgare 
chrysophyllum  nur  grüne  Pflanzen,  auch  Aussaaten  in  grösserem  Mass- 
stabe, die  in  den  SPÄTH'schen  Baumschulen  wiederholt  gemacht 
worden  waren,  hatten  ausnahmslos  grüne  Sämlinge  ergeben. 

Wie  ich  schon  mitgeteilt  habe,    machten   es  Nachforschungen  in 


1)  Bd.  24,  S.  416. 


Infektiöse  Chlorosen  bei  Ligustiuni,  Laburuiim,  Fraxinus,  Sorbus  und  Ptelea.  411 

den  SPÄTH'schen  Bauniscliuleii  sehr  wahrscheiiilicli,  dass  das  erste 
Reis  von  Laburimm  vulgare  chri/sopliyllum  entstanden  ist  als  Spross 
einer  bis  dahin  grünblätterigen  Laburnum-V nterlago,  auf  die  ein  Reis 
von  einer  anderen,  lange  bekannten  gelbblätterigen  Laburnwn- 
„Varietät",  Laburnum  vulgare  fol.  aureis  gepfropft  war.  Die  Ver- 
nuitiiny;  la«:  da  nahe,  dass  die  Buntblätterigkeit  von  Laburnum  vul- 
gare  chrysophgllum  und  von  Laburnum.  vulgare  fol.  aureis  auf  ein  und 
und  derselben  infektiösen  Chlorose  beruhe,  die  sich  nur  auf  ver- 
schiedenen Laiwr^mw- Sippen  oder  auch  -Individuen  verschieden 
äussert,  gerade  so,  wie  auch  die  Malvaceenchlorose  auf  den  ver- 
schiedenen Malvaceenarten  sehr  verschieden  aussieht.  Versuche  er- 
gaben nun,  dass  tatsächlich  die  verschiedenen  von  mir  in  den  beiden 
vorhergehenden  Jahren  durch  Pfropfinfektion  mit  Laburnum  vulgare 
ckrijsophyllum  buntblätterig  gemachten  Laburnum -'^iv'Ä\\c\\&v  unter- 
einander in  bezug  auf  den  Grad  der  Buntheit  grössere  Unterschiede 
aufwiesen,  als  wie  sie  zwischen  Laburnum  vulgare  clirijsophjjllum  und 
Laburnum  vulgare  fol  aureis  bestehen, "  Ferner  erwies  sich  aber  auch 
Laburfium  vulgare  fol.  aureis  als  in  der  gleichen  Weise  austeckend, 
wie  Laburnum  vulgare  vkrysophylliini.  Damit  dürfte  die  Frage  wohl 
entschieden  sein. 

Gelegentlich  der  Infektionsversuche  mit  Laburnum  vulgare  fol. 
aureis.,  von  dem  ich  mir  Reiser  von  BehNSCH  in  Dürrgoy  bei  Breslau 
hatte  kommen  lassen,  zeigte  sich,  dass  diese  infektiöse  Chlorose  schon 
durch  Transplantion  kleiner  Rindenstückchen  übertragbar  ist.  Die 
Infektion  erfolgte  auch  in  zwei  Fällen,  wo  bei  Okulierung  eines 
Auges  von  Laburnum  vulgare  fol.  aureis  das  Rindenschildchen  zwar 
gut  verwuchs,  das  Auge  selber  aber  zu  Grunde  ging,  und  Adventiv- 
triebe von  dem  Rindenschildchen  nicht  gebildet  wurden.  Dies  ist 
jedoch  bei  Laburnum  nicht  weiter  auffällig,  hier  sind  die  grünen 
assimilierenden  Elemente  der  Rinde  junger  Zweige  genau  ebenso 
affiziert  wie  die  Blätter,  was  bei  Abutilon  bekanntlich  nicht  der  Fall 
ist.  V»e\ ^  Abutiloji  bewirken  dementsprechend  transplantierte  kleine 
Rindenstückchen  keine  Infektion. 

Diese  infektiöse  Chlorose  von  Laburnum  lässt  sich  auch  auf 
Cytisus  hirsutus  übertragen.  Auf  Laburnum  vulgare  chrysophylhnn  trans- 
plantierte Augen  von  Cytisus  hirsutus  trieben  ausgesprochen  gelblich 
grün  aus,  jedoch  ist  vorläufig  die  Färbung  noch  lange  nicht  so 
intensiv  gelb,  wie  bei  Laburnum.  Da  aber  auch  frisch  infizierte 
Stöcke  von  Laburnum  lulgare  im  ersten  Jahre  die  Gelbfärbung  in 
der  Regel  viel  weniger  deutlich  zeigen,  als  später,  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  auch  der  infektiös  chlorotische  Cytisus  hirsutus  im 
nächsten  Jahre  wesentlich  gelber  austreiben  wird. 

Laburnum  alpitium,  von  dem  ein  Exemplar  seit  zwei  Jahren  auf 
Laburuum    vulgare    chrysophyllum    als    Unterlage    kräftig    wächst,    ist 


412  Erwin  Baur: 

bisher  noch  nicht  infiziert  worden;  das  gleiche  gilt  auch  für  Cytisus 
purpureus. 

Ganz  entsprechende  infektiöse  Chlorosen  finden  sich  auch  in  den 
Gattungen  Fraxinus,  Sorbus  und  Ptelea.  Über  einen  Fall  von 
Panaschierungsübertragung  von  dem  Edelreis  auf  die  Unterlage  bei 
Eschen  hat  schon  DARWIN^)  nach  Beobachtungen,  die  ihm  von 
Rivers  und  J.  Anderson  Henry  mitgeteilt  waren,  berichtet.  Ob 
es  sich  dabei,  was  wahrscheinlich  ist,  um  Fraxinus  excehior  oder  ob 
es  sich  um  Fraxinus  pubescens  gehandelt  hat,  gibt  DARWIN  nicht  an. 
Ähnliche  Angaben  finden  sich  nach  DARWIN  auch  schon  in  einem 
1724  erschienenen  Buche  von  BRADLFY.^) 

Nach  meinen  eigenen  Versuchen  ist  Fraxinus  pubescens 
aucubifolia^  die  als  Zierbaum  vielfach  angepflanzt,  und  in  den 
grösseren  Baumschaulen  käuflich  ist,  ausgesprochen  ansteckend.  Die 
infektiöse  Chlorose  äussert  sich  hier  in  ganz  unregelmässigen,  intensiv 
gelben  Flecken  auf  den  im  übrigen  normal  grünen  Blättern.  Die 
Infektion  von  bisher  grünen  Exemplaren  von  Fraxinus  pubescens^ 
auf  die  bunte  Zweige  gepfropft  waren,  erfolgt  in  der  gleichen  Weise 
wie  bei  Abutilo7i,  Ligiistrum  u.  a.  Ob  auch  andere  Fraxinus -Äxten 
und  andere  Oleaceen  mit  dieser  Chlorose  infizierbar  sind,  weiss  ich 
noch  nicht.  Vor  allem  wird  es  von  Interesse  sein,  festzustellen,  ob 
sich  die  infektiöse  Chlorose  von  Ligustrum  als  identisch  mit  dieser 
Fraxinus -0\\\ovo^Q  erweist.  Pfropfungen  zwischen  Ligustrum  und 
Fraxinus  gelingen  leicht,  ebenso  wächst  übrigens  auch  Sgringa 
vulgaris  sehr  gut  auf  Fraxinus  als  Unterlage.  Versuche  mit  anderen 
im  Handel  erhältlichen  bunten  Fraxinus-N ?LYiQiä,ten  sind  noch  nicht 
abgeschlossen. 

Von  Sorbus  aucuparia  habe  ich  mit  zwei  verschiedenen  bunten 
Gartenvarietäten  experimentiert,  die  eine,  Sorbus  aucuparia  Dirkenii 
aurea  hat  gleichmässig  gelblichgrüne  Blätter,  die  jungen  Blätter  sind 
ganz  ausgesprochen  gelb.  Diese  Form  ist  nicht  infektiös,  ich  habe 
entsprechende  Pfropfungen  in  grosser  Zahl  ausgeführt,  in  mehreren 
Fällen  besteht  die  Pfropfsymbiose  schon  seit  über  zwei  Jahren,  aber 
eine  Infektion  des  grünen  Pfropfsymbionten  ist  in  keinem  Falle 
erfolgt. 

Die  zweite  buntblätterige  Äor/^WÄ-Varietät  ist  Sorbus  aucuparia 
fol.  luteo-variegatis.  Die  Blätter  sind  hier  ganz  normal  dunkelgrün, 
nur  die  Spitzen  der  Zähnchen  des  Blattrandes  sind  intensiv  gelb. 
Ziemlich  selten  kommen  jedoch  auch  Blätter  vor,  bei  denen  grössere 
Teile  der  Spreite  gelbfleckig  sind. 


1)  Ch.  Darwin.      Das  Variieren    der  Tiere    und  Pflanzen    im    Zustande    der 
Domestikation.    Deutsche  Ausgabe  von  V.  Carus.    2.  Auflage  1873.    Bd.  I.    S.  442. 

2)  Bradley.    Treatise  on  husbandrj.    Vol.  I.    S.  199. 


Infektiöse  Chlorosen  bei  Ligustrum,  Laburnum,  Fraxinus.  Sorbns  und  Ptelea.  41^ 

Von  diesoni  Sorbus  avcuparia  fol.  lutea -variegatis  hatte  ich  im 
Sommer  JDO")  acht  Augen  auf  acht  grüne  Pfianzon  von  ISorbus  aucu- 
paria  transplantiert. 

Von  den  Augen  sind  inzwischen  fünf  zu  kräftiüen  Zweiaen 
herangewachsen  und  haben  ihre  Unterlagen  infiziert,  in  einem  Falle 
hatte  die  Unterlage,  ein  etwa  I'/a  f'^  hoher  Busch,  jetzt  im  zweiten 
Sommer  fast  nur  bunte  Blätter.  Drei  andere  Augen  trieben  nur  im 
ersten  Sommer  kümmerlich  aus  und  gingen  (hmn  ein,  trotzdem  ist 
auch  hier  in  zwei  Fällen  eine  Infektion  erfolgt.  Stets,  auch  bei  den 
erstgenannten  fünf  Versuchspflanzen  zeigte  die  Austeckung  sich  erst 
im  zweiten  Sommer. 

Ebeufalls  auf  einer  infektiösen  Chlorose  beruht  die  Bunt- 
blätterigkeit  von  Ptelea  trifoliata  fol.  variegatis.  Ich  selbst 
habe  mit  Ptelea  Versuche  erst  begonnen,  aber  Herr  Obergärtner 
Frost  hat  mir  in  den  SPÄTH'schen  Baumschulen  verschiedene 
Pfropfungen  von  Ptelea  trifoliata  fol.  variegatia  auf  früher  grünen 
Pte/^a-Unterlagen  gezeigt,  in  denen  Triebe  der  Unterlage  sich  als 
ausgesprochen   infiziert  erwiesen. 

Eine  nichtinfektiöse,  dagegen  samenbeständige  typische  Aurea- 
Form  ist  Ptelea  trifoliata  aiirea.  Ob  Sämlinge  der  infektiös  chloro- 
tischen  Framnus  pubesrefis  aucubifolia,  Sorbus  auriiparia  fol.  luteo- 
variegatis  und  Ptelea  trifoliata  fol.  variegatis  von  der  Mutterpflanze 
her  infiziert  werden,  weiss  ich  noch  nicht. 

Infektiöse  Chlorosen  finden  sich  also  sehr  häufig,  eine  syste- 
matische Untersuchung  der  vielerlei  wild  und  im  Handel  vor- 
kommenden buntblätterigen  „Varietäten",  zu  der  mir  aber  jede 
Gelegenheit  fehlt,  würde  wohl  noch  manche  infektiöse  Chlorose  er- 
geben. So  gehört  z.  B.  sehr  wahrscheinlich  auch  die  Buntblätterigkeit 
von  Codiaewni  variegatum  hierher. 

Die  nächste  Aufgabe  wird  es  jetzt  sein,  den  rätselhaften  Infektions- 
stoff einigermassen  zu  isolieren. 

Berlin,  Botanisches  Institut  der  Universität. 


(.)U** 


Sitzung  vom  25.  Oktober  1007.  415 


Sitzung  vom  25.  Oktober  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Der  Vorsitzende  macht  der  Gesellschaft  Mitteilung  von  dem  am 
■-).  Oktober  erfoloten  Ableben  ihres  ordentlichen  Mitoliedes  der  Frau 
Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Schwabach.  Um  das  Andenken  der  Verstorbenen 
zu  ehren,  erhoben  sich  die  Anwesenden  von  ihren  Sitzen. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Herren: 

Neumann,  Dr.  M.  P.,  Vorsteher  der  chemischen  Abteilung  der  Versuchs- 
anstalt  für    Getreide  Verwertung    in    Berlin    N.  65,    Seestrasse  4  a 

(durch  J.  Buchwald  und  L.  Kny). 
Hoestermann,    Dr.  phil.  6.,    Vorstand  der    pflanzenphysiologischen  Ab- 

teiluno-  der  Köniolichen  Gärtner-Lehranshilt  in  Dahlem  b.  Berlin 

(durch  R.  LAUBERT  und  W.  WÄCHTER). 
Lorch,    Dr.  phil.  W.,    Oberlehrer    in    Schöneberg    bei    Berlin    (durch 

0.  APPEL  und  W.  WÄCHTER). 
Murinoff,    Alexander,    Assistent    am    agronomischen    Laboratorium    der 

Universität  in  St.  Petersburg,  Fontanka  162  (durch  G.  Klebs  und 

E.  KÜSTER). 
Schiller,   Dr.  Joseph,    Assistent    an    der   k.  k.  zoologischen  Station    in 

Triest  (durch  R.  VON  WeTTSTEIN  und  J.  BRUNNTHALER). 
Bally,    Dr.    Walter,     Bern,     Ufenstrasse    16    (durch    E.  FISCHER    und 

C.  Schröter). 
Frau  Warwara  von  Polowzow  in  St.  Petersburg  (durch  E.  STRASBURGER 

und  F.  NOLL). 
Schuster,    Cand.    phil.    Walther,     Pflauzenphysiologisches    Institut    der 

Universität  Berlin  (durch  L.  KiNY  und  W.  MAGNUS). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Wollenweber,  Wilhelm,  in  Berlin, 

Lakon,  Dr.  G.,  in  Athen, 

Cuboni,  Dr.  Giuseppe,  Professor  in  Rom, 

Gatin,  Dr.  C.  L,  Fontenay  aux  Roses  (Seine). 


Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUsch.   XXV.  20 


416  E)-  Iwanowski  : 

In  üblicher  Weise  fanden  in  der  Sitzung  die  Wahlen  der 
Berliner  Vorstandsmitglieder  und  der  Kedaktionskommission  für  das 
Jahr  1908  statt.  Von  den  anwesenden  29  ordentlichen  Mitgliedern 
wurden  durch  Zettelabstiminung  gewählt: 

Herr  A.  ENGLER  zum  ersten  Vorsitzenden, 
„      L.  Kny  zum  ersten  Stellvertreter, 
„      0.  Reinhardt  zum  zweiten  Stellvertreter, 
„      H.  Fischer  zum  ersten  Schriftführer, 
„      E.  KOEHNE  zum  zweiten  Schriftführer, 
„      G.  Lindau  zum  dritten  Schriftführer, 
„       O.  APPEL  zum  Schatzmeister, 

„     P.  Archerson  \ 

E  GiLGr  '    ^^^  Mitgliedern  der  Redaktions- 

','     R.  Kolkwitz    |  kommission. 

Als  Sekretär  wird  Herr  W.  WÄCHTER  die  Geschäfte  der  Gesell- 
schaft fortführen. 


61.   D.  Iwanow  Ski:   Über  die  Ursachen  der  Verschiebung 
der  Absorptionsbänder  im  Blatt. 

(Mit  Tafel  XII.) 
(Eiugegangen  am  4.  September  1907.) 


Es  ist  eine  wohlbekannte  Tatsache,  dass  das  Absorptionsspektrum 
lebender  Blätter  mit  demjenigen  der  Chlorophyllösung  nicht  voll- 
ständig zusammenfällt,  und  man  hat  zu  wiederholten  Malen  versucht, 
die  Gründe  davon  aufzuklären,  ohne  dass  es  bis  jetzt  gelungen  wäre, 
eine  befriedigende  Lösung  dieser  Aufgabe  zu  erreichen.^)  Die  Tat- 
sache selbst  verdient  ja  unsere  Aufmerksamkeit  nicht  nur  in 
Hinsicht  darauf,  dass  die  optischen  Eigenschaften  des  Chlorophylls 
bisher  als  die  wichtigsten  Merkmale  seiner  Unversehrtheit  erscheinen, 
sondern  auch  deshalb,  weil  die  Aufklärung  der  zu  beobachtenden 
Abweichuno-en  uns  gewisse  Rückschlüsse  über  den  Zustand  des 
Pigments  im  lebenden  Chlorophyllkorn  gestattet.  Es  ist  ja  bekannt, 
dass    das    Absorptionsspektrum    keine     beständige    Eigenschaft     der 


1)  Die  betreffende  Literatur  ist  in  den  Abliandlungen  von  TSCHIRCH  und 
Reinke  zusammengestellt.  TsCHIRCH,  Landw.  Jahrbücher,  Bd.  13  (1881),  S.  420 
bis  425:  Ueinke,  diese  Berichte,  Bd.  I,  S.  3'Jö. 


t^ber  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptionsbänder  im  Blatt.      417 

Substanz  darstellt,  sondern  mit  dem  Aggregatzustand  derselben,  mit 
■dem  optischen  Verhalten  ihres  Lösungsmittels  und  dergleichen  variiert. 
AVenn  also  eine  Lösung  des  Bhittgrüns  uns  ein  vom  Blatte  selbst 
abweichendes  Absorptionsspektrum  zeigt,  so  kann  das  nicht  nur  in- 
folge der  Yeräuderung  des  Pigments  beim  Extrahieren,  sondern  auch 
dadurcli  entstehen,  dass  sein  Zustand  im  Chloroplasten  ein  anderer 
ist,  als  in  der  Lösung.  Li  diesem  letzteren  Falle  wäre  es  vom 
physiologischen  Standpunkte  aus  eine  lohnende  Anfgabe,  denselben 
aufzuklären. 

Es  scheint  mir,  als  o1)  die  Hanptursache  des  Misslingens  der 
bisherigen  Versuche,  die  Abweichungen  des  Absorptionsspektrums 
lebender  Blätter  zu  erklären,  in  der  Anwendung  spektroskopischer 
-anstatt  spektrophotometrischer  Methoden  liege.  Die  Absorptions- 
bänder, welche  in  den  optisch  reinen  Lösungen  mehr  oder  minder 
scharf  begrenzt  sind,  erscheinen  in  den  trüben  Medien,  wie  im 
lebenden  Blatte  und  in  ihm  ähnlichen  künstlichen  Präparaten,  an 
den  Bändern  so  verschwommen  und  undeutlich,  dass  ihre  Lage  sehr 
schwierig  zu  definieren  ist.  Die  spektrophotometrische  Methode  ist 
zwar  umständlich,  bietet  aber  um  so  sicherere,  und  bei  Anwendung 
einer  passenden  schmalen  Okularspalte  auch  genauere  Resultate 
betreffs  der  Lage  der  Maxima  und  Minima  der  Lichtabsorption  im 
Spektrum. 

Bei  meinen  spektrophotometrischen  Untersuchungen  an  lebenden 
Blättern  habe  ich  auch  auf  diese  Frage  meine  Aufmerksamkeit  ge- 
lenkt, und  es  gelang  mir,  eine  allem  Anscheine  nach  genügende 
Lösung  derselben  zu  finden. 

Verweilen  wir  einmal  bei  den  Verschiedenheiten  der  beiden 
Spektra,  so  wie  dieselben  bei  spektrophotometrischer  Untersuchung 
sich  darbieten.  Li  der  Tabelle  I,  1,  2  sind  die  entsprechenden 
Zahlen  zusammengestellt,  indem  in  der  ersten  Kolumne  die  auf  die 
dritte  Dezimale  abgerundeten  Extinxtionskoeffizienten,^)  in  der 
zweiten  Lichtabsorption  in  Prozenten  (nach  den  Tabellen  ViEEORDT's) 
angeführt  sind.  Die  Kurven  (Taf.  XII)  stellen  die  Grössen  der 
Extinxtionskoeffizieuten  dar,  welche  für  die  Ordinate  angenommen 
sind. 

In  der  alkoholischen  Lösung  des  Chlorophylls^)  ist  die  Ab- 
sorption der  äusseren  roten  Strahlen  sehr  schw^ach,  drei-  bis  viermal 
kleiner,    als  diejenige  der  grünen  Strahlen,    so    dass  gerade  hier  das 


1)  Extinxtionskoeffizient  e  =  — IgJ^,  -wobei  J^—  die  Intensität  des  durch  die 
Einheit  des  absorbierenden  Mediums  durchgegangenen  Lichts  darstellt,  ausgedrückt 
in  Quoten  des  Gesamtlichts. 

2)  Unter  dem  Namen  ^Chlorophyll"  verstehe  ich  hier  das  Gemisch  von 
Pigmenten,    welche  nach  dem  Zerreiben  der  Blätter  mit  .Alkohol  extrahiert  werden. 

29* 


418  D-  Iwanowski  : 

absolute  Minimum  der  Lichtabsorption  liegt.  Das  erste  Absorptions- 
maximum liegt  bei  X  667  —  657  (die  stärkste  Lichtabschwächung 
etwa  bei  X  6G7— 662);  das  entspricht  dem  I.  Absorptionsbande. 
Das  zweite  dem  Band  620 — 600  entsprechende  Maximum  ist  sehr 
schwach:  die  Lichtabschwächung  übertrifft  diejenige  des  anliegenden 
helleren  Bezirks  zwischen  den  Bändern  I  und  II  nur  um  etwa  3  pCt. 
Eine  Steigerung  der  Lichtabsorption,  die  den  Bändern  III  und  IV 
entsprechen  würde,  lässt  sich  gar  nicht  bemerken;  wahrscheinlich 
liegt  dieselbe  unter  der  Grenze  der  Empfindlichkeit  des  Spektro- 
photometers  (0,3  — 1,0  pCt.).  Von  /l  517  — 513  beginnt  ein  einheit- 
licher Bezirk  allmählich  wachsender  Absorption,  der  bei  1  476  bis 
473  die  Grösse  des  ersten  Maximums  erreicht,  und  dann  weiter  an- 
wächst. In  CSo -Lösung  treten  die  kleineren  Maxima  deutlicher 
hervor. 

Vergleicht  man  dieses  Absorptionsspektrum  mit  demjenigen  des 
Blattes,  so  lassen  sich  in  letzterem  folgende  Unterschiede  fest- 
stellen: 

\.  eine  beträchtliche  Steigerung  der  Absorption  der 
äusseren  roten  Strahlen  a— B;  dieselbe  ist  gleich 
gross  oder  sogar  grösser,  als  die  Absorption  im 
Grün; 

2.  alle  Absorptionsmaxima  und  -minima  sind  stark 
gegen  Rot  verschoben,  aber  nicht  in  gleichem 
Maasse:  das  erste  Maximum  um  20  Xl,  das  zweite 
grosse  Maximum  (Endabsorption)  um  40  XI.  Die  Lage 
des  ersteren  ist  scharf  markiert:  es  beginnt  bei  der 
Lösung  bei  670  (667),  bei  dem  Blatte  bei  X  690;  was  das 
zweite  grosse  Maximum  anbetrifft,  so  wächst  es  so  allmählich 
und  langsam  an,  dass  dessen  Anfang  nicht  genau  ersichtlich 
ist;  es  ist  bequemer,  statt  des  Anfangs,  diejenige  Wellen- 
länge zu  benutzen,  bei  welcher  die  Lichtabschwächung  die 
Grösse  des  erstens  Maximums  erreicht;  diese  Stelle  des 
Spektrums  ist  konstant  genug,  sie  liegt  bei  der  Lösung  bei 
X  480  (476),  bei  dem  Blatte  bei  X  520  (517); 

3.  die  kleineren  Maxima  sind  noch  weniger  deutlicli, 
als  in  der  alkoholischen  Lösuno-. 

Von  den  Hypothesen,  welche  zur  Erklärung  dieser  Abweichungen- 
aufgestellt worden  sind,  scheinen  folgende  am  meisten  begründet 
zu  sein: 

L  Das  Spektrum  lebender  Blätter  sei  ein  Spektrum  des  festen 
Chlorophylls,  mit  anderen  Worten,  das  Chlorophyll  sei  den 
Chloroplasten     als    fester    Niederschlag    imprägniert    worden 

(Hagenbach,  Lommel,  Reinke). 


Über  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptionsbänder  im  Blatt.       415) 

•2.  Die  Chloroplasten  enthalten  zwar  gelöstes  Chlorophyll,  aber 
sein  Absorptionsspektrum  werde  durch  grosses  Dispersions- 
vermögen des  Lösungsmittels  modifiziert  (KUNTH,  TSCHIRCH). 

Diese  Hypothesen  habe  ich  in  erster  Linie  geprüft. 

Von  Präparaten  des  festen  Chlorophylls  habe  ich  LOMMEL's 
Blättchen,  ReiNKE's  Paraffin-Chlorophyll,  alkoholischen  Niederschlag 
(„festes"  Chlorophyll)  und  colloidale  Lösung  des  Chlorophylls  unter- 
sucht. Es  ergab  sich,  dass  LOMMEL's  Blättchen,  d.  h.  mit  Chloro- 
phyll gefärbte  und  dann  getrocknete  Gelatine,  entgegen  der  ver- 
breiteten Meinung,  ein  Spektrum  besitzen,  das  von  demjenigen  des 
gelösten  Chlorophylls  sich  nur  wenig  unterscheidet:  das  absolute 
Minimum  der  Absorption  liegt  auch  hier  im  äussersten  Rot,  das 
L  Maximum  ist  zwar  verschoben,  aber  nur  um  5  -i/l,  die  End- 
absorption (das  IL  grosse  Maximum)  bleibt  unverändert  (Tab.  I,  4; 
Taf.  XII,  Fig.  I,  4).  Nocli  weniger  befriedigende  Resultate  lieferte 
mir  das  Paraffin-Chlorophyll,  d.  h.  in  leicht  schmelzbarem  Paraffin 
gelöstes  und  dann  erstarrtes  Chlorophyll  (Tab.  1,  G);  dieses  Präparat 
erwies  sich  auch,  wegen  zu  starker  Trübung  und  dementsprechenden 
grossen  Lichtverlustes,  als  sehr  wenig  geeignet  zu  spektrophoto- 
metrischen  XJntersuchungen;  die  Grösse  der  Extiuxtionskoeffizienten 
fällt  für  alle  Strahlen  des  Spektrums  sehr  hoch  aus,  die  Lage  des 
I.  Maximums  bleibt  aber  unverändert,  nur  erweitert  sich  das  Absorptions- 
band beträchtlich  nach  beiden  Seiten  zu.  Als  relativ  mehr  dem  Blatt 
ähnlich  erwiesen  sich  colloidale  Lösung  des  Chlorophylls  und 
Alkoholniederschlag  desselben,  wenn  auch  ihre  Spektra  von  dem- 
jenigen des  lebenden  Blattes  nicht  unbedeutend  abweichen  (Tab.  I, 
5  und  7). 

Von  den  Lösungsmitteln,  welche  ein  grosses  Dispersionsvermögen 
besitzen,  habe  ich  CS^  geprüft.  Das  I.  Absorptionsmaximum 
ist  auch  hier,  gleich  LOMMEl/s  ßlättchen,  um  5  II  gegen  das  rote 
Ende  des  Spektrums  verschoben,  im  Übrigen  erhält  man  aber  eine 
typische  Kurve   des  gelösten  Chlorophylls  (Tab.  I,  3;  Fig.  I,  3). 

Somit  kann  ich  keine  von  den  beiden  Hypothesen  bezüglich  der 
Ursachen  der  Bandverschiebung  im  Blatt  bestätigen.  Es  gelang  mir 
aber,  ein  Präparat  des  Chlorophylls  herzustellen,  welches  das 
Spektrum  lebender  Blätter  in  befriedigender  Weise  reproduziert. 
Verdünnt  man  nämlich  die  frisch  bereitete  starke  alkoholische  Lösung 
des  Chlorophylls  mit  viel  Wasser  und  setzt  einige  Tropfen  MgSO^-  oder 
einer  anderen  neutralen  Salzlösung  hinzu,  so  entsteht  ein  feinkörniger 
Niederschlag,  welcher  in  der  Flüssigkeit  suspendiert  bleibt  und 
nur  nach  längerem  Stehen  zu  Boden  sinkt.  Eine  solche  Chlorophyll- 
emulsion   kann    entweder    direkt,    oder    nach    Beifügung   von    einer 


420 


D.  Iwanowski  : 


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0,7G1 
0,891 

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4. 

Lommcls 
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4^ 
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1. 

Blatt 

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83,6 
87,9 

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0,918 

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über  die  Ursafilien  der  Verscliiebung  der  Absorptiousbänder  im  Blatt.      421 


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4.22  t)-  Iwanowski  : 

genügen  Quantität  neutralisierter  Gelatine  untersucht  werden.  Die 
Resultate  der  Untersuchung  sind  in  der  Tab.  II  2,  3,  4  angeführt. 
Die  Übereinstimmung  mit  dem  Spektrum  lebender  Blätter  ist  eine 
sehr  nahe:  die  beiden  Kurven  laufen  ziemlich  genau  miteinander 
parallel.  Die  Abweichung  lässt  sich  nur  insofern  bemerken,  als  ich 
in  dem  Präparat  von  gefälltem  Chlorophyll  stets  ein  absolutes 
Minimum  der  Absorption  bei  /  650 — 640  beobachtete,  während 
dasselbe  im  Blatt  etwas  weiter,  etwa  bei  /  640—630  liegt,  oder 
der  ganze  Bezirk  /  650—560  eine  so  gleiche  Absorption  aufweist, 
dass  es  unmöglich  ist,  irgand  welche  Unterschiede  sicher  festzustellen. 
Vielleicht  variieren  dieselben  je  nach  der  Zusammensetzung  des 
FarbstofPgemisches. 

Wie  ist  nun  eine  so  beträchtliche  Verschiebung  der  Maxima  und 
Steigerung    der  Absorption    der    Strahlen    a— B    zu    erklären?      Das 
Präparat  vom    gefällten  Chlorophyll    zeichnet    sich    vor    allem  durch 
seine  Trübung  aus.     Mit  Rücksicht  darauf,  dass  die  Vermutung  schon 
mehrmals  ü;eäussert  wurde,    die  Trübung  des  Mediums  könnte  allein 
Ursache    der    Bandverschiebung    sein,    habe    ich    ein    Gemisch    von 
alkoholischer    Lösung     des    Chlorophylls     mit    BaSO^  -  Niederschlag 
spektrophotometrisch  untersucht.     Es  ergab  sich  aber,   dass  die  Bei- 
mischung   von  BaSO^    kein    anderes  Resultat    zur    Folge    hatte,    als 
dasjenige  der  Steigerung  der  Lichtschwächung  im  ganzen  Spektrum, 
wobei  die  Absorptionsbänder    sich    natürlich    nach   beiden  Seiten  zu 
verbreiteten,    ihre  Lage  aber    unverändert    blieb    (Tab.  II,   5).      Das 
versteht  sich  auch  von  selbst,    da  die  Baryumsulfatkörner  die  Licht- 
strahlen nur  dazu  zwingen,    eine  und  dieselbe  Flüssigkeitsschicht  zu 
wiederholten  Malen    zu    durchlaufen,    wodurch    zwar  Steigerung    der 
Absorption,  aber  keine  Bandverschiebung  erzielt  werden  kann.     Nun 
wird  aber  auch  die  Ursache  der  Bandverschiebung    in  dem  Präparat 
von  gefälltem  Chlorophyll  verständlich.     Es  besteht  zwischen  beiden 
Präparaten    ein    Unterschied    darin,    dass    im    BaSO^- Gemische    die 
umgebende    Flüssigkeit,     im     gefällten   Chlorophyll    umgekehrt    die 
Körner  als  lichtabsorbierende  Substanz  fungieren,    während  die  um- 
gebende Flüssigkeit  farblos  ist.     In  der  mit  Baryumsulfat  versetzten 
alkoholischen  Chlorophylilösung  beobachten  wir  also  ein  Absorptions- 
spektrum, im  gefällten  Chlorophyll  dagegen   ein  Reflexions- 
spektrum    des     Chlorophylls,     nur     in     höherem     oder     ge- 
ringerem Grade  mit    dem  Absorptionsspektrum  kombiniert. 
Das  Reflexionsspektrum  des  Chlorophylls  ist  noch  wenig    unter- 
sucht.     Es    braucht    aber    nicht    notwendig    mit    dem    Absorptions- 
spektrum zusammenzufallen,    wie    das  LOMMEL,^)    unter    Anwendung 
einer      mangelhaften      Methode,       gefunden      zu       haben      glaubte. 


1)  Poggend.  Annal    143  (1871). 


über  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptionsbänder  im  Blatt.      4"28 

VlEßORDT^)  hat  genauere  spektropliotometrisehe  Untersuchungen  an- 
gestellt und  gefunden,  dass  zwischen  den  beiden  Spektren  ein  wesent- 
licher Unterschied  besteht,  wie  es  ans  folgender  von  ihm  angegebener 
Tabelle  zu  ersehen  ist: 

y     , ,     1       .  Lichtstärke  in  Tausenden  von  Lichteinheiteu 

öpcKwaire^ion  Reflexionsspektruin      Absorptionsspektrum 

A-a 0,7-2  0,98 

a— B 3,47  12,16 

B-C 20,69  15,89 

C— D 951,63  1081,3 

D— E •2-219,23  1491,0 

E-F 933,83  540,8 

P-G 2-29,53  85,9 

G-H 26,66  4,4 

Bei  unoefähr  »leicher  Intensität  der  Strahlen  C — D  sind  also 
die  Strahlen  a — B  im  Reflexionsspektrum  drei-  bis  viermal  mehr 
abgeschwächt,  als  im  Absorptionsspektrum,  während  die  Strahlen 
B-C  sogar  reichlicher  vorhanden  sind.  Umgekehrt  sind  die  stärker 
brechbaren  Strahlen  E  —  H  im  Absorptionsspektrnm  in  höherem 
Grade  abgeschwächt  als  im  Reflexionsspektrum,  wahrscheinlich  in- 
folge davon,  dass  gerade  diese  Strahlen  von  dem  farblosen  Plasma 
viel  mehr  absorbiert  w-erden,  als  die  weniger  brechbaren. 

VlERORDT  liess  das  Sonnenlicht  auf  ein  Ahornblatt  unter  dem 
AVinkel  von  45^  fallen  und  untersuchte  das  reflektierte  Licht  mit 
dem  Spektrophotometer.  Er  beobachtete  also  nicht  genau  das 
Reflexionsspektrum  des  Chlorophylls  (was  auch  nicht  eigentlich 
seine  Aufgabe  war),  sondern  ein  Gemisch  desselben  mit  dem  von 
den  Zellwänden  zurückgeworfenen  weissen  und  dem  durch  Chloro- 
plasten  gegangenen  grünen  Absorptionslicht.  Um  genauere  Resultate 
zu  erhalten,  musste  man  künstliche  Präparate  des  Chlorophylls  an- 
wenden. Spektrophotometrisch  konnte  ich  solche  nicht  untersuchen, 
aus  Mangel  an  entsprechenden  Vorrichtungen;  bei  der  spektro- 
skopischen Prüfung  aber  sah  ich  das  rote  Ende  des  Spektrums  vom 
äussersten  Rot  und  bis  etwa  /  670  gelöscht;  von  da  au  und  bis 
etwa  /  G50  war  noch  ein  Halbschatten  zu  bemerken.  Das  stimmt 
ziemlich  gut  mit  den  Resultaten  YlERORDT's  überein. 

Es  versteht  sich  nun  von  selbst,  dass  beim  Aufeinanderlegen 
der  Reflexions-  und  Absorptionsspektren,  das  I.  Absorptionsmaximum 
gegen  den  Bezirk  a — B  verschoben  werden  muss.  Zugleich  muss 
auch  die  Absorption  des  äussersten  Rot  eine  gesteigerte  werden. 
Als  weitere  Bestätigung  dieser  Schlussfolgerung  möchte  folgende 
Beobachtung      dienen.        Je      grösser     die     einzelnen     Körner     des 


1)  Die  Anwendung  des  Spektralapparates  usw.    1S73.    S.  79     81. 


424  D.  IWANOWSKi:  Über  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptionsbänder. 

Chlorophyllniederschlags  sind,  desto  mehr  muss  das  Licht  von  ihnen 
zurückgeworfen  werden,  und  desto  weniger  durch  dieselben  gehen; 
mit  der  Yergrösserung  der  Körner  muss  also  das  Reflexionsspektrum 
mehr  und  mehr  in  den  Tordergrund  treten  und  das  I.  Absorptions- 
maximum o-eg'en  den  Bezirk  a— B  verschoben  werden.  Lässt  man 
nun  das  gefällte  und  mit  Gelatine  gemischte  Chlorophyll  in  warmem 
Wasser  einige  Zeit  stehen,  so  wird  der  Xiederschlag  grobkörnig, 
was  leicht  au  der  Veränderung  des  Farbentones,  welcher  in  einen 
mehr  gelben  übergeht,  zu  ersehen  ist.  Bei  der  spektrophoto- 
metrischen  Prüfung  eines  solchen  Präparates  ergibt  sich  eine  weitere 
Verschiebung  des  I.  Absorptionsmaximums  um  10  //  gegen  das 
äussere  Rot  (Tab.  II,  6). 

Was  nun  das  IL  grosse  Absorptiousmaximum  (Endabsorptiou) 
betrift't,  so  haben  wir  schon  gesehen,  dass  dessen  Verschiebung 
wahrscheinlich  unabhänoio-  von  der  Verschiebung  des  I.  Maximums 
geschieht.  Es  kann  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  jene 
Verschiebung  durch  die  von  ReiNKE  nachgewiesene  stärkere  Ab- 
sorption blau-violetter  Strahlen  im  Plasma  der  Zellen  hervorgerufen 
wird.  In  der  Tat  beginnt  die  Erhebung  der  Kurve  gerade  an  der 
Stelle,  wo  auch  die  Kurve  der  Lichtabsorption  im  Petalum  von 
Chrysanthemum  (nach  ReiNKE)  sich  zu  erheben  beginnt. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zu  den  liibendeu  Blättern,  so  können  wir 
die  Vermutung  als  sehr  naheliegend  annehmen,  dass  alles  oben  ge- 
sagte sich  ohne  Weiteres  auch  auf  die  Blätter  anwenden  lässt. 
Schon  längst^)  hat  K.  TiMIRIAZEFF  darauf  hingewiesen,  dass  die 
Verteilung  der  lichtabsorbierenden  Substanz  an  isolierte  Körner  als 
Ursache  der  „Deformation"  des  Absorptionsspektrums  der  lebenden 
Blätter  angesehen  werden  muss.  Diese  Ansicht  sollte  jetzt  nur  in 
dem  Sinne  geändert  werden,  dass  nicht  die  Beimischung  des  weissen 
von  Zellwänden  zurückgeworfenen  Lichtes,  wie  es  dem  Autor  schien, 
sondern  diejenige  des  grünen,  von  Chloroplasten  selbst  reflektierten 
Lichtes  die  Verschiebung  des  ersten  Absorptionsmaximums  in  den 
Blättern  bedingt.  Bezüglich  der  einzelnen  Chloroplasten  soll  das 
Sachverhalten  dasselbe  bleiben.  Wenn  die  Tatsache  richtig  ist,  dass 
in  ihrem  Spektrum  eine  gleiche  Bandverschiebung  sich  konstatieren 
lässt,  so  muss  mau  annehmen,  dass  das  Chlorophyll  in  ihrem  Stroma 
zu  feineren  isolierten  Körnern,  etwa  wie  das  gefällte  Chlorophyll  in 
Gelatine,  verteilt  ist,  was  auch  mit  den  neuesten  Untersuchungen  im 
Ultramikroskop  übereinstimmt. 


1)  Eef.  Berichte  der  deutschen  ehem.  Gesellschaft,  5  (1872),  S.  329.    Vgl.  auch 
Eeinke,  Botan.  Zeit.,  1886,  S.  2U. 


\V.  VOSS:  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen   Blüten.         425^ 


62.  W.  Voss;  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen 

Blüten. 

3.  Chrysauthemumforni  „Mons.  Ulrich  Brunner". 

(Eingegangen  am  18.  September  1907.) 


Wie  bei  der  Chrysauthemumforni  „Wabau"  treten  iu  den 
Köpfehen  von  „Mons.  Ulrich  Brunner"  Blüten  auf,  deren  Kronröhren 
sowohl  Merkmale  der  Strahl-  als  auch  der  Scheibenblüten  zeigen. 
Doch  ist  bei  dieser  Form  eine  etwas  grössere  Regelmässigkeit  in 
der  Verteilung  der  verschiedenartigen  Gewebe  in  der  Krone  als  bei 
der  zuerst  genannten  Form  zu  beobachten. 

Die  grossen,  sehr  verschieden  stark  gefüllten  Köpfchen  dieser 
Chrysauthemumforni  zeigen  lange,  an  der  Innenseite  der  Krone  tief 
karmin,  häufig  mit  einem  Stich  ins  A^iolette  gefärbte  Strahlblüteii 
mit  verhältnismässig  kurzer  Röhre  und  meist  einzipfeliger  Zunge. 
Die  Strahlblüten  stehen  alle  sehr  steil  aufgerichtet  auf  dem  Boden 
des  Blütenkorbes,  wodurch  das  Köpfchen  ein  quasten-  oder  pinsel- 
förmiges Aussehen  erhält.  Im  Innern  der  Köpfchen  findet  sich  eine 
nicht  selten  sehr  ausgedehnte  Scheibe  von  Scheibenblüten,  die  eine 
wenio-  o;lockenförniio;e  Gestalt  zeio-en.  Ebenso  wie  an  der  Grenze 
der  beiden  Blütenformen  dieselben  gemischt  stehen,  stehen  nicht 
selten  ffut  auso-ebildete  Strahlblüten  mitten  unter  den  Röhrenblüten 
der  zentralen  Scheibe,  und  umgekehrt  treten  normale  Scheiben- 
blüten in  jeder  Region  des  ringförmigen  Gebietes  der  Strahl- 
blüten auf. 

Wie  auch  sonst  häufig  bei  Chrysanthemumformen  treten  in  den 
Köpfchen  häufig  Blüten  auf,  die  sectorial  sind  zwischen  Scheiben- 
und  Strahlblüten;  jedoch  war  ich  bei  der  vorliegenden  Form  auch 
nicht  imstande,  etwas  gesetzmässiges  über  das  Auftreten  und  die 
Lage  der  makroskopisch  die  Struktur  der  Röhrenblütenkrone 
zeio-enden  Partien  iu  der  Krone  der  Strahlblüte  herauszufinden. 
Strahlblflten  in  jeder  Region  des  Köpfchens  können  solche  zeigen, 
ebenso  wie  Röhrenblüten  aller  derjenigen  Partien  des  Blutenstandes, 
in  denen  sie  noch  zur  vollen  Entwicklung  gelangen,  Merkmale  der 
Strahlblüten  zeigen  können.  Wenn  auch  an  Strahlblüten  die  Merk- 
male  der  Röhrenblütenkrone  meistens  in  einem  die  ganze  Kron- 
röhre an  der  dem  Köpfclieniunern  zugekehrten  Seite  durchziehenden 
Streifen    auftreten,    in  Röhrenblüten   die  Merkmale    der  Strahlblüten. 


426  W.  Voss: 

jedoch  meist  in  dein  dem  Köpfchenrande  zugekehrten  Teile  der 
Krone  zu  beobachten  sind,  so  ist  dies  doch  nicht  stets  der  Fall. 
Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Teil  der  Krone  der  Einzel- 
blüte, in  dem  Merkmale  der  anderen  Blütenform  auftreten.  In  den 
meisten  Fällen,  in  denen  das  Gewebe  der  fremden  Blutenform  nicht 
die  ganze  Krone  der  Blüte  von  oben  nach  unten  durchsetzt,  traten 
dessen  Merkmale  in  den  Zipfeln  auf.  Doch  wurden  auch  Strahl- 
blüten gefunden,  in  denen  die  Streifen  Röhrenblütengewebe  die 
Zipfel  und  den  Rand  der  Kronröhre  nicht  erreichten.  Wenn  freilich 
in  einer  überwiegend  Röhrenblütencharakter  zeigenden  Blüte  der 
Strahlblüteneigenschaften  zeigende  Teil,  wie  es  meist  der  Fall  w^ar, 
•die  ganze  Krone  der  Länge  nach  nicht  durchzieht,  so  waren  es 
immer  die  Zipfel  und  sich  an  diese  anschliessende  Partien  der 
Krone,  die  solche  zeigten.  Wenn  also  bei  der  vorliegenden 
Chrysanthemumform  ebenso  wie  bei  der  später  zu  besprechenden 
Form  „Mary  Anderson"  eine  Beziehung  der  Ausbildung  der  Gewebe 
zu  ihrer  Lage  sich  andeutet,  die  sich  auch  schon  in  der  Verteilung 
der  beiden  Blütenformen  über  den  Boden  des  Köpfchens  ausspricht, 
so  zeigen  doch  die  Ausnahmen  von  der  aus  den  oben  mitgeteilten 
Beobachtungen  zu  ersehenden  Regel,  dass  die  Art  der  Aus- 
bildung der  Gewebe  der  Kronröhre  auf  jeden  Fall  nicht 
allein  eine  Funktion  ihrer  Lage  im  Köpfchen  ist. 

Einer  genauen  mikroskopischen  Untersuchung  wurden  bei  der 
vorliegenden  Form  wie  bei  den  anderen  behandelten  Chrysanthemen 
die  Zellen  <ler  inneren  Epidermis  der  Krone  unterzogen.  Wie 
immer  setzt  sich  die  Epidermis  der  Strahlblüte  zusammen  aus  mehr 
oder  minder  rechteckigen,  wenig  gestreckten  Zellen,  deren  Radial- 
wände gewellt  sind.  Die  Aussenwand  ist  stark  papillös  vorgetrieben 
und  von  einer  Cuticula  bedeckt,  die  kräftige,  gewellte  Falten  auf- 
weist. Im  Cytoplasma  liegen  zahlreiche  farblose  Chromatophoren 
von  annähernd  gleicher  Grösse.  Ich  habe  den  grössten  Durchmesser 
von  43  Leucoplasten  gemessen  und  folgendes  Ergebnis  erhalten: 

,«  0,6-0,8     0,9-1,1      1,2-1,4      1,5-1,7      1,8-2,0      2,1-2,3      2,4-2.6 

•Frequenz  4  ü  11  15  6  1  0 

Der  Saftraum  der  Zellen  ist  mit  einem  intensiv  carmin.  gefärbten 
.Zellsaft  gefüllt. 

Die  Kronröhre  der  Röhrenblüte  zeigt  in  ihrem  röhrenförmigen 
Teil  von  Innen  betrachtet  langgestreckte  Zellen,  deren  Radialwände 
zum  grössten  Teil  gerade  sind.  Je  höher  die  Zellen  jedoch  in  der 
Krone  liegen,  desto  stärker  tritt  eine  Wellung  der  Radialwände  auf. 
Die  Aussenwand  der  Zellen  ist  nicht  ]nipillös  vorgetrieben  und  von 
t^ner  faltenlosen  Cuticula  bedeckt.  Im  Cytoplasma  liegen  zahl- 
reiche   Chromoplasten.     Der  Zellsaft    ist    stets    vollkommen    farblos. 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  TJliiten.  427 

Die  Zellen  der  Zipfel,  die  ganz  allgemein  bei  Chrysanthemum  am 
!Nerv,  der  von  dem  Winkel  zwischen  zwei  Zipfeln  in  der  Krone 
herunterläuft,  tiefer  als  an  anderen  Stellen  in  den  glockenförmigen 
Teil  der  Krone  eindringen,  unterscheiden  sich  ausser  durch  ihre 
etwas  geringere  Streckung  auch  durch  die  stark  gewellten  Radial- 
wände von  den  Zellen  des  ijlockenförmigen  Kronteils.  Während 
jedoch  die  Grösse  der  Leucoplasten  in  den  Zellen  der  Strahlblüten- 
krone nur  ein  geringes  Schwanken  zeigt,  zeigen  die  gelben  Chromo- 
plasten  recht  beträchtliche  Grössenunterschiede.  Ich  gebe  zunächst 
den  grössten  Durchmesser  von  o9  Chromoplasten  einer  Zelle  aus 
dem  glockenförmigen  Teil  in  /t  an  und  bemerke  zugleich,  dass 
zwischen  den  einzelnen  Zellen  auch  verschiedener  Blüten  in  dieser 
Beziehuno;  keine  Differenz  zu  beobachten  war: 


*'^  "7 


^  2-2,2        2,3-2,0        2,(;-2,8        2,9-3,1        3,2-3,4        3,0-3.7 

Frequenz  2  10  19  7  10 

41  Chromoplasten  einer  Zelle  aus  einem  Zipfel  zeigten  die 
folgenden  Grössen  in  /<: 

^i  0.(5-0,8     0.9-1,1      1,2-1,4     1,5-1,7      1,8-2,0      2,1—2,3      2,4-2,0 

Frequenz  0  5  11  18  0  1  0 

Wenn  wir  die  letzte  Variationsreihe  vergleichen  mit  der  bei  den 
Leucoplasten  aufgestellten,  erkennen  wir,  dass  diese  in  ihrer  Grösse 
vollständig  oder  doch  fast  vollständig  den  Chromoplasten  der  Zellen 
in  den  Zipfeln  der  Röhrenblüten  gleichen,  während  diejenigen  der 
Zellen  des  glockenförmigen  Kronteils  dieser  Blütenform  annähernd 
die  doppelte  Grösse  zeigen.  Doch  ist  diese  Trennung  nicht  durch- 
greifend. In  ausserordentlich  vielen  Fällen  wurden  Zellen  gefunden, 
in  denen  beide  Grössen  mit  allen  Übergängen  gefunden  wurden. 
Ob  wir  es  in  den  verschieden  grossen  Chromoplasten  mit  zwei  ver- 
schiedenen Merkmalen  oder  mit  extremen  Varianten  eines  Merkmals 
zu  tun  haben,  bleibe  dahingestellt;  jedenfalls  können  gelb- 
gefärbte Chromatophoren  beide  extremen  Grössen  zeigen,  während 
tlie  Grösse  der  Leucoplasten,  wie  die  oben  mitgeteilten  Zahlen  an- 
geben, in  viel  engeren  Grenzen  schwanken,  um  eine  Grösse,  die  in 
fast  allen  Zellen  der  Kronzipfel  der  Röhrenblüten  auch  von  den 
Chromoplasten  gezeigt  wird  Nur  um  zu  entscheiden,  ob  in  secto- 
rialen  Blüten  dieselbe  Abhängigkeit  zwischen  der  Ausbildung  des 
Farbstoffes  und  der  Grösse  der  Chromatophoren  besteht  wie  in  den 
normalen  Blüten,  wurde  in  der  folgenden  mikroskopischen  Unter- 
suchuno;  der  Abhänsriokeitsverhältnisse  einer  Reihe  von  Merkmalen 
in  sectorialen  Blüten  die  Grösse  der  Chromatophoren,  wie  sie  in 
Variationsreihe  2  zum  Ausdruck  kommt,  als  „gross",  als  anta-^ 
gonistisches    Merkmal    der    Grösse     der    Leucoplasten     und    der    in 


428  W.Voss: 

Variationsreihe  3  zum  Ausdruck  kommenden  Grösse  der  Cln'omo- 
plasten,  das  ich  mit  „klein"  bezeiclmet  habe,  gegenübergestellt. 
Als  unzweifelhaft  antaoonistische  Paare  wurde  diesem  Paar  an- 
gereiht : 

Chromatophoren  gelb farblos, 

Zellsaft  gefärbt farblos, 

Aussenwand  papillös eben, 

Cuticula  gefaltet glatt. 

Die  Zellen  des  gelben  Streifens  einer  sectorialen  Zungenblüte 
zeigen  alle  Eigenschaften  der  Zellen  der  entsprechenden  Region  der 
Köhrenblfltenkrone,  ebenso  wie  diejenigen  des  auch  äusserlich  der 
Strahlblüte  oleichenden  Teils  die  Merkmale  der  Zellen  der  Strahl- 
blütenepidermis  zeigen.  Zwischen  diesen  beiden  Regionen,  in  denen 
ausschliesslich  Zellen  gleicher  Merkmalskombination  liegen,  treten 
jedoch  Zellen  auf,  die  die  mannigfaltigen  Kombinationen  der  oben 
angegebenen  Merkmale  zeigen.  Es  sollen  an  dieser  Stelle  zunächst 
nur  solche  Zellen  berücksichtigt  werden,  die  eine  der  möglichen 
Kombinationen  der  voll  ausgebildeten  Glieder  der  ins  Auge  ge- 
fassten  Merkmalspaare  zeigen.  Mit  Ausnahme  der  Grösse  der 
Chromatophoren  konnten  die  der  Glieder  der  Merkmalspaare  nicht 
zahlenmässig  umgrenzt  werden.  Ich  war  hier  auf  ein  möglichst 
o'enaues  Abschätzen  ans-ewiesen.  Noch  mehr  als  dies  bürgt  aber  für 
die  Zuverlässigkeit  der  folgenden  Angaben,  dass  alle  irgend  zweifel- 
haften Beobachtuno'en  nicht  berücksichtiot  wurden. 

Eine  Regel,  nach  der  der  Übergang  zwischen  den  Regionen 
typischer  Röhren-  und  Strahlblütenzelleu  erfolgt,  konnte  nicht  auf- 
gestellt werden.  In  vielen  Fällen  treten  an  der  Grenze  des  Anteils 
der  Röhrenblüte  Zellen  auf,  die  sich  in  der  Gestalt,  in  der  Be- 
schaffenheit der  Aussenwand,  der  Cuticula  und  des  Zellsaftes  nicht 
unterschieden  von  typischen  Röhrenblütenzellen,  die  jedoch  die 
kleinen,  farblosen  Chromatophoren  der  Strahlblütenzelleu  zeigen. 
Es  kommt  jedoch  auch  vor,  dass  an  typische  Röhrenblütenzellen 
Zellen  stossen,  die  bei  farblosem  Zellsaft  und  kleinen,  gelben 
Chromoplasten  eine  papillöse  Aussenwand  mit  gefalteter  Cuticula 
aufweisen.  Zellen  solcher  Merkmalskombination  wurden  in  Gruppen 
in  vielen  Blüten  aufgefunden.  Von  den  benachbarten  Zellen  unter- 
scheiden sie  sich  ausserdem  noch  durch  ihre  geringere  Länge. 
Ausserdem  kommen  in  der  Übergangszoue  Zellen  mit  farblosem 
Zellsaft,  ebener  Aussenwand,  gefalteter  Cuticula  und  kleinen,  farb- 
losen Chromatophoren,  mit  farblosem  Zellsaft,  papillöser  Aussenwand, 
gefalteter  Cuticula,  kleinen,  farblosen  Chromatophoren  oder  bei  sonst 
gleicher  Beschaffenheit  mit  ebener  Aussenwand  und    glatter  Cuticula 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten,  429 

vor.  Im  Zuge  von  typischen  Strahlblütenzellen  fand  ich  in  der 
Grenzregion  Gruppen  von  Zellen  mit  ungefärbtem  Zellsaft,  kleinen, 
gelben  Chromatophoren,  papillöser  Aussenwand  und  glatter  Cuticula 
iTnd  in  ähnlicher  Lage  solche  mit  ungefärbtem  Zellsaft,  gelben, 
kleineu  Chromatophoren,  papillöser  Aussenwand  und  gefalteter 
Cuticula.  In  einigen  dieser  Zellen  fanden  sich  Chromoplasten,  die 
es  zweifelhaft  liessen,  ob  sie  die  Bezeichnung  „gross"  verdienten. 
In  einer  Blüte,  die  in  der  Form  der  Zuugenblüte  glich,  deren  Zipfel 
aber,  wie  bei  der  Köhrenblüte,  ein  Zottenbüschel  trugen,  aber  selbst 
farblos  waren,  zeigte  sich,  dass  die  innere  Epidermis  sich  zum  aller 
grössten  Teil  aus  Zellen  zusammensetzte,  die  bei  ungefärbtem  Zell- 
saft und  kleinen,  farblosen  Chromatophoren  eine  mit  einer  glatten 
Cuticula  bedeckte  ])apillöse  Aussenwand  aufwiesen.  In  den  roten 
riecken  in  den  Zipfeln  einer  sonst  normal  erscheinenden  Röhreublüte 
fanden  sich  bunt  gemischt  Zellen  mit  gefärbtem  Zellsaft,  grossen, 
gelben  Chromatophoren,  nicht  papillöser  Aussenwand  und  glatter 
Cuticula  und  solche  mit  gefärbtem  Zellsaft,  kleinen  Chromoplasten, 
nicht  papillöser  Aussenwand,  glatter  Cuticula  neben  Zellen,  die  sicli 
von  den  beiden  genannten  Formen  durch  eine  gefaltete  Cuticula, 
durch  farblosen  Zellsaft  oder  durch  beides  unterscheiden.  Die  ver- 
schiedenen voll  ausgebildeten  Merkmale  stossen  auch  hier 
oft,  ohne  durch  Übergänge  verbunden  zu  sein,  in  zwei 
benachbarten  Zellen  unvermittelt  aufeinander.  Ich  habe 
nicht  selten  Blüten  mit  überwiegeneem  Röhrenblütencharakter  ge- 
funden, bei  denen  jedoch  ein  Zipfel  der  Krone  sich  durch  seine 
besondere  Länge  und  durch  seine  der  Zungenblütenkrone  gleichende 
Farbe  auszeichnete.  In  diesem  Zipfel  liegen  unter  normalen  Strahl- 
blüteuzellen  Zellen  mit  rotem  Zellsaft,  kleinen,  farblosen  Chromato- 
phoren, ebener  Aussenwand  und  gefalteter  oder  glatter  Cuticula.  In 
der  Übergangsregion  zwischen  einem  solchen  Zipfel  und  dem 
glockenförmigen  Teil  der  Krone  wurden  Zellen  gefunden,  die  bei 
rotem  Zellsaft,  kleinen,  gelben  Chromatophoren  eine  papillöse,  von 
■einer  gefalteten  Cuticula  überzogene  Aussenwand  aufwiesen. 

Aus  dem  bis  hierher  mitgeteilten  geht  hervor,  dass, 
wenn  auch  in  den  beiden  Partien  sectorialer  Blüten  Zellen  gleicher 
Merkmalskombination  zusammenliegen,  die  einzelnen  Zellen  sich 
o-eo-enseitis"  nicht  direkt  in  der  Ausbildung  ihrer  Merkmale 
beeinflussen.  Zellen  ganz  verschiedener  Merkmals- 
kombination können  engbenachbart  und  deshalb  auch  den- 
selben äusseren  Einflüssen  unterworfen  sein. 

Um  eine  bessere  Übersicht  über  die  beobachteten  Zellformen 
zu  erhalten,  stelle  ich  dieselben  in  der  folgenden  Tabelle  zu- 
sammen: 


430 


W.  Voss: 


Nr. 

Farbe  des 
Zellsaftes 

Farbe  der 

Chromato- 

phoreii 

Grösse  der 

Chromato- 

phoren 

Ausbildung 

der 
Aussenwand 

Ausbildung 

der 

Cuticula 

1 

rot 

farblos 

klein 

papillös 

gefaltet 

2 

farblos 

gelb 

gross 

eben 

glatt 

o 

rot 

farblos 

klein 

5) 

gefaltet 

4 

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5 

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papillös 

n 

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7i 

gelb 

gross 

eben 

glatt 

7 

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klein 

11 

gefaltet 

8 

r> 

n 

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papillös 

» 

9 

farblos 

farblos 

» 

» 

» 

10 

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eben 

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11 

» 

gelb 

» 

n 

glatt 

12 

« 

» 

» 

papillös 

gefaltet 

ir, 

« 

farblos 

» 

eben 

glatt 

14 

^ 

?l 

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papillös 

» 

15 

?i 

gelb 

?? 

n 

« 

k; 

w 

n 

gross  ? 

eben 

gefaltet 

Das  ?  in  Reihe  IG  bezieht  sich  auf  die  oben  beschriebene  Zelle^ 
von  der  zweifelhaft  war,  ob  die  Chromatophoren  die  Bezeichnung-^ 
„gross"  verdienen.  Zellen  mit  gefalteter  Cuticula,  die  unzweifelhaft 
„grosse"  Chromatophoren  enthielten,  konnten  nicht  gefunden  werden. 
Da  in  der  oben  gegebenen  Tabelle  Zellen  fehlen,  in  denen  die 
Merkmale  „papillöse  Aussenwand"  und  „grosse  Chromatophoren" 
fehlen,  so  wurde  die  Frage,  ob  diese  beiden  Merkmale  zusammen  in 
einer  Zelle  auftreten  können,  besonders  geprüft,  jedoch  „grosse 
Chromatophoren"  nur  mit  vollständiu-  „ebener  Aussenwand"  kombiniert 
gefunden. 


'o    "' 


Aus  der  Tabelle  der  beobachteten  Zellformen  ergeben  sich  die 
in  der  folgenden  Zusammenstellun"'  veranschaulichten  Kombinatious- 
möglichkeiten  der  ins  Auge  gefassten  Merkmale,  in  welcher  ein  oo 
andeutet,  dass  die  in  dem  damit  bezeichneten  Felde  zusammen- 
treffenden Merkmale  zusammen  in  einer  Zelle  auftreten  können,  ein 
-|-  andeutet,  dass  das  Merkmal  der  wagerechten  Spalte  stets  zusammen 
mit  dem  der  senkrechten  Spalte  auftritt,  ein  — ,  dass  das  Merkmal 
der  waoerechten  nie  mit  dem  voll  ausoebildeten  der  senkrechten 
Spalte  zusammen  beobachtet  wurde.  Ein  /  bezeichnet  den  Ort,  an 
dem   in  der  Tabelle  zwei  antas-onistische  Merkmale  zusammentreffen. 


über  Merkmale  normaler  Orijanc  in  monströsen  Blüten. 


431 


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3 


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3 

-4J 


fcD 


Zellsaft 

Chromatoplioren. 
Cliromatophoren . 
Aussenwand .  .  . 
Cuticula    .   .    .    . 


1 


gefärbt 
farblos 

klein 


I  farblos 

l  gelb 

[  papillös 

l  eben 

f  glatt 

l  gefaltet 


CXD 
CO 

CO 
CO 

CO 
CO 

CO 

CO 


oo 

oo 

CO 

CO 

CX3 

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CO 

oo 

CO 

CO 

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CO 

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CO 

oo 

CO 

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— 

oo 

— 

+ 

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CO 

CO 

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CO 

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oo 

CO 

— 

CO 

CO 

CO 

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CO 

CO 

oo 

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CO 

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CO 

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CO   CO 
oo  CO 

oo 

OO 

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oo  I 


oo 
oo 

CO 

oo 
oo 

CO 

oo 

OO 


Zu  dieser  Zusanimenstellung  sind  noch  einige  Bemerkungen 
nötig.  Das  ?  deutet  wieder  die  schon  weiter  oben  gekennzeichneten 
unsicheren  Beobachtungen  an.  Trotz  der  Schwierigkeit,  die 
Färbungsintensität  gelber  Chromatophoren  abzuschätzen,  ghaube  ich, 
nach  sorgfältiger  Prüfung  doch,  wie  es  in  der  Übersicht  geschehen 
ist,  angeben  zu  dürfen,  dass  „grosse"  Chromatophoren  stets  die 
volle  Ausbildung  des  Carotins  zeigen.  Ebenso  konnten  keine  färb- 
losen  Chromatophoren  gefunden  werden,  die  nicht  das  Merkmal 
„klein"  zeigten.  In  der  Grösse  zwischen  „gross"  und  „klein" 
stehende  Chromatophoren  zeigten  stets  zum  mindesten  einen  gelben 
Anflug.  Dadurch  sind  die  hier  auf  sich  beziehenden  Angaben  der 
Tabelle,  die  aus  der  vorhergehenden  Liste  der  beobachteten  Zell- 
formen noch  nicht  ohne  weiteres  hervorgehen,  gestützt.  Ebenso  ist 
die  Angabe,  dass  die  Kombination  „papillöse  Aussenwand"  — 
„grosse  Chromatophoren"  unmöglich,  dagegen  die  des  zum  ersten 
Merkmal  antagonistischen  Merkmals  „ebene  Aussenw^and"  mit 
„grossen  Chromatophoren"  nur  möglich  ist,  erst  aus  der  Liste  der 
Zellformen  zu  folgern,  wenn  nachgewiesen  ist,  dass  das  Merkmal 
„ebene  Aussenwand"  auch  mit  in  der  Grösse  zwischen  beiden 
extremen  Formen  stehenden  Chromatophoren  auftritt.  Diese  Frage 
ist  geprüft  worden;    sie  wurde    in    dem    in    der  Übersicht  zum  Aus- 


druck gelangten  Sinne  entschieden. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV. 


30 


432 


W.  Voss: 


Aus  der  oben  wiedergegebenen  Tabelle  geht  hervor,  dass  einige 
der  ins  Auge  gefassten  Merkmale  niemals  zusammen  auftreten,  sich 
also  o-esenseitio-  ausschliessen.     Es  sind  dies: 


ö^o" 


Chromatophoren  „gross",  Chromatophoreu  farblos; 
„  „        Aussenwand  papillös. 

Während  die  beiden  an  letzter  Stelle  genannten  Merkmale  in 
einer  Zelle  nicht  zusammen  auftreten,  muss  dies,  wie  dies  eine  die 
grosse  Selbständigkeit  der  einzelnen  Chromatophoren  von  einander 
beweisende  Beobachtung  bei  der  Chrysanthemumform  „Mary 
Anderson"  zeigt,  beim  ersten  Paar  darauf  beschränkt  werden,  dass 
die  beiden  Merkmale  sich  an  demselben  Chromatophor  aus- 
schliessen. Ein  Unterschied  besteht  freilich  ausserdem  noch  zwischen 
den  beiden  Paaren.  Während,  wie  aus  meinen  Beobachtungen  folgt, 
das  eine  Glied  des  ersten  Paares  immer  das  antagonistische  des 
jeweilig  anderen  fordert,  ist  die  Ausbildung  des  dem  ersten  Gliede 
des  zweiten  Paares  antagonistischen  Merkmals  nur  möglich,  wenn 
das  zweite  Glied  ausgebildet  ist,  da  dasselbe  mit  einem  nicht  voll 
ausgebildeten  ersten  zusammen  auftreten  kann. 

Ähnlichkeit  mit  dem  V'erhältnis  der  Glieder  dieses  letzten 
Paares  zueinander  hat  dasjenige  einer  anderen  Reihe  von  Merkmalen, 
die  ich  samt  ihren  Abhängigkeitsverhältnissen  in  die  folgende  Über- 
sicht gebracht  habe: 


Es  bedingen 

Es  bedingen  nicht 

^farblose    Chromatophoren"     die 
Ausbildung     von    „kleinen    Chro- 
matophoren"; 

„kleine  Chromatophoren"  dieAus- 
bildungvon  „farblosen  Chromato- 
phoren"; 

„grosse  Chromatophoren"  die  Aus- 
bildung  von    „gelben  Chromato- 
phoren"; 

„gelbe  Chromatophoren"  die  Aus- 
bildung von  „grossen  Chromato- 
phoren"; 

„grosse  Chromatophoren"  die  Aus- 
bildung    von      „ebener    Aussen- 
wand". 

„ebene  Aussenwand"  die  Aus- 
bildung von  „grossen  Chromato- 
phoren". 

Die  Glieder  aller  anderen  möglichen  Paare  der  ins  Auoe  «e- 
fassten  Merkmale  sind  vollständig  unabhängig  von  einander.  Es 
können  z  B.  „kleine  Chromatophoren"  sowohl  mit  einer  „ebenen 
Aussenwend"  als  auch  mit  einer  „papillösen"  auftreten,  es  kann 
„ebene  Aussenwand"  sowohl  mit  „kleinen"  als  auch  mit  „grossen" 
Chromatophoren  in  der  Zelle  auftreten. 

Ich  habe  dies  Beispiel  aus  der  Masse  des  Möglichen  heraus- 
gegriffen,   weil  es  mir  die  Gelegenheit  gibt,    die  bis  jetzt  ganz  will- 


über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten.  433 

kürliche  Gegeimberstellung  vou  „grossen  imd  kleinen"  Chromato- 
phoren  als  Glieder  eines  antagonistischen  Merkmalspaares  eine  Be- 
rechtignng  zu  geben.  Ein  anderes  Abhängigkeitsverhältnis  zeigt 
-feieh  nämlich,  wenn  in  dem  Beispiel  das  Merkmal  „klein"  mit  dem- 
jenigen „gross"  vertauscht  wird  (siehe  die  vorhergehende  Übersicht). 
Ganz  ebenso  liegt  es  bei  den  Merkmalen  „klein"  und  „gelb",  die 
sich  wie  die  Glieder  des  als  Beispiel  gewählten  Paares  zu  einander 
verhalten,  wenn  „klein"  gegen  „gross"  vertauscht  wird.  Es  scheint 
mir  in  diesen  Beobachtungen  mindestens  eine  Milderung  der  bei  der 
Aufstellung  dieses  antagonistischen  Paares  geübte  Willkür  zu  liegen, 
da  aus  ihnen  eine  Selbständigkeit  der  beiden  Merkmale  hervorzu- 
gehen scheint. 


Wie  „Mons.  Ulbrich  Brunner''  zeigten  viele  im  Marburger 
botanischen  Garten  gezogene  Chrysanthemen  sectoriale  Blüten,  deren 
Krone  nur  in  der  Regel,  —  sehr  häufige  Ausnahmen  kommen 
vor  — ,  den  Streifen  Röhrenblütengewebe  auf  der  dem  Köpfcheninnern 
zugekehrten  Seite  der  Strahlblütenkrone,  so  dass  es  nicht  möglich 
war,  bei  ihnen  die  Lage  in  der  Krone  als  ausschlaggebend 
für  die  Differenzierung  des  Gewebes  anzunehmen.  Die 
Unabhängigkeit  der  einzelnen  Zellen  voneinander  und  zu- 
gleich die  unter  den  gleichen  äusseren  Bedingungen 
mögliche  verschiedenartige  Differenzierung  gleichartiger 
und  auch  oft  gleichaltriger  Zellen  zeigte  sich  bei  ihnen  in 
genau  derselben  Weise,  wie  bei  den  beiden  beschriebenen 
Formen.  Ich  beshhränke  mich  hier  darauf,  die  gärtnerischen 
Namen  dieser  von  mir  untersuchten  Formen  mitzuteilen:  Margot, 
Avalanche,  Alberic  Lunder,  L'ile  de  plaisir,  Julia  Lagrariere,  Lady 
Salborne,  Mad.  Carnot,  La  negresse,  Cesare  Costa,  Ismael,  Admiral 
Seymonds,  Louis  Böhmer,  Hallow  E.  Eu.,  Beauty  of  Truro. 


30* 


434  Hans  Fitting: 


63.  Hans  Fitting.    Sporen  im  Buntsandstein  —  die 
Mal(rosporen  von  Pleuromeia? 

(Eingegangen  am  2.  Oktober  1907.) 


Im  Hinblicke  auf  die  stets  grossen  und  nicht  nur  für  die  Paläo- 
phytologie  bedeutungsvollen  Fortschritte,  welche  in  neuerer  und 
neuester  Zeit  die  Kenntnis  der  Fortpflanzungsverhältnisse  vieler 
fossiler  Archegoniatengruppen  durch  eine  Reihe  glücklicher  Funde 
gemacht  hat,  ist  es  von  einigem  Interesse,  dass  nun  auch  das  Dunkel 
sich  zu  lichten  scheint,  welches  die  Fruktifikationsverhältnisse  der 
interessanten  Buntsandsteingattung  Pleuromeia  bisher  noch  immer 
umhüllt.  Graf  zu  SOLMS-LaUBACH,  dem  wir  eine  kritische  Be- 
arbeitung des  vorliegenden,  recht  unvollkommenen  Materiales  ver- 
danken (1899,  S.  227  if.),  war  nicht  imstande,  aus  den  ohne  struktur- 
bietende Reste  allein  vorliegenden  zahlreichen  Steinkernen  und 
Abdrücken  den  Aufbau  des  seltsamen  Gewächses  völlig  zu  rekon- 
struieren und  Sicherheit  darüber  zu  gewinnen,  ob  die  Sporangien 
ähnlichen  Gebilde,  die  der  Unterseite  der  Sporophylle  in  Einzahl 
median  anhängen,  Sporangien  oder  Samenknospen  sind.  So  musste 
auch  die  systematische  Stellung  dieser  Pflanze  dunkel  bleiben,  wenn 
auch  die  sehr  eigenartig  gestaltete,  zweifach  dichotomierte,  vier- 
lappige Stammbasis  und  die  Abdrücke  der  Blattabgliederungsnarben  am 
Stamme  auf  eine  Verwandtschaft  mit  Sigillaria-'A\m\\c\\^\\  Gewächsen 
hinzudeuten  schien. 

Da  trifft  es  sich  nun  sehr  günstig,  dass  mein  Freund,  Herr 
Privatdozent  Dr.  E.  WÜST  in  Halle  a.  S  ,  der  über  den  Buntsandstein 
des  östlichen  Harzvorlandes  arbeitet,  in  Letten  und  dünnplattigen 
Glimmersandsteinen  des  Mittleren  Buntsandsteins  der  Umgeo-end  von 
Halle  meist  zusammen  mit  unverkennbaren  Resten  von  Pleuromeia 
kleine,  runde,  verkohlte  Gebilde  gefunden  hat,  die  bei  näherer  Unter- 
suchung als  Sporen  eines  Archegoniaten  angesprochen  werden  konnten. 
E.  WCST  hat  sie  in  einer  Abhandlung  über  die  Fossilführung  des 
Mittleren  Buntsandsteins  der  Mansfelder  Mulde  (1907)  aus  später  zu 
erwähnenden  Gründen  schon  als  die  Sporen  von  Pleuromeia  Stern- 
bergii  Münst.  spec.  bezeichnet.  Selbstverständlich  war  es  mir  eine 
grosse  Freude,  dem  Wunsche  meines  Freundes  folgend  das  bereits 
vorliegende  und  auf  gemeinsamen  Exkursionen  in  der  Gegend  von 
Halle  und  bei  Bernburg  noch  gefundene  Material  nach  botanischen 
Gesichtspunkten  zu  bearbeiten. 


Sporen  im  Bnntsandstein  —  die  Makrosporen  von  Pleuromeia?  435 

Zunächst  dürfte  es  von  Interesse  sein,  auf  die  vertikale  und 
horizontale  Verbreitung  der  Sporen  im  Bundtsandstein  nach 
unseren  bisherio;en  Funden  hinzuweisen.  Soweit  dafür  die  nähere 
Umgebung  von  Halle  a.  S.  in  Betracht  kommt,  wo  die  Sporen  von 
WÜST  entdeckt  wurden,  stütze  ich  mich  auf  die  Gliederung  des 
Mittleren  Bundsandsteins,  die  WÜST  kürzlich  (1907,  S.  124)  veröffentlicht 
hat.  Ich  gebe  sie  nach  WÜST  in  Tabellenform  wieder.  Das  Vor- 
kommen der  Sporen  ist  darin  für  die  einzelnen  Fundpunkte  ver- 
zeichnet und  gleichzeitig  vermerkt,  ob  in  der  gleichen  oder  in  anderen 
Schichten  Reste  von  Pleuromeia  vorkommen  und  welche  Art  sie  sind. 
Nebenbei  sei  erwähnt,  dass  vor  WÜST's  Untersuchungen  Pleuromeia- 
reste  aus  der  Geo-end  von  Halle  nicht  bekannt  waren. 

O 


Mittlerer  Buntsandstein  der  Maiisfelder  Mulde 

(nach  E.  WÜST  1907). 

Herrschende  Gesteine:  in  erster  Linie  Sandsteine  (zusammen- 
genommen etwa  % — 7i  ^61'  Gesamtmächtigkeit  ausmachend)  und 
zwar  zumeist  dickbankige  Sandsteine;  in  zweiter  Linie  Schieferletten 
(zusammengenommen  etwaYs — Vi  der  Gesamtmächtigkeit  ausmachend). 

Gesamtmächtiffkeit:  27.5  m. 


I.  Untere  Saud-  Dickbankio-e      Sandsteine      vorherrschend, 

steine,   15  m:  Darin: 

Untere  Muschelbänke:  Meist  dünn- 
plattige  Sandsteine  mit  untergeordneten 
Schieferletten.  Fossilien:  Aucella  Geinitzii 
V.  Fr.,  GerciUeia  Murchisonii  Gein., 
Estherien. 

II.  Untere  Zwischen-    Schieferletten  mit  untergeordneten  dünnen 
schichten,  25  m:  Sandsteinbänken.  Diese  Schichten  bilden 

die: 

Unteren  Estherienbänke:  Fossilien: 
Pleuromeia  Sternhergii  Münst.  sp.  (bisher 
nur  nicht  näher  bestimmbare  verkohlte 
Reste  und  Sporen  in  der  Ziegeleigrube  von 
STRÜFER  zwischen  Halle  und  Nietleben), 
cf.  Anoplophora,  Estherien. 

III.  Mittlere  Sand-  Dickbankige    Sandsteine    vorherrschend, 
steine,  110  m: 

IV.  Obere  Zwischen-      Schieferletten  mit  untergeordneten  dünnen 
schichten,  45  m:  Sandsteinbänken  vorherrschend.     Darin: 


436  Hans  Fitting: 

Obere  Muschelbänke:  Dünnplattige 
Sandsteine  mit  untergeordneten  Schiefer- 
letten vorherrschend.  Fossilien:  Aucella 
Geinitzii  v.Fr.,  Gervilleia MurchisoniiGein.^ 
unbestimmte  Muscheln,  Estherien,  Fische. 

Fischbänke:  Schieferletteu  mit  düuneu, 
oft  stark  kalkhaltigen  Sandsteinbänkeu 
vorherrschend;  lokal  Einlagerungen  von 
Faserkalk.  Fossilien:  PJeuromeia  Stern- 
bergii  Münst.  sp.  (am  Tonhäuschen  von 
Schiepzig:  nicht  näher  bestimmbare 
verkohlte  Reste,  Sporophylle  und  Sporen; 
im  Beesenstedt  -  Kloschwitzer  Grunde: 
nicht  näher  bestimmbare  verkohlte  Eeste, 
ein  Stämmchen,  Sporophylle  und  Sporen), 
Muscheln,  Schnecken,  Estherien,  Ganoid- 
fische. 

Obere  Estherienbänke:  Meist  sandige 
Schieferletten  mit  untergeordneten  dünnen 
Sandsteinbänken  vorherrschend.  Fossilien: 
Pleuromeia  Sternhergii  Münst.  sp.  (bisher 
nur  nicht  näher  bestimmbare  verkohlte 
Reste,  Sporophylle  und  Sporen  in  der 
Tongrube  südlich  vom  Bahnhof  Schiettau), 
Estherien. 

Y.  Obere  Sandsteine,  Dicke       Sandsteinbänke        vorherrschend; 
80  m:  wenigstens lokalKieselsäurekonkretionen. 

Es  lag  nun  sehr  nahe,  ausserhalb  der  näheren  Umgebung  Halles  in 
den  altbekannten,  klassischen  Fundstellen  von  Pleuromeia  bei  Bern- 
burg nach  den  Sporen  zu  suchen.  Erfreulicherweise  gelang  es  mir 
bereits  in  der  Sammlung  des  Grafen  zu  SOLMS-LaUBACH  auf 
einem  in  Gegenwart  des  Herrn  Besitzers  untersuchten  Stück  Glimmer- 
sandstein von  Bernburg,  in  das  ein  „Fruchtstand"  von  Pleuromeia 
eingeschlossen  ist,  neben  diesem  mit  kohligen  Resten  bedeckten 
Gebilde  Sporen  nachzuweisen.  Eine  Exkursion  in  die  Sandstein- 
brüche bei  Bernburg,  auf  welche  der  um  die  Kenntnis  der  Bunt- 
sandsteinfossilien Bernburgs  hochverdiente  Herr  Steinbruchbesitzer 
O.  Meekel  freundlichst  die  Führung  übernahm,  erbrachte  alsdann 
den  Nachweis,  dass  hier  die  Sporen  in  der  Tat  ganz  ausserordentlich 
häufig  sind,  und  zwar  gerade  in  jenen  Schichtenkomplexen,  welche 
reich  an  Pleuromeia-^Q?,iQn  sind.  Nach  freundliclier  Mitteiluns,'  des 
Herrn    MERKEL    nämlich    kommen    die    Pleuromeien    bei    Bernburg 


Sporen  im  Buntsandstein  —  die  Makrosporen  von  Pleuromeia?  437 

hauptsächlich  in  zwei  Zonen  von  „Nutzbänken"  vor,  d.  h.  technisch 
verwertbaren  dicken  Sandsteinbänken,  deren  untere  etwa  100  m  und 
deren  obere  etwa  120  m  über  der  Basis  des  ca.  160  ?n  mächtig-en 
^Mittleren  Buntsandsteins  liegt.  Diese  Nutzbänke  lassen  in  sich  eine 
Aufeinanderfolge  dicker  Sandsteinbänke  und  sehr  dünner  Letten- 
lager erkennen.  Die  Sandsteinbänke  haben  hauptsächlich  grosse 
Pleuromeia-'^iö.mrwe  mit  sonstigen  Resten  der  Pflanze,  die  dünnen 
Lettenschichten  neben  Sporophyllen  plattgedrückte  Stämmchen 
und  junge  Pflänzcheu  geliefert.  Ich  hatte  bisher  nur  Gelegenheit, 
das  Vorkommen  der  Sporen  in  den  Lettenlagen  der  oberen  Nutz- 
bank und  unmittelbar  oberhalb  der  Bank  festzustellen. 

Die  Art  des  Vorkommens  der  Sporen  ist  an  allen  Fundstellen 
sehr  einförmig:  ^Vährend  nach  unseren  bisherigen  Kenntnissen 
grössere  Stämme  von  Pleuromeia  auf  zum  Teil  ziemlich  grobkörnige 
Quarzsandsteine  (Bernburg!)  beschränkt  sind  und  Sporophyllähren, 
einzelne  Sporophylle  und  kleinere  Stämmchen  sowohl  in  groben  und 
feinen  Sandsteinen  als  auch  in  Schieferietton  und  in  milden,  glimmer- 
reichen Sandsteinen  sich  nachweisen  lassen.  Sie  liegen  hier  in  ver- 
kohltem  Zustande  einzeln  oder  in  enormer  Menge,  entweder  hier  und  da 
zu  kleineren  oder  grösseren  Haufen  zusammengedrängt  oder  mehr 
gleichmässig  verteilt  in  der  Gesteinsmasse,  manchmal  neben  typischen 
Pleuromeia-^^oro\Aiy\\exi.  oder  „-sporangien"  (so  bei  Schlettau^ 
Beesenstedt,  Schiepzig  und  Bernburg).  Sie  sind  überall  in  solcher 
Menge  vorhanden,  dass  man  selten  Gesteinsstücke  dieser  Art  spaltet^ 
ohne  verkohlte  Sporen  zu  finden.  Am  leichtesten  ist  ihr  Nachweis 
in  den  gleichmässig  weissgrauen,  vertikal  recht  verschieden  zu- 
sammengesetzten Letten  von  Schiettau  bei  Halle  a.  S.,  wo  sie  durch 
ihre  schwarze  Farbe  sofort  auffallen  und  wo  sie  auch  von  WÜST 
zuerst  aufgefunden  wurden,  während  sie  da  leicht  übersehen  werden 
können,  wo  sie  wie  z.  B.  bei  Beesenstedt  und  Bernburg  in  den  zum 
Teil  etwas  eisenschüssigen,  dunkelgraubraunen,  glimmerreichen 
Schieferletten  oder  Sandsteinen  vorkommen,  die  neben  hellen  auch 
dunkle  Glimmerplättchen  und  kleine  Kohlenfetzchen  enthalten.  Dies 
ist  wohl  auch  der  Grund,  warum  sie  den  bisherigen  Forschern  ent- 
gangen sind. 

Der  Erhaltungszustand  der  plattgedrückten,  verkohlten  Sporen 
ist  überall  dort  vorzüglich,  wo  (wie  besonders  bei  Schiettau)  das 
Einbettungsmaterial  tonig  oder  sehr  feinsandig  ist,  während  er  in 
den  weniger  feinsandigen  Glimmersandsteinen  (z.  B.  Bernburg)  oft 
schlecht  ist,  um  so  schlechter,  je  grobkörniger  das  Material.  Hier 
sind  die  Sporenmembranen  oft  in  einzelne  Fetzen  zerrissen.  Diese 
Tatsache  legt  die  Annahme  nahe,  dass  die  Sporen  nur  deshalb  den 
an  Pte^/'o?nm-Resten  reichen  Quarzsandsteinen  fehlen,  weil  dieses 
Material  der  Erhaltung  der  Sporen  nicht  günstig  war. 


438  Hans  Fitting: 

Wenn  die  Sporen  gut  erhalten  sind,  gelingt  es  leicht,  sie  aus 
der  Einbettungsmasse  mittelst  Nadeln  herauszulösen.  In  den  Letten 
hinterbleibt  alsdann  ein  sehr  charakteristischer  Hohldruck.  Auch 
kann  man  sie  aus  den  Letten  leicht  unter  Zuhilfenahme  eines  Pinsels 
isolieren,  nachdem  man  die  Tonstücke  in  Wasser  aufgequellt  hat. 

Der  Bau  der  Sporen  bietet  wenig  Eigentümliches:  Sie  haben 
stets  kreisrunden  ümriss,  in  welcher  Richtung  sie  auch  platt- 
gequetscht wurden,  einen  ungefähren  Durchmesser  von  0,5 — 07  mm 
und  lassen  mit  grosser  Deutlichkeit  drei  im  Scheitelpunkt  zusammen- 
laufende, unter  gleichen  Winkeln  konvergierende  und  stark  hervor- 
tretende „Scheitelkanten"  erkennen,  die  an  ihren  dem  Scheitelpunkte 
abgewandten  Ende  durch  drei  sehr  viel  schwächer  hervortretende 
„Randkanten"  verbunden  sind.  Durch  diese  Kanten  oder  Leisten 
wird  die  Oberfläche  der  Spore  und  die  Sporenmembran  in  eine  über- 
halbkugelige Basalfläche  und  in  drei  schwächer  gewölbte  Scheitel- 
flächen gegliedert.  Letztere,  die  man  oft  auch  allein  findet,  dürften 
sich  bei  der  Keimung  von  einander  getrennt  haben.  Die  Sporen 
sind  also  wie  die  Makrosporen  der  Lepidophyten  und  von  Isoetes 
nach  kugeltetraedrischem  Typus  gebaut.  Die  ganze  Oberfläche  ist 
stärker  oder  schwächer  granuliert,  ohne  sonstige  Skulptur  erkennen 
zu  lassen.  Die  Sporenmembranen  waren  offenbar  sehr  dick,  da  sie 
als  dicke  verkohlte  Masse  erhalten  geblieben  sind.  Ob  sie  aus  mehreren 
Schichten  bestanden,  lässt  sich  ti'otz  eingehender  mikroskopischer 
Untersuchung  nicht  erkennen. 

Wie  aus  meiner  Beschreibung  ersichtlich  sein  dürfte,  besteht  in 
Grösse  und  Gestalt  sehr  grosse  Ähnlichkeit  zwischen  diesen  Sporen 
und  den  Makrosporen  von  Isoetes  (vergl.  FiTTING  1900).  Doch 
zeigen  auch  die  Makrosporen  der  Lepidophyten  ganz  ähnliche 
Charaktere.  Da  die  Makrosporen  von  Isoetes,  wie  ich  zeigte,  stets 
verkieselt  sind,  so  habe  ich  einige  der  verkohlten  Sporen  nach  der 
Isolierung  aus  der  Einbettungsmasse  mit  Schwefelsäure  befeuchtet 
auf  einem  Platinblech    geglüht:     Ein  Kieselskelett  erhielt  ich  nicht. 

Erwähnt  sei  schliesslich  noch,  dass  man  stets  neben  Sporen  der 
angegebenen  Grösse  auch  einzelne  viel  kleinere,  etwa  nur  halb  so 
grosse  findet,  die  wohl  wie  bei  Loetes  verkümmerte  Exemplare 
sind.  — 

Der  Grösse  und  der  Gestalt  nach  scheint  es  mir  ganz  unzweifel- 
haft, dass  wir  es  bei  den  Sporen  mit  den  Makrosporen  eines  Arche- 
goniaten  zu  tun  haben.  Es  würde  nun  vor  allem  die  Frage  sein,  ob 
sie  als  die  Makrosporen  von  Pleuromeia  angesehen  werden  dürfen. 
WÜST  gibt  in  seiner  oben  erwähnten  Arbeit  (1907,  S.  121)  an,  er 
habe  wiederholt  bei  Schlottau  diese  Sporen  in  Anhäufungen  gefunden, 
„deren  ümriss  mit  demjenigen  der  zweifellos  zu  Pleuromeia  Sternbergii 
Münst.    spec.    gehörenden  Zapfenschuppen    so    genau    übereinstimmt, 


Sporen  im  Buntsandstein  —  die  Makrosporen  von  Pleuronieia?  439 

dass  nicht  zu  bezweifeln  ist,  dass  es  sich  in  diesen  Anhäufungen  um 
noch  auf  der  Zapfenschuppe  bezw.  dem  Sporophylle  sitzende  Sporen 
handelt."  Die  Stücke,  auf  die  sich  WÜST  hier  bezieht,  haben  mir 
^u  eino-ehender  Untersuchung  voroeleo-en.  Auch  habe  ich  selbst 
wiederholt  bei  Schiettau  Material  gesammelt.  Wohl  liegen,  wie 
schon  erwähnt,  die  Sporen  häufig  in  grösseren  Massen  beisammen. 
Wenn  letztere  manchmal  auch  rundlichen  Umriss  haben,  so  konnte 
ich  doch  niemals  eine  Umgrenzung  dieser  Haufen  erkennen,  die  sich 
auf  die  Sporangienwand  beziehen  liesse.  Es  ist  ja  möglich,  dass 
diese  Sporenhaufen  auf  die  P/^wröm^/a-Sporangien  bezogen  werden 
könnten;  doch  muss  ich  darauf  hinweisen,  dass  sie  oft  auch  anderen 
als  rundlichen  Umriss  haben:  Häufig  macht  es  den  Eindruck,  als 
ab  sie  Ausfüllungen  von  Wurmröhren  bildeten.  Auffällig  sind  in 
den  Haufen  zwischen  den  Sporen  fast  stets  Abdrücke  linealer,  dicho- 
tomisch  verzweigter  Gebilde,  die  bis  zu  1  cm  Länge  besitzen  können 
und  meist  von  kohligen  Kesten  überzogen  hie  und  da  die  Schicht- 
flächen der  Letten  auch  allein  bedecken.  Yielleicht  sind  diese  Ge- 
bilde die  erhalten  gebliebenen,  netzartig  verbundeneu  oder  zerrissenen 
Adern  der  Makrosporangienwand  von  Pleuromeia  (vergl  Graf  zuSOLMt;- 
LaüBACH  1899,  S.  237)  oder  Trabekulae  des  Sporangiums  (ent- 
sprechend Isoetes).  Doch  lässt  sich  diese  Annahme  zur  Zeit  niclit 
beweisen.  Selbstverständlich  habe  ich  von  Anfang  der  Untersuchung 
an  in  den  Kohlenkrusten,  welche  manchmal  die  gut  erhaltenen 
Sporangien  von  Pleuromeia  bedecken,  nach  Sporen,  Makrosporeu  wie 
Mikrosporen  gesucht,  bisher  immer  ohne  Erfolg.  Freilich  muss  man 
daran  denken,  dass  die  gut  erhaltenen  Sporangien  sämtlich  Mikro- 
sporangien  oder  unreife  Makrosporangien  waren.  Reife  Makro- 
sporangien  dürften  sich  wegen  der  Grösse  der  Sporen  nur  wenig 
für  die  Konservieruno;  creeis-net  haben.  Auch  auf  den  Schichtflächen 
der  Letten,  ausserhalb  der  Sporangien,  habe  ich  sehr  oftmals  nach 
Mikrosporen  gesucht,  ohne  jemals  welche  finden  zu  können.  Wahr- 
scheinlich    sind     diese    kleinen,    zartwandigen    Gebilde    zu    Grunde 


gegangen. 


Wenn  auch  auch  souach  unsere  Funde  keinen  direkten  Beweis 
dafür  erbringen,  dass  die  Sporen  die  Makrosporen  von  Pleuromeia 
sind,  so  macht  doch  eine  Reihe  von  Umständen  diese  Annahme 
recht  wahrscheinlich.  Dafür  spricht  vor  allem  die  Tatsache, 
dass  die  Sporen  in  allen  Aufschlüssen  auf  eben  dieselben 
Schichtenkomplexe  beschränkt  sind,  die  unverkennbare  Reste  von 
Pleuromeia  und  nur  von  dieser  Pflanze,  geliefert  haben:  Sporo- 
phylle und  Sporangien  finden  sich  in  den  Letten  bei  Schiettau, 
Beesenstedt,  Schiepzig  und  Bernburg  zusammen  mit  Sporen;  bei 
Bernburg  trennen  die  Sporen  führenden  tonigen  Glimmersandsteine 
diejenigen   Sandsteinbänke,    welche  Pleui'omeia-Kes,tQ    enthalten,    und 


440  Hans  Fitting: 

haben  nach  SPIEKER  1853,  S.  1  ff ,  Graf  zu  SOLMS-LaUBACH  (1899, 
S.  239)  und  mündlichen  Mitteilungen  des  Herrn  0.  MERKEL  in 
Menge  gerade  junge  Pleuromeia-F üänzchen  geliefert.^)  Würden  die 
Sporen  zu  einer  anderen  Pflanze  gehören,  so  wäre  es  zum  mindesten 
sehr  seltsam,  wenn  diese  Pflanze  nicht  ebenso  wie  Pleuromeia  er- 
kennbare Reste  in  den  Letten  oder  Sandsteinen  hinterlassen  hätte. 
Ob  Pleuromeia  ganz  allein  wuchs,  wie  es  den  Anschein  hat,  wissen 
wir  freilich  nicht.  Findet  man  doch  meist  zusammen  mit  Pleuromeia 
nicht  näher  bestimmbare  verkohlte  Reste,  die  Pleuromeia  oder 
anderen  Pflanzen  angehören  mögen.  Die  Ärmlichkeit  der  Bunt- 
saudsteinflora und  ihrer  uns  überkommenen  Spuren  wird  übrigens 
verständlich,  w^enn  man  den  neueren  Anschauungen  mancher  Geologen 
folgend,  den  Buntsandstein  im  wesentlichen  als  eine  Wüstenbildung 
ansieht  und  bedenkt,  dass  dann  nur  au  wenigen  Stellen,  am  Rande 
von  Tümpeln  und  Seen,  Pflanzenreste  sich  erhalten  konnten. 

Spricht  man  die  Sporen  wegen  ihrer  Häufigkeit  in  den  Pleuro- 
meia führenden  Schichten  des  Buntsandsteins  als  die  Makrosporen 
von  Pleuromeia  an,  wofür  spätere  Funde  vielleicht  noch  bessere 
Beweise  liefern,  so  gewinnt  damit  diese  merkwürdige  Gattung  eine 
festere  Stelle  im  System  als  bisher,  und  zwar  in  der  Nähe  der 
Lycopodiales^  im  besonderen  der  Lepidophyten  oder  der  Isoetaceen, 
und  fällt  die  Vermutung  in  sich  zusammen,  dass  sie  irgendwie  mit 
den  Coniferen  verwandt  sei.  So  würden  die  Fortpflanzungsverhält- 
nisse aufs  schönste  den  Eindruck  bestärken,  den  der  Bau  der 
Stammbasis  und  der  Bau  der  Blattabgliederungsnarben  am  Stamme 
schon  längst  gemacht  hat. 

Allerdings  darf  nicht  verkannt  werden,  dass  mit  der  Auffindung 
der  Sporen  noch  längst  nicht  alle  Rätsel  gelöst  sind,  welche  hin- 
sichtlich der  Yerwandschaft  des  Genus  bestehen.  Während  bei  allen 
Gattungen  der  Lijcopodiales  das  Sporangium  median  auf  der  Ober- 
seite des  Sporophylls  oder  wie  bei  Selaginella  auf  der  Blütenachse 
der  „Sporophyll"oberseite  sehr  genähert  befestigt  ist,  sitzt  es  nach 
den  Angaben  von  Graf  zu  SOLMS-LaüBACH  (1899,  S.  237)  bei 
Pleuromeia  auf  der  Sporopyll-Unterseite.  Die  Richtigkeit  dieser 
Angabe  glaube  ich  durch  eigene  Untersuchung  des  sehr  schönen 
Zapfens  (in  der  Sammlung  des  Mineralogischen  Institutes  in  Halle  a.  S.) 
bestätigen  zu  können,  den  Graf  zu  SOLMS-LaUBACH  auf  Taf.  YHI, 
1899,  Fig.  8    abgebildet    hat.     Auch    sah  ich  bei  Herrn  MERKEL  in 


1)  Auf  den  Glimmersandsteiustücken  vou  Bernburg,  die  aus  Spiekee's  Besitz 
in  die  Sammlung  des  naturhistorischen  Museums  in  BerHu  gelangt  sind  und  die 
auf  den  Schichtflächen  vorzüglich  erhaltene  Sporophylle  mit  Sporangien  von 
Pleuromeia,  die  Originale  zu  einigen  Abbildungen  in  der  Arbeit  des  Grafen  zu 
Solms-LaubACH,  erkennen  lassen,  habe  ich  übrigens,  wie  hier  erwähnt  sein  mag, 
vergeblich  nach  den  Sporen  gesucht. 


Sporen  im  Buntsandstein  —  die  Makrosporen  von  Pleuromeia?  441 

Bernburg  einige  von  diesem  Herrn  angefertigte  Skizzen  nach  anderen 
Stücken,  die  keine  andere  Deutung  zulassen.  Dieses  Merkmal  weist 
meiner  Meinung  nach  unserer  Gattung  eine  Sonderstellung  im  System 
an.  Es  erscheint  mir  so  wichtig,  dass  ich  vorläufig  eine  Diskussion 
der  Frage  für  müssig  halte,  ob  Pleuromeia  zwischen  Sigillaria  und 
Isoctes  vermittelt,  wie  POTONIE  (z.  B.  1002,  S.  753  u.  l'J04,  S.  11) 
ohne  allen  Grund  annimmt  und  ob  dieses  Genus  Sigillaria  oder 
Isoetes  näher  steht.  Der  Bau  der  Sporen  lässt  keine  Entscheidung 
in  diesen  Fragen  zu,  da  die  Makrosporen  der  Lepidophyten  denen 
von  Isoetes  sehr  ähnlich  sind. 

Zweifellos  hat  es  ja  einen  grossen  Reiz,  für  das  Verständnis  der 
Entwicklungsgeschichte  der  so  überaus  seltsamen  vierlappigen  Stamm- 
basis von  Pleuromeia  (vergl.  PüTONIE  1899,  S.  218)  und  schliesslich 
auch  der  Stiomarien  die  Verhältnisse  des  /so^Y^Ä-Stammes  zum  Ver- 
gleiche  heranzuziehen.  Ich  möchte  auch  glauben,  dies  sei  nicht  un- 
berechtigt. Nur  scheint  es  mir,  wie  ich  bei  dieser  Gelegenheit  gern 
hervorhebe,  dass  der  Vergleich  in  der  Litteratur  bisher  immer  un- 
richtig durchgeführt  wurde  und  deshalb  unfruchtbar  gewesen  ist. 
V^ill  man  die  Stammlappeu  von  Pleuromeia  und  die  Hauptäste  der 
Stigmarien  mit  Teilen  des  /sot'YgÄ-Stammes  vergleichen,  so  darf  man 
sie  nämlich  ganz  offenbar  nicht  auf  die  Lappen  des  Awfes-Stammes 
beziehen,  sondern  muss  die  Hörner  des  Gefässbündels  im  sog. 
Stammunterwuchse  in  Betracht  ziehen,  welche  gerade  in  den  Furchen 
des  /soe'Y^'Ä-Stammes  verlaufen.  Denn  die  Stammlappen  von  Isoetes^ 
nur  aus  Rindenparenchym  gebildet,  das  von  einzelnen  Wurzel- 
bündeln durchzogen  wird,  und  von  den  Gefässbündelhauptsträngen 
der  Hörner  des  Unterwuchses  einseitig  begrenzt,  können  nicht  den 
Stammlappen  von  Pleuromeia  entsprechen,  die  median  einen  Ge- 
fässbündelhauptstrang  (einen  „Centralstrang")  enthalten!  Denkt  man 
sich  im  Stamme  von  Isoetes  das  meristematische  Gewebe,  durch 
dessen  Tätigkeit  die  dicken  pareuchymatischen  Stammteile  und  die 
Stammlappen  gebildet  werden,  und  die  sekundären  Rindenprodukte  dieses 
Meristems  als  spätere  Erwerbung  weg,  so  bleibt  ein  zylindrisches 
Stämmchen  übrig,  das  unten  in  2  (bei  den  zweilappigen  Stämmen) 
oder  in  3  bis  4  (bei  3  bis  41appigen  Formen)  Hörner  ausläuft. 
Diese  Hörner  würden  nach  von  mir  angestellten  veroleichendeu 
Untersuchungen  in  ihrem  Bau  sehr  grosse  Ähnlichkeit  mit  den  horn- 
artigen  Lappen  des  Pleuromeia-'^i^mme^  haben.  Es  wäre  wohl  möglich, 
dass  man  mittelst  der  Kenntnis  der  Entwicklungsgeschichte  jener 
Höruer  bei  Isoetes  ein  Verständnis  für  die  Entstehung  der  Stamm- 
lappen von  Pleuromeia  gewinnen  könnte  und  dass  es  gelänge,  auf 
diese  Weise,  auch  für  Stigmaria,  die  Schwierigkeiten  zu  umgehen, 
welche  eine  von  RENAULT  und  GßAND'EUßY  ausgesprochene  und  von 
Graf   zu    SOLMS-LaUBACH    (1899,  S.  240  ff.)    auf  Pleuromeia    über- 


442  Erwin  Baur: 

tragene,  ganz  anders  geartete  Hypothese  der  Eutstehnng  der  Stamm- 
lappen ohne  Frage  bietet.  Sucht  man  in  der  von  mir  angegebenen 
Weise  den  Vergleich,  so  gewinnt  die  Kenntnis  der  Entwicklungs- 
geschichte des  Stammunterwuchses  von  Isoetes  von  neuem  grosses 
Interesse.  Leider  ist  sie  nicht  so  vollkommen,  dass  der  Vergleich 
zur  Zeit  im  einzelnen  durchgeführt  werden  könnte.  Eine  Studie 
über  die  Stammentwicklung  von  Isoetes^  die  ich  vor  Jahren  begann 
und  die  nahezu  abgeschlossen  ist,  wird  hoffentlich  diese  Lücke  bei 
Gelegenheit  ausfüllen  helfen  und  auch  Gelegenheit  bieten,  auf  die 
Bauverhältnisse  des  P/^Mrowem-Stammes  einzugehen. 


Citierte  Litteratur. 

1900.     FiTTING,  H.,  Bau  und  Entwicklungsgeschichte  der  Makrosporen  von  Isoetes 
und  Selagiitella  usw.     Botanische  Zeitung  58.  1900  S.  107  ff. 

1898.  POTONIE,  H.,   Lehrbuch  der  Pflanzenpaläontologie  Berlin  1899, 

1902.     POTONIE,    H.,    Engler-Prantl,    Natürliche  Pflanzenfamilien.     Bd.   I,  4. 

Leipzig  1902.  S.  717  ff. 
1904.     —  Abbildungen  und  Beschreibungen  fossiler  Pflanzen-Reste  Berlin.  Liefg.  II 

1904. 

1899.  Solms-Laubach,  H.,    Graf  zu.     Über  das  Genus  Pleuromeia.    Botanische 

Zeitung  57,  1899.     S.  227  ff. 
1853.     Spieker,  Th.,   Zur  Sig/Uana  Sternbei-gi/  Münst.   des  bunten  Sandsteins  bei 

Bernburg.     Zeitschr.  f.  d.  gesamt.  Naturwiss.  Halle  1853.     Bd.  IL  S.  1  ff. 
1907.     WÜST,  Ew.,    die  Fossilienführung  des  Mittleren  Bundsandsteines  der  Mans- 

felder  Mulde.    Zeitschr.  f.  Natutwnss.  Halle  79.  1907,  S.  109  ff. 


64.  Erwin   Baur.     Untersuchungen   über   die   Erblichl(eits- 
verhältnisse   einer   nur   in  Bastardform  lebensfähigen  Sippe 

von  Antirrhinum  majus. 

(Eingegangen  den  10.  Oktober  1907). 


Es  ist  eine  den  Gärtnern  schon  sehr  lange  bekannte  Erscheinung, 
dass  viele  Varietäten  von  Culturpflanzen  mit  Hilfe  der  gewöhnlichen 
Züchtungsverfahren  nicht  rein,  nicht  samenbestäudig  gezüchtet  werden 
können. 


Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  von  Antirrhinum  majus.  443 

Auch  die  Tierzüchter  kenneu  derartige  Fälle.  Das  bekannteste 
Beispiel  aus  dem  Tierreich  dürften  wohl  die  blauen  andalusischen 
Hühner  sein.  Trotz  aller  Reinzucht  bestehen  die  Nachkommen  der 
''blaugefiederten  Individuen  neben  etwa  50  pCt.  blauer  aus  etwa  25  pCt. 
schwarzen  und  25  pCt.  weissen  schwarzgefleckten  Tieren.  Die 
Untersuchungen  von  Bateson^)  haben  den  Fall  vollkommen  klar- 
gelegt, blau  ist  die  Farbe  der  Bastarde  zwischen  „schwarz"  und 
„weiss-schwarzgefleckt."  Man  erhält  also  durch  Kreuzung  schwarzer 
mit  weiss-scliAvarzgefleckten  Hühnern  blaue  Hühner  und  diese  geben 
bei  Inzucht  nach  dem  einfachen  MENDEL'schen  Schema  2/4  mit  nur 
je  einelterlichem  Merkmal  und  2  4  Bastarde. 

Über  die  meisten  nicht  isolierbaren  Sippen  sowohl  bei  Pflanzen 
wie  bei  Tieren,  wissen  wir  aber  sehr  wenig. 

Eine  o-rosse  Anzahl  von  Pflanzen  mit  änhlichen  Erblichkeits- 
Verhältnissen,  wie  z.  B.  Trifolium  pratense  quinquefolium^  Dipsacus 
Silvester  torsus,  Antirrhinum  majus  luteum  ruhrostriaium  u.  a.  hat  DE 
VriES^)  in  Cultur  beobachtet  und  unter  dem  Namen  Zwischenrassen 
zusammengefasst.  In  den  „Species  and  Varieties''  gebraucht  DE  VEIES^) 
den  nicht  gerade  glücklich  gewählten  Terminus  Zwischenrassen  nicht 
wieder,  sondern  führt  statt  dessen  den  Namen  ,^ecer  sporting  varieties'"'- 
ein,  mit  dem  Punnet*)  das  Wort  Zwischenrassen  übersetzt  hatte. 

Zu  diesen  ever  sporting  varieties^  bzw.  den  Zwischenrassen  rechnet 
DE  VRIES  auch  die  mehr  oder  weniger  samenbeständigen,  bunt- 
blätterigen „panaschierten"  Pflanzen. 

Versuche  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  buntblätteriger  Sippen, 
die  ich  seit  einigen  Jahren  im  Gange  habe,  ergaben  aber,  dass  das 
beständige  Umschlagen,  wie  KlebAHN^)  den  englischen  Terminus 
verdeutscht  hat,  dieser  buntblätterigen  Sippen  völlig  anderer  Art  ist, 
als  das  Umschlagen,  wie  es  etwa  Dipsacus  Silvester  torsus  oder  die 
gefüllten  Levkojen  zeigen.  Während  nämlich  das  Umschlagen  in 
diesen  letztgenannten  Beispielen  meiner  Ansicht  nach  nur  eine  be- 
sondere Art,  nur  ein  Spezialfall  des  Eintretens  der  durch  die  Ver- 
schiedenheit der  Aussenbedingungen  hervorgerufenen  Modi- 
fikationen") ist,  beruht  die  Inkonstanz  der  nicht  isolierbaren  bunt- 
blätterigen Sippen  in  einigen  Fällen  auf  einem  eigentümlichen 
Mendeln,  in  anderen  Fällen  auf  Mutationen. 


1,1  Reports   to    the  Evolution  Commätee  of  the  Bot/cd  Sockt//.     Report  I.  1901, 
S.  131.    Report  11.  1904,  S.  118. 

2)  DE  VRIES,  H.,  die  Mutationstheorie.    Leipzig  1901.' 

3)  DE  VriES,  H.,  Species  and  varieties.    Chicago  1905. 

4)  PUNNET,  B.  C,  Mendehsm.  Cambridge  1905. 

5)  Klebahn  -  de  Vries,  Arten  und  Varietäten.    Berlin  190G. 

6)  Ich  gebrauche  hier  den  scharf  definierten  NAEGELl'schen  Terminus  Modi 
fikation  statt  des  missverständlichen  und  von  verschiedenen  Autoren  in  sehr  vei 
schiedenem  Sinne  angewendeten  Ausdruckes  Variation. 


444  EEWIN  BAUR: 

Um  zeigen  zu  können,  wie  wenig  die  Unbeständigkeit  der  bunt- 
blätterigen Sippen  mit  dem  Umschlagen  etwa  von  Trifolium  prafense 
quinquefolium  zu  tun  hat,  sei  es  mir  gestattet,  zunächst  darzulegen, 
weshalb  ich  diese  letztgenannte  Art  des  Umschlagens  nur  als  einen 
Spezialfall  des  Modifiziertwerdens  ansehe. 

Eine  jede  äussere  Eigenschaft  eines  Organismus,  sagen  wir  z.  B. 
das  Gewicht  einer  Bohne,  wird  bekanntlich  boeinflusst  durch  eine 
grosse  Anzahl  von  unter  sich  unabhängigen  Aussenbedingungen,  die 
sich  dementsprechend  rein  nach  den  Zufallsge setzen  kombinieren. 
Wenn  nun  zwischen  der  Änderung  der  betreffenden  äusseren 
Eigenschaft  und  der  Änderung  der  wirksamen  Aussenfaktoren 
ein  deutlicher  Parallelismus  besteht,  so  erfolgen  auch  die  durch 
diese  Aussenfaktoren  bedingten  Modifikationen  dieser  Eigen- 
schaft nach  den  Zufallsgesetzen,  d.  h.  die  „Variationskurve''  stimmt 
mehr  oder  weniger  genau  mit  der  Zufallskurve  überein. ^)  Besteht  aber, 
was  selir  oft  der  Fall  ist,  dieser  Parallelismus  nur  teilweise,  ist  z.  B.  die 
Modifizierungsfähigkeit  einer  Sippe  in  bezug  auf  die  fragliche  äussere 
Eigenschaft  etwa  einseitio-  begrenzt,  und  lieo-t  diese  Grenze  noch 
innerhalb  der  sogenannten  normalen  Existenzbedino-unoen  dieser 
Sippe,  dann  zeigt  die  „Variation"  graphisch  dargestellt  eine  „halbe 
Galtonkurve",  wie  sie  z.  B.  die  Variation  der  Zahl  der  Blumen- 
blätter von  Caltha  palustris  aufweist.  Und  liegen  die  Verhältnisse 
schliesslich  so,  dass  von  einem  Parallelgehen  der  Variation  mit  der 
Änderung  der  Aussenbedino-uno-en  s-ar  nicht  mehr  die  Rede  sein 
kann,  sondern  erfolgt  eine  quasi  sprungweise  Änderung  der  Eigen- 
schaft erst,  wenn  die  Änderung  der  Aussenbedingungen  einen  be- 
stimmten hohen  Grad  erreicht  hat,  dann  haben  wir  ein  Beispiel  für 
eine    umschlagende  Rasse.     Vielleicht    darf  ich  diesen  Gedanken  an 


1)  Natürlich  sind  bei  weitem  nicht  alle  statistisch  ermittelten,  der  Zufallskurve 
ähnlichen  „Variationskurven",  Kurven  der  Modifikationen.  Zufallskurven  werden 
eben  immer  da  auftreten,  wo  eine  Reihe  von  Zufälligkeiten  eine  Grösse  beherrscht. 
Wenn  eine  Auszählung  von  Daucusdolden  auf  die  Zahl  ihrer  Doldenstrahlen  draussen 
in  der  freien  Natur  ein  Variieren  der  Zahl  der  Doldenstrahlen  nach  der  Zufalls- 
kurve ergibt,  so  kann  dies  der  Ausdruck  sein  für  alle  möglichen  verschiedenen  Zu- 
fälligkeiten, es  kann  z.  B.  schon  dadurch  bedingt  sein,  dass  der  Zähler  gleiche 
Chancen  hat,  Vertreter  von  Sippen  mit  vielen  und  von  Sippen  mit  wenigen  Dolden- 
strahlen in  die  Hand  zu  bekommen  und  dergleichen  mehr.  Alle  diese  statistisch 
im  Freien,  sagen  wir  einmal  in  einer  Population  von  Sippen  aufgenommenen 
Kurven  sagen  gar  nichts  aus  über  die  „Variation"  innerhalb  einer  Sippe  und  nur 
diese  letztere  kommt  doch  für  Erblichkeitsuntersuchungeu  in  Frage.  Durch  kritik- 
loses Arbeiten  mit  derartigen  Variationsstatistiken  ist  in  der  Erblichkeitslehre  sehr 
viel  Unheil  angerichtet  worden.  Man  vorgleiche  hierüber  besonders  die  kritischen 
Ausführungen  von  JOHANNSEN  in  seinen  trefflichen,  leider  in  Deutschland  so 
wenig  bekannten  ,.Arvelighedslaerens  Elementer,  Köbenhavn  1905,  sowie  von  Klebs, 
in  „Variationen  der  Blüten",  Jahrbücher  für  wissenschaftliche  Botanik  42,  UtOfi 
S.  302  ff. 


Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  von  Antirrhinum  majus.  445 


der    Hand    eines    schematisclien  Beispieles    nocli    etwas    weiter    aus- 
führen. 

Von  den  unter  sich  unabhängigen  Aussenfaktoren,  welche  das 
Gewicht  der  Bohnen  ein  und  desselben  Bohnenstockes  beeinflussen, 
wollen  wir  beliebige  herausgreifen,  etwa  folgende  vier,  die  fördernd 
auf  die  Bohnengrösse  einwirken: 

A.  Geringe  Anzahl  von  Bohnen  in  der  betreffenden  Hülse. 

B.  Geringe  Anzahl  von  Hülsen  an  dem  Tragzweige. 

C.  Grosse  Anzahl  von  assimilierenden  Blättern  an  dem  Tragzweige. 

D.  Gute  Belichtungsverhältnisse  an  dem  Tragzweige. 

Die  entsprechenden  ungünstigen  Faktoren  wären  dann: 

a.  Grosse  Anzahl  von  Bohnen  in  der  betreffenden  Hülse. 

b.  Grosse  Anzahl  von  Flülsen  an  dem  Tragzweige. 

c.  Geringe  Zahl  von  assimilierenden  Blättern  an  dem  Tragzweige. 

d.  Schlechte  Belichtungsverhältuisse  des  Tragzweiges. 

Diese  Faktoren  können  sich  in  Ißfacher  Weise  kombinieren, 
alle  16  Kombinationen  haben  die  gleiche  Wahrscheinlichkeit.  Eine 
Bohne,  ii^ie  unter  der  Kombination  A.  B.  C.  D.  aufwächst,  wird  von 
allen  Faktoren  in  günstiger  Richtung  beeinflusst;  eine  Bohne,  die 
unter  der  Kombination  a.  b.  c.  d.  aufwächst,  wird  nur  in  ungünstiger 
Richtung;  hin  beeinflusst.  Nehmen  wir  nun  einmal  der  Einfachheit 
halber  an,  jeder  der  günstigen  Faktoren  verbessere  die  Gesamt- 
bedingungskonstellation  um  +1,  jeder  der  ungünstigen  Faktoren 
verschlechtere  sie  um  -  1,  so  ergeben  die  möglichen  Kombinationen 
folgende  Werte  für  die  Bedingungskonstellationen: 

A  B  C  D +4 

ABCd +2 

ABcD +2 

A  B  c  d 0 

Ab  CD +2 

Ab  C  d 0 

Ab  cD 0 

A  b  c  d -  2 

Wir  erhalten  also  Kombinationen  mit  den  Werten  -\-  4  und  -  4 
je  einmal,  -|- 2  und  -  2  je  viermal,  0  sechsmal.  Die  Zahlen- 
reihe 1.  4.  6.  4.  1.  entspricht  der  Wahrscheinlichkeitskurve  und 
jede  beliebige  grössere  Zahl  von  Aussenfaktoren  würde  ebenfalls 
Zahlen  der  Binominalkurve  ergeben. 

Bei  den  Bohnen  geht  nun  der  Änderung  der  Aussenbedingungen 
die  Änderung  der  Grösse  ungefähr  parallel,  d.  h.  mit  dem  Besser- 
werden der  Bedingungskonstellation  nimmt  auch  die  Bohnengrösse 
entsprechend  zu,  mit  dem  Schlechterwerden  nimmt  sie  ab  und  des- 
wegen ergibt  eine  statistische  Untersuchung  der  Grösse  der  Bohnen 


a  ij  K^  L>    . 

aBCd    .    .     . 

aB  cD  .     .     . 

.     .        0 

a  B  c  d  .     .     . 

.     .    -2 

abCD  .     .     . 

.     .        0 

a  b  C  d  .     .     . 

—  2 

a  b  c  D  .     .     . 

.    .    -2 

a  b  c  d  .     .     . 

.     .     -4 

446  Erwin  Baue: 

einer  Bohnenpflanze    ein    annähernd    getreues  Bikl  der  Zufallskurve. 

Nehmen  wir  nun  aber  einmal  an,  dass  ein  Günstigerwerden  der 
Bedingungskonstellation  von  -  4  über  —  2  und  0  bis  -f-  2  bei  einer 
Bohnensippe  ganz  ohne  Einfluss  auf  die  Bohuengrösse  bleibe,  dass 
also  alle  unter  den  Bedingungskonstellationen  -  4,  -  2,  0  und  -\-  2 
erwachsenen  Bohnen  gleich  gross  und  nur  die  unter  der  Kon- 
stellation -]- 4  erwachsenen  grösser  seien  als  die  übrigen,  dass  also 
gerade  zwischen  den  Konstellationen  +  2  und  +  4  ein  gewisser  Um- 
schlagepuukt  für  die  Bohuengrösse  läge,  dann  hätten  wir  eine  Bohnen- 
rasse, die  folgendes  zeigte:  Es  würde  die  grosse  Mehrzahl  der 
Bohnen  d.  h.  in  unserem  Beispiele  alle  unter  den  Konstellationen 
—  4,  —2,  und  -^2  erwachsenen  fünfzehn  Teile  eine  bestimmte 
Grösse  haben,  dagegen  wäre  der  unter  der  Konstellation  -\-  4  er- 
wachsene eine  Teil  unvermittelt  grösser.  Läge  der  Umschlagepunkt 
etwa  zwischen  den  Konstellationen  -  2  und  0,  dann  hätten  wir  eine 
Bohnensippe,  die  sechs  Teile  kleiner  Bohnen  und  10  Teile  grosser 
Bohnen  hervorbringt. 

Derartige  Bohnensippen  wären  dann  typische  umschlagende 
Sippen.  Wie  gesagt  ist  dies  jedoch  ein  erfundenes  Beispiel,|gBohnen- 
sippen,  die  in  bezug  auf  die  Bohuengrösse  umschlagen,  kennen  wir 
nicht,  aber  sonstige  Sippen,  die  ein  derartiges  Umschlagen  an  Stelle 
der  die  Zufallskurve  wiederspiegelnden  gewöhnlichen  „Variation" 
zeigen,  kennen  wir  in  grosser  Zahl. 

Wir  können  z.  B.  in  dem  Schema  statt  der  Bohnen  das  ein- 
gangs schon  erwähnte  Trifolium  pratense  quincpie folium  de  Vries 
einsetzen,  das  zwischen  drei-  und  mehrzähligen  Blättern  in  der 
Weise  umschlägt,  dass  die  unter  besonders  günstigen  Bedingungs- 
konst'ellationen  —  etwa  im  Schema  -|-  4  —  entstehenden  Blätter 
statt  ozählig  4  — 7 zählig  werden.  Man  vergleiche  hierüber  die  Unter- 
sungen  von  TiNE  Tammes').  Hierher  gehören  ferner  die  zwischen 
chasmogamen  und  kleistogamen  Blüten  umschlagenden  Pflanzen  bei 
denen,  wie  besonders  GOEBEL^)  gezeigt  hat,  die  Verhältnisse  so  liegen^ 
dass  die  unter  bestimmten  ungünstigen  Bediugungskonstellationen 
entstehenden  Blüten  kleistogam,  alle  andern  chasmogam  werden. 
Dass  es  Aussenfaktoren,  Ernährungsfaktoren  im  weitesten  Sinne  des 
Wortes  sind,  die  entscheiden,  ob  in  allen  diesen  Fällen  das  be- 
treffende Organ  in  der  einen  oder  der  anderen  Modifikation  aus- 
gebildet wird,  ob  das  Kleeblatt  drei-  oder  mehrzählig,  die  Blüte 
chasmogam  oder  kleistogam  wird,  scheint  mir  durch  die  genannten 
Autoren  ausser  Frage  gestellt. 


1)  Tammes  Tine.    Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  von  Trifolium  pratense  qiiinque- 
folium  de  Vries.     Botan.  Zeitung-  62.    1904  1.    S.  211. 

2)  GOEBEL  K.    Die    kleistogamen  Blüten  und  die  Anpassungstheorien.    Biol 
Zentralblatt  24.    li)04.    S.  G7:J. 


Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  von  Antirrhinum  majus.  447 

Ebenso,  wie  Sippen,  die  zwischen  zwei  Modifikationen,  gibt  es 
auch  Sippen,  die  zwischen  drei  und  mehr  ^fodifikationen  umschlagen. 
Liegen  die  ümschlagepunkte  dabei  auf  der  Reihe  der  möglichen 
'^edingungskonstellationen  gleichmässig  verteilt,  dann  werden 
natürlich  die  statistisch  ermittelten  Zahlen  der  verschiedenen  Modi- 
fikationen der  Zufallskurve  entsprechen  und  schliesslich  geht  so  das 
„Umschlagen"  in  das  gewöhnliche  „fluktuierende"  modifiziert  werden, 
das  „fluktuieren"  oder  wie  man  es  sonst  nennen  will,  über. 

Mit  dieser  Auffassung  des  Umschlagens  der  Zwischenrassen  oder 
der  umschlagenden  Sippen,  wie  wohl  die  korrekteste  Bezeichnung 
lauten  müsste,  als  eines  Spezialfalles  der  Modifizierbarkeit  stehen 
auch  die  Erblichkeitsverhältnisse  völlig  im  Einklang.  So  wenig, 
wie  sonstige  Modifikationenbisher  sich  als  erblich  erwiesenhaben,  ebenso- 
wenig sind  es  auch  die  Modifikationen  der  umschlagenden  Sippen. 
Ebenso  wie  die  grössten  und  die  kleinsten  Bohnen  einer  reinen 
Linie  JOHANNSEN"s^)  ganz  genau  dieselbe,  aus  wenigen  grossen,  vielen 
mittleren  und  wenigen  kleinen  Bohnen  zusammengesetzte  Nach- 
kommenscliaft  geben,  ebenso  geben  auch  die  beiden  Modifikationen 
einer  umschlagenden  Sippe  die  gleiche  Xachkommenscliaft.  Das 
zeigen  schon  die  klassischen  Versuche  von  DE  VßlES''')  mit  Dipsacus 
Silvester  torsus;  gedrehte  sowohl  wie  uugedrehte  Individuen  dieser 
Sippe  geben,  gleiche  Kulturbedingungen  natürlich  vorausgesetzt,  die 
gleiche,  aus  gedrehten  und  aus  ungedrehteu  Individuen  zusammen- 
gesetzte Deszendenz. 

Das  beste  Beispiel  für  die  völlige  Wirkungslosigkeit  der  Yari- 
antenauslese  bei  umschlagenden  Sippen  bieten  die  gefüllten  Levkoyen, 
die  überhaupt  nur  durch  die  Samen  der  einfachen  Modifikation  fort- 
gepflanzt werden,  w^eil  die  gefüllten  Individuen  meist  völlig  steril 
sind.  Trotz  der  dadurch  bedingten,  seit  vielen  Jahrzehnten  geübten 
unfreiwilligen  „Yariautenauslese"  ist  der  Typus  der  Sippen  in  dieser 
Hinsicht  nicht  verändert  worden.^) 


1)  Johannsex,  W.  Über  Erblichkeit  in  Populationen  und  in  reinen  Linien. 
Jena  1903. 

2)  De  Vries,  H.    Die  -Mutationstheorie.   Bd.  11.    S.  579. 

3)  Mit  der  Auffassung  des  Umschlagens  der  gefüllten  Levkoyen  als  eines 
Spezialfalles  der  Modifizierbarkeit  ist  natürlich  der  Widerspruch  behoben,  den 
Bateson  in  seinem  Sammelreferat  (Progressus  rei  botanicae  I.  1907.  S.  398) 
darin  findet,  dass  gefüllte  Blüte  bei  Levkoyen  ein  rezesssives  Merkmal  ist, 
und  dass  Individuen  mit  diesem  rezessiven  Merkmal  in  so  hohen  Prozent- 
sätzen —  60—80  pCt.  —  von  den  einfachen  Individuen  ^abgespalten^  werden. 
Die  Merkmalspaare  sind  eben  hier,  um  es  kurz  auszudrücken,  nicht  „einfach"  und 
„gefüllt",  sondern  „einfach"  und  „umschlagend  zwischen  einfach  uud  gefüllt", 
wobei  das  erstere  Merkmal  über  das  letztere  dominiert.  Das  Auftreten  der  ge- 
füllten Individuen  in  der  Nachkommenschaft  der  in  sich  gezüchteten  einfachen  In- 
dividuen ist  eben  kein  mendeln,  sondern  ein  variieren,  oder  besser  ein  „modifiziert 
werden".  Ich  bin  hierauf  eingegangen,  weil  BATESON  in  seinem  Eeferat  diesen 
Fall  einen  der  unerklärlichen  seiner  „iniconifonnable  cases"  nennt. 

Ber.  der  deutsclien  bot.  Gesellsch.    XXV.  3J^ 


448  Erwin  Bauk: 

Auch  die  ausgedehnten  und  sorgfältigen  Untersuchungen  von 
Klebs')  haben  ja  bisher  keinen  einwandsfreien  Fall  einer  Ver- 
erbung von  Modifikationen  ergeben.  Wenn  man  unter  einer  Modi- 
fikation eine  bestimmte  Form  versteht,  die  ein  Individuum  unter 
einer  bestimmten  Bedingungskonstellation  angenommen  hat.  dann 
könnte  ein  „erblich  werden"  dieser  Modifikation  ja  nur  darauf  be- 
ruhen, dass  ein  so  modifiziertes  Individuum  weiterhin  anders  als 
bisher  auf  die  Aussenbedingungen  reagiert.  Eine  solche  Entstehung 
eines  Individuums  mit  veränderter  Reaktionsfähigkeit  ist  aber  doch 
ein  von  dem  Modifiziertwerden  völlig  verschiedener  Prozess.  Wenn 
wir  Paraffinum  durum  durch  Erwärmen  flüssig  machen,  ist  das  etwas 
ganz  anderes,  als  wenn  wir  durch  irgend  welche  Behandlung  das 
Paraffinum  durum  in  ein  Paraffin  mit  niedrigerem  Schmelzpunkt 
umwandeln.  KlebS  fasst  unter  seinem  „Variieren"  diese  beiden, 
nacli  meiner  AufPassung  völlig  verschiedenen  Dinge  zusammen.  Ich 
kann  ihm  hierin  nicht  folgen,  sondern  werde  in  dem  ersten  Falle  von 
einer  Modifikation,  im  zweiten  Falle  dagegen  von  einer  Mutation 
reden. 

Es  ist  natürlich  möglich,  dass  einmal  Fälle  gefunden  werden, 
wo  die  gleichen  Faktoren,  die  eine  Modifikation  in  einer  be- 
stimmten Richtung  verursachen,  auch  eine  Mutation  in  der  gleichen 
Richtung  auslösen,  aber  die  Notwendigkeit  eines  derartigen  Zu- 
sammenhanges scheint  mir  vorderhand  nicht  erwiesen,  ja  nicht  einmal 
wahrscheinlich  zu  sein. 

Es  werden  ja  allerdings  von  botanischer  wie  von  zoologischer  Seite 
immer  und  immer  wieder  zahlreiche  Fälle  von  Vererbung  von  Modi- 
fikationen angeführt,  aber  von  allen  diesen  Beispielen  liält  bisher 
keines  einer  strengen,  auf  dem  JOHANNSEN'schen  Linienprinzip 
fussenden  Kritik  stand.  Auch  die  Erblichkeitsversuche  von  DE  VrieS^) 
mit  Antirrhinum  tnajus  luteum  rubrostriatum,  das  zwischen  einfach 
roten  und  gelben  rotgestreiften  Individuen  umschlägt,  scheinen  zwar 
einen  Erfolg  der  Selektion  von  gestreiften  bzw.  roten  Individuen  zu 
ergeben,  aber  es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  ob  die  DE  VßlES'sche  Antir- 
rhinumsippe  in  bezug  auf  die  Blütenfarbe  wirklich  im  strengen 
Sinne  des  Wortes  rein  war,  ob  nicht  auch  in  seinen  Versuchen,  wie 
auch  sonst  in  so  vielen  Selektionsversuchen,  die  unbewusste  Auslese 
von  Linien  an  Stelle  von  wirklichen  „Varianten"  d.  h.  Modifikationen 
in  meiner  Terminologie  eine  Rolle  gespielt  hat.  Dass  es  eine  ganze 
Anzahl  von  verschiedenen  gestreiften  Antirrhinumsippen  gibt,  die 
sich  durch  die  Lage  des  Umschlagepunktes,  und  das  bedeutet  in  praxi 


1)  Klebs,  G.    Über   künstliche  Metamorphosen,    Abhandl.    Naturf.  Gesellsch. 
Halle.    25.    190G  und  frühere  Arbeiten. 

2)  De  Vries,  H.    Die  Mutationstheorie.    Bd.  I,  S.  424. 


Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  von  Antirrhinum  majus.  449 

durch  das  Verhältnis,  in  dem  bei  ihnen  die  roten  und  die  gestreiften 
Individuen  stehen,  unterscheiden,  ist  mir  sehr  wahrscheinlich;  ich 
habe  seit  zwei  Jahren  entsprechende  Versuche  im  Gang.  Als  DE 
TRIFS  seine  Versuche  durchführte,  waren  eben  weder  die  Versuche 
JOHANNSEN's,  noch  die  genau  auf  das  gleiche  hinauskommenden  Er- 
gebnisse der  SVALÖFER  Botaniker  bekannt. 

Diese  hier  skizzierte  Auffassung  des  Umschlagens  der  Zwischen- 
rassen weicht  ganz  wesentlich  ab  von  der  ursprünglichen  in  der 
Mutatiostheorie  vertretenen  Auffassung  von  DE  VRIES,  stimmt  aber 
wohl  in  der  Hauptsache  überein  mit  der  Auffassung,  die  JOHANNSEN^) 
vertritt. 

Was  im  Grunde  genommen  die  hier  verfochtene  Ansicht  von 
der  DE  VRIES'schen  trennt,  ist  eine  verschiedene  Auffassung  der 
Begriffe  „Merkmal"  bzw.  „Anlage". 

Nach  DE  VRIES  sind  die  Zwischenrassen  dadurch  charakterisiert, 
dass  in  ihnen  gewissermassen  zwei  Anlagen  um  die  Herrschaft 
streiten,  bei  den  gefüllten  Levkoyen  z.  B.  die  Anlagen  „gefüllte 
Blüten"  und  „einfache  Blüten".  Das  eine  mal  kommt  die  eine 
Anlage  zur  Entfaltung,  das  andere  mal  die  andere. 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  hier  auf  die  sc  vieldeutigen  Be- 
griffe Anlage  und  Merkmal  einzugehen,  ich  stehe  in  dieser  Hinsicht 
auf  dem  im  wesentlichen  auch  von  KlebS^)  vertretenen  Standpunkte, 
dass  es  prinzipiell  falsch  ist,  als  Merkmal,  durch  das  eine  Sippe 
charakterisiert  ist,  durch  das  sie  sich  von  andern  unterscheidet,  irgend 
eine  mit  den  Sinnen  wahrnehmbare  äussere  Eigenschaft  zu  bezeichnen. 
Was  eine  Sippe  (im  Gegensatz  zu  Unterschieden  zwischen  In- 
dividuen) unterscheidet  und  was  vererbt  wird,  ist  ja  doch  immer 
nur  eine  bestimmte  charakteristische  Art,  auf  die  Aussenbe- 
dingungen  zu  reagieren.  Was  wir  als  äussere  Eigenschaft  einer 
Pflanze  mit  den  Sinnen  wahrnehmen,  ist  immer  nur  das  Resultat 
der  Reaktion  auf  die  bestimmte  zufällige  Bedingungskonstellation, 
unter  der  das  betreffende  Individuum  sich  gerade  entwickelt  hatte. 

Von  diesen  umschlagenden  Sippen  gibt  es  zwei  äusserlich  ganz 
verschiedene  Kategorien.  Vielleicht  darf  ich  hierauf  noch  mit  einigen 
Worten  eingehen.  Liegt  nämlich  die  kritische  Periode  für  die  Aus- 
bildung der  betreffenden  Eigenschaft  erst  in  späten  Stadien  der 
Individualentwickelung,  so  finden  wir  auf  verschiedenen  Teilen  eines 
Individuums  die  beiderlei  Modifikationen,  zwischen  denen  die 
betreffende  Sippe  umschlägt.  Liegt  die  kritische  Periode  dagegen 
schon  in  den  ersten  Stadien  der  Embryoentwickelung,  so  besteht  die 
Sippe  aus  zweierlei  Individuen. 

1)  JOHANNSEN,   W.     Afvelighedslaerens  Elementer.  Köbenhavn,  Gi/ldendalske 
Boghandel  1905. 

2)  Klebs.    l.  c.  • 

31* 


450  Erwin  Baur: 

Bei  Trifolium  prafense  quinquefolium  fällt  die  kritische  Periode 
für  die  Eutsclieidinig,  ob  ein  junges  Blatt  drei-  oder  mehrzälilig 
wird,  ungefähr  zusammen  mit  dem  Zeitpunkt  der  Differenzierung 
dieses  Blattes  am  Vegetationspunkt,  es  können  also  in  den  kritischen 
Perioden  der  verschiedenen  Blätter  eines  Individuums  verschiedene 
Bedingungen  herrschen  und  dementsprechend  trägt  ein  Individuum 
drei-  und  mehrzählige  Blätter.  Bei  den  Levkoyen  liegt  die  kritische 
Periode,  in  der  bestimmt  wird,  ob  ein  Individuum  später  nur  ge- 
füllte oder  nur  einfache  Blüten  bilden  wird,  offenbar  in  den  ersten 
Stadien  der  Embryoentwickelung,  solange  der  Same  sich  noch  auf 
der  Mutterpflanze  befindet,  und  dementsprechend  bestehen  die  ge- 
füllten Levkoyensippen  aus  zweierlei  Individuen,  solchen  die  nur 
einfache  und  solchen  die  nur  gefüllte  Blüten  tragen.  Man  könnte 
wohl  auch  sagen,  hier  liege  ein  Fall  von  induzierter  Modifikation 
vor.  Die  kritische  Periode  für  die  Induktion  der  Modifikation  liege 
gerade  in  diesen  ersten  Embryonalstadien  und  eine  Umstimmung  der 
Induktion  erfolge  nur,  wenn  im  Kreislauf  der  Entwickelung  wieder 
dieses  Stadium  erreicht  sei.  In  vieler  Hinsicht  analoge  Fälle  von 
solchen  induzierten  Modifikationen  gibt  es  auch  sonst.  Ich  gedenke 
bei    einer    anderen  Gelegenheit  auf  diese  Fraoe  zurück  zu  kommen. 

Was  also  die  beiden  verschiedenen  Kateoorien  der  umschlagenden 
Sippen  unterscheidet,  ist  im  wesentlichen  die  Lage  der  kritischen 
Periode  für  die  betreffende  umschlao-ende  äussere  Eigenschaft. 

Umschlagen  nach  dem  Trifoliumtypus,  d.  h.  mit  später  Lage 
der  kritischen  Periode  entspricht  als  Spezialfall  der  partiellen 
Variation  im  Sinne  von  DE  VrieS^),  umschlagen  nach  dem  Levkoyen- 
typus  einem  Teile  dessen,  was  DE  VrieS  unter  individueller 
Variation  A^ersteht. 


Mit  diesen  umschlagenden  Sippen  haben  manche  buntblätterige 
Pflanzen  eine  grosse,  aber  wie  ich  zeigen  werde,  rein  äusserliche 
Ähnlichkeit. 

Genau  so,  wie  Samen  von  Dipsacus  Silvester  torsus  immer  einen 
bestimmten,  von  den  Eruährungsverhältnissen  abhängigen  Prozentsatz 
ungedrehter  Inviduen  ergeben,  auch  nach  fortgesetzter  Auslese  nur  ge- 
drehter Elternpflanzen,  ebenso  ergeben  Samen  von  vielen  bunt- 
blätterigen Sippen  immer  einen  gewissen  Prozentsatz  grüner  Indivi- 
duen, und  es  ist  auch  hier  den  Gärtnern  nicht  gelungen,  diese 
buntblätterigen  Sippen    rein    zu  züchten,  samenbeständig  zu  machen. 

Sehr  auffällig  zeigen  dieses  beständige  Auftreten  von  grünen 
Pflanzen  einige  Aurea- Varietäten  von  Antirrhinum  majus. 


1)  DE  Vries,  H.    Die  Miitationstheorie.    Leipzig  1901. 


Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  von  Antirrhinum  inajiis.  451 

Was  die  Gärtner  unter  Aurea-Varietäten  verstehen,  sind  zum 
grössten  Teile  -j-  —  samenbeständig-e  Sippen,  die  sich  von  den 
grünen  dadurch  unterscheiden,^)  dass  in  ihnen,  vor  allem  in  den 
jungen  Blättern,  die  Chlorophylle  in  wesentlich  geringerer  Menge 
vorhanden  sind,  als  in  den  grünen  Sippen,  während  die  gelben  Farb- 
stoffe, Xanthophylle  und  Carotine  in  normaler  oder  nur  wenig  ver- 
minderter Menge  vorkommen. 

Ein  kleinerer  Teil  der  Aureaformen  gehört  dagegen  nicht  zu 
eigenen  Sippen,  sondern  wird  gebildet  durch  infektiös-chlorotische 
Individuen  sonst  grüner  Sippen.  Derartige  Aureaformen,  von  denen 
ich  bisher  erst  eine,  von  Lahurnum  vulgare  genauer  kenne,  sind 
dementsprechend  nicht  samenbestäudig.^) 

Die  genannten  Aureavarietäten  von  Antirrhinum  majus^  nämlich 
Antirrhinum  ivajus  pumilum  fol.  aureis  „Eklipse^''  und  A.  m.  pumilum 
fol.  aureis  „Sonnengold"  (teils  von  Haage  und  Schmidt,  teils  von 
Chr.  Lorenz  in  Erfurt  bezogen)  gehören  zu  der  erstgenannten  Kate- 
gorie von  Aureaformen. 

Bei  Aussaatversuchen  mit  Handelssamen  war  mir  schon  vor  drei 
Jahren  aufgefallen,  dass  stets  ziemlich  genau  1/3  der  Keimpflanzen 
grün  und  2/3  gelbblätterig  waren.  In  der  Annahme,  dass  ich  es 
hier  mit  einer  umschlagenden  Sippe  zu  tun  hätte,  erwartete  ich, 
dass  die  Samen  von  den  so  erhaltenen  grünen  Individuen  ebenfalls 
gelbe  und  grüne  Individuen  ergeben  würden;  das  war  aber  nicht 
der  Fall,  fünf  grüne  derartige  Pflanzen  ergaben  eine  rein  grün- 
blätterige Descendenz.  Daraufhin  begann  ich  eine  Stammbaum- 
kultur.  Ich  ging  aus  von  vier  gelben  und  drei  grünen  Individuen, 
die  durch  Selbstbefruchtung  zweier  gelben  aus  Handelssamen  er- 
zogenen Pflanzen  gewonnen  waren.  Die  grünen  Individuen  haben 
die  Stammbuchnummern  A.  1.,  A.  2.,  A.  6.,  die  gelben  die  Stamm- 
buchnummern A.  3  ,  A.  7.,  A.  11.,  A.  12. 

Bei  Selbstbefruchtung  ergaben  alle  drei  grünen  Pflanzen  eine  rein 
grüublätterige  Nachkommenschaft,  alle  vier  gelben  Individuen 
spalteten  dagegen  in  nahezu  genau  2/3  gelbe  und  1/3  grüne  Keim- 
pflanzen. Ich  gebe  nachstehend  in  Form  einer  Tabelle  die  genauen 
Erbzahlen : 


1)  Nach  Untersuchungen,  über  die  Herr  F.  KräNZLIN  an  anderer  Stelle  be- 
richten wird. 

2j  Baue,  E.  Weitere  Mitteilungen  über  die  infektiöse  Chlorose  der  Mal- 
vaclen  und  über  einige  analoge  Erscheinungen  bei  Ligustrum  und  Laburnum.  Ber.  d. 
Deutsch.  Botan.  GescUsch.    24.    1906.    S.  -AlG. 

—    Über    infektiöse    Chlorosen    bei  Ligustrum,   Laburnum,    Fraxinus,    Sorbus  und 
Ptelea.    Ebenda  2.5.    1907.    S.  410. 


452 


Erwin  Baur: 
Tabelle  1. 


Stammbuch- 

Blattfarbe 
der  Eltern 

Nachk( 

)mmen 
grün- 

gelb- 
blätterig 

grün- 

numraern 
der  Eltern 

gelb- 

blätterig 

blätterig 

blätterig 

10 

'o 

A.    1.  xA.    1. 

grün 

0 

111 

0 

100 

A.   2.  X  A.   2. 

grün 

0 

übLr400i) 

0 

100 

A.    6.  X  A.    6. 

grün 

0 

62 

0 

100 

A.    Ü.  xA.   3. 

gelb 

126 

68 

64,95 

35,05 

A.    7.  X  A.    7. 

gelb 

98 

44 

69,01 

30,99 

A.n.  X  A.n. 

gelb 

304 

152 

66,6(; 

33,33 

A.  12.  X  A.  12. 

gelb 

45 

22 

67,16 

32,84 

Alle  gelbblättrigei 

1  Eltern  .    .    . 

573 

286 

66,71 

33,29 

Alle  grünbliittrige 

n  Eltern  .    .    . 

0 

über  573 

0 

100 

Es  war  jetzt  die  Frage,  worauf  kann  dieses  eigenartige  Auf- 
spalten der  gelben  Individuen  in  gelbe  und  grüne  genau  nach  dem 
Verhältnis  2  :  1   beruhen? 

Die  am  nächsten  liegende  Annahme  schien  mir  folgende  zu 
sein:  Die  o-elben  Individuen  sind  Bastarde  zwischen  gelben  und 
grünen.  Gelb  dominiert  dabei  über  grün  und  bei  der  Selbstbefruchtung 
dieser  Bastarde  ergibt  die  Kombination  gelb  X  gelb,  die  als  eine 
der  vier  möglichen  Keimkombinatiouen  (grün  X  grün,  grün  X  gelb, 
gelb  X  grün  und  gelb  X  gelb)  ein  Viertel  der  Nachkommen  bilden 
sollte,  keine  lebensfähige  Samen. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  diese  Annahme  das  Spalten  aller 
gelben  Individuen  nach:  zwei  gelb  :  ein  grün,  von  denen  die  gelben 
alle  wieder  spalten,  die  grünen  konstant  sind,  ohne  weiteres  ver- 
ständlich macht.     Ich  brauche  das  wohl  nicht  weiter  auszuführen. 

Diese  Hypothese  war  nun  leicht  durch  einen  Versuch  zu  prüfen. 
Ist  sie  richtig,  d.  h.  sind  die  gelben  Individuen  wirklich  regelrecht 
mendelnde  Bastarde,  also  Bastarde,  die,  um  es  kurz  auszudrücken, 
50  pCt.  Keimzellen  mit  der  Anlage  für  gelb  und  50  pCt.  mit  der 
Anlage  für  grün  bilden,  dann  muss  jede  Kreuzung  von  gelben 
mit  grünen  Individuen  50  pCt.  grüne  und  50  pCt.  gelbe  In- 
dividuen ergeben. 

Ich  habe  die  entsprechenden  Versuche  ausgeführt  und  gebe  nach- 
stehend, wieder  in  Form  einer  Tabelle  die  gewonnenen  Zahlen.  Die 
darin  vorkommenden  Pflanzen  A.  4.  und  A  9.  sind  Individuen  rein 
grüner  Aszendenz  aus  einer  Sippe,  die  ich  schon  seit  einigen  Jahren 


1)  Eine  genaue  Zählung  wurde  unterlassen. 


Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverliältnisse  von  Antirrhinum  majus.  453 

in  Stammbaunikultur  habe.     Die  übrigen  Pflanzen   sind  die  gleichen 
wie  in  Tabelle  1. 


Tabelle  2 

■ 

Stauimbiich- 

niatt  färbe 
der  Eltern 

Nachkommen 

gelb- 
blätterig 

/o 

grün- 

nummern 
der  Eltern 

gelb- 
blätterig 

grün- 
blätterig 

blätterig 

7o 

A.    4.  xA.   3>) 

grün  X  gelb 

53 

36 

59,55 

40,45 

A.    4.  xA.    7. 

grün  X  gelb 

10 

4 

71,43 

28,57 

A.   4.x  A.n. 

grün  X  gelb 

12 

17 

41,3W 

58,62 

A.    7.  X  A.    9. 

gelb  V  grün 

43 

59 

42,15 

57,85 

A.    3.  X  A.    4. 

gelb  X  grün 

34 

34 

50  00 

50,00 

A.ll.x  A.   4. 

gelb  X  grün 

49 

50 

49, '0 

50,90 

A.    1.  x  A.    3. 

grün  X  gelb 

81 

77 

5 ',26 

48,74 

A.    6.x  A.n. 

grün  X  gelb 

13 

13 

50,00 

50,00 

A.   1.x  A.n. 

grün  X  gelb 

103 

109 

48,58 

51,42 

A.    2.  xA.    7. 

grün  X  gelb 

57 

45 

53,92 

46,08 

A.   2.x  A.n. 

grün  X  gelb 

142 

i:'.7 

50,89 

49,11 

In 

sgesamt  .    .    . 

597 

581 

50,68 

49,32 

Eine  genauere  Cbereinstinimung  mit  den  theoretischen  Zahlen,  als 
sie  diese  Versuche  zeigen,  ist  kaum  zu  verlangen. 

Die  Hypothese  von  der  Bastardnatur  der  Aurea-lndividuen  scheint 
mir  also  allen  bisher  bekannten  Tatsachen  zu  genügen. 


Es  wird  jetzt  die  Aufgabe  weiterer  Versuche  sein,  festzustellen, 
in  welchen  Entwickluno-sstadien  das  Absterben  der  auf  der  Kombi- 
nation  gelb  X  gelb  beruhenden  Embryonen  erfolgt,  ob  überhaupt 
keine  diese  Kombination  verkörjiernde  befruchtete  Eizelle  sich  weiter 
entwickelt,  oder  ob  vielleicht  zwar  noch  die  entsprechenden  Samen 
gebildet  werden,  aber  nicht  keimfähig  sind.  Ich  habe  Versuche 
hierüber  im  Gange.  Ebenso  wird  zu  prüfen  sein,  ob  nicht  vielleicht 
ausnahmsweise  doch  in  einigen  Individuen  die  Kombination  gelb 
X  gelb  sich  als  lebensfähig  erweist.  Diese  Frage  wird  nur  durch 
Prüfung  der  durch  Selbstbefruchtuno-  o-ewonnenen  Nachkommenschaft 
einer  möglichst  grossen  Zahl  gelber  Individuen  zu  entscheiden  sein. 

Ganz  ähnliche  Erblichkeitsverhältnisse  scheinen  bei  einer  erst 
im  Laufe  des  letzten  Sommers  von  mir  untersuchten  Aurea-Varietät 
von    Pelargonium  zonale:     Pelargonium  zonale  „Verona^''    (von  HAAGE 


1)  $  X  cf 


454  E.  Baue  :  Untersuchungen  der  Erblichkeitsverhältnisse  von  Antirrhinum  raajus. 

und  Schmidt,  Erfurt)  vorzuliegen.  Hier  ergaben  die  bisher  allerdings 
erst  wenig  umfangreichen  Aussaatversuche,  dass  ein  Aurea-Individuum 
bei  Selbstbefruchtung  eine  Nachkommenschaft  hatte,  die  aus  etwa 
1  4  rein  grünen,  2/4  Aureapflanzen  wie  die  Mutter  und  schliesslich 
im  Gegensatz  zu  Antirrhinum  aus  1/4  rein  w«isslich-gelber, 
ganz  chlorophyllfreier  Pflanzen  bestand.  Diese  letztgenannten 
weisslich-gelben  Keimpflanzen  starben  alle  wenige  Tage  nach  der 
Keimung  ab,  so  dass  also  auch  hier  von  den  überlebenden  Keim- 
pflanzen wie  bei  Antirrhinum,  Y3  grün  und  '3  Aurea-Pflanzen  waren. 
Der  Unterschied  von  Antirrhiniuni  wäre  also  nur  der,  dass  die  auf  der 
Kombination  gelb  X  gelb  beruhenden  Individuen  bei  Pelargonium 
erst  auf  späteren  Entwickelungsstadien  absterben. 

Was  für  die  untersuchten  Aurea-Yarietäten  von  Antirrhinum 
hiermit  festgestellt  und  für  Pelargonium  zonale  Verona  wahrscheinlich 
gemacht  ist,  gilt  natürlich  durchaus  nicht  ohne  weiteres  für  alle 
andern  -4-  —  samenbeständigen  Aurea- Varietäten;  es  gibt  darunter 
auch  völlig  samenbeständige  Sippen.  Noch  weniger  sind  Rück- 
schlüsse auf  die  weiss-  und  gelbbunten,  die  eigentlichen  „panaschierten" 
Varietäten  gestattet,  bei  denen,  soweit  ich  heute  darüber  schon 
urteilen  kann,  die  Unbeständigkeit  nicht  auf  Bastardspaltungen, 
sondern  auf  ganz  andern  Vorgängen   beruht. 


Wichtigste  Ergebnisse. 

Dass  die  Aurea- Varietäten  von  Antirrhinum  majus  nicht  samen- 
beständig zu  gewinnen  sind,  sondern  stets  einen  gewissen  Bruchteil 
von  grünblätterigen  Pflanzen  abspalten,  beruht  darauf,  dass  die  gelb- 
blätterigen Individuen  alle  Bastarde  sind,  die  auf  der  Merkmals- 
kombiuation  grün  X  gelb  bzw.  gelb  X  grün  beruhen.  Diese  Bastarde 
bilden  zwar  50  pCt.  Keimzellen  mit  der  Anlage  für  Grünblätterigkeit 
und  50  pCt.  mit  der  Anlage  für  Gelbblätterigkeit,  aber  die  Keim- 
zellkombination gelb  X  gelb  führt  nicht  zu  lebensfähigen  Embryonen, 
so  dass  also  von  den  möglichen  Kombinationen  gelb  X  gelb,  gelb 
X  grün,  grün  X  gelb  und  grün  X  grün  nur  die  drei  letzten  übrig 
bleiben,  d.  h.  diese  Aureaformen  geben  bei  Selbstbefruchtung  genau 
1/3  grünblätteriger  konstanter  und  2  3  Aurea-blätteriger  spaltender 
Nachkommen.  Ahnlich  scheinen  die  Verhältnisse  auch  bei  Pelargonivm 
zonale  „  Verona'^  zu  liegen. 

Berlin,  Botanisches  Institut  der  Universiät. 


A.  ERNST:  Über  androgyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera.  4.55 


65.  A.Ernst:  Über  androgyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera. 

Mit  Tafel  XIII. 
(Eingegangen  am  11.  Oktober  1907.) 


luuerhalb  der  Familie  der  Marchantiaceae  findet,  von  ein- 
fachsten Formen  ausgehend,  eine  stufenweise  Steigerung  der  Dif- 
ferenzierung in  der  vegetativen  und  generativen  Sphäre  der  Ge- 
schlechtsgeueration  statt.  Sie  erreicht  ihren  Höhepunkt  in  der 
Gruppe  der  Marchantioideae-Compositae,  bei  welchen  die  Träger 
der  Geschlechtsorgane,  die  sogenannten  männlichen  und  weiblichen 
Infloreszenzen  (Rezeptakeln),  von  besonders  gestalteten  fertilen 
Zweigsystemen  gebildet  werden. 

Bei  den  tieferstehenden  Gruppen  der  Marchantiaceae  finden 
sich  sowohl  monöcische  wie  diöcische  Vertreter.  Mit  der  Ausbildung- 
besonderer  archegonien-  und  antheridientragender  Äste  und  Ast- 
systeme ist  auch  der  Übergang  von  der  Monöcie  zur  Diöcie  verbunden 
und  für  die  M.  Conipositae  ist,  wenige  Ausnahmen  abgerechnet, 
eine  strenge  Trennung  der  sehr  verschieden  geformten  männlichen 
und  weiblichen  Geschlechtsstände  auf  verschiedene  Pflanzen  Reo-el. 
Gelegentlich  meiner  Untersuchungen  an  javanischen  Lebermoosen 
fand  ich  nun  bei  Dumortiera,  einer  Gattung,  welche  bekanntlich 
auch  in  der  vegetativen  Gestaltung  interessante  Abweichungen  vom 
Bau  der  M.  Conipositae  zeigt,  ein  auffallendes,  in  mehrfacher  Hin- 
sicht abweichendes  Verhalten  bei  der  Ausbildung  der  Geschlechts- 
sprosse. Es  findet  innerhalb  dieser  Gattung  eine  Rückkehr  von  der 
Diöcie  zur  Monöcie  und  ausser  der  Bildung  von  männlichen  und 
weiblichen  Infloreszenzen  auch  diejenige  gemischter  (androgyner) 
statt. 

Die  Marchantiaceen  sind  im  Gegensatz  zu  der  Mehrzahl  der 
Lebermoose  dem  Landleben  aligepasst.  Hierauf  beruht  die  Aus- 
bildung der  zahlreichen  und  verschieden  differenzierten  Rhizoiden, 
der  Luftkammern,  deren  Boden  das  chlorophyllreiche  Assimilations- 
gewebe entsprosst,  der  ventralen  Schuppen  usw.  Diese  charakte- 
ristischen Eigentümlichkeiten  des  Marchantiaceenthallus  sind  bei 
Dumortiera  sehr  reduziert  und  au  älteren  Thallusteilen  vielfach 
nicht  mehr  wahrnehmbar.  Dass  sie  dieser  Gattuno-  aber  nicht  voll- 
ständig    fehlen,    wie   von  den  älteren  Autoren  angegeben  worden  ist. 


456  A.  ERNST: 

wies  zuerst  LeiTGEB^)  nach.  An  den  jüngsten  Thallusteilen  von 
Dumortiera  irrigua  und  hirsuta  fand  er  eine  ziemlich  gut  entwickelte 
Luftkammerschicht  mit  AtemöfFnungen  ausgebildet.  An  älteren 
Thallusteilen  fehlte  dieselbe  oder  war  noch  in  Form  einer  mehr  oder 
wenioer  reo-elmässioen  Felderung  der  Oberseite  durch  Reste  der 
Kammerwände  angedeutet.  Die  Epidermis  und  die  Atemkanäle 
waren  verschwunden,  das  Assimilationsgewebe  lag  zwischen  den 
Kammerwänden  frei  an  der  Oberfläche  des  Thallus.  Dieses  Schwinden 
der  Luftkammerschicht  ist  als  eine  Rückbildung  infolge  der  ver- 
änderten Lebensweise  von  Dumortiera  anzusehen.  Diese  Auffassung 
ist  zuerst  von  GÖBEL^)  in  eingehender  Darstellung  vertreten  und 
seither  durch  andere  Forscher'^)  bestätigt  worden.  GüBEL  fand 
Dumortiera  an  feuchten,  vielfach  vom  Wasser  bespritzten  Stand- 
orten, im  Sprühregen  von  AVasserfällen,  auf  Steinen  und  Böschungen 
an  Bächen;  im  Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  Marchantiaceen 
ist  Dumortiera  typisch  hygrophil  und  dieser  Lebensweise  entspricht 
auch  ihr  vereinfachter  Bau,  der  sich  wieder  demjenigen  der  anderen, 
ebenfalls  hygrophilen  Lebermoose  nähert.  Er  konnte  auch  nach- 
weisen, dass  die  Rückbildung  der  im  Vegetationspunkt  angelegten 
Luftkammerschicht  bei  den  einzelnen  Arten  an  den  älteren  Thallus- 
teilen verschieden  weit  geht.  Für  eine  weitere  Art,  D.  trichoeephala, 
(Campbell  1.  c.)  ist  seither  das  vollständige  Fehlen  der  Luftkammern 
und  Assimilationszellen  auch  an  den  jüngsten  Partien  am  Vegetations- 
punkt berichtet  worden  und  neuerdings  wurde  für  Diimortiera  hirsuta*) 
eine  je  nach  den  Standortsverhältnissen  verschieden  weit- 
gehende Reduktion  der  xerophytischen  Marchantiaceenstruktur  fest- 
gestellt. 

Während  die  auffällige  Rückbildung  in  der  vegetativen  Sphäre 
von  Dumortiera  schon  vielfach  untersucht  und  besprochen  wurde, 
ist,  soweit  ich  die  Literatur  übersehe,  eine  ebenso  merkwürdige  Ab- 
weichung von  den  übrigen  höheren  Marchantiaceen  in  der  ge- 
schlechtlichen Sphäre,  bis  jetzt  fast  unbekannt  geblieben 
(Leitgeb  1.  c.  S.  129).  Es  ist  der  bereits  eingangs  erwähnte 
Übergang   von    der  Diöcie    zur  Monöcie  und  die  Ausbildung 


1)  Leitgeb,  H.,  Über  die  Marchantiaceengattuug  Dumortiera.  Flora.  63.  Jahrg. 
1880.     S.  307-312. 

2)  GÖBEL,  K.,  Pflanzenbiologische  Schilderungen.  11.  Bd.  Marburg  1891. 
S.  222/4.  —  Organographie  der  Pflanzen.     Jena  1898.     S.  298. 

3)  RUGE,  G.,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Vegetationsorgane  der  Lebermoose, 
Flora.  77.  Bd.  Jahrg.  1893.  S.  293.  —  Kamerling,  Z.,  Zur  Biologie  und  Physio- 
logie der  Marchantiaceen.  Flora  84.  Bd  1897.  S.  26.  —  Campbell,  D.  H.,  The 
structure  and  development  of  Mosses  and  Ferns.    New  York  1905.    p.  49. 

4)  COKER,  W.  C„  Selected  notes.  II.  Liverworts.  Botanical  Gazette.  Vol  36. 
1903  (Dumortiera  p.  225-229). 


über  aiidrogyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera.  457 

gemisclitgeschlechtiger  (androgyner)  Infloreszenzen.  Es 
sei  mir  gestattet,  über  diesen  zweiten  Reduktionsvorgang  bei  Du- 
mortiera hier  einige  vorläufige  Mitteilungen  folgen  zu  lassen.  Eine 
eingehendere  Darstellung  der  betreffenden  Verhältnisse  wird  im  Zu- 
sammenhang  mit  anderen  Untersuchungsergebnissen  später  in  den 
„Annales  du  Jardin  ßotanique  de  Buitenzorg"  erscheinen;  dort  wird 
auch  die  ältere  Literatur  über  Dumortiera  eingehend  berücksichtigt 
werden. 

Gegenstand  der  Untersuchung  sind  die  beiden  auf  Java  ver- 
breiteten und  in  SCHIFFNER's^)  Lebermoosfiora  von  Buitenzorg  be- 
schriebenen Arten  Dumortiera  trichorepluda  (Hook.)  N.  ab.  E.  und 
D.  velutina  SchifFn.  Die  beiden  Arten  sind,  abgesehen  von  den  ver- 
schieden gestalteten  Infloreszenzen  auch  im  sterilen  Zustande  schon 
mit  blossem  Auge  an  ihren  vegetativen  Merkmalen  deutlich  zu  unter- 
scheiden.  Der  Thallus  von  Dumortiera  velutina  ist  meistens  hellgrün, 
oberseits  sammetartig  matt  und  auch  an  älteren  Teilen  gleichmässig 
mit  dichtstehenden  kugeligen  Papillen  überdockt.  Dumortiera  tricho- 
cephala  dagegen  erscheint  oberseits  dunkel-  bis  schwarzgrün  und 
zeigt  einen  matten  Fettglanz.  Das  papillenartige  Assimilations- 
gewebe fehlt  ganz  oder  ist  nur  bei  mikroskopischer  Untersuchung 
an  den  jüngsten  Sprossteilen  nachzuweisen.  Die  Reduktion  der 
typischen  Marchantiaceenstruktur  ist  also  bei  diesen  Arten,  ähnlich 
wie  bei  den  beiden  von  GÖBEL  untersuchten,  verschieden  weit  ge- 
diehen. Der  verschiedene  Grad  der  Rückbildung  von  Dumortiera 
trichocephala  und  D.  velutina  steht  ebenfalls  mit  den  verschiedenen 
Standortsverhältnissen  in  Beziehung.  D.  trichocephala  ist  feuchtigkeits- 
liebender  als  D.  velutijia.  Sie  wird  vorwiegend  in  den  \yäldern  ge- 
funden und  zwar  an  Bachufern,  Böschungen  von  Wegen,  an  feuchten 
Steinen  und  auf  moderndem  Holz.  Ich  sammelte  sie  ausschliesslich 
in  Bergwäldern,  800  -  2000  m  über  dem  Meere,  indessen  soll  sie, 
wie  Schiffner  angibt,  in  den  Wäldern  auch  bedeutend  tiefer,  bis 
200  m  ü.  M.  herabsteigen.  Dumortiera  velutina  dagegen  fehlt  in  der 
Wolkenzone  der  Gebirge  und  steigt  in  die  heisse  Region  hinab,  wo 
sie  auch  ausserhalb  der  Wälder  an  beschatteten  Strassenböschungen, 
an  Quellen  und  Bächen  zu  finden  ist.  Ausser  an  zahlreichen  Stand- 
orten in  Westjava  sammelte  ich  beide  Arten  auch  in  Ostjava,  im 
Padanger  Oberland  von  Sumatra,  auf  Lombok  und  der  malayischen 
Halbinsel. 

Die    männlichen    und  weiblichen  Rezeptakeln  von  Dumortiera 


1)  SCHEFFNER,  V.,  Die  Hepaticae  der  Flora  von  Buitenzorg,  Leiden  1900. 
S.  25/26;  siehe  ferner:  derselbe,  Expositio  plantarum  in  itinere  indico  annis  1893/4 
suscepto  collectarum.  Denkschriften  der  K.  Akademie  der  Wissenschaften.  67.  Bd. 
S.  156.    "Wien  1899. 


458  A-  Ernst: 

sind,  wie  vonLElTGEB')  und  GÖBEL^)  beschrieben  worden  ist,  nach 
dem  Typus  derjenigen  der  March.  compositae  gebaut.  Sie  sind  zu- 
sammengesetzte, kurzästige  Sprosssysteme.  Entwicklung  und  Bau  der 
von  mir  untersuchten  Infloreszenzen  von  Dumortiera  trichoce'phala  und 
D.  velutina  stimmt  in  den  Hauptzügen  mit  den  Angaben  der  ge- 
nannten Forscher  und  denjenigen  SCHlFFNER's   (1.  c.)  überein. 

Die  jungen  Antheridienstände  von  D.  trichocephala  und 
D.  velutina  liegen  dem  Thallus  in  Gestalt  hellgrüner,  kreisrunder 
oder  ovaler,  nur  selten  am  Rande  schwach  gebuchteter  Scheiben  an 
(Fig.  4,  Tafel  XIII).  Die  Oberseite  ist  am  Rande  leicht  erhöht,  gegen 
das  Zentrum  hin  etwas  vertieft,  und  sobald  die  Entwicklung  der 
Antheridien  w^eiter  vorgeschritten  ist,  durch  die  leicht  papillenartig  vor- 
gewölbten Mündungen  der  Antheridienbehälter  von  rauher  Beschaffen- 
heit. Auf  der  Unterseite  sind,  namentlich  bei  D.  velutina^  zahlreiche 
Yentralschuppen  ausgebildet,  welche  über  den  Rand  des  Antheridien- 
standes  vorragen.  Bei  D.  trichocephala  werden  die  Spreuschuppen 
grösstenteils  durch  dicke,  kurze  Borsten  vertreten,  die  auch  auf  der 
Seitenfläche  des  Standes  (Fig.  1,  2  und  5,  Tafel  XIII)  häufig  sind. 
Die  Entwicklung  der  Antheridien  beginnt  in  der  Mitte  des  antheridien- 
erzeugenden  Sprosssystemes  und  schreitet  gegen  die  an  der  Peripherie 
liegenden  wachstumsfähigen  Scheitel  hin  fort,  sodass  wie  bei  den 
übrigen  Marchantiaceen  an  einem  Antheridienstand  während 
längerer  Zeit  Spermatozoiden  erzeugt  werden.  Auch  die  älteren 
männlichen  Rezeptakeln  erscheinen  meistens  sitzend.  Sie  sind  aber, 
wie  an  Längsschnitten  (Fig.  5  und  6,  Tafel  XIII)  zu  erkennen  ist, 
kurz  gestielt.  Der  Stiel  bleibt  stets  kurz  und  gedrungen  (2  — G  mm 
laug);  an  demselben  sind  die  zwei  mit  Rhizoiden,  Borsten  und 
Schuppen  besetzten  Rinnen  deutlich  zu  erkennen. 

Die  weiblichen  Stände  sind  schon  in  den  ersten  Entwicklungs- 
stadien leicht  von  den  männlichen  zu  unterscheiden.  Sie  sitzen  zwar 
ebenfalls  dem  Thallus  dicht  auf,  sind  aber  dunkler  grün  gefärbt  und 
auf  der  Oberseite  stark,  fast  halbkugelig  gewölbt  (Fig.  7,  Tafel  XIII). 
Während  der  Entwicklung  der  Archegonien  werden  die  Stände  hut- 
förmig.  Die  Oberseite  ist  bei  D.  veluti?ia  am  Rande  fast  flach,  in 
der  Mitte  dagegen  kegelförmig  erhöht;  die  jungen  Hüte  von 
1).  trichocephala  sind  stärker  gewölbt  und  in  der  Mitte  ebenfalls 
kegelförmig  oder  buckelig  erhöht.  Der  Hutrand  ist  an  den  jungen 
Ständen  von  D.  velutina  völlig  glatt,  an  älteren  leicht  gebuchtet. 
Auch  bei  D.  trichocephala  ist  zur  Zeit  der  Archegonienreife  und  Be- 
fruchtung die  Buchtung  des  Hutrandes  (Fig.  2,  Tafel  XIII)  noch  kaum 


1)  Leitgeb.  H,    Untersuchungen  über  die  Lebermoose  1874-18-2.    G  Bände. 
Bd.  VI.     Die  Marchantiaceen.     Graz  1881.     S.  127. 

2)  GöBEL,  K.,  Organographie  der  Pflanzen.     Jena  1898.     S.  311/12. 


über  androgyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera.  459 

wahrnehmbar.  In  späteren  Stadien  der  Sporogoniunientwicklung 
treten  am  Rande  des  Rezeptakulums  infolge  der  starken  Entwicklung 
der  Perichätialhüllen  die  Ausbuchtungen,  8—16  an  Zahl,  immer 
stärker  hervor.  Die  Perichätialhüllen  umschliessen  je  eine  Gruppe 
von  Archegonien,  deren  Hälse  vor  der  Befruchtung  durch  eine  schmale, 
spaltenförmige  Öffnung  der  Hülle  nach  aussen  gerichtet  sind  und  mit 
den  ebenfalls  von  der  Unterseite  ausgehenden  Schuppen  und  Borsten 
an  der  Basis  des  sitzenden  Köpfchens  über  dessen  Rand  hervor- 
ragen. Bei  beiden  Arten  ist  die  Unterseite,  namentlich  in  der  Um- 
gebung des  Stielansatzes  reichlich  mit  Spreuschuppen  überdeckt. 
Bei  D.  velutina  bleibt  die  Oberseite  des  weiblichen  Standes  jeder- 
zeit glatt,  bei  D.  trichocephala  stehen  an  seinem  Rande  wie  auf  der 
Oberseite  eine  grosse  Zahl  stark  entwickelter  bräunlicher  Borsten, 
welche  sich  von  denjenigen  der  männlichen  Stände  durch  bedeutendere 
Länge  unterscheiden. 

Die  Streckung  des  Stieles  weiblicher  Infloreszenzen  findet  erst 
nach  fast  vollständigem  Abschluss  der  Sporogoniunientwicklung  statt. 
Der  Stiel  erreicht  eine  Länge  von  4  —  8  cm.  Schon  bevor  die 
Streckung  des  Rezeptakulumträgers  vollendet  ist,  ragen  die  länglichen 
Kapseln  der  Sporogonien  auf  ziemlich  langen  Stielen  aus  den  Peri- 
chätialtaschen  heraus. 

Ausser  *  männlichen  und  weiblichen  Infloreszenzen  von  der  be- 
schriebenen Entwicklung  und  Gestalt  finden  sich  nun,  sehr  zahlreich 
bei  Dumortiera  trichocephala,  mehr  ausnahmsweise  auch  bei  D.  velutina., 
gemischtgeschlechtige  Infloreszenzen,  d.  h.  fertile,  zu 
Trägern  von  Geschlechtsorganen  gewordene  Sprosssysteme, 
an  welchen  nicht  alle  Äste  („Strahlen")  Geschlechtsorgane 
gleicher  Art  tragen.  Die  Anzahl  der  Aste,  welche  die  männliche 
Infloreszenz  zusammensetzen,  ist  bei  Dumortiera  nicht  so  leicht 
wie  bei  den  Marchantiaarten  festzustellen,  dagegen  ist  leicht  ersicht- 
lich, dass  die  rein  weibliche  Infloreszenz  aus  8 — 16  Asten,  „Strahlen", 
besteht.  Der  gleiche  Yerzweigungsgrad  wird  wohl  auch  den  ge- 
mischten Infloreszenzen  zukommen.  Yon  den  8  — 16  Ästen  des  Spross- 
systems einer  gemischten  Infloreszenz  kann  nun  eine  grössere  oder 
kleinere  Anzahl  Geschlechtsorgane  der  einen,  der  Rest  solche  der 
andern  Art  tragen,  sodass,  je  nach  der  Anzahl  und  der  Art  der 
Aufeinanderfolge  der  verschiedengeschlechtlichen  Aste,  der  Habitus 
der  gemischten  Infloreszenz  ein  sehr  wechselnder  ist.  Es  kann  die- 
selbe zur  Hälfte  männlich,  zur  Hälfte  weiblich,  zu  ^  ^,  Ys  ^^^"^^  iiiänn- 
lich  zu  ^  ^,  Vs  ^^^^  weiblich,  oder  umgekehrt,  sein.  Aus  der  am 
häufigsten  vorkommenden  Art  der  Anordnung  der  verschieden- 
geschlechtlichen  Partien  (Fig.  1  und  2,  Taf.  XIII)  ist  zu  schliessen, 
dass  während  der  Anlage  des  ganzen  Sprosssystemes  nur  einmal, 
seltener  zweimal  mit  einer  Gabelung  auch  eine  Geschlechtertrennung 


460  A.  Ernst: 

erfolgt.     Im    ersteren  Falle    besteht    die    gemischte  Infloreszenz    aus 
einem  männlichen  und  einem  weiblichen  Teil,   im   zweiten  aus  zwei 
männlichen  und  zwei  weiblichen  Stücken,  die  je  nach  der  Anzahl  der 
noch  nachfolgenden  Teilungen  des  Sprossscheitels  verschieden  grossen 
Anteil    an  der  Zusammensetzung  des  ganzen  Standes  haben  können. 
Fio-.  3    stellt    z.  B.    eine    in    der    Entwicklung    ziemlich    weit    vor- 
geschrittene  Infloreszenz    (von  oben  betrachtet)    dar,  von  welcher  ^^ 
männlich,    ^4   weiblich    sind.     Die    männlichen    und    die    weiblichen 
Stücke    der  Infloreszenz    liegen    sich   je    kreuzweis    gegenüber.     An 
Fig.  3    ist    auch    zu    ersehen,    dass    in    der    androgynen  Infloreszenz 
die     männlichen     und     weiblichen    Anteile     den    Habitus    der    ent- 
sprechenden   reinen  Infloreszenzen    vollkommen  beibehalten  können; 
über    die  zahlreichen  Zwischenformen  wird  in  der  ausführlichen  Ab- 
handlung   zu    berichten    sein.      ])er    Rand    der    beiden    weiblichen 
Partien     ist     stark     nach    unten    gewölbt    und    regelmässig    gelappt. 
Jeder  Ausbuchtung    entspricht    auf    der    Unterseite    eine    sackartige 
Hülle    mit    einem    Sporogonium       Der    Rand    und    die   in  der  Mitte 
kegelförmig    erhöhte  Oberseite    sind  wie  an  rein  weiblichen  Frucht- 
ständen    mit    langen    braunen  Borsten    bedeckt.     Die    beiden    männ- 
lichen Partien  sind  flacher,  mehr  scheibenförmig  und  nur  am  glatten 
Rand    mit    kurzen  Borsten    besetzt.     Bei    der  Entstehung  dieser  In- 
floreszenz   sind    offenbar    durch    die    beiden    ersten   Gabelungen    des 
Scheitels    zwei    männliche    und    zwei    weibliche    Scheitel  entstanden, 
von  denen  der  eine  sich  noch  zweimal  vollständig  (vier  Ausbuchtungen 
am  Rande!)  der  andere  sich  beim  zweiten  Male  unvollständig  gabelte 
(drei  Ausbuchtungen    am  Rande),    während    die    beiden    ersteren   je 
einen  Viertel  einer  männlichen  Infloreszenz  lieferten.     Häufiger  sind 
die  in  den  Fig.  1  und  2  dargestellten,  sowie  ähnliche  Kombinationen 
männlicher  und  weiblicher  Äste.    Der  in  Fig.  2  abgebildete  ^  Träger 
von  Geschlechtsorganen  ist  zur  Hälfte  männlich,  zur  andern  weiblich; 
in    demjenigen    der  Fig.  1  sind  ^4  männlich,  ^/^  weiblich,  in  andern 
Fällen  sind  Ys  männlich,    Ys   weiblich  oder  umgekehrt  Y45  Vs  weib- 
lich und  der  Rest  männlich. 

Schon  auf  verhältnismässig  jungen  Stadien  ist  die  Zusammen- 
setzung der  Infloreszenzen  aus  verschiedenartigen  Bestandteilen  deut- 
lich zu  erkennen.  Die  männlichen  Partien  entwickeln  sich  rascher 
und  wachsen  scheibenförmig  heran,  während  die  Scheitel  der  weib- 
lichen Partien  sich  abwärts  wölben,  sodass  der  Radius  der  beiderlei 
Anteile  bald  ungleich  und  damit  der  ümriss  der  Infloreszenz  unregel- 
mässig wird  (Fig.  1  und  2).  Ein  Längsschnitt  durch  einen  solchen 
Stand  (Fig.  8,  Taf.  XIII)  zeigt  dann  auf  der  einen  Seite  das  typische 
Bild  eines  weiblichen  Rezeptakulums  mit  Perichätialhülle  und 
Archegonien,  auf  der  andern  dasjenige  der  Antheridienscheibe  mit 
entleerten     Antheridienhöhlen     und      in      Entwicklung      begriffenen 


über  androgyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera.  4(51 

Aiitlieridien.  Auch  au  der  verschiedenen  Färbung  sind  die  weibliehen 
(dunkelgrünen)  von  den  männlichen  (gelblichgrünen)  Partien  junger, 
«■emischter  Infloreszenzen  zu  unterscheiden.  Etwas  schwerer  fällt 
manchmal  der  Nachweis  männlicher  Strahlen  an  vorwiegend  weib- 
lichen, älteren  Ständen  (Fig.  D,  Tafel  XIII),  an  welchen  nach  Beginn 
der  Sporogoniumentwicldung  infolge  weiterer  Wachstumsvorgänge  an 
den  weiblichen  Strahlen  eine  Verdrängung  der  männlichen  Partien 
auf  die  Unterseite  oder  eine  teilweise  Überwucherung  derselben  durch 
die  angrenzenden  weiblichen  Strahlen  stattfindet. 

Die  Ausbildung  gemischtgeschlechtiger  Infloreszenzen  findet  nicht 
etwa,  wie  es  von  GÖBEL,  LEITGEB  u.  a.  für  Preissia  commutata  be- 
schrieben worden  ist,  nur  ausnahmsweise  statt.  Ich  sammelte 
D.  trichocephala  an  vielen  Standorten  und  überall  war  eine  grosse 
Anzahl  der  Infloreszenzen  androgyn.  Im  Urwalde  von  Tjibodas 
(Gedehgebirge  auf  Java)  fand  ich  D.  trichocephala  an  zahlreichen 
zum  Teil  benachbarten,  zum  Teil  aber  eine  halbe  bis  zwei 
Weo-stunden  von  einander  entfernten  Standorten  im  Dezember 
1905  und  im  Januar  1906  in  grosser  Menge  und  reichlich  frukti- 
fizierend.  Die  Untersuchung  grösserer  Rasen  von  verschiedenen 
Standorten  ergab,  dass  das  Zahlenverhältnis  der  männlichen,  weib- 
lichen und  gemischten  Stände  zwar  bedeutenden  Schwankungen 
unterliegt,  immer  aber  eine  grosse  Zahl  gemischter  Infloreszenzen 
vorkommen.  Gleichzeitig  konnte  festgestellt  werden,  dass  auch  die 
rein  männlichen  und  rein  weiblichen  Infloreszenzen  nicht  immer  auf 
verschiedene  Pflanzen  verteilt  sind.  Neben  Pflanzen  mit  nur  einerlei 
Infloreszenzen  finden  sich  ebensoviele  mit  männlichen  und  weiblichen, 
männlichen  oder  weiblichen  zusammen  mit  gemischten  oder  mit  aus- 
schliesslich gemischten  Infloreszenzen.  Hierfür  an  dieser  Stelle  nur 
einio'e  wenige  Angaben: 

1)  2.  I.  06.  Dumortiera  trichocephala  von  den  Böschungen  des 
Weges  vom  Stationsgebäude  Tjibodas  hinunter  an  den  Tjiwalen. 
Yon  172  Infloreszenzen  des  eingesammelten  Materials  waren  70  reiu 
männlich,  34  rein  weiblich  und  68  gemischt.  Von  74  doppelt  ge- 
gabelten Sprossen  (entsprechend  denjenigen  von  Fig.  1  und  2, 
Tafel  XIII)  mit  2  Infloreszenzen  waren  mit  2  rein  männlichen  In- 
floreszenzen 15,  mit  2  rein  weiblichen  Infloreszenzen  2,  mit  einer 
männlichen  und  einer  weiblichen  Infloreszenz  9,  mit  einer  weiblichen 
und  einer  gemischten  Infloreszenz  13,  mit  einer  männlichen  und 
einer  gemischten  Infloreszenz  15  und  mit  2  gemischten  Infloreszenzen 
14  Sprosse: 

2cf  :15;  2  $  :  2;  1 ,/ +  1  $  :  9 ;   1  $  4"  1  ?  :  13;  Ic^  +  1  ?:  :  15;  2  $  :  14. 

2)  2.  I.  06.  Dumortiera  tricliocephala  von  der  W^egböschung  bei 
Tjiburrum.     Von  266  Infloreszenzen  waren  51  männlich,  113  weib- 


462  A.  ERNST: 

lieh  und   102  gemischt.    68  Sprosse  mit  je  zwei  Infloreszenzen  zeigten 
die  nachfolgenden  Kombinationen: 

2c/:  6;  2?  :15;  1  c/  +  1  ?  :  13;  lc/  +  l$  :6;   1$  +  $  :  20;  2  $  :  U. 

3)  7.  I.  06.  Dumortiera  trickocephala  vom  rechten  Ufer  des 
Tjibogoh.  Von  500  Infloreszenzen  waren  213  männlich,  50  weiblich, 
237  gemischt.  145  Sprosse  mit  je  zwei  Infloreszenzen  zeigten  die 
nachfolgenden  Kombinationen : 

2cf:44;    22:2;    1  c/ +  1  ?  :  8;    1  </  +  !$:  33;    1$+1$:13; 

2  5  :  45. 

In  ebenso  grosser  Zahl  waren  neben  einfachen  Infloreszenzen 
die  gemischten  an  Material  von  D.  trickocephala  von  den  andern 
Standorten  im  Gedehgebirge,  vom  Megamendong  und  Salak  in 
Westjava,  vom  Dienggebirge  in  Mitteljava,  von  Merapi  und 
Singalang  im  Padanger  Oberland  von  Sumatra  und  vom 
Gunong  Hijau  auf  der  malayischeu  Halbinsel  nachzu- 
weisen. Überall  fanden  sich  neben  Pflanzen  und  Sprossen  mit 
einerlei  Infloreszenzen  zahlreiche  andere  mit  männlichen  und  weib- 
lichen, mit  solchen  und  gemischten  oder  ausschliesslich  mit  ge- 
mischten Infloreszenzen.  Dimiortiera.  trichocephala  ist  also  nicht 
wie  die  grosse  Mehrzahl  der  MarcJumtioideae  Compositae  diö eis ch, 
sondern  monöcisch  und  zwar  derart,  dass  nicht  nur  an  ver- 
schiedenen Zweigen  derselben  Pflanze  verschiedengeformte, 
männliche  und  weibliche  Infloreszenzen  vorkommen, 
sondern  auch  von  den  Strahlen  desselben  Rezeptakulums 
die  einen  männliche,  die  andern  weibliche  Geschlechts- 
organe  erzeugen. 

Viel  einfacher  liegen  die  Verhältnisse  bei  Dumortiera  velutina, 
wie  aus  den  nachfolgenden  Anoaben  hervorseht. 

1)  12.  XII.  05.  Dumortiera  velutina  von  einer  Felswand  am 
rechten  Ufer  des  Tjiapoes  (Salak).  Von  403  untersuchten  In- 
floreszenzen waren  146  männlich,  252  weiblich  und  5  gemischt. 
5J1  Sprosse  mit  je  zwei  Infloreszenzen  zeigten  die  nachfolgenden 
Kombinationen: 

2c/  :33;  2$  :48;   lc/-f-  1$  :9;   lc/+  1^:0;  1$  4-1^:0;  2^:1. 

2)  13.  I.  07.  Dumortiera  velutina  vom  Ufer  eines  Baches  in  der 
Umgebung  von  Buitenzorg.  Von  152  untersuchten  Infloreszenzen 
waren  66  männlich,  86  weiblicl),  gemischte  fehlten.  Unter  den 
38  Sprossen  mit  2  Infloreszenzen  waren  die  nachfolgenden  Kom- 
binationen: 

2d":13;     22:23;     1  c/ +  1  $  :  2;     lc/-fl$:0;     ]$  +  l^:0; 

2s^  :  0. 


über  androgyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera.  463 

3)  Dumortiera  velutina,  auf  Steinen  und  an  Gräben  im  Urwakle 
von  Poesoek  (Insel  Lombok).  Yon  183  untersuchten  Infloreszenzen 
waren  84  männlich,  97  weiblich  und  2  gemischt.  Die  Verteilung 
derselben  an  Sprossen  mit  zwei  Infloreszenzen  war  wie  folgt: 

20^:33;  2$:29;  Ic/+15  :1;   lc/+  1$  :0;  1$  +  1$  :1;  2^:0. 

Bei  Dumortiera  velutina  treten,  wie  aus  den  angegebenen  und 
anderen  Befunden  hervorgeht,  die  gemischten  Infloreszenzen 
im  Vergleich  zu  den  eingeschlechtigen  stark  zurück.  Die 
meisten  Pflanzen  tragen  nur  Infloreszenzen  einer  Art,  D.  velutina 
ist  im  Gegensatz  zur  nionöcischen  D.  trichocepliala  vorzugsweise 
diöcisch. 

Die  beiden  Arten,  Dumortiera  trichorephala  und  D.  velutina,  zeigen 
also  in  Ausbildung  und  Verteilung  der  Infloreszenzen  wesentliche 
Verschiedenheiten.  Die  Frage  nach  dem  ursprünglichen  Verhalten 
ist  nicht  schwer  zu  beantworten.  Alle  March.  compositae  sind  durch 
das  Vorkommen  verschieden  geformter  männlicher  und  weiblicher 
Infloreszenzen  charakterisiert  und  in  der  Mehrzahl  diöcisch.  In  ver- 
schiedener Gestalt,  die  männliclien  als  sitzende  oder  kurz  gestielte 
Scheiben,  die  weiblichen  in  späteren  Entwicklungsstadien  als  lang- 
gestielte, strahlig  gebaute  Hüte  oder  Schirme,  treten  die  Infloreszenzen 
auch  bei  D.  velutina  in  diöcischer  Verteilung  auf.  Bei  D.  tricho- 
cephala  finden  sich  ähnliche  männliche  und  weibliche  Infloreszenzen, 
meistens  aber  nicht  in  diöcischer  sondern  wie  bei  der  von  SCHIFFNER^) 
beschriebenen  Wiesnerella  javanica  in  monöcischer  Anordnung. 
Unterscheidend  von  allen  anderen  March.  compositae  ist  das  konstante 
Vorkommen  von  zahlreichen  g-emischten  Infloreszenzen.  Obwohl  durch 
die  Kombination  männlicher  und  weiblicher  Strahlen  innerhalb 
einer  Infloreszenz  kompliziertere  Formen  geschaffen  werden,  ist  doch 
die  Ausbildung  dieser  gemischten  Infloreszenzen  vergleichend  morpho- 
logisch als  ein  erstes  Stadium  der  Rückbildung  zu  betrachten.  Die 
eigenartigen  Gestaltungsverhältnisse  der  gemischten  Infloreszenzen 
geben  Anhaltspunkte  zur  Lösung  verschiedener  noch  offener 
Fragen  in  bezug  auf  die  Differenzierung  der  archegonien-  und 
antheridientragenden  Strahlen,  das  verschiedene  Verhalten  der  Stiele 
männlicher  und  weiblicher  Infloreszenzen.  Auf  diese  Verhältnisse, 
wie  auf  die  biologische  Bedeutung  der  gemischten  Infloreszenzen, 
die  Beziehungen  der  in  der  vegetativen  und  in  der  generativen 
Sphäre  von  Dumortiera  erfolgten  Rückbildung,  soll  indessen  erst 
in  der  ausführlichen  Abhandluno-  eino-etreten  werden. 

Zürich,  Pflanzenphysiologisches  Institut  der  Universität. 


1)    SCHTFFNER,  V.,    Wiesnerella,    eine    neue    Gattung    der    Marchantiaceen. 
Österreichische  botan.  Zeitschrift.     46.  Jahrgang.     Wien  1896.     S.  82—88. 


Ber.  der  deutschen  Bot.  GeseUsch.    XXV.  32 


464  Ernst  Lehmann: 

Erklärung-  der  Abbildungen  zu  Tafel  XIII. 


Fig.  1.  Doppelt  gegabelter  Thallusast  von  D.  trichocephala.  An  der  Scheitelbucht 
rechts  ein  Antheridienstand,  an  dprjenigen  links  eine  gemischte  In- 
floreszenz (ca.  V4  weiblich,  ^4  männlich).     Vergr.  3,1. 

Fig.  2.  Thallusstück  von  D.  tricJiocejjhala  mit  einem  Archegonienstand  (rechts) 
und  einer  zu  V2  männlichen,  Va  weiblichen  Infloreszenz.     Vergr.  o/l. 

Fig.  3.  Oberseite  einer  audrogynen  Infloreszenz  mit  kreuz  weis  gelagerten  männ- 
lichen und  weiblichen  Vierteln.     Vergr.  8/1. 

Fig.  4.  Längsschnitt  durch  einen  jungen,  dem  Thallus  noch  aufsitzenden  Anthe- 
ridienstand.    Vergr.  8/1. 

Fig.  5  u.  6.  Längsschnitte  durch  ältere,  männliche  Infloreszenzen  von  D.  tricho- 
cephala.     Vergr.  8/1. 

Fig.  7.  Längsschnitt  durch  einen  jungen  Archegonienstand  (im  Alter  dem  Anthe- 
ridienstand von  Fig.  4  entsprechend)  mit  schon  stark  nach  unten  gewölbter 
Oberseite.    Vergr.  8/1. 

Fig.  8.  Längsschnitt  durch  eine  androgene  Infloreszenz  von  D.  trichocephala  (vom 
Aussehen  der  $  Stände  in  Fig.  1  u.  2).     Vergr.  8/1. 

Fig.  9,  Längsschnitt  durch  eine  ältere  ^  Infloreszenz  (V4  5,  7*  $)•  Ii^  ^^^  Hüllen 
der  stark  entwickelten  weiblichen  Strahlen  finden  sich  halbreife  Sporo- 
gonien,  in  den  männlichen  Strahlen  sind  noch  die  Autheridialhöhlungen 
zu  erkennen.     Vergr.  8/1. 


66.   Ernst  Lehmann:   Vorläufige  Mitteilung   über  Aussaat- 
versuche  mit  Veronicis  der  Gruppe  agrestis. 

Eiogegaugen  am  12.  Oktober  1907. 


Wie  ich  an  anderer  Stelle*)  in  Übereinstimmung-  mit  den  meisten 
Autoren,  welche  sich  eingehender  mit  der  Veronica-Gruppe  agrestis 
beschäftigten,  hevorgehoben  habe,  sind  die  hierher  gehörigen  vier 
Ackerunkräuter:  V.  agrestis  L.,  poUta  Fr.,  opaca  Fr.,  Tournefortii  Gm. 
als  vier  gute  Arten  im  LiNNE'schen  Sinne  aufzufassen.  Nichtsdesto- 
weniger ergab  sich  bei  genauerer  Untersuchung  die  Tatsache,  dass 
dieselben  einmal  keineswegs  einheitliche  Sippen  darstellen,  sondern 
aus  einer  grösseren  Anzahl  verschiedener  Typen  zusammengesetzt 
sind,  dass  andererseits  eine  transgressive  Variabilität  zwischen  den 
einzelnen  Artmerkmalen  vorhanden  ist.  Die  Versuche,  die  ich  zur 
näheren  Einsicht  in  diese  Verhältnisse  anstellte,  sind  zwar  noch  in 
ihrem  Anfange,  dennoch  schien  es  mir  ratsam,  an  dieser  Stelle  einige 


1)    Bullet,  de  l'horb.  Boiss.  2'"'^  scr.    1907.    T.  VII.  No.  7.  p.  546. 


Übpr  Aussaatversuche  mit  Veronicis  der  Gruppe  agrostis.  405 

vorläufige  Bemerkungen  über  gewisse,  im  letzten  Sommer  erhaltene 
Resultate  zu  machen. 

Die  Veronicae  der  vorliegenden  Gruppe  eignen  sich  ganz  be- 
sonders zu  Aussaatversuchen,  da  sie  einmal  mit  Ausnahme  von 
V.  Tournefortü  fast  ausschliesslich  autogam  sind,  andrerseits  nur  eine 
kurze  drei-  bis  viermonatige  Vegetationsperiode  von  der  Aussaat  bis 
zur  Reifung  der  Samen  zu  durchlaufen  haben  ;  zudem  Hessen  ihre 
weite  Verbreitung  und  ihr  Vorkommen  als  Ackerunkräuter  auf  einen 
grösseren  Formenreichtum  schliessen.  So  waren  auch  schon  nach 
Untersuchungen  WlESBAURS^)  verschiedentliche  Varietäten  der  ein- 
zelnen Arten  bekannt.  Einige  derselben,  wie  V.  agrestis  forma 
glahrescens  und  /.  typica,  mehrere  Farbenvarietäten  ( V.  polita  var. 
coerulea,  V.  agrestis  var.  rosea)  konnte  ich  durch  meine  Aussaat- 
versuche als  konstant  feststellen;  für  andere  wieder  hat  sich  ergeben, 
dass  es  sich  um  blosse,  von  äusseren  Umständen  hervorgerufene 
Modifikationen  handelt,  z.  B.  V.  Tournefortü  var.  örachi/poda.  An  die 
Typen  WiESBAUßS  und  anderer  Forscher  reihen  sich  aber  noch  ver- 
schiedene weitere,  welche  ich  teils  im  Freien,  teils  in  meinen 
Kulturen  aufgefunden  habe. 

Auf  eine  jedenfalls  noch  erheblich  sich  vermehrende  Zahl  von 
erblichen  Rassen,  welche  sich  auf  Zeichnungs-  und  Formenverhältnisse 
der  Blumenkrone  von  V.  Touryiefortii,  der  Laubblattzähnung  z.  B  von 
V\  polita  usw.  gründen,  soll  hier  nur  hingewiesen  sein.  Dagegen 
möchte  ich  einiger  erblichen  Anomalieen  in  Form  atavistischer 
Zwischenrassen  etwas  eingehender  gedenken'"^). 

Es  handelt  sich  da  zuerst  um  Vermehrung  der  Karpelle  von 
der  typischen  2  -  Zahl  bis  zu  3—5.  Pflanzen  mit  vereinzelten  drei-, 
ganz  selten  vierkarpelligen  Kapseln  fand  ich  bei  V.  opaca,  polita  und 
Tournefortü  hie  und  da.  Bei  V.  opaca  begegneten  mir  solche  z.  B.  am 
6.  Juni  1906  am  Roitschberg  bei  Meissen.  Ein  Teil  der  von  der- 
artigen Pflanzen  geernteteu  Samen  wurde  gleich  im  Juli  desselben 
Jahres  noch  ausgesät.  Die  Sämlinge  entwickelten  sich  aber  nicht 
mehr  genügend,  um  eine  eingehende  Zählung  vornehmen  zu  lassen. 
Ich  fand  nur  an  einer  Pflanze  eine  dreikarpellige  Kapsel.  Die 
wenigen,  von  dieser  Aussaat  geernteten  Samen  wurden  nun  ebenso 
wie  der  Rest  von  der  Ausgangsgeneration  im  Frühjahre  1907  aus- 
gesät. An  den  erhaltenen  42  Pflanzen  konnten  folgende  Verhältnisse 
festgestellt  werden: 


1)  J.  B.  WiESBAUR.   Das  Vorkommen    des  echten  Ackerehrenpreises    in  Ober- 
österreich.   Jahrb.  f.  Naturkunde.    Linz  1892. 

2)  Die  Anomalieen  als  solche  sind  zum  grössten  Teil  schon  beschrieben.    Vgl. 
Penzig.  Teratologie.    Bd.  II.     S.  211  und  212. 

32* 


466 


Eenst  Lehmann; 


Pflanzen    mit   nur  zweikarpelligen  (normalen)  Kapseln      ...  31 

„      1  unvollständig  3  (=  S\ .,)  karpelligen  Kapsel       .  3 

„      1  dreikarpelligen  Kapsel 6 

„2              „               Kapseln 2 


Das  Verhältnis  der  mehrkarpelligen  Kapseln  zu  den  normalen  an 
einzelnen  Pflanzen  stellte  sich  wie  folot: 


Anzahl  der  Karpelle 


Ol' 


Anzahl  der  gezählten 
Kapseln  bei  Pflanze 


r  1 

46 

— 

1 

2 

40 

1 

— 

3 

55 

1 

i  4 

45 

1 

Am  gleichen  Standort  fand  ich  weiterhin  am  5.  November  1906 
ein  erheblich  stärker  abweichendes  Exemplar  von  V.  opaca,  welches 
fast  90  pCt.  3-,  4-  und  5karpellige  Kapseln  trug  und  zudem  reich 
fasciiert  war.  Die  Pflanze  unterschied  sich  auch  insofern  von  einem 
normalen  Individuum,  als  die  Kapseln  häufig  nicht  völlig  entwickelt 
waren;  dennoch  erhielt  ich  eine  genügende  Menge  Samen,  welche 
im  Frühjahr  1907  ausgesät  wurden.  Hiervon  bekam  ich  acht  Pflanzen 
mit  folgenden  Verhältnissen : 


1 

2 

O 

4 

5 

G 

7 

8 

1-S 

% 

n/ 

% 

% 

i  ^ 

% 

i  % 

% 

% 

Anzahl 
der 

2 

8 

20 

7 

13 

IG 

26 

7 

27 

13 

34 

14 

20 

19 

27 

10 

12 

94 

21 

27, 

2 

5 

1 

2 

1 

2 

1 

4 

9 

5 

2 

3 

2 

3 

3 

3 

14 

3,1 

- 

3 

20 

50 

85 

66 

32 

52 

15   57 

18 

47 

49 

69 

.")  ( 

52 

52 

59 

258 

57.5 

Kar- 

pelle 

4 

10 

25 

9 

17 

6 

10 

2 

8 

4 

11 

4 

5 

10 

14 

IG 

18 

Gl 

13,6 

± 

5 

— 

— 

1 

2 

6 

10 

1 

4 

1 

3 

2 

3 

3 

4 

7 

8 

21 

4,7 

Summe    der 

abweichen- 

den Kapseln 

32 

80 

46   87 

45 

74 

19 

73 

25 

66 

57 

80 

52 

73 

78 

88 

354 

79 

Summe  der 

gezählten 

Kapse 

In.    . 

40 

53 

Gl 

26 

38 

71 

71 

■88 

448 

Diese  Tabelle  zeigt,  dass  wir  es  hier  mit  einer  erblichen  Rasse 
zu  tun  haben,  bei  der  die  plurikarpellaten  Kapseln  Q'o — 88  pCt.  der 
Gesamtzahl  ausmachen.  Es  ist  dies  also  im  Gegensatz  zu  der  oben 
besprochenen  „armen''  eine  „reiche"  Rasse  und  die  Anomalie  ent- 
spricht in  ihrem  Auftreten  ungefähr  dem  Trifolium  pratense  quinqiie- 
folium  de  Vries.  Weitere  ausgedehntere  Aussaaten  werden  zu  zeigen 
haben,    ob    sie    demselben    auch    in    den  Einzelheiten    gleicht    oder 


über  Aussaatversuclic  mit  Veronicis  der  Gruppe  agrestis. 


467 


welcher  Art  Abweichungen  vorliegen.  Von  F.  polita  und  Tourneforüi 
habe  ich  bislang  die  reichen  Rassen  noch  nicht  auffinden  können.  — 
In  phylogenetischer  Beziehung  werden  wir  die  vorstehende  Rasse 
wohl  als  degressiv  bezeichnen  müssen,  indem  die  Kapseln  mehr  oder 
weniger  auf  den  regelmässig  fünfzähligen  Bau  gewisser  Scrophularia- 
ceenahnen  zurückschlagen. 

Ähnlich  verhält  es  sich  mit  einer  zweiten  Anomalie,  nämlich 
den  fünfblättrigen  Kelchen.  Es  ist  bekannt,  dass  eine  besondere 
Sektion  der  Uattung  Yeronica  nach  den  ihr  zukommenden  fünf- 
blättrigen Kelchen  den  Namen  „Pentasepalae''  trägt,  enthaltend  die 
Arten  Teiicrium^  austriaca  u.  a.  m.  Auch  waren  hier  und  da  schon 
fünfblättrige  Kelche  bei  T.  Tourneforüi  beschrieben  worden.  Ich 
fand  nun  ebenfalls  wieder  am  Roitschberg  im  Juni  1906  eine  reiche 
pentasepale  Rasse.  Ich  wählte  zu  den  Versuchen  vier  Pflanzen  aus 
und  teilte  dieselben  in  zwei  Gruppen  zu  je  zwei  Pflanzen.  An  den 
einen  (A)  zählte  ich  80  pentasepale  und  24  normale  Kelche,  an  den 
anderen  (C),  von  denen  allerdings  scheinbar  Stücke  fehlten,  fand  ich 
nur  40  pentasepale  Kelche.  Samen  von  beiden  wurde  im  Früh- 
jahr 1907  ausgesät.  Das  Ergebnis  ist  zusammen  mit  den  Befunden 
von  190  )  in  folgender  Tabelle  registriert. 


Zahl 

der 

Pfianzen 

Zahl  der  Kelcha 

normal 

Mittel- 
bildungen 

penta- 
sepal 

A.   1906  

19G7 

2 
35 

24 

797 

17 

80 
206 

=  76,9  pCt. 
=  26,4  pCt. 

C.  1906  

1907 

2 

25 

277 

? 
8 

40 
122 

=  l00,?)pCt. 
=  44  pCt. 

Es  geht  hieraus  hervor,  dass  wir  eine  reiche  erbliche  Rasse  vor 
uns  haben,  über  deren  genauere  Eigenschaften  weitere  Stammbaum- 
kulturen Auskunft  geben  müssen. 

Wohl  noch  häufiger  als  Vermehrung  der  Kelchblattzahl  findet 
man  bei  F.  Tourneforüi  die  verschiedensten  Anomalien  in  der  Aus- 
bildung der  Blumenkrone.  Schon  zahlreiche  Autoren  haben  auf  die- 
selben hingewiesen  (vgl.  PenZIG,  1.  c.  S.  212).  In  neuester  Zeit 
haben    sie  BatESüN  und  PeRTZ^)  zum  grössten  Teil  abgebildet  und 


1)  W.  Bateson  and  Miss  D.  F.  M.  Peetz,  Notes  on  the  inheritauce  of  Variation 
in  the  CoroUa  of  Veronica  Buxbaumii.  Proceed.  Cambridge  Phil.  Soc.  Vol.  X, 
Pt.  II.     S.  78. 


468 


Ernst  Lehmann: 


statistische  Untersuchuugen  mit  ihnen  vorg-enomraen.  Es  zeigte  sicli 
u.  a.,  class  die  verschiedenen  Anomalien  in  wechselnder  Häufigkeit 
innerhalb  mehrerer  Rassen  auftreten.  Ziemlich  sicher  handelt  es 
sich  in  der  Hauptsache  um  drei. 

1.  Alle  Abkommen  der  Blüte  A  der  Ausgangspflanze  haben 
neben  normalen  Blumenkronen  in  erster  Linie  solche  mit  zwei 
hinteren  Fetalen  (3,1 — 22,4  pCt.  oder  11,3  pCt.  im  Durchschnitt). 
Die  Blüte  E  derselben  Ausgangspflanze  scheint  fremdbestäubt  worden 
zu  sein;  sie  zeigte  hauptsächlich  eine  ^Nachkommenschaft  mit  durch- 
schnittlich 10,1  pCt.  Blüten  mit  zwei  vorderen,  zugleich  aber 
8,8  pCt.  mit  zwei  hinteren  Fetalen.  Die  Pflanzen  wurden  aber 
nicht  weiter  kultiviert,  sodass  sich  sicheres  weiter  nicht  aussagen  lässt. 

2.  Diese  Rasse  wird  charakterisiert  durch  durchschnittlich 
25,4  pCt.  Blumenkrouen  mit  zwei  hinteren  Fetalen,  daneben  aber 
2,7  pCt.  dreiblättrigen  Blumenkronen. 

3.  Hier  sind  die  Blumenkronen  mit  drei  Fetalen  überwiegend 
(durchschnittlich  5  pCt.),  während  die  übrigen  Anomalien  zusammen- 
genommen nur  0,45  pCt.  im  Durchschnitt  ausmachen. 

Betrachtet  man  aber  die  Frotokolle  der  zitierten  Arbeit  etwas 
genauer,  so  bekommt  man  den  Eindruck,  als  wären  hier  und  da 
noch  andere  Rassen  versteckt.  Schon  die  Abkommen  der  Blüte  E 
machten  einen  derartigen  Eindruck  und  noch  andere  stark  ab- 
weichende Zahlen  finden  sich  öfters.  Vielleicht  würden  sich  diese 
Rassen  leicht  haben  isolieren  lassen,  wenn  die  Verfasser  nicht,  wie 
sie  es  in  Verfolgung  ihres  besonderen  Zw^eckes  tun  mussteu,  immer 
Samen  von  Blüten  einer  bestimmten  Anomalie  ausgesät  hätten, 
sondern  von  solchen  Fflanzen,  die  in  der  Nachkommenschaft  eine 
Anomalie  in  der  höchsten  Frozentzahl  entwickelten.  Ich  habe  nun 
im  vero-angenen  Jahre  derartig  zu  verfahren  begonnen.  Im  Sommer 
1906  fand  ich  an  einigen  Fflanzen,  die  aus  derselben  Samenprobe 
hervorgegangen  waren,  in  zwei  verschiedenen  Aussaaten  besonders 
häufig  dreiblättrige  Blumenkronen.  Ich  säte  beide  im  folgenden 
Jahre  wieder  getrennt  aus  und  fand  bei  genauerer  Zählung  folgendes: 


Zahl 

der  gezählten 

Blüten 

normal 

2  hintere 
Fetalen 

hintere 
Fetalen  ge- 
spalten oder 
eingekerbt 

3 
Fetalen 

seltenere 
Anomalien 

A.  967 

83,2  pCt. 

2pCt. 

7,5  pCt. 

5,8  pCt. 

1,3  pCt. 

B.  647     

80,8  pCt. 

2,3  pOt. 

5,9  pCt. 

9,4  pCt. 

1.5  pCt. 

Es    ist    offenbar,    dass  hier,    entsprechend  der  dritten  Rasse  von 
BateSON    und  PERTZ    hauptsächlich  Blumen    mit    drei  Fetalen   vor- 


über  Au^saatversuche  mit  Veronicis  der  Gruppe  agrestis. 


469 


liegen,  denuoch  aber  deckt  sich  die  unsere  nicht  mit  jener,  da 
die  Prozentzahl  der  übrigen  anomalen  Blüten,  besonders  derjenigen 
mit  teilweise  gespaltenem  hinteren  Petalum,  hier  ganz  erheblich 
grösser  ist,  als  bei  der  anderen  (zusammen:  A  =  10,8,  B  =  9,7  gegen 
0,45  bei  B  und  P);  demnach  hat  mir  schon  diese  erste  Aussaat  aber- 
mals eine  differente  Rasse  ergeben. 

Alle  die  im  vorhergehenden  angeführten  Rassen  bieten  nun 
zwar  keineswegs  etwas  prinzipiell  Neues.  Ihre  Analoga  finden  sie, 
wie  schon  oben  berührt,  z.  ß.  in  Trifolium  prate7ise  quinquefolium  de 
Vries  und  zahlreichen  anderen  erblichen  Anomalien.  Dennoch  hielt 
ich  es  für  interessant  genug,  in  einer  besonderen  Mitteilung  auf  sie 
zu  sprechen  zu  kommen,  als  wenigstens  die  V.  opaca  f.  pluricarpellata 
eine  spontane  Variation  neueren  Datums  zu  sein  scheint.  Ich  habe 
den  Roitschberg,  einen  kleinen,  mit  Reben  bestandenen  Hügel  im 
Jahre  1905/06  speziell  zum  Sammeln  von  Veronicae  der  vorliegenden 
Gruppe  viermal  besucht,  ohne,  abgesehen  von  dem  einen  Exemplar, 
jemals  eine  entsprechende  Form  gefunden  zu  haben.  Dann  nahm 
ich  diese  Pflanze  mit  und  erliiclt  bei  Aussaat  sofort  lauter  Nach- 
kommen mit  dem  gleichen  Merkmal.  Bei  einem  Besuch  desselben 
Platzes  im  Herbst  1907  fand  ich  wieder  nichts  von  dieser  Form, 
was  jedenfalls  darauf  zurückzuführen  ist,  dass  ich  1906  die  einzige 
ganze  Pflanze  mitnahm  und  gar  kein  Samen  von  ihr  am  Ursprungs- 
ort ausgefallen  ist.  Denn  sonst  dürfte  die  Form,  die  wenigstens  nach 
meinen  diesjährigen  Exemplaren  an  Samenproduktion  kaum  der 
Normalform  nachsteht,    wohl  sicher  auch  dort  wiedergekommen  sein. 

Von   V.  Tournefortii  f.  pentasepala  fand  ich  1907  wieder  mehrere 
Pflanzen  mit  höherer  Prozentzahl  fünfblättris-er  Kelche. 

Neben  diesen  Formen  war  es  aber  vor  allen  Dingen  die  trans- 
gressive  Variabilität  zwischen  den  einzelnen  Artmerkmalen,  auf 
die  ich  bei  meinen  Herbarstudien  besonders  aufmerksam  wurde  und 
zu  deren  näherer  Kenntnis  Kulturversuche  angestellt  wurden.  Da 
dieselben  im  allgemeinen  noch  nicht  weit  genug  gediehen  sind, 
möchte  ich  nur  auf  ein  Beispiel  hinweisen,  um  anzudeuten,  wie 
ausserordentlich  verwickelt  die  Verhältnisse  in  unserer  Gruppe  liegen. 
Es  bezieht  sich  auf  die  Sameuzahl  von  V.  polita  und  agrestis.  Ich 
führe  die  vorgenommenen  Zählungen  folgendermassen  an: 


Samenzahl 

polita  .    . 
agrestis  . 

polita     .    . 

agrestis    . 


1 

2  3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10111213 

1  1  1 

14 

15 

— 

2  j  3  2023 

60 

140 

175 

159 

105  51 

2510 

8 

1 

8 

7  11 

80 

61 

56 

38 

4 

— 



i 

- 

— 

=  782  Kapselfächer 
=  215 


oder  in  Prozenten 


3,7 


0,31  0,4 
3,3  5,1 


2,6 
13,9 


2,9 
28,4 


7,7 
26,1 


17,9  22,3  20,3  13,4 

17,7     1,8|  — 


6,5 


3,2 


1,3 


1,02  0,1 


470  W.  und  J.  üocters  VAN  LEEUWEN-REIJNVAAN: 

Yon  V.  polita  wurden  also  782,  von  V.  agrestis  215  Kapselfächer 
o-ezählt.  Die  Anzahl  derselben  mit  bestimmter  Samenzahl  erajibt 
sich  aus  der  ersten,  die  prozentische  Angabe  der  gleichen  Ver- 
hältnisse aus  der  2.  Tabelle.  Beide  zusammen  zeigen,  dass  die 
Samenzahl  bei  V.  polifa  in  den  meisten  Fällen  8,  bei  V.  agrestis  5 
ist,  dass  aber  6  und  7-saraige  Kapselfächer  bei  beiden  häufig  sind, 
demnach  das  Merkmal  der  Samenzahl  für  beide  Arten  ein  konstantes, 
aber  transgressives  ist. 

Bedenkt  man,  dass  sich  auch  für  die  Kelchblattbreite,  Blatt- 
grösse  (Verhältnis  von  Länge  zu  Breite)  etc.  ähnliches  ergeben  hat 
und  erwägt  man  weiterhin,  dass  ausserordentlich  starke  Abänderungen 
der  Individuen  durch  äussere  Einflüsse  zu  beobachten  sind,  so  kann 
man  sich  ein  Bild  von  der  in  der  Gruppe  herrschenden  Komplikation 
machen  und  zugleich  den  chaotischen  Zustand  verstehen,  der  in 
vielen  Floren  über  sie  herrschte  nnd  zum  Teil  noch  herrscht.  Eine 
experimentelle  Analyse  dieser  Verhältnisse  verspricht  aber  interessante 
Aufschlüsse  nach  verschiedenen  Richtungen. 

Bei  den  vorliegenden  Untersuchungen  stand  mir  Herr  Professor 
CORRENS  mit  seinem  Rate  in  liebenswürdiger  Weise  zur  Seite, 
wofür  ich  nicht  verfehlen  möchte,  ihm  an  dieser  Stelle  meinen  besten 
Dank  auszusprechen. 


67.  W.  und  J.  Docters  van  Leeuwen-Reijnvaan:  Über  das 
Färben  der  jüngsten  Zeliwände  in  Vegetationspunkten. 

(Eingegangen  am  Kl.  Oktober  1907.) 


In  einem  Artikel,  welcher  in  Band  23  der  Beihefte  zum  Botan. 
Centralblatt  erscheinen  wnrd,  haben  wir  bei  der  Besprechung  der 
Methoden,  welche  wir  zur  Erzielung  unserer  Resultate  gebraucht 
haben,  eine  neue  Methode  für  Zellwandfärbung  beschrieben.  Wir 
können  jetzt  noch  ein  neues  Verfahren  angeben,  dessen  wir  uns 
vorteilhaft  bei  unseren  Untersuchungen  bedienen. 

In  letzter  Zeit  hat  sich  der  Gebrauch  des  Mikrotomes  zur  Her- 
stellung mikroskopischer  Präparate  auch  in  der  Botanik  mehr  und 
mehr  eingebürgert,  und  speziell  für  Untersuchungen  über  den  Bau 
der  Vegetationspunkte  ist  dieser  Apparat  fast  unentbehrlich.  Es 
leuchtet  ein,  dass  es  vorteilhaft  sein  rauss,  die  feinen  Schnitte, 
welche    eine    präzise    Richtung    haben    sollen,    mittels    solch    eines 


über  das  Färben  der  jüngsten  Zellwände  in  Vegetationspunkten.  471 

Instrumentes  anzufertigen.  Die  Schnittweise  aus  freier  Hand,  welche 
aber  noch  immer  gebraucht  werden  muss,  gibt  zu  wenig  Sicherheit, 
und  wenn  man  sehr  wenig  und  wertvolles  Material  zur  Verfügung 
hat,  ist  man  sehr  vom  Zufall  abhängig.  Man  kann  weiter  von  einem 
eingebetteten  Objekt  bequem  allerhand  Schnitte  machen,  und  so 
sind  Serien  von  Schnitten  von  ein  und  derselben  Dicke  und  in 
lückenloser  Reihenfolge  auch  bei  etwas  schiefgeschnittenen  Objekten 
noch  vorteilhaft  zu  untersuchen. 

Wenn  man  aus  freier  Hand  Schnitte  anfertigt  und  diese  in 
Wasser  oder  Glycerin  untersucht,  sieht  man  die  Zellwände  wohl 
deutlich,  aber  nur  die  an  der  Oberfläche.  Man  hat  dann  vielfach 
„Eau  de  Javelle"  oder  eine  Lösung  von  Chloralhydrat  in  Wasser 
verwendet.  Wir  äusserten  gegen  diese  Methoden  unsere  Bedenken 
in  unserem  Artikel  über  die  Taxusgallen,  welchen  wir  oben 
zitierten. 

Es  ist  schwierig,  die  jüngsten  Zellwände  gut  zu  färben.  Ge- 
braucht man  z.  B.  Eisenhämatoxyline  nach  HEIDENHAIN,  dann  sind 
die  Zellwände  gar  nicht  gefärbt  und  mit  den  meisten  Methoden 
bekommt  man  nur  schwache  Tingierungen,  während  es  absolut  not- 
wendig ist,  gerade  die  jüngsten  Wände  deutlich  und  scharf  sehen  zu 
können.  Es  ist  uns  nun  gelungen,  einige  Methoden  zu  finden, 
welche  auch  die  feinsten  Zellwände  sehr  gut  färben. 


1.  Die  KeriiscliT> arzMethode. 

Beim  Studium  von  Wurzelspitzen  war  es  uns  aufgefallen,  welch' 
schöne  Resultate  dieses  Mittel  gab,  und  auch  weiterhin  hat  es  Brauch- 
bares geliefert.  Wir  färbten  damals  die  Schnitte  während  einer  und 
einer  halben  Stunde  mit  Kern  schwarz  (von  GRÜBLER),  und  dann 
während  24—48  Stunden  in  einer  Safraniulösung  (nach  PFITZNER: 
Safranin  1  g,  Alkohol  absolutus  100,  Wasser  200  ccm).  Die 
Schnitte  wurden  darauf  in  der  üblichen  Weise  mit  Alkohol  oder 
Alkohol  -|-  etwas  HCl  differenziert  und  es  zeigte  sich,  dass  das 
Chromatin  in  den  Kernen  schwarz  war,  die  Nucleolen  rot,  das 
Plasma  rosafarbig,  während  die  Zellwände  ausserordentlich  hellrot 
und  gut  zu  sehen  waren.  Wir  haben  dieses  Mittel  verschiedene 
Male  probiert  und  können  noch  hinzufügen,  dass  die  Färbung  gut 
haltbar  ist.  Wenigstens  ist  im  ersten  Präparat  von  1902  die  Färbung 
immer  gleich  scharf  geblieben. 

Wie  schön  diese  Färbung  nun  auch  ausfallen  kann,  so  hat  sie 
dennoch  die  Schattenseite,  dass  sie  nicht  immer  gelingt.  Es  ist  nicht 
ganz  leicht,  den  Ausziehungsgrad  des  Safranins  so  zu  bekommen, 
dass  alles  gleich  gut  gefärbt  ist.  Jeder,  der  mit  dem  Gebrauch 
dieses  Farbstoffes  bekannt  ist,  wird  dies  zugeben  müssen. 


472  W.  und  J.  Docters  VAN  Leeuwen-Reijnvaan:  über  das  Färben  der  Zellwände. 

Dann  haben  wir  noch  eine  Modifikation  dieses  Verfahrens  oe- 
sucht,  und  fanden  folgendes:  Wenn  man  die  Schnitte  erst  in  Kern- 
schwarz während  einer  halben  Stunde,  dann  in  HANSEN'scher  Häraato- 
xyline  5  Minuten  färbt,  so  sind  auch  alle  Zellwände  gut  dunkel 
gefärbt.  Leider  ist  auch  das  Cytoplasma  dunkel  geworden,  und 
man  muss  darum  mit  hellem  Lichte  arbeiten.  Die  beiden  Methoden 
gaben  wir  in  Kürze  schon  an. 


2.  Die  Lichtgrün-Methode. 

Das  Lichtgrün,  welches  von  BeNDA^)  in  die  Mikrotechnik 
eingeführt  worden  ist,  und  speziell  von  französischen  Untersuchern 
zum  Färben  der  feineren  Bindegewebe-Fibrillen  vielfach  verwendet 
wird,  hat  sich  auch  zum  Tingieren  der  Zellwände  als  sehr  gut  er- 
wiesen. Freilich  ist  es  das  Lichtgrün  nicht  allein;  denn  färbt  man 
Schnitte  nur  mit  Lichtgrün,  so  sind  die  Wände  wohl  zu  sehen,  aber 
da  das  Cytoplasma  auch  grün  geworden  ist,  gibt  es  keine  scharfen 
Differenzen.  Wir  haben  darum  nach  Doppelfärbungen  gesucht,  von 
denen  eine  die  besten  Resultate  lieferte. 

Unser  Streben,  mit  Lichtgrün  nur  die  Zellwände,  und  mit  einem 
anderen  Farbstoff  das  Cytoplasma  färben  zu  lassen,  hat  keinen 
Erfolg  gehabt,  da  das  Lichtgrün  ein  starker  Plasmafarbstoff  ist  und 
den  anderen  wieder  verdrängt.  Es  wird  in  einer  einprozentigen 
oder  schwächeren  alkoholischen  Lösung  verwendet,  färbt  dann  aber 
äusserst  schnell,  so  dass  man  vielfach  das  Präparat  nur  eintauchen 
darf. 

Wir  gebrauchen  nun  stets  folgende  Lösung:  0,1  ^  Lichtgrün  in 
100  Teilen  Wasser  -|-  4  Teilen  Formalin  (von  40  pCt). 

Safranin-Lichtgrün  färbt  zuviel  gleichzeitig,  und  man  be- 
kommt dann,  wenn  die  Zellwände  tingiert  sind,  alles  grün,  ausser 
den  Nucleolen,  welche  leuchtend  rot  sind. 

Die  besten  Resultate  lieferte  uns  Hämatoxyline-Lichtgrün  und 
wir  verfahren  wie  folgt:  Yon  den  verschiedenen  Hämatoxylinlösungen 
fanden  wir  die  von  HANSEN  (siehe  STÖHR^)  am  besten. 

Natürlich  bekommt  man  mit  Lösungen  von  verschiedenem  Alter 
andere  Färbungen;  doch  muss  jeder  dies  für  sich  ausprobieren. 
Wir  färbten  dann  auch  während  3 — 10  Minuten,  stellten  darauf  die 
Präparate  während  4—6  Minuten  in  die  Lichtgrünlösung,  spülten  in 
TOprozentigem  Alkohol  (nicht  in  Wasser)  ab  und  verfuhren  weiter 
wie  gewöhnlich. 


1)  BENDA,  Zeitschr.  für  wiss.  Mikr.  1892. 

2)  Ph.  StöHR,  Lehrbuch  der  Histologie.    Jena,   Reagens  Nr,  35. 


J.  KovCHOFF:  Enzymatischc  Eiweisszersetzung  in  erfrorenen  Püanzen.     473 

Wenn  die  Fcärbung-  gut  gelungen  ist,  und  dies  geschieht  nach 
einiger  Übung  sehr  leicht,  dann  sind  die  Zellkerne  dunkel,  das 
Cytoplasma  hat  einen  leichten,  grünblauen  Ton  angenommen  und  die 
Zellwände  treten  äusserst  scharf  hervor  als  dunkelviolette,  oder 
(wenn  das  Hämatoxylin  nicht  lange  genug  gefärbt  hat)  dunkelgrüne 
Linien.  Am  deutlichsten  erscheinen  die  Präparate,  wenn  die  Zell- 
wände violett  gefärbt  sind. 

Leider  kennen  wir  die  Methode  noch  nicht  lange  genug,  um 
über  die  Haltbarkeit  weitere  Mitteilungen  machen  zu  können.  Ein 
Präparat  von  einer  Foniinalis-Knos'pe  hat  sich  am  Fenster  nun  schon 
während  dreier  Monate  gut  erhalten,  und  im  Dunkeln  aufbewahrt, 
wird  es  wohl  viel  länger  dauern. 

Wir  können  diese  beiden  Methoden  am  meisten  empfehlen; 
speziell  die  letzte  ist  bequem  und  gibt  schöne  Zellwandfärbungen. 


68.  J.  Kovchoff;  Enzymatische  Eiweisszersetzung  in  erfrorenen 

Pflanzen. 

(Eingegangen  am  22.  Oktober  1907.) 


Die  von  Prof.  PalLADIN  ausgearbeitete  Erfrierungsmethode 
lieferte  bei  dem  Studium  der  Atmungsenzyme  höchst  wertvolle 
Resultate^);  es  war  daher  von  Interesse  zu  prüfen,  in  wie  w^eit  sich 
die  genannte  Methode  zur  Erforschung  der  Tätigkeit  proteolytischer 
Enzyme  eignet.  Behufs  vorläufiger  Orientierung  habe  ich  auf  Vor- 
schlag und  unter  Leitung  des  Herrn  Prof.  PALLADIN  folgende  Yer- 
suche  ausgeführt. 

Hinsichtlich  der  einschlägigen  Litteratur  möge  Folgendes  erwähnt 
werden;  BUTKEWITSCH^)  hat  dargetan,  dass  bei  der  10  Tage 
dauernden  Selbstverdauung  zerkleinerte!'  Samenlappen  der  6  tägigen 
Keimlinge  von  Lupinus  angustifolius  bei  35" — 40^  eine  48  pCt.  be- 
tragende Abnahme  des  Eiweissstickstoffs  erfolgt  (die  Samensubstanz 
wurde  vorerst  mit  Äther  bearbeitet).  ZalESKI^)  hat  beobachtet,  dass 
in     den     mit    Wasser     versetzten    Acetonpräparaten     der    reifenden 


1)  PALLADIN,  diese  Berichte,  1905,  S.  240.  —  PALLADIN,  Zeitschr.  f.  physiolog. 
Chemie,  B.  47,  190G,  S.  407.  —  Keasnosselsky,  diese  Berichte,  1905,  S.  142. 

2)  BUTKEW^TSCH,  Zeitschrift  für  physiol.  Chemie.    XXX.     1900. 

3)  Zaleski,  diese  Berichte,  1905,  S.  138,  1906. 


474 


J.  KOVCHOFF: 


Phaseolussamen  eine  Abspaltung  von  39  pCt.  Eiweissstickstoff  statt- 
findet. WeiS^)  hat  neuerdings  erwiesen,  dass  auch  in  erfrorenen 
Objekten  Eiweissabbau  erfolgt. 

Bei  meinen  eigenen  Versuchen  habe  ich  das  Yersuchsmaterial 
in  einige  gleiche  Portionen  geteilt;  eine  davon  wurde  sogleich  ge- 
trocknet (anfangs  bei  100*^,  dann  bei  70°),  die  übrigen  wurden  er- 
froren und  zu  den  Versuchszwecken  benutzt.  Nach  Beendigung  je 
eines  Versuches  wurden  sämtliche  Portionen  getrocknet,  bzw.  aus- 
gekocht und  analysiert.  Die  Versuche  wurden  bei  Zimmertemperatur 
ausgeführt;  der  Gesamtstickstoff  wurde  nach  KJELDAHL,  der  Protein- 
stickstoff wurde  nach  STUTZER  bestimmt.  Die  mikroskopische  Kon- 
trolle ergab,  dass  in  keinem  einzigen  Versuche  Bakterienentwickelung 
stattgefunden  hat. 


Versuch  1. 

17  tägige  Weizenkeimlinge  wurden  oberhalb  der  Erde  abge- 
schnitten und  in  6  Portionen  geteilt.  2  Portionen  wurden  sofort 
getrocknet,  die  übrigen  4  Portionen  w^urden  erfroren  (Dauer  der 
Erfrierung  24  Stunden).  2  Portionen  wurden  auf  Wasser,  die  übrigen 
auf  40  pCt.  Saccharoselösung  gelegt  (ein  jeder  Kolben  wurde  mit 
75  cc  Wasser  bzw.  Saccharoselösung  und  3  cc  Toluol  beschickt,  alsdann 
zugepropft  und  bei  Zimmertemperatur  aufbewahrt).  Versuchsdauer 
5  Wochen;  eine  jede  Portion  wurde  im  Ganzen  analysiert. 


Portionen 

Eiweissstick- 
stoff in  12  g 
der  Frisch- 
substanz 

Mittel 

In  pCt.  des 
Eiweissstick- 
stoiJs  der  Kon- 
trollportion 

Menge    des    abge- 
spaltenen Eiweiss- 

stickstoffs  in 

pCt.  des   Eiweiss- 

stiekstofFs  der 

Kontrollportion 

Kontroll | 

Auf  Wasser \ 

Auf  Zuckerlösung    .    .< 

0  05236 
0,05104 

0,02684 
0,02640 

0,03432 
0,03476 

1       0,05170 

I       0,02662 
1       0,03454 

iOO 

51,4 
668 

48,6 
-    83,2 

Aus  diesem  Versuche  ist  ersichtlich,  dass  in  erfrorenen  Weizen- 
keimlingen eine  intensive  Eiweisszersetzung  stattfindet;  das  betreffende 
Enzym  wird  also  durch  Erfrierung  nicht  getötet  und  seine  Tätigkeit 


1)  Weis,  Comptes  rendus  des  travaux  du  laboratoire  de  Carlsberg,  v.  5  1903, 
pag.  243. 


Enzymatische  Eiweisszcrsetzung  in  erfrorenen  Pflanzen. 


475 


durch  von  GORKE^)  die  in  erfroreneu  Pflanzen  wahrgenommene  Koagu- 
lation der  Eiweisstoffe  nicht  gestört.  PaLLADIN")  hat  ebenfalls  einen 
beträchtlichen  Eiweisszerfall  in  Weizenkeimlingen  beobachtet:  der- 
^selbe  erreichte  54,3  pCt.  im  Verlauf  von  7  Tagen  in  Dunkelheit  bei 
vollem  Ijuftzutritt.  Auf  Zuckerlösung  war  der  Eiweisszerfall  in 
meinem  obigen  Versuche  geringer,  als  auf  Wasser;  dieses  Resultat 
stimmt  mit  demjenigen  von  Frl.  GEOMOW^)  überein,  die  den  Einfluss 
der  Saccharose  auf  die  Selbstverdauung  des  Zymins  studiert  hat.  In 
obigen  Versuchen  ZALESKl's*j  hat  Saccharose  den  Eiweisszerfall  nur 
in  späteren  Stadien  des  Reifeprozesses  verzögert,  übte  dagegen  keine 
Wirkung  auf  die  Substanz  der  im  Anfangsstadium  der  Reife  be- 
griflenen  Samen. 

Versuch  2. 

Erbsensamen  wurden  im  Verlauf  von  einem  Tage  in  Wasser 
eingeweicht,  dann  abgeschält  und  je  (>  Portionen  zu  je  2,2  g  (5  Stück) 
geteilt.  2  Portionen  wurden  sogleich  analysiert  (Kontrollportionen); 
die  übrigen  wurden  erfroren  und  am  folgenden  Tage  in  eine  grosse 
feuchte  Kammer  gebracht,  durch  welche  alsdann  mit  Toluoldampf 
gesättigte  Luft  geleitet  wurde;  da  sich  in  der  Kammer  noch  eine 
mit  Toluol  gefüllte  flache  Schale  befand,  so  war  die  Atmosphäre  der 


Kammer  mit 

Toluol 

vollständig 

gesättigt. 

Portionen 

Eiweiss- 
stickstoff 

:Mittel 

in  pCt.  des 

Eiweissstick- 

stoffs  der  Kon- 

trollporlion 

Menge  des  abge- 
spaltenen Eiweiss- 

stickstoffs  in 

pCt.  des  Eiweiss- 

stickstoffs  der 

Kontrollportion 

Kontroll  .    .    .    . 

,..{ 

0,07276 
0,07476 

{ 

0,0736 1 

100 

— 

Nach  j  Tagen  . 

...{ 

0,064(58 
0,06996 

{ 

0,06732 

91,4 

8,6 

Nach  7  Tagen  . 

•••{ 

0,065(52 

{ 

0,06262 

89,1 

10,9 

Versuch  3. 
Erbsensamen    wurden    nach    5  Tage    dauernder  Keimung    abge- 
schält und  in  zwei  Portionen  zu  je  25  g  geteilt.     Eine  Portion  wurde 
sogleich  getrocknet,    die  andere  wurde  erfroren,   dann  zerrieben  und 
mit    100  cc  Wasser   und  3  cc  Toluol  in  einen  Kolben  gebracht.     Der 


1)  GORKE.    Landwirtschaft!,  Versuchsstationen,  B.  65,  1906,  S.  149. 

2)  Palladin.    Diese  Berichte,  B.  6,  1888,  S.  205. 

3)  Gromow,   Zeitschr.  f.  physiolog.  Chemie,  B.  42,  1904,  H.  4. 

4)  Z.AXESKI.    1.  c.  S.  137. 


476 


J.  KOVCHOFF; 


Kolben  wurde  bei  Zimmertemperatur  belassen  und  von  Zeit  zu  Zeit 
durcho-eschüttelt.  Nach  Ablauf  von  5  Wochen  wurde  die  Versuchs- 
portion  ausgekocht.  In  beiden  Portionen  wurde  Eiweiss  nach  STUTZER 
ausgefällt  und  abfiltriert,  das  Filtrat  wurde  mit  dem  Wascliwasser 
vereinigt  und  bis  auf  1  Liter  mit  Wasser  verdünnt;  dann  wurden 
Portionen  zu  je  100  cc  entnommen  und  zur  StickstofPbestimmung 
(nach  KjELDAHL)  verwendet.  Auf  diese  Weise  wurde  die  Menge  des 
NichteiweissstickstofFs  ermittelt. 


In  100  cc 

In  der  ganzen 
Portion 

In  pCt.  der 

Portionen 

Menge  des 

Nichteiweiss- 

stickstoffs 

Mittel 

Kontroll- 
portion 

Kontroll 

Versuch 

0,00816 

0,00782 
0,00782 

0,01156 
0,01190 
0,01190 

0,00793 
,      0,01179 

0,0793 
0,1179 

100,0 

148,7 

Die  Menge  des  NichteiweissstickstofFs  hat  sich  also  um  48,7  pCt. 
vergrössert. 

Versuch  4. 

60  9  etiolierter  Stengelgipfel  von  Vicia  Faba  wurden  in  zwei 
Portionen  geteilt.  Eine  Portion  wurde  sogleich  getrocknet.  Die 
andere  Portion  wurde  erfroren  und  in  ein  U-Rohr  gebracht,  durch 
welches  alsdann  die  mit  Toluoldampf  gesättigte  Luft  geleitet  wurde. 
Der  Versuch  dauerte  2  Tage. 


Eiweiss- 

Trocken- 
substanz 

Stickstoff 

In  pCt. 

der 
Trocken- 
substanz 

Mittel 

stickstoff 
in  pCt. 

des 
Gesamt- 
stickstoffs 

Eiweiss- 
zer- 

setzung 

_ 

Gesamt- 

r    0,717 
l     0,718 

0,0612 

8,535 

} 

o 

stickstoff 

0,0621 

8,649 

8,o92 

C 

Eiweiss- 
stickstoff 

r    0,761 
l    0,421 

0,0500 
0,0280 

6,570 
6,650 

} 

6,610 

76,93 

(jfesamt- 
stickstoff 

r    0,560 
l    0,647 

0,0513 
0,0605 

;i,160 
9,350 

} 

9,255 

> 

Eiweiss- 
stickstoft 

f    0,852 
l    0,399 

0,0559 
0,0263 

6,561 
6,.591 

} 

6,.576 

71,05 

-7,6 

Enzymatische  Eiweisszersetzung  in  erfrorenen  Pflanzen. 


477 


Versuch  ">. 

7b  g  etiolierter  Blätter  von  Yicia  Faba  wurden  in  2  Portionen 
Eine  Portion  wurde  sofort  getrocknet.  Die  andere  Portion 
wurde  erforen  und  in  ein  U-Rohr  gebracht,  durch  welches  alsdann 
der  mit  Touoldampf  gesättigte  Wasserstoff  geleitet  wurde.  Der 
Versuch  dauerte  4  Tage. 


geteilt 


Eiweiss- 

Trocken- 
substanz 

Stickstoff 

In  pCt. 

der 
Trocken- 
substanz 

Mittel 

stickstoff 
in  pCt. 

des 
Gesamt- 
stickstoffs 

Eiweis- 

zer- 
setzung 

Gesamt- 
stickstoff 

r   0,2420 
l   (1,2570 

0  02403 
0,02671 

9,929 
10,393 

10,161 

o 

Eiweiss- 
stickstoff 

f   0,3370 
1   0,3345 

0,02361 
0,02342 

7,00(; 
7,001 

1 

7,004 

68,93 

Gesamt- 
stickstoff 

f    0,2735 
l    0,272() 

0,02690 
0,02(;84 

9,835 
9,867 

1 

9,852 

> 

Eiweiss- 
stickstoff 

f   0,3445 
l   0,3415 

0,02177 
0,02189 

6,319 
6,409 

1 

6,364 

64,59 

-  6,3 

Versuch  6. 
Grüne  Blätter  von  Vicia  Faba  wurden  in  16  Portionen  zu  je  A  g 
geteilt  und  im  Verlauf  von  fünf  Tagen  auf  10  pCt.  Saccharoselösung 
kultiviert.  Zwei  Portionen  wurden  getrocknet  und  die  übrigen 
Portionen  erfroren.  Die  erfrorenen  Portionen  wurden  auf  50  ccm 
der  lOprozentigen  Saccharoselösung  -|-  0,25  g  phosphorsaures  Natrium 
-|-  2  ccm  Toluol  gelegt. 


In  Pro- 
zenten des 

Eiweiss- 

Eiweiss-N 

Mittel 

Eiweiss-N 
der  Kontroll- 
portion 

zersetzung 
in  pCt. 

Kontrollportion  .    . 

1 
•    •    ■   1 

0,053  68 
0,055  44 

1 

0,054  56 

100,0 

— 

5  Tage     

f 
•    •    ( 

0.044  44 
0,048  40 

1 

0,046  42 

85,1 

14,9 

10  Tage   

•    • 

0,046  20 
0,049  28 

} 

0,047  74 

87,5 

12,5 

15  Tage   

...j 

0,046  58 
0,046  92 

} 

0,046  75 

85,7 

14,3 

20  Tage   

...j 

0,016  24 
0,046  24 

} 

0,046  24 

84,8 

15,2  ' 

478    J-  KovCHOFF:  Enzymatisclie  Eiweisszersetzung  in  erfrorenen  Pflanzen. 


Man  bemerkt  also  die  starke  Eiweisszersetzuno-  nur  während  der 


ersten  fünf  Tao-e. 


Yersuch  7. 


Etiolierte  Blätter  von  Vicia  Faba  wurden  in  6  Portionen  zu  je 
3  g  geteilt.  2  Portionen  wurden  getrocknet  und  die  übrigen  Portionen 
erfroren.  Die  erfrorenen  Portionen  wurden  auf  40prozentige 
Saccharoselösung  mit  Toluol  gelegt. 


In  Pro- 
zenten der 

Eiweiss- 

Eiweiss-N 

Mittel 

Eiweiss-N 
der  Kontroll- 
portion 

zersetzung 
in  pCt. 

Kontrollportion 

17  Tage [ 

34  Tage | 


0,038  08 
0,040  12 


0,039  10 

0,035  87 

,035  70     n    nn-r,7n 
,035  70     1/  Ö,Oo^'Ö 


0,035  36 
0,036  38 


100,0 
91,7 
91,3 


8,3 

8,7 


Yersuch  8. 

\'l.  XI.  wurden  56  g  etiolierter  Blätter  von  Vicia  Faba  ab- 
gehoben und  in  4  Portionen  zu  je  14  g  geteilt. 

1.  Portion  wurde  sogleich  getrocknet. 

2.  Portion  wurde  erfroren. 

3.  und  4.  Portion  wurden  auf  lOprozentige  Saccharoselösung 
gelegt. 

13.  XI.  2.  Portion  wurde  in  ein  U-Eohr  gebracht,  durch  welches 
alsdann  die  mit  Toluoldampf  gesättigte  Luft  geleitet  wurde. 

16.  XL  3.  und  4.  Portion  w^urden  von  der  Zuckerlösung  abge- 
hoben.    3.  Portion  wurde  getrocknet,  4.  Portion  wurde  erfroren. 

17.  XI.  4.  Portion  w^urde  in  ein  U-Rohr  gebracht,  durch  welches 
alsdann  die  mit  Toluoldampf  gesättigte  Luft  geleitet  wurde.  Der 
Yersuch  (2.  und  4.  Pontion)  dauerte  vier  Tage. 

Die  Hauptergebnisse  der  beschriebenen  Yersuche  lassen  sich 
folgendermassen  zusammenfassen: 

1.  Das  proteolytische  Enzym  wird  durch  Erfrierung  der  Pflanzen 
nicht  zerstört;  die  von  PaLLADIX  erfundene  Erfrierungs- 
methode lässt  sich  also  bei  dem  Studium  des  proteolytischen 
Enzyms  anwenden. 

2.  Die  Tätigkeit  des  proteolytischen  Enzyms  wird  in  einigen 
Fällen  durch  Saccharose  abgeschwächt. 


L.  WiTTMACK :  Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern. 


479 


yf 

enge  der  Trocken- 
substanz 

enge  des  Stickstoffs 

enge  des  Stickstoffs 
in  pCt.  der  Trocken- 
substanz 

CD 

1  pCt.  des  Gesamt- 
stickstofifs 

ififerenz  des  Eiweiss- 
N  in  pCt.  des 
Eiweiss-N  der 
Kontrollportion 

_S 

S 

S 

S 

a 

Mit  Zucker  nicht 

ernährt: 

^       Gesamt-N  .   .   . 

i3    , 

{ 

0.2680 
0,2080 

0,02(5  41 
0,020  5«; 

9,854 

9,884 

1 
f 

9,869 

^       Eiweiss-N  .    .    . 

0,2860 
0,2890 

0,021  47 
0,021  78 

7,507 
7,536 

1 
\ 

7,522 

76,22 

'S       Gesanit-N  .   .    . 

0,2300 
(»,2805 

0.022  27 
0,027  15 

9,682 
9,679 

1 

9,(581 

CO       < 

'"     1 

►^       Eiweiss-N  .    .    . 

0,3415 
0,2935 

0.024  40 
0,021 05 

7,148 
7,172 

1 

7,160 

73,96 

-3,0 

Mit  Zucker  er- 

nährt: 

^       Gesamt-N  .    .    . 

.4.^        , 

( 

0,4000 
0,3665 

0,020  92 
0,019  22 

5,230 
5,244 

} 

5,237 

^       Eiweiss-N  .    .   . 

1 

1 

0,4930 
0,5395 

0,020  98 
0,023  00 

4.255 
4,263 

1 

4,259 

81,32 

<%    j  Gesamt-N  .    .    . 

CO     <r 

■ 

0.4960 
0,5915 

0,027  69 
0,03300 

5,582 
5,579 

} 

5,581 

{^   1  Eiweiss-N  .    .    , 

1 
1 

0,5800 
0,5520 

0.026  96 
0,02617 

4,648 
4,741 

1 

4,695 

84,12 

+  3,4 

St.  Petersburg,  Pflanzenphysiologisches  Institut  der  Universität. 


69.   L  Wittmack:   Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern. 

Eingegangen  am  25.  Oktober  1907. 


Herr  Dr.  WALTER  LEHMANN,  wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter 
im  Königl.  Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin,  übergab  mir  vor 
einiger  Zeit  einige  Gegenstände  zur  Bestimmung,  welche  ein 
schwedischer  Forscher,  Herr  ERIK  BOMANN,  Mitglied  der  „Mission 
scientifique  du  COMTE  DE  CREQUI-MONTFORT"  in  alten  Indianer- 
gräberu  zu  Calaraa  im  nördlichen  Chile,  '2266  ?n  auf  der  Puna,  nahe 

Ber,  der  deutschen  Bot.  Gesellsch.    XXV.  og 


480  L.  WiTTMACK: 

der  Wüste  Atacama,  gefunden.  Ich  gebe  hier  zunächst  eine  Über- 
sicht aber  sämtliche  Gegenstände,  um  dann  auf  die  merkwürdigsten 
näher  einzugehen. 

Meine  laufende  Nr.  1.  Bezeichnet:^)  ,,H  1.  Samen  (essbar?)  in 
einer  halben  gravierten  Kalebasse,  Grab  auf  dem  vorspanischen 
Friedhof  von  Calama".  —  Sind  die  Samen  einer  Prosopis-kxt.  Da 
aber  von  vielen  Prosopis  die  Hülsen  und  Samen  nicht  beschrieben 
sind,  lässt  sich  die  Spezies  vorläufig  nicht  genau  bestimmen. 

Nr.  2.     Bezeichnet:  „H  2  usw.  wie  1".     Ist  dasselbe  wie  1. 

Nr.  3.  Bezeichnet:  „H  3.  Mais  in  einer  Schale".  —  Sind  lose 
o-rosse  dicke  Körner  mit  einer  ganz  kurzen  einwärts  o-eboo-enen 
Spitze,  offenbar  dem  Griffelansatz.  Die  Farbe  ist  hellbräunlich-gelb. 
Obwohl  keine  Kolben  vorhanden  sind,  möchte  ich  annehmen,  dass 
sie  zu  meiner  A'arietät  Zea  Ma^js  peruviana  aus  den  Gräbern  von 
Ancon  bei  Lima  gehören  (Zeitschr.  für  Ethnologie  XII,  1880,  S.  95; 
KüRNICKE  und  WERNER,  Handbuch  des  Getreidebaues  I,  S.  377). 
Sie  gleichen  den  Körnern  dieser  Varietät  ausserordentlich.  Der 
moderne  sogen.  Cwra^wa-Mais  aus  Chile  ist  ähnlich,  aber  die  Körner 
des  letzteren  sind  viel  kleiner.  —  Dieselben  Maiskörner  wie  Nr.  3 
finden  sich  unter  Nr.  6. 

Nr.  4.  Bezeichnet:  „H  4.  Fasern  von  einer  geflochtenen 
Schüssel".  Mit  Bleistift  ist  (wohl  in  Paris,  wo  die  Sachen  zuerst 
waren)  dabei  geschrieben:  SHpa.  —  Es  ist  möglich,  dass  es  eine 
Stipa  oder  Verwandte  ist,  doch  ist  das  Material  zu  brüchig,  als  dass 
ich  bis  jetzt  zu  einer  sicheren  Bestinmiung  kommen  konnte. 

Nr.  5  fehlt. 

Nr.  6.  Bezeichnet:  ,,H  6.  Mais  in  einer  Schale".  —  Sind  die- 
selben Körner  von  Zea  Mays  peruviana  wie  Nr.  3,  aber  viel  schöner 
erhalten,  prächtig  gelbbraun,  fast  isabellfarbig,  ca.  12  mm  lang, 
6 — 8  mm  breit  und  vorn  ebenso  dick  (d.  h.  hoch). 

Nr.  7.  Bezeichnet:  ., Calama  s/n"  (s/n  soll  wohl  heissen:  sans 
numero)  „Inhalt  eines  Gefässes".  —  Dieses  ist  ein  ganz  merk- 
würdio'er  Gegenstand.  Er  stellt  eine  hellbräunliche  Masse,  aus- 
sehend  fast  wie  Erdklumpen,  dar,  in  der  viele  tönnchenförmige 
Höhlungen  sich  finden.  Diese  dürften  von  Fliegenmaden  her- 
rühren, die  sich  darin  verpuppt  haben,  und  zwar  nach  Herrn 
Dr.  GrCnBERG,  dem  tüchtigen  Dipterenkenner  am  Zoologischen 
Museum  in  Berlin,  von  Fliegen  aus  der  Gruppe  der  Museiden.  Man 
findet  auch  noch  Teile  der  Insekten,  z.  B.  Leibesringe,  aber  eine 
Bestimmung  ist  nach  der  Untersuchung  des  Herrn  Dr.  GrCx\BERCt 
nicht  möglich. 


1)   Die  Bezeichnungen    sind  in   französischer  Sprache;   ich   gebe   sie   hier   in 
Übersetzung. 


Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern.  481 

Ich  glaubte  anfänglich,  als  ich  die  vielen  Tönnchen  sah, 
dass  die  ganze  Masse  vielleicht  von  einem  Insektenbau  herrühre; 
dfls  konnte  aber,  wie  Herr  Professor  Dr.  Brauee,  Direktor  des 
Zoologischen  Museums,  und  Herr  Dr.  GrCnbEEG  mir  sagten,  nicht 
der  Fall  sein. 

Schliesslich  habe  ich  nun,  namentlich  nachdem  ich  etwas  von 
der  Masse  erhitzte  und  von  den  darin  befindlichen  Schalenteilen 
Querschnitte  machte,  gefunden,  dass  das  Ganze  eingetrocknete 
Maische  von  Mais  ist.  Schon  auf  den  Flächenansichten  erwiesen 
sich  die  Schalenteile  als  Mais,  obwohl  die  Zellen  infolge  des  Alters 
gelitten  hatten;  Querschnitte  durch  dieselben  mit  Chloralhydrat  be- 
handelt stellten  das  aber  untrüglich  fest;  man  sieht  sehr  schön  die 
Querschnitte  der  Lumina  der  Längszellen.  —  Ganz  vereinzelt  finden 
sich  noch  Mais-Stärkekörner,  meist  etwas  verkleistert  oder  sonst 
verändert;  mit  Jod  färben  sie  sich  indes  noch  blau. 

Nachdem  ich  dies  gefunden,  erklärte  sich  auch  sehr  gut  die 
grosse  Menge  von  Pilzsporen,  Oidium-Mycel  und  Hefezellen;  von 
letzteren  fand  ich  auch  eine  Mutterzelle  mit  noch  daran  sitzender 
Tochterzelle.  —  So  hat  also  den  Toten  neben  Speise  auch  das 
Nationalgetränk,  das  Maisbier,  die  Akha,  von  den  Spaniern  Chicha 
genannt,  nicht  gefehlt!  Über  die  Bereitung  der  Akha  siehe 
V.  TSCHUDI:  „Beiträge  zur  Kenntnis  des  alten  Peru"  in  Denkschriften 
der  Akad.  der  Wiss  ,  Wien,  1891,  S.  10.  —  Möglicherweise  ist  diese 
Masse  Akha  aus  gekautem  Mais,  wie  sie  in  der  Sierra  für  manche 
Feste  bereitet  wurde;  diese  war  fast  so  dick  wie  Brei. 

Nr.  8.  Bezeichnet:  ,,H  8.  Samen  in  einem  kleinen  Säckchen 
zwischen  den  Kleidern  eines  Leichnams".  —  Sind,  wie  sich  nach 
laugen  Untersuchungen  herausstellte,  wahrscheinlich  Samen  von 
einer  der  vielen  in  Chile  vorkommenden  Sisi/mbi'ium- Arten,  wohl 
nicht  CapseUa  bursa  pasforis,   wie  ich  bisher  meinte  (siehe  unten). 

Nr.  9.  Bezeichnet:  ,,B  119.  Puerta  de  Castil  (oder  heisst  es 
Tastil?)  Geflecht  (vanuerie)'.  —  Sind  ganz  kleine,  häckselartige, 
schlecht  erhaltene  Bruchstücke.  Gehören  einer  Monokotyl edone 
an,  die  sich  aber  noch  nicht  näher  bestimmen  Hess. 

Nr.  10.  Ohne  nähere  Bezeichnung.  Schon  in  Paris  als  Prosopis 
siliqiiastrum  bestimmt,  was  ich  nur  bestätigen  kann. 

Nr.  11.  Ohne  nähere  Bezeichnung.  Sind  Hülsen  einer  anderen 
Prosopis-  Axt. 

Nr.  12.     Ohne  nähere  Bezeichnung.     Ist  dasselbe  wie  Nr.  11. 

Der  merkwürdigste  Fund  scheint  mir  Nr.  8,  die  Sisyinhriuvi 
Samen,  zu  sein.  Meine  am  12.  September  in  Dresden  und  am 
25.  Oktober  in  Berlin  ausgesprochene  Meinung,  dass  es  Samen  der 
Hirtentasche,  CapseUa  bursa  pasforis,  seien,  möchte  ich  jetzt  doch 
nicht  mehr  aufrecht  erhalten.     Damit  fällt  dann  freilich  der  botanische 

:33* 


482  L.  WiTTMACK:  Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern. 

Beweis,  dass  diese  Gräber  auch  nach  der  spanischen  Eroberung  noch 
benutzt  wurden,  der  sich  darauf  stützte,  dass  Capsella  bursa  pastoris, 
wie  Gay  in  seiner  Flora  chilensis  I,  173  vermutet,  aus  Europa  einge- 
schleppt ist.  Herr  Dr.  LEHMANN  hat  dafür  aber  ethnologische  Be- 
weise. In  der  grossen  Calchaqui-'^ammluug,  die  das  Museum  für 
Völkerkunde  in  Berlin  von  Herrn  Z AVALETA  erworben,  hat  IjEHMANN 
nämlich  eine  ganze  Reihe  aus  spanischer  Zeit  (16.  Jahrhundert) 
stammender  Sachen,  Metallgegenstände,  Glassperlen  usw.  gefunden. 
Die  fraglichen  Samen  sind  sehr  klein,  länglich,  etwas  abgeplattet, 
kaum  0,75  7mn  lang,  0,4  7nm  breit,  0,2  mm  dick.  Eine  Seite  ist  oft 
etwas  länger,  das  ist  die  Seite,  an  der  das  Würzelchen  liegt.  Viele 
sind  verschrumpft,  ein  Inhalt  ist  meistens  nicht  vorhanden  und  wenn 
das  der  Fall,  ist  er  stets  undeutlich.  Infolge  des  Alters  sind  die  Samen 
schwarzbraun,  werden  aber  mit  Chloralhydrat  schön  bräunlich  gelb. 
Trocken  unter  dem  Mikroskop  betrachtet,  zeigen  sie  eine  fein 
warzige  Oberfläche.  In  Wasser  gelegt,  tritt  in  der  Mitte  jeder  Ober- 
hautzelle eine  stark  lichtbrechende  Schleimpapille  hervor,  die  aber 
nicht  mehr  verschleimt.  Dies  sind  eben  die  Wärzchen.  Ich  finde 
manche  Ähnlichkeit  in  Grösse,  Form  und  Bau  mit  den  Samen  von 
Sisyvihrium  Sophia  und  officinale,  die  beide  auch  in  Chile  vorkommen. 
Wahrscheinlich  sind  diese  in  Chile  ebenso  gut  eingeschleppt  wie  in 
Nordamerika,  obwohl  GAY  das  nicht  sagt.  Für  Nordamerika  ist  es 
sicher,  denn  in  Asa  Graijs  Manual  of  the  Botamj  of  the  Northern  United 
States  6.  Aufl.  von  James  Watson  und  John  M.  Coulter  1889,  S.  72  heisst 
es  bei  S.  Sophia,  officinale,  Thalianum  u.  Alliaria:  Naturalized 
from  Europe.  Ich  finde  besonders  in  der  Form  mehr  Ähnlichkeit  mit 
den  Samen  von  Sistjmbrimn  Sophia  als  mit  den  Samen  der  typischen 
chilenischen  Sisymbrium,  indes  von  letzteren  habe  ich  nur  bei 
wenigen  Arten  im  Herbar  des  Königlichen  botanischen  Museums  reife 
oder  annähernd  reife  Samen  gefunden.  —  Möglicherweise  gehören 
die  Samen  einer  anderen  chilenischen  Crucifere  an;  das  lässt  sich 
aus  Mangel  an  Vergleichsmaterial  einerseits  und  bei  dem  Fehlen 
eines  Embryos  in  den  alten  Samen  andererseits  nicht  sicher  ent- 
scheiden. Schleimpapillen  kommen  bekanntlich  bei  manchen 
Cruciferen-Samen  vor.  Mit  Sisi/mbrium  haben  die  vorliegenden 
Samen  aber  die  grösste  Ähnlichkeit.  Zu  welchem  Zwecke  die 
Samen  den  Toten  beigegeben  sind,  bleibt  einstweilen  rätselhaft.  Ich 
finde  nirgends  eine  Angabe,  dass  Sisymbrium  als  Gemüse  in  Chile 
benutzt  wurde. 


Sitzung  vom  29.  November  1907.  483 


Sitzung  vom  29.  November  1907. 

Vorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Der  Vorsitzende  macht  der  Gesellschaft  Mitteilung  von  dem 
schmerzlichen  Verluste,  welchen  sie  durch  das  am  23.  August  1907 
erfolgte  Ableben  des  Königl.  Gartenbaudirektors,  Herrn 

W.  Perring, 

Inspektors  des  Königl.  botanischen  Gartens  zu  Berlin-Dahlem,  sowie 
durch  das  am  29.  Oktober  1907  erfolgte  Ableben  des  ausgezeichneten 
Präparators,  Herrn 

Johann  Diedrich  Möller 

in  Wedel  (Holstein)  erlitten  hat.  Beide  Herren  haben  unserer 
Gesellschaft  seit  langer  Zeit  angehört,  Herr  PERRING  seit  1884,  Herr 
MÜLLER  seit  1882. 

Um  das  Andenken  an  die  Verstorbenen  zu  ehren,  erhoben  sich 
die  Anwesenden  von  ihren  Sitzen. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Herren: 

Bode,  Dr.,  Assistent  am  Institute  für  Gärungsgewerbe  in  Berlin  N., 
Seestrasse  61  (durch  O.  APPEL  und  P.  LiNDNER). 

Furlani,  Dr.  philos.  Hans,  k.  k.  Gymnasiallehrer  in  Nikolsburg  (durch 
AV.  FlGDÜR  und  K.  LiNSBAUER). 

Klemt,  Dr.  F.,  in  Berlin,  Spandauer  Brücke  13  (durch  G.  VOLKENS  und 
Th.  Loesener). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Fries,  Dr.  Robert  Elias,  in  Stockholm. 

Schellenberg,  Gustav,  Assistent  in  München. 

Lepeschkin,  Dr.  Wladimir,  in  St.  Petersburg. 

Gutzeit,   Professor  Dr.,    in    Königsberg  i.  Pr.,    z.  Z.  in  Dahlem 

b.  Berlin. 
Laibach,  Dr.  Friedrich,  in  Dahlem  b.  Berlin. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  34. 


484  Sitzung  vom  29.  November  1907. 

Herr  SCHWENDENER  teilte  mit,  dass  von  den  meisten  der  anlässlich 
unserer  Jubiläumsfeier  zu  Ehren-  und  korrespondierenden  Mitgliedern 
ernannten  Herren  bereits  Dankschreiben  für  die  ihnen  zuteil  ge- 
wordene Ehrung  eingetroffen  sind. 


Herr  P.  LlNDNER  demonstrierte  eine  prachtvoll  gefärbte  Kultur 
von  Fusarium  'purpureum^  die  in  einem  mit  dünner  Würze- 
gelatineschicht ausgekleideten  Rollzylinder  gewachsen  war.  Die 
zentralen  Strahlen  des  Mycels  waren  mehr  oder  weniger  intensiv 
purpurrot  gefärbt,  die  Känder  der  Kolonie  jedoch  gingen  in  einen 
o-elblichen  und  zuletzt  weissen  Farbenton  über. 

Weiterhin  legte  er  Mückenlarven  von  Corethra  plumicornis  vor, 
die  in  ihrer  Leibeshöhle,  nicht  im  Darm,  dicke  weisse  Kolonien  (bis 
6  und  mehr)  eines  hefeartigen  Organismus  enthielten.  Die  einzelnen 
Kolonien  bestanden  aus  vielen  tausenden  von  eiförmigen  Zellen. 
Eine  Sprossbildung  war  bisher  nicht  aufzufinden  gewesen,  auch  ist 
es  vorderhand  noch  nicht  gelungen,  die  Hefe  zur  Keimung  zu 
bringen.  Der  Vortragende  erinnerte  an  die  Arbeit  von  SCHAUDINN 
über  den  Mageninhalt  von  Cule^  pipiens  und  die  Bedeutung  der 
darin  gefundenen  Hefen  für  die  sogenannte  Quaddelbildung  nach 
dem  Stich  der  Mücke.  Leider  sei  der  hefenartige  Organismus  der 
Mücke,  der  das  eingesaugte  Blut  im  Vormagen  unter  Kohlensäure- 
entwicklung zur  Gärung  bringe,  von  SCHAUPINN  nicht  näher  be- 
schrieben worden.  Der  Vortragende  regt  an,  die  Süsswassertiere  in 
Aquarien  auf  Hefenorganismen  öfter  zu  untersuchen.  MeTSCHNIKOFF 
habe  ja  z.  B.  in  dem  Dnphnia-Kr ehs  die  bemerkenswerte  Monospora 
cuspidata  gefunden,  welche  im  Darm  langgestreckte  Zellen  mit  je 
einer  stricknadelförmigeu  Spore  bilde,  die  sich  bei  den  peristaltischen 
Darmbewegungen  durch  die  Darmwand  durchbohre  und  in  der 
Leibeshöhle  hefenartig  aussprosse.  Seitdem  ist  diese  Hefe  nicht 
wieder  beobachtet  worden.  In  der  Corethra-Jja.rYe  übertreffe  die 
Hefenmasse  sicher  das  Gewicht  der  sonstigen  Körpermasse.  Nicht 
jede  Larve  hatte  solche  Hefensäcke;  auf  1000  Exemplare  kamen 
ungefähr  c — 5  mit  dieser  Lifektion  vor.  Die  Larven  wurden 
anscheinend  durch  dieselbe  gar  nicht  behindert  und  waren  ebenso 
lebhaft  wie  die  nicht  infizierten.  Eine  Larve  war  trotz  dreitägigen 
Aufenthaltes  in  ungehopfter  Bierwürze  lebend  geblieben. 

Die  Hefe  scheine  sich  ebenso  schwer  züchten  zu  lassen,  wie  die 
in  den  Schildläusen  auf  Myrthe,  Oleander,  Efeu  und  Lorbeer  beob- 
achtete parasitische  Apiculatus-Heie,  die  Vortragender  vor  12  Jahren 
entdeckt  hat.     Jede  künstliche  Nährlösung  hat  bisher  versagt. 

Diese  Hefe  könne  ihre  Art  nur  dadurch  erhalten,  dass  sie  die 
jungen    Eier    in    den    Ovarien    beimpfe;    die    Zellen    wachsen    zeit- 


A.  USTERI:  Studien  über  Carica  Papaya  L,  485 

11  dem  einen  Pol  zu  einer  dolchartigen  Spitze  aus,  aus  der 
nach  dem  Durchbohren  der  Eihaut  dann  die  Tochterzelle  hervor- 
sprosse. Von  sämtlichen  2000  und  mehr  jungen  Schildläusen,  die 
Vortragender  untersucht,  sei  nicht  eine  einzige  gefunden  worden, 
die  nicht  schon  die  Hefenimpfung  erhalten  hätte.  Wahrscheinlich 
handelt  es  sich  um  dieselbe  Hefe,  die  HaRTIG  in  kranken  Nonnen- 
raupen gefunden.  HarTIG  vermutet,  dass  dieser  Organismus  das 
schnelle  Erlöschen  einer  Nonnenepidemie  bei  Nürnberg  bewirkt 
habe. 

Die  vorstehenden  Mitteilungen  regten  zu  einer  lebhaften 
Diskussion  an.  Es  wurde  erwähnt,  dass  bei  manchen  Käfern 
{A7iobiu77i-\rten)  und  bei  Ameisen  und  Termiten  im  Darm  Hefen 
gefunden  seien.  Vortragender  wies  hin  auf  das  häufige  Vorkommen 
von  Hefen  bei  Vegetariern,  ferner  bei  Körnerfressern.  In  Südafrika 
sammele  man  die  Exkremente  des  Klippdachses,  um  sie  als  Anstell- 
hefe für  das  Pombebier  zu  benutzen.  Eine  den  Medizinern  sehr 
geläufige  Erscheinung  sei  das  Vorkommen  von  Hefen  in  Stuhlgängen 
von  Cholera-  und  Dysenteriekranken.  BUSSE  hat  pathogene  Hefen 
in  der  Haut  nachgewiesen.  Leider  sei  eine  genauere  Bestimmung 
und  Charakteristik  dieser  Hefen  nicht  gegeben  worden. 

^  Etwaige  Angaben  über  neuere  Beobachtungen  von  Hefen  in  der 
Natur  oder'  gar  Einsendungen  von  entsprechendem  Material  würde 
Vortragender  dankbar  begrüssen.  Adresse:  Berlin  N.  65,  Institut  für 
Oärungsgewerbe. 


Mitteilungen. 


70.  A.  Usteri:  Studien  über  Carica  Papaya  L. 

Mit  einer  Abbildung  im  Text, 
(l'jingegangen  am  28.  Oktober  1907). 


Vorliegende  Arbeit  enthält  einige  Ergebnisse  von  Untersuchungen, 
die  ich  im  Laufe  von  einigen  Jahren  an  Carica  vornahm.  Ursprünglich 
war  meine  Absieht,  nur  die  Bestäubungs-  und  Befruchtungserschei- 
nungen zu  untersuchen.  Inzwischen  habe  ich  aber  ausserdem  mor- 
phologische und  anatomische  Studien  gemacht,  die  einige  Resultate 
ergaben.     Ich  beginne  mit  der 

34* 


486  A.  USTEEI: 

Morphologie  der  Blüten. 

Unmittelbar  unter  der  Insertionsstelle  der  in  2/5-Stellung  an- 
geordneten Blätter  nähern  sich  3  Fibrovasalbündel,  um  sich  in  der 
Blattinsertionsstelle  zu  zerteilen  und  im  Blattstiel  einen  geschlossenen 
Zylinder  zu  bilden.  In  den  obersten  Blättern  sind  die  Seitenuerven 
dem  medianen  sehr  genähert.  Ein  Querschnitt  an  dieser  Stelle  zeigt 
ein  Fünfeck,  in  dessen  Ecken  je  ein  Gefässbündel  sichtbar  ist. 

Ein  ganz  ähnliches  Bild  bietet  ein  Querschnitt  durch  den  Frucht- 
knoten. Ein  Fünfeck  mit  fünf  eckenständigen  Gefässbündeln.  Diesen 
Bündeln  opponiert,  also  an  den  Stellen,  wo  die  folgende  Blattspirale 
auftreten  müsste,  wenn  man  den  Fruchtknoten  als  einen  modifizierten 
Spross  auffasst,  findet  man  die  Buchten  der  Ovarialhöhle  mit  den 
anatropen  und  ihre  Micropyle  etwas  nach  unten  wendenden  Ovulis. 
Mit  den  Buchten  aber,  also  auch  mit  den  äusseren  Gefässbündeln, 
alternieren  fünf  weitere  Gefässbündel.  Ich  fasse  sie  auf  als  die 
seitlichen,  hier  erhalten  gebliebenen  Bündel  der  Blattinsertionen. 
Das  Medianbündel  ist  mit  dem  Auftreten  der  Ovula  verloren  ge- 
gangen. Unter  der  Ovarialhöhle  tritt  dieser  Medianstrang  sehr 
deutlich  in  die  Erscheinung. 

Der  Fruchtknoten  von  Carica  besteht  demnach  aus  10  und  nicht 
wie  BaiLLON^)  (1)  und  nach  ihm  viele  andere  Autoren  angeben, 
aus  5  Carpellen.  Man  könnte  einw^enden,  der  äussere  Kreis  sei 
überhaupt  nicht  zur  Bildung  von  Ovulis  befähigt  und  gehöre  nicht 
dem  Fruchtknoten,  sondern  dem  in  der  weiblichen  Form  abor- 
tierten Androeceum  an.  Die  äusseren  Teile  des  Fruchtknotens  wären 
demnach  umgewandelte  Staubblätter.  Dass  dem  nicht  so  ist,  be- 
weist der  Umstand,  dass  man  gelegentlich  bei  der  Eryistiiiovm 
Blüten  antrifft,  die  neben  einem  vollkommen  ausgebildeten,  lOglied- 
rigen  Androeceum  einen  normalen  Fruchtknoten  aufweisen.  Ein 
solches  Ovarium  müsste  dann  nur  5  Gefässbündel  zeigen,  was  nicht 
der  Fall  ist.  Man  kann  auch  an  diesen  Fruchtknoten  die  10  Bündel 
sehr  leicht  nachweisen. 

Man  könnte  einwenden,  die  Fibrovasalstränge  des  Fruchtknotens 
dürften  nicht  mit  solchen  von  Blättern  verglichen  werden,  weil 
dadurch,  dass  die  innersten  Gefässbündel  im  Fruchtknoten  unter  der 
Ovarialhöhle  aufhören,  die  Analogie  des  Fruchtknotens  mit  einem 
Blattsprosse  gestört  werde.  Dieser  Einwand  wird  dadurch  widerlegt, 
dass  gelegentlich  diese  innersten  Gefässbündel  ebenfalls  weiter 
wachsen    und    Anlass    zur  Bildung    einer    „Frucht  in  Frucht"  geben 

(Fritz  Müller)  (5). 


1)  BailloN  sagt  -wörtlich:    „Dans    l'ovaire  se  voient  cinq  placentas  parietaux, 
plus  Oll  nioins  proeminents  .  .  ." 


Studien  über  Carica  Papaya  L.  487 

H.  Graf  zu  SOLMS-LaUBACH  (8)  unterscheidet  von  Carica  Papaya 
mehrere  Formen,  die  ich  im  Folgenden  einer  Betrachtung  unter- 
ziehen will. 

a)  Forma  Corveae. 

Der  Baum  bildet  lange,  herabhängende  Blütenstände  mit  männ- 
lichen und  Zwitterblüten.  Die  letzteren  finden  sich  stets  als  End- 
blüten der  Dichasien  und  treten  gegen  Ende  der  lang  andauernden 
Blütezeit  nicht  mehr  auf.  Der  Blütenstand  wird  von  SOLMS  als  eine 
^Rispe  mit  dichasialen  Auszweigungen"  angesprochen.  Man  könnte 
ihn  auch  als  ein  Dichasium  betrachten,  an  dem  bei  den  Verzwei- 
gungen niederer  Ordnung  ein  Ast  stärker  gefördert  wäre  als  der 
andere.  In  diesem  Falle  müsste  man  annehmen,  dass  der  mittlere 
Ast  nicht  vollständig  verloren  o-egangen,  sondern  mit  dem  stärker 
geförderten  Ast  verwachsen  sei,  so  dass  die  „Abgliederungsschwiele" 
nicht  an  der  Yerzweigungsstelle,  sondern  etwas  oberhalb,  am 
stärkeren  Ast,  zu  suchen  wäre.  Diese  Betrachtungsweise  hätte  den 
Vorteil,  dass  man  den  Blütenstand  der  Correadoxm  auf  denjenigen 
der  rein  weiblichen  Form  zurückgeführt  hätte. 

Die  Zwitterblüten  der  ( 'orreaeiorm  zeigen  eine  lange  Kronröhre 
und  ein  lügliedriges,  epigynes  Androeceum,  das  aus  zwei  Kreisen  be- 
stehen dürfte,  doch  lassen  sich  die  beiden  Kreise  nicht  mehr  er- 
kennen. Das  Gynoeceum  ist  trimer,  seltener  tetramer  oder  peutamer. 
Dem  entsprechend  finden  wir  3,  4  oder  5  Narben,  von  denen  die 
eine  gewöhnlich  stark  nach  unten  gebogen  ist,  so  dass  ihre  Papillen 
direkt  mit  den  Antheren  in  Berührung  kommen. 

Die  männlichen  Blüten  zeigen  ebenfalls  eine  lange  Kronröhre 
und  ein  10  gliedriges  Androeceum.  In  der  Mitte  findet  sich  das 
verkümmerte  Gynoeceum  in   Form  eines  fadenförmigen  Gebildes. 


b)  Forma  Ernstii. 

Ihre  Blüten  stehen  den  Zwitterblüten  der  Correaeiorvn  am  nächsten. 
In  ihrer  typischen  Ausbildung  unterscheiden  sie  sich,  ausser 
durch  die  5 teiligen  Narben  und  den  auch  von  SOLMS  beobachteten 
Umstand,  dass  stets  ein  Narbenlappen  ins  Innere  der  Ovarialhöhle 
hineinreicht,  kaum  von  diesen.  Das  ist  aber  nur  die  typische 
Zwitterform.  An  demselben  Baume  findet  man  ausser  diesen  Blüten 
andere,  deren  Antheren  vollständig  oder  zum  Teil  in  Carpelle  um- 
gewandelt sind  (siehe  Abbildung).  In  den  Übergangsformen  treten 
uns  Gebilde  entgegen,  die  in  ihrem  unteren  Teile  Antheren  mit  wohl 
ausgebildeten  Pollenkörner,  in  ihrem  oberen  Teile  aber  ebenso 
typische  Narbenpapillen  tragen.     Mit  dieser  Umwandlung  der  Staub- 


488 


A.  USTERI: 


blätter  in  Carpelle  geht  eine  Rückbildung  der  Carpelle  Hand  in 
Hand.  Der  neu  entstandene  Fruchtknoten  stellt  also  gleichsam  ein 
Ovarium  zweiter  Art  dar,  während  das  Ovarium  erster  Art  abortiert 
ist.  Einen  ähnlichen  Fall  werden  wir  bei  der  Forma  ForbesH  kennen 
lernen. 

c)  Weibliche  Form. 

Hier  fehlt  die  Kronröhre.  Wir  finden  nur  einen  Fruchtknoten, 
während  die  Staubblätter  vollkommen  fehlen.  Der  Fruchtknoten 
besteht  nicht  aus  umgewandelten  Staubblättern,  wie  das  beim  Frucht- 
knoten mancher  Ernstii-^\vii&n  der  Fall  ist  (siehe  Abb.  links). 


Wismm!Jiumn9is^i!3Sf:^rsä^wvxxT:-'^^i^.ri' 


Car'ica  Pupaya  f.  Ernstii,  Fruchtknoten;  (natürl.  Grösse). 
Übergang  von  Staubblättern  in  Carpelle. 


d  )    Fo  rhesii  -Form. 

Sie  soll  nach  SOLMS  in  Ostindien  angetroflFen  werden  und  zeigt 
männliche  und  Zwitterblüten,  zuweilen  auch  rein  weibliche.  Die 
Zwitterblüten  sollen  nach  SOLMS  nur  5  Staubblätter  aufweisen.  Der 
innere  Kreis  hätte  sich  nach  diesem  Autor  in  Karpolle  umgewandelt. 
Die  Fetalen  sind  ganz  oder  fast  ganz  getrennt.  Die  Zw^itterblüten 
dieser  Form  sind  mir  aus  eigener  Anschauung  nicht  bekannt. 


e)    Rein  männliche  Form. 

Diese  Form  ist  offenbar  sehr  selten.  Ich  habe  sie  nur  einmal 
in  Rio  de  Janeiro  angetroffen.  Die  Blütenstände  sind  kurz,  wie  die 
der  weiblichen  Form.  Die  Blüten  unterscheiden  sich  von  den 
weiblichen  der  weiblichen  Form  dadurch,  dass  in  ihnen  der  Frucht- 
knoten nur  als  Rudiment  erhalten  ist,  während  beide  Staubblatt- 
kreise vollkommen  ausgebildet  sind.  Die  Blüten  sind  grösser  als  bei 
der  Forma  Correae. 


Studien  über  Carica  Papaya  L.  489 

Ich      habe      im      Obigen      die      morphologischen      Verhältnisse 
nur     in     so     weit     geschildert,     als    es    mir    zum    Verständnis     der 
.fok'enden 


'»'■ 


phylogenetischen  Betrachtungen. 

nötis,'  erscheint.  SOLMS  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  die  heute 
bekannten  Formen  von  Carica  Papaya  durch  Kreuzung  aus  ver- 
schiedenen zentralamerikanischeu  Arten  hervorgegangen  seien.  Gegen 
diese  Auffassung  scheint  mir  der  Umstand  zu  sprechen,  dass  man  die 
Formen  zu  einer  fast  lückenlosen  Reihe  zusammenstellen  kann,  wo- 
bei die  Sprünge  von  einer  Art  zur  andern  nicht  gerade  sehr  gross 
sind.  Zweitens  ist  die  Forma  Forhesii  einmal  von  SOLMS  aus  Samen 
einer  Correae  gezüchtet  worden.  Wenn  wir  au  der  Annahme,  dass 
Carica  Papaya  durch  Kreuzung  entstanden  sei,  festhalten,  so  genügt 
es,  eine  einmalige  Kreuzung  anzunehmen,  und  dann  wird  es  gerecht- 
fertigt erscheinen,  die  von  SüLMS  aufgeworfene  Frage  nach  der 
phylogenetisch  ältesten  Blutenform  einer  Prüfung  zu  unterziehen. 
Dieser  Autor  fasst  folgende  Möglichkeiten,  die  ich,  übersichtlich  zu- 
sammengestellt, der  Reihe  nach  prüfen  will,  ins  Auge: 


a)    Rückschlagshypothesen, 

1.  Die  heutige  Papaya  stellt  Rückschlag  zu  einer  hypothetischen, 
monoecischen  Form  dar. 

1.  Hypothetische,  monoecische  Form  — >■  2.  heutige  weibliche  und 
rein  männliche  Form  — >-  3.  Zwitterblüten  der  Correae  -  Form 
— >-  4.  Forma  Ernesti  — >-  5.  Forma  Forbesii  — >-  1.  hypothetische, 
monoecische  Form. 

Diese  Auffassung  scheint  mir  deshalb  nicht  annehmbar,  weil  der 
Schritt  von  1  zu  2  zu  gross  ist.  Es  ist  nicht  einzusehen,  warum 
man  nicht  auf  der  heutigen  Form  irgendwelche  Rudimente  der 
männlichen  Blüten  antreffen  sollte.  Ferner  zeigt  die  Forma  Correae 
Andeutungen  von  Anemophilie  (Lange  ßlütenstiele,  Stärke  in  den 
Pollenkörnern).  Das  deutet  darauf  hin,  dass  sie  älter  ist  als  die 
rein  weibliche  und  männliche  Form,  während  sie,  nach  dieser 
Hypothese,  wegen  des  Auftretens  von  Zwitterblüten  höher  gestellt 
werden  müsste  als  diese,  da  die  Trennung  der  Geschlechter  auf 
zwei  verschiedene  Bäume  einen  kleinereu  Schritt  darstellt  als  die 
Bildung  von  Zwitterblüten  auf  einer  monoecischen  Pflanze. 

2.  Rückschlag  zu  einer  hypothetischen  Zwitterpflanze.  1.  Hypo- 
thetische Zwitterpflanze  — >-  2.  heutige  weibliche  und  rein  männliche 
Form  — >-  3.  Forma  Forbesii  — >■  4.  Forma  Correae  — >-  5.  Forma 
Ernstii  — >-  1.  hypothetische  Zwitterpflanze. 


490  -A..  USTERI: 

Es  fehlen  auch  hier  die  Glieder  zwischen  1  und  2.  Auch  der 
Schritt  von  2  zu  3  ist  gross,  denn  wir  müssten  in  diesem  Falle  uns 
vorstellen,  in  den  Zwitterblüten  der  Forbesn-Form.  sei  der  eine  Staub- 
fadenkreis neu  erworben,  wenn  wir  die  weibliche  Form  als  Aus- 
gangspunkt wählen,  oder  das  Fruchtknotenrudiment  sei  zu  einem 
normalen  Fruchtknoten  umgewandelt  worden,  wenn  wir  die  männ- 
liche Form  zu  Grunde  legen.  Auch  käme  in  dieser  Reihe  die 
Correaeiorm  nach  der  Foi'besiiiorm  zu  stehen,  was  wegen  der  langen 
Blütenstände  unwahrscheinlich  ist. 


b)    Palingenetische   Entwicklung. 

Fortschreiten  aus  einer  (hypothetischen)  Zwitterforni  zur  heutigen 
Form. 

1.  Hypothetische  Zwitterform  — ^  2.  Correaeform  — >-  3.  Ernstnform 
— >-  3.  ForbesMorm    — >-    4.  heutige  weibliche  und  männliche  Form. 

Mir  scheint,  dass  sich  die  Entwicklung  in  diesem  letzteren  Sinne 
vollzogen  habe.  In  der  Tat  steht  sicher  Correae  am  tiefsten.  Das 
seht  aus  der  schon  aufgeführten  Form  des  Blütenstandes  und  dem 
Gehalt  des  Pollens  an  Stärke,  aus  der  gelegentlichen  Trimerie  des 
Fruchtknotens  und  aus  den  Andeutungen  von  Spiralstellung  in  den 
Kelchblättern  hervor.  Ferner  wissen  wir,  dass  die  ontogenetische 
Entwicklung  eine  Wiederholung  der  phylogenetischen  ist.  Wenn 
also  bei  Correae  die  Zwitterblüten  zuerst  angelegt  werden  und  zuerst 
wieder  verschwinden,  so  beweist  dies  eben,  dass  sie  die  ältesten 
Blütenformen  darstellen.  Ernstii  zeigt  teilweise  Blüten,  die  kaum 
von  den  Zwitterblüten  der  Correae-Fovm.  abweichen,  während  andere 
Blüten  derselben  Form  ihre  sämtlichen  Staubblätter  in  Carpelle 
umgewandelt  haben  und  wieder  andere  diese  Umwandlung  auf  den 
inneren  Staubblattkreis  beschränkt  haben.  Ein  Verhalten,  das  bei 
der  Forma  Forbesii  zur  Regel  wird.  Bei  der  heutigen  weiblichen 
Form  endlich  wäre  das  Androeceum,  bei  der  männlichen  das  Gynoe- 
ceum  abortiert. 

Bestäubungs  Verhältnisse. 

Wenn  BailLON  (1)  behauptet,  dass  in  europäischen  Gewächs- 
häusern die  Melonenbäume  Früchte  ansetzen,  obschon  gar  keine 
männlichen  Bäume  vorhanden  seien  und  wenn  er  dies  auf  die  ver- 
kümmerten Antheren  zurückführt,  die  man  gelegentlich  in  den 
weiblichen  Blüten  antreffe,  so  deutet  er  damit  an,  dass  Carica  selbst- 
bestäubend sei.  Offenbar  beobachtete  BailLON  die  Ernstii-  oder  die 
Forbesiiiovm..  Bei  Ernstii  konnte  ich  die  Selbstbestäubung  nicht 
feststellen,   wohl  aber  bei  den    Zwitterblüten  der  Correaeiorm.     Noch 


Studien  über  Carica  Papaya  L.  491 

bei  geschlossener  Blüte  findet  man  zuweilen  die  eine  oder  die  andere 
Anthere  direkt  auf  den  Narbenpapillen  aufliegend.  Die  Anthereu 
sind  geöffnet  und  der  Pollen  hat  gekeimt.  Da  später  der  Frucht- 
knoten heranwächst  und  die  Antheren  überragt,  so  muss  die  Be- 
stäubung bei  geschlossener  Blüte  eingetreten  sein.  SOLMS  vermutet 
ebenfalls  gelegentliche  Kleistogamie.  Sie  ist,  wie  angedeutet,  für 
die  Correae-Zwittev  sicher.  Aber  eben  so  sicher  steht  fest,  dass  dies 
nicht  die  einzige  Art  der  Bestäubung  ist.  SOLMS  nimmt  denn  auch 
für  gewöhnlich  Colibri-Bestäubung  an.  Ich  selbst  habe  Colibris  einmal 
in  Rio  de  Janeiro  und  einmal  im  botanischen  Garten  von  Sao  Paulo 
gesehen,  aber  immer  nur  an  männlichen  Bäumen.  An  weiblichen 
Bäumen  sah  ich  von  Tieren,  die  für  die  Bestäubung  in  Betracht 
kommen,  nur  einmal  einen  grösseren  Schmetterling  während  der 
Dämmerung.  Es  ist  auch  gar  nicht  einzusehen,  was  diese  Tierchen 
an  den  weiblichen  Bäumen  zu  suchen  hätten.  Nektar  gibt  es  daselbst 
nicht  und  von  Maiglöckcheuduft,  den  die  weiblichen  Blüten  zeigen 
und  der  von  verschiedenen  Autoren  erwähnt  wird,  leben  diese  Tiere 
nicht.  In  den  männlichen  Blüten  findet  man  am  Grunde  der  Kron- 
röhre eine  süsslich  schmeckende  Flüssigkeit,  die  Fehling  reduziert. 
Wenn  also  Colibris  o-eleo-entlich  die  männlichen  Blüten  aufsuchen,  so 
darf  man  daraus  nicht  auf  Ornithophilie  schliessen.^)  Man  sieht  häufig 
weibliche  Pflanzen  in  den  Gärten,  während  die  männlichen  auf 
Meilen  im  Umkreis  nicht  zu  finden  sind.  Die  Gärtner  zerstören  oft 
geflissentlich  sämtliche  männlichen  Bäume.  Dennoch  tritt  der 
Fruchtansatz  sehr  reo'elmässio;  ein. 

Es  lag  unter  diesen  Umständen  nahe,  an  parthenogenetische 
Entwicklung  zu  denken.  In  dieser  Richtung  angestellte  Versuche 
fielen  alle  negativ  aus.  Ich  versuchte  zuerst  die  Bestäubung  dadurch  zu 
verhindern,  dass  ich  die  Blütenknospen  öffnete  und  die  Narben 
entfernte.  Solche  Blüten  fielen  aber  ab,  nachdem  der  Fruchtknoten 
sich  etwas  vergrössert  hatte.  Dann  schloss  ich  die  Knospen  in  dünne 
Leinwandsäckchen  ein,  nachdem  ich  festgestellt  hatte,  dass  die  Lein- 
wand die  Pollenkörner  nicht  durchtreten  liess.  Auch  diese  Blüten 
fielen  nach  einiger  Zeit  ab.  Ich  vermutete,  dass  die  kleinen  Ver- 
letzungen, die  sich  auf  diese  Weise  nie  ganz  vermeiden  Hessen,  die 
Ursache  des  frühzeitigen  Abfallens  waren.  Deshalb  umgab  ich  jetzt 
die  unteren  Partien  der  Blattkrone  mit  Leinwand  und  verschloss  die 
zwischen  den  Blattstielen  befindlichen  Lücken  mit  Watte,  so  dass 
sich  sämtliche  Blütenknospen  in  einem  abgeschlossenen  Räume 
befanden.  Auch  diese  Blüten  fielen  ab,  bevor  sie  Früchte  erzeugt 
hatten.    In  einem  weiteren  Versuche  verwendete  ich  wieder  Leinwand- 


1)  Andere  von  Knuth  (2)    aufgeführte   Bestäuber,    die    in  Afrika    beobachtet 
wurden,  kommen  hier,  in  Brasilien,  nicht  in  Betracht. 


492  ^-  USTERI: 

säckchen,  die  ich  unten  nicht  verschloss,  so  dass  also  kriechende 
Tiere  Zutritt  hatten.  Da  aucli  jetzt  die  Fruchtknoten  wieder  vor- 
zeitig abfielen,  so  war  der  Beweis  geleistet,  dass  das  wirksame  Agens 
von  oben  auf  die  Blüten  gelangen  musste.  Auf  reifen  Früchten 
hatte  ich  wiederholt  die  Perithecien  eines  Ascomyceten  gefunden, 
den  ich  als  Plowrightia  bestimmte.  Die  Schläuche  enthalten  8  hyaline 
2-zellige  Sporen.  Da  mir  leider  nur  die  älteren  Bände  von 
SaCCAEDO  (12)  zur  Verfügung  stehen,  so  ist  es  mir  nicht  möglich, 
die  Art  festzustellen.  Die  Sporen  dieses  Pilzes  fand  ich,  nebst  einem 
reich  entwickelten  JVIycel  vielfach  auf  Narben  von  Fruchtknoten,  die 
Miene  machten,  sich  zu  Früchten  umzugestalten.  Es  lag  unter 
solchen  Umständen  nahe,  in  dem  Pilze  die  Ursache  des  Fruchtansatzes 
zu  suchen.  Ich  brachte  also  Mycel  und  Sporen  dieses  Pilzes  auf 
die  i^^arben  noch  nicht  geöffneter  Blüten  und  schloss  diese  wieder  in 
Leinwaudsäckchen  ein.  Die  Fruchtknoten  fielen  aber,  nachdem  sie 
sich  bedeutend  vergrössert  hatten,  wie  in  den  früheren  Versuchen, 
ebenfalls  ab.     Weitere  Versuche  sind  im  Gange. 

Ich  suchte  nun  meine  Annahme,  dass  die  Samen  von  Carica 
sich  ohne  Pollen  ausbilden,  auf  histologischem  Wege  zu  stützen. 
Ich  hatte  die  schöne  Arbeit  von  J.  E.  KlRKWOOD  (3)  in  die  Hände 
bekommen  und  mich  sofort  mit  dem  Autor  in  Verbindung  gesetzt. 
Herr  KlRKWOOD  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  nicht  nur  eine  grosse 
Anzahl  von  Embryosackpräparaten  von  Cucurbitaceen  zu  senden, 
sondern  mir  überdies  einige  Paraffinblöcke  zu  schneiden,  die  ich 
ihm  gesandt  hatte.  Ich  bin  Herrn  KlRKWOOD  für  eine  Reihe  von 
Aufschlüssen  in  mikrotechnischen  Fragen  verpflichtet.  Auch  hat 
Herr  KlRKWOOD  in  dem  von  mir  gelieferten  Material  das  4-  und  das 
8-Zellenstadium  des  Embryosackes  nachgewiesen.  Als  ich  seinen 
Brief  erhielt,  hatte  ich  zwar  die?e  Stadien  auch  schon  gefunden. 
Ich  möchte  aber  feststellen,  dass  Herrn  KlRKWOOD  dieser  Nachweis 
wahrscheinlich  früher  als  mir  gelungen  ist,  da  sein  Brief  sehr 
lange  unterwegs  war.  Die  späteren  Stadien  habe  ich  dann  selbständig 
gefunden. 

Die  Technik,  die  ich  zur  Anwendung  brachte,  war  ungefähr  die 
gleiche,  wie  die  von  Herrn  KlRKWOOD.  Ich  fixierte  mit  Essigsäure- 
Alkohol,  führte  aber  dann  die  Objekte  statt  durch  Xylol  durch 
absol.  Alkohol  und  Zedernholzöl,  weil  ich  die  Erfahrung  gemacht 
hatte,  dass  sich  die  Xylolblöcke  schlechter  schneiden  Hessen.  Zum 
Färben  verwendete  ich  anfangs,  wie  KlRKWOOD,  Delafields  Haemato- 
xylin  und  Bismarckbraun.  Später  färbte  ich  die  Objekte  mit  Haem- 
alaun  durch  und  färbte  nach  mit  Eosin.  Ausser  Herrn  KlRKWOOD 
spreche  ich  hier  auch  Herrn  Dr.  Hettinger  für  viele  wertvolle 
Winke  in  technischen  Fragen  meinen  wärmsten  Dank  aus. 


Studien  über  Carica  Papaya  L.  493 

Die  Litteratiir  bietet  —  soweit  sie  mir  zur  Verfü"uno;  steht  — 
über  die  Entwicklung  der  Ovula  nicht  viel.  YaN  T1EC4HEM  (13), 
von  dessen  Arbeit  ich  vor  längerer  Zeit  einen  Auszug  gemacht  habe, 
geht  nur  auf  die  Struktur  des  fertigen  Ovulums  ein  und  RÜGER  (11) 
bespricht  wieder  nur  den  fertigen  Samen.  Die  diesbezüglichen 
Darstellungen  des  letzteren  sind  mir  nicht  vollkommen  verständlich, 
was  vielleicht  daher  rührt,  dass  der  Autor  mit  trockenem  Material 
arbeitete,  das  wohl  manche  Veränderung  durchgemacht  hatte. 

Die  anatropeu  und  dorsalen  Ovula  nehmen  ihren  Ursprung  vor- 
züglich in  den  5  Buchten  der  Ovarialhöhle.  Zuerst  wird  (Jas  äussere 
Integument  angelegt,  an  dessen  Innenseite  bald  ein  zweites 
Integument  erscheint  und  sich  über  den  Nucellus  legt.  Schon  bevor 
das  zweite  Integument  fertig  ist,  tritt  im  Nucellus  das  Archespor  in 
die  Erscheinung.  Es  teilt  sich  in  mehrere  Zellen  —  die  Zahl  konnte 
ich  nicht  genau  feststellen  —  von  denen  die  der  Mikropyle  zunächst 
gelegene  zum  Embryosack  wird.  Zur  Zeit,  da  das  zweite  Integument 
sich  beinahe  vollständig  über  den  Nucellus  gelegt  hat,  teilt  sich  der 
Embryosackkern.  Das  Ovulum  hat  seine  definitive  Gestalt,  aber 
noch  keineswegs  seine  definitive  Grösse  erreicht,  wenn  die  zwei 
Kerne  sich  abermals  teilen.  Von  den  4  Kernen  liegen  die  zwei 
vorderen  neben  einander,  in  der  Querrichtung  des  Ovulums,  die  zwei 
hinteren  in  einer  dazu  senkrechten  Ebene.  Im  acht  -  Zellenstadium 
findet  man  noch  —  aber  selten  —  die  3  Antipoden  in  vollkommener 
Ausbildung  im  hinteren  Teile  des  P^mbryosackes.  Die  zwei  Kerne, 
die  bestimmt  sind,  den  Zentralkern  zu  liefern,  sind  ungefähr  in  die 
Mitte  und  neben  einander  gewandert,  während  im  vorderen  Teile  die 
Eizelle  mit  den  Synergiden  liegt.  Von  jetzt  ab  sieht  man  nichts 
mehr  von  den  Antipoden.  Sie  sind  verschwunden.  Wohl  aber  findet 
man  nocli  lange  die  beiden  Synergiden,  den  Zentralkern  und  die 
Eizelle  Von  nun  an  tritt  ein  vielkerniger  Embryosack  auf,  in 
welchem  aber  ein  typisch  ausgebildeter  Embryo  zwar  noch  nicht 
auftritt,  in  welchem  aber  doch  die  ersten  Teilungen  zu  seiner 
Bildung  stattgefunden  haben.  Jetzt  treten  die  schon  genannten  Schwierig- 
keiten ein.  Ich  konnte  wohl  die  Entwicklung  der  Integumente, 
nicht  aber  diejenige  des  Embryosackes  verfolgen  Das  äussere 
Integument  liefert  nach  aussen  ein  hyalines,  gelatinöses  Gewebe,  die 
Sarcotesta,  an  die  sich  nach  innen  die  Sclerotesta,  ebenfalls  vom 
äusseren  Integument  geliefert,  anschliesst.  Es  sind  stark  verdickte 
Zellen,  die  nach  innen  immer  kleiner  werden.  Endlich,  als  letzte, 
dem  äusseren  Integument  angehörende  Schicht  kommt  eine  Reihe 
grosser  an  der  Innenseite  stark  verdickter  Zellen.  Das  innere 
Integument  bleibt  viel  dünner  und  zeigt  aussen  eine  Schicht  zart- 
wandiger,  sehr  grosser  Zellen,  an  die  sich  nach  innen  mehrere  Lagen 


494  ^-  USTERI: 

tangential  gestreckter,  äusserst  derber,  kleinlumiger  Zellen  anschliesst, 
die  zur  Ursache  der  Hemmung  weiterer  Untersuchungen  des  Nucellus 
geworden  sind. 

In  keinem  von  allen  diesen  Stadien  habe  ich  je  eine 
Andeutuno;  eines  Pollenschlauches  angetroffen.  Die  Zahl 
der  Serien,  die  ich  geschnitten  habe,  ist  sehr  gross,  namentlich  die 
der  fertig  ausgebildeten  Embryosackstadien.  Es  scheint  mir  damit 
eine  weitere  Stütze  meiner  Vermutung  gewonnen  zu  sein,  dass  die 
Samen  von  Carica  sich  parthenogenetisch  entwickeln. 

Man  sieht  sehr  häufig  normal  ausgebildete  Früchte,  die  keinen 
einzigen  Samen  enthalten.  Um  Parthenocarpie,  wie  sie  von 
NOLL  (6j  für  Cucurbitaceen  nachgewiesen  wurde,  kann  es  sich  nach 
den  neo-ativen  Resultaten  meiner  Versuche  nicht  handeln.  Es  muss 
also  wohl  doch  ein  Reiz  von  aussen  auf  die  Ovarien  wirken,  um  sie 
zur  Entwicklung  zu  bringen. 

Noch  bemerkenswerter  scheint  mir  die  Tatsache,  dass  scheinbar 
normale  Früchte  hunderte  von  scheinbar  ebenfalls  an  Grösse  und 
Gestalt  normalen  Samen,  aber  ohne  Endosperm  und  ohne  Embryo, 
zur  Entwicklung  brins-en.  Hier  haben  sich  also  beide  Integumente 
vollkommen  normal  gebildet,  während  der  Embryosack  abortiert  ist. 
Trotzdem  gilt  die  Regel  von  MÜLLER-Thurgau,  dass  nämlich  die 
sich  entwickelnden  Embryonen  auf  die  Ausbildung  der  Carpelle 
einen  Reiz  ausüben,  auch  für  Carica.  In  Früchten  mit  normalen, 
also  mit  Embryonen  versehenen  Samen,  ist  immer  die  Seite  der 
Frucht  stärker  ausgebildet,  die  die  Samen  aufweist.  Die  Teile, 
die  sameulos  bleiben,  bringen  nur  ein  dünnes  Carpell  zur  Aus- 
bild uns'. 


'o* 


Yerwandtschaftliche  Beziehungen. 

Der  Raum  gestattet  mir  nicht,  auf  die  bisher  über  die  Stellung 
von  Carica  im  System  geäusserten  Ansichten  einzugehen.  Ich  begnüge 
mich,  einio-e  Argumente  für  die  Stellung  der  Caricaceeii  an  der  Seite 
der  Eupliorbiaceen  in's  Treffen  zu  führen.  Mein  Vergleichsmaterial 
ist  bei  weitem  nicht  ausreichend,  um  die  Frage  endgültig  zu  ent- 
scheiden. Da  aber  verwandtschaftliche  Beziehungen  zu  den  Euplior- 
biaceen meines  Wissens  bis  jetzt  nicht  geltend  gemacht  worden 
sind,  so  will  ich  mitteilen,  was  sich  zu  Gunsten  dieser  Stellung  auf- 
führen lässt.  Vor  allem  sei  die  Ausbildung  eines  Obturators  hervor- 
gehoben.  Dann  die  gelegentliche  Trimerie  der  Zwitterblüten  der 
Corrmeform,  die  dithecischen  Staubblätter,  „deren  Loculamente  bis- 
weilen nicht  verschmolzen  sind'',  wie  PaX  für  die  Ewphorbiaceen 
angiebt. 

Endlich  verdienen  die  Milchröhren  erwähnt  zu  werden,  die  z.  B. 


Studien  über  Carica  Papaya  L.  495 

bei  Alchornea  ebenso  gegliedert  sind,  wie  bei  Carica.  MOLISCH  (4) 
behauptet,  dass  das  Auftreten  von  Stärke  in  den  Milchsäften  der 
Pflanzen  eine  seltene  und  von  ihm  nur  bei  Euphorhiaceen  und 
Apocynaceen  beobachtete  Erscheinung  sei.  Es  gelang  mir  aber,  mit 
Jod  mit  aller  nur  wünschenswerten  Deutlichkeit  in  der  Milch  von 
Carica  Stärke  nachzuweisen.  Sie  gehört  sicher  dem  Milchsaft  au, 
denn  ich  fand  sie  auch  in  fixiertem  Material,  so  dass  man  also  nicht 
einwenden  kann,  sie  wäre  beim  Schneiden  mit  dem  Rasiermesser 
hineingeschmiert  worden.  Ich  sehe  im  Auftreten  von  Stärke 
eine  weitere  Stütze  für  meine  Vermutung.  Sollten  weitere  Unter- 
suchungen  dieselbe  bestätigen,  so  wären  die  ('aricaceen  unter  den 
Eupliorbiaceen  am  nächsten  mit  den  Jatropheen  verwandt. 


Benutzte  Litteratur. 


1.  Baillon,  H.    Histoire  des  plantes,  Bd.  4.    Paris  1873. 

2.  Knuth,  P.      Haudbuch    der    Blütenbiologie,      o.  Bd.      Die    bisher    in    ausser- 

europäischen     (rebieten     gemachten     blütenbiologischen     Beobachtungen. 
Leipzig  l'J04. 

3.  KlRKWOOD,    J.    E.      The     comparative     embryology      of    the     Cucurbitaceae. 

New  York  1904. 

4.  Molisch,  H.    Studien    über    den    Milchsaft    und    Schleiinsaft    der    Pflanzen. 

Jena  1901. 

5.  MÜLLER,  F.     Frucht    in  Frucht   von  Carica  Papaya.     (Flora  oder  allgem.  bot. 

Zeitung.     Marburg  1890,  S.  332.) 

6.  NOLL.     Fruchtbildung  ohne  vorausgegangene  Bestäubung  (Parthenocarpie)    bei 

der  Gurke.    (Sitzungsber.    der   niederrh.  Ges.  für   Natur-    und    Heilkunde. 
Bonn  1903,  S.  149.) 

7.  SOLMS-LAUBACH  H.,  Graf  zu.    Die  Heimat  und  der  Ursprung  des  kultivierten 

Melonenbaumes,  Carica  Papaya  L.  (Botan.  Zeitung  1889.) 

8.  SoLMS-Laubach    H.,    Graf    zu.       Caricaceae.    (Engler    und    PraNTL    nat. 

Pflanzenfamilien.     Leipzig  1894.) 

9.  Solms-Laubach  H.,  Graf  zu.     Caricaceae,  in  MaRTIUS  flora  brasilieusis. 

10.  Fax,  f.    Eupkorhiaceae.    ENGLER  und  Prantl,  nat.  Pflanzenfamilien.    3.  Teil, 

b.  Abt.     1896. 

11.  RÜGER,     G.       Beiträge     zur    Kenntnis     der    Gattung     Carica.      Dissertation. 

Erlangen  1887. 

12.  Saccardo,  P.  A.     Sylloge  fungorum.    Berlin  1883. 

13.  Van  Tieghem,  Ph.     Structure    de    Tcvule    des  Caricacees  et   place    de  cette 

faniille    dans    la    Classification.      (Ann.  des    sciences  nat.  1903    Tome    17. 
S.  372.) 


496       Hans  HallieE:  Zur  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Angiospermen. 


71.   Hans  Hallier;   Zur  Frage  nach  dem  Ursprung  der 

Angiospermen. 

Vorläufige  Mitteilung. 

(Eiügegangen  am  4.  November  1907.) 


Eine  soeben  abgeschlossene,  im  Laufe  des  nächsten  Jahres  er- 
scheinende grössere  Abhandlung  hat  mich  in  Bezug  auf  den 
Ursprung  der  Angiospermen  zu  folgenden  Ergebnissen  geführt: 

1.  Juliania  hat  Harzgänge  auch  in  der  Rinde  und  ist  eine 
Rhoideen-GoXiMWg  mit  mehrblütiger  Cupula. 

2.  Auch  die  Juglandaceen  sind  Änacardiaceen  und  neben  Juliania 
und  Pistacia  durch  Reduktion  in  Blüte  und  Frucht  aus  Rhoideen  ent- 
standen. 

3.  Überhaupt  sind  die  ßrunelliaceen,  Burseraceen,  Sabiaceen, 
Änacardiaceen^  Julianiaceen^  Juglandaceen  und  einige  jetzt  bei  den 
Simarubaceen  stehende  Gattungen  zu  der  alten  Familie  der 
Terehinthaceen  zu  vereinigen. 

4.  Auch  die  Leitneraceen,  Aceraceen,  Amentaceen  (I.  Quercineen, 
'1.  Myriceen,  3.  Coryleen^  4.  Casuarineen^  5.  Betuleen)  und  Urticalen, 
also  auch  die  meisten  Chalazogamen,  sind  in  Blüte  und  Frucht 
verkümmerte  Abkömmlinge  rhoideen- Q.vi\gQV  Terehinthaceen,  keine  Ab- 
kömmlinge der  Hamamelidaceen  oder  der  Columniferen  (inklusive 
Euphorbiaceen). 

5.  Dagegen  sind  die  im  anatomischen  Bau  stark  abweichenden 
Balanopidaceen  (Balanops  und  Trilocularia)  mit  Trochodendrum, 
Tetracentrum,  Daphniphyllum  und  Rhodoleia  verwandte  reduzierte 
Baniamelidaceen,  die  Salicaceen  reduzierte  Abkömmlinge  homalieen- 
und  idesieen-2Lri\^QV  Flacourtiaceen,  die  Lacistemaceen  eine  den 
Homalieen  nahestehende  Sippe  der  Flacourtiaceen,  die  l'iperalen 
(inkl.  Lactoris  und  Myrothamnus)  reduzierte  Abkömmlinge  von 
Magnoliaceen. 

6.  Auch  an  der  Ableitung  der  den  Saxifragaceeii  nahestehenden 
Hamamelidalen  (Platanaceae  und  Hamamelidaceae)  von  Magnoliaceen  ist 
festzuhalten. 

7.  Die  Chalazogamie  von  Ulmua,  vielen  Amentaceen  und  Juglans 
lässt  auch  bei  Myrica,  Leitnera,  Aceraceen,  Juliania,  Pistacia,  Rhus 
und  anderen  Terebmthaceen  Chalazogamie  und  andere  entwickelungs- 
gescliichtliche  Anklänge  an  die  Amentaceen  vermuten. 


F.  BRAND:  Über  charakteristische  Algen-Tinktionen.  497 

8.  Als  Abküinmliiige  von  Terehinthaeeen,  wie  auch  im  Hinblick 
auf  WielaND's  überraschende  Entdeckungen  an  Bennettitaceen  kommen 
die  Amentaceen  (inkl.  Casuarina)  und  Urticalen  trotz  der  gegenteiligen 
'Ansicht  VON  WetTSTEIN's  nicht  mehr  als  Verbindungsglieder 
zwischen  Angiospermen  und  Gymnospermen  in  Betracht  und 
können  daher  der  von  mir  und  Anderen  vertretenen  Ableitung  der 
Magnoliaceen  von  cycas-  und  be7inettitaceen  -  urtigeu  Gymnospermen 
nicht  mehr  hinderlich  sein. 

!).  Auch  die  zAvar  stark  dicotylen-artigen,  aber  zu  den 
Gymnospermen  geliörenden  Gnetaceen  und  die  durch  Einwärts- 
klappung  der  Ovularfiederchen  zwar  schon  halb  angiospermen,  aber 
auch  schon  einseitig  xerophil  ausgebildeten  Coniferen  kommen  wegen 
ihrer  hochgradigen  Reduktion  nicht  als  Verbindungsglieder  zw'ischen 
Angiospermen  und  Gymnospermen  in  Betracht. 

U).  Denn  die  Anklänge  der  Loranthaceen  an  die  gymuospermen 
Gnetaceen  beruhen  nicht  auf  natürlicher  Verwandtschaft,  vielmehr 
sind  die  ganzen  Santalalen  reduzierte  Abkömmlinge  von  Saccifragaceen 
(also  Sa.vifragenen). 

Wegen  der  ausserordentlichen  Wichtigkeit  des  Problems  sei  die 
Untersuchung  der  Entwickelungsgeschiclite  der  oben  unter  7  genannten 
Gattungen  und  Familien  den  Botanikern  von  Euro])a  {Mtjrica,  Acer, 
Pistacia  und  Rhus\  Nordamerika  {Alyrica,  Leünera,  Acer,  JuUania 
usw.),  Tokio  {Mjjrica,  Acer,  Rhus),  Buitenzorg  und  Peradeniya 
(Terebinthaceen)  für  die  nächste  Vegetationsperiode  aufs  angelegent- 
lichste empfohlen. 


72.  F.  Brand;  Über  charakteristische  Algen-Tinktionen, sowie 
über  eine  Gongrosira  und  eine  Coleochaete  aus  dem  Wlirmsee. 

(Kingegangen  am  4.  November  19U7.) 


Der   feinere  Bau    der  Alo-en    wird    bekanntlich    vielfach    mittels 


^o 


chemischer  Fixierung  des  Zellinhaltes  und  nachfolgender  Färbung 
geprüft.  Im  Interesse  physiologischer  Fragen  ist  auch  unmittelbare 
Tiuktion  lebenden  Materials  häufio-  ausgeführt  worden  und  zwar  ent- 
weder  durch  „Speicherfärbung"  oder  durch   „Schuellfärbung". 

In    der    deskriptiven  Algologie    wurde    wohl    die    Existenz    von 
Schleimhüllen    im    allgemeinen    schon    durch  Färbung  nachgewiesen, 


498  ^-  BEAND: 

aber  die  besondere  Weise,  in  welcher  gewisse  Algen  auf  bestimmte 
Farbstoffe  reagieren,  ist  bis  jetzt  noch  wenig  berücksichtigt  worden. 
Die  erste  diesbezügliche  Notiz,  welche  mir  bekannt  ist,  bezieht  sich 
auf  Stichogloea  lacustris,  deren  Gallerte  sich  durch  schwache  Lösungen 
von  Methylenblau  fuchsinrot  färbt.  ChODAT^)  sieht  in  dieser  Reaktion 
eine  charakteristische  Eigentümlichkeit  seiner  Alge. 

Schleime  und  Gallerten,  sowie  gallertähnliche  Zellhüllen  be- 
sitzen, je  nach  ihrer  Zugehörigkeit,  bald  für  diesen,  bald  für  jenen 
Farbstoff  eine  grosse  Anziehungskraft,  während  sie  andere  zurück- 
weisen. Deshalb  habe  ich  gelegentlich^)  schon  die  Meinung  aus- 
gesprochen, dass  die  künstliche  Färbung  der  kleinen  Cyanophyceen 
sich  als  ein  hilfreiches  und  oft  unentbehrliches  diagnostisches  Hilfs- 
mittel herausstellen  werde.  Diese  Frage  ist  jedoch  nicht  weiter  ver- 
folgt worden  und  es  ist  insbesondere  nicht  bekannt,  ob  irgend  eine 
Gallertfärbung  für  eine  ganze  Algengruppe  charakteristisch  sei. 

Daseien  lieoen  Beobachtungen  vor,  welche  zu  der  Annahme 
berechtigen,  dass  entweder  das  Protoplasma,  oder  die  Membran  bei 
allen  Angehörigen  einiger  Algeugattungen  auf  gewisse  Farbstoffe 
übereinstimmend  reagieren. 

Da  sich  das  Protoplasma  lebender  Zellen  gegen  gelöste  Farbstoffe 
in  anderer  Weise  verhält,  wie  jenes  toter  Zellen  und  da  auch  in 
letzterem  Falle  gewisse  Unterschiede  zwischen  getrocknetem  und 
feucht  konserviertem  Materiale  bestehen  können,  muss  ich  bemerken, 
dass  sich  die  folgenden  Angaben,  insofern  nicht  anderes  angegeben 
ist,  auf  Exsikkate  beziehen,  welche  in  schwach  essigsäurehaltigem 
Wasser  aufgeweicht  waren.  In  solchem  Wasser  müssen  sie  etwa 
24  Stunden  liegen,  dann  in  eine  schwache,  wässerige  Lösung  des 
Farbstoffes  übertragen  und  mit  dieser  sorgsam  digeriert  werden,  bis 
das  ganze  Präparat  gleichmässig  durchdrungen  ist.  Grobe  Über- 
färbung ist  zu  vermeiden. 

Schon  Vorjahren^)  habe  ich  angegeben,  dass  der  Methyl grün- 
essig  nahezu  ein  Reagens  auf  die  Gattung  Cladophora  darstellt, 
indem  er  schon  in  stark  verdünnter  Lösung  dem  Zellinhalte  auf- 
geweichter Exsikkate  fast  momentan  eine  transparent  blaugrüne 
Farbe  verleiht,  während  er  von  anderen  Algen  weniger  oder  garnicht 
angenommen  wird.  Dem  habe  ich  nun  folgendes  beizufügen:  Diese 
Protoplasma-Tinktion  erträgt  kurze  Auswaschung  und  ist  in  Glyzerin 
dauernd  haltbar.  Die  Membran  aber  färbt  sich  normaler  Weise  nur 
vorübergehend  blau  und  erscheint  später  farblos.    Bei  Lebendfärbung 


1)  Chodat,  R  ,  Bull.  Boissier.  1897.     S.  302  und  Taf.  X. 

2)  Beand,  f.,    Der  Pormenkreis    von  Gloeocapsa  alpina.     Bot.  Centrbl.  1900. 
S.  321  (8.  d.  Sep.)  Anm. 

3)  Beand,  F.,  C7«f%;»om-Studien.    Bot.  Centralbl,  1899.    S.  151    (G— 7.  d.  Sep.). 


über  charakteristische  Algen-Tinktioncu,  sowie  eine  Gongrosira  u.  Coleochaete.  499 

reagiert  das  Protoplasma  vorerst  nicht;  mit  dem  Absterben  der  Zelle 
o-elit  der  Farbstoff  aber  allmählich  in  den  Inhalt  über. 
^  In  manchen  Fällen  tingiert  sich  die  Zellhaut  aber  auch  dauernd, 
und  zwar  dann,  wenn  sie  senil  oder  pathologisch  verdickt,  oder  mit 
Einlao-eruno-en  behaftet  oder  überfärbt  ist.  Dann  fehlt  freilich  eines 
der  charakteristischen  Merkmale  unserer  Tinktion. 

Ähnlich  wie  Cladophora  verhielten  sich  Formen  der  mit  ersterer 
eng  verbundenen  Gattung  R/iizoclonium.  Sodann  erzielte  ich  auch 
an  Ulothric/iaeeen  und  Mesocarpaceen  bisweilen  eine  trübe  grünliche 
Tinktion  des  Protoplasmas.  In  anderen  Fällen  war  diese  Färbung 
aber  nur  eine  scheinbare.  An  mancherlei  Algen  färbt  sich  nämlich 
die  Membran  durch  Methylgrün  blau.  Ist  dabei  in  den  Zellen  die 
natürliche  Chlorophyllfarbe  noch  nicht  ganz  verblichen,  so  kann  eine 
lediglich  optische  blaugrüne  Mischfarbe  entstehen.  Deshalb  müssen 
zur  richtigen  Taxierung  der  Methylgrünwirkung  in  allen  Fällen  un- 
gefärbte Präparate  verglichen  werden.  Zu  diesen  Schwierigkeiten 
gesellt  sich  noch  der  weitere  Umstand,  dass  die  Tinktionsfähigkeit 
der  Algen  oft  erheblich  leidet,  wenn  sie  vor  der  Eintrocknung  in 
flüssigen  Konservierungsmitteln  gelegen  hatten,  oder  wenn  sie  schon 
teilweise  zersetzt  waren. 

Unter  diesen  Umständen  kann  die  Methylgrün-Tinktion  nur  dann 
als  allgemein  verwendbares  diagnostisches  Hilfsmittel  dienen,  wenn 
verschiedene  aus  demselben  Exsikkate  stammende  Algen  im  gleichen 
Präparate  verglichen  werden.  Dagegen  setzt  die  Beurteilung  isolierter 
Tinktionen  eine  durch  zahlreiche  Versuche  erworbene  Kenntnis  der 
verschiedenen  Farbentöne  voraus,  welche  unter  wechselnden  Ver- 
hältnissen entstehen  können.  Unter  dieser  Voraussetzung  kann  das 
Verfahren  aber  auch  an  weniger  günstigem  Material  bisweilen  einen 
Fingerzeig  geben. 

Als  Beispiel  mag  eine  an  Cladophora  Warhurgi  (Schmdl.)  ge- 
machte Erfahrung  dienen.  Schon  Beschreibung  und  Abbildung*) 
dieser  neuen  Art  waren  etwas  befremdend.  Obgleich  dann  an  dem 
Originalmateriale,  welches  ich  vor  mehreren  Jahren  durch  die  Ge- 
fälligkeit des  Herrn  Professor  SCHMIDLE  erhalten  hatte,  der  Nach- 
weis schiefer  Scheidewände  nicht  sofort  gelang,  musste  ich  doch  die 
Diagnose  wegen  der  Tinktionsverhältnisse  dieser  Pflanze  beanstanden. 
Fortgesetzte  Untersuchung  brachte  schliesslich  nicht  nur  einzelne 
schief  septierte  Rhizoide,  sondern  auch  den  organischen  Zusammen- 
hang mit  vegetativem  Moosthallns  zur  Ansicht,  sodass  67.  Warbnrgi 
aus  der  Liste  der  Algen  zu  streichen  ist. 

Eine  weitere  und  zwar  entschieden  charakteristische  Protoplasma- 


1)    SCHMIDLE,  W.,  Österr.  Bot.  Zeitschr.  1899.    S.  '2.  und  Fig.  3,  4,  6. 
Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellsch.    XXV.  35 


500  F.  Brand: 

tinktion  konnte  ich  in  der  Folge  ^)  an  der  Gattung  Trentepohlia 
konstatieren.  Schon  durch  eine  schwache  Lösung  von  Methyl- 
violett (in' destilliertem  Wasser)  „färbt  sich  an  lebenden  Zellen  zu- 
nächst die  Membran;  an  Exsikkaten  aber,  sowie  überhaupt  an  toten 
Zellen  nimmt  der  gesamte  protoplasmatische  Inhalt  sofort  eine  schön 
ultramarinblaue  Färbung  an  ,  .  .  Die  Membran  bleibt  dabei  voll- 
ständig  transparent  und  färbt  sich  nur  bei  allzugrosser  Konzentration 
der  Lösung  etwas  rotviolett."  Eine  so  leuchtend  blaue  Farbe  habe 
ich  auch  nachträglich  durch  Methylviolett  an  keiner  andern  Krypto- 
game  erzielen  können.  Dadurch  machen  sich  schon  bei  schwacher 
Vergrösserung  die  kleinsten  Spuren  von  Trentepoldia  in  Algen- 
gemischen bemerklich  und  zwar  noch  an  ganz  alten  (bis  35  Jahre!), 
vollständig  ausgebleichten  Exsikkaten,  deren  Jod-Keaktion  (1.  c  )  schon 
längst    erloschen  war.     Auch    diese  Färbung  ist  in  Glyzerin  haltbar. 

Eine  dritte  ziemlich  charakteristische  Tinktion,  welche  aber 
nicht  das  Protoplasma,  sondern  die  Zellhaut  betrifft,  habe  ich  erst 
neuerdings  erprobt.  Im  Würmsee  überziehen  sich  alle  festen  Gegen- 
stände schliesslich  mit  einer  aus  kohlensaurem  Kalk  und  etwas 
organischem  Detritus  bestehenden  Kruste.  In  und  auf  dieser  findet 
man  nebst  entwickelten  Algen  oft  einen  Filz,  welcher  Rudimente  der 
verschiedensten  kleinen  Kryptogamen  einschliessen  kann.  Nach  Zer- 
teilung  und  Ausbreitung  solcher  Massen  tritt,  in  amorphen  Detritus 
eingebettet,  ein  geradezu  hoffnungsloses  Pflanzenchaos  zu  Tage. 
Durch  Anwendung  von  Säuren  zur  Entfernung  des  Kalkes  leidet  — 
ähnlich  wie  durch  Austrocknen  —  vielfach  Form  und  Farbe  des 
Zellinhaltes,  sodass  ich  oft  im  Zweifel  war,  ob  gewisse  Fragmente 
Sohlenstücke  von  Chaetophora  oder  Stigeocioniuvi  seien,  oder  ob  sie 
zw.  Coleochaete  irr egularis,  oder  vielleicht  zu  einer  neuen  Alge  gehörten, 
für  deren  Existenz  manches  zu  sprechen  schien. 

Unter  diesen  Verhältnissen  erinnerte  ich  mich  der  künstlichen 
Färbung  und  fand  nach  verschiedenen  erfolglosen  Versuchen  endlich 
im  Brillantcresylblau  von  GRÜBLER  eine  Farbe,  welche  vorzüg- 
liche Ergebnisse  lieferte.  Digeriert  man  eine  Probe  des  beschriebenen 
Gemenges  mit  einer  reichlichen  Quantität  mittelstarker  Lösung  dieses 
Stoffes,  so  färben  sich  sofort  gewisse  Bestandteile  blau,  andere 
violett,  einige  weinrot,  viele  aber  garnicht.  Nun  gelingt  es  leicht, 
unter  der  Lupe  diese  tinktionell  scharf  abgegrenzten  Objekte  zu 
sondern,  und  im  Mikroskope  treten  dann  iu  überraschender  Weise 
auch  morphologische  Differenzen  zu  Tage,  welche  in  dem  früheren 
Durcheinander  der  Beobachtung  ento-anüen  waren.     Dabei  stellt  sich 


1)  Brand,  F.,  Zur  näheren  Kenntnis  der  Algengatlung  Trentepohlia.  Beih. 
d.  Bot.  Ceutrbl.  19()2.  Helt  "J,  S.  221.  Geprüft  wurden  Tr.  aurea,  Jolühus,  Neger/ 
und  umhrina. 


über  charakteristische  Algen-Tinktionen,  sowie  eine  (Jongrosira  u.  Coleochaete.   501 

ferner  heraus,  dass  nebst  manchen  anderen  Dingen  der  Zellinhalt 
vieler  Algen  blau,  violett,  bis  schwärzlich  gefärbt  wird,  während  die 
^Rotfärbung  nur  Membranen  betrifft,  und  zwar  im  vorliegenden  Ge- 
menge nur  jene  von  CJadophora  und  besonders  von  Gongrosira.  Von 
letzterer  Gattung  finden  wir  dann  nebst  G.  De  Baryana  noch  eine 
kleinere  und  zwar  neue  Art,  welche  im  nächsten  Abschnitte  be- 
schrieben werden  soll. 

Vorläufig  will  ich  nur  bemerken,  dass  die  neue  Spezies  ziemlich 
brüchig  ist,  und  dass  es  nur  an  besonders  lebhaft  wachsenden 
Exemplaren  gelingt,  grössere  Abschnitte  zur  Ansicht  zu  bringen. 
Um  Missverständnissen  vorzubeugen,  möchte  ich  ferner  konstatieren, 
dass  die  Zusammengehörigkeit  der  Fragmente  nicht  lediglich  auf 
Grund  der  übereinstimmenden  Tinktion  angenommen,  sondern  da- 
durch festgestellt  wurde,  dass  auch  an  kleineren  Stücken  öfters  der 
organische  Zusammenhang  der  verschiedenen  Faden-  und  Zellformen 
zu  erkennen  war.  Die  Tinktion  diente  demnach  nur  als  Wegweiser, 
welcher  die  Auffindung  der  zu  vergleichenden  Objekte  ermöglichte. 
Nachdem  die  Alge  in  gefärbtem  Zustande  studiert  war,  gelang  es 
auch,  sie  aus  frischem  Materiale  herauszufinden  und  in  lebendem 
Zustande  zu  untersuchen. 

Weitere  Versuche  haben  dann  ergeben,  dass  die  rote  Brillant- 
blau -  Keaktion  in  Glyzerin  ziemlich  haltbar  ist,  dass  sie  in 
gleicherweise  an  aufgeweichtem  Trockenmateriale  eintritt  und  somit 
die  Vergleichung  von  Exsikkaten^)  zulässt.  In  vollkommen  gleicher 
Weise,  wie  die  genannten  Algen,  reagierten  verschiedene  Formen 
von  Chlorotiiliuin  incrustans  Reinsch  aus  eigener  Sammlung,  ferner 
dieselbe  Art  N.  290  in  RiCHTER's  Phykotheka;  Gongrosira  Schnidlei 
Richter  N^.  630  ebenda ;  Gongrosira  incrusta7is  (Reinsch)  Schmidle 
K  1602  derAlgae  exsicc.  von  WlTTROCK  und  NOBDSTEDT  sowie  auch 
—  sehr  nahe  übereinstimmend  —  Chlorotyliuvi  cataractarum  Kütz. 
N.  1306  der  Alg.  europ.  von  RaBENHOEST.  Letzteres  Exemplar  hat 
übrigens  keine  Ähnlichkeit  mit  der  KÜTZlNG'schen  Figur,  sondern 
erinnert  eher  an  G.  Schmidlei.  Xebstdem  färbten  sich  noch  andere 
Dinge  ähnlich,  wenn  auch  mehr  violett,  so  insbesondere  verschiedene 
Schleime  und  Gallerten,  sodann  die  Membranen  von  ülothrij;- Arten 
und  von  Vaucheria.  Ganz  unempfindlich  waren  aber  jene  solcher 
Pflanzeji,  deren  Fragmente  gelegentlich  mit  Gongrosira  verwechselt 
werden  könnten,  nämlich  die  Membranen  von  Chaeiophoi'a^  Stigeo- 
clo7iium  und  Coleochaete  sowie  von  Moosvorkeimen.  Letztere  nahmen 
höchstens  einen  schwach  bläulichen  Ton  an. 

Schon  aus  vorstehendem  dürfte  hervorgehen,  dass  die  künstliche 


1)    Die    Kenntnis    der   Museumsexemplare    verdanke    ich    der  Gefälligkeit    des 
Herrn  Kustos  Dr.  RENNER,    welchem  ich   hiermit  meinen  besten  Dank  ausspreche. 


35* 


502  F-  BRAND: 

Färbung  getrockneter  Algen  nicht  nur  ein  bequemes  technisches 
Hilfsmittel  ist,  sondern  dass  sie  gelegentlich  auch  direkt  zu  wissen- 
schaftlichen Resultaten  führen  kann.  Nach  dieser  Richtung  gewinnt 
sie  noch  grössere  Bedeutung  durch  den  Umstand,  dass  von  sämtlichen 
bisher  geprüften  Süsswasseralgen  sowohl  vegetative  als  rhi- 
zoidale  Abschnitte,  sowie  auch  Zoosporen  und  Keim- 
pflanzen derselben  Art,  sich  in  dem  gleichen  Präparate  immer 
tinktionell  übereinstimmend  verhalten  haben.  Dadurch  ist 
uns  ein  Schutzmittel  gegen  mancherlei  polymorphistische  Irrungen  in 
die  Hand  gegeben.  Finden  wir  zum  Beispiel  in  Gesellschaft  von 
Cladophora  kleinere,  etwa  der  Gongrosira  injgmaea  Kütz.  ähnliche 
Organismen,  deren  Protoplasma  auf  Methylgrün  garnicht,  oder  in 
anderer  Weise  reagiert,  so  können  wir  überzeugt  sein,  dass  es  sich 
nicht  um  eine  der  problematischen  „Jugendformen"  handelt,  welche 
ersterer  Gattung  schon  zugeschrieben  worden  sind.  Rötet  sich  ihre 
Membran  dann  auch  nicht  durch  Brillantblau,  so  ist  auch  Gongrosira 
ausgeschlossen.  In  einem  anderen  Falle  zeigen  sich  vielleicht  iu; 
einem  ausgebleichten  Trente'pohlia-^e'&iixwde  einzelne  Zellen  oder  Zell- 
gruppen  von  ähnlicher  Form,  welche  mit  Rhizoideu  versehen  sind, 
aber  auf  Methylviolett  nicht  typisch  reagieren.  Diese  gehören  dann 
sicher  nicht  zu  Trentepohlia,  werden  sich  aber  oft  als  Fragmente 
eines  Moosprotonema's  erweisen.  Ein  weiteres  Beispiel  wird  bei 
Coleochaete  zur  Sprache  kommen. 

In  der  Systematik  kann  unser  Verfahren  freilich  nur  eine  An- 
fängerrolle spielen.  Ich  glaube  aber  die  Hoffnung  aussprechen  zu 
dürfen,  dass  diese  Rolle  mit  der  Zeit  eine  gewisse  Bedeutung  er- 
langen kann,  wenn  nur  dieAlgologen  sich  häufiger  dazu  herbeilassen, 
bei  Untersuchung  von  Trockenmaterial  auch  dessen  Verhalten  gegen 
verschiedene  Farbstoffe  zu  prüfen. 


Gongrosira  lacustris  n.  sp. 

G.phycomatibus  niinimis,prope  planis,demum  confluentibus,obscuro 
viridibus,  saepe  incrustatis;  trichomatibus  et  intra  et  supra  fundum 
lepentibus  cca.  11  ^  (6  -  14 /i)  crassis;  ramis  brevibus,  erectis;  fere 
aequicrassis  et  ipsis  parum  ramificatis;  cellulis  membrana  crassescente 
donatis,  ex  parte  brevibus,  forma  admodum  variantibus  et  proto- 
plasmate  farctis,  ex  alia  parte  longioribus  cylindraceis  et  inanibus 
vel  semiinanibus.  Propagatio  cellulis  perdurantibus  (acinetis)  nee 
non,  ut  videtur,  zoogonidiis. 

Hab.  ad  ligna  vetusta  el  lapides  incrustatos  in  lacu  „Würmsee"~ 
i't  in  fönte  impuro." 


über  charakteristische  Algen-Tinktionen,  sowie  eine  Gongrosira  u.  Coleochactc.  503 

Diese  Alge  besitzt  keine  eigentlichen  Haftorgane,  sondern  ent- 
springt aus  einer  kriechenden  Sohle  in  Form  von  kurzen,  aufstrebenden 
^und  ihrerseits  wenig  verzweigten  Fäden.  Ein  Teil  der  Sohlenfäden 
lebt  nicht  auf,  sondern  im  Substrate  und  in  grösserer  Tiefe  kann 
«ich  dann  ihr  ])urchmesser  bis  etwa  6  /<  verringern.  In  manchen 
Fällen  besteht  die  Alge  grossenteils  nur  aus  Sohle  und  ihre  ober- 
flächlichen Abschnitte  erinnern  dann  an  eine  auf  die  halbe  Grösse 
reduzierte  G.  De  Barijana.  Lebhaft  wachsende  Frühlingsexemplare 
können  einer  mangelhaft  entwickelten  G.  Schmidlel  ähnlich  sein. 

Die  längeren  Zellen  enthalten,  sofern  sie  nicht  abgestorben  und 
ganz  leer  sind,  ein  mantelförmiges  Chlorophor,  welches  nur  einen 
Teil  der  Zellwand  bedeckt  und  1—2  Pyrenoide  enthält.  Diese  sind 
«ber  nur  an  einzelnen  Zellen  zu  erkennen.  Nach  Chromsäure- 
fixierung färbt  sich  durch  Boraxkarmiu  je  ein  Zellkern.  Yom  dichten 
Inhalte  der  kurzen  Zellen  ist  nur  soviel  zu  sagen,  dass  er  viel  Stärke 
enthält.  Nicht  selten  sind  vergrösserte  runde  Endzellen  vorhanden, 
welche  ich  für  Sporangien  hielt,  ohne  jedoch  die  Existenz  oder  den 
Austritt  von  Zoosi)oren  beobachten  zu  können.  Dagegen  finden  sich 
<las  ganze  Jahr  über  ausgebildete  Dauerzellen,  welche  sich  aus  den 
kurzen  Gliedern  durch  weitere  Yerdichtung  des  Inhalts  und  Yer- 
ilickung  der  Membran  herausbilden.  Besonders  im  Frühjahr  werden 
diese  „Akineten"  durch  Yerschleimung  der  äusseren  Membranschicht 
frei  und  keimen  sofort,  indem  sie  zuerst  in  die  Länge  wachsen  und 
dann  Querteilung  eingehen.  Dabei  habe  ich  schon  an  den  zwei 
ersten  Tochterzellen  eine  Differenz  im  Chlorophyllgehalte  beobachtet, 
indem  ihnen  verschieden  grosse  Abschnitte  des  Mutter-Chromatophors 
zugefallen  waren. 

Die  erwähnte  Yerschiedenheit  der  Zellen  und  die  gewöhnliche 
Yerschleimung  der  abgelebten  jMembranen  erinnern  an  t'hlorotijlium 
Kütz.  Die  Scheidewand  zwischen  dieser  Gattung  und  der  Gattung 
Gongrosira  ist  aber  durch  die  Kreirung  von  Gongrosira  incrustans 
(Reinsch)  Schmidle  schon  gefallen  und  ich  finde  zunächst  keinen 
Grund,  sie  wieder  aufzurichten. 

Unsere  Alge  sitzt  mit  Yorliebe  auf  oberflächlich  angefaultem 
Holze  und  die  Steine,  auf  welchen  sie  sich  fand,  waren  mit  einer 
bräunlichen  Kruste  bedeckt.  In  solche  Unterlagen  dringen  einzelne 
Aste  senkrecht  ein,  um  dann  parallel  zur  Oberfläche  weiter  zu 
kriechen.  Au  Brillantblaupräparaten  sieht  man  die  roten  Fäden 
unter  den  hellblauen  Holzfasern  und  längs  derselben  verlaufen. 
Durch  dieses  Yerhalten  klingt  die  Art  an  die  „perforierenden"  Algen 
an  und  macht  eine  Ausnahme  von  den  übrigen  Gongrosiren,  welche 
nur  auf  der  Oberfläche  von  Steinen,  Holz,  Wasserpflanzen  oder  auch 
Schneckengehäusen  {G.  De  Baryana)  vegetieren'). 


1)    So    scheint  sich  im  wesentlichen  auch  G.  codiolifera  Chodat   (Bull.  Boissier 


•504  F.  Beand: 

Coleocliaete  scutata,  f.  lobata  n.  f. 

Forma  saepius  lobato-lamellosa,  setis  perpaucis  praedita,  semper 
sterilis. 

Hab.  ad  ligiia  vetiista  in  lacu  „Würmsee"  haud  procul  a 
latrinae  cujusdam  ostio. 

Nächst  einer  Abwasserleitaug,  welche  bei  Starnberg  in  den  See 
einmündet,  habe  ich  in  den  letzten  Jahren  öfters  eine  der  C.  scutata 
ähnliche  Alge  gefunden,  deren  Verhältnisse  jedoch  nach  verschiedenen 
Richtungen  von  den  für  letztere  Art  geläufigen  Angaben  abwichen. 
Schon  ihr  Substrat  war  aussergewöhnlich,  da  sie  nicht  auf  A¥asser- 
pflanzen,  sondern  auf  altem  Holzwerke  lebte.  Sodann  konnte  ich 
mich  anfänglich  nicht  von  der  Existenz  wirklicher  Haare  überzeugen. 
Bei  schwacher  Vergrösserung  schien  sie  allerdings  stellenweise  reich- 
lich mit  solchen  versehen  zu  sein;  unter  stärkeren  Objektiven  er- 
wiesen sich  diese  aber  als  ganz  heterogene  Dinge:  zumeist  waren  es 
kurze  Le/?fo^/^r^^-Fädeu,  welche  auf  der  Oberfläche  der  Zellen  an- 
sassen.  Bisweilen  ragten  auch  die  Spitzen  einer  kleinen  Vaginariee 
unter  und  zwischen  den  Lappen  der  Pflanze  hervor;  in  anderen 
Fällen  waren  es  Ca^o^/<n>-Fäden,  welche,  dem  radiären  Verlauf  der 
C'o/^oc/ta<?fe-Struktur  folgend,  ihre  Terminalhaare  in  gleicher  Richtung 
ausspreizten;  schliesslich  waren  hier  und  da  Spitzenfragmente  von 
Chaetophora  oder  Bulbochaete  in  das  Präparat  geraten.  Nun  hat 
allerdings  MÖBIUS  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  man  bei 
Coleochaete  bisweilen  mehr  Haare  zu  sehen  glaube ,  als  wirklich 
vorhanden  sind.  Nachdem  ich  aber  in  einer  Reihe  von  Fällen  immer 
wieder  enttäuscht  worden  war,  während  ich  doch  die  Haare  der 
kleinsten  und  am  sparsamsten  behaarten  Arten:  C.  irregularh  und 
orbicularis,  welche  gleichfalls  im  Würmseo  vorkommen,  schnell  auf- 
gefunden hatte,  liess  ich  mich  zu  der  Annahme  verleiten,  dass 
unsere  Alge  ebenso  unbehaart  sei,  wie  ChaetopeUis  Berthold^)-,  und 
dass  somit  J^hyllactidiiim  pulchellum  wieder  aufgefunden  und  diese 
Gattung  im  Sinne  KÜTZING's  rehabilitiert  sei. 

Als  ich  jedoch  die  Alge  Herrn  Professor  M.  MÖBIUS  vorlegte, 
konnte    dieser    vielseitig  erprobte  Botaniker,    welcher  u.  a.  auch  die 


1898)  zu  verhalteu,  welche  von  ihrem  Autor  wegen  der  relativ  kurzer  Haftfortsätze 
(Fig.  7C  u.  8H  I.e.)  zu  den  perforierenden  Algen  gerechnet  wird.  Eine  generelle 
Angabe  von  Oltmann's  (Morphologie  I.  S.  237)  nach  welcher  Gongrosira  und 
ChlorotyliKm  „in  Muschelschalen  usw."  leben  sollen  und  „auf  Grund  dessen  offenbar 
mancherlei  Umbildungen  erfahren  haben",  beruht  wohl  auf  einer  Verwechslung  und 
ist  jedenfalls  zu  berichtigen. 

1)  Diese  Gattung  verdankt  ihren  Namen  bekanutlich  einer  durch  Epiphj^ten 
hervorgerufenen  Täuschung;  vgl.  MüBIUS,  M.,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Algen- 
gattung Chaetopeltis.    Ber.  D.  Bot,  Ges  1888.     S.  246. 


über  charakteristische  Algen-Tinktionen,  sowie  eine  Gongrosira  u.  Coleochaeto.   505 

Algenliaare    schon    in    den   Kreis    seiner  Untersuchungen^)    gezogen 
hatte,     in    den    Präparaten    einige    Haare    nebst    einer  Anzahl    von 
^Stümpfen    solcher    bezeichnen.     Hierfür    spreche   ich  dem  genannten 
Herrn  hiermit  meinen  verbindlichsten  Dank  aus. 

Hierzu  habe  ich  nur  noch  zu  bemerken,  dass  die  Haare  unserer 
Form  nicht  nur  selten,  sondern  auch  schwerer  zu  erkennen  sind  als 
man  in  Rücksicht  auf  die  relative  Grösse  der  Pflanze  vermuten 
möchte.  Die  Haare  von  C.  H-iitata  sitzen  bekanntlich  w^eniger  am 
Rande,  als  in  der  Mitte  des  Thallus,  wo  sie  sich  dann  gerade  wegen 
der  derberen  Beschaffenheit  der  Zellen  weniger  deutlich  vom  Unter- 
grunde abheben,  während  die  beigesellten  Epiphyten  usw.  in  erster 
Linie  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  lenlcen. 

Meinen  Irrtum  glaubte  ich  nicht  verschweigen  zu  sollen,  weil  er 
künftigen,  und  insbesondere  jüngeren  Beobachtern  von  Nutzen  sein 
könnte,  und  nebstdem  wohl  dazu  beitragen  wird,  die  von  angesehenen 
Algologen  schon  durchgeführte  Streichung  der  alten  Phyllactidium- 
Arten  und  die  anderweitige  Verwendung  dieses  Namens  (BOENET 
und  MÖBIUS)  in  zustimmende  Erinnerung  zu  bringen.  Organe,  welche 
mit  den  Mikroskopen  der  Jetztzeit  oft  nur  schwer  zu  finden  sind, 
konnten  zu  KÜTZING's  Zeiten  um  so  leichter  übersehen  werden. 

Unsere  Form  weicht  ferner  noch  in  einigen  anderen  Punkten 
von  der  typischen  C.  seutata  ab.  Sterile  Bestände  sind  schon  mehr- 
fach auch  an  anderen  Orten  gefunden  worden;  aussergewöhnlich  er- 
scheint aber  hier,  dass  eine  durch  mehrere  Jahre  fortgesetzte 
Beobachtung  niemals  ein  fertiies  Exemplar  ergeben  liat.  Ferner  ist 
die  Alge  nicht  immer  nach  Vorschrift  einschichtig,  sondern  stellen- 
weise geschichtet,  und  schliesslich  schien  sie  sogar  Rhizoide  zu  be- 
sitzen, was  dem  Gattungscharakter  direkt  widersprochen  hätte. 

Die  früher  bei  Coleochaete  noch  niemals  beobachtete  Schichtung 
muss  unser  besonderes  Interesse  erwecken.  Dass  die  Scheiben  dieser 
Pflanzen  durch  lokale  Hemmung  des  Wachstums  unregelmässige 
Formen  annehmen  können,  konstatiert  schon  PßlNGSHEIM^).  Hier 
liegt  aber  partielle  Hypertrophie  zugrunde,  infolge  deren  sich  ein- 
zelne Randpartieen  zu  Lappen  ausbilden  und  über  die  benachbarten 
Zellen  ausbreiten.  Ein  entfernt  ähnlicher  Voro-ang  ist  von  FRINGS- 
HEIM  (1.  c.  S.  21)  nur  bei  Entwicklung  der  Oogonien  von  C.  seutata 
konstatiert  worden,  scheint  aber  in  mehr  übereinstimmender  Weise 
auch  bei  Phyllactidium  tropicum  Möbius^)  vorzukommen.    Bei  unserer 


1)  MÖBIUS,  M.,    Mor2)hologie  der  liaarartigei)  Organe  bei  den  Algen.     Biolog. 
Zcntralbl.  1892. 

2)  Pkingsheim,  N.,    Beiträge    zur   Morphologie    und    Systematik    der  Algen. 
III.     Jahrb.  für  wissensch.  Bot.    18G0.     S.  4. 

3)  MÖBIUS,  M.,    Ül)er    einige    in  Portorico  gesammelte  Süsswasser-  und  Luft- 
algen.    Hedwigia  1888.     S.  229  und  Tafel  VIII,  Fig.  5. 


506  F.  Brand :  Über  charakteristische  Algen-Tinktionen. 

Alge  kann  sich  diese  Überlagerung  nicht  nur  auf  beträchtliche  Ab- 
schnitte erstrecken,  sondern  sie  kann  sich  sogar  an  den  aufs-elao-erten 
Lappen  wiederholen,  sodass  stellenweise  mehrfache  Schichtung  ent- 
steht. Bisweilen  ist  die  Ausbildung  des  Thallus  auch  nur  einseitig 
und  zwar  in  der  von  MüBIUS  (1.  c.)  an  seiner  Alge  beschriebenen 
Weise:  „Wenn  an  einem  sehr  jugendlichen  Stadium  die  eine  Seite 
des  Thallus  sich  nicht  weiter  entwickelt,  so  breitet  sich  die  andere 
fächerförmig  aus  und  umgibt  mit  ihren  unteren  Lappen  die  Stelle, 
wo  die  Fäden  sich  verlängert  haben."  Beiderlei  Entwicklungsarten 
können  sich  auch  kombinieren  und  es  entstehen  dann  Gebilde, 
welche  zu  der  bekannten  C.  scutata  in  gar  keiner  Beziehung  zu 
stehen  scheinen. 

Grössere  Schwierigkeiten  bereitete  anfänglich  die  Beurteilun«- 
jener  rhizoidähnlichen  Gebilde,  welche  bisweilen  von  der  Unterseite 
der  Alge  zu  entspringen  schienen,  weil  auch  hier  die  derbe  Struktur 
der  Coleochaete- Zellen  keine  klaren  Bilder  zustande  kommen  Hess. 
Die  Scheinrhizoide  folgen  den  Reihen  dieser  Zellen,  schmiegen  sich 
fest  an  sie  an  und  scheinen  mit  ihnen  in  organischem  Zusammenhange 
zu  stehen.  Schliesslich  brachte  aber  gleichzeitig  betriebene  tinktionelle 
Prüfung  der  begleitenden  Algen  die  Aufklärung,  dass  Fäden  von 
Gongrosira  lacustris  vorlagen,  welche  von  Coleochaete  überlagert 
waren  und  wohl  wegen  Mangel  an  Licht  und  Nahrung  sich  ebenso 
dünn  und  inhaltsarm  gestaltet  hatten,  wie  die  in  tieferen  Schichten 
des  Substrates  lebenden  Sohlenfäden.  Durch  Zusatz  von  Brillantblau 
werden  sie  sofort  rot  gefärbt  und  heben  sich  jetzt  so  scharf  von  der 
sich  nicht  tingierenden  Coleochaete  ab,  dass  man  klar  sieht,  wie  sie 
frei  endigen.  Ähnliche  Fäden  haben  sich  dann  auch  unter  einer 
transparenten  Gloeocystis  ähnlichen  Gallertmasse  gefunden,  und  hier 
war  ihr  Zusammenhang  mit  unveränderter  Gongrosira  lacustris  auf 
den  ersten  Blick  zu  erkennen. 

Unsere  Alge  habe  ich  nur  als  „forma"  aufgefasst,  weil  sie  sich 
im  See  nicht  fortpflanzt  und  auch  im  ganzen  Zuflussgebiete  nicht 
aufzufinden  war.  In  diesem  Jahre  ist  sie  überhaupt  nicht  erschienen. 
Ich  vermute  deshalb,  dass  keine  stabile  Art,  sondern  nur  eine  durch 
reichliche  Zufuhr  von  organischen  Zersetzungsprodukten  und  kon- 
sekutive einseitig  gesteigerte  vegetative  Tätigkeit  entstandene  — 
allerdings  höchst  merkwn'irdige  —  biologische  Form  der  typischen 
Coleochaete  scutata  Breb.  vorlieirt.  Diese  Art  findet  sich  nämlich  auf 
Wasserpflanzen  hier  und  da  im  Würmsee  sowohl,  als  in  seinem 
Gebiete. 


A.  MURIXOFF:  Einfliiss  des  Lichtes  und  der  Feuclitigkoit  auf  die  Pflanzen.   507 


73.   A.  Murin  off:  Einfiuss  des  Lichtes  und  der  Feuchtigkeit 
auf  die  Zusammensetzung  der  Pflanzen. 

Vorläufige  Mitteiluug. 
(Eingegangen  am  5.  November  19U7.) 


Um  den  Einfluss  des  Lichtes  und  der  Feuchtigkeit  auf  die  Zu- 
sammensetzung von  Pflanzen  näher  kennen  zu  lernen,  machte  icli 
auf  Vorschlag  und  unter  der  Leitung  von  Herrn  Professor  G.  KLEBS 
eine    Reihe    von    Untersuchungen,    deren    Ergebnisse    in    folgenden 


Tabellen  zusanimeno-efasst  sind. 


Versuchsobjekt:     Vida   Fuba. 

vember  IDOd: 

Es  ergab  sich  bei 

Grün 
Die  durchschnittliche  Länge 

der  Internodien   .     .     .       4,81  cm 

Trockensubstanz      .     .     .       7,40  pCt. 

Asche 14,80    „ 


1.  Versucb. 

Wachstumszeit:    10.   bis   29.  No- 


Gesamtstickstoff 


Trockensubstanz 
Asche       .     .     . 
Stickstott"     .     . 
Azidität  .     .     . 


8,03 


Etiolicrt 

9,90  cm 

6,02  pCt.  der  Frischsubstanz 
10,48    „     der  Trockensubstanz 
9,90    „  do. 


Grün 

0,512^ 
15,03  pCt. 
11,90     „ 

0,0119^  Na 


Extrakt. 

Etioliert 
0,778  g 
1 1 ,30  pCt.  der  Trockensubstanz 
12,08     „  do. 

0,0138^  Na 


2.  Versuch. 

Objekt:    Vicia  Faha.     Wachstumszeit:    16.  November  bis    4.  De- 
zember 1906. 

Es  ergab  sich  für  die  etiolierten  Pflanzen  bei  einer  Feuchtig- 
keit von: 

90  pCt.         40  pCt. 
Die  durchschnittl.  Länge 

der  Internodien  zu      .     13,30  c;»        11,90  cm 
Trockensubstanz    .     .     .       4,90  pCt.       5,50  pCt.  der  Frischsubstanz 

Asche 9,08     „         8,00     „      der  Trockensubstanz 

Stickstoff 9,28     „         8,32     „  do. 


508 


A.  MUEINOFF: 


Extrakt. 


Feuchtigkeit 
Trockensubstanz 
Asche       .     .     . 
Gesamtstickstoff 
Eiweissstickstoff 
Azidität    .     .     . 


90  pCt. 

0,2784  g 
11,90  pCt. 
12,06     „ 

6,03     „ 

0,0115^  Na 


40  pCt. 

0,3112^ 
11,24  pCt.  der  Trockensubstanz 
11,69     „  do. 

6,29     „  do. 

0,0161  g  JN'a 


Die  Pflanzen,  welche  bei  geringer  Feuchtigkeit  wuchsen,  haben 
zwar  mehr  Trockensubstanz  als  die  anderen,  sind  aber  an  Asche  und 
Stickstoff  ärmer  als  jene. 


3.  Yersuch. 

(Wiederholung  von  Versuch  1.) 

A^ersuchszeit:  12.  bis  27.  Dezember  1906. 

Es  ergab  sich  bei: 

Grün 
Die  Länge  der  Internodien     6,3  cm 
Trockensubstanz  ....     5,6  pCt. 

Asche 0,7     „ 

Stickstoff 9,2     „ 


Etioliert 

9,^0  cm 

6,70  pCt.  der  Frischsubstanz 

9,54     „     der  Trockensubstanz 

8,10     „  do. 


Trockensubstanz 
Asche  .... 
Gesamtstickstoff 
Eiweissstickstoff 
Azidität     .     .     . 


Ex 

trakt. 

Grüu 

Etioliert 

0,67^ 

0,438  g 

15,4  pCt. 

14,2  pCt. 

der  Trockensubstanz 

11,8     „ 

n,i    „ 

do. 

1,2     „ 

4,1     „ 

do. 

0,023  g  Na       0,0138  g  Na 


Wie  zu  erwarten  war,    enthalten    die  grünen  Pflanzen   an    allen 
Bestandteilen  eine  grössere  Menge  als  die  etiolierten. 


4.  Yersuch. 

Versuchszeit:  4.  bis  19.  Dezember  1906. 

Die  etiolierten  Pflanzen  ergaben  bei  einer  Feuchtigkeit  von: 


Die  Länge  der  Inter- 
nodien    .... 
Trockensubstanz .     . 

Asche 

Stickstoff    .     .     .     . 


80  pCt.  40  pCt. 

13,2  cm  9,03  cm 

91,5  pCt.  91,10  pCt.  der  lufttrockenen  Substanz 

8,2     .,  7,90     ,,    der  Trockensubstanz 

8,1     „  7,85     ,,  do. 


Einfluss  des  Lichtes  und  der  Feuchtigkeit  auf  die  Zusammensetzung  der  Pflanzen.  509^ 


/Frockensubstanz 
Asche  .... 
Gesamtstickstoff' 
Eiweisssti  ckstoff 
Amid  .... 
Azidität 


Ex 

irakt. 

80  pCt. 

40  pCt. 

0,463  CJ 

0,741  g 

12,1  pCt. 

11,16  pCt.  der 

Trc 

)ckeusiibstaiiz^ 

11,2     ., 

11,00     „ 

do. 

2,4     ., 

1,32     ., 

do. 

3,3     „ 

2,80     „ 

do. 

0,0174^ 

Na 

0,023  g  Na 

Die  Pflanzen,  die  in  wasserdampfreicher  Atmosphäre  wuchsen,^ 
zeigen  einen  höheren  Gehalt  der  Bestandteile  Der  frühere  Befund 
(Versuch  2),  dass  die  Trockensubstanz  der  in  trocknerer  Luft 
kultivierten  grösser  war,  bestätigt  sich  hiernach  nicht. 


5.  Versuch. 

Versuchsobjekt:  Weizen.     Versuchszeit  7.  bis  25.  Januar  1906. 
Es  ergab  sich  bei  einer  Feuchtigkeit  von  80  pCt  : 

Grün  Etiolicrt 

Lufttrockene  Substanz  11,9  pCt.  10,00  pCt.  des  Frischgewichts 

Trockensubstanz     .     .  93,7    „  92,90    „    der  lufttrockenen  Substanz^ 

Asche 19,9    „  12.40    „    der  Trockensubstanz 

Gesamtstickstoff     .     .     5,5    „  4,95    ,,  ,, 

Eiweissstickstoff     .     .     4,6    „  3,50    ,,  „ 

Die    grünen    Pflanzen    sind    in    den    untersuchten    Bestandteilen 
reicher  als  die  etiolierten. 


0.  Versuch. 

Versuchsdauer:  7.  bis  23.  Januar  1907.     Objekt:  Weizen. 
Es  ergab  sich  bei  den  etiolierten  Pflanzen    bei    einer  Feuchtig- 
keit von: 

80  pCt. 
9,1  cm 
9,1  pCt 
94,8     „ 


DieLänge  derinternodien 
Lufttrockene  Substanz  . 
Trockensubstanz     .     .     . 

Asche 16,0 

Stickstoff 4,8 


28  pCt. 

5,07  cm 

8,10  pCt.  der  Frischsubstanz 

95,80     „  der  Trockensubstanz 
16,40     „  do. 

4,70     „  do. 


3.  November  1907.     Ausgeführt  im  chemischen  Laboratorium  des- 
Botanischen  Institutes  der  Universität  Halle. 


.510  ■  H.  MiEHE: 


74.   H.  Miehe:   ThermoTdium  sulfureum  n.  g.  n.  sp., 

ein  neuer  Wärmepilz. 

(Mit  6  Textfiguren.) 
(Eingegangen  den  19.  November  1907). 


Wenn  man  als  wärmeliebende  Pilze  solche  bezeichnet,  welche 
bei  den  für  die  meisten  Pilze  ausreichenden  Temperaturen  gar  nicht 
oder  nur  sehr  kümmerlich  wachsen,  so  ist  der  erste  thermophile  Pilz 
von  LlNDT^)  entdeckt  und  beschrieben  worden.  Es  war  eine 
Mucorinee,  Mucor  pusiUus  Lindt.  Der  Pilz  tauchte  spontan  auf,  als 
Brot  im  Thermostaten  bei  Bluttemperatur  ausgelegt  wurde.  Etwas 
später  teilte  GlobIG^)  mit,  dass  er  bei  seiner  Suche  nach  thermo- 
phileu  Bakterien  auch  kalkweisse  Kolonien  auf  den  mit  Erde  ge- 
impften und  bei  höherer  Temperatur  im  Brutschrank  gehaltenen 
Kartoffeln  beobachtet  habe.  Er  untersuchte  und  beschrieb  diesen 
Pilz  nicht  genauer,  hatte  aber  zweifellos  den  später  von  KedZIOR,^) 
Gilbert*)  u.  a.  wiedergefundenen  Actinomyces  thermophilus  Berestnew 
in  Händen.  Auf  ähnliche  Weise  wie  oben  fand  dann  TSIKLINSKY^) 
den  Fadenpilz  Thermomyces  lanuginosus  Tsiklinsky,  und  schliesslich 
reihte  ich*^)  kürzlich  noch  einen  neuen  Pilz  an,  der  zu  den 
Askomyzeten  gehört,  den  Thermoascus  aurantiacus  Miehe.  Es  gelang 
mir  aucli,  nicht  nur  diesen  letzten  Pilz,  sondern  auch  alle  die 
übrigen  oben  genannten  an  ihrem  natürlichen  Standorte  nachzu- 
weisen, wodurch  dieser  ganzen  interessanten  Gruppe,  zu  der  auch 
die  thermophilen  Bakterien  gerechnet  werden  müssen,  ein  fester 
Platz  in  der  Katur  anoewiesen  werden  konnte.  Denn  vorher 
schwebten  eigentlich  diese  merkwürdigen  Wesen  ganz  in  der  Luft; 
man    begnügte    sich    meist    anzunehmen,    dass    sie    in    den    sonnen- 


1)  Lindt,    Mitteilungen  über  einige  neue  pathogene  Schimmelpilze.     Arch.  f. 
experimentelle  Pathol.  u.  Pharmakol.,  Bd.  21,  S.  272,  1886. 

■    2)  Globig,  Über  Bakterienwachstum  bei  50—70°.     Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  3, 
S.  294,  1887. 

3)  Kedzioe,    Über    eine    thermophile   Cladothrix.     Arch.  f.  Hygiene,    Bd.  27, 
S.  328,  1883. 

4)  Gilbert,  Über  Actinomyces  thennophilus  usw.    Zeitschr.  f.  Hygiene,  Bd.  47, 
S.  383,  1904. 

5)  TSIKLINSKI,    Sur   los  mucedinees  thermophiles.     Annales  de  l'inst.  Pasteur. 
Bd.  13,  S.  500,  1899. 

6)  Miehe,    Die  Selbsterhitzung    des  Heues.     Eine    biologische   Studie.      Jena 
1907,  S.  70. 


Thermo'idium  sulfureum  ii.  g.  n.  sp.,  ein  neuer  Wärmepilz.  511 

erwärmten  oberen  Bodenschichten  wüchsen,  wenn  man  sich  über- 
haupt die  Frage  ihres  Vorkommens  in  der  Natur  vorlegte.  Ich  habe 
demgegenüber  auseinandergesetzt/)  dass  als  hauptsächlicher  Standort 
dieser  Thermomikroflora  allein  die  in  Selbsterhitzung  begriffenen 
Heu-,  Laub-,  Kompost-,  Mist-  und  Düngerhaufen  in  Betracht  kommen. 
An  solchen  Örtlichkeiten  habe  ich  dementsprechend  sämtliche  oben 
genannten  Pilze  aufgefunden. 

Inzwischen  hat  sich  noch  ein  neuer  Pilz  dazugesellt.  Herrn 
Paul  Schneider,  der  sich  im  hiesigen  Institut  mit  einigen  Fragen 
der  Physiologie  thermophiler  Lebewesen  beschäftigte,  gelang  es, 
einen  Pilz  zu  kultivieren  und  rein  zu  züchten,  der  mir  schon  früher 
an  heissen  PfianzenstofFen  aufgefallen  war  und  gelegentlich  in 
meinen  Experimenten  massenhaft  als  Verunreinigung  auftrat.  Er 
ist  neben  dem  Actinomijces  thermophilns  der  auch  dem  blossen  Auge 
am  meisten  auffallende  Bewohner  heisser  PfFanzenstofFe. 

Die  Reinkulturen  gaben  die  Gelegenheit,  den  Pilz  genau  zu 
studieren.  Ich  machte  natürlich  den  Versuch,  ihn  zu  bestimmen, 
sah  jedoch  bald,  dass  dieser  Versuch  ziemlich  aussichtslos  war. 
Denn  gerade  unter  den  Hyphomyzeten,  die  an  sich  wenig  auffällige 
Merkmale  bieten,  gibt  es  viele  sehr  allgemein  gehaltene  Diagnosen, 
und  da  der  Mykologe  gewöhnlich  seine  Pilze  nicht  kultiviert,  also 
die  oft  höchst  wertvollen  physiologischen  und  kulturellen  Merkmale 
nicht  angibt  und  ferner  das  habitat  bei  Mikroorganismen  nur  mit 
vorsichtiger  Kritik  zu  benutzen  ist,  entschloss  ich  mich,  den  Pilz 
selber  zu  benennen.     Sein  Name  sei   Thennoidium  sulfureum. 

Er  bewohnt  heisse  Pflanzeuhaufen,  und  zwar  die  Zonen,  die 
etwa  30 — 45°  warm  sind.  Er  bildet  an  den  Pflanzenteilen  schwefel- 
gelbe, flockige,  nicht  staubige  Flecke,  die  oft  in  ungeheurer  Menge 
auftreten  und  den  Pflanzenmassen  ein  gelbgesprenkeltes  Aussehen 
verleihen. 

Kultiviert  man  ihn  bei  etwa  40°  im  Brutschrank  auf  schräg  er- 
starrtem Agar,^)  so  entsteht  zunächst  ein  weisslich  oder  rötlich 
gefärbter  kurzer  Überzug,  der  sich  weiterhin  schwefelgelb  färbt  und 
ein  mehliges  Aussehen  annimmt.  Alte  Kulturen  verfärben  sich 
braun.  Sehr  charakteristisch  ist  ein  schön  karminroter  Farbstoff", 
der  in  den  Agar  etwas  hineindifFundiert  und  die  ohnehin  lebhaft 
gefärbte  Kultur  noch  farbenfreudiger  erscheinen  lässt.  Auch  diese 
Farbe  geht  später  in  eine  braunrötliche,  schmutzige  über. 

Um    den    Pilz    mikroskopisch    zu    studieren,    verteilte    ich    eine 


1)  ].  c.  S.  89ff. 

2)  Zusammensetzung:    0,1  pCt.  Dikaliumphosphat,   0,02  pCt.    Magnesiumsulfat, 
0,01  pCt.  Chlorkalzium,  0,5  pCt.  Asparagin,    2  pCt.  Traubenzucker,    1,75  pCt.  Agar- 


512 


H.  MiEHE: 


kleine  Menge  Sporen  in  verflüssigtem  Agar  und  brachte  kleine 
Tropfen  davon  auf  sterile  Objektträger,  die  ich  dann  in  einer 
leuchten     Kammer     bei     43°     hielt.        In     Fig.    1,     sind     keimende 

Sporen      dargestellt.        Die      Keimschläuche 
brechen  entweder  an  den  Enden  oder  an  den 
Seiten  hervor,  gewöhnlicher  in  Ein-,  seltener 
in  Zweizahl.      Es    entwickelt    sich    dann    ein 
Mycel  (Fig.  2),     das   wenig  bemerkenswertes 
bietet.       Es     sind     verzweigte    Hyphen    mit 
wenigen    Querwänden.      Wenn    nach    einiger 
Zeit  (etwa  nach  2  Tagen)  die  Oberfläche  der 
Agartröpfchen    flaumig  wird,    wenn    also    die 
Hyphen  in   die  Luft    dringen,    lassen    sich    die  Anfänge  der  Sporen- 
bildung    beobachten.      Wie    die    Fig.    3     zeigt,     sind     die     sporen- 
bildenden Hyphen  eng    septiert    und    sehr    regelmässig    rechtwinklig 


Fig.  1.    Keimende  Sporen 
Vergr.  400. 


Fig.  2.    Junges,  bei  4C°  in  24  Stunden  herangewachsenes  Mjcel.    Vergr.  400. 


verzweigt.  Die  kurzen,  zylindrischen  Zellen  bilden  sich  dann  da- 
durch zu  Sporen  um,  dass  ihr  Inhalt  dichter  wird,  und  zwar  tun  das 
nicht  alle  Zellen,  sondern  es  wechseln  meist  sehr  regelmässig  sporen- 
bildende dichtere  mit  sterilen  blassen  ab.  Die  Sporenzellen  um- 
^•eben    sich    dann    mit    derber   Membran,    wobei    sie    entweder    ihre 


Thermoidiiim  sulfureum  n.  g.  n.  sp.,  ein  neuer  Wärmepilz. 


513 


So    findet    man    neben    kugligen    und    eiförmigen    auch 


eckige  Zylinderform  beibehalten,  oder  aber  sich  auch  zu  kugligen 
oder  eiförmigen  Gebilden  umwandeln.  Die  Fig.  4,  zeigt  eine 
kleine  Partie  des  sporenbildenden  Mycels  in  situ.  Die  sterilen 
Teile  sind  meist  schon  ganz  verschwunden,  die  reihenweise  An- 
ordnung lässt  aber  noch  gut  die  Entstehung  erkennen.  Charakte- 
ristisch ist  ferner,  dass  die  sporogenen  Hyphenäste  oft  gekrümmt 
sind,  wenn  sie  reif  sind.  Die  Form  der  Sporen  ist  unregelmässig, 
entsprechend  der  Form  der  Zellen,  durch  deren  Umwandlung  sie 
entstanden. 

eckige,  kurzzylindrische,  lang- 
zylindrische, schwach  gebogene 
oder  etwas  keulige,  sowie  kleine 
T- förmige,  letztere  in  dem  Falle, 
wenn  die  sporogene  Zelle  einen 
Seitenast  trug.  Einige  dieser 
Formen  zeigt  noch  die  Fio-.  5. 
Welche  Bedeutung  die  Hypheu 
haben,  von  denen  ich  in  Fig.  fi 
ein  Beispiel  abgebildet  habe, 
weiss  ich  nicht.  Die  einzelnen 
Zellen  sind  an  den  Enden, 
welche  der  Spitze  des  Fadens 
zugewandt  sind,  blasig  ange- 
schwollen, so  dass  die  Hyphen 
ein  knotiges  Aussehen  bekommen. 
Ich  habe  übrigens  solche  Formen 
auch  bei  anderen  Pilzen  beob- 
achtet, so  z.  B.  bei  dem  Thermo- 
ascus  aurantiacus,  so  dass  sie 
kaum  als  charakteristisch  anzu- 
sehen sind.  Irgendwelche  an- 
deren  Fortpfianzungszellen,  vor 
allem  Fruchtkörper  habe  ich  nie  beobachten  können. 

Der  nicht  bei  der  Sporenbildung  verbrauchte  Teil  des  Mycels 
ist  mit  gelblichen,  krümligen  Massen  erfüllt  und  stirbt  ab.  Bei 
älteren  Kulturen  besteht  der  mehlige  Überzug  vollständig  aus 
Sporen. 

Am  interessantesten  sind  die  Temperaturausprüche  unseres 
Pilzes.  Wie  Herr  SCHNEIDER  feststellte,  bilden  sich  bei  24^  erst 
nach  etwa  drei  Wochen  schwach  untergetauchte,  abnorme  Flocken 
in  Nährlösung;  auch  bei  26°  und  27,5°  dauert  die  Keimung  lange 
und  ist  das  Wachstum  sehr  kümmerlich.  Besser  ist  es  bei  29  und 
30°,  wo  aber  das  Auskeimen  auch  noch  3 — 4  Tage  in  Anspruch 
nimmt  und  die  Weiterentwicklung  dementsprechend  ebenfalls  langsam 


Fig.  3.  Einige  sporogene  Hyphen,  eng 
septiert,  rechtwinklig  verzweigt.  Die  dunkel 
gezeichneten  Zellen  wandeln  sich  zu  Sporen 
um,  die  hellen  bleiben  steril.  2  Tage  bei 
43°.    Vergr.  400. 


514     H.  MiEHE:  Thermoulium  sulfureum  n.  g.  n.  sp.,  ein  neuer  Wärmepilz. 

vonstatten  geht.  Rasche  Keimung  und  üppige  Entwicklung  tritt  erst 
von  35°  an  ein.  Die  obere  Grenze  ist  etwa  53°.  Bei  50°  findet 
noch  sehr  gutes  Wachstum  aber  keine  Sporenbildung  mehr  statt. 
Thermd'tdium  sulfureum  ist  also  ein  ausgesprochener  Wärmepilz,  der 
normal  erst  bei  einer  Temperatur  von  30°  gedeiht  und  bei  etwa  40° 
sein  Optimum  findet.  Seinen  Wärmeansprüchen  nach  schliesst  er 
sich  eng  an  Thermoascus  aurantiacus  an,  der  sich  rasch  auch  erst  bei 
85°  entwickelt  und  unter  30°  überhaupt  nicht    wächst.      Die    untere 


5  4  6 

Fig.  4.     Reil'e  Sporen,  mit  Resten  der  sporosenen  Hyphcn,  deren  Enden  zum  Teil 
gekrümmt  sind.     3  Tage  bei  43°.     Vergr.  400. 
„      5.     Verschiedene  Sporenformen  aus  einer  alten  Kultur.     Vergr.  600. 
„      6.     Knotige  Hyphen.     Vergr.  400. 


Grenze  für  Tliermomyces  lanuginosus  und  Actinomijces  thermophilus  ist 
ebenfalls  30°,  die  für  Mucor  pusiUus  22°.  Alle  diese  Pilze  sind  wohl 
zu  unterscheiden  von  den  wärmeliebenden  Aspergillen^')  und  anderen 
Mucorineen  {Mucor  corymbifer)^  die  sämtlich  auch  bei  gewöhnlichen 
Temperaturen  gut  und  normal  wachsen,  trotzdem  sie  augenscheinlich 
die  Blutwärme  bevorzugen.  Die  erste  Gruppe  umfasst  die  wirklich 
thermophilen  Pilze,  die  zweite  die  psychrotoleranten  (kälte- 
duldenden) ^). 


1)  Aspergillus  fuiiiigatus,  niyer,  flaviis  usw. 

2)  MiEHE,  1.  c.  S.  95. 


A.  SCHULZ:  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora.  515 

Zum  Schluss  sei  noch  kurz  die  Diagnose  unseres  Pilzes  gegeben. 
Thermo'idium  n.  g.,  vielzelliges  Mycel  ohne  auffällige  Merkmale.  Das 
flaumige  Luftmycel  ist  regelmässig  rechtwinklig  verzweigt,  die  Enden 
t)ft  spiralig  oder  hornartig  gebogen.  Es  bildet  die  Sporen,  indem 
sich  die  Hyphen  in  viele  kurzzylindrische  Zellen  teileu,  die  direkt 
unter  Verdickung  ihrer  Membran  sich  zu  den  Sporen  umwandeln. 
Diese  behalten  entweder  die  kurzzylindrische  Form  ihrer  Mutter- 
zelle, oder  sie  sind  kuglig  oder  ellipsoidisch.  Selten  sind  lange 
knochenförmige  oder  t- förmige  Sporen.    Andere  Fruchtformen  fehlen. 

Thermo'idium  sulfureum  n.  sp.  Schwefelgelbe,  flockige,  kurze 
Raschen,  die  sich  mit  dem  Alter  braun  verfärben.  Einzelne  Sporen 
farblos,  '2,5—10  ^a  lang,  2,5 — 3  fx  breit.  Auf  traubenzuckerhaltigem 
Agar  wird  ein  wasserlöslicher,  carminroter  Farbstoff  produziert. 
Untere  Grenze  für  normales  Wachstum  29 — 30°,  Optimum  35  —  45°, 
Maximum  53°.  Wächst  in  aufgehäuften  Pflanzenmassen,  die  sich  im 
Zustande  der  Selbsterhitzung  befinden. 

Leipzig,  Botanisches  Institut. 


75.  A.  Schulz:  Über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegen- 
wärtigen  phanerogamen  Flora   und  Pflanzendecke  des  nord- 
deutschen Tieflandes.  I. 

(Eingegangen  am  22.  November  1907.) 


In  einem  1905  auf  dem  internationalen  botanischen  Kongresse 
zu  W^ien  gehaltenen  und  in  den  „Resultats  scientifiques  du  Congres 
international  de  Botanique  de  Yienne  1905"  ^)  veröffentlichten  Tor- 
trage über  „Die  Geschichte  der  Pflanzenwelt  des  norddeutschen 
Tieflandes  seit  der  Tertiärzeit"  hat  C.  A.  WEBER  auch  seine  Ansichten 
über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen 
Flora  und  Pflanzendecke  des  norddeutschen  Tieflandes  —  d.  h.  die 
Vorgänge,  die  zur  Entstehung  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora 
und  Pflanzendecke  dieses  Gebietes  geführt  haben  —  und  die  Methode 
ihrer  Erforschung  dargelegt. 


1)   S.  98—116. 
Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  gß 


516  A.  Schulz: 

Nach  WebER's  Meinimg  gibt  es^)  für  die  Feststellung  der  Ent- 
wicklungsgeschichte der  gegenwärtigen  Flora  und  Pflanzendecke^) 
eines  Landes,  soweit  sie  sich  nicht  auf  menschliche  Zeugnisse  zu 
stützen  vermag,  zwei  Methoden,  die  er  kurz  als  die  pflauzengeo- 
graphische  und  die  paläontologische  ^)  bezeichnet.  „Die  geographische 
Methode  sucht  aus  der  heutigen  Yerbreitung  der  Pflanzen  einen 
Rückschluss  auf  die  geschichtliche  Entwicklung  der  Flora  zu  machen. 
Sie  ist  die  bequemere  von  beiden  und  lässt  sich,  wenn  eine  hin- 
reichend grosse  Zahl  von  kritischen  Standortsbeobachtungen  vorliegt, 
im  Studierzimmer  erledigen.  Sie  stellt  ein  System  der  Entwicklungs- 
geschichte auf,  das  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat. 
Seine  Übereinstimmung  mit  der  Wirklichkeit  muss  aber  erst  durch 
paläontologische  Funde  bewiesen  werden,  und  dies  ist  um  so  mehr 
geboten,  je  enger  begrenzt  das  Gebiet  ist,  auf  das  sich  die  Forschung 
erstreckt.  Die  paläontologische  Methode  ist  mühevoller  und  daher 
noch  wenig  gepflegt.  Sie  setzt  nicht  bloss  eingehende  und  umfassende 
botanische,  sondern  auch  ebensolche  geologische  Kenntnisse  voraus. 
Sie  vermag  ferner  nur  über  den  Teil  der  Flora  Aufschluss  zu  geben, 
der  einer  solchen  fossilen  Aufbewahrung  fähig  ist,  dass  man  die 
Reste  mit  Sicherheit  zu  identifizieren  vermag.  Diese  Beschränkung 
kann  und  darf  natürlich  kein  Grund  sein,  die  paläontologische 
Methode  als  minderwertio-  zu  betrachten  oder  gar  sie  unberücksichtigt 
zu  lassen.  Wir  werden  nur  daraus  schliessen,  dass  man  bei  einem 
mehr  oder  minder  grossen  Teil  der  Pflanzenwelt  hinsichtlich  seiner 
geologischen  Geschichte  niemals  mehr  als  etwas  Wahrscheinliches 
mit  Hilfe  der  pflanzengeographischen  Methode  wird  ermitteln  können. 
Die  Hauptfehler  der  paläontologischen  Methode  kommen  durch  un- 
richtige Identifizierungen  der  fossilen  Reste  und  durch  falsche 
Altersbestimmungen  der  Fundstätten  zustande"  *).  WEBER  hat  sich  nach 
seiner  Angabe  bei  seinen  „phytohistorischen  Studien  im  norddeutschen 
Tieflande  in  erster  Linie  der  paläontologischen  Methode  bedient,  die 
Ergebnisse  derselben  aber  stets  an  der  Hand  der  pflanzengeo- 
graphischeu  zu  prüfen  und  vorsichtig  zu  erweitern  gesucht.  Da  aber 
die  Ergebnisse  der  zweiten  Methode  keineswegs  immer  eindeutig, 
oft    mehrdeutig    sind,    so    sind    trotzdem    Fehler    keineswegs    ausge- 


1)  Er  sagt  (a.  a.  0.  S.  98)  zwar  uur:  „Für  die  Feststellung  .  .  .  sind  zwei 
Methoden  in  Anwendung"  (von  mir  gesperrt,  SCHULZ),  unterscheidet  aber  im 
folgenden  auch  selbst  diese  beiden  Methoden. 

2)  Weber  spricht  zwar  nur  von  der  „Flora",  meint  aber  die  „Flora"  und  die 
„Pflanzendecke".  Vgl.  hierzu  SCHULZ,  Über  die  Eutwicklungsgescliichte  d.  gegen- 
wärtigen ph.  Flora  u.  Pflanzendecke  der  Skandinavischen  Halbinsel  (Stuttgart  1900) 
S.  148. 

3)  Vgl.  S.  518,  Anm.  1. 

4)  Weber,  a.  a.  0.  S.  98. 


Eutwic'^lungsg-eschiclite  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  517 

schlössen"  0-  E^'  ^^^  daher  auch  nicht  sicher,  dass  selbst  die  äusseren 
Umrisse  seiner  Darstellung  der  Entwicklungsgeschichte  „in  allen 
Einzelheiten  der  Wahrheit  entsprechen  und  nicht  früher  oder  später 
eine  Berichtigung  erfahren  werden"^). 

Ich  vermag  Weber's  im  vorstehenden  dargelegten  methodo- 
logischen Anschauungen  nicht  beizustimmen.  Es  ist  ganz  unmöglich, 
die  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen^)  Flora 
und  Pflanzendecke  eines  —  beliebigen  —  grösseren  Gebietes  des 
nördlicheren  Europas^)  festzustellen,  d.  h.  zu  beweisen,  dass  die  ge- 
gebene Darstellung  der  Vorgänge,  die  zur  Entstehung  dieser  Flora 
und  Pflanzendecke  geführt  haben,  wahr  ist,  d.  h.  mit  der  Wirklich- 
keit übereinstimmt.  Eine  „Feststellung"  wäre  nur  in  dem  Falle 
möglich,  dass  sich  die  Vorgänge,  die  zur  Entstehung  der  gegen- 
wärtigen ])hanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  betreffenden 
Gebietes  geführt  haben,  vor  den  Augen  der  Florenhistoriker  ab- 
gespielt hätten  oder  sich  von  den  Florenhistorikern  willkürlich  auf 
experimentellem  Wege  wiederholen  Hessen,  oder  dass  über  diese 
Vorgänge  von  gleichzeitig  mit  ihnen  lebenden  Personen  nachweislich 
durchaus  der  Wirklichkeit  entsprechende  schriftliche  Aufzeichnungen 
vorlägen.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  Denn  nur  die  allerjüngsten 
von  diesen  Vorgängen  fallen  in  eine  Zeit,  wo  das  nördlichere  Europa 
von  Menschen,  die  derartiges  zu  beobachten  und  aufzuzeichnen  imstande 
waren,  bewohnt  war*).  Die  übrigen  —  die  weitaus  meisten  —  sind 
vor  dieser  Zeit  geschehen.  Sie  können  nur  nach  den  Spuren  be- 
urteilt werden,  die  sie  teils  in  den  mit  ihnen  gleichzeitig  ent- 
standenen geognostischen  Bildungen  des  betreffenden  Gebietes  und 
seiner  Umgebung,  teils  in  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora 
und  Pflanzendecke  dieser  Gebiete,  die  ja  vorzüglich  ihnen  ihre  Ent- 
stehung verdanken,  hinterlassen  haben.  Aus  diesen  Spuren  lässt  sich 
mit  Hilfe  der  Physiologie,  Biologie  und  Systematik  (einschliessich  der 
Paläontologie  im  eigentlichen  Sinne)  der  Pflanzen  und  Tiere,  der 
Petrographie  und  Petrogenie,  der  Klimatologie,  der  Urographie  und 
Hydrographie  usw.  auf  die  Vorgänge  schliessen,  denen  sie  ihre  Ent- 
stehung verdanken.  Leider  lässt  sich  in  sehr  vielen  dieser  Schlüsse 
die  Wahrheit  einer  der  Prämissen  oder  sogar  beider  nicht  beweisen, 
sondern  nur  als  wahrscheinlich  hinstellen;  und  es  wird  sich  dies  auch 
niemals  ändern.  Man  kann  deshalb  auf  Grund  dieser  Schlüsse  nicht 
feststellen,     welchen    Verlauf    die    Entwicklung    der    gegenwärtigen 


1)  A.  a.  0.   S.  99. 

2)  Nur  diese  soll  im  folgenden  behandelt  werden. 

3)  Weber's    Aussagen     beziehen    sich    wohl    hauptsächlich    auf   diesen    Teil 
Europas. 

4)  Diese   haben    aber    leider    nur    wenige    dieser    Vorgänge    beobachtet    und 
beschrieben. 

36* 


518  A.  Schulz: 

phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  betreffenden  Gebietes 
gehabt  hat,  sondern  nur  aussagen,  welchenV erlauf  sie  gehabt 
haben  kann  oder  wahrscheinlich  gehabt  hat.  Es  ist  nicht  aus- 
geschlossen, dass  schon  heute  die  Aussagen  eines  kenntnis- 
reichen und  kritischen  Forschers  über  den  Verlauf  dieser  Ent- 
wicklung dem  wirklichen  Verlaufe  derselben  im  wesentlichen  ent- 
sprechen, und  es  ist  recht  wahrscheinlich,  dass  sich,  wenn  sämtliche 
wichtigeren  Spuren,  die  jene  Vorgänge  hinterlassen  haben,  erforscht, 
und  die  Disziplinen,  mit  deren  Hilfe  sie  beurteilt  werden  müssen, 
im  wesentlichen  ausgebaut  sind,  eine  fast  völlig  wahre  Darstellung 
des  Verlaufes  der  Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanerogamen 
Flora  und  Pflanzendecke  des  betreffenden  Gebietes  geben  lassen 
wird.  Doch  wird  sich  auch  dann  nicht  beweisen  lassen,  dass  diese 
Darstellung  wirklich  wahr  ist.  Man  wird  annehmen  dürfen, 
der  Wahrheit  nahe  gekommen  zu  sein,  sobald  sich  die  Schlüsse,  die 
man  aus  den  von  jenen  Vorgängen  hinterlassenen  Spuren  ziehen 
kann,  sämtlich  ungezwungen  zu  einem  Gesamtbilde  der  Entwicklungs- 
geschichte der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke 
des  betreffenden  Gebietes  vereinigen  lassen.  Dies  zu  erreichen  ist 
also  die  Aufgabe  der  Forschung.  Es  ist  klar,  dass  man  zu  diesem, 
Ziele  nicht  gelangen  kann,  wenn  man  sich  nur  einer  der  beiden  von 
Weber  unterschiedenen  Methoden^)  bedient,  d.  h.  eine  der  beiden 
vorhin  unterschiedenen  Klassen  von  Spuren  allein  berücksichtigt^). 
Es  gibt  also  nicht  zwei  verschiedene  Methoden  der  Erforschung  der 
Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  eines  —  beliebigen  —  Gebietes  des  nördlicheren 
Europas^),  sondern  nur  eine  einzige,  nämlich  die  vorstehend  dar- 
gestellte. Der  einzelne  Forscher  wird  bei  der  Erforschung  der  Ent- 
wicklungsgeschichte der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  eines  Gebietes  des  nördlicheren  Europas  allerdings  in 


1)  Die  Bezeichnungen  dieser  Methoden  sind  m.  E.  nicht  glücklich  gewählt. 
Vgl.  Schulz,  a.  a.  0.  S.  12. 

2)  „Aus  der  heutigen  Verbreitung  der  Pflanzen"  eines  Landes  allein  (vgl.  oben 
S.  516)  lässt  sich  überhaupt  kein  „Rückschluss  auf  die  geschichtliche  Entwicklung 
der  Flora"  des  betreffenden  Landes  machen.  WEBER  bezeichnet  seine  pflanzen- 
geographische Methode  als  die  bequemere"  von  beiden  Methoden.  Die  Wissenschaft 
unterscheidet  aber  nicht  zwischen  bequemen  und  unbequemen,  sondern  nur  zwischen 
richtigen  und  falschen  Forschungsmethoden. 

3)  Dies  gibt  ja  auch  Weber  eigentlich  zu,  wenn  er  (a.  a.  0.  S.  98)  sagt,  dass 
seine  paläontologische  Methode  nur  „über  den  Teil  der  Flora  Aufschluss  zu  geben 
vermag,  der  einer  solchen  fossilen  Aufbewahrung  fähig  ist,  dass  man  die  Reste 
mit  Sicherheit  zu  identifizieren  vermag."  Wenn  er  aber  hinzufügt,  dass  dies  natür- 
lich kein  Grund  sein  dürfe,  die  paläontologische  Methode  als  minderwertig  zu 
betrachten,  so  irrt  er.  Denn  für  sich  allein  ist  die  paläontologische  Methode  der 
pflanzengeographischen  Methode    —   falls   man   unter  dieser  das  Schliessen  auf  die 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.   519 

den  meisten  Fällen  von  einer  der  beiden  Spurenklassen  ausgehen, 
und  zwar  von  der,  mit  der  er  sich  am  meisten  beschäftigt  hat  und 
die  ihm  deshalb  am  besten  bekannt  ist.  Er  wird  sich  auf  Grund 
dieser  Spuren  in  der  vorhin  angedeuteten  Weise  ein  Bild  der  Ent- 
wicklungsgeschichte der  gegenw^ärtigen  phanerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  des  betreffenden  Gebietes  zu  machen  suchen.  Darauf 
wird  er  untersuchen,  ob  die  Schlüsse  aus  den  übrigen  Spuren,  welch 
letztere  er  nicht  nur  literarisch,  sondern  wenigstens  soweit,  dass  er 
die  Berechtigung  der  sich  auf  sie  gründenden  Schlüsse  beurteilen 
kann,  aus  eigener  Anschauung  kennen  muss,  zu  einer  Änderung 
dieses  Bildes  Anlass  geben,  und  er  wird  dann,  wenn  dies  der  Fall 
ist,  das  Bild  in  entsprechender  Weise  ändern,  bis  sich  alle  Schlüsse 
harmonisch  zu  einem  Ganzen  vereinigen.  Aber  auch,  wenn  ihm  dies 
gelungen  ist,  kann  er,  wie  schon  gesagt,  nicht  beweisen,  dass  sein 
Gesamtbild  der  Wirklichkeit  entspricht.  Es  lässt  sich  dies  leicht 
dartun').  Aus  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzen- 
decke eines  —  beliebigen  —  Gebietes  des  nördlicheren  Europas  lässt 
sich  in  der  vorhin  angedeuteten  Weise  nicht  nur  recht  bestimmt 
schliessen,  dass  während  deren  Entwicklung  das  Klima  des  nördlicheren 
Europas  sehr  bedeutende  Wandlungen  —  die  bedeutende  Wandlungen 
der  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  nördlicheren  Europas 
zur  Folge  hatten  —  durchgemacht  hat,  sondern  es  lässt  sich  daraus 
auch,  wenn  auch  weniger  bestimmt,  auf  die  Art  und  die  Reihenfolge 
dieser  Wandlungen  schliessen.  Es  lässt  sich  jedoch  auf  diesem  Wege 
nicht  beweisen,  dass  die  Ansichten  über  die  Art  und  Reihenfolge  der 
Wandlungen,  zu  denen  man  durch  diese  Schlüsse  gelangt,  der  Wirk- 
lichkeit entsprechen.  Es  lässt  sich  vor  allem,  auch  bei  Berück- 
sichtigung der  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  gesamten 
nördlicheren  Europas  oder  Europas  überhaupt  oder  der  ganzen  nörd- 
lichen Erdhälfte,  nicht  beweisen,  dass  die  angenommenen  Klima- 
wandlungen die  einzio'en  während  des  Verlaufes  der  Entwicklung  der 
gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  betreffenden 
Gebietes  waren,  und  dass  dessen  Klima  nicht  noch  weitere,  vielleicht 


Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke 
eines  Gebietes  nicht  nur  aus  der  heutigen  Verbreitung  der  phanerogamen  Arten 
dieser  Flora  (vgl.  die  vorige  Anm.),  sondern  aus  sämtlichen  in  dem  betreffenden  Gebiete 
vorhandenen  Spuren  der  zweiten  der  von  mir  unterschiedenen  Spurenklassen  ver- 
steht —  gegenüber  minderwertig,  da  sich  mit  Hilfe  von  jener  nur  über  ein  kleines 
Bruchstück  der  Flora  des  betreffenden  Gebietes,  mit  Hilfe  von  dieser  aber  über 
dessen  gesamte  Flora  —  und  zwar  über  die  feste  Ansiedlung  und  die  späteren 
Schicksale  der  Glieder  derselben  in  ihm  —  etwas  aussagen  lässt  undjenen  Aussagen 
keineswegs  mehr  Wahrscheinlichkeit  zukommt  als  diesen. 

1)  Vgl.  zum  folgenden  z.  B.  SCHULZ,  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen 
phan.    Flora   u.  Pflanzendecke    der  oberrheinischen  Tiefebene  und  ihrer  Umgebung 
j;-  i  r  t  1906). 


520  A.  Schulz: 

sehr    bedeutende  AVandluiigen,    die    bedeutende  Wandlungen    seiner 
Flora  und  Pflanzendecke  zur  Folge  hatten,    durchgemacht  hat,  deren 
Spuren  —  in  der  Flora  und  Pflanzendecke  nicht  nur  des  betreffenden 
Landes,   sondern  der  ganzen  nördlichen  Erdhälfte  —  aber  durch  auf 
sie    folgende    klimatische  Wandlungen    vollständig  verwischt  worden 
sind,    sodass  sie  sich  garnicht  mehr  erkennen  lassen.     So  kann  man 
z.  B.  auf  Grund  der  Beschaffenheit  der  gegenwärtigen  phanerogamen 
Flora    und   Pflanzendecke    der    grösseren    Gebiete    des    nördlicheren 
Europas  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  behaupten,  dass  in  den  A'erlauf 
der  Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzen- 
decke   dieser  Gebiete  ein  Zeitabschnitt,   den  ich  als  den  trockensten 
Abschnitt    der    ersten  heissen  Periode  bezeichnet  habe,  fällt,  wo  das 
Klima  im  nördlicheren  Europa  ausgeprägt  kontinental  —  in  der  süd- 
östlichen   Partie    des    nördlich    der  Alpen    und    Karpaten    gelegenen 
Teiles    Mitteleuropas    (bis    zum    Thüringer  Walde    und  Harze    nach 
NW  hin)    wahrscheinlich    dem    heute    in    den  Steppengegenden    des 
südwestlichen  Russlands  herrschenden  ähnlich  —  war,  dass,  allerdings 
nicht    unmittelbar,  auf  diesen  Zeitabschnitt    ein  Zeitabschnitt  —   den 
ich  erste  kühle  Periode  genannt  habe  —  folgte,  wo  das  Sommerklima 
des  nördlicheren  Europas  bedeutend  kühler   und  feuchter  war  als  in 
der    Gegenwart,    und     dass    das    Klima    des    nördlicheren    Europas 
darauf   nie    wieder    so    trocken    und    so   feucht  wurde  wie  in  diesen 
beiden  Zeitabschnitten.     Es  wäre  aber  möglich ,    dass  sich  diese  be- 
deutenden Wandlungen    des  Klimas    des    nördlicheren  Europas  noch 
einmal  oder  sos-ar  mehrmals  in  o-anz  oder  fast  ganz  derselben  W^eise 
wiederholt  hätten.    Würden  auf  einen  Zeitabschnitt  mit  einem  solchen 
Klima  wie  wir  es    nach    meiner  Überzeugung    dem    trockensten  Ab- 
schnitte    der     ersten     heissen     Periode     zuschreiben      müssen,      ein 
Zeitabschnitt     mit      einem      solchen     Klima,      wie      wir      es      nach 
meiner      Überzeugung      der      ersten      kühlen      Peride      zuschreiben 
müssen,    und    auf    diesen    ein    dem    ersten    trockenen   Zeitabschnitte 
klimatisch    und    in    übriger  Hinsicht    gleicher    oder    sehr    ähnlicher 
und     darauf     ein      dem      ersten     kühlen     Zeitabschnitte     klimatisch 
und    in    übriger  Hinsicht  gleicher  oder  sehr    ähnlicher    Zeitabschnitt 
gefolgt  sein,    so  würde  der  zweite  trockene  Zeitabschnitt  die  Spuren 
des    ersten    kühlen  Zeitabschnittes    in    der  Flora   und  Pflanzendecke 
des    nördlicheren  Europas    vollständig    verwischt    haben,    sodass  sich 
dessen  Vorhandensein    aus    der    gegenwärtigen    phanerogamen  Flora 
und  Pflanzendecke    dieses  Gebietes    nicht    erkennen  Hesse ^),    und  es 
würden    die    beiden    trockenen   Zeitabschnitte    als  ein  einziger  Zeit- 


1)  Es  vTÜrden  sich  während  des  zweiten  trockenen  Zeitabschnittes  die  Ein- 
wandrer des  ersten  trockenen  Zeitabschnittes,  die  den  ersten  kühlen  Zeitabschnitt 
in  diesem  Gebiete  überdauert  hätten,  und  zwar  in  derselben  Weise  und  in  ähnlichem 


Entwicklungsgeschichte  der  plianerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.   521 

abschnitt,  dessen  Flora  und  Pflanzendecke  durch  einen  einzigen  ihm 
folgenden  Zeitabschnitt  mit  sehr  kühlem  und  feuchtem  Sommerklima 
weitgehende  Änderungen  erfahren  hätten,  erscheinen.  Dasselbe 
'würde  der  Fall  sein,  wenn  sich  diese  klimatischen  Wandlnugen  noch 
häufio-er  wiederholt  hätten.  Man  wird  nun  versuchen,  die  Frage 
nach  der  Anzahl  dieser  klimatischen  Wandlungen  auf  Grund  der  aus 
der  Zeit  der  Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora 
und  Pflanzendecke  des  nördlicheren  Europas  herstammenden  geo- 
gnostischen  Bildungen  dieses  Gebietes  zu  beantworten.  Es  lässt  sich 
nicht  bezweifeln,  dass  während  der  Herrschaft  eines  Klimas,  wie 
man  es  nach  meiner  Überzeugung  der  ersten  kühlen  Periode  zu- 
schreiben muss,  die  Gletscher  der  Alpen  wesentlich  grösser  sein 
müssen,  als  gegenwärtig,  und  im  nördlicheren  Europa  ausgiebige 
Torf-  vorzüglich  Sphagnetumtorf-Bildung  stattfinden  muss,  also  be- 
deutende Moore,  vorzüglich  Sphagnetumtorfmoore,  entstehen  müssen. 
Dagegen  muss  während  der  Herrschaft  eines  Klimas,  wie  man  es 
nach  meiner  Überzeugung  dem  trockensten  Abschnitte  der  ersten 
heissen  Periode  zuschreiben  muss,  die  Alpenvergletscherung  viel 
kleiner  sein  als  gegenwärtig,  und  es  muss  nicht  nur  ein  Abbruch  der  Ent- 
wicklung der  meisten  Moore  des  nördlicheren  Europas,  sondern  sogar 
eine  Zerstörung  eines  sehr  grossen  Teiles  derselben,  vorzüglich  der 
Sphagnetumtorfmoore,  stattfinden.  Es  gibt  meines  Erachtens  geo- 
gnostische  Bildungen,  aus  denen  man  schliessen  kann,  dass  in  die 
seit  dem  Ausgange  der  Periode  des  Bühlvorstosses  —  in  der  die 
Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzen- 
decke des  nördlicheren  Europas  beginnt  —  verflossene  Zeit  zwei 
Abschnitte  fallen,  wo  das  Sommerklima  des  nördlicheren  Europas 
wesentlich  kühler  und  feuchter  war  als  gegenwärtig,  die  aber  auch 
ganz  anders  gedeutet  werden  können  und  gedeutet  worden  sind^)  : 
Es  sind  dies  die  Moränen  des  Gschnitz-  und  des  Daunstadiums  der 
Alpengletscher ^).  Es  ist  zwar  aus  der  Grösse  der  Gletscher,  von 
denen    diese  Moränen  abgelagert  sind,  kein  sicherer  Schluss  auf  das 


Umfange  wie  im  ersten  trockenen  Zeitabschnitte,  von  neuem  in  dem  Gebiete  aus- 
gebreitet haben,  und  es  würden  damals  wie  während  des  ersten  trockenen  Zeit- 
abschnittes zahlreiche  Elemente  von  auswärts  in  das  Gebiet  eingewandert  sein,  doch 
fast  nur  dieselben  wie  während  dieses,  oder  wenigstens  ausschliesslich  solche  mit 
derselben  klimatischen  Anpassung  wie  die  Einwanderer  dieses  Zeitabschnittes. 

1)  Vergl.  hierzu  z.  B.  SCHüLZ,  Das  Schicksal  der  Alpen-Vergletscherung  nach 
dem  Höhepunkte  der  letzten  Eiszeit,  Centralblatt  f.  Mineralogie  usw.  1904, 
S.  266  u.  f.  Dieses  Beispiel  lässt  sehr  deutlich  erkennen,  wie  richtig  meine  Be- 
hauptung ist,  dass  man  auf  Grund  der  geognostischen  Tatsachen  —  d.  h.  mit  Hilfe 
von  Weber's  paläontologischer  Methode  —  allein  niemals  zu  einem  Verständnis 
der  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzen- 
decke eines  Gebietes  des  nördlicheren  Europas  gelangen  kann. 

2)  Vergl.  Schulz,  a.  a.  0. 


522  A.  SCBXTLZ: 

damalige  Klima  des  nördlicheren  Europas  möglich,  es  scheint  mir 
aber  nichts  der  Annahme  zu  widersprechen,  dass  die  Moränen  des 
Gschnitzstadiums  während  des  Höhepunktes  der  ersten  kühlen 
Periode,  die  des  Daunstadiums  i"n  einer  späteren,  wesentlich  unbe- 
deutenderen kühlen  Periode  —  meiner  zweiten  kühlen  Periode  —  ent- 
standen sind.  Auf  das  Vorhandensein  einer  Periode  mit  kühlem  und 
feuchtem  Sommerklima  —  und  mildem  Winterklima  —  in  dem 
Zeiträume  seit  der  Periode  des  Bühlvorstosses  lässt  sich  auch,  doch 
nicht  sehr  bestimmt,  aus  den  aus  diesem  Zeiträume  stammenden  geo- 
gnostischen  Bildungen  des  Ostseegebietes  schliessen^),  die  erkennen 
lassen,  dass  damals  während  längerer  Zeit  die  Ostseeküsten  und  die 
Meeresstrassen  zwischen  der  Ostsee  und  der  Nordsee  sehr 
gesunken  waren,  sodass  warmes  salzreiches  Wasser  in  grosser  Menge 
in  die  Ostsee  eindringen  und  in  ihr  bis  weit  nach  Norden  vordringen 
konnte,  und  dass  gleichzeitig  im  Ostseegebiete  ein  mildes  Winter- 
klima lierrschte.  Das  Maximum  dieser  Senkung  des  Ostseegebietes 
—  der  Litorinasenkung  der  skandinavischen  Geologen  —  fällt  offen- 
bar mit  dem  Höhepunkt  meiner  ersten  kühlen  Periode  zusammen. 
Die  Untersuchung  der  Moore  des  nördlicheren  Europas  hat  nichts 
ergeben,  was  direkt  für  das  Vorhandensein  einer  Periode  mit  aus- 
geprägt kühlem  und  feuchtem  Sommerklima  spräche,  aber  auch  nichts, 
was  sich  gegen  die  Annahme  einer  solchen  Periode  anführen  Hesse. 
Dagegen  weist  der  Bau  dieser  Moore,  wenigstens  der  Norddeutsch- 
lands, bestimmt  auf  das  Vorhandensein  eines  Zeitabschnittes  mit 
ausgeprägt  trockenem  Klima  in  der  seit  der  Periode  des  Bühl- 
vorstosses verflossenen  Zeit  hin;  es  kann  jedoch  dieser  nicht  mit 
dem  trockensten  Abschnitte  der  ersten  heissen  Periode,  sondern  nur 
mit  dem  entsprechenden  Abschnitte  der  in  die  Zeit  nach  der  ersten 
kühlen  Periode  fallenden  zweiten  heissen  Periode  identisch  sein^). 
Dass  in  dem  Zeiträume  seit  der  Periode  des  Bühlvorstosses 
das  Klima  des  nördlicheren  Europas  längere  Zeit  bedeutend 
trockener  war  als  gegenwärtig ,  darauf  lässt  sich  auch  aus 
den  Lössablagerungen  dieses  Zeitraumes  schliessen,  die  an  mehreren 
Stellen  des  Alpengebietes  beobachtet  worden  sind.  Wahrscheinlich 
stammen  diese  teils  aus  dem  trockensten  Abschnitte  des  ersten, 
teils  aus  dem  der  zweiten  iieissen  Periode.  Es  lassen  sich  somit 
keine  sicheren  geognostischen  Tatsachen  anführen,    die  für  das  A^or- 


1)  Vergl.  betreffs  dieser  Schulz,  Entwicklungsgeschichte  d.  gegeuw.  phan. 
Flora  und  Pflanzendecke  Skandinaviens  (Stuttgart  1900). 

2)  Auch  im  Alpengebiete  sind  geognostische  Tatsachen  vorhanden,  die  für  das 
Vorhandensein  dieses  Zeitabschnittes  sprechen;  vergl.  SCHULZ,  Über  einige  Probleme 
d.  Entwicklungsgeschichte  d.  gegenw.  phan.  Flora  u.  Pflanzendecke  Süddeutschlands, 
Beihefte  z.  Bot.  Centralbl.,  20.  Bd.,  2.  Abt.  (190G),  S.  197  u.  f.  (214). 


Eutwickhingsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  523 

haudeusein  des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode 
sprechen.*)  Aber  wenn  auch  solche  vorhanden  wären,  dürfte  man 
daraus  doch  wohl  nicht  den  Schluss  ziehen,  dass  nur  ein  Zeit- 
abschnitt dieser  Art  vorhanden  wäre,  ebenso  wie  aus  den  vor- 
hin angeführten  Tatsachen  wohl  nicht  geschlossen  werden  darf, 
dass  es  nur  eine  Periode  von  der  Art  der  ersten  kühlen  Periode  ae- 
geben  hätte.  Denn  es  wäre  wohl  denkbar,  dass  auf  eine  Periode 
dieser  Art  ein  dem  ihr  vorausgehenden  trockenen  Zeitabschnitte 
gleicher  oder  sehr  ähnlicher  Zeitabschnitt  gefolgt  wäre,  wo  die  Torf- 
ablagerungen und  die  sonstigen  weicheren  Bildungen  der  voraus- 
gehenden kühlen  Periode  zerstört  und  abgetragen  und  die  Löss- 
ablagerungen  des  ersten  trockenen  Zeitabschnittes  —  soweit  sie 
noch  vorhanden  waren  —  umgelagert  worden  wären,  und  dass  auf 
diesen  Zeitabschnitt  eine  zweite  kühle  Periode  gefolgt  wäre,  deren 
Ablagerungen  die  der  ersten  —  soweit  sie  noch  vorhanden  waren  — 
überlagert  hätten  und  sich  von  diesen  nicht  oder  doch  nicht  sicher 
trennen  liessen,  so  dass  also  sowohl  die  beiden  trockenen,  als  auch 
die  beiden  kühlen  Perioden  als  eine  Einheit  erscheinen  würden. 
Uu<l  es  wäre  möglich,  dass  sich  dieselbe  Klimawandlung  noch 
mehrere  Male  wiederholt  hätte,  ohne  dass  es  sich  mit  Sicherheit  auf 
geognostischem  Wege  nachweisen  Hesse.  Dasselbe,  was  im  Vor- 
stehenden von  dem  trockensten  Abschnitte  der  ersten  heissen  Periode 
und  der  ersten  kühlen  Periode  gesagt  wurde,  gilt  auch  von  den 
entsprechenden  —  in  ihrem  Klima  aber  lange  nicht  so  bedeutend 
von  der  Jetztzeit  abweichenden  —  Abschnitten  der  seit  der  ersten 
kühlen  Periode  verflossenen  Zeit. 

Auch  das  lässt  sich  meines  Erachtens  nicht  bezweifeln,  dass  in 
die  Zwischenzeit  zwischen  die  Periode  des  Bühlvorstosses  und  die 
erste  kühle  Periode  nicht  nur  der  trockenste  Abschnitt  der  ersten 
heissen  Periode  fällt,  sondern  dass  damals  längere  Zeit  hindurch  die 
Länder  des  nördlicheren  Europas  ein  wärmeres  Sommer-  und  Winter- 
klima als  heute  —  die  wärmeren  Striche  des  nördlich  der  Alpen 
und  Karpaten  gelegenen  Teiles  Mitteleuropas  ein  vollständig 
mediterranes  Klima  —  gehabt  haben.  Und  sehr  vieles  spricht 
dafür,  dass  das  warme  Klima  nicht  nur  während  eines 
einzigen,  einheitlichen  Zeitabschnittes  geherrscht  hat,  sondern 
dass  es  zwei  warme  —  von  mir  als  warme  Abschnitte 
der  ersten  heissen  Periode  bezeichnete  —  Zeitabschnitte  gibt, 
von    denen  der  erste    unmittelbar  vor  den  trockensten  Abschnitt  der 


1)  Die  alleinige  Anwendung  der  „paläontologischen"  Methode  kann  also  gar 
nicht  zu  richtigen  Ansichten  über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen 
phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  der  Gebiete  des  nördlicheren  Europas 
führen. 


524  A.  Schulz 

ersten  heissen  Periode  fällt,  der  zweite  dem  trockensten  Abschnitte 
unmittelbar  folgte.  Wahrscheinlich  war  der  erstere  von  beiden  der 
bedeutendere,  w^ärmere  und  längere;  in  ihm  hat  wohl  die  feste 
Ansiedlung  der  Mehrzahl  der  an  warmes  Sommer-  und  Winterklima 
angepassten  Elemente  der  Flora  des  mittleren  Europas  in  diesem 
Gebiete  stattgefunden.  Ganz  bestimmt  lässt  sich  dies  jedoch  aus  der 
gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  nördlicheren 
Europas  —  und  aus  der  der  nördlichen  Erdhälfte  überhaupt  —  nicht  er- 
kennen. Leider  gibt  auch  die  Untersuchung  der  aus  dem  Zeiträume 
zwischen  der  Periode  des  Bühlvorstosses  und  der  ersten  kühlen  Periode 
stammenden  geognostischen  Bildungen  dieses  Gebietes  über  die 
Stellung  des  warmen  Zeitabschnittes  bezw.  der  warmen  Zeitabschnitte 
zu  dem  trockensten  Abschnitte  der  ersten  heissen  Periode  keinen 
Aufschluss.  Durch  geognostische  Untersuchungen  lässt  sich  überhaupt 
nicht  nachweisen,  dass  in  jenem  Zeiträume  im  nördlicheren  Europa 
längere  Zeit  ein  Klima  von  der  angegebenen  Beschaffenheit 
geherrscht  hat.  In  Folge  davon  lässt  sich  auch  nichts  darüber  sagen, 
ob  sich  —  was  aus  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  des  nördlicheren  Europas  nicht  zu  erkenen  ist  -  die 
Zeiten  mit  warmem  Klima  vor  der  -  letzten  der  Perioden  von  der 
Art  der  —  ersten  kühlen  Periode  mehrfach  wiederholt  haben.  Das 
gleiche  wie  von  dem  warmen  Zeitabschnitte  oder  den  warmen  Zeit- 
abschnitten vor  der  ersten  kühlen  Periode  gilt  von  den  entsprechen- 
den, doch  viel  unbedeutenderen  Zeitabschnitten  nach  dieser  Periode, 
deren  Vorhandensein  sich  aus  der  gegenwärtigen  phanerogamen 
Flora  und  Pflanzendecke  des  nördlicheren  Europas  nur  undeutlich  er- 
kennen lässt.  Bei  ausschliesslicher  Anwendung  der  „paläontologischen" 
Methode  —  d.  h.  ausschliesslicher  Berücksichtigung  der  Spuren  der 
ersten  der  von  mir  unterschiedenen  Spurenklassen  —  kann  man  also 
weder  über  die  feste  Ansiedlung  der  Ansiedler  der  warmen  Abschnitte 
oder  des  warmen  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode,  die  einen 
nicht  unbedeutenden  Teil  der  Glieder  der  mitteleuropäischen  Flora 
ausmachen,  in  Mitteleuropa,  noch  über  deren  weitere  Geschicke  in 
diesem  Gebiete  etwas  aussagen.  In  Folge  davon  wird  diese  Gruppe 
von  denjenigen  Forschern,  die  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegen- 
wärtigen Flora  und  Pflanzendecke  Mitteleuropas  ausschliesslich  oder 
vorzüglich  nach  dieser  Methode  zu  erforschen  suchen,  garnicht  von 
den  Ansiedlern  des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode 
geschieden. 

Bei  ausschliesslicher  Anwendung  dieser  Methode  lässt  sich  aber 
auch  über  die  Ansiedlung  und  die  weiteren  Geschicke  der  übrigen 
Gruppen  der  gegenwärtigen  mitteleuropäischen  Phanerogamenflora 
in  Mitteleuropa  sehr  wenig  aussagen.    Dies  würde  auch  nicht  anders 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogarocn  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  525 

sein,  wenn  die  meisten  Glieder  dieser  Gruppen^)  in  den  aus  der  Zeit 
der  Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzen- 
decke Mitteleuropas  stammenden  Ablagerungen  des  nördlicheren 
"Europas  in  einem  solchen  Zustande  fossil  vorkämen,  dass  sie  sich 
absolut  sicher  bestimmen  liessen"^). 

Eine  Frage  kann  man  jedoch  ausschliesslich  mit  Hilfe  der 
j,paläontologischen"  Methode  zu  beantworten  suchen,  die  nämlich 
nach  dem  Zeitpunkte  des  Beginnes  der  Entwicklung  der  gegen- 
wärtigen phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  der  einzelnen  Länder 
des  nördlicheren  Europas.  Auf  Grund  der  gegenwärtigen  phanerogamen 
Flora  und  Pflanzendecke  dieses  Gebietes  lässt  sich  nur  das  mit 
ziemlicher  Sicherheit  behaupten,  dass  die  Elemente  der  ersten  der 
vier  von  mir  unterschiedenen  Elemente-Gruppen  der  mitteleuropäischen 
phanerogamen  Flora^)  sich  in  Mitteleuropa  vor  den  übrigen  Elementen 
angesiedelt  haben,  und  das  als  recht  wahrscheinlich  hinstellen,  dass 
ihre  feste  Ansiedlung  in  einen  Zeitabschnitt  fiel,  wo  im  nördlicheren 
Europa  so  kühles  Sommerklima  herrschte,  dass  weite  Striche  auch 
der  eisfrei  bleibenden  Partien  desselben  fast  ganz  ihren  Waldbestand 
verloren  und  im  nördlich  der  Alpen  und  der  Karpaten  gelegenen 
Teile  Mitteleuropas  nur  Elemente  der  ersten  Gruppe  leben  konnten. 
Es  ist  nun  durch  geognostische  Untersuchungen  nachgewiesen 
worden,    dass    im    nördlicheren    Europa    das    perennierende    Eis    im 


1)  Es  lässt  sich  mit  Hilfe  dieser  Methode  z.  B.  nichts  darüber  aussagen,  wann 
sich  die  einzelnen  Arten  dieser  Gruppen  in  dem  nördlich  der  Alpen  und  Karpaten 
gelegenen  Teile  Mitteleuropas  fest  augesiedelt  haben,  ob  sie  nach  ihrer  festen  An- 
siedlung —  noch  einmal  oder  mehrmals  —  von  Neuem  eingewandert  sind  und  ob 
die  neuen  Einwanderer  ebenfalls  zur  festen  Ansiedlung  gelangt  sind,  woher  sie  ein- 
gewandert sind,  welche  Anpassung  an  Klima  und  Boden  sie  bei  ihrer  festeu  An- 
siedlung hatten,  ob  sie  diese  Anpassung  bewahrt  haben,  oder  ob  und  in  welcher 
Weise  sich  ihre  Anpassung  im  Laufe  der  Zeit  geändert  hat  usw.  Selbstver- 
ständlich würde  es,  wie  ich  schon  dargelegt  habe,  ebenso  verfehlt  sein,  wenn  man 
versuchen  würde,  diese  Fragen  einzig  mit  Hilfe  der  „pflanz engeographischen" 
Methode  zu  beantworten. 

2)  Auf  Grund   der  Übereinstimmung   eines  fossilen  Pflanzenteils  oder  weniger 

—  zu  derselben  Art  gehörender  —  fossiler  Pflanzenteile  mit  dem  entsprechenden 
Teile  oder  den  entsprechenden  Teilen  einer  bestimmten  rezenten  Art  lässt  sich 
nicht  behaupten,  sondern  nur  als  mehr  oder  weniger  wahrscheinlich  hinstellen,  dass 
die  betreffende  fossile  Art  mit  dieser  rezenten  identisch  ist.     Selbst  von  denjenigen 

—  wenigen  —  der  in  den  aus  der  Zeit  der  Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanero- 
gamen Flora  und  Pflanzendecke  des  nördlicheren  Europas  stammenden  Ablagerungen 
dieses  Gebietes  vorkommenden  fossilen  Phanerogamenarten,  von  denen  in  diesen  die 
Mehrzahl  der  wichtigeren  Teile  aufgefunden  worden  ist,  lässt  sich  kaum  die 
Identität  mit  denjenigen  rezenten  Arten,  deren  entsprechenden  Teilen  diese  Teile 
gleichen,  als  sicher  hinstellen. 

3)  Vergl.  hierzu  z.  B.  SCHULZ,  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen 
phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  der  Schweiz,  Beihefte  zum  Botanischen 
Centralblatt  17.  Bd.  (1904)  S.  157  u.  f. 


526   A.  SCHULZ:  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phaneroganien  Flora. 

jüngsten  der  grösseren  Abschnitte  der  Erdgeschichte,  in  der  Pleisto- 
zänzeit,  mindestens  fünf  mal  längere  Zeit  bedeutend  grösser  war  als 
gegenwärtig.  Auch  während  des  Höhepunktes  der  letzten,  der  un- 
bedeutendsten von  diesen  fünf  Vergletscherungsperioden  —  der  Periode 
des  Bühlvorstosses  — ,  muss  das  Klima  dieses  Gebietes  so  ungünstig 
gewesen  sein,  dass  aus  dem  nördlich  der  Alpen  und  Karpaten 
gelegenen  Teile  Mitteleuropas  alle  Glieder  der  zweiten,  der  dritten 
und  wohl  auch  der  vierten  Gruppe  verschwanden.  Es  ist  recht 
wahrscheinlich,  dass  damals  durch  dieses  letztere  Gebiet  —  soweit  wie 
es  eisfrei  war  —  hindurch  weite  zusammenhängende  Striche  ganz  oder 
fast  ganz  waldfrei  waren,  so  dass  sich  die  jetzt  in  ihm  lebenden  — 
und  ausserdem  manche  aus  ihm  verschwundene  —  Elemente  der 
ersten  Untergruppe  der  ersten  Gruppe,  obwohl  ihnen  das  damalige 
Klima  zweifellos  nicht  sehr  günstig  war,  in  ihm  mehr  oder  weniger 
weit  auszubreiten  vermochten.  Es  lässt  sich  also  annehmen,  dass 
die  feste  Ansiedlung  der  Elemente  der  ersten  Gruppe  in  diese 
Periode  fällt,  dass  mit  dieser  Periode  somit  die  Entwicklungs- 
geschichte der  gegenwärtigen  phaneroganien  Flora  und  Pflanzendecke 
dieses  Teiles  Mitteleuropas  beginnt.  Nun  sind  aber,  wie  gesagt, 
dieser  Periode  noch  mindestens  vier  andere  Perioden  mit  sehr  ähn- 
lichem klimatischem  Charakter,  aber  wohl  noch  wesentlich  niedrigeren 
Sommertemperaturen  vorausgegangen,  in  denen  diese  Elemente 
ebenfalls  in  das  bezeichnete  Gebiet  einwandern  konnten.  Man  muss 
also  untersuchen,  ob  die  feste  Ansiedlung  dieser  Elemente  in  diesem 
Gebiete  nicht,  wenigstens  teilweise,  schon  in  eine  jener  früheren 
grossen  Vergletscherungsperioden  fällt.  Aus  der  gegenwärtigen 
phaneroganien  Flora  und  Pflanzendecke  des  nördlicheren  Europas  lässt 
sich  —  in  der  vorhin  augedeuteten  Weise  —  nur  wenig  erschliessen, 
was  zur  Entscheidung  dieser  Frage  beiträgt.  Auch  durch  geo- 
gnostische  Untersuchungen  kann  die  Frage  nicht  beantwortet  werden, 
doch  lassen  diese  wenigstens  erkennen,  dass,  wenn  sich  in  dem 
bezeichneten  Gebiete  seit  der  vorletzten*)  der  grossen  Vergletscherungs- 
perioden Elemente  der  ersten  Gruppe  erhalten  haben,  deren  Anzahl 
nur  unbedeutend  sein  kann. 


1)  Es  ist  wohl  sicher,  dass  von  keinem  der  Einwanderer  einer  der  früheren 
grossen  Vergletscherungsperioden  noch  gegenwärtig  in  dem  bezeichneten  Gebiete 
Nachkommen  leben. 


Z.  WOYCICKI:  Pathologische  Wachstumserscheimmgen  bei  Spirogyra  usw.  527 


76.   Z.  Woycicki:   Über  pathologische  Wachstumserschei- 
nungen bei  Spirogyra  und  Mougeotia-Arten  in  Laboratoriums- 

l<ulturen. 

Vorläufige  Mitteilung. 
(Eingegangen  am  25.  November  1907.) 


Durch  die  Arbeiten  von  KNY,  BÖHM,  SPÄTH  und  METER, 
Lackner,  Krauch,  WeHMER  u.  a.')  ist  die  höchst  schädliche  Ein- 
wirkung des  Leuchtgases  auf  die  Pflanzen  eine  längst  bekannte 
Tatsache  geworden.  Diese  Einwirkung  zeigt  sich,  wie  MOLISCH 
nachgewiesen  hat,  bei  den  höheren  Vertretern  des  Pflanzenreiches 
sogar  schon  bei  sehr  minimalen  Dosen,  denn  bei  einer  Quantität  von 
0,005  pCt.  wurde  „eine  Verkürzung  bei  Wurzeln  von  Zea  Maijs- 
Keimlingen  in  Länge  und  Förderung  im  Dickenwachstmn"  kon- 
statiert.^) 

Im  Jahre  1901  wurden  wir  durch  die  Versuche  von  NELJUBOW,^) 
und  1903  durch  die  Arbeiten  von  MAXIMILIAN  SINGER*)  und  OSWALD 
Richter^)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  diese  Einwirkung  bei 
der  Bewertung  der  im  Laboratorium  angestellten  Versuche  unbedingt 
in  Betracht  gezogen  werden  muss;  denn  —  wie  der  letztgenannte 
Autor  sagt  —  „wir  arbeiten  im  Laboratorium  meist  mit  kranken 
Pflanzeo,  weshalb  heute  zu  den  notwendigsten  Forderungen  eines 
pflanzenphysiologischen  Instituts  ein  lüftbares  Gewächshaus  gehört."®) 

*  * 

* 

Es  ist  gleichfalls  längst  bekannt,    dass  „unter  gewissen  äusseren 

Bedingungen"^)  Spirogyra  nnd  Mougeotta^)  fähig  sind,  höchst  sonder- 


1)  cf.  Oswald  Richter,  Pflanzenwachstum  und  Laboratoriumsluft.  Ber.  d. 
deutsch,  bot.  Ges.,  Bd.  21,  1903.  Es  wird  auf  die  oben  angefühi-te  Literatur  und 
deren  Quellen  hingewiesen. 

2)  ibid.  p.  184. 

3)  D.  NeljüBOW,  Über  die  horizontale  Nutation  der  Stengel  von  Pisum 
sativum  und  einigen  anderen  Pflanzen.    Beih.  z.  Bot.  Centralbl.,  Bd.  X,  Heft  3,  1901. 

4)  Maximilian  Singer,  Über  den  Einfluss  der  Laboratoriumsluft  auf  das 
Wachstum  der  Kartoffelsprosse.     Ber.  d.  deutsch,  bot.  Ges.,  Bd.  21,  1903. 

5)  1.  c. 

6)  1.  c.  p.  194. 

7)  Borge,  Über  die  Rhizoidenbildung  bei  einigen  fadenförmigen  Chloro- 
phyceen.    Inauguraldissert.,  Upsala  1894. 

8)  cf.  Literaturangaben  bei  BORGE  und  die  letzte  Arbeit  über  diesen  Gegen- 
stand von  A.  A.  Pascher,  Über  auffallende  Rhizoid-  und  Zweigbildungen  bei  einer 
Mougeotia-Axt.    Flora  1907. 


528  Z.  WOYCICKI: 

bare  Auswüchse  oder  Rhizoide  —  wie  die  allgemein  angenommene 
Bezeichnung  dafür  lautet  —  hervorzubringen.  Ich  konnte  aber 
nirgends  bei  den  Versuchen,  welche  zwecks  Erklärung  der  Ur- 
sachen der  Erscheinung  derartiger  Gebilde  angestellt 
wurden,  einer  Berücksichtigung  des  Einflusses  des  Leuchtgases  auf 
diesen  höchst  delikaten  und  daher  ausserordentlich  empfindlich 
reagierenden  Organismus  begegnen.^) 

Indessen  aber  äussert  sich  in  dieser  Richtung  der  Einfluss  des 
Gases,  der  Quantität  entsprechend,  welche  in  unseren  Laboratorien 
enthalten  ist,  sehr  stark  auf  die  Spirogyra-T^eWen,  wovon  mich  die 
Beobachtuno-en  überzeuo-ten,  welche  durch  die  vorbereitenden  Ver- 
suche  zur  weiteren  Aufklärung  dieser  Frage  bestätigt  wurden,  die 
den  Gegenstand  dieser  vorläufigen  Mitteilung  bildet. 


In  einem  grossen  Glasgefässe  von  45  cm  Höhe  und  25  cm 
Durchmesser  befand  sich  seit  dem  Herbst  des  Jahres  1906  in 
vollster  Ruhe  und  Ungestörtheit  auf  dem  südlichen  Fensterbrett 
unseres  Laboratoriums  eine  gemischte  Kultur  von  Wasseralgen,  die 
hauptsächlich  aus  Cladophora,  mit  Oedogoniuin,  Spirogyra  und 
Mougeotia  vermischt,  bestand.  Sie  überwinterten  alle  ziemlich  gut 
und  fingen  im  Frühjahre  dieses  Jahres  an,  sicli  intensiv  weiter  zu 
entwickeln  und  die  Wasserschicht  von  unten  bis  oben  auszufüllen, 
deren  Yerdunstungsquantität  fortgesetzt  auf  die  frühere  Wasserhöhe 
durch  Zugiessen  von  reinem  Leitungswasser  ergänzt  wurde.  Als  ich 
nun  in  den  ersten  Tagen  des  Maimonats  das  Kulturmaterial  aufmerk- 
samer betrachtete,  bemerkte  ich  an  Spirogyra  und  Mougeotia  Aus- 
wüchse,   welche    durch    ihre   Eigentümlichkeit,    ihre  Mannigfaltigkeit 


1)  Eine  kurze  Bemerkung  über  den  Einfluss  der  Laboratoriumsluft  finden  wir 
in  der  Arbeit  von  Professor  Israel  in  Berlin:  „Biologische  Studien  mit  Eücksicht 
auf  die  Pathologie."  Er  sagt:  „Am  ausdauerndsten  erwies  sich  Spirogyra  laxa, 
die  sich  in  den  kleinen  Gläsern  gut  hielt,  während  die  anderen  im  Laufe  von  zwei 
Monaten  meistens  wohl  den  schädlichen  Einflüssen  der  Laboratoriumsluft  erlagen, 
obwohl  alle  zwei  Wochen  das  Wasser  gewechselt  wurde.  Häufig  fanden  sich 
physiologische  Veränderungen  in  den  Kulturen,  die  darin  zum  Ausdruck  kamen, 
dass  sich  in  einzelnen  Zellen,  bisweilen  auch  in  längeren  Reihen  derselben,  die 
Chlorophyllbänder  mehr  oder  weniger  weit  von  einem  Ende  der  Zelle,  oder  auch 
von  beiden,  zurückzogen,  ohne  dass  die  Zellen  sonst  irgend  eine  Ab- 
weichung zeigten,  oder  eine  Schädigung  aufwiesen.  Öfter  auch  lagen  die 
Chromatophoren  ganz  gestreckt  in  der  Zelle,  der  Längskontur  in  der  Projektion 
mehr  oder  weniger  parallel,  als  wenn  die  übrigen  Teile  ein  stärkeres  Längen- 
wachstum erfahren  hätten,  indess  die  in  ihrer  Zunahme  zurückgebliebenen  grünen 
Bänder  mechanisch  gestreckt  wurden.  Auch  hier  war  keine  weitere  Schädi- 
gung der  Zellen  zu  erkennen."  —  S.  299. 

Archiv  für  pathol.  Anatomie  u.  Physiologie  und  für  klinische  Medizin. 

Bd.  147,  41,  1897. 


Pathologische  Wachstumserscheinungen  bei  Spirogyra  und  Mougeotia-Arten.  529 

und  Grösse  meine  Verwunderung  hervorriefen.  Da  ich  vermutete, 
dass  diese  Erscheinung  dem  Einflüsse  des  zwar  in  minimalen  Dosen, 
jedoch  im  Verlaufe  eines  längeren  Zeitraumes  durch  das  Wasser  des 
Gefässes  diffundierenden  Leuchtgases  zuzusehreiben  sei,  stellte  ich 
im  Herbste  dieses  Jahres  Versuche  mit  frischem  Materiale  an.  Die 
Versuche  bestanden  darin,  dass  ich  Leuchtgas  durch  das  Leitungs- 
wasser führte,  in  welch  letzterem  ich  hauptsächlich  Spirogyra  setiformis 
(Roth)  kultivierte. 

Mit  dem  ersten  Versuche  begann  ich  am  5.  September.  Es 
wurde  ein  nicht  sehr  grosses  Gefäss  genommen  und  w^ährend 
15  Minuten  Leuchtgas  hindurchgeleitet.  Nach  je  zwei  Tagen  wurde 
dieselbe  Manipulation  dreimal  wiederholt,  und  zwar  in  der  Weise, 
dass  das  Wasser  von  der  Kultur  abgegossen,  und  dann  erst  das 
Leuchtgas  durchgeleitet  wurde.  Da  ich  aber  bemerkte,  dass  ein 
15  Minuten  langes  Hindurchleiten  von  Leuchtgas  allzu  stark  auf 
Spirogyra  einwirkte,  so  liess  ich  am  7.  Monatsdatum  nur  10  Minuten 
lang,  und  am  9.  und  11.  nur  5  Minuten  lang  Gas  hindurchgehen. 
Am  12.  d.  Mts.  zeigte  sich  die  Einwirkung  des  Gases  darin,  dass 
die  Mehrzahl  der  Fäden  gänzlich  verschwanden  und  nur  in  einigen 
derselben  entweder  einzelne  Zellchen,  oder  drei  bis  vier  Zellgruppen 
lebend  erhalten  geblieben  waren. 

Das  Gefäss  mit  dieser  Kultur  wurde  dann  in  ein  kleines 
Gewächshaus  bei  off'enem  Fenster  gebracht,  und  nach  Verlauf  von 
einem  Monat  (zum  ersten  Male  am  10.  Oktober)  bemerkte  ich  eine 
grosse  Anzahl  Zellen  und  kurzer  Fäden,  welche  anfingen  Auswüchse 
von  dem  gleichen  Typus  zu  bilden,  wie  das  Material  der  Laboratoriums- 
kultur. 

Im  zweiten  Versuche  wurde  das  Gas  nur  dreimal  und  aus- 
schliesslich nur  auf  5  Minuten  durchgeleitet.  Auch  in  diesem  Falle 
zeigte  sich  nach  Verlauf  eines  Monats  eine  grosse  Anzahl  kurzer 
zwei-  oder  dreizelliger  Fäden  mit  Auswüchsen  von  verschiedener 
Grösse  und  Form.  Das  Vergleichsmaterial  zeigte  keinerlei  ähnliche 
Erscheinungen.  Die  Zellen  der  Fäden  waren  völlig  normal,  sehr 
schön  lebhaft  grün  mit  grossen  Pyrenoiden.  Der  einzige  Unterschied 
im  Vergleich  zu  dem  soeben  frisch  dem  Bassin  entnommenen 
Material  bestand  darin,  dass  einige  Fäden  schlangenförmig  gewunden 
waren  und  sich  nicht  mit  den  anderen  zusammen  in  parallelen  An- 
häufungen lagerten. 

Indem  ich  mir  eine  detailliertere  Beschreibung  aller  von  mir 
beobachteten  Erscheinungen  bis  zum  Momente  der  Beendigung  der 
von  mir  noch  angestellten  Versuche  und  Beobachtungen  vorbehalte, 
halte  ich  diese  Erscheinungen  jedoch  jetzt  schon  für  einen  Beweis 
mehr  zugunsten  der  oben  angeführten  Ansicht  RlCHTER's. 


530  ^^-  STAHL: 


77.  E.  Stahl:  Über  das  Vergilben  des  Laubes. 

(Vorläufige  Mitteilung). 
(Eingegangen  am  18.  November  1907.) 


Bei  der  herbstlichen  Verfärbung  der  Blätter  tritt  auf  natürlichem 
Wege  eine  Trennung  der  beiden  Bestandteile  des  Chlorophylls  ein, 
ähnlich  derjenigen,  welche  auf  künstlichem  Wege  ausführbar  ist  durch 
Ausschütteln  der  alkoholischen  Rohchlorophyllösung  mit  Benzin 
oder  Petroläther.  Während  der  in  Alkohol  zurückbleibende  gelbe 
Anteil  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  keine  bemerkenswerte 
Abnahme  zeigt,  verschwindet  der  blaugrüne,  in  Benzin  oder  Petrol- 
äther übergehende  Anteil  gänzlich  aus  dem  völlig  ausgereiften,  dem 
Absterben  entgegengehenden  Blatte. 

Da  eine  Zunahme  des  grünen  Farbstoffs  in  den  ausdauernden 
Teilen  des  Sprosses  nicht  wahrzunehmen  ist,  so  muss  er  in  der  sich 
verfärbenden  Spreite  eine  Zersetzung  erleiden,  wobei  seine  Zer- 
setzungsprodukte entweder  in  dem,  aus  dem  Verbände  sich  loslösen- 
den Blatte  zurückbleiben,  oder  aber  in  die  ausdauernden  Teile, 
behufs  weiterer  Verwendung,  auswandern. 

Für  die  letztere  Annahme  sprechen  die  Ergebnisse  von  Versuchen, 
die  an  eben  vergilbenden  Spreiten  zur  Ausführung  gelangten. 

Wurde  nämlich  die  Ableitung  durch  Durchschneiden  der  Blatt- 
rippen oder  Einknicken  der  Spreiten  senkrecht  zur  Mittelrippe 
gehemmt,  oder  in  einzelnen,  vermittelst  eines  Korkbohrers,  aus  der 
Spreite  herausgestanzten  Stücken  völlig  verhindert,  so  zeigte  sich 
das  Vergilben  in  hohem  Grade  erschwert,  in  manchen  Fällen  völlig 
unterdrückt.  Die  aus  dem  Verband  gelösten  Spreiteufragmente 
blieben,  insbesondere  bei  Dikotylen,  viel  länger  grün  und  starben 
manchmal,  auch  wenn  sie  sonst  unter  gleichen  Bedingungen  wie  die 
noch  am  Spross  verbliebenen  Blätter  aufbewahrt,  und  vor  dem 
Vertrocknen  geschützt  waren,  unter  Bräunung  ab,  ohne,  vorher  ihre 
grüne  Färbung  zu  verlieren.  Es  liegt  hier  die  Annahme  nahe,  dass 
in  Folge  partieller  oder  totaler  Unterbrechung  des  Zusammenhangs 
von  Spreiteuteilen  mit  dem  Ganzen  eine  Anhäufung  der  abzu- 
leitenden Stoffe  eintritt,  welche  die  weitere  Zersetzung  des 
grünen  Farbstoffs  zu  verlangsamen  oder  gar  völlig  zu  verhindern 
vermag. 

Man  muss  sich  nun  fragen,  wie  es  kommt,  dass  die  Pflanzen 
bei  weitem  haushälterischer  mit  dem  grünen  Anteil  des  Chlorophylls 


über  das  Vergilben  des  Laubes.  531 

verfahren  als  mit  dein  gelben,  welcher  ja  meist  vollständig  preis- 
gegeben wird  oder  doch  nur  in  besonderen  Fällen  eine  beträchtliche 
Abnahme  erleidet.  Fasst  man  die  verschiedene  Zusammensetzuno' 
der  beiden  Anteile  des  Rollchlorophylls  ins  Auge,  so  wird  das  ver- 
schiedene Verhalten  verständlich. 

Xach  den  Untersuchungen  von  WiLLSTÄTTEß  und  MiEG')  „über 
die  gelben  Begleiter  des  Chlorophylls"  gilt  für  das  Carotin  die 
Formel  C^^  H56'  f"''  ^''^^  Xantophyll,  welches  wahrscheinlich  ein  Oxyd 
des  Carotins  darstellt,  die  Formel  C^^  H.g  0.  Es  beteiligen  sich 
also  an  dem  Aufbau  der  gelben  Begleiter  des  Chlorophylls,  die  im 
verfärbten  Blatte  zurückbleiben,  oder  doch  nur  unvollständia-  aus 
ihm  fortgeführt  werden,  nur  Kohlenstoff",  Wasserstoff,  Sauerstoff, 
alles  Elemente,  die  der  Pflanze  reichlich  zur  Verfügung  stehen  und 
mit  welchen  sie  in  der  Kegel  keineswegs  sparsam  umzugehen 
braucht. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  dem  grünen  Anteil  des  Roh- 
chloropliylls,  von  dem  uns  hier  nur  die  elementare  Zusammensetzung- 
interessiert.  Zu  den  Elementen,  die  sich  am  Aufbau  von  Carotin 
und  Xanthophyll  beteiligen,  kommen  nach  WlLLSTÄTTER^)  Stick- 
stoff und  Magnesium  hinzii.  Von  Eisen  konnte  dieser  Forscher, 
in  Übereinstimmung  mit  älteren  Angaben,  keine  Spur  nach- 
weisen Die  von  STOCKLASA^)  mit  besonderer  Bestimmtheit 
vertretene  Ansicht,  wonach  Phosphor  an  dem  Aufbau  des 
Chlorophylls  beteiligt  sein  soll  —  wird  ja  das  Chlorophyll  geradezu 
als  Chlorolecithin  bezeichnet  —  hält  WiLLSTÄTTER  für  unbegründet. 
Nach  ihm  enthält  das  aus  Gras  oder  aus  Brennnesseln  isolierte 
Chlorophyll  keinen  Phosphor  oder  doch  nnv  ganz  geringe  Mengen, 
die  von  Verunreinigungen  herrühren.  Dabei  hält  er  es  allerdings 
nicht  für  ausgeschlossen,  dass  irgend  eine  Pflanze  ein  phosphor- 
haltiges  Blattgrün  enthält  oder  dass  Additionsprodukte  von  Chlorophyll 
und  phosphorhaltigen  Verbindungen  auftreten  können.  Sehen  wir 
von  dem  Phosphor,  dessen  Vorkommen  einstweilen  noch  zweifelhaft 
ist,  ab,  so  beteiligen  sich  an  dem  Autbau  des  Chlorophyllgrün  ausser 
den  im  Clilorophyllgelb  nachgewiesenen  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und 
Sauerstoff  noch  Stickstoff  und  Magnesium,  welch  letzterem 
WiLLSTÄTTER  geneigt  ist,  eine  hervorragende,  hier  nicht  weiter  zu 
erörternde  Bedeutung  bei  den  Stoffwechselprozessen  zuzuschreiben, 
eine    Ansicht,    die    durch    die    Erfahrungen    der  Pflanzenphysiologen 


1)  Liebigs  Ännalen  der  Chemie.     Bd.  355.     1907. 

2)  R.  WiLLSTÄTTER.  Zur  Kemitnis  der  Zusammensetzung  des  Chlorophylls. 
LiEBIG'S  Annalen  Bd.  350.  —  WiLLSTÄTTER  und  HOCHEDER.  Über  die 
Einwirkungen  von  Säuren  und  Alkalien  auf  Chlorophj-ll.     ibid.     Bd.  344 

3)  StoCKLASA.  Über  die  Verbreitung  und  physiologische  Bedeutung  des 
Lecithins  iu  der  Ptlanze.     Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie.     1896. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV  p.T 


532  E.  STAHL: 

erhärtet  wird.  Man  denke  an  das  Vorkommen  des  Magnesiums  in 
den  Samen  und  an  seine  von  SCHIMPER^)  festgestellte  Verbreitung 
in  den  embryonalen  Geweben,  den  Blattmesophyllzelleii,  den  Sieb- 
röliren,  Polleukörnern  usw.  Von  den  am  Aufbau  des  Chloro- 
phylls sich  beteiligenden  Elementen  ist  jedenfalls  die 
Erhaltung  von  Stickstoff  und  Magnesium  von  w^eit  grösserer 
Wichtigkeit  als  diejenige  von  Kohlenstoff,  Wasserstoff, 
Sauerstoff,  welche  ihr  aus  Substrat  und  Atmosphäre  in 
unbeschränktem  Masse  zuf Hessen.  Es  ist  daher  das  gegen- 
sätzliche Verhalten  der  beiden  Anteile  des  Rohchlorophylls 
in  den,  dem  Absterben  und  Abfallen  entgea-engehenden 
Blättern  und  anderen  grünen  Pflanzenteilen,  als  ein 
Zeichen  der  im  Pflanzenkörper  waltenden  Ökonomie  zu 
betrachten. 

Dasselbe  Prinzip  der  Sparsamkeit,  wie  in  den  vergilbenden 
Blättern,  kommt  auch  in  den  reifenden  Früchten  zum  Ausdrck,  deren 
erst  grüne  Farbe  sich  in  gelb  oder  rotgelb  wandelt.  Der  blaugrüne 
Anteil  des  Chlorophylls  verschwindet,  der  hauptsächlich  aus  Carotin 
bestehende  roto-elbe  bleibt  daoeoen  zurück.  Mit  dem  Nutzen,  den 
die  Farbenänderuno'  stiftet,  indem  sie  die  reifen  Früchte  den  Tieren 
von  weitem  erkennbar  macht,  ist  zugleich  der  Vorteil  der  Ersparnis 
der  für  die  Pflanzen  wertvolleren  Bestandteile  verbunden. 

Der  bei  der  Betrachtung  der  herbstlichen  Verfärbung  des 
alternden  Laubes  gewonnene  Gesichtspunkt  ist  geeignet,  auch  eine 
andere,  an  jungen  Pflanzenteilen  sich  einstellende  Erscheinung  dem 
Verständnis  näher  zu  führen.  Gemeint  ist  hier  das  Ausbleiben  des 
Ergrünens,  das  bei  allen  angiospermen  Gewächsen  und  manchen 
anderen,  die  bei  Lichtabschluss  eintretenden,  als  Etiolement 
bezeichneten  abnormen  Wachstumserscheinungen  begleitet,  Ab- 
weichungen, die  durch  Überverlängeruug  gewisser  Teile  und  Ver- 
kümmerung anderer  gekennzeichnet  sind. 

Während  die  Physiologen  sich  früher  damit  begnügten,  das 
Etiolement  als  krankhaften  Zustand  zu  betrachten,  hat  zuerst 
GODLEWSKI')  in  lichtvoller  Weise  dargetan,  dass  die  Eigentümlich- 
keiten der  etiolierten  Gewächse  den  Nutzen  haben,  eine  möglichst 
grosse  Ersparung  an  Eeservestoffen  zu  erzielen  und  der  Pflanze 
möglichst  schnell  die  Bedinguno-en  einer  selbständioen  Ernähruno-  zu 
schaffen.    Die  bei  Lichtabschluss  sich  vollziehende  Überverlängeruno- 


1)  A.  F.  W.  SCHIMPER.     Zur  Frage  der  Assimilation  der  Mineralsalze   durch 


die  grüne  Pflanze.     Flora  18i>0 


2)    Emil    Godlewski,    Über    die    biologische    Bedeutung    der    Etiolierungs- 
erscheinungen.     Biologisches  Centralbl.,  Bd.  IX,  188i). 


über  (las  Vergilben  des  Laubes.  533 

bestimmter  Teile  hat  den  Sinu.  den  Organen,  welche  znr  Ausübung 
ihrer  Funktion  ans  Licht  gelangen  müssen,  dies  zu  ermöglichen.  Da 
die  im  Dunkeln  stark  sich  verlängernden  Teile  zugleich  negativ 
geotropisch  sind,  so  werden  sie  aus  dem  Schoss  der  Erde  durch  die 
kombinierte  Wirkung  von  Etiolement  und  negativem  Geotropismus 
dem  Lichte  zugeführt. 

Sowohl  GODLEWSKI  als  aucli  die  anderen  Forscher,  welche  nach 
ihm  der  Etiolieruniisfraoe  näher  oetreten  sind,  haben  sich  darauf 
beschränkt,  die  Gestaltungs-  und  Wachstumsverhältnisse  etiolierter 
Pflanzenteile  biologisch  zu  deuten.  Die  andere  Seite  des  Problems, 
das  Ausbleiben  des  Ergrünens  bei  Lichtabschluss,  hat  bisher  noch 
keine  biologische  Deutung  gefunden. 

Die  im  Dunkeln  gewachsenen  Triebe  sind  nicht  völlig  farblos, 
die  Blattspreiten,  insbesondere  die  Kotyledonen  etiolierter  Keim- 
pfläuzchen,  zeigen  eine  bald  heller,  bald  dunkler  gelbe  Färbung,  die 
bedingt  ist  durch  Farbstoffe,  deren  Zahl  und  Xatur  zum  Teil  noch 
strittig  ist.  Sicher  ist  nach  CZAPEK*)  nur,  dass  die  etiolierten 
ChlorophjUkörner  Carotin  führen,  das  nach  KOHL  wahrscheinlich 
allein  der  Gelhfärbuno'  zu  Grunde  liegt.  Der  grüne  Anteil  des 
Chlorophylls  fehlt  nach  der  Mehrzahl  der  Forscher  vollständig  Nur 
TlMlRIAZEFF  und  MONTEVERDE  geben  an,  dass  die  etiolierten 
Blätter  nicht  nur  einen  gelben,  sondern  noch  einen  grünen  Farbstoff' 
in  kleiner  Menge  enthalten,  der  bei  Belichtung-  in  Chlorophyll 
übergehen  soll. 

Die  Richtigkeit  dieser  Angaben  vorausgesetzt,  ändert  dies 
nur  wenig  an  der  Tatsache,  dass  die  ergrünungsfähigen  Teile  der 
Angiospermen  zurückhaltender  verfahren  bei  der  Ausbildung  des 
Chlorophyllgrün  als  des  Chlorophyllgelb.  Der  aus  weniger  kostbarem 
Material  sich  aufbauende  gelbe  Anteil  entsteht,  wenn  auch  vielleicht 
in  geringeren  Mengen,  auch  bei  Lichtabschluss,  ohne  dass  wir  bisher 
im  Staude  wären,  ihm  hier  eine  bestimmte  Funktion  zuzuschreiben. 
Die  Bildung  des  zum  Teil  aus  wertvolleren  Elementen  aufgebauten 
grünen  Anteils  ist  dagegen,  bei  den  Angiospermen  durchweg,  bei 
anderen  Gewächsen  in  nicht  wenigen  Fällen,  direkt  an  die  Gegen- 
wart des  Lichtes  gebunden.  Es  lassen  sich  also  die  Zurückhaltung 
in  der  Bildung  des  Chlorophyllgrün  bei  im  Dunkeln  entwickelten 
Organen,  die  Entfernung  desselben  aus  den  dem  Absterben  entgegen- 
gehenden Teilen  unter  dem  gemeinsamen  Gesichtspunkt  der  Spar- 
samkeit begreifen.  In  dem  einen  Fall  hält  die  Pflanze  zurück  mit 
der  Bildung  des  bei  Lichtabwesenheit  nicht  funktionsfähigen 
Chlorophyllgrüii,    an    dessen  Aufbau    sich    schwerer    zu   beschaffende 

1)  Fr.  Czapek,  Biochemie  der  Pflanzen.     Bd.  I,  p.  46(i. 


534  E.  Stahl:  Über  das  Vergilben  des  Laubes. 

Stoffe  beteiligen,  welclie  in  der  etiolierendeu  Pflanze,  die  zunächst 
zum  Lichtgenuss  sich  emporarbeiten  muss,  eine  geeignetere  Ver- 
wendung finden  dürften.  In  dem  anderen  Fall  ei'leidet  das 
Chlorophyllgrün,  nachdem  die  an  es  gebundene  Ernährungsfunktion 
erloschen  ist,  eine  Zersetzung,  deren  Produkte  aus  den  ab- 
sterbenden Teilen  entfernt  und  den  ausdauernden  zugeführt 
werden. 


Sitzung  vom  27.  Dezember  1907.  535 


Sitzuns:  vom  27.  Dezember  1907. 

o 

Yorsitzender:    Herr  L.  KNY. 


Mit  Schluss  dieses  Jahres  legt  Herr  Professor  Dr.  OTTO  MÜLLER 
aus  Gesundheitsrücksichten  das  Amt  als  Schatzmeister  nieder,  das  er 
während  der  ersten  25  Jahre  des  Bestehens  der  Deutschen  Botanischen 
Gesellschaft  ununterbrochen  mit  seltener  Umsicht  und  Pflichttreue 
verwaltet  hat.  Der  Vorsitzende  spricht  dem  scheidenden  Mitgliede 
des  Vorstandes  in  warmen  Worten    den  Dank    der  Gesellschaft    aus. 


Als  ordentliche  Mitglieder  sind  vorgeschlagen  die  Herren: 

Andrews,  Dr.  Frank  Marion,  Associate  Professor  of  Botany  in  the  Uni- 
versity  of  Indiana  (ü.  S.  A.)  (durch  W.  PFEFFER  und  H.  MiEHE). 

Geib,  Karl,  Lehrer  in  Kreuznach  (durch  L.  Geisenheyner  und 
R.  Wirtgen). 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  sind  proklamiert  die  Herren: 

Neumann,  Dr.  M.  P.,  in  Berlin, 
Hoestermann,  Dr.  G.,  in  Dahlem  b.  Berlin, 
Lorch,  Dr.  W..  in  Schöneberg -Berlin, 
Murinoff,  Alexander,  Assistent  in  St.  Petersburg, 
Schiller,  Dr.  Joseph,  Assistent  in  Triest, 
Bally,  Dr.  Walter,  in  Bern, 
Schuster.  Cand.  phil.  Walther,  in  Berlin  und 
Frau  Warwara  von  Polowzow  in  St.  Petersburg. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.   XXV.  38 


r)3()  A   Schulz: 


Mitteiliiiiueii. 


78.   A.  Schulz:  Über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegen- 
wärtigen phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  nord- 
deutschen Tieflandes.    II. 

(Eh) gegangen  am  "2(3.  November  1907.) 

3Iit  Hilfe  der  in  der  ersten  Abhandlung*)  dargelegten  Methode 
bin  ich  zu  folgenden  x\nsichten  über  die  Entwicklungsgeschichte  der 
gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  Deutschlands") 
gelangt.^)  In  der  Pleistozänzeit  hatte  das  perennierende  Eis  im 
nördlicheren  Europa  mindestens  fünfmal  einen  viel  bedeutenderen 
Umfang  als  gegenwärtig.  In  jeder  dieser  fünf  Vergletscherungs- 
perioden  drang  das  nordische  Inlandeis  bis  nach  Deutschland  vor. 
Während  desHöiiepunktes  der  vorletzten  dieser  Perioden  reichte  es  nach 
Westen  wahrscheinlich  bis  zum  Emsgebiete  und  nach  Süden  ungefähr  bis 
zur  Gegend  von  Halle;  während  der  letzten  dieser  Perioden,  in  die  der 
von  PENCK  Bühlvorstoss  genannte  Verstoss  der  Alpengletscher  fällt, 
drang  es  dao-egen  wohl  nicht  weit  über  die  sog.  baltische  Endmoräne, 
die  es  später  während  einer  Pause  seines  Abschmelzens  abgelagert 
hat,  hinaus  nach  Westen  und  Süden  vor.  Ijeider  sind  die  ans  der 
Zwischenzeit  zwischen  dem  kältesten  Abschnitte  der  vorletzten  und 
dem  entsprechenden  Abschnitte  der  letzten  dieser  fünf  Perioden 
stammenden  geognostischen  Bildungen  des  nördlicheren  Europas  bis 
jetzt  erst  sehr  wenig  untersucht  worden;  infolge  davon  lässt  sich 
über  die  Wandlungen  des  Klimas  dieses  Gebietes  während  jener 
Zwischenzeit  erst  wenig  Sicheres  aussagen.  Es  ist  aber  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  in  jene  Zwischenzeit  ebenso  wie  in  die  Zwischen- 
zeiten zwischen  den  vorausgehenden  o-rosseu  Yertiletscherunüs- 
Perioden  oder  wenigstens  in  die  zwischen  den  drei  letzten  von  diesen, 
sowie  in  die  Zwischenzeit  zwischen  der  Periode  des  Bühlvorstosses 
und  der  folgenden  ersten  kühlen  Periode  und  in  die  zwischen  der 
ersten    und  der  zweiten    kühlen  Periode   ein  Zeitabschnitt    fällt,    wo 


1)  Diese  Berichte  25.  Bd.  (19U7)  S.  515  u.  f. 

2)  Ich  habe  in  dieser  Abhandlung  nur  die  indigene  Flora  berücksichtigt. 

3)  Vgl.  zum  Folgenden  z.  B.  Schulz,  Entwickluugsg.  der  gegenw.  phan. 
Flora  imd  Pflanzendecke  der  Oberrheinischen  Tiefebene  und  ihrer  Umgebung 
(Stuttgart  lUOG). 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.    587 

Uas  Klima  Deutschlands  bedeutend  kontinentaler  war  als  in  der 
Gegenwart.  Wenn,  wie  es  scheint,  die  zwischen  die  grossen  Ver- 
"letscherungsperioden  bezw.  die  kühlen  Perioden  fallenden  Zeit- 
abschnitte, in  denen  in  Deutschland  ein  ausgeprägt  kontinentales  Klima 
herrschte,  ein  um  so  kontinentaleres  Klima  hatten,  je  niedriger  die 
Sommertemperatur  der  ihnen  vorausgehenden  Vergletscherungs-  bezw. 
kühlen  Periode  war,  so  muss  in  Deutschland  in  der  Zwischenzeit 
zwischen  dem  kältesten  Abschnitte  der  vorletzten  und  dem  ent- 
sprechenden Abschnitte  der  letzten  der  fünf  grossen  Vergletscherungs- 
perioden  eine  Zeitlang  ein  annähernd  so  extrem  kontinentales  Klima 
o-eherrscht  haben  wie  in  dem  kontinentalen  Zeitabschnitte  der 
Zwischenzeit  zwischen  der  drittletzten  und  der  vorletzten  jener  fünf 
Perioden,  in  dem  sich  in  Mitteleuropa  die  Hauptmasse  des  sog. 
iünü-eren  Lösses  abo'elaoert  hat.  Es  muss  somit  das  deutsche  Klima 
in  der  Zwischenzeit  zwischen  der  vorletzten  und  der  letzten  der 
grossen  Vergletscherungsperioden  eine  Zeitlang  für  diejenigen  Phane- 
rogamen. die  in  der  vorausgehenden  grossen  Vergletscherungsperiode, 
in  deren  kältestem  Abschnitte  das  Klima  der  niederen  Gegenden 
Mitteldeutschlands  wahrscheinlich  dem  heute  in  den  Küstengegenden 
des  südwestlichen  Grönlands  herrschenden  ähnlich  war,  iu  Deutsch- 
land eingewandert  waren,  sehr  ungünstig  gewesen  sein.  Es  ver- 
schwand damals  wahrscheinlich  die  Mehrzahl  von  diesen  Ein- 
wanderern ganz  aus  Deutschland,  während  sich  die  weitaus  meisten 
der  übrigen  hier  so  an  das  damalige  Klima  anpassten,  dass  sie,  da 
sie  hierdurch  sehr  empfindlich  gegen  nasskaltes  Sommerklima  ge- 
worden waren,  im  Verlaufe  der  Periode  des  Bühlvorstosses,  in  deren 
kältestem  Abschnitte  in  Deutschland  ohne  Zweifel  ein  etwas  milderes 
Klima  herrschte  als  in  dem  entsprechenden  Abschnitte  der  vorletzten 
grossen  Vergletscherungs])eriode,  zugrunde  gingen.  Es  haben  sich 
somit  offenbar  nur  von  sehr  wenigen  jener  Einwanderer  in  Deutsch- 
land Nachkommen  bis  zum  Ausgange  der  Periode  des  Bühlvorstosses, 
und  von  hier  ab  bis  zur  Geoenwart  erhalten.  Während  der  Zwischen- 
zeit  zwischen  den  beiden  letzten  grossen  Vergletscherungsperioden 
sind  sicher  sehr  zahlreiche  Phanerogamen  in  Deutschland  einge- 
wandert, doch  sind  diese  Einwanderer  ohne  Zweifel  während  der 
Periode  des  Bühlvorstosses  sämtlich  wieder  aus  Deutschland  ver- 
schwunden. Nach  dem  kältesten  Abschnitte  dieser  Periode  erwärmte 
sich  das  Klima  des  nördlicheren  Kuropas  wahrscheinlich  ziemlich 
schnell.  Wahrscheinlich  waren  schon  nach  verhältnismässig  kurzer 
Zeit  das  Sommer-  und  das  Winterklima  dieses  Gebietes  wärmer  als 
gegenwärtig,  und  endlich  hatte  das  Klima  der  wärmsten  (Jegenden 
Deutschlands  vollständig  einen  mediterranen  Charakter,  den  es 
offenbar  sehr  lange  behielt.  Im  Verlaufe  dieses  letzten,  sehr  langen 
Zeitabschnittes  wurde  das  Klima  des  nördlicheren  Europas  allmählich 

38* 


538  A,  Schulz: 

kontinentaler;  während  das  Klima  der  wärmsten  Gegenden  Deutsch- 
lands anfänglich  einen  westmediterranen  Charakter  hatte,  hatte  es 
später  einen  ostmediterranen  Charakter.  Dann  wurde  das  Klima 
aber  noch  kontinentaler,  bis  es  zuletzt  in  den  niederen  Gegenden 
des  östlichen  Abschnittes  der  südlichen  Partie  des  nördlich  der 
Alpen  und  Karpaten  gelegenen  Teiles  Mitteleuropas  dem  gegenwärtig 
in  den  Steppengegenden  des  südwestlichen  europäischen  Russlands 
herrschenden  Klima  glich,  in  den  des  westlichen  Abschnittes  dieser 
Partie  Mitteleuropas  aber  etwas  milder  war.  ^)  Diese  westlichen 
Gegenden  glichen  damals  in  ihrem  Vegetationscharakter  wahrschein- 
lich ungefähr  den  gegenwärtigen  Pussten  Ungarns,  während  die 
niederen  Gegenden  des  östlichen  Abschnittes  der  südlichen  Partie  in 
dieser  Hinsicht  wohl  den  gegenwärtigen  Steppen  Südwestrusslands 
sehr  ähnlich  waren.  Im  nördlichen  Deutschland  hatten  damals  wohl 
nur  einzelne  Striche  einen  Steppen-  —  im  Osten  —  oder  Pussten- 
Charakter  —  imWesten  — .  Nachdem  das  Klima  des  nördlicheren  Europas 
lange  extrem  kontinental  gewesen  war,  wurde  es  wieder,  und  zwar 
wahrscheinlich  schnell,  milder,  bis  es  einen  Charakter  hatte  wie  in 
dem  dem  kontinentalen  Zeitabschnitte  vorausgehenden  warmen  Zeit- 
abschnitte; es  verharrte  aber  wohl  nur  recht  kurze  Zeit  in  diesem 
Zustande  und  wurde  dann  noch  kühler  und  feuchter,  bis  endlich  die 
Sommer  bedeutend  kühler  und  feuchter  und  die  Winter  milder  und 
feuchter  waren  als  gegenwärtig.  Hierauf  folgte  eine  ähnliche 
Wandlung  des  Klimas  des  nördlicheren  Europas  wie  nach  dem 
Höhepunkte  der  Periode  des  Bühlvorstosses.  Das  Sommer-  und  das 
Winterklima  wurden  allmählich  wieder  wärmer  als  gegenwärtig; 
doch  erhielt  wahrscheinlich  das  Klima  keiner  Gegend  Deutschlands 
wieder  einen  mediterranen  Charakter.  Dann  wurde  das  Klima 
kontinentaler  als  gegenwärtig,  doch  lange  nicht  in  dem  Masse  wie 
während  des  vorigen  kontinentalen  Zeitabschnittes.  Und  darauf 
wurde  es  von  neuem  milder,  bis  es  wahrscheinlich  nach  recht  kurzer 
Zeit  einen  solchen  Charakter  hatte  wie  in  der  vorioen  kühlen 
Periode,    nur    dass  die  Sommer  nicht  so  kühl  und  feucht  waren  wie 


1)  Dieser  Zeitabschnitt,  der  ihm  vorausgehende  und  der  ihm  folgende  Zeit- 
abschnitt mit  warmem  Sommer-  und  Winterklima,  sowie  die  Übergangszeiten, 
durch  die  diese  beiden  Zeitabschnitte  mit  der  Periode  des  Bühlvorstosses  und  der 
ersten  kühlen  Periode  verknüpft  sind,  bilden  die  erste  heisse  Periode.  Ich  habe 
die  beiden  warmen  Zeitabschnitte  als  den  ersten  und  den  zweiten  warmen  Abschnitt 
dieser  Periode,  den  von  ihnen  eingeschlossenen  trockenen  Zeitabschnitt  als  den 
trockensten  Abschnitt  dieser  Periode  bezeichnet.  In  derselben  Weise  können  die 
Zeitabschnitte  zwischen  der  ersten  und  der  zweiten  kühlen  Periode  als  zweite 
heisse  Periode,  die  zwischen  der  zweiten  und  der  dritten  kühlen  Periode  als  dritte 
heisse  Periode  zusammengefasst  werden.  Sie  lassen  sich  ebenso  bezeichnen  wie  die 
der  ersten  heissen  Periode. 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  539 

iu  dieser.^)  Dann  machte  das  Klima  des  nördlicheren  Europas 
wahrscheinlich  noch  einmal  eine  ähnliche  Wandlung  durch  wie  seit 
der  ersten  kühlen  Periode,  doch  war  das  Sommerklima  während  des 
trockensten  Abschnittes  wohl  nicht  viel  trockener  und  während  des 
folgenden  kühlsten  Abschnittes  wohl  nicht  viel  feuchter  und  kühler 
als  gegenwärtig.  Nach  dieser  dritten  kühlen  Periode  wurde  das 
Sommerklima  im  nördlicheren  Europa  wieder  trockener  und  wärmer 
und  das  Winterklima  trockener  und  kälter,  bis  das  Klima  dieses 
Gebietes  seine  heutige  Beschaffenheit  erhielt. 

Mit  der  Periode  des  Bühlvorstosses    beginnt  also  die  eigentliche 
Entwicklung    der  gegenwärtigen    phanerogamen  Flora  und  Pflanzen- 
decke Deutschlands,  da  sich,  wie  ich  dargelegt  habe,  in  Deutschland 
offenbar    nur    bei    sehr  wenigen  Arten  Nachkommen  von  Individuen, 
die    hier    vor    dieser    Periode    lebten,    bis    zur    Gegenwart    erhalten 
haben.     Diese    wenigen  Elemente    gehören    zu    der    ersten    der    vier 
Gruppen,    in    die    man    die    indigenen    Elemente    der  gegenwärtigen 
Phanerogamenflora    Deutschlands    zusammenfassen    kann.     Die    feste 
Ansiedlung  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Elemente  dieser  Gruppe 
in  Deutschland  fällt  in  die  Periode  des  Bühlvorstosses.     Die  meisten 
der  phanerogamen  Arten,    die  in  dieser  Periode  in  Deutschland  ein- 
wanderten,    verschwanden     bis     zum    Höhepunkte     des    trockensten 
Abschnittes    der    ersten    heissen    Periode    wieder    aus  Deutschland.^) 
Bei    einem  Teile    von    denjenigen    der    in  der  Periode  des  Bühlvor- 
stosses   eingewanderten  Arten,    die    sich    während    des    Höhepunktes 
des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode  in  Deutschland 
—  meist  nur  in  sehr  unbedeutender  Verbreitung  —  erhielten,  passte  sich 
in  dieser  Zeit  ein  Teil  oder  die  Gesamtmasse  der  deutschen  Individuen- 
gruppeu    derartig    an    das    herrschende    Klima    an,    dass    sich    diese 
Arten    noch    während    des    trockensten    Abschnittes    von    neuem    in 
Deutschland    ausbreiten    konnten    und    sich    hier    später  ähnlich  wie 
die  Einwanderer    dieses  Zeitabschnittes    verhielten.     In    diesen  Zeit- 
abschnitt   fällt    die  feste    Ansiedlung    der  Mehrzahl    der  Glieder  der 
zweiten  Gruppe    der  Elemente    der    deutschen  Phanerogamenflora  in 
Deutschland.      Diese    Gewächse    hatten    hier    in    der    ersten    kühlen 
Periode  sehr  zu  leiden    und  verloren  damals  den  grössten  Teil  ihres 
deutschen  Areales,  während  zahlreiche  andere  mit   ihnen  gleichzeitig 
eingewanderte   Phanerogamen    ganz    aus  Deutschland    verschwanden. 
Die    Elemente    der    zweiten    Gruppe     breiteten    sich    während    des 


1)  Betreffs  des  Klimas  Deutschlands  während  der  kühlen  Perioden  vgl, 
Schulz,  a.  a.  0. 

2)  Ich  habe  hier  nur  die  spontanen  —  d.  h.  ohne  Beihilfe  des  Menschen 
erfolgten  —  Änderungen  der  Areale  berücksichtigt.  Auf  die  Beeinflussung  der 
phanerogamen  Flora  und  Pflanzendecke  Deutschlands  durch  den  Ackerbau  und 
Viehzucht  treibenden  Menschen  will  ich  nicht  eingehen. 


540  A.  Schulz: 

trockensten  Abschnittes  der  zweiten  heissen  Periode,  wo  sich  ohne 
Zweifel  einioe  bis  dahin  Deutschland  fehlende  Arten  mit  derselben 
klimatischen  Anpassung  hier  fest  angesiedelt  haben,  von  neuem  in 
Deutschland  aus,  doch  lange  nicht  soweit  wie  während  des  trockensten 
Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode,  büssten  dann  während  der 
zweiten  kühlen  Periode  wieder  einen  Teil  ihres  deutschen  Areales 
ein,  worauf  in  der  dritten  heissen  Periode  eine  nochmalige,  noch 
unbedeutendere  Erweiterung  ihres  deutschen  Areales  erfolgte,  an  die 
sich  in  der  dritten  kühlen  Periode  eine  entsprechend  unbedeutende 
Verkleinerung  desselben  anschloss,  auf  die  nur  eine  ganz  unbe- 
deutende spontane  Yergrösserung  des  deutschen  Areales  der  einzelnen 
dieser  Elemente,  die  noch  gegenwärtig  anhält,  folgte.  Die  Haupt- 
masse der  Elemente  der  dritten  Gruppe  hat  sich  in  Deutschland 
während  des  ersten  warmen  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode 
fest  angesiedelt.  Während  des  auf  den  ersten  warmen  Abschnitt 
folo'enden  trockensten  Abschnittes  dieser  Periode  sind  die  meisten 
Einwanderer  jenes  warmen  Abschnittes  wieder  aus  Deutschland  ver- 
schwunden und  erfuhren  die  überlebenden  eine  sehr  bedeutende 
Verkleineruno;  ihres  deutscheu  Areales.  Diese  breiteten  sich  darauf 
während  des  zweiten  warmen  Abschnittes  dieser  Periode  von  neuem, 
doch  nicht  sehr  weit,  in  Deutschland  aus,  erfuhren  während  der 
ersten  kühlen  Periode,  wo  wahrscheinlich  eine  Anzahl  von  ihnen 
ganz  aus  Deutschland  verschwunden  ist,  wieder  eine  Arealverkleinerung, 
breiteten  sich  während  des  ersten  warmen  Abschnittes  der  zweiten 
heissen  Periode  noch  einmal  in  Deutschland  aus  und  erfuhren  dann 
während  des  trockensten  Abschnittes  dieser  Periode  nochmals  eine 
Arealverkleinerung,  an  die  sich  in  der  Eolgezeit  nur  eine  unbe- 
deutende Änderung  ihrer  Areale  anschloss.  Die  feste  Ansiedlung 
eines  Teiles  der  Elemente  der  vierten  Gruppe  in  Deutsehland  fällt 
sicher  in  die  erste  kühle  Periode;  doch  büssten  diese  Ansiedler 
zweifellos  während  des  trockensten  Abschnittes  der  zweiten  heissen 
Periode  fast  ihr  gesamtes  deutsches  Areal  ein.  Darauf  breiteten  sie 
sich  während  der  zweiten  kühlen  Periode  nochmals  aus,  erfuhren 
dann  während  des  trockensten  Abschnittes  der  dritten  heissen  Periode 
eine  nochmalige  Arealverkleinerung,  worauf  sie  sich  während  der 
dritten  kühlen  Periode  wieder  etwas  ausbreiteten.  Heute  scheinen 
die  Verhältnisse  für  einzelne  von  ihnen  im  östlichen  Deutschland 
bereits  ungünstig  geworden  zu  sein. 

Eine  wesentlich  andere  Ansicht  hat  sich  WEBER  über  die  Ent- 
wicklungsgeschichte der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  Deutschlands,  im  besonderen  Norddeutschlands,  ge- 
bildet. ') 


1)  Vgl.  Weber,   Die    Geschiebte    der   Pflanzenwelt   des   norddeutschen   Tief- 


Eutwickluugsgeschiclite  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.   541 

WEBEß  scheint  der  Meinung  zu  sein/)  dass  in  der  Pleistozänzeit 
das  perennierende  Eis  des  nördlicheren  Europas  dreimal  eine  seine 
^heutige  weit  übertreffende  Ausdehnung  liatte,  und  dass  in  jeder 
dieser  drei  langen  Vergletscherungsperioden  das  Inlandeis  von  Norden 
her  in  ])eutschland  eindrang  und  sich  über  einen  grossen  Teil  des 
nördlichen  Deutschlands  —  in  der  letzten  wahrscheinlich  vorüber- 
gehend nach  Westen  bis  über  die  Weser  liinaus^)  — ,  ausbreitete. 
Während  dieser  Vergletscherungsperioden  —  oder  nur  während  der 
letzten'^  —  hatten  „die  nichtvereisten  Teile  West-  und  Mitteleuropas 
ein  trockenes  Klima  mit  überwiegend  heiterem  Himmel.  Seine 
Winter  müssen  selir  kalt  gewesen  sein".  Das  Frühjahr  war  ver- 
hältnismässig niedorschlagsreich^).  „Nachtfröste  kamen  vermutlich 
bis  weit  in  den  Sommer  hinein  vor.  Mit  der  steigenden  Temperatur 
verminderte  sich  die  relative  Luftfeuchtigkeit,  zugleich  wuchsen  die 
barometrisclien  Gradienten  in  der  Kichtung  nach  dem  Landeise,  und 
heftige  Staubstürme,  die  Ursache  der  mitteleuropäischen  Lössablage- 
rungen,  waren  die  Folge.  Alles  das  sind  die  Kennzeichen  des 
Steppenklimas.  Und  dieser  Abschnitt  der  Diluvialzeit  ist  es,  wo  wir 
in  Mittel-  und  Westeuro])a  die  von  NeHKING  so  überzeugend  nach- 
gewiesenen Steppen  zu  suchen  haben:  auf  dem  Höhepunkte  der 
Eiszeit  glaziale  (arktische)  oder  'J'undren  mit  Lemmingen  und  Eis- 
füchsen; beim  Rückzug  des  Eises  die  jenen  nachfolgende  sub- 
arktische Steppe  mit  Pferdespringern,  Zieseln,  Bobak,  Pfeifhasen, 
Saiga  usw."^)  Auf  Grund  der  Ergebnisse  der  Untersuchung  der  aus 
dieser  Zeit  stammenden  Ablao-erungen  kann  man  mit  Sicherheit  be- 
haupten,  dass  «lamals  in  Deutschland  selbst  in  einem  Abstände  von 
vielen  Kilometern  vom  Rande  des  Landeises  keine  ausgedehnten 
Wälder  anemophiler  Bäume  vorkamen °).  Seit  dem  Rückzuge  des 
letzten  Landeises  aus  <lem  norddeutschen  Tieflande  haben  sich  in 
dessen  Flora  die  Yoroänge  im  allgemeinen  in  ähnlicher  Weise  w^ie 
in  Schweden  und  in  Dänemark  abgewickelt,  so  dass  wir  auch  hier 
die  einzelnen  Zeitabschnitte  wie  dort  nach  den  charakteristischsten, 
nacheinander  eingewanderten  Pflanzenarten  als  die  Dryas-,  die 
Birken-,  die  Föhren-,  die  Eichen-  und  die  Buchenzeit  benennen 
können®).  Die  Eiche,  die  Fichte  und  die  Buche  waren  während 
der  letzten  Vergletscherungsperiode  nach  dem  nördlichen  Mediterran- 


landes   seit  der  Tertiärzeit,    Resultats  scientiiiques  du  (longres  international  de  Bo- 
tanique  de  Vienne  1905  (190G)  S.  98  u.  f. 

1)  Weber,  a.  a.  0.  S.  101,  vgl.  jedoch  S.  107. 

2)  A.  a.  0.  S.  10-2—103. 

3)  A.  a.  0.  S.  105. 

4)  A.  a.  0.  S.  105. 

5)  A.  a.  0.  S.  106. 

6)  A.  a.  0.  S.  107. 


542  A.  SCHULZ: 

gebiete  zurückgedrängt.  Bei  ihrer  späteren  Rückwanderung  nach 
Norden  mussten  die  rascher  wandernden  oder  vielleicht  minder  weit 
zurückgedrängten,  wie  die  Eiche,  vor  den  anderen,  zumal  der  Buche, 
einen  um  so  grösseren  Vorsprung  gewinnen,  je  weiter  ihr  Weg  sie 
nach  Norden  führte.  Während  der  Dryaszeit,  die  NehrING's 
Tundrenzeit  entspricht,  entsprachen  die  klimatischen  Verhältnisse 
Norddeutschlands  nicht  durchaus  denen,  die  heute  im  hohen  Norden 
herrschen,  und  es  stimmt  deshalb  die  norddeutsche  Flora  jener  Zeit 
keineswegs  mit  der  heutigen  des  hohen  Nordens,  z.  B.  Spitzbergens, 
überein.  Die  reine  Birkenzeit  scheint  im  norddeutschen  Tieflande 
nicht  so  ausgeprägt  gewesen  zu  sein  wie  in  Dänemark  und  auf  der 
Skandinavischen  Halbinsel.  A^ielmehr  scheint  sich  die  Kiefer  sehr 
frühzeitig  eingestellt  zu  haben.  Beide  Bäume  haben  sich  vielleicht 
während  des  Höhepunktes  der  letzten  Vergletscherungsperiode  in 
Mitteldeutschland  hier  und  da  reichlich  erhalten.  Ebenso  scheint 
in  Norddeutschland  die  reine  Kiefernzeit  nicht  eine  so  lange  Dauer 
wie  in  Skandinavien  gehabt  zu  haben,  und  die  Eiche  entsprechend 
früher  eingewandert  zu  sein.^)  Die  durch  die  Herrschaft  der  Stiel- 
eiche (Quercus  pedunculatd)  gekennzeichnete  Periode  umfasst  dagegen 
den  grössten  Teil  des  postdiluvialen  Zeitalters  in  Norddeutschland. 
Während  dieser  Zeit  ging  das  grosse  süsse  Gewässer,  das  die  Ostsee 
während  des  grössten  Teils  derselben  darstellte  —  der  Ancylussee 
—  wieder  in  ein  salziges  Gewässer,  das  Litorinameer,  über,  wobei 
sich  das  ganze  südliche  Ostseebecken  senkte.  Während  des  Höhe- 
punktes dieser  Periode  wanderte  die  Fichte  in  den  südlichen  Teil 
der  Lüneburger  Heide  ein.  Das  Klima  des  norddeutschen  Tief- 
landes war  während  des  grössten  Teiles  der  Eichenzeit  milde  und 
feucht.  Es  bildeten  sich  damals  ausgedehnte  Sphagneta  aus  und 
verursachten  die  Entstehung  grosser  Hochmoore.  Damals  ist  ein 
Teil  der  Vertreter  der  atlantischen  Association  Norddeutschlands  in 
das  norddeutsche  Tiefland  eingewandert.  Am  Ende  der  Eichenzeit 
wurde  das  Klima  trockener,  die  Sphagneta  verkümmerten  infolge- 
dessen oder  o;inoen  zu  Grunde,  und  die  Hochmoore  bedeckten  sich 
statt  ihrer  mit  Wollgräsern  und  Strauchheiden,  stellenweise  mit 
kümmerlichen  Nadel-  und  Birkenwäldern  oder  mit  Waldgebüsch.  ^) 
Es  liegt  nahe,  die  Einwanderung  der  Steppenpflanzen,  d.  h.  der  Ver- 
treter der  pontischen  Association,  in  Norddeutschland  in  diese  trockene 
Periode,  die  zwar  nicht  so  ausgeprägt  gewesen  sein  kann,  um  einen 
Steppencharakter  des  norddeutschen  Tieflandes^)  zu  bedingen,  aber 
immerhin    wahrscheinlich    eine    grössere    Zahl    trockener    Standorte 


1)  A.  a.  0.  S.  108. 

2)  A.  a.  0.  S.  109. 

3)  A.  a.  0.  S.  111. 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  543 

erzeugt  hat,  zu  vorlegen.  Wenn  diese  Gewächse  wirklich  in  dieser 
Periode  eingewandert  sind,  so  „darf  man  sie  natürlich  nicht  als 
.Steppenrelikte  bezeichnen,  wie  gewöhnlich  geschieht".  „Nun  steht 
es  zwar  fest,  dass  wenigstens  der  südliche  Teil  des  norddeutschen 
Tieflandes  in  einem  älteren  Abschnitte  der  Quartärzeit  einen  ent- 
schiedenen Steppencharakter  getragen  hat,  und  man  hat  nicht  ver- 
fehlt, die  betreffenden  Pflanzen  als  Relikte  gerade  jener  Zeit  zu 
betrachten.  Aber  seitdem  wir  wissen,  dass  sich  zwischen  diese  Zeit, 
die  nach  meiner  Überzeugung  in  den  Schlussabschnitt  der  letzten 
Eiszeit  fällt,  und  die  Gegenwart  zwei  niederschlagsreiche  Perioden 
einschieben,  die  höchst  wahrscheinlich  eine  stärkere  Ausbreitung  des 
Waldwuchses  begünstigten,  hat  jene  Ansicht  stark  an  Wahrschein- 
lichkeit eingebüsst.  Träfe  sie  zu,  so  müsste  überdies  die  heutige 
Verbreitung  der  pontischen  Pflanzen  bei  uns  auf  eine  Einwanderung 
aus  Süden  deuten,  während  bereits  LOEW  bemerkt  hat,  dass  diese 
vielmehr  der  Hauptsache  nach  auf  eine  Einwanderung  aus  Osten 
hinweist.'")  „Erst  nach  dem  Schlüsse  dieses  trockenen  Zeitalters  ist 
die  Buche  eingewandert,  kurz  vor  der  Zeit,  als  das  Litorinameer 
seinen  höchsten  Stand  und  grössten  Salzgehalt  erreicht  hatte,  der 
grösser  war  als  der  gegenwärtige  Salzgehalt  der  Ostsee.  Das  Klima 
wurde  wieder  niedersclilagsreich.  Von  neuem  entstanden  weitaus- 
gedehnte Sphagneta  und  lagerten  mächtige  Hochmoore  ab."  Vielleicht 
sind  erst  in  dieser  Zeit  die  meisten  Vertreter  der  atlantischen 
Association  Norddeutsclilands  eingewandert.  In  Schweden  war 
während  dieses  Zeitalters  die  Jahrestemperatur  eine  Zeitlang  höher 
als  gegenwärtig;  ob  dies  auch  in  Norddeutschland  der  Fall  war, 
darüber  sind  wir  nicht  unterrichtet.^)  Während  des  ersten  Ab- 
schnittes der  Buchenzeit  wohnten  Weizen  und  Gerste  bauende  Spaet- 
neolithiker  an  den  Küsten  des  östlichen  Holsteins  und  hinterliessen 
als  Reste  ihrer  Mahlzeiten  Abfallhaufen  mit  Schalen  der  Auster,  die 
jetzt  nicht  mehr  in  diesem  Teile  der  Ostsee  wegen  seines  zu  ge- 
ringen Salzgehaltes  zu  leben  vermag.^)  In  der  Folge  ergreift  eine 
Hebung  das  südliche  Skandinavien  und  die  dänisclien  Inseln,  scheidet 
die  Ostsee  wieder  stärker  vom  Ozean  und  veranlasst  eine  Ver- 
minderung ihres  Salzgehaltes.  Die  während  der  Litorinasenkuug  ver- 
sunkenen Strecken  der  deutschen  Ost-  und  Nordseeküste  dagegen  heben 
sich  nicht  oder  nur  unbedeutend  wieder  über  die  Fluten  der  Ostsee 
empor.     Die  Kiefer    zieht    sich    währenddes    in   einem  gewissen  Ab- 


1)  A.  a.  0.  S.  111. 

2)  Weber  bemerkt  hierzu  (S.  109  Anm.  3):  „Ebensowenig  ist  es  bekannt,  ob 
diese  Wärmeperiode  in  der  Buchenzeit  zu  suchen  ist,  wie  liier  angenommen  wird, 
oder  ob  sie  nicht  vielmehr  mit  der  Trockenperiode  gegen  Ende  der  Eichenzeit 
zusammenfällt" 

3)  A.  a.  0.  S.  109. 


544  -^-  Schulz: 

Stande  von  den  Küsten  der  Nordsee  zurück,  eine  Erscheinung,  die 
noch  nicht  genügend  aufgeklärt  ist.  Im  weiteren  Yerlaufe  der 
Buchenzeit  wird  durch  den  Menschen  der  Wald  mehr  und  mehr 
gelichtet;  zahlreiche  neue  Florenelemente  werden  eingeführt,  und 
andere  erlangen  gegen  früher  eine  gewaltige  Ausdehnung.  80 
Calluna  vulgaris^  die  sich  in  Nordwestdentschland,  wahrscheinlich 
zugleich  mit  Gliedern  der  pontischen  Association,  weithin  ausbreitet. 
Auf  den  Xiedermooren  werden  nach  der  Beseitigung  der  natürlichen 
moorbildenden  Pflanzenvereine  und  der  Entwässerung  Niederseggen- 
und  Graswiesen  erzeugt  und  zuletzt  wird  auch  dem  Wachstum  der 
Sphagneten  auf  den  Hochmooren  <lurch  den  Menschen  ein  Ende 
bereitet  und  selbst  die  Heiden  und  Seggenwiesen  müssen  der  Kultur 
weichen.')  Sämtliche  Niedermoore  Norddeutschlands  waren  unzweifel- 
haft ursprünglich  mit  Erlenbruchwald,  mit  dichten  Röhrichten  oder 
ebensolchen  Hochseggenbeständen  besetzt,  in  denen  diejenigen  Ver- 
treter der  boreal-al])inen  Association  Norddeutschlands,  die  gegen- 
wärtig auf  Niedermooren  wachsen,  nicht  zu  gedeihen  vermögen.  Sie 
können  sich  auf  diesen  Mooren  erst  angesiedelt  haben,  nachdem  die 
Kultur  zumeist  durch  Beseitigung  der  ursprünglichen  Vegetation  und 
z.  T.  durch  Entwässerung  des  Geländes  die  Bedingungen  gescliaifen 
hatte,  unter  denen  sie  leben  können.^)  Auch  diejenigen  Arten  der 
boreal-alpinen  Association,  die  in  den  Sphagneten  der  norddeutschen 
Hochmoore  wachsen,  leben  nicht  seit  der  Eiszeit  beständig  an  den 
Orten,  an  denen  wir  sie  heute  finden.  Denn  die  überwiegende 
Mehrzahl  der  norddeutschen  Hochmoore  hat  sich  über  Bruchwaldtorf 
oder  Schilftorf  oder  limnischen  Torfarten  gebildet,  auf  welchen 
Torfarten  diese  Gewächse  nicht  zu  wachsen  vermögen.  Wir  können 
nicht  einmal  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  die  heute  im  nord- 
deutschen Tieflande  lebenden  Individuen  dieser  Arten  Nachkommen 
der  Individuen  sind,  die  sich  in  der  späteren  Glazialzeit  hier  an- 
gesiedelt haben.  Wir  können  diese  Arten  also  nicht  einmal  als 
Relikte  im  weiteren  Sinne  auffassen.^)  Dies  gilt  z.  B.  von  Betula  nanu^ 
die  neuerdings  an  zwei  Stellen  des  norddeutschen  Tieflandes,  bei 
Neulinum  in  Westpreussen  und  bei  Bodenteich  in  der  Lüneburger 
Heide,  aufgefunden  worden  ist.  Bei  Bodenteich  wächst  sie  auf  einem 
Niedermoore,  auf  dem  sie  wahrscheinlich  erst  etwa  30  Jahre  lebt. 
Wahrscheinlich  ist  sie  dorthin  vom  Brocken,  auf  dem  —  und  zwar 
nahe  bei  Torfhaus  —  ihre  nächste  Wohnstätte  liegt,  durch  Vögel 
verschleppt  Avorden.  Aber  auch  bei  Torfhaus  fehlen  ihre  Reste  in 
den  etwas    tieferen  I^agen    des  Spagnumtorfes,    so   dass    auch    dieser 


1)  A.  a.  0.  S.  110. 

2)  A.  a.  0.  S.  112. 
3j  A.  a.  0.  S.  113. 


Entw'ickluTigsgeschichte  der  phaneroganien  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  545 

Standort  ein  verhältnismässig  junges  Alter  zu  haben  scheint/)  Bei 
Neulinuni  -wächst  Betula  nana  auf  einem  kleinen  Hochmoore.  Es 
^ist  vollkommen  unwahrscheinlich,  dass  sie  sich  an  dieser  Stelle  seit 
der  Eiszeit  erhalten  haben  sollte.  Nach  alledem  kann  man  Beiula 
nana  im  norddeutschen  Tieflande  nicht  als  Relikt  dieser  Zeit 
ansehen. 

Wie  lässt  es  sich  nun  erklären,  dass  WEBER  und  ich  in 
unseren  Ansichten  über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegen- 
wärtisen  phaneroganien  Flora  und  Pflanzendecke  Deutschlands  so 
weit  von  einander  abweichen?  Die  Erklärung  ist  sehr  einfach;  die 
Abweichungen  sind  eine  Folge  davon,  dass  WEBER  die  gegenwärtige 
Phanerogamenflora  Deutschlands,  die  physiologisch-biologischen  Eigen- 
schaften und  die  Verbreitung  ihrer  Glieder  sowie  die  heutigen  kli- 
matischen, topographischen  und  Boden- Verhältnisse  Deutschlands  und 
seiner  Nachbarländer  fast  ganz  unberücksichtigt  gelassen  hat  und  auch 
die  Ero-ebnisse  der  Untersuchung-  der  aus  der  iüngeren  Pleistozän- 
zeit  stammenden  geognostischen  Bildungen  des  nördlicheren  Europas 
zum  Teil  ignoriert  hat.  Wie  ich  dargelegt  habe,  lässt  sich  die  Art 
und  Weise  der  gegenwärtigen  Verbreitung  der  Elemente  meiner 
zweiten  CJruppe  in  Deutschland  und  in  seiner  Umgebung  nur  in  dem 
Falle  verstehen,  dass  man  annimmt,  dass  während  der  seit  dem  Be- 
ginne der  Entwicklung  der  gegenwärtigen  phanerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  Deutschlands  verflossenen  Zeit  zweimal  längere  Zeit 
das  Klima  Deutschlands  bedeutend  trockener  —  und  sein  Sommerklima 
auch  heisser  —  war  als  oegenwärti«-,  und  dass  zwischen  diese  beiden 
trockenen  Zeitabschnitte  —  die  trockensten  Abschnitte  meiner  ersten 
und  zweiten  heissen  Periode  —  ein  ebenfalls  langer  Zeitabschnitt  — 
meine  erste  kühle  Periode  —  fällt,  wo  Deutschland  feuchtere  und 
kühlere  Sommer  und  feuchtere  und  mildere  Winter  hatte  als  in  der 
Gegenwart.  Das  Klima  des  zweiten  der  beiden  trockenen  Zeitab- 
schnitte  —  des  trockensten  Abschnittes  der  zweiten  heissen  Periode  — 
war  zwar  -wesentlich  gemässigter  als  das  des  ersten  —  des  trockensten 
Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode  — ,  der  Zeit  der  Ansiedlung 
der  Mehrzahl  der  Elemente  der  zweiten  Gruppe  in  Deutschland,  aber 
es  muss  meines  Erachteus  in  Norddeutschland  doch  so  uno-ünstig 
für  die  Sphagneu  gewesen  sein,  dass  die  Sphagneteu  der  nord- 
deutschen Moore,  welche  letzteren  sich  mit  Wollgräsern  oder  sogar 
mit  Sträuchern  und  Bäumen  bedeckten,  weithin  abstarben  oder  ver- 
kümmerten. Dieser  Zeitabschnitt  muss  also  in  den  Mooren  deutliche 
Spuren  hinterlassen  haben,  und  mau  muss  somit  in  den  rezenten, 
d.  h.  nach  dem  Höhepunkte  der  Periode  des  Bühlvorstosses  ent- 
standenen Mooren  Norddeutsclilands  die  Spuren  zweier  sehr  trockener, 


1)  A.  a.  0.  S.  n^. 


546  A.  Schulz: 

durch  eine  sehr  niederschlagsreiche  Periode  getrennter  Zeitabschnitte 
zu  finden  erwarten.  Nun  finden  sich  aber  auch  in  den  schichten- 
reichsten und  mächtigsten  von  diesen  Mooren  nach  WebEEs  An- 
gaben^) nur  die  Spuren  eines  einzigen  troclvenen  Zeitabschnittes. 
In  diesem  Zeitabschnitte,  dessen  Klima  trockener  als  das  der  ihm 
vorausgehenden  Periode  und  das  der  ihm  folgenden  bis  zur  Gegen- 
wart reichenden  Zeit  war,  verkümmerten  die  Sphagneten  der  nord- 
deutschen Hochmoore  oder  gingen  zu  Grunde,  und  bedeckten  sich 
die  Moore  mit  Wollgräsern  und  Strauchheiden  und  stellenweise  mit 
kümmerlichen  Wäldern  oder  Waldgebüsch,  aus  deren  Resten  sich 
Webers  Grenztorf^)  gebildet  hat.  WEBER  schliesst  hieraus,  dass 
in  die  seit  dem  Ausgange  der  letzten  grossen  Yergletscherungsperiode 
verflossene  Zeit  nur  ein  trockener  Zeitabschnitt  fällt,  und  nimmt 
an,  dass  während  dieses  sich  die  Glieder  seiner  pontischen 
Association^)  in  Norddeutschland  augesiedelt  haben,  die  also, 
da  das  Land  damals  keinen  Steppencharakter  gehabt  haben  könne, 
nicht  als  Steppenrelikte  bezeichnet  werden  könnten.  Muss  man  mit 
Weber  aus  den  norddeutschen  Mooren  wirklich  den  meiner  An- 
nahme zweier  ausgeprägt  trockener  Zeitabschnitte  während  der  seit 
der  Periode  des  Bühlvorstosses  verflossenen  Zeit  widersprechenden 
Schluss  ziehen,  dass  in  diesen  Zeitraum  nur  ein  trockener  Abschnitt 
—  die  Zeit  des  Grenzhorizontes  —  fällt,  oder  dass,  falls  das  Klima 
während  desselben  mehrfach  trocken  war,  doch  nur  während  einer 
dieser  trockenen  Zeiten  die  Trockenheit  so  bedeutend  war,  dass  sich 
in  den  Mooren  deutliche  Spuren  von  ihr  erhalten  haben,  und  muss 
man  in  diese  Zeit  die  feste  Ansiedlung  der  Elemente  meiner  zweiten 
Gruppe  in  Deutschland  verlegen?  Durchaus  nicht!  Es  lässt  sich 
vielmehr  nicht  bezweifeln,  dass  in  den  bezeichneten  Zeitraum  zwei 
ausgeprägt  trockene  Zeitabschnitte  fallen,  von  denen  auch  der  zweite, 
der  unbedeutendere,  in  den  norddeutschen  Mooren  deutliche  Spuren 
hinterlassen  haben  muss,  in  dem  sich  also,  da  nach  WEBER s  Ver- 
sicheruno-  in  den  Mooren  oberhalb  des  Grenzhorizontes  keine  Spuren 
eines  ausgeprägt  trockenen  Zeitabschnittes  vorkommen,  der  Grenz- 
horizont gebildet  haben    muss.     Da    nun    die    feste    Ansiedlung    der 


1)  Vgl.  hierzu  vorzügl.  Webek,  Über  die.  Moore  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  zwischen  ünterweser  uud  Unterclbe  liegenden,  Jahresbericht  der 
Männer  v.  Morgenstern,  Heimatbund  an  Elb-  und  Wesennündung,  Heft  3  (1900) 
S.  3  u.  f.  (16  u.  f.),  und  Derselbe,  Aufbau  und  "Vegetation  der  Moore  Nord- 
deutschlands, Englers  Bot.  Jahrbücher,  40.  Bd.  Beibl.  No.  90  (1907),  S.  19-34, 
mit  2  Tafeln. 

2)  Die  aus  diesem  gebildete  Schicht  zwischen  dem  unteren  —  älteren  — 
und  dem  oberen  —  jüngeren  —  Sphagnetumtorfe  bezeichnet  "Weber  als  Grenz- 
horizont. 

3)  Die  meisten  dieser  Glieder  gehören  zu  meiner  zweiten  Gruppe. 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.   547 

weitaus  meisten  Elemente  der  zweiten  Gruppe  —  also  der  meisten 
Glieder  von  WEBER s  poutischer  Association  —  in  den  ersten  der 
ausgeprägt  trockenen  Zeitabschnitte  fällt,  so  kann  die  Ansiedlungs- 
zeit  dieser  Gewächse  nicht  mit  der  Zeit  von  WEBER  s  Grenzhorizont 
identisch  sein.  Dies  kann  sie  aber  auch  deshalb  nicht,  weil  sie  viel 
ungünstiger  für  die  Moore  gewesen  sein  muss,  diese  also  w^eit  stärker 
beeinfiusst  haben  muss  als  die  letztere,  und  weil  sie  von  der  Gegen- 
wart durch  einen  Zeitraum  getrennt  sein  muss,  der  eine  viel  längere 
Dauer  hatte  als  die  Bildungszeit  von  WEBER s  jüngerem  Sphagnetum- 
torfe*),  die  die  Gegenwart  von  der  Zeit  des  Grenzhorizontes  trennt. 
Da  sich  nun  aber,  wie  gesagt,  in  den  von  WEBER  untersuchten  nord- 
deutschen Mooren,  wenigstens  in  den  Sphagnetumtorfmooren,  unter- 
halb des  Grenzhorizontes  keine  Spuren  eines  ausgeprägt  trockenen 
Zeitabschnittes  finden,  so  muss  mau  annehmen,  dass  diese  Moore, 
wenigstens  die  Sphagnetumtorfmoore,  sämtlich  erst  nach  dem  Höhe- 
punkte des  ersten  der  ausgeprägt  trockenen  Zeitabschnitte  — 
des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode,  der  Zeit  der 
Ansiedlung  der  weitaus  meisten  Elemente  der  zweiten  Gruppe  in 
Deutschland  —  entstanden  sind'^.  Da  sich  nun  aber  in  Nord- 
deutschland in  der  Zeit  zwischen  dem  Höhepunkte  der  Periode  des 
Bühlvorstosses  und  dem  Beginne  des  trockensten  Abschnittes  der 
ersten  heissen  Periode  sicher  zahlreiche  Moore,  darunter  ohne  Zweifel 
viele  und  bedeutende  Sphagnetumtorfmoore,  gebildet  haben,  so  muss 
man  weiter  annehmen,  dass  im  Laufe  des  trockensten  Abschnittes 
der  ersten  heissen  Periode  die  meisten  dieser  Moore,  vorzüglich  fast 
alle  Sphagnetumtorfmoore  wieder  zerstört  und  abgetragen  w^orden 
sind.')      Nicht  bei  allen  Mooren  Norddeutschlauds  stammt  die  obere 


1)  Weber  ist  (über  die  Moore,  a.  a.  0.  S.  19)  der  Meinung,  dass  ,,man  mit 
dreitausend  Jahren  seine  Bildungszeit  wahrscheinlich  eher  zu  niedrig  als  zu  hoch 
schätzen  wird". 

2)  Es  ist  möglich,  dass  iu  einem  Teile  der  von  Weber  untersuchten  Moore 
mit  unterem  Sphagnetumtorf  die  unter  diesem  liegenden  Torfschichten,  und  in  einem 
Teile  der  von  ihm  untersuchten  Niedermoore  die  unteren  Torfschichten  aus  früherer 
Zeit  stammen.  In  anderen  norddeutschen  Mooren  ist  dies  sicher  der  Fall.  Die 
Unterbrechung  in  der  Niedermoorbildung  und  die  Zerstörung  der  oberen  Partien 
dieser  Moore  während  des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode 
lassen  sich  in  vielen  Fällen  wahrscheinlich  garnicht  erkennen.  In  manchen  tiefen 
Gewässern  uud  manchen  nassen  Niederungen  wurde  ohne  Zweifel  auch  während 
des  Höhepunktes  des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen  Periode  die  Leber-, 
Mudde-,  Phragmitetum-  und  Bruchwaldtorfbildung  nicht  unterbrochen. 

0)  Es  stammt  also  wohl  in  fast  allen  Mooren  mit  unter  dem  Grenzhorizonte 
liegendem  —  älterem  —  Sphagnetumtorfe  dieser  aus  der  Zeit  zwischen  dem  Höhe- 
punkte des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  und  dem  entsprechenden  Zeitpunkte 
der  zweiten  heissen  Periode.  Ebenso  stammen  wohl  in  den  meisten  Mooren  mit 
unter  dem  unteren  Sphagnetumtorfe  liegenden  Torfschichten  diese  Schichten  aus 
jener  Zwischenzeit.     Der   obere    —  jüngere   —    Spliagnetumtorf  dagegen    stammt 


548  A.  Schulz: 

Schicht  des  unter  den  Mooren  liegenden  Mineralbodens  ans  derselben 
Zeit.  In  dem  in  der  Periode  des  Bühlvorstosses  mit  Inlandeis  be- 
deckten   Teile  Norddeutschlands    und    in    dessen   Umgebung,    soweit 


ans  der  Zeit  nach  dem  Höhepunkte  des  trockensten  Abschnittes  der  zweiten  heissen 
Periode.  Während  des  kühlsten  Abschnittes  jener  Zwischenzeit,  aus  dem  wahr- 
scheinlich die  Hauptmasse  des  älteren  Sphagnetumtorfes  stammt,  sind  die  grossen 
Lücken  der  deutschen  Areale  der  Elemente  der  zweiten  Gruppe  entstanden;  darauf 
haben  sich  diese  Gewächse  in  der  Zeit  zwischen  der  Bildung  des  älteren  und  der 
des  jüngeren  Sphagnetumtorfes  in  Deutschland  von  neuem  ausgebreitet  und  dann 
haben  sie  in  der  ungefähr  mit  der  Bildungszeit  der  unteren  Partie  des  jüngeren 
Sphagnetumtorfes  zusammenfallenden  zweiten  kühlen  Periode  von  neuem  eine 
nicht  unwesentliche  Arealverkleinerung  erfahren.  WEBER,  der  die  feste  Ansiedlung 
dieser  Gewächse  in  Deutschland  in  die  Zeit  seines  Grenzhorizontes  verlegt  und  aus 
der  Beschaffenheit  des  jüngeren  Sphagnetumtorfes  schliesst,  dass  in  Deutschland 
seit  dem  Ausgange  dieser  —  trockenen  —  Zeit  ununterbroclien  bis  zur  Gegenwart 
das  gleiche  —  feuchte  —  Klima  geherrscht  habe,  nniss  annehmen,  dass  in  derselben 
feuchten  Periode  die  in  dem  vorausgehenden  trockenen  Zeitabschnitte  in  Deutsch- 
land spontan  eingewanderten  Gewächse  —  ohne  Zutun  des  jMenschen  —  den 
grössten  Teil  ihres  deutschen  Areales  eingebüsst  hätten,  sich  darauf  von  neuem 
in  Deutschland  recht  bedeutend  ausgebreitet  hätten  und  dann  eine  neue 
Arealverkleinerung  erfahren  hätten,  an  die  sich  noch  eine  mehrmalige  un- 
bedeutende —  spontane  —  Grössenänderung  ihrer  Areale  angeschlossen  hätte 
Es  ist  ganz  unmöglich,  dass  diese  Wandlungen  der  Arealgrösse  jener  Ge- 
wächse bei  gleichbleibendem  Klima  erfolgt  sind.  WEBER  hält  es  freilich  für 
möglich,  dass  in  Schweden  Avährend  der  Bildungszeit  des  oberen  Sphagnetumtorfes 
die  Jahrestemperatur  eine  Zeitlang  höher  gewesen  sei  als  gegenwärtig,  lässt  es 
aber  zweifelhaft,  ob  das  auch  in  Deutschland  der  Fall  sei.  Es  ist  das,  wie  dar- 
gelegt, meines  Erachtens  in  der  Tat  der  Fall  Es  liegt  jedoch  der  warme  Zeit- 
abschnitt, den  Weber  wohl  meint,  kurz  vor  der  Zeit  des  Grenzliorizontes  —  fällt 
aber  nicht,  wie  WEBER  es  auch  für  möglich  hält,  mit  diesem  zusammen  — ,  denn 
Weber  meint  offenbar  den  —  unmittelbar  vor  den  trockensten  Abschnitt  fallenden  — 
ersten  warmen  Abschnitt  der  zweiten  heissen  Periode.  Während  dieses  Zeitabschnittes 
hob  sich  das  Ostseegebiet,  wenigstens  sein  nördlicher  Teil,  wieder:  während  der  fol- 
genden Zeit  des  Grenzhorizontes  war  der  Umfang  der  Ostsee  geringer  als  gegen- 
wärtig. Die  —  eigentliche  —  Litorinasenknng,  die  nach  \Veber"s  Meinung  vor  der 
Zeit  des  Grenzhorizontes  begann,  erreichte  somit  durchaus  nicht,  wie  WEBER  glaubt, 
erst  nach  dieser  Zeit  ihr  Maximum;  dieses  fällt  vielmehr  mit  dem  Höhepunkte  der 
ersten  kühlen  Periode  zusammen,  also  iu  die  Bildungszeit  des  unteren  Sphagnetum- 
torfes. Da  Weber  offenbar  in  die  Zeit  des  Grenzhorizontes  niclit  nur  die  feste 
Ansiedlung  der  Elemente  der  zweiten  Gruppe  in  Deutschland,  sondern  auch  die 
feste  Ansiedlung  dieser  Elemente  in  Skandinavien  verlegt,  so  muss  er  annehmen, 
dass  während  der  Ansiedlung  sich  das  Ostseegebiet  fortgesetzt  gesenkt  habe,  also 
offenbar  das  Sommerklima  Skandinaviens  fortgesetzt  feuchter  und  kühler  geworden 
sei,  während  damals  doch  das  skandinavische  Klima  trockener  und  die  Ostsee 
kleiner  gewesen  sein  müssen  als  gegenwärtig.  Allerdings  senkte  sich  das  Ostsee- 
gebiet nach  der  Zeit  des  Grenzhorizontes  noch  einmal,  doch  lauge  nicht  so  be- 
deutend wie  das  vorige  Mal,  sodass  die  Ostsee  zur  Zeit  des  Maximums  dieser 
zweiten  Senkung  nur  wenig  grösser  war  als  gegenwärtig.  In  dieser  Zeit  wohnten 
schon  ackerbauende  Neolithiker  an  der  Ostküste  Holsteins,  während  zur  Zeit  der 
vorigen  Senkung  des  Ostseegebietes,  der  eigentlichen  Litorinasenkung,  dort  nur 
Spaetpalaeolithiker  —  sogenannte  Frühneolithiker  —  wohnten.     Nach    der    zweiten 


ö 


Entwicklungsgeschichte  der  plianorogaiiieii  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  545) 

^vie  sie  mit  den  damaligen  Sclimelzwasserabsätzen  bedeckt  wm'de, 
stammt  diese  Schicht,  falls  sie  eine  glaziale  Bildung  ist,  wohl  meist 
aus  dieser  Periode.     Westlich  von  der  Elbe  bis  zur  Ems  hin  stammt 


Senkung  verkleinerte  sich  die  Ostsee  wieder.  In  dieser  Zeit  fand,  wie  dargelegt. 
in  Deutschland  eine  erneute  Ausbreitung  der  Elemente  der  zweiten  Gruppe  statt, 
doch  war  sie  nur  unbedeutend.  Der  Mensch  hat  an  ihr  durchaus  nicht  soviel  An- 
teil wie  Weber  meint.  Ganz  irrig  ist  aber  meines  Erachtens  die  Annahme 
Webers,  dass  sich  diejenigen  Glieder  der  „boreal-alpinen"  Association,  also 
meiner  ersten  Gruppe,  die  in  Norddeutschland  nur  auf  Niedermooreu  wachsen, 
in  Norddeutschland  erst  augesiedelt  hätten,  nachdem  die  Niedernioore  unter 
dem  Einflüsse  der  Kultur  für  sie  bewohnbar  geworden  wären.  Denn  es  hat  in 
Norddeutschland  offenbar  seit  der  Periode  des  Bühlvorstosses  ununterbrochen 
Niedermoore  und  nasse,  meist  anmoorige  (»rtlichkeiten  gegeben,  auf  denen  Glieder 
dieser  Gruppe  wachsen  konnten.  Ebenso  leben  wohl  die  heute  in  NorJdeutschland 
nur  in  Sphagneten  wachsenden  Glieder  dieser  Gruppe  sämtlich  seit  der  Periode  des 
Bühlvorstosses  ununterbrochen  in  Norddeutschland.  Allerdings  haben  in  Nord- 
deutschland die  Glieder  der  ersten  Gruppe  seit  dieser  Zeit  wohl  meist  mehrfach 
ihre  Wohnstätten  gewechselt,  vielleicht  hat  keins  dieser  Gewächse  ununterbrochen 
bis  zur  Gegenwart  an  einer  der  Stellen  gelebt,  an  denen  es  sich  damals  angesiedelt 
hat.  (Von  einem  Teile  derjenigen  Arten,  die  in  der  Periode  des  Bühlvorstosses  in 
Deutschland  eijigewandert  sind,  sind  später  —  vorzüglich  in  den  kühlen  Perioden  — 
andere  Individuengruppenrcihen  mit  anderer  klimatischer  Anpassung  in  Deutschland 
eingewandert  und  zur  festen  Ansiedlung  gelangt.  Diese  gehören  selbstverständlich 
nicht  zur  ersten  Gruppe,  und  können  nicht  als  Glieder  der  boreal-alpinen  Asso- 
ciation betrachtet  werden'.  Ich  l)in  deshalb  überzeugt,  dass  Betula  nana  zwar 
nicht  seit  der  Periode  des  Bühlvorstosses  an  ihren  heutigen  norddeutschen  Wohn- 
stätten lebt,  aber  doch  aus  der  Nähe,  nicht  aus  weiter  Ferne  an  diese  gelangt  ist. 
W^enn  nach  der  Periode  des  Bühlvorstosses  so  bedeutende  Wanderungen  dieser  Ge- 
wächse, wie  Weber  annimmt,  stattgefunden  hätten,  so  würden  diese  Gewächse 
in  den  höheren  deutschen  Gebirgen,  z.  B.  in  den  Sudeten  uud  im  Scbwarzwalde 
(vgl.  hierzu  SCHULZ,  Entwicklungsg  d.  ph.  Pflanzendecke  Mitteleuropas  nördlich 
der  Alpen  (Stuttgart  1899)  S.  21  u.  f.,  sowie  Ders.,  Entwicklungsg.  d.  ph.  Flora  u. 
Pflanzendecke  der  Oberrheinischen  Tiefebene  S.  25  u.  f.),  eine  von  der  wirklichen 
wesentlich  abweichende  Verbreitung  haben.  Wie  in  Deutschland,  so  wachsen  wohl 
auch  in  den  übrigen  niedrigeren  Gegenden  Mitteleuropas  diejenigen  Einwanderer 
der  Periode  des  Bühlvorstosses,  die  sich  seit  dieser  Zeit  hier  erhalten  haben,  teils 
nur  noch  an  wenigen,  teils  an  gar  keiner  ihrer  heutigen  Wohnstätten  ununterbrochen 
seit  dieser  Zeit.  Sie  haben  nach  derselben,  nachdem  sie  den  grössten  Teil  ihres 
Areales  eingebüsst  hatten,  eine  mehr  oder  weniger  weitgehende  Änderung  ihrer 
klimatischen  und  zum  Teil  auch  ihrer  Boden -Anpassung  erfahren,  sich  darauf  von 
neuem  mehr  oder  weniger  weit  ausgebreitet  und  dann  wieder  eine  Arealverkleinerung 
erlitten.  Nicht  nur  diese,  sondern  auch  die  übrigen  in  Deutschland  spontan  zur 
festen  Ansiedlung  gelangten  phauerogameu  Elemente  leben  sicher  an  einem  grossen 
Teile  ihrer  heutigen  deutschen  Wohnstätten,  teilweise  sogar  an  sämtlichen,  nicht 
ununterbrochen  seit  der  Zeit  ihrer  Ansiedlung  in  Deutschland:  und  bei  keinem  von 
ihnen  lässt  sich  von  einer  von  denjenigen  seiner  heutigen  Wohnstätten,  an  denen 
es  seit  der  Ansiedlungszeit  zu  leben  vermag,  nachweisen,  dass  es  wirklich  seitdem 
an  ihr  lebt.  Will  man  mit  Warming  solche  Arten,  die  in  einem  bestimmten  Ge- 
biete seit  ihrer  festen  Ansiedlung  in  diesem  „noch  an  ihren  ursprünglichen,  alten 
Standorten  hier  und  da  leben"  (Webek,  a.  a.  0.,  S.  115),  als  Relikte  bezeichnen, 
so  gibt  es  zwar  zweifellos  auch  in  Deutschland  eine  Anzahl  von  solchen,  sie  lassen 


550  A.  Schulz: 

tlagegen  die  glaziale  minerogeiie  Schicht  unmittelbar  unter  den  — 
rezenten  —  Mooren  wohl  meist  aus  der  der  Periode  des  Bühlvorstosses 
vorausgehenden  grossen  Yergletscherungsperiode.  Es  stammen 
somit  die  in  der  oberen  glazialen  minerogenen  Schicht  unter  den 
norddeutschen  Mooren  vorkommenden  Reste  von  ^Glazialpflanzen", 
zum  Teil  aus  recht  verschiedenen  Zeiten. 

Weber  leugnet  auf  Grund  seiner  Mooruntersuchungen  zwar,  dass 
in  die  Zwischenzeit  zwischen  dem  Ende  der  letzten  der  o:rossen  Ver- 
gletscherungsperioden  und  dem  Beginne  der  Zeit  des  Grenzhorizontes 
ein  trockener  Zeitabschnitt  fällt,  nimmt  aber,  wie  dargelegt  wurde, 
an,  dass  während  der  ganzen  letzten  Vergletscherungsperiode^)  in 
Deutschland  ein  sehr  trockenes  Klima  geherrscht  habe,  sowie  dass 
im  letzten  Teile  dieser  Periode,  wälirend  des  Abschmelzens  des 
Eises,  sich  der  mitteleuropäische  Löss  abgelagert  habe  und,  wie  dies 
NehRING  nachgewiesen  habe,  in  Mittel-  und  Westeuropa  weite 
Striche  —  darunter  auch  der  südliche  Teil  des  norddeutschen  Tief- 
landes —  in  ihrem  Klima,  ihrer  Flora  und  Fauna  sowie  ihrem  Vege- 
tationscharakter den  heutigen  subarktischen  Steppen  der  alten  Welt 
geglichen  hätten.  Er  glaubt  jedoch  nicht,  dass  die  Glieder  der 
pontischen  Association,  deren  feste  Ansiedlung  in  Deutschland  — 
nach  seiner  Angabe  —  manche  in  diese  trockene  Zeit  verleo-en,  seit 
derselben  ununterbrochen  in  Deutschland  wachsen,  da  zwischen  diese 
trockene  Zeit  und  die  Gegenwart  zwei  niederschlagsreiche  Perioden, 
die  er  mit  den  Bildungszeiten  des  älteren  und  des  jüngeren 
Sphagnetumtorfes  identifiziert,  fielen,  die  eine  stärkere  Ausbreitung 
des  Waldes  begünstigt  hätten,  also  für  jene  Gewächse  sehr  ungünstig 
gewesen  wären.  Dieser  Umstand  würde  nicht  dagegen  sprechen, 
dass  jene  Gewächse  —  also  die  Elemente  meiner  zweiten  Gruppe  — 
seit    dem  Ausgange    der  letzten  grossen  Vergletscherungsperiode  un- 


sich  jedoch  nicht  namhaft  machen.  (Wenn  man  freilich  mit  Warming  —  vgl. 
Weber,  a  a.  0 ,  S.  IIG  —  von  einer  Art,  um  sie  als  Relikt  bezeichnen  zu  können, 
ausserdem  verlangt,  dass  sie  in  dem  betrefienden  Gebiete  ehedem  gewöhnlicher 
war  als  gegenwärtig,  wo  sie  in  iiim  ungünstige  Daseinbedingungen  hat,  dass  sie 
in  ihm  beständig  zurückgeht,  und  dass  sich  ihr  Areal  seit  jener  Zeit  bis  zur  Gegen- 
wart kontinuierlich  verringert  hat,  so  gibt  es  wohl  überhaupt  keine  Relikte  in 
Deutschland.)  Will  man  dagegen  mit  SCHRÖTER  solche  Arten  als  Relikte  bezeichnen, 
„die  unter  der  Herrschaft  anderer  Besiedluugsbedingungen  ihre  Ausbreitung  er- 
reicht haben",  so  muss  man  fast  alle  indigenen  Phanerogameuarten  Deutschlands 
als  Relikte  bezeichnen.  Es  ist  deshalb,  wie  ich  schon  mehrfach  betont  habe,  das 
beste,  wenn  man  den  Begriff  „Relikt"  ganz  aufgibt. 

1)  Als  solche  sieht  er  die  vierte  dieser  Perioden  an.  Dass  Penck  nach- 
gewiesen hat,  dass  auf  die  vierte  der  grossen  Vergletscherungsperioden  noch 
eine  Periode  recht  bedeutender  —  wenn  auch  nicht  so  bedeutender  wie  in  der 
vierten  —  Vergletscherung  des  nördlicheren  Europas  folgt,  hat  Weber  ganz  un- 
beachtet gelassen. 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tiefland.s.  551 

unterbrochen    in  Deutschland   leben,    da  sie  sich  ja  tatsächlich  schon 
vor    der  ersten   jener    beiden  niederschlagsreichen  Perioden,    meiner 
ersten  kühlen  Periode,    in  Deutschland  fest  angesiedelt   und  seitdem 
erhalten    haben.  ^)      (regen    die    Annahme    ihrer    Ansiedlung    in    der 
letzten    der    grossen  Vergletscherungsperioden    spricht    vielmehr    der 
Umstand,    dass    damals    in    Deutschland    kein    Klima    herrschte,    das 
ihnen    gestattete,    sich    hier    fest    anzusiedeln.     Denn    diese    Periode 
wich    ebenso  wie  die  vorausgehenden  vier  grossen  Vergletscherungs- 
perioden   sicher  nur  quantitativ  von  den  auf  die  Ansiedlungszeit  der 
Elemente  der  zweiten  Gruppe    folgenden  kühlen  Perioden  ab,    hatte 
somit  ein  sehr  kühles  und  nasses  Sommerklima,  aber  ein  verh.ältnis- 
mässig    warmes    Winterklima.     Die    Ursache    der    bedeutenden  Ver- 
grösserung  des  perennierenden  Eises  in  Europa  in  den  grossen  Ver- 
gletscherungsperioden   war    eine  Zunahme  der  Niederschläge.     Diese 
hatte  natürlich  eine  Abnahme  der  Temperatur,  hauptsäcidich  der  des 
Sommers,    zur    Folge.     Von    dieser  Abnahme    wurden    ohne  Zweifel 
vorzüglich    die    damals    eisbedeckten  Gebiete    und   deren  Umgebung- 
betroffen;    von    den    eisfreien  Gebieten  Europas    hatte    damals   somit 
der    zwischen    dem  Südrande    des    nordischen  Inlandeises    und    dem 
Nordrande  der  Alpenvergletscherung  gelegene  Teil  Mitteleuropas  das 
ungünstigste  Klima.     In  diesem  Gebiete  herrschte  auch  während  des 
Höhepunktes     der    Periode     des    Bühlvorstosses     ein    so    nasskaltes 
Sommerklima,  dass  sich  nur  in  seinen  geschütztesten  Strichen  AA'älder, 
und    zwar    nur    solche    aus    den    anpassungsfähigsten    Bäumen,    der 
Kiefer  und  der  nordischen  Birke,    entwickeln  konnten,    während  die 
Fichte,^)  die  Tanne  und  die  Buche  fast  ganz,  und  die  empfindlicheren 
Laubbäume  ganz  aus  ihm  verschwunden  waren.     Je  weiter  von  dem 
nordischen  Inlandeise    und    der  Alpenvergletscherung  entfernt,    desto 
unbedeutender    war     in     den    grossen    Vergletscherungsperioden    die 
Wärmeabnahme;  im  Mittelmeergebiete  und  vor  allem  in  den  Tropen 
war  sie  in  der  Periode  des  Bühlvorstosses  wohl  nur  ganz  unbedeutend. 
Wenn    die    grossen  Vergletscherungen    des  nördlicheren  Europas  die 
Folge  einer  Temperaturabnahme  gewesen  wären,  so  müsste  während 
des  Höhepunktes  der  einzelnen  Vergletscherungsperioden  die  Temperatur 
in    ganz  Europa  wesentlich    niedriger    gewesen  sein  als  gegenwärtig, 
und    es    müsste  damals  auch  das  Mittelmeergebiet  sehr  kalte  Winter 
gehabt  haben,    die  dessen  phanerogame  Pflanzenwelt  sehr  geschädigt 
und    bedeutende  Veränderungen    in  derselben   hervorgebracht  hätten. 
Dasselbe  müsste  eingetreten  sein,    wenn,    wie  es  WEBER  zu  glauben 


1)  Ihre  Verbreitung  iu  Norddeutschlaud  weist  übrigens  durchaus  uicht,  wie 
Weber  behauptet,  der  Hauptsache  nach  auf  eine  Einwanderung  aus  dem 
Osten  hin. 

2)  Weun  damals  in  Deutschland  ein  solches  Klima  geherrscht  hätte,  Mie 
Weber  es  annimmt,  so  würde  die  Fichte  hier  wohl  recht  verbreitet  gewesen  sein. 

Her.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.  XXV.  39 


552  A.   SCHULZ: 

scheint,  die  Vergletscheruiigen  zwar  eine  Folge  der  Zunahme  der 
Niederschläge  gewesen  wären,  wenn  durch  sie  aber  das  europäische 
Klima  in  der  Weise  beeinflusst  worden  wäre,  wie  es  WEBER  an- 
nimmt. Es  spricht  aber  nichts  dafür,  dass  in  so  später  Zeit  wie  in 
der  Periode  des  Bühlvorstosses  die  Pflanzenwelt  dieses  Gebietes  so 
bedeutende  Änderungen  erfahren  habe^).  Das  Klima  der  Periode 
des  Bühlvorstosses  war  selbstverständlich  für  die  in  den  oberen 
Kegionen  der  europäischen  Hochgebirge  entstandenen  Phanerogamen- 
arten  durchaus  nicht  günstig;  diese  vermochten  sich  ohne  Zweifel 
nur  deshalb  in  Deutschland  auszubreiten,  weil  die  Wälder  hier  nur 
eine  sehr  geringe  Ausdehnung  hatten  —  wirkliche  Tundren  waren 
übrigens  hier  nicht  vorhanden  —  und  die  Zahl  der  kräftigen 
strauchigen  und  krautigen  Konkurrenten  nicht  bedeutend  war. 
Dennoch  haben  sich  wohl  nur  recht  wenige  dieser  Arten  damals 
eine  weitere  Yerbreitung  erw^orben.  Die  Mehrzahl  der  damals  in 
Deutschland  weiter  verbreiteten  Phanerogameu  stammt  wohl  aus  dem 
arktischen  Gebiete  oder  aus  den  asiatischen  oder  nordamerikanischen 
Hochgebirgen.  Sie  w^anderten  damals  teils  aus  dem  nordwestlichen 
Europa,  wo  sie  sich  schon  vor  der  Periode  des  Bühlvorstosses  an- 
gesiedelt und  an  das  herrschende  Klima  angopasst  hatten,  teils  aus 
den  Gebirgen  südlich  von  Deutscliland,  in  die  sie  bereits  in  einer 
der    früheren    grossen  Vergletscherungsperioden    gelangt    w^aren,    ein. 


1)  Nichts  spricht  dafür,  dass  sich  die  mitteleuropäischen  Lössablageruugen  in 
den  grossen  Vergletscherungsperioden  —  oder,  wie  WEBER  anzunehmen  scheint, 
in  deren  letzter  —  gebildet  haben.  Wenn  sie  sich  in  diesen  gebildet  hätten  —  in 
diesem  Falle  müsste  übrigens  der  Höhepunkt  jeder  der  Vergletscherungsperioden 
auch  der  Höhepunkt  der  in  sie  fallenden  Lössablagerungs-  und  Steppenzeit  ge- 
wesen sein  — ,  so  würde  ihr  Lagerungsverhältnis  zu  den  glazialen  Ablagerungen 
ganz  anders  sein  als  es  wirklicli  ist.  Ausserdem  würde  in  diesem  Falle  das  Löss- 
material  auch  auf  das  Eis  geweht  sein  und  es  würden  sich  bei  des.sen  Abschmelzen 
aus  diesem  Materiale  und  dem  glazialen  Materiale  umfangreiche  Ablagerungen  von 
einer  Beschaffenheit  gebildet  haben,  wie  sie  heute  nicht  vorhanden  sind.  Aber 
wenn  auch  im  mittleren  Europa  in  den  grossen  Vergletscherungsperioden  ein  extrem 
trockenkaltes  Klima  geherrscht  hätte  und  sich  Lössablagerungen  gebildet  hätten, 
würden  damals  doch  die  Elemente  der  zweiten  Gruppe  in  dieses  Gebiet  nicht  ein- 
wandern und  sich  in  ihm  nicht  fest  ansiedeln  haben  können. 

Die  Zeiten  der  Bildung  bedeutender  Lössablagerungen  in  Mitteleuropa  hatten 
ein  wesentlich  von  dem  der  grossen  Vergletscherungsperioden  abweichendes  Klima. 
Wie  diese  letzteren  sich  von  den  kühlen  Perioden  nur  quantitativ  unterscheiden, 
so  unterscheiden  sich  die  grossen  Lössablagerungsperioden  nur  quantitativ  von  den 
trockensten  Abschnitten  der  heissen  Perioden,  in  denen  in  ^Mitteleuropa  auch,  doch 
nur  in  geringem  Masse,  Lössablagerung  stattfand.  Wie  die  trockensten  Abschnitte  der 
—  postglacialen  —  heissen  Perioden  mit  den  —  postglacialen  —  kühlen  Perioden 
abwechselten,  so  scheinen  die  Perioden  bedeutender  Lössablagerung  mit  den  grossen 
Vergletscherungsperioden  abgewechselt  zu  haben,  und  sie  wie  die  trockensten  Ab- 
schnitte der  heissen  Perioden  scheinen  in  ihrer  Bedeutung  immer  den  folgenden 
grossen  Vergletscherungsperioden  bzw.  kühlen  Perioden  zu  entsprechen. 


Entwicklungsgeschichte  der  phanerogamen  Flora  des  norddeutschen  Tieflandes.  553 

Da  während  des  trockensten  Abschnittes  der  ersten  heissen 
Periode  die  aus  dem  Zeiträume  zwischen  dem  Höhepunkte  der 
Periode  des  Bühlvorstosses  und  dem  Beginne  jenes  Zeitabschnittes, 
vorzüglich  die  aus  seinen  sj)äteren  Abschnitten  herstammenden  Torf- 
abhiüeruno'en  Norddeutschlands  meist  wieder  zerstört  worden  sind,  so 
lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  beurteilen,  welche  Baumarten  in  dieser 
Zwischenzeit  hier  wuchsen.  Ich  bin  jedoch  überzeugt,  dass  die  Fichte 
und  die  ]^uehe  schon  in  ihr  in  Xorddeutschland  eingewandert  sind; 
bis  zum  Harze  sind  beide  —  eben  so  wie  die  Tanne  —  sicher  schon 
damals  voro-edrungen.  Während  des  trockensten  Abschnittes  der 
ersten  heissen  Periode  verloren  sie  ohne  Zweifel  den  grössten  Teil 
ihres  norddeutschen  Areales;  sie  passten  sich  damals  mehr  oder 
wenio'er  an  die  herrschenden  klimatischen  Verhältnisse  an  und 
breiteten  sich  darauf  von  neuem  aus.  Die  Neuausbreitung  der  Fichte 
wurde  im  westlichen  Teile  Norddeutschlands  offenbar  durch  den 
kühlsten  Abschnitt  der  ersten  kühlen  Periode  unterbrochen;  wohl 
erst  nach  diesem,  vorzüglich  in  der  zweiten  heissen  Periode,  fand 
hier  eine  energische  Ausbreitung  statt.  Die  ältesten  der  bisher  aus 
Nordwestdeutschland  bekannten  Fichtenreste  stammen  wohl  sämtlich 
erst  aus  der  Zeit  nach  dem  Höhejiunkte  der  ersten  kühlen  Periode. 
Die  Neuausbreitung  der  Buche  begann  später  als  die  der  Fichte, 
wurde  aber  während  der  ersten  kühlen  Periode  wohl  nicht  oder  nur 
unbedeutend  unterbrochen.  Die  ältesten  der  bekannten  nordwest- 
deutschen Buchenreste  scheinen  aus  dem  Höhepunkte  der  ersten 
kühlen  Periode  oder  aus  der  Zeit    kurz    vor    diesem   zu   stammen. ') 


1)  Nach  Weber  soll  die  Einwanderung  der  Buche  in  Noiddeutschland  erst 
nach  der  Zeit  des  Grenzhorizoutes,  aber  kurz  vor  der  Zeit,  als  die  Litorinasenkung 
ihr  ^Maximum  erreichte,  erfolgt  sein.  Es  fällt  jedoch,  wie  dargelegt  wurde,  die  — 
eigentliche  —    Litorinasenkung  vor  die  Zeit  des  Grenzhorizontes. 


39* 


554  A.  Nestlee  : 


79.  A.  Nestler:   Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung 
Cypripedium    mit   besonderer  Berücksichtigung   seiner   haut- 
reizenden Wirkung. 

(Mit  Tafel  XIV.) 
(Eingegaugen  den  6,  Dezember  1907). 


Als  ich  meine  Untersuchungen  über  das  Primelhautgift^)  abge- 
schlossen hatte,  Würde  ich  erst  darauf  aufmerksam,  dass  dieselbe  oder 
eine  ähnliche  hautreizende  Wirkung,  wie  sie  Primula  obconica  und 
P.  sinensis  äussern-^),  auch  drei  Orchideen  der  Gattung  Cypripedium 
zugeschrieben  wird:  C.  spectabile  Salisb.,  C.  pubescens  R.  Br.  und 
C.  parviflorum  Salisb.^)  Nach  KOBERT^)  „unterliegt  es  keinem  Zweifel, 
dass  wir  hier  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  den  Giftprimeln  vor 
uns  haben". 

Diese  und  andere  Angaben  stützen  sich  auf  zwei  kleine  Ab- 
handlungen D.  T.  Mac  DoUGAL's*),  in  denen  er  seine  Unter- 
suchungen bezüglich  der  hautreizenden  Wirkung  jener  Cypripedien 
mitteilt;  auch  alle  älteren  Beobachtungen  für  und  wider  werden  hier 
erwähnt,  die  insofern  von  Interesse  sind,  als  analoge  Ansichten  seiner- 
zeit auch  bezüglich  der  giftigen  Primeln  ausgesprochen  wurden.  So 
bestreiten  KUNZE  und  J.  NeRVINS  HYDE"^)  die  hautreizende  Wirkung 
jener  Orchideen;  dagegen  ist  JESUP^)  durcli  Beobachtung  an  anderen 
und  durch  ein  an  sich  selbst  vorgenommenes  Experiment  von  der 
giftigen  Eigenschaft  des  Cypripedium  spectabile  vollkommen  überzeugt. 
„Mit  den  Blättern  eines  kräftigen  Esemplares  (Freilandpflanze),  das 
bereits  seine  Samenkapsel  gebildet  hatte,  wurde  leicht  über  den 
linken  Oberarm  gestreift.  Ein  leichter  Kitzel  wurde  sofort  gespürt 
und  40  Stunden  später  war  der  Arm  stark  geschwollen  von  der 
Schulter  bis  zu  den  Fingerspitzen.     Der  Teil,    der    von    der  Pflanze 


1)  A.  Nestler.     Hautreizende  Primeln.     Berlin  19(J4. 

2)  Die  Heimat  dieser  Cypripedien  ist  Nordamerika  und  zwar  der  östliche 
Teil  ungefähr  zwischen  dem  40.  und  50.  Parallelkreise;  Cypripedium  pubescens, 
Moccasinblunie  genannt,  wurde  als  Staatsblume  von  Minnesota  erwählt. 

3)  R.  KOBERT.     Lehrbuch  der  Intoxikationen,    2.  Aufl.  1906.     II.  Bd.  S.  523. 

4)  1).  T.  Mac  Dougal.  I.  On  thc  poisonous  influence  of  Cypripedium 
spectabile  and  C.  pubescens.  —  Minnesota  Botanical  Studies  1894  S.  82.  II.  Poisonous 
influence  of  various  species  of  Cypripedium.    Ebenda.     1895  S.  450, 

5)  Mac  Dougal,    I.  1,  c. 

6)  Mac  Dougal,    I.  1,  c. 


Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung  Cypripedium.  555 

berührt  worden  war  (ungef.  50  cm^),  war  heftig  entzündet  und  mit 
Flecken  bedeckt.  In  10  Tagen  erhielt  der  Arm  seine  frühere  Form 
wieder,  aber  die  "Wirkung  war  noch  einen  Monat  bemerkbar."  — 
M.  DOUGAL  ist  zunächst  (1894)  über  die  eigentliche  Ursache  dieser 
hautreizenden  Wirkung,  also  über  den  Sitz  des  Hautgiftes  voll- 
kommen im  Zweifel.  Da  machte  er  (1895)  direkte  Versuche  mit 
im  Treibhaus  gezogenen  Exemplaren  von  C.  spectahile.  —  „Proben 
der  spitzigen  und  der  Drüsenhaare,  die  auf  der  ganzen  Pflanze  vor- 
kommen, wurden  ihr  entnommen  uud  damit  die  Haut  von  9  Personen 
berührt,  von  denen  6  mehr  oder  weniger  infiziert  wurden."  Er 
schloss  daraus,  dass  die  reizende  "Wirkung  allein  dem  Sekrete  der 
Drüsenhaare  zuzuschreiben  sei.  „C.  pubesce7is  gab  ungefähr  dieselben 
Resultate;  auch  die  Versuche  m\t  C.  parviflorum  zeigten  einen  Einfluss 
auf  die  Haut." 

Nähere  Angaben,  wie  wir  uns  das  Entnehmen  der  Drüsenhaare 
zu  denken  haben  und  wie  die  Wirkung  des  Giftes  sich  äusserte, 
fehlen  vollständig.  Über  die  Natur  des  Sekretes  sagt  M.  DOUGAL 
nur;  dass  „seine  chemische  Natur  wegen  der  ausserordentlich  kleinen 
Mengen  der  Ausscheidung  nicht  geprüft  werden  konnte;  es  sei  im 
Alkohol  löslich  und  reagiere  wie  eine  ölige  Substanz."  Dies  sei 
insofern  von  Interesse,  weil  die  giftige  Wirkung  des  Rhus  einem 
Cardol  zugeschrieben  werde. 

Nach  meinen  Untersuchungen  über  dasPrimelhautgift  interessierte 
es  mich,  festzustellen,  ob  bei  jenen  Cypripedien  tatsächlich  das 
Sekret  der  Drüsenhaare  hautreizende  Wirkung  besitze,  ferner  ob 
die  mikrochemisch  nachweisbaren  Eigenschaften  dieses  Sekretes  eine 
gewisse  Übereinstimmung  mit  jenem  der  hautreizenden  Primeln 
zeigen  oder  nicht.  —  Es  ist  selbstverständlich,  dass  auch  andere 
Cypripedien,  namentlich  auch  unser  einheimisches  C.  Cakeolus  L. 
untersucht  werden  mussten,  um  zu  sehen,  ob  das  Sekret  jener  drei 
angeblich  giftigen  Arten  durch  einen  besonderen  Bestandteil  sich 
auszeichne,  dem  dann  natürlich  die  giftige  Wirkung  zuzuschreiben  wäre. 

Die  Untersuchung  erstreckte  sich  auf  folgende  Arten^):  C.  pubescens 
E,.  Br.,  C.  spectahile  Salisb.,  C.  parviflorum  Salisb.,  C.  acaule  Art., 
C.  macrantkum  Sw.,  C.  montanum,  C.  Calceolus  L. 


Cypripedium  puhes'cens  R.  Br. 

Alle  oberirdischen  Organe  stark  behaart;  die  Laubblätter  auf 
beiden  Seiten  und  dem  Rande  nur  mit  Drüsenhaaren  versehen,  die 
aus    fünf  und  mehr  Zellen   (in  der  Regel  aus  drei  Stielzellen,    einer 


1)  Bezogen    im    März    1907    von    HAAGE    und    SCHMIDT    und    kultiviert   im 
Versuchsgarten  des  pflanzenphysiologischen  Instituts  der  deutschen  Universität  Prag. 


556  A.  Nestler : 

Köpfchen-  und  einer  Fusszelle  —  Fig.  1)  bestehen.  Am  Stengel 
stehen  neben  Köpfchenhaaren  auch  konische,  mehrzellige  Trichonie. 
Der  Fruchtknoten  ist  dicht  mit  Drüsenhaaren  bedeckt,  deren  Sekret 
schon  mit  unbewaffnetem  Auge,  deutlicher  mit  einer  Lupe  sichtbar 
ist.  Die  Perigonblätter  haben  auf  der  morphologischen  Unterseite 
gleichfalls  zahlreiche  Drüsenhaare;  auf  der  muldenförmigen  Basis 
der  beiden  seitlichen  Perigonblätter  und  auf  der  Innenseite  der 
Honiglippe  stehen  zahlreiche,  ^  -  3  nivi  lange,  mehrzellige,  konisch 
endigende  Trichonie,  die  ebenso  wie  die  konischen  Haare  des 
Stengels  wegen  ihrer  weichen  Beschaffenheit  bezüglich  einer  haut- 
reizenden Wirkung  von  vornherein  als  bedeutunoslos  ano-esehen 
werden  können. 

Bau  eines  Drüsenhaares  (Fig.  1): 

Die  Drüsenzelle  (^)  ist,  in  Luft  oder  Wasser  betrachtet,  stets 
birnförmig  —  nur  unter  dem  Einflüsse  bestimmter  Reagentieu 
becherförmig,  entweder  ganz  oder  teilweise  von  einer  Sekretmasse 
(s)  bedeckt,  die  mitunter  auch  über  die  erste  Stielzelle  und  weiter 
hinunter  sich  ausbreitet.  Der  vom  Sekret  bedeckte  Teil  der 
Köpfcheuzelle  erscheint  etwas  dickwandiger  als  die  übrige  Membran. 
Im  Innern  der  Zelle  liegt  der  sehr  grosse  Zellkern  in  einer  un- 
deutlichen schaumigen  Masse.  Von  den  bedeutend  kleineren  Zell- 
kernen der  Stielzellen  gehen  dicke  Plasmafäden  aus,  die  eine  leb- 
hafte Zirkulation  zeigen.  (Um  diese  kleinereu  Zellkerne  befinden 
sich  nicht  selten  stabförmige  Leukoplasten.)  Die  Sekretmasse,  in 
Luft  untersucht,  erscheint  in  der  Regel  vollkommen  struktur-  und 
farblos,  seltener  hell-  bis  dunkelbraun;  nach  Zusatz  von  kaltem 
Wasser  entstehen  am  Rande  der  Masse  kleinere  (Fig.  1,  s)  oder  grössere 
Bläschen  (Fig.  3),  auch  kurze,  fadenförmige  Gebilde  (Fig.  4), 
Quellungserscheinungen,  die  ich  unter  Berücksichtigung  der  folgenden 
mikrochemischen  Eigenschaften  für  myelinartige  Bildungen  ansehe. 
—  Um  grössere  Mengen  von  Sekretmassen  zu  erhalten,  braucht  man 
nur  einen  reinen  Objektträger  mit  einem  Blatte,  dem  Stengel  oder 
Fruchtknoten  sanft  in  Berührung  zu  bringen.  Mau  gewinnt  dadurch 
zahlreiche,  in  der  Regel  farblose,  fettartige  Massen  in  unregel- 
mässigen  Formen,  die  selbst  nach  langer  Zeit  keine  Veränderungen, 
namentlich  keine  Kristallbildungen  zeigen,  wie  sie  im  Sekrete  der 
Haare  von  Priimda  ohconica  so  rasch  und  schön  sich  bilden.  Mit 
derartigem  Materiale  kann  man  leicht  alle  mikrochemischen  Re- 
aktionen vornehmen. 

Das  Sekret  ist  nicht  hygroskopisch.  Nach  Zusatz  von  kaltem 
Wasser  zeigen  sich  sofort  in  der  Masse  kleine,  das  Licht  stark 
brechende  Pünktchen,  wahrscheinlich  sehr  kleine,  unter  dem  Einflüsse 
des  Wassers  entstandene  Myelinformen.  — 


Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung  Cypripedium.  557 

Erhitzt  m<an  nach  Zusatz  von  Wasser  das  Sekret,  so  ballt  es 
sich  zu  rundlichen  Massen  mit  unregelniässiger  Struktur  zusammen 
(Fig.  5).  - 

Das  Sekret  ist  sehr  leicht  löslich  in:  Alkohol,  Äther.  Petroläther, 
Schwefelkohlenstoff,  Benzol;  nach  Verdunstung  dieser  Flüssigkeiten 
kedne  Kristallbildungen;  —  Osmiumsäure  (0,4prozentig):  sofort  bräun- 
lich, später  dunkelbraun  bis  schwärzlich;  —  Eisenchlorid  in  Wasser 
(1  :  10):  zunächst  keine  Reaktion,  später  gelb,  dann  gelbbraun  bis 
rotbraun;  —  Chlorzinkjod:  zunächst  gelb,  später  rotbraun;  —  Jod- 
wasser: gelb  bis  gelbbraun;  —  Anilinblau,  sehr  schwache  wässerige 
Lösung:  das  Sekret  speichert  sofort  den  Farbstoff,  so  dass  jedes 
kleinste  Teilchen  desselben  gefärbt  erscheint;  die  Mitte  jeder 
grösseren  Sekretmasse  stark  blau,  scheinbar  körnig,  der  Rand  da- 
sesen  schwach  blau,  strukturlos.  —  Dieselbe  rasche  Färbuuo-  bei 
Anwendung  von  Safran  in  in  Wasser.  — 

Ammoniak  (käuflich):  schöne,  sehr  zarte  Myelinformen,  die 
sofort  verschwinden;  Ammoniak  -\-  Wasser  (1  :  1):  die  Sekretmasse 
erscheint  körnig;  am  Rande  derselben  sehr  schöne  homogene  Myelin- 
formen; fügt  man  zu  diesem  verdünnten  Ammoniak  wässerige  Safra- 
niulösung  hinzu,  so  scheidet  sich  sofort  ein  körniger  Bestandteil  ab, 
der  stark  rot  gefärbt  erscheint,  ausserdem  am  Rande  schön  rot 
gefärbte,  homogene  Myelinformen.  — 

Kalilauge:  a)  konzentrierte:  das  Sekret  verschwindet  allmählich; 

b)  0,5  prozentig    und    1  prozentig:    das    Sekret    verschwindet    rasch; 

c)  0,5 prozentig:  es  bilden  sich  sofort  sehr  kleine  Myelinformen, 
Kugeln,  Ringe,  elliptische  Gebilde,  rosenkranzartige  Formen  usw. ;  — 

d)  0,2prozentig:  sehr  schöne  Myelinformen;  verwendet  man  ein  mit 
starker  Sekretmasse  bedecktes  Trichom,  so  erhält  die  Drüsenzelle 
durch  diese  Myelinformen  ein  sehr  seltsames  Aussehen  (Fig  6);  — 
konzentrierte  Kalilauge  -(-  konzentriertes  Ammoniak:  es  verschwindet 
sofort;  —  Chloralhydrat:  das  Sekret  verschwindet;  bei  Anwendung 
eines  Drüsenhaares  bildet  sich  an  der  Köpfchenzelle  sehr  rasch 
eine  becherförmige  Vertiefung;  etwa  nach  fünf  Minuten  stülpt 
sich  die  eingedrückte  Membran  wieder  nach  aussen  und  das  Köpfchen 
erhält  seine  ursprüngliche  Form  wieder;  derselbe  Vorgang  bei  Au- 
w^endung  von  Ammoniak  -\~  Kalilauge  u.  a.;  der  Köpfcheninhalt 
behält  die  Form  der  Einstülpung.*) 

Um  zu  prüfen,  ob  das  Sekret  sauer  oder  alkalisch  reagiert, 
wurde  blaues  und  rotes  Lokmuspapier  mit  den  Drüsenhaaren  in  Be- 
rühruno-  o-ebracht:  keine  Reaktion  bemerkbar.     Reibt  man  das  blaue 


1)  Dass,  wie  M.  DOUGAL  (II)  angibt,  die  Drüsenzelle  bei  normaler  Funktion 
(also  ohne  Anwendung  von  Eeagentien)  die  Gestalt  einer  Doppelschale  annimmt, 
konnte  ich  niemals  beobachten. 


558  A.  Nestler: 

Papier  ein  wenig  an  dem  Blatte,  so  zeigt  sich  eine  schwach  saure 
Reaktion,  die  einfacli  darauf  zurückzuführen  ist,  dass  bei  diesem 
Vorgange  zahlreiche  Trichome  abgebrochen  werden  und  der  saure 
Zellsaft  derselben  sich  bemerkbar  macht.  —  Ein  Streifen  blauen 
Lakmuspapieres  wird  mit  einer  kleinen  Menge  kalten  Wassers  ex- 
trahiert und  ein  Tropfen  dieser  sehr  schwach  blauen  Lösung  zu 
farblosen  Sekretmassen  auf  dem  Objektträger  hinzugefügt:  alle 
Sekretmassen  erscheinen  deutlich  blau.  Da  die  Menoe  des  anee- 
wendeten  Farbstoffes  eine  minimale  ist,  so  lässt  sich  wohl  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  aus  diesem  Versuche  schliessen,  dass  das 
Sekret  nicht  sauer  reagiert.  In  gleicher  Weise  wurde  auch  eine 
ganz  schwache  rote  Lakmuslösung  verwendet,  wodurch  sämtliche 
Sekretmassen  sofort  rot  wurden.  Das  Sekret  reagiert  somit  neutral 
und  speichert,  wie  schon  gesagt,  Farbstoffe  sehr  leicht. 

Bezüglich  einer  hautreizeuden  Wirkung  dieses  Sekretes  sei  zu- 
nächst bemerkt,  dass  ich  trotz  vielfacher  Berührung  beim  Arbeiten 
mit  den  oberirdischen  Organen  blühender  Exemplare  niemals  irgend 
eine  Infektion  bemerken  konnte.  Auch  die  direkten  Versuche  mit 
dem  Sekrete  der  Drüsenhaare  wurden  zu  einer  Zeit  vorgenommen, 
als  die  Pflanzen  in  voller  Blüte  standen: 

1.  Grosse  Sekretmassen  wurden  zunächst  auf  einen  reinen 
Objektträger  übertragen,  mikroskopisch  geprüft  und  dann 
auf  empfindliche  Hautstellen  gebracht. 

2.  Zarte  Hautstellen  (Innenseite  des  Unterarmes,  des  Oberarmes 
u.  a.)  wurden  mit  der  Unterseite  stark  behaarter  Laubblätter 
mehrfach  in  Berührung  gebracht  oder  mit  diesen  Blättern 
eingerieben. 

3.  Ein  grösseres  Blattstück  wurde  mit  der  stark  behaarten 
morphologischen  Unterseite  auf  die  Innenseite  des  linken 
Unterarmes  gelegt  und  hier  mittelst  eines  Gummibandes 
durch  fünf  Stunden  festgehalten.  Die  Reinigung  dieser  Arm- 
stelle wurde  durch  acht  Tage  unterlassen. 

4.  Derselbe  Versuch  an  einer  anderen  Armstelle  mit  dem  stark 
behaarten  Fruchtknoten. 

5.  Ubergiesst  man  ein  Blatt  flüchtig  mit  Äther,  wodurch  das 
Sekret  sofort  gelöst  wird,  so  erhält  man  nach  dem  Ver- 
dunsten der  Flüssigkeit  eine  farblose,  körnige  Masse.  Über- 
tragen derselben  auf  die  Haut. 

Alle  diese  mehrfach  angestellten  Versuche  hatten  nicht  den  ge- 
ringsten Erfolg. 

Da  Blatt  nnd  Stengel  ziemlich  reichliche  Raphiden  besitzen, 
welche  in  dem  durch  Drücken  an  einer  Schnittfläche  austretenden 
Safte  sichtbar  werden,    wurden    auch    entsprechende  Versuche  durch 


Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung:  Cypripedium.  559 

energisches    Einreiben    mit    dem    Safte    vorgenommen:    ohne    jeden 
Erfolg.  - 

Cypri'pediwm  specfahile  Salisb. 

Sehr  gut  entwickelte  Exemplare,  die  aber  leider  nicht  zur 
Blütenbildung  gelangten. 

Stengel:  sehr  stark  behaart,  überwiegend  Drüsenhaare,  0,3  bis 
1,5  mm  lang,  aus  drei  bis  sieben  Zellen  bestehend;  mitunter  fast 
ausschliesslich  Drüsenhaare,  in  geringer  Menge  konische,  bis  2  mm 
lange  Haare.  —  Morphologische  Oberseite  der  Laubbl.ätter:  über- 
wiegend Drüsenhaare-,  Unterseite:  überwiegend  konische  Trichome, 
namentlich  auf  den  Nervenbahnen. 

Blattrand:  konische  und  Köpfchen-Haare  ung-efähr  in  gleicher 
Menge,  mitunter  überwingend  konisch. 

Form  der  Trichome  wie  bei  C.  puhescens;  Zellkern  der  Köpfchen- 
zelle zwei-  bis  vier  mal  so  gross  als  die  der  Stielzellen;  sonst  kein 
auffallender  Inhalt  in  der  Drüsenzelle.  Sie  erscheint,  in  Luft  oder 
Wasser  untersucht,  niemals  becherförmig  eingestülpt.^) 

Das  Sekret  der  Drüsenzelle:  schon  mit  unbewaffnetem  Auge 
sichtbar,  farblos,  seltener  hell  bis  dunkelbraun;  mitunter  auch  an  den 
Stielzellen  grössere  Sekretmassen  (Fig.  9);  es  kommt  vor,  dass  das 
ganze  Drüsenhaar  von  der  Sekretmasse  eingehüllt  ist. 

Durch  ein  sanftes  Andrücken  eines  Objektträgers  an  den  Stengel 
oder  die  Oberseite  eines  Laubblattes  erhält  man  überaus  zahreiclie 
farblose,  seltener  schwach  gelblich  oder  braun  gefärbte  Sekretniassen, 
die  dieselben  mikrochemischen  Eigenschaften  einschliesslich  der 
Bildung  von  Myelinformen  zeigen,  wie  die  bei  C.  puhescens.  —  Eine 
auffallende^  Reaktion  muss  hervorgehoben  werden:  fügt  man  zu 
einem  mit  farblosen  Sekretmassen  versehenen  Köpfchen  käufliches 
Ammoniak  hinzu,  das  mit  der  gleichen  Menge  Wasser  verdünnt  ist, 
so  wird  die  Drtisenzelle  sofort  gelb,  später  werden  die  anhaftenden 
Sekretmassen,  die  zu  Tropfen  sich  geformt  haben,  karminrot,  dann 
violettrot.  Solche  roten  Massen  sieht  man  dann  auch  auf  den  be- 
treffenden Epidermiszellen,  wohin  sie  offenbar  durch  Herabfiiessen 
von  dem  Haare  gelangt  sind.  —  Dieselbe  Reaktion  zeigen  auch  jene 
Sekretmassen,  die  durch  sanftes  Andrücken  eines  Objektträgers  an 
einen  oberirdischen  Pfianzenteil  gewonnen  werden.^) 


1)  Ein  abnorm  gebautes  Haar  sei  hier  kurz  erwähnt;  Aus  der  Köpfchenzelle 
eines  Drüsenhaares  hatte  sich  seitlich  ein  zweizeiliges,  konisches  Haar  entwickelt, 
eine  Monstrosität,  wie  ich  sie  bisher  niemals  beobachtet  hatte. 

2)  Wahrscheinlich  ist  es  dieselbe  Eeaktion,  wie  sie  H.  MOLISCH  (Studien 
über  den  Milchsaft  und  Schleimsaft  der  Pflanzen.  1901.  S.  G9)  bei  gerbstoä- 
haltigen,    mitunter    auch    bei    gerbstofffreien    Milchsäften    beobachtet    hat.     „Diese 


560  A.  Nestlek: 

Ob  dadurch  eine  spezifische  Eigenschaft  des  Sekretes  von 
C.  spectahüe  erwiesen  ist,  »hirch  die  es  von  dem  aller  anderen  unter- 
suchten Cypripedien  sich  unterscheidet,  möchte  ich  Torläufig  noch 
nicht  bestimmt  behaupten,  da  es  mir  nicht  möglich  war,  alle  früher 
geprüften  Cypnpedien  darauf  hin  noch  einmal  zu  untersuchen. 
C.  spectabiJe  wuchs  bedeutend  langsamer  als  die  übrigen  Formen. 


Hautreizende  Wirkung  des  Sekretes. 

Da  besonders  von  dieser  Art  durch  Erfahrung  und  Experiment 
die  hautreizende  Wirkung  bewiesen  zu  sein  scheint,  wurden  die  ent- 
sprechenden A^ersuche  mit  besonderer  Sorgfalt  durchgeführt  und 
zwar  zii  verschiedenen  Zeiten  mit  Pflanzen,  die  im  Glashause  und 
im  freien  Gartenbeete  standen.  Diese  Orchidee  entwickelt,  wie  man 
schon  mit  einer  I^upe,  noch  besser  durch  an  Blatt  und  Stengel  sanft 
angedrückte  Objektträger  erkennen  kann,  augenscheinlich  die 
meisten  Sekretmassen  unter  allen  untersuchten  Cypripedien. 

Versuche  im  April  1907. 

Einreiben  der  Haut  an  der  Innenseite  des  Mittelfingers  der 
linken  Hand  mit  dem  stark  behaarten  Stengel:  —  Festhalten  eines 
grösseren  Blattstückes  auf  der  Innenseite  des  rechten  Unterarmes 
durch  5  h.  —  Diese  Versuche  hatten  keinen  Erfolg. 

Versuche  im  Mai  1907  mit  Pflanzen  aus  dem  freien  Gartenbeete. 

8.  Mai.     8  h  30  Vorm.     Öfteres  Berühren   der  Innenseite  des  Mittel- 

fingers der  linken  Hand  mit  einem  gut  behaarten  Blatte. 
5  h    Xachm.      Ein     deutliches     Jucken    fühlbar,     sonst     nichts     be- 
merkbar. 

9.  Mai.     Vorm.     Eine  schwache  Rötung  an  der  infizierten  Stelle;  ab 

und  zu  deutliches  Jucken.     Dieser  Zustand    bleibt    bis    zum 
12.  Mai. 


färben  sich  mit  nicht  sehr  verdüunter  Kalilauge  (etwa  '20  prozentig)  zusammen- 
gebracht und  unter  dem  Deckglase  gelinde  erwärmt  rot  bis  blauviolett.  Diese 
Farbe  ist  in  hohem  Grade  abhängig  vom  Luftzutritt.  Unter  dem  Deckglase,  d.  h. 
bei  teilweisem  Luftabschluss,  äussert  sich  die  Farbenreaktion  am  schönsten,  ohne 
Deckglas  kommt  es  oft  zu  violetten  Farbentönen  gar  nicht  und  wenn  sie  auf- 
treten, so  verschwinden  sie  alsbald  und  machen  bräunlichen  Farben  Platz.  Welcher 
Art  der  oder  die  Körper  sind,  welche  diese  auffallende  Farbenreaktioc  hervorrufen, 
lässt  sich  vorläufig  nicht  sagen.  Dor  umstand,  dass  sie  mit  Gerbstoffen  sowohl  in 
den  Milchröhren  als  auch  ausserhalb  derselben  und  zwar  auch  bei  nicht  milchenden 
Pflanzen,  mit  Gerbstoifen  so  häufig  vermengt  vorkommen,  legt  den  Gedanken  nahe, 
dass  sie  zu  den  Gerbstofi'en  in  irgend  einer  Beziehung  stehen  können  und  ihr 
eigentümliches  Verhalten  zur  Kalilauge  erinnert  einigermassen  an  Chinone." 


Das  Sekret  der  Drüscnhaare  der  Gattun«::  Cypripedium.  5G1 

12.  Mai.  IG  kleine  Bläschen  von  dem  Aussehen  der  durch  Primel- 
gift verursachten  Infektion;  jedes  Bläschen  im  Zentrum  etwas 
dunkler,  wässerig  aussehend. 

Die  Bläschen  verschwinden  in  den  folojenden  Tao-en  all- 
mählich. 

20.  Mai.  Der  letzte  Versuch  an  einem  anderen  Finger  wiederholt: 
kein  Erfolg. 

30.  Mai.  Versnch  mit  einem  sehr  gut  entwickelten  Exemplar  des 
Kalthauses.  Sekretmassen  der.  Blätter  und  des  Stengels 
werden  zuerst  durch  sanfte  Berührung  auf  einige  Objekt- 
träger übertragen,  mikroskopisch  untersucht  und  dann  auf 
jene  Innenseite  des  Mittelfingers  der  linken  Hand  gebracht, 
die  bereits  früher  mit  Erfolg  infiziert  worden  war.  Es  wurden 
auf  diese  Weise  bestimmt  grosse  Sekretmassen  auf  eine 
kleine  Hautstelle  übertragen. 

1.  Juni.     8h  Vorm.     Einige    kleine    Bläschen;    die    infizierte  Stelle 

schwach  gerötet;  kein  Jucken. 

2h  Nachm.  Zwei  grössere  und  einige  kleine  Bläschen; 
deutliches  Jucken. 

2.  Juni.     8  h  Vorm.     In  der  verflossenen  Nacht  stärkeres  Jucken   an 

der  infizierten  Stelle;  diese  ist  auf  einer  Fläche  von  un- 
gefähr 1,5  qcm  deutlich  gerötet;  ausser  den  beiden  grösseren 
Bläschen  viele  kleine,  alle  von  demselben  Aussehen  wie  bei 
dem  ersten  erfolgreichen  Versuch. 

2  h  Nachm.    Heftiges  Jucken;  die  Bläschen  treten  durch- 
wegs deutlicher  hervor. 

3.  Juni.     Dieselben  Erscheinungen.     Keine  weitere  Ausbreitung    der 

geröteten  Stelle. 

An  den  folg-enden  Tao-en  allmähliches  A^erschwinden  der 
Rötung  und  der  Bläschen. 

Es  sei  noch  erwähnt,  dass  durch  tagelanges  Arbeiten  mit 
den  oberirdischen  Organen  dieser  Orchidee  niemals  die  ge- 
ringste Infektion  bemerkt  w^erden  konnte;  ferner  dass,  wie 
direkte  Versuche  mit  aus  Blättern  und  Stengeln  ausgepresstem 
Zellsaft  zeigten,  eine  mechanische  Wirkung  der  Raphiden 
oder  vielleicht  ein  Übertraoen  eines  Giftstoffes  durch  diese 
Nadeln  vollkommen  ansgesciüosseu  erscheint. 

Jene  zwei  erfolgreichen  Versuche  lassen  jedoch  keinen  Zweifel 
zu,  dass  das  Sekret  der  Drüsenhaare  von  C.  spectabile  tat- 
sächlich   hautreizeud    wirkt.     Wenn  die  Wirkung  desselben  bei 


562  A.  Nestler  : 

mir  im  Vergleiche  zu  andern  Erfahrungen  gering  war,  so  kann  das 
verschiedene  Ursachen  haben. 

Erstens  ist  der  Umstand  zu  berücksichtigen,  dass  dieses  Hautgift 
nach  M.  DOUGAL  erst  während  der  Biklung  der  Samenkapseln  das 
Maximum  seiner  Wirkung  erreichen  soll.  Da  meine  Pflanzen,  wie 
gesagt,  überhaupt  nicht  zur  Blüte  gelangten,  konnte  ich  auch  jene 
Behauptung  nicht  überprüfen.  Dann  ist  es  möglich,  dass  ich  für 
dieses  Hautgift  überhaupt  wenig  empfänglich  bin;  andere  Personen 
konnten  aber  nicht  für  dieses  Experiment  verwendet  werden,  da  die 
Wirkung  dieses  Giftes  nach  den  früheren  Angaben  sehr  bedeutend 
sein  soll  Dass  manche  Personen  gegenüber  diesem  Hautgift  immun 
sind,  geht  aus  den  Bemerkungen  von  KUNZE  und  J.  NeRVINS  HYDE 
hervor,  welche  die  giftige  Wirkung  der  Cypripedien  überhaupt  be- 
zweifeln. Mac  DouCtAL  selbst  vermutet,  dass  diese  Orchideen  von 
der  Mehrzahl  der  Menschen    ohne  Schaden    berührt  werden  können. 

Soviel  steht  fest,  dass  dieses  Hautgift  wie  bei  den  haut- 
reizenden Primeln  von  Drüsenhaaren  produziert  wird,  aber 
von  ganz  anderer,  chemischer  Beschaffenheit  ist  wie  das 
Primelhautsrift. 


Cypripedium  'parvifloruvi  Salisb. 

Laubblätter:  Unterseite  stark  behaart,  Köpfchen-  und  konische 
Haare,  letztere  in  der  Mehrzahl;  Oberseite:  Behaarung  geringer, 
Köpfchenhaare  überwiegend.  Stengel:  am  unteren  Teile  überwiegend 
konische  Haare,  am  oberen  Teile  überwiegend  Köpfchenhaare. 
Fruchtknoten  stark  behaart,  nur  Drüsenhaare.  — 

Sekret  bedeutend  geringer  als  bei  den  früheren  Arten,  farblos 
oder  bräunlich;  mikrochemische  Eigenschaften  dieselben  wie  bei  den 
Sekreten  von  C.  pubescens  und  C.  spectabile^  jedoch  die  Fähigkeit  zur 
Myelinformenbildung  geringer. 

Sämtliche  Versuche  bezüglich  einer  hautreizenden  Wirkung  des 
Sekretes  negativ;  auch  das  Einreiben  mit  dem  mit  Raphiden  durch- 
setzten Zellsaft  erfolglos. 


Cypripedium  acaule  Ait. 

Stengel  nur  mit  zwei  grundständigen  Laubblättern;  diese  auf  der 
Oberseite  viel  stärker  behaart  als  auf  der  Unterseite.  —  Drüsenhaare 
und  konische  Haare. 

Stengel:  Drüsenhaare,  nur  vereinzelt  ein  konisches  Haar.  Frucht- 
knoten mit  Drüsenhaaren  besetzt.  — 


Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung  Cypripedium.  563 

Die  Kopfzelle  der  Drüseiihaare  mit  ziegelrotem,  seltener  braunem 
Sekret  bedeckt.  Namentlich  zeio-en  alle  Trichome  am  Stenoel  oreg-en 
die  Blüte  zu  eine  starke  Sekretbildung.  Die  roten  Sekretmassen  sind 
auch  oft  in  grossen  Mengen  auf  den  Stielzellen  der  Drüsenhaare  und 
denEpidermiszellen  zu  bemerken. 

Berührung  des  Schaftes  mit  einem  Objektträger:  zahlreiche 
ziegelrote  oder  braunrote,  mitunter  auch  hellkarmiurote  und  farblose 
Sekretmassen.    Auch  nach  vielen  Stunden  bilden  sich  keine  Kristalle. 

Zusatz  von  käuflichem  Ammoniak -^  Wasser  (1  :  3)  zu  einem  mit 
ziegelrotem  Sekret  bedeckten  Köpfchen  eines  Drüsenhaares:  das 
Sekret  wird  violett,  ebenso  die  sich  bildenden  Myelinformen,  durch 
den  Kontrast  zu  der  gelb  gewordenen  Köpfchenzelle  ein  schönes 
Bild.     (Fig.  7.) 

Bräunlich-rote  Sekretmassen  verändern  nach  Zusatz  von  ver- 
dünnter Salzsäure  ihre  Farbe  nicht,  dagegen  nach  Zusatz  von  Eis- 
essig; sie  werden  sofort  orangerot  oder  orangegelb;  fügt  man  nun 
Kalilange  hinzu,  so  werden  sie  sofort  violett,  bisweilen  dunkel- 
blau. — 

Die  Lösungsverhältnisse  sind  dieselben  wie  bei  den  früher 
gen  annten  Ci/pripedieii. 

Hautreizende  ^Yirkung■:  keine. 


Cypripedium  macranthuvi  Sw. 

Laubblätter  und  Stengel  nur  mit  konischen  Haaren  besetzt;  der 
Fruchtknoten  zeigt  überhaupt  keine  Haarbildung. 


Cyp r ip ediu m  montanu m. 

Das  Exemplar  war  nur  l,.j  dem  hoch  und  zeigte  eine  ver- 
kümmerte Blüte. 

Laubblätter;  Ober-  und  Unterseite  schwach  behaart,  Rand 
etw^as  stärker,  Stengel  gut  behaart;  —  überall  nur  Drüsenhaare  von 
der  bekannten  Form,  durchschnittlich  120  /^  lang,  aus  vier  und  mehr 
Zellen  bestehend.  — 

Drüsenzelle  mit  einem  wasserhellen  Sekret  bedeckt  oder  mit 
einem  scheinbar  festen,  farblosen  oder  bräunlichen  Anhano-. 

Mikrochemische  Eigenschaften  wie  bei  C.  pubescens,  jedoch  bei 
Zusatz  von  verdünnter  Kalilauge  nur  spärliche,  kurze  Myslinfäden. 
Nach  Zusatz  von  Ammoniak  (1:1)  keine  Farbenäuderuug.  —  Keine 
hautreizende  Wirkung. 


564 


A.  Nestler  : 


Cjjpripedium  Calceolus  L. 


Blüliende  Freilandpflaiizen  aus  Luuz^)  (Nieder- Oesterr.) 

Laubblätter  verhältnismässig-  spärlich  behaart,  teils  Drüsen-,  teils 
konische  Haare;  Fruchtknoten  stark  behaart,  hier  beide  Haarformen 
ungefähr  in  gleicher  Anzahl,  mitunter  Köpfchenhaare  und  konische 
Haare  gruppenweise  angeordnet;  manche  Fruchtknoten  zeigten  fast 
ausschliesslich  Drüsenhaare.  —  Sekret  auf  der  Drüsenzelle  entweder 
nur  in  Form  eines  dünnen,  sichelförmigen  Überzuges  oder  eine 
grössere,  unregelmässige  Masse  bildend,  struktur-  und  farblos,  mit- 
unter als  schwach  bräunliche  Kappe  ausgebildet. 

Berühren  eines  Objektträgecs  mit  dem  oberen  Teile  des 
Stengels:  ziemlich  viele,  farblose  Sekretmasseu,  die  im  allgemeinen 
dieselben  mikrochemischen  Verhältnisse  zeigen,  wie  die  von  C.jmbescens; 
nur  scheint  die  zu  Myeliuformen  geeignete  Substanz  in  weit  geringerer 
Menge  vorhanden  zu  sein,  als  bei  spectabile  und  j^ubescens.  Bei  Zusatz 
von  0,5  pCt.  Kalilauge  entstehen  spärliche  Myelinformen,  die  jedoch 
weisen  ihrer  Zartheit  erst  bei  Abschattiing  des  Gesichtsfeldes  deutlich 
sichtbar  werden.  (Es  ist  notwendig,  die  Kalilauge  sehr  langsam  zu- 
fliessen  zu  lassen).  —  5  pCt.  Kalilauge  zu  einem  mit  zahlreichen 
Drüsenhaaren  besetzten  Epidermisstück:  keine  Myelinformen,  Haare 
gleichmässig  gelb;  —  1  pCt.  Kalilauge:  nur  an  einer  einzigen  Drüseu- 
zelle  einige  wenige  Myelinformen;  —  0,"2  pCt.  Kalilauge  durch 
Safranin  schwach  rot  gefärbt:  das  Köpfchen  samt  den  anhaftenden 
Sekretmassen  sofort  intensiv  rot,  der  übrige  Teil  des  Trichoms  farb- 
los, keine  Myelinformen;  käufliches  Ammoniak  und  verdünnt  (1  :  1): 
keine  Myelinformen;  —  Methylgrün -Essigsäure  (Methylgrün  0/25, 
Wasser  100,  Essigsäure  1):  Sekretmassen  dunkelblau,  Köpfchenzell- 
wand  blau,  Zellkern  grün;  —  alle  Sekretmassen  werden  durch  Zusatz 
von  Methylgrün-Essigsäure  blau  bis  blauviolett;  —  Safranin  und 
Anilinblau  (in  sehr  schwachen  wässerigen  Lösungen)  werden  vom 
Sekret  leicht  gespeichert;  —  Jodwasser:  Sekret  sofort  gelb,  körnig 
erscheinend;  —  MiLLON'sches  Reagenz;  Sekret  an  dem  Köpfchen 
gelb,  später  samt  dem  Köpfchen  braun. 

Es  sei  noch  hervorgehoben,  dass  in  Blatt  und  Stengel  ebenso 
reichlich  Raphiden  vorhanden  sind,  wie  bei  den  früheren  Arten.  Alle 
Versuche  bezüglich  einer  hautreizenden  Wirkung  durch  dieses 
Sekret  und  diese  Raphiden,  die  ich  in  diesem  Falle  dank  des  reichen 
mir  zu  Gebote  stehenden  Materials  sehr  oft  und,  was  das  Sekret  an- 
belangt, mit  verhältnismässig  bedeutenden  Massen  ausführen  konnte, 
hatten  keinen  Erfolg. 


1)  Herr  Dr.  FR.  RUTTNER,  Assistent  an  der  biologischen  Anstalt  zu  Lunz 
hatte  die  Freundlichkeit,  mir  zahlreiche  in  der  Gegend  von  Lunz  gesammelte 
blühende  Exemplare    zu   senden,    wofür   ich  ihm  zu  bestem  Danke  verpflichtet  bin 


Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung  (.'ypripedium.  565 

Z  u  s  a  ni  m  e  n  f  a  s  s  u  n  o-. 

Die  an  mir  selbst  (lurchgefiilirteii  Versuche  beweisen,  dass  die 
oberirdischen  Organe  von  (Jypripedmm  spectabile  Salisb.  ein  haut- 
reizendes Gift  besitzen  und  dass  die  hautreizende  Wirkung-  in  ana- 
loger AVeise,  wie  bei  den  hautreizenden  Primeln  dem  Sekrete  der 
Drüsenhaare  dieser  Orchidee  zugeschrieben  werden  muss.  — 

Die  Versuche  mit  C.  piibescens  und  C.  parviflorum,  denen  nach 
Mac  DuUCtAL  gleichfalls  eine  hautreizende  Wirkung  zukommen  soll, 
hatten  bei  mir  keinen  Erfolg.  Da  jedoch  C  pubesceiis  und  C.  paroi- 
fioruin  ebenso  wie  C.  spectabile  unter  allen  untersuchten  Cijpripedien 
die  stärkste  Behaarung  und  die  grösste  Anzahl  von  Drüsenhaaren 
zeigen,  halte  ich  es  unter  gleichzeitiger  Berücksichtigung  einer  ge- 
wissen mikrochemischen  Beaktion  des  Sekretes  für  nicht  ausge- 
schlossen, dass  zum  mindesten  auch  C  pubescens  hautreizend  wirken 
kann.  Denn  es  ist  wahrscheinlich,  dass  nur  wenige  Menschen  und 
diese  nicht  in  gleicher  Stärke  für  dieses  Ilautgift  empfänglich  sind; 
auch  ist  neben  anderen  schon  früher  angeführten  Umständen 
zu  berücksichtigen,  dass  möglicherweise  unter  meinen  Kultur- 
bedingungen das  Sekret  sich  nicht  in  der  Weise  entwickelte,  wie  es 
zur  llervorbringung  einer  hautreizenden  Wirkung  notwendig  ist. 

Alle  untersuchten  Cijpripedien  —  ausgenommen  6'.  macranthinn  — 
haben  auf  ihren  oberirdischen  Organen  zweierlei  Haare  in  ver- 
schiedener Verteilung:  mehrzellige  Drüsenhaare  (Fig.  1)  und  mehr- 
zellige konische  Haare.  6'.  viacranthum  entwickelte  wenigstens  unter 
meinen  Kulturbedingnngen  nur  konische  Trichome.  Da  alle 
konischen  Haare  von  weicher  Beschaffenheit  sind,  so  erscheint  es 
von  vornherein  ausgeschlossen,  dass  durch  dieselben  eine  mechanische 
Verletzuno'  der  Haut  stattfinden  kann. 

Das  Sekret  der  Drüsenhaare  ist  eine  homogene,  in  der  Hegel 
vollständig  farblose,  seltener  —  namentlich  bei  älteren  l'richomen 
wahrscheinlich  durch  den  Sauerstoff  der  Luft  bewirkte  —  bräunliche 
oder  {C.  acaule)  ziegelrote  Substanz,  die  entweder  nur  als  dünne 
Kappe  erscheint  oder  das  ganze  Köpfchen,  mitunter  auch  die  nächste 
Stielzelle  bedeckt  oder  auch  in  einzelnen  Partien  auf  den  Stiel- 
zellen und  den  nächsten  Epidermiszellen  des  betreffenden  Organs 
(Stengel,  Laubblatt,  Fruchtknoten)  sichtbar  ist.  Es  liegen  also  hier 
analoge  Verhältnisse,  wie  bei  den  hautreizenden  Primeln  vor;  doch 
zeigt  das  Cypripedium-Sekret  einige  andere  mikrochemische  Eigen- 
schaften als  das  Primelhautgift.  —  Während  letzteres  sehr  leicht 
auskristallisiert,  ist  das  Sekret  der  Cypripedien  eine  fettartige, 
niemals  Kristalle  bildende  Substanz,  die  unter  anderem  bei  Zusatz 
von  verdünnter  Kalilauge  oder  verdünntem  Ammoniak  mehr  oder 
weniger  schöne  Myelinformen  bildet  (Fig.  6,  7)  und  Farbstoffe  (Anilin- 


566  A.  Nestler  : 

blau,  Safrauin,  Methylgrün,  Lackmus)  sehr  leicht  speichert.  Aus  seiner 
Eignung  zu  Myelinformenbiklung  lässt  sich  schliessen,  dass  hier 
neben  anderen  Bestandteilen  eine  Fettsäure  (Ölsäure?)  vorhanden  ist.^) 
Es  ist  nun  sehr  auffallend,  dass  das  Sekret  von  C.  spectabiie  und 
C.  puhesceiis  jene  Substanz,  die  zur  Bildung  von  Myelinformen  er- 
forderlich ist,  in  grosser  Menge  besitzt,  was  aus  der  grossen  Anzahl 
schöner  Myelinformen  bei  Zusatz  der  geeigneten  Substanz  leicht  er- 
sichtlich ist,  in  geringerem  Masse  dagegen  das  Sekret  von  C.  parvi- 
florum  und  sehr  gering,  oft  nur  schwer  nachweisbar  das  der  übrigen 
Ciipripedien.  —  Da  dies  der  einzige  Unterschied  ist,  den  ich 
im  Sekrete  der  verschiedenen  Cypripedien  mikrochemisch  nach- 
weisen konnte,  wäre  es  nicht  undenkbar,  dass  die  hautreizende 
Substanz  an  eine  Fettsäure  gebunden  ist,  die  in  hervorragender 
Menge  bei  C.  spectabiie  und  C.  pubescens  zur  Entwickelung  gelangt.  —  Das 
im  Handel  vorkommende  Cardolum  vesicans  (nicht  das  Cardolum 
pruriens)  gibt  nach  Zusatz  von  Ammoniak  (1  :  1)  oder  Kalilauge 
(0,5  pCt.)  ebenfalls  Myelinformen.  Es  ist  aber  selbstverständlich, 
dass  bei  der  grossen  Verbreitung  der  zu  Myelinformen  geeigneten 
Substanz  und  der  unreinen  Beschaffenheit  des  käuflichen  Cardolum 
vesicans  nicht  daraus  geschlossen  werden  kann,  dass  das  Ci/pripedimn- 
Hautgift  vielleicht  ein  Cardol  sei.  —  Ebenso  ist  die  Begründung 
M.  DOUGAL's,  dass  dieses  Gift  vielleicht  ein  Cardol  sei,  weil  „es  in 
Alkohol  leicht  löslich  ist  und  wie  eine  ölige  Substanz  reagiert",  ohne 
Bedeutung. 

Ob  die  auffallende,  an  Chinone  (Nucin,  Chrysophansäure  etc ) 
und  an  gewisse  Milchsäfte  (MOLISCH  1.  c.)  erinnernde  Reaktion  — 
karminrote  nnd  violette  Färbung  bei  Zusatz  von  Ammoniak  (1  :  1) 
für  Cypripedium  spectabiie  charakteristisch  ist  oder  auch  dem  Sekret 
anderer  Cypripedien  zukommt,  muss  ich  vorläufig  unentschieden 
lassen. 

M.  Dougal  bemerkt  am  Schlüsse  seiner  11.  kleinen  Ab- 
handlung, dass  die  hautreizenden  Ciipripedieji  unangenehm  für  das 
weidende  Yieli  seien  und  daher  in  ihrer  giftigen  Eigenschaft  ein 
Schutzmittel  besitzen.  —  Dieser  Annahme  kann  ich  nicht  beipflichten, 
da  dieses  Gift,  auf  die  Haut  des  Menschen  übertragen,  nicht  sofort 
in  bemerkenswerter  Weise  wirkt,  sondern  erst  nach  einiger  Zeit. 
Wenn  dieses  Sekret  den  weidenden  Tieren  augenblicklich  beim 
Fressen  unangenehm  werden  würde,  dann  wäre  wohl  diese  Ursache 
für    ihre    Abneiguno-    verständlich.     Das    ist    aber    durch    nichts    er- 


1)  A.  Nestler.  Myeliu  und  Eiweisskristalle  in  der  Frucht  von  Capsicuin  an- 
mium  L.     Sitzungsb.  d.  Kais.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien.     Bd.  CXV.     1906. 

Em.  Senf,  über  Myelinformen  bildende  Substanz  in  Gingko-Samen.  Pharn). 
Post.  1907. 


Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung  Cypripedium.  567 

wiesen.  —  Wir  wissen  niclit,  wie  dieses  Hautgift  auf  den  Gaumen 
des  Menschen  wirkt  und  können  wohl  auch  diesbezüglicli  einen 
direkten  Versuch  nicht  machen,  da  er  sehr  schwere  Folgen  haben 
könnte.  Ich  erinnere  nur  an  den  einen  Fall,  wo  eine  Frau  zufällig 
ein  Blattstück  der  Primula  obconica  kaute. 

M.  DOUGAL  ist  ferner  der  Ansicht,  dass  die  in  den  oberirdischen 
Organen  der  Cypripedien  vorkommenden  Raphiden  gleichfalls  als 
ein  Schutzmittel  gegen  Tierfrass  anzusehen  seien.  Auch  dieser 
Meinung  kann  ich  nicht  zustimmen,  da  die  Menge  und  die  Grösse 
der  Raphiden  denn  doch  verhältnismässig  gering  erscheint,  um  als 
wirksamer  Schutz  gegenüber  grösseren  Tieren  angesehen  werden  zu 
können. 

Wenn  jene  Orchideen  tatsächlich  von  dem  weidenden  Vieh  un- 
berührt gelassen  werden,  so  wird  wohl  die  Annahme  näher  liegen, 
dass  ihm  diese  Pflanzen  einfacli  nicht  schmecken,  ohne  dass  für  diese 
Abneigung  Sekret  und  Raphiden  massgebend  sein  müssen. 

Pflanzenphysiologisches  Institut  der  k.  k.  deutschen 

Universität  in  Prag. 


Erklärung-  der  Abbildiiugeu  zu  Tafel  XIV. 


Cypripedium  pubescens.     1 — 6 

1.  Drüsenhaar:  k  -  Köpfchenzelle:    s  =  Sekret;   so  weit   das   Sekret  reicht,    ist  die 

Membran  dicker,  als  an  den  andern  Stelleu.     Vergr.  3Gü. 

2.  Ein  Drüsenhaar  in  Luft;  das  Sekret  (s)  färb-  und  strukturlos.     Vergr.  255. 

3.  u.  4.  Drüsenzellen  nach   Zusatz  von  Wasser:    das  Sekret   zeigt  blasenartige  (H) 

oder  kurz  fadenförmige  Gebilde  (4).    Vergr.  360. 

5.  Eine  Sekretmasse  in  heissem  Wasser.     Vergr.  255. 

6.  Aus  dem  Sekret  einer  Köpfchenzelle    sind  nach  Zusatz  von  0,2  pCt.  Kalilauge 

Myelinformen  entstanden.     Vergr.  360. 

7.  Eine    Kö])fchenzelle     von     O/pripedium    acaule     nach     Zusatz     von     Ammoniak 

(1  :  3).     Vergr.  360. 

8.  Ein  Drüsenhaar  von  Gypripediuin  Calceolvs  in  Wassei'.     Vergr.  360. 

9.  Ein  Drüsenhaar  von  Cypripedium  spectabile  in  Wasser.     Vergr.  3G0. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  40 


568  Hans  Winkler : 


80.  Hans  Winkier:   Über  Pfropf bastarde  und  pflanzliche 

Chimären. 

(Mit  drei  Textfiguren.) 
(Eiogegangen  am  7.  Dezember  1907.) 


Im  Folgenden  möchte  ich  die  kurze  Beschreibung  einer  Pflanze 
geben,  die  ich  auf  der  diesjährigen  Generalversammlung  der  Deutschen 
Botanischen  Gesellschaft  in  Dresden  demonstrierte.  Wenn  ich  dies 
schon  jetzt  tue,  entgegen  meiner  ursprünglichen  Absicht,  erst  nach 
Abschluss  der  eingehenden  Untersuchung  einen  Bericht  über  diese 
in  ausführlicherer  F'orm  zu  veröffentlichen,  so  geschieht  es  vornehm- 
lich deshalb,  weil  mir  in  letzter  Zeit  eine  ganze  Reihe  von  Anfragen 
über  die  Pflanze  zugegangen  sind,  aus  denen  ich  ersehe,  dass  es 
doch  ratsam  ist,  schon  jetzt  einige  authentische,  wenn  auch  kurze 
Angaben  über  sie  zu  publizieren. 

Gegenstand  der  Versuche,  die  zu  der  Entdeckung  der  in  Dresden 
demonstrierten  Pflanze  führten,  war  die  alte  vielerörterte  Präge  nach 
der  Existenz  von  Pfropfhybriden.  Mit  Reclit  bemerkt  STRASBURGER 
in  seiner  letzten  Publikation  über  dies  Problem,^)  dass,  so  wie  die 
Dinge  jetzt  liegen,  das  tatsächliche  Bestehen  von  Pfropfhybriden 
immer  noch  nicht  als  eVwiesen  gelten  kann,  und  dass  Zweifel  an 
ihrer  Existenz  so  lange  berechtigt  bleiben,  als  „für  das  Zustande- 
kommen von  Pfropfhybriden  nur  nachträglich  gemachte  Wahr- 
nehmungen angeführt  werden  können,  so  lange  es  in  einem  Worte 
nicht  gelang,  Pfropfhybride  willkürlich  hervorzubringen  und  in  ihrer 
Entstehuno;  zu  verfoloen".  Die  Frage  lässt  sich  also  definitiv  nur 
experimentell  entscheiden,  und  bei  der  grossen  theoretischen  Be- 
deutung, die  sie  besitzt,  sind  möglichst  zahlreiche  Versuche  zu  ihrer 
Lösuno'  erwünscht. 

Solche  Versuche  sind  ja  nun  auch  bekanntlich  schon  in  sehr 
grosser  Anzahl  ausgeführt  worden,  bisher  aber  stets  ohne  positive 
Ergebnisse,  so  dass  durch  sie  im  Wesentlichen  nur  die  Zweifel  an 
der  Pfropfbastardnatur  des  Cytisiis  Adami  und  des  Crataegomespilus 
von  Bronvaux  neue  Nahrung  erhielten.  Davon  aber  überzeugt,  dass 
dennoch  Pfropf  bastarde  möglich,    wenn    nicht  gar  in  den  erwähnten 


1)    E.    SRASBURGtER,     Über    die    Individualität    der    Chromosomen    und    die 
Pfropfliybriden-Frage  (Jahrb.  für  wissensch.  Botanik,  Bd.  44,  19ü7,  S.  482—555). 


über  Pfropfbastardc  und  pflanzliche  Chimären.  569 

Pflanzen  schon  vorhanden  sind,  glaubte  ich,  das  Misslingen  aller 
bisherigen  Versuche,  sie  experimentell  zu  erzeugen,  auf  die  Wahl 
ungünstiger  Objekte  und  ungenügende  Methodik  zurückführen  zu 
können.  Es  ist  begreiflich,  dass  man  vorzugsweise  Cyiisus  purpureus 
und  laburnum  als  Versuchsobjekte  wählte;  doch  sind  gerade  diese 
Eltern  des  Cytisus  Adami  aus  verschiedenen  gleich  zu  erwähnenden 
Gründen  keine  sehr  günstigen  Objekte.  Es  galt  daher,  wollte  man 
die  oft  unternommenen  Versuche  mit  einiger  Aussicht  auf  Erfolg 
wiederholen,  andere,  günstigere  Objekte  ausfindig  zu  machen,  und 
sie  mit  verbesserten  Methoden  zu  behandeln. 

Von  vornherein  war  es  klar,  dass  alle  Versuche,  Pfropfbastarde 
zu  erzeugen  auf  dem  Wege  der  direkten  Beeinflussung  des  Reises 
durch  die  Unterlage  oder  umgekejirt,  derart,  dass  dabei  der  eine 
Komponent  den  anderen  seine  spezifischen  Eigenschaften  merkbar 
und  dauernd  mit  zur  Schau  zu  tragen  zwingt,  aussichtslos  erscheinen 
mussten.  Denn  es  ist  ein  vor  allem  durch  die  seither  vielfach  be- 
stätiuten  Versuche  von  VOECHTING  feststehender  Satz,  dass  die 
durch  Pfropfung  zu  einem  einheitlich  wachsenden  Individuum  ver- 
bundenen Symbionten  sich  gegenseitig  in  ihren  spezifischen  Eigen- 
schaften nicht  zu  beeinflussen  vormögen.  Daran  ändern  auch  die 
zahlreichen,  aber  meist  sehr  unkritischen  Versuche  von  DANIEL 
nichts,  die  angeblich  das  CTegenteil  beweisen  sollen,  zumal  noch 
neuerdings  VOSS^)  bei  einem  derjenigen  Gewächse,  von  dem  die 
spezifischen  Änderungen  der  Eigenschaften  des  aufg'esetzten  Reises 
durch  die  Unterlage  immer  und  immer  wieder  behauptet  worden  ist, 
nämlich  bei  der  Rebe,  durch  sorgfältige  Untersuchungen  nach- 
gewiesen hat,  dass  Reis  und  Unterlage  sich  in  ihren  morphologischen, 
anatomischen  und  physiologischen  Eigenschaften  trotz  der  Pfropf- 
symbiose genau  so  verhalten,  als  ob  jedes  selbständig  gediehe 

Die  gegebene  Methode,  die  bei  Versuchen,  Pfropfbastarde  zu 
erzeugen,  inne  zu  halten  ist,  ist  denigemäss  einzig  und  allein  die, 
dass  man  die  Pflanze  veranlasst,  aus  dem  Verwachsungsgewebe 
Adventivsprosse  zu  bilden.  Als  solche,  der  Pfropfstelle  entsprungene 
Adventivsprosse  sieht  man  ja  auch  allgemein  den  Cytisus  Adami  und 
den  CrataegomespiJus  an,  soweit  man  in  ihnen  keine  sexuell  erzeugten 
echten  Bastarde  erblickt. 

Nun  sind  freilich  Pflanzen,  die  leicht  und  willig  aus  Stengel- 
gewebe solche  Sprosse  treiben,  im  allgemeinen  nicht  häufig.  Als 
yeleo-entlicher  Ausnahmefall  kommt  es  allerdings  fast  bei  allen  Ge- 
wachsen    einmal    vor,    dass    infolge    einer    Verwundung    oder    durch 


1)  W.  Voss,  Über  die  durch  Pfropfen  herbeigeführte  Symbiose  einiger  Vitis- 
arten,  ein  Versuch  zur  Lösung  der  Frage  nach  dem  Dasein  der  Pfropfhybriden 
(Landwirtsch.  Jahrbücher,  Bd.  33,  1904,  S.  961— 960;. 

40* 


570  Hans  Winkler: 

sonst  irgend  einen  Umstand  veranlasst  Aventivknospen  aus  dem 
Stengel  entstehen;  so  auch  bei  den  Arten  der  Gattungen  Cytisus^ 
Mespilus  und  Crataegus.  Aber  es  ist  klar,  dass  solche  Gewächse,  bei 
denen  Adventivbildungen  zu  den  Ausnahmen  gehören,  keine  günstigen 
Objekte  für  Pfropfbastardversuche  sind,  da  diese  dann  in  ausser- 
ordentlich grosser  Anzahl  anzustellen  sind.  Ideale  Objekte  für 
solche  Versuche  sind  vielmehr  Pflauzen,  bei  denen  es  der 
Experimentator  in  der  Hand  hat,  nach  seinem  Belieben  aus  jedem 
Punkte  des  Steugels  Adventivsprosse  hervorzulocken,  bei  denen  er 
also  auch  die  Sprossbildung  nach  Belieben  auf  die  Verwachsangs- 
stelle  lokalisieren  kann.  Auf  Grund  meiner  ausgedehnten  Regene- 
rationsstudien kann  ich  behaupten,  dass  solche  Pflanzen  verhältnis- 
mässig sehr  selten  sind;  ich  fand  sie  eigentlich  nur  unter  den 
Solanaceen  und  den  krautigen  Capparidaceen.  Mit  Vertretern  beider 
Familien  habe  ich  nun  seit  1904  zahlreiche  Versuche  gemacht,  die 
aber  erst  in  diesem  Jahre  zu  Resultaten  führten,  die  ihre  Fort- 
führung in  grossem  Massstabe  rechtfertigen.  Dass  es  sich  bei 
meinen  Versuchsobjekten  um  krautige,  nicht  perennierende  Pflanzen 
handelt,  ist  wol  insofern  ein  Nachteil,  als  sich  die  eventuell  ent- 
stehenden Pfropfbastarde  nicht  so  leicht  vermehren  und  dauernd  am 
Leben  erhalten  lassen  wie  etwa  der  Cytisus  Adavn.  Dem  stellt  aber 
der  grosse  Vorteil  gegenüber,  dass  krautige  Pflanzen  sehr  viel 
rascher  regenerieren  nnd  sich  entwickeln,  früher  zur  Blüte  kommen 
und  in  verschiedener  Hinsicht  ein  bequemeres  Material  zum  Experi- 
mentieren abgeben  als  Holzgewächse.  Überdies  gelingt  es  ja  be- 
kanntlich durch  gewisse  Stecklingsmethoden,  auch  krautige  annuelle 
Pflanzen  zu  überwintern  und  zu  vermehren.  Vor  allem  aber  musste 
ich  eben  schon  aus  dem  Grunde  zu  Annuellen  als  Versuchsmaterial 
greifen,  weil  mir  unter  den  perennierenden  Holzgewächsen  keins 
bekannt  ist  —  ausser  vielleicht  Popidus  — ,  bei  dem  die  Adventiv- 
sprossbildung so  leicht  vor  sich  geht  und  so  sicher  auf  den  ge- 
wünschten Punkt  lokalisiert  werden  kann  wie  bei  den  krautigen 
Solanaceen  und  Capparidaceeii.  Die  Versuche,  über  die  ich  in  dieser 
Mitteilung  berichte,  beziehen  sich  ausschliesslich  auf  Vertreter  der 
Gattung  Solanum',  die  Versuche  mit  anderen  Pflanzen  sollen  vorerst 
unberücksichtigt  bleiben. 

Aus  leicht  ersichtlichen  Gründen  benutzte  ich  junge  kräftige 
Keimlinge  für  den  Versuch.  Wird  ein  solcher  Keimling  etwa  von 
Solanum  lycopersicuvi,  das  vermöge  seiner  ungewöhnlich  grossen  Re- 
generationskraft eins  meiner  Hauptversuchsobjekte  bildete,  decapitiert, 
so  sorgen,  wie  üblich,  zunächst  die  austreibenden  Achselknospen  der 
Stengelblätter  für  den  Ersatz  des  verlorenen  Haupttriebes.  Entfernt 
man  aber  zugleich  mit  dem  Eadtrieb  auch  die  Achselknospen  und 
sorgt    dafür,    dass    in    den    ßlattachseln    keine  Adventivsprosse    auf- 


über  Propfbastarde  und  pflanzliche  Chimären. 


571 


kommen  können,  was  durch  täglicli  wiederholtes  Ausbrechen  der 
eben  sichtbar  werdenden  Knospen  unschwer  erreichbar  ist,  so 
kommen  nunmehr  aus  der  apicalen  Schnittfläche  des  Stengels 
Adventivsprosse  in  grosser  Zahl  heraus.  Die  näheren  Einzelheiten 
ihrer  Entstehungsweise  interessieren  uns  hier  zunächst  nicht.  Es 
genüge,  festzustellen,  dass  sie  dem  Callus  entspringen,  der  bald 
nach  der  Decapitierung  die  Schnittfläche  als  homogene  Kappe  über- 
zieht, und  der  entwicklungsgeschichtlich  keineswegs  etwa  allein  auf 
das  Cambium  zurückzuführen  ist.  Irgend  ein  Punkt  des  Stengel- 
callus  erscheint  dabei  nicht  hinsichtlich  der  Sprossproduktion  bevor- 
zugt; ziemlich  gleichmässig  ringsum  treten  die  Knospen  auf,  und 
Zufälligkeiten  entscheiden,  welcher  Trieb  oder  wieviel  Triebe 
schliesslich  zur  Weiterentwicklunar  s-elansren. 


Fitr.  1.     Schematische  Darstellung   der   regenerierenden    Schnittflächen    A)  bei  An- 
wendung  des    Kopulierens,    /i)    der   Keilpfropfung,    C)    der  Sattelpfropfung.      Das 

Gewebe  des  Reises  ist  schraffiert. 


Diese  Fähigkeit  der  Solanum -Keimlinge,  aus  der  Querschnitts- 
fiäche  des  Stengels  zahlreiche  Regenerativsprosse  zu  bilden,  benutzte 
ich  nun  für  die  Pfropfhybridenversuche  derart,  dass  ich  den  Trieb 
der  einen  Art  auf  den  decapitierten  Keimling  der  anderen  durch 
Kopulation,  Sattel-  oder  Keilpfropfung  aufsetzte  und  das  System 
dann  mehrere  Wochen  lang  sich  selbst  unter  o-ünstio-en  Veo-etations- 
bedinguugen  überliess,  bis  eine  möglichst  innige  Verwachsung  der 
beiden  Komponenten  eingetreten  war.  Dann  wurde  es  decapitiert, 
und  zwar  so,  dass  die  apicale  Schnittfläche  zum  Teil  aus  Gewebe 
der  Unterlage,  zum  Teil  aus  solchem  des  Reises  bestand.  (Vgl.  die 
schematischen  Skizzen  in  Fig.  1;  die  dem  Reis  zugehörigen  Gewebe- 
teile sind  schraffiert.) 

In  der  eben  beschriebenen  Weise  wurde  dann  die  Schnittfläche 
zur  regenerativen  Sprossbildung  veranlasst,  und  es  galt  nun  nur 
noch,  diese  auf  die  Punkte  a  und  b  der  Fig.  1  A,  oder  die  Punkte 
«,  b,  c,  d  der  Fig.  1  B  und  C  zu  lokalisieren.  Durch  gewisse  Kunst- 
griff'e,  die  ebenso  wie  die  Einzelheiten  der  ganzen  Methodik  in  der 
ausführlichen  VeröflFentlichung  einoehend  beschrieben  werden  sollen, 
war  das  leicht  zu  erreichen,  so  dass  also  die  Adventivsprosse  unserer 


572  Hans  Winkler : 

Versuchspfianzen  tatsächlich  genau  aus  denjenigen  Stellen  heraus- 
kommen mussten,  wo  die  Gewebe  von  Unterlage  und  Reis  unmittel- 
bar aneinanderstiessen. 

Ich  will  nun  über  die  zahlreichen  Versuche,  die  nach  dieser 
Methode  mit  den  verschiedensten  Solanum- Axien  und  vielen  Tomaten- 
sorten gemacht  wurden,  an  dieser  Stelle  nichts  berichten,  sondern 
mich  darauf  beschränken,  die  Entstehungsgeschichte  der  in  Dresden 
vorgeführten  Pflanze  sowie  diese  selbst  zu  schildern. 

Sie  entstand  als  Adventivspross  an  einem  Keimling  von  Solanum 
lycopersicum,  „Gloire  de  Charpennes"^,  der  mit  einem  Spross  von 
Solanum  nigrum  nach  der  Keilpfropfmethode  am  25.  Juni  1907  ver- 
bunden worden  war.  Am  10.  Juni  wurde  das  aufgesetzte  Nacht- 
schattenreis wieder  durch  einen  Querschnitt  abgeschnitten  derart, 
dass  eine  Schnittfläche  wie  in  Fig.  1 B  entstand,  wobei  das  schraffierte 
Gewebe  das  von  Solanum  nigrum  bedeutet.  Schon  nach  wenigen 
Tagen  waren  die  ersten  Spuren  der  regenerativen  Sprossbildung  be- 
merkbar, und  es  wurden  im  Verlaufe  der  nächsten  Wochen  etwa  an 
den  Punkten  e,  /  und  g  Adventivsprosse  abgehoben,  die  reine  Tomate 
„Gloire  de  Charpennes"  w^aren,  von  den  Punkten  h  und  i  solche,  die 
reiner  Nachtschatten  waren.  Auch  später  noch  entstanden  aus  den 
reinen  Gewebeteilen  der  Mutterpflanze  noch  mehrere  Sprosse,  die 
jeweils,  wenn  sie  die  erforderliche  Grösse  erreicht  hatten,  ab- 
genommen und  zu  weiterer  Beobachtung  isoliert  weiterkultiviert 
wurden. 

Ausser  diesen  ausnahmslos  völlig  artrein  gebliebenen  Sprossen 
bildete  sich  nun  Mitte  August  an  dem  Punkte  a  eine  Knospe,  die 
einen  von  Anfang  an  durch  seine  Gestaltung  auffallenden  Trieb 
lieferte.  Er  trug  zunächst  an  der  dem  Nigrum-lLeW  zugekehrten 
Seite  ein  kleines  aber  durchaus  typisches  Nachtschattenblatt,  darauf 
aber  auf  der  anderen,  dem  Tomatengewebe  der  Mutterpflanze  .zu- 
gewendeten Seite  ein  zerteiltes  Blatt  von  der  etwas  unregelmässigen 
Form,  wie  sie  den  Primärblättern  von  Adventivsprossen  der  Tomaten- 
sorte „Gloire  de  Charpennes"  eignet.  Ebenso  entsprach  Blatt  Nr.  3 
in  Form,  Färbung  und  Behaarung  durchaus  der  Tomate,  während 
Blatt  4  und  5  wieder  reine  Solanum  nigrum  -  Blätter  waren.  Blatt  6 
war  dann  wieder  ein  Tomatenblatt,  Blatt  7  ein  Nachtschattenblatt. 
Als  die  Pflanze  in  diesem  Stadium  war,  am  1.  September,  liess  ich 
sie  von  Herrn  Universitätszeichner  GeNTER  zeichnen;  Fig.  2  gibt 
die  Zeichnung  wieder,  derart,  dass  unten  der  Gipfel  der  Mutterpflanze 
mit  dem  eingesetzten  Keil  des  Reises  noch  zu  sehen  ist.  Alles,  was 
rein  Nachtschatten  ist,  ist  in  der  Figur  punktiert,  alles  reine 
Tomatengewebe  weiss  gelassen. 

In  diesem  Stadium  stellte  also  die  Pflanze  einen  Spross  dar,  der 
—  worauf  besonders  Gewicht  zu  legen  ist    —    von  Anfang  au  völlig 


über  Propfbastarde  und  pflanzliche  Chimären. 


573 


einheitlich  wuchs,  und  der  links  von  einer  ihn  ziemlich  oenau 
halbierenden  Mittellinie  reine  Tomate  „Gloire  de  Charpennes", 
rechts  von  ihr  reiner  Nachtschatten  war.  Demgemäss  trugen  die 
Knks  stehenden  Blätter  reinen  Tomatencharakter,  die  rechts 
stehenden  reinen  Nachtschattencharakter.  Blatt  8  und  9,  und  dann 
wieder  Blatt  II  (Blatt  10  war  ein  reines  Nachtschattenblatt)  aber 
entsprangen  nun  dem  Spross  so,  dass  die  Trennungslinie  zwischen 
den  Geweben  der  beiden  Komponenten  gerade  durch  das  Blatt- 
primordium  hindurchging.  Die  Folge  war,  dass  Blätter  entstanden, 
die  zum  Teil  aus  Nigrum-,    zum  Teil  aus  Lycopersicum  -  Gewebe  zu- 


Fig.  2.      Die    Chimäre   am   1.  Sep- 
tember 1907.     Unten  der  Tomaten- 
nmtterspross   mit   dem  eingesetzten 
Nachtschattenkeil.     Das  Nacht- 
schattengewebe ist  punktiert. 


sammengesetzt  waren,  und  zwar  so,  dass  die  beiden  Gewebearten 
sich  nebeneinanderliegend,  nicht  etwa  durcheinander  gewürfelt,  an 
dem  Aufbau  der  Blattspreite  beteiligten.  Wo,  wie  bei  Blatt  11,  die 
Trennungslinie  zwischen  den  beiden  artfremden  Geweben  gerade 
mit  dem  Mittelnerv  zusammenfiel,  entstand  ein  Blatt,  das  genau 
links  von  der  Mittelrippe  typische,  gauzrandige,  ungeteilte,  dunkel- 
grüne, wenig  behaarte,  zarte  Nachtschatten-Blattspreite,  rechts  von 
ihr  typische,  gekerbtrandige,  gefiederte,  hellgrüne,  ziemlich  stark  be- 
haarte, kräftige  Tomateu-BIattspreite  darstellte.  In  Fig.  3  ist  dies- 
Blatt  Nr.  11  neben  je  einem  typischen  Blatt  der  beiden  Eiterpflanzen 
abgebildet;  die  Zeichnung  wurde  durch  Durchpausen  eines  photo- 
graphischen Negativs  gewonnen,  gibt  also  die  Konturen  genau 
wieder. 


574 


Hans  Winkler  : 


In  diesem  Stadium,  so  dass  also  Blatt  11  schon  einige  Zenti- 
meter lang  war,  befand  sich  die  Pflanze,  als  ich  sie  am  13.  September 
in  Dresden  demonstrierte;  um  ihre  Entstehungsweise  mit  demon- 
strieren zu  können,  hatte  ich  den  Mischtrieb  nicht  von  der  Mutter- 
pflanze losgetrennt  und  isoliert  kultiviert,  so  dass  er  nicht  so  kräftig 
entwickelt  war,  als  das  sonst  wohl  der  Fall  hätte  sein  können. 
Über  das  weitere  Verhalten  des  Sprosses  möchte  ich  an  dieser  Stelle 
noch  nichts  mitteilen,  da  es  mir  hier  im  Wesentlichen  nur  darauf 
ankam,  ihn  so  zu  beschreiben,  wie  er  zur  Zeit  der  Vorführung 
war.  — 

Es  ist  klar,  dass  dieser  eigenartige,  aus  dem  Yerwachsungs- 
gewebe  eines  auf  Solanum  hjcopersicuvi  gepropften  SoIa?ium  nigrum 
entstandene  Spross  kein    direktes  Analogen    zu    den    vermeintlichen 


B 


C 


Fig.  3.     Kontur  des  Mischblattes  Nr.  11  der  Chimäre  (ß)  neben  je  einem  Blatt 
der  Eltern  Solanum  nigrum  (A)  und  Solanum  lycopersicum  (C). 


Pfropfbastarden  Cytisus  AdaDii  und  Mespilus  Dardari  und  Asnieresii 
darstellt.  Denn  bei  diesen  finden  sich  ja  —  von  totalen  und  secto- 
riellen  Spaltungen  abgesehen  —  die  Charaktere  der  beiden  Stamm- 
arten gemischt,  kombiniert,  gewissermassen  übereinander  vor, 
während  sie  bei  unserer  Pflanze  völlig  unvermischt,  nebeneinander 
vorkommen.  Soviel  mir  bekannt,  findet  sich  überhaupt  in  der  Natur 
kein  Analogon  zu  unserer  Pflanze,  kein  Organismus  also,  der  zur 
Hälfte  aus  der  einen,  zur  Hälfte  aus  einer  anderen  Art  besteht  — 
von  gelegentlichen  sectoriellen  Spaltungen  echter  Bastarde  vielleicht 
abgesehen  — ,  so  dass  als  einzige  Analoga  Fabelwesen  übrig  bleiben 
wie  die  Centauren,  die  halb  Mensch,  halb  Pferd  waren,  oder  die 
Chimäre,  die  tiqoo&e  Xecov,  djiio&ev  de  ÖQaxojv,  fieooi]  de  yijuaiga  war. 
Ich  habe  mir  daher  erlaubt,  um  für  die  mit  unserer  Pflanze  auf- 
getretene Kategorie  völlig  neuartiger  Organismen  eine  kurze  un~ 
missverständliche  Bezeichnung  zu  haben,  in  Dresden  vorzuschlagen, 
sie  kurzweg  pflanzliche  Chimären    zu    nennen,    und    so    werde    ich 


über  Propfbastarde  und  pflanzliche  Chimären.  575 

künftig'  auch  unsere  Pflanze  als  Chimäre  Solanum  nigro-lycopersicuvi 
bezeichnen. 

Über  ihre  Entstehungsweise  kann  wohl  kaum  ein  Zweifel  be- 
stehen. Es  müssen  aus  dem  Callus,  der  die  aus  L)jcopersicum-  und 
aus  Aic/nnii-Ge'wehe  bestehende  Schnittfläche  überzog,  und  der  ein 
so  einheitliches  Gebilde  darstellt,  dass  auch  unter  dem  Mikroskop 
die  Grenzen  zwischen  den  beiden  artfremden  Gewebearten  schlechter- 
dings nicht  zu  erkennen  waren,  mindestens  zwei  nebeneinander- 
liegende Zellen,  eine  Nachtschattenzelle  und  eine  Tomatenzelle,  zu- 
sammen einen  Adventivspross-Yegetationspunkt  konstituiert  haben. 
Da  mir  bei  Gelegenheit  der  Diskussion,  die  der  Vorführung  der 
Chimäre  in  Dresden  folgte,  bemerkt  wurde,  es  handle  sich  dabei 
um  nichts  anderes  als  eine  Art  siamesischen  Zwillings,  so  möchte 
ich  auch  hier  nochmals  betonen,  dass  zum  Begriff  des  Zwillings  das 
deutlich  erkennbare  Yorhandensein  zweier  (wenn  auch  noch  so  weit 
miteinander  verwachsener)  Individuen  gehört,  während  unsere  Chimäre 
von  Anfang  an  als  völlig  einheitlicher  Spross  wuchs,  dem,  falls  er 
nur  einheitlich  gestaltete  Blätter  getragen  hätte,  niemand  auch  nur 
im  Entferntesten  Zwillingsnatiir  zuueschrieben  hätte.  Die  Ent- 
stehung  aber  aus  mindestens  zwei  Zellen  kann  natürlich  auch  dann 
nicht  als  Indicium  für  die  Zwillingsnatiir  angesehen  werden,  wenn 
die  beiden  Zellen  verschiedenen  Arten  angehören;  man  müsste  dann 
ebenso  einen  reinen  Tomatenadventivspross  als  Zwilling  ansehen, 
da  auch  er  doch  höchstwahrscheinlich  aus  mehr  als  einer  Zelle 
entsteht. 

Ebenso  ist  deshalb,  weil  der  Chitnärentrieb  von  Anfano-  an 
völlig  einheitlich  wuchs  und  in  keinem  Stadium  auch  nur  die 
leiseste  Andeutung  einer  Doppelbildung  aufwies,  die  Ansicht  nicht 
haltbar,  dass  es  sich  um  die  sehr  frühzeitig  erfolgte  Verschmelzung 
zweier  getrennt  angelegter  Vegetationspuiikte  handle.  Überdies 
wäre  dann  auch  die  Entstehung  so  einheitlicher  Mischblätter  wie 
des  in  Fig.  3  abgebildeten  Blattes  Nr.  1 1  kaum  vorstellbar. 

So  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,  dass  von  vornherein  artfremde 
Zellen  zur  Konstituierung  eines  einheitlichen  adventiven  Vegetations- 
punktes  zusammentraten.  Es  müssen  das  mindestens  zwei,  können 
aber  auch  mehr  gewiesen  sein;  nur  wird  man  sich  vorstellen  müssen, 
dass  die  Zahl  von  Tomatenzellen,  die  zur  Bildung  des  Vegetations- 
punktes herangezogen  wurde,  genau  oder  fast  genau  gleich  der  zum 
gleichen  Zwecke  verwendeten  Nachtschattenzellen  war. 

Damit  aber  ist  zum  ersten  Male  in  einwandfreier  Weise  die 
theoretisch  bedeutsame  Tatsache  sichergestellt,  dass  auf  anderem 
als  sexuellem  Wege  die  Zellen  zweier  wesentlich  ver- 
schiedener Arten  zusammentreten  können,  um  als  gemein- 
samer Ausgangspunkt  für  einen  Organismus  zu  dienen,   der 


576  HansWinkleR:  Über  Pfropfbastarde  und  pflanzliche  Chimären. 

bei  völlig  einheitlichem  Gesamtwachstum  die  Eigen- 
schaften beider  Stammarten  gleichzeitig  zur  Schau  trägt. 
Es  mag  fraglich  erscheinen,  ob  auf  solche  Organismen  wie  sie  die 
pflanzlichen  Chimären  darstellen,  der  Begriff'  des  Bastardes  anwend- 
bar erscheint;  will  man  ihn  anwenden,  so  wäre  er  unter  allen  Um- 
ständen bei  der  völligen  Neuartigkeit  der  Chimären  entsprechend  zu 
erweitern.  Doch  möchte  ich  diese  nicht  leicht  zu  beantwortende 
Frage  an  dieser  Stelle  nicht  anschneiden,  sondern  ihre  eingehende 
Erörterung  der  ausführlichen  Arbeit  vorbehalten.  Ebensowenig  soll 
schon  hier  untersucht  werden,  inwieweit  denn  nun  die  Chimäre  im- 
stande ist,  uns  das  Verständnis  für  das  eigentliche  Wesen  des  Cytisus 
Ädami  und  der  Bronvauxschen  Bastarde  zu  erschliessen.  Immerhin 
glaube  ich  schon  jetzt  sagen  zu  können,  dass  uns  die  Entdeckung 
der  Chimäre  und  die  genaue  Kenntnis  ihrer  Entstehungsgeschichte 
den  Weg  für  ein  gutes  Stück  ebnet,  der  zum  Verständnis  auch  der 
erwähnten  rätselhaften  Pflanzen  führt. 

Im  Übrigen  ist  weitere  Aufklärung  von  dem  Fortgange  der 
Versuche  zu  erhoffen.  Selbstverständlich  behalte  ich  mir  deren 
Fortführung,  zunächst  mit  Solanaceen  und  Capparidaceen,  vor.  Dank 
dem  ausserordentlich  freundlichen  Entgegenkommen  der  Direktion 
des  Tübinger  botanischen  Gartens  werde  ich  in  der  Lage  sein,  vom 
nächsten  zeitigen  Frühjahre  an  in  grossem  Massstabe  experimentieren 
zu  können,  und  das  ist  nötig,  da  begreiflicherweise  der  Prozentsatz 
von  negativ  verlaufenden  Versuchen  ganz  ungeheuer  viel  grösser  ist 
als  der  der  positiv  verlaufenden.  Mit  Bestimmtheit  lässt  es  sich 
denn  auch  nicht  voraussagen,  ob  es  jemals  wieder  gelingen  wird, 
eine  Chimäre  zwischen  Solanum  nigrum  und  Lycopersicum  oder 
zwischen  anderen  Arten  zu  erzielen.  Doch  glaube  ich,  nach  meinen 
bisherigen  Erfahrungen,  dass  es  bei  steter  Verbesserung  der 
Methoden  und  dann,  wenn  es  möglich  ist,  die  Versuche  in  sehr 
grosser  Zahl  anzustellen,  doch  noch  öfter  gelingen  muss. 

Tübingen,  Botanisches  Institut.     Dezember  1907. 


F.  C.  VON  FABER:  Über  Verlaubung  von  Cacaoblüten.  577 


81.  F.  C.  von  Faber:  Über  Verlaubung  von  Cacaoblüten. 

(Mit  einer  Tcxtiigur ) 
(Eingegangen  am  9.  Dezember  19U7.) 


Während  meiues  Aufenthaltes  auf  der  Bibundipflauzung  in 
Kamerun  lernte  ich  eine  eigentümliche  Verlaubung  der  Cacaoblüten 
kennen,  die  meines  Wissens  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt  geworden 
ist.  Auf  der  genannten  Pflanzung  befindeu  sich  einige  Cacaobäume, 
die  niemals  Früchte  getragen  haben,  und  mir  von  den  Pflanzern  dort 
als  „männliche  Cacaobäume"  bezeichnet  wurden. 

Die  betrefi'enden  Bäume  tragen  zahlreiche  Blüten,  die  schon  von 
weitem  dadurch  auffallen,  dass  sie  lang  gestielt  sind  und  statt  der 
bekannten  Färbungen  der  normalen  Blüten  ein  gleichmässiges  Dunkel- 
braun aufweisen. 

Das  Material,  das  ich  erst  in  Boi'lin  genauer  untersuchen  konnte, 
bewies  mir,  dass  hier  eine  andere  Erscheinung  vorliegt,  als  bei  den- 
jenigen sogenannten  „männlichen  Cacaobäumen",  von  denen 
Winkler ^)  berichtet  hat.  Er  sagt  hierüber:  „Eine  eigentümliche 
Erscheinung  ist  das  Vorkommen  von  Individuen,  die  ich  von 
Pflanzern  als  „männliche  Cacaobäume"  bezeichnen  gehört  habe.  Sie 
bringen  die  stammbürtigen  Blüten  so  massenhaft  hervor,  dass  der 
Stamm  fast  weiss  bedeckt  ist.  Fruchtansatz  erfolgt  niemals".  —  „Auf 
welchen  Ursachen  beim  Cacao  das  Fehlschlagen  der  Früchte  beruht, 
konnte  ich  leider  nicht  untersuchen.  In  den  auffallend  grossen  Blüten 
waren  Pollen  und  Samenanlagen  anscheinend  normal  entwickelt." 

Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Blüten,  welche  WiNKLEß  vor  sich 
hatte,  einen  normalen  Geschlechtsapparat  besassen.  Die  Unter- 
suchung meines  Materials  zeigte  jedoch,  dass  hier  weder  Blütenkrone 
noch  Antheren  und  meist  auch  der  Fruchtknoten  nicht  ausgebildet 
waren. 

Den  Pflanzern  scheint  der  Unterschied  zwischen  den  bei- 
den vorliegenden  Abnormitäten  nicht  aufgefallen  zu  sein;  da  in 
beiden  Fällen  die  Bäume  keine  Früchte  tragen,  hat  man  wohl  an- 
genommen, dass  beide  Erscheinungen  identisch  sind.  Der  Unter- 
schied zwischen  normalen  Cacaoblüten  und  den  verlaubten  Organen 
ist  folgender:  Die  normalen  Blüten  besitzen  einen  fünf  lappigen  Kelch; 


1)   H.  Winkler  :    Beiträge  zur  Morphologie   und   Biologie   tropischer   Blüten 
und  Früchte.  —  Habilitationsschrift.  Leipzig,  W.  ENGELMANN,  1906. 


578 


F.  C.  VON  FABER: 


die  am  Grunde  kappenförmig  ausgebildeten  fünf  Blumenblätter  be- 
sitzen eine  kleine,  ovale,  meist  spitz  endende  gestielte  Spreite.  Die 
Staubblattröhre  besteht  aus  fünf  pfriemförmigen  Staminodien  und  fünf 
gestielten  Staubblättern.  Der  fünffächerige  Fruchtknoten  weist  einen 
einfachen  mit  einer  fünfspaltigen  Narbe  versehenen  Griffel  auf. 

Die  verlaubten  Blüten  besitzen  den  Charakter  kleiner  vegetativer 
Zweio-e  mit  verläno-erter  Achse  und  gestreckten  Internodien.  Eine 
Differenzieruno-  der  Kelch-  und  Blumeublättter,  Staubblätter  und 
Fruchtknoten  ist  nicht  vorhanden.  Die  verlängerte  Achse  dagegen 
trägt  eine  grosse  Anzahl  in  Spiralstellung  angeordneter,  etwa  5  mvi 
langer  und  ^/o — 1  mm  breiter,  meist  eigentümlich  gekrümmter 
Blättchen.  In  ganz  seltenen  Fällen  finden  sich  an  der  Basis  der 
Achse  kleine  Seitenzweige  mit  rudimentären  Knospen,    die   teilweise 


Normale  Blüte  3:1. 


Deformierte  Blüten  2:1. 


noch  einen  Fruchtknoten  aufwiesen.  Die  Blätter  der  verlaubten 
Blüten  sind  dicht  besetzt  mit  kurzen,  dickwandigen,  an  ihrer  Spitze 
gekrümmten  Haaren,  während  auf  den  normalen  Blütenblättern  solche 
nur  vereinzelt  vorkommen;  in  den  meisten  Fällen  sind  diese  dann 
als  Drüsenhaare  ausgebildet. 

Bei  näherer  Untersuchung  fand  ich  auf  den  Blättchen  das  Mycel 
eines  Pilzes,  der  seinen  Sporen  nach  zu  der  Gattung  Cercospora 
o-ehört.  Da  dieser  Pilz  auf  den  deformierten  Blüten  nicht  immer 
konstatiert  werden  konnte  und  er  auch  ab  und  zu  auf  normalen 
Blüten  auftritt,  glaube  ich  annehmen  zu  dürfen,  dass  es  sich  in  diesem 
Falle  um  einen  Gelegenheitsparasiten  handelt,  der  mit  der  fraglichen 
Deformation  nicht  in  Zusammenhang  steht.  Dagegen  Hessen  sich 
zwischen  den  schmalen  dunkelbraunen  Blättchen  der  deformierten 
Blüten  regelmässig  zahlreiche  Larven  einer  Psyllide  (Blattflöhe) 
nachweisen.  Sowohl  an  verschiedenen  Stellen  der  Blütenachse,  als  auch 
an  den  einzelnen  verkrüppelten  Blättchen  konnte  ich  die  Folgen  der 


über  Verlaubung  von  Cacaobliiten.  579 

Tätig'keit  dieser  Insekten  beobachten  und  zwar  handelte  es  sich  vor- 
nehmlich um  Saugstellen.  An  vielen  Stellen  war  der  durch  den 
Rüssel  des  Tieres  in  das  Gewebe  gebohrte  Gang  noch  deutlich  zu 
erkennen.  An  anderen  Stellen  der  Achse  war  unter  der  Epidermis 
ein  Hohlraum  entstanden,  der  vom  übrigen  lebendigen  Gewebe  durch 
eine  Korkschicht  getrennt  ist  und  mit  der  Aussenwelt  durch  einen 
Kanal  in  Verbindung  steht.  Die  Entstehung  dieses  Hohlraumes  ist 
dadurch  erklärlich,  dass  das  Insekt  seinen  ßüssel  in  die  weichen 
und  saftigen  Gewebe  einführt.  Die  so  verletzte  Pflanze  sucht  nun 
durch  eine  Korkschicht  die  übrigen  gesuuden  Gewebe  abzu- 
schliessen. 

Das  ausserhalb  der  Korkschicht  befindliche,  von  der  Ernähruno; 
abgeschlossene  Grewebe  stirbt  ab  und  wird  resorbiert.  In  einem 
Falle  fand  ich  in  dem  Hohlraum  Körperchen,  die  wahrscheinlich  die 
Larven  des  Insektes  darstellen;  sie  hatten  durch  die  Konservierung 
stark  gelitten. 

Durch  den  Stich  der  Psijllide  und  die  damit  verbundene  Reiz- 
wirkung sind  die  Enden  der  Blättchen  nicht  selten  dermassen  nach 
innen  gekrümmt,  dass  sie  einen  nach  zwei  Seiten  offenen  Hohlraum 
bilden,  in  dem  das  Insekt  wohnt.  Jedenfalls  müssen  es  giftige  Stoffe 
sein,  die  bei  der  Saugtätigkeit  des  Insektes  in  das  Gewebe  o-e- 
langen  und  die  zurückgehende  Metamorphose  der  Blütenachse  be- 
wirken. 

Dass  ausgebildete  Tiere  in  meinem  Material  nicht  vorhanden 
waren,  lässt  sich  dadurch  leicht  erklären,  dass  diese  geflügelt  sind 
und  bei  herannahender  Gefahr  entweichen. 

Dass  Blattflöhe  Wucherungen  an  Pflanzenteilen  hervorrufen 
können,  ist  bekannt.  So  fand  VOSSELER^),  dass  Fkytobjma  lata  Scott 
die  Ursache  der  Vergällung  der  verschiedensten  vegetativen  Teile 
von  Chlorophora  excelsa  (Welw.)  Benth.  et  Hook,  in  Ost- Afrika  ist, 
auch  BUSSE")  erwähnt  dieselben  Vergällungen  aus  Togo;  in  Dehra 
Dun  (Indien)  ruft  Psijlla  cistelkita  Bückt.  Gallen  auf  Mangifera  in- 
dica  L.  hervor'^);  P.  HERBST  fand  in  Chile  auf  Schirms  {Duvaua) 
dependens  D.  C.  einkammerige  Zweiggallen  und  Blattblasengallen, 
welche  durch  Psylliden  verursacht  waren. 

Durch  Psylliden  hervorgerufene  Blattgallen  haben  auch  KONINGS- 


1)  J.  VOSSELEE,  Eine  Psyllide  als  Erzeugerin  von  Gallen  am  Mwulebaum.  — 
Zeitschr.  f.  Wissenschaftl.  Insektenbiologie,  Bd.  11,  1906,  S.  276-285;  305-316. 

2)  Bericht  über  die  Pflanzenpatliologische  Exped.  nach  Kamerun  und  Togo. 
„Tropenpüanzer"  1904/05.  —  Beihefte  z.  „Tropenpllanzer",  Jahrg.  1906,  No.  4/5, 
S.  220. 

3)  Miscelaneous  Notes  in:  Indian  Museum  Notes  V.  III.  Calcutta  1896,  S.  13 
und  No.  3,  S.  91. 


580  F.  C.  VON  Faber  :  Über  Verlaubung  von  Cacaoblüten. 

BERGER ^)  und  BUSSE")  beschrieben.  Ersterer  an  einer  Palaquiumnvt 
aus  dem  Riouw-Archipel  und  letzterer  solche  an  h'ickxia  elastica 
Preuss  aus  Kamerun. 

Endlich  erwähnte  RÜBSAAMEN^)  eine  merkwürdige  Psi/Uidenart, 
die   kugelige  Blattgallen  auf  Populus    euphrafica    in  Persien    erzeugt. 

Hieraus  geht  hervor,  dass  Psylliden  als  Gallenerzeuger  weit  ver- 
breitet sind;  dass  sie  auch  Deformationen  von  Bliitenorganen,  wie 
die  hier  besprochene  Verlaubung,  bewirken  können,  ist  mir  bisher 
nicht  bekannt  geworden.  Ich  bemerke  übrigens,  dass  diese  Er- 
scheinung meines  Wissens  nur  an  vereinzelten  Bäumen  auftritt  und 
sie  daher  eine  einschneidende  Kalamität  nicht  darstellt.  Dass  in  der 
Pflanzung  nur  einzelne  Bäume  die  Abnormität  der  Blüten  zeigen, 
lässt  sich  dadurch  erklären,  dass  der  Blattfloh  nur  ungern  wandert 
und  sich  so  lange  als  möglich  auf  einer  einmal  angegriffenen  Pflanze 
aufhält  und  vermehrt.  So  teilt  auch  YOSSELER*)  mit,  dass  ganz  in 
der  Nähe  total  vergällter  Exemplare  von  Chlorojjhora  excelsa  vom  Übel 
vollkommen  verschonte  stehen  können. 

Auch  scheint  die  Kakaopflanze  diesen  —  jedenfalls  aus  dem  be- 
nachbarten Urwald  stammenden  Tieren  keine  zusagende  Wirtspflanze 
zu  sein,  sonst  hätten  sie  sich  schon  in  den  Pflanzungen  entschieden 
stärker  vermehrt  und  würden  S})uren  ihrer  Tätigkeit  wie  die  oben 
beschriebene  Abnormität,  sich  nicht  so  selten  antreffen  lassen.  Viel- 
leicht handelt  es  sich  bei  den  sporadischen  Fällen  nur  um  zufällige 
Verschleppungen.  Es  blieben  jetzt  noch  zwei  Fragen  zu  beantworten 
übrig:  erstens,  in  welchem  Stadium  der  Blüten entwicklung  wird  die 
Verlaubung  verursacht?  und  zweitens:  warum  gehen  die  Psylliden 
mit  Vorliebe  an  die  Blütenanlagen?  Erstere  Frage  kann  ich  nicht 
beantworten,  weil  mir  die  nötigen  eingehenderen  Beobachtungen  dazu 
fehlen.  Doch  glaube  ich  annehmen  zu  dürfen,  dass  die  zur  De- 
formation führende  Peizwirkung  schon  in  eine  Zeit  fällt,  zu  welcher 
die  Blütenanlagen  sich  noch  in  meristematischem  Zustande  befanden. 

Bei  Beantwortung  der  zweiten  Frage  ist  zu  berücksichtigen,  dass 
sämtliche  auf  Pflanzen  lebende  saugende  Insekten  —  seien  es  Blatt- 
läuse, Zwergcikaden,  Capsiden  oder  auch  Blattflöhe  —  immer  die- 
jenigen Organe  des  Pflanzenkörpers  bevorzugen,  die  ihnen  die  zu- 
sagende Nahrung  in  reichlichster  Menge  gewährt.  Im  vorliegenden 
Falle  scheinen   es  die    Psylliden    besonders    auf   die    nährstoffreichen 


1)  MededecUngen  uit  s  Lands  liantentuim  LXIV.  1903,  S.  80. 

2)  1.  c.  S.  188. 

i>)  Über  Pflanzengallen.  —  ^Der  i^raktische  Ratgeber  im  Obst-  und  Garten- 
bau", Jahrg.  18,  1903;  Referat  in  Zeitschr.  f.  Wissenschaft!.  Insektenbiologie,  Bd.  T, 
H.  1L>,  S.  517. 

4)    1.  c.    S.  314. 


Z.  WOYCICKI:  Einige  erklärende  Worte  usw.  581 

Gewebe  der  Bildungslierde  abgesehen  zu  haben.  Zugleich  mit  der 
Streckuno;  der  Blütenanlageu  beginnt  hier  aucli  ein  intensiver  Zu- 
ström  gelöster  Baustoffe,  namentlich  von  Kohlenhydraten,  der  den 
Tieren  nur  erwünscht  sein  kann. 

II.  Botanisches  Laboratorium  der  Kaiserlichen  Biologischen  Anstalt. 


82.   Zygmunt  Woycicki:   Einige  erklärende  Worte  zur 
Kritik  meiner  Abliandlung:  „Neue  Beiträge  zur  Entwicklungs- 
geschichte von  Basidiobolus  Ranarum  Eid,''  in  den  „Vorlesungen 
über  botanische  Stammesgeschichte''  von  Prof.  Lotsy. 

(Eingegaujren  am   12.  Dezember  1907.) 


Indem  ich  es  für  notwendig  halte,  die  gegen  mich  in  dem 
ausserordentlich  wertvollen  und,  wie  ich  glaube,  schnell  eine  weite 
Verbreitung  erlangenden  Werke  erhobenen  Einwände  nicht  un- 
beantwortet zu  lassen,  muss  ich  erklärender  Weise  bemerken,  dass 
die  Präparate,  nach  welchen  die  Abbildungen  angefertigt  wurden, 
Schnitte  enthielten,  in  welchen  alle  vier  Kerne  innerhalb  der  Zygote, 
oder  wenigstens  drei  derselben,  deutlich  in  einem  und  demselben 
Schnitte  hervortraten.')  Gerade  dieser  Umstand  bestätigte  definitv 
die  Beobachtungen,  welche  ich  an  Serien  machte,  die  zusammen- 
gestellt und  kombiniert  werden  mussten.  Ich  halte  daher  den  Satz: 
„.  .  .  .  ob  freilich  die  Reihenfolge,  in  welche  WOYCICKI  die  Schnitte 
gestellt  hat,  richtig  ist,  muss  dahingestellt  bleiben"  —  für  gänzlich 
unbegründet. 

Was  die  zweite  Annahme,  dass  „vielleicht  hat  er  Teilungen,  welche 
nach  der  Kopulation  stattfanden,  als  präkonjugale  aufgefasst"  —  eine 
Möglichkeit,  an  die  ich  anfänglich  selbst  gedacht  habe  —  anbelangt, 
so  konnte  sie  sich  in  keiner  Weise  bestätigen  lassen,  weil  ich  in 
den  Zygoten  2,  4,  2  und  schliesslich  1  Kern  beobachtete,  während 
es  mir  niemals  gelungen  \yar,  die  Reihenfolge  1,  2,  4,  2,  1  zu 
konstatieren.   — 

Die  von  mir  gemachten  Beobachtungen    sind  völlig  verständlich 


1)  Die  entsprechenden  photographischeu  Aufnahmen  meiner  Päparate  habe  ich 


au  Professor  LOTSY  gesandt. 


582  Wilhelm  Figdor: 

und  deutlich  im  Vergleiche  mit  den  von  ROB.  E.  FEIES  bei  Basüho 
bolus  myxophilus  beschriebenen  Tatsachen.  Da  beide  Arbeiten  bereits 
ihre  gebührende  Beachtung  gefunden  haben  in  „Les  bases  actuelles 
de  la  systematique  en  mycologie"  von  PaUL  VuILLEMIN,  erschienen 
im  letzten  Hefte  des  „Progressus  rei  botanicae"  für  das  Jahr  1907, 
so  erlaube  ich  mir  hier  den  wortgetreuen  Text  der  betreffenden 
Stelle  wiederzugeben:  „WOYCICKI  decrit  une  nouvelle  division  du 
noyau  de  la  cellule  principale;  mais  cette  seconde  division  serait 
amitotique;  Tun  de  ses  produits  degenere  sur  place,  tandis  que 
lautre  devient  le  noyau  sexuel.  Chez  une  autre  espece  le  Basidio- 
bolus  myxophilus,  etudie  par  ROB.  E.  FRIES,  la  seconde  division  parait 
etre  plus  complete,  car  eile  fournit  une  seconde  paire  de  rostres 
opposee  ä  la  premiere,  a  laquelle  eile  est  identique  (1.   c.  p.  53). 

Auf  diese  Weise  findet  bei  Basidiobolus  myxophilus  die  end- 
gültige Sexualisation  der  Kerne  v  o  r  der  „fusion  des  gametes"  statt, 
während  dieselbe  bei  Basidiobolus  ranarum  Eid.  nach  diesem  Akte 
eintritt. 

Die  Einwände  Professor  LOTSY's  haben  mich  nur  in  einer  Be- 
ziehung überzeugt,  nämlich  davon,  dass  es  durchaus  notwendig  ist, 
schematische  Abbildungen  zu  vermeiden  und  solche,  wenn  es  nur 
irgend  möglich  ist,  durch  photographische  Aufnahmen  zu  ersetzen. 

Warschau,  Botanisches  Kabinet  der  K.  Universität, 
den  3.  Dezember  1907. 


83.  Wilhelm  Figdor:   Über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf 
die  Keimung  der  Samen  einiger  Gesneriaceen. 

(Eingegangen  am  20  Dezember  1907.) 


Die  Samenkeimung  der  verschiedenen  höheren  Pflanzen  ist  nach 
Ablauf  einer  Ruheperiode  —  sofern  eine  solche  vorhanden  —  an 
gewisse  Bedingungen  geknüpft  Erstens  müssen  die  Samen  sich 
unter  dem  Einflüsse  einer  bestimmten  Temperatur  befinden  und 
zweitens  ist  es  notwendig,  dass  ihnen  gewisse  Feuchtigkeits-  und 
SauerstofPmengen  zur  Verfügung  stehen. 

Das  Licht,  welches  eine  so  grosse  Rolle  im  Leben  der  Pflanze 
spielt,  ist  für  die  Keimung  der  Samen  bloss  von  untergeordneter 
Bedeutung.      Nur     einige     wenige    Fälle     sind     bekannt     geworden. 


über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung  der  Samen  einiger  Gesneriaceen.   5^3 

in  welchen  das  Licht  sich  als  notwendig  für  die  Keimung- 
der  Samen  [Viscu7n,  Loranthus^),  Pitcairnia  vididifolia  und  Drosera 
capensis^y\  oder  dieselbe  befördernd  [Poa  nemoralis^  P.  pratensis, 
Agrostis  stolonifera  und  einige  andere  Gräser^),  Nicotiana  77iacrophijlla*), 
Veronica  peregrina^),  Nicotiana  Tabacum^)]  erwiesen  hat. 

Es  soll  deshalb  in  den  folgenden  Zeilen  die  x\ufnierksamkeit  auf 
eine  Reihe  von  Gewächsen  gelenkt  werden,  deren  Samen  behufs 
Keimung  des  Lichtes  unbedingt  bedürfen.  Diese  Tatsache  erscheint 
mir  auch  deshalb  besonders  interessant,  weil  sämtliche  (acht)  bis 
jetzt  darauf  hin  geprüfte  Arten  vier  verschiedenen  Gattungen,  und 
zwar    ein-    und    derselben  Familie,    der  der  Gesneriaceen,   angehören. 

Die  erste  Beobachtung  betreffs  der  in  Rede  stehenden  Er- 
scheinung wurde  an  Streptocarpus  Wendlancli  Hort.  Damman  gemacht, 
als  es  sich  gelegentlich  einer  anderen  Untersuchung  darum  handelte 
Dunkelpfianzen  zu  erziehen.  Samen  dieser  Art  (von  HaAGE  und 
Schmidt  in  Erfurt  bezogen,  wie  auch  von  eigenen  Pflanzen  geerntet) 
keimten,  zu  den  verschiedensten  Jahreszeiten  angebaut,  unter  gar 
keinen  Umständen  im  Dunkeln,  sodass  in  mir  der  Gedanke  erwachte, 
es  sei  zur  Keimung  der  Samen  vielleicht  Licht  notwendig.  Meine 
Mutmassung  erwies  sich  als  richtig,  und  zwar  nicht  nur  für  Strepto- 
carpus Wendlancli,  sondern  wie  spätere  Beobachtungen  lehrten,  auch 
für    die  Samen  einiger  anderer  Streptocarpus- Arten  (St.  Kirkii  Hook., 


1)  Vgl.  Wiesner,  Pflauzenphysiolog.  Mitteilungen  aus  Buitenzorg.  IV.  Ver- 
gleichende physiologische  Studien  über  die  Keimung  europäischer  und  tropischer  Arten 
von  Viscum  und  Loranthus.  Sitzungsber.  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien.  Mathem.- 
naturw.  Gl.  Bd  103  (1894),  S.  401.  Später  hat  derselbe  Forscher  die  Beobachtung 
gemacht,  dass  bei  Einhaltung  der  günstigsten  Keimuugsbedingungen  der  Samen 
von  Loranthus  europaeus  lacht  zur  Keimung  dieses  Schmarotzers  nicht  erforderlich 
ist  (Über   die  Ruheperiode   und    über  einige  Keimungsbedingungen  der  Samen  von 

Viscum  ulbum.     Diese  Ber.  Bd.  XII  (ls97)  S.  503). 

2)  Vgl.  HEINRICHER:  Notwendigkeit  des  Lichtes  und  befördernde  Wirkung 
desselben  bei  der  Samenkeimung  Beihefte  zum  botanischen  Zentralblatt  Bd.  XIII 
(1903)  S.  1G4. 

3)  Vgl.  Stebler:  über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.  Bot. 
Zentralblatt  Bd.  VII  (1881)  S.  157. 

4)  CieslaR:  Untersuchung  über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung 
der  Samen.  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Agrikultur-Physik,  herausgegeben 
von  WOLLNY  Bd.  VI  (1883)  S.  270. 

5)  Vgl.  Heinricher:  Ein  Fall  beschleunigender  Wirkung  des  Lichtes  auf 
die  Samenkeimung.  Diese  Ber.  Bd.  XVII  (1899)  S.  308.  In  der  früher  erwähnten 
Abhandlung   desselben  Autors   sind   auch    einige   hierher  gehörige  Fälle  angeführt. 

G)  RaciborskI:  über  die  Keimung  der  Tabaksaraen.  Extrait  du  Bulletin  de 
l'Institut  botanique  de  Buitenzorg  1900  (Nr.  6).  Vgl.  ferner  W.  Kinzel:  Üher 
den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.  Lichtharte  Samen.  Diese  Ber.  Bd.  XXV 
(1907)  S.  269  ff. 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellsch.    XXV.  ^^ 


584  Wilhelm  PigdoR: 

St.  poli/anthus  Hook.,  St.  ReMi  Lindl.,  *S^.  achimemflo)-us^),  ferner  für 
die  von  Naegelia  aviahilis  Decne.,  Saintpaiilia  ionantha  Wendl,  und 
Sinningia  Regina  ^). 

Die  Versuche,  um  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung 
der  Samen  kennen  zu  lernen,  wurden  in  der  Weise  durchgeführt, 
dass  ich  je  zwei  gleich  grosse  Kulturgefässe  mit  einem  Gemisch  von 
Kompost-,  Moorerde  und  etwas  Sand  beschicken  Hess.  Der  durchwegs 
zarte  Samen  der  eben  erwähnten  Arten  wurde  einfach  auf  den  Nähr- 
boden ausgestreut  und  ganz  oberflächlich  mit  fein  gesiebter  Erde 
bedeckt.  Die  eine  Hälfte  der  Kulturgefässe  wurde  auf  dem  Parapete 
des  sehr  hellen  Warmhauses^)  stehend  bei  einer  Temperatur  von 
18°  C.  (durchschnittlich)  normal  gehalten,  während  die  andere  sich 
neben  der  ersteren  unter  einem  lichtdichten  Zinkblechsturz  befand. 
Für  eine  genügende  Luftfeuchtigkeit  im  Glashause  (auch  unterhalb 
des  Dunkelrezipienten)  war  stets  vorgesorgt  worden. 

Der  Übersichtlichkeit  halber  möchte  ich  die  Aufzeichnungen 
aus  meinem  Versuchsprotokolle  tabellarisch  mitteilen  (siehe  S.  585). 
Aus  den  am  Kopfe  der  Zusammenstelluag  gemachten  Angaben  ist 
alles  W^issenswerte  zu  ersehen;  die  in  einer  horizontalen  Linie 
befindlichen  Zahlen  beziehen  sich  auf  je  eine  Versuchsreihe. 

Wenn  wir  die  Anzahl  der  Tage,  welche  zur  Keimung  der  Samen 
am  Lichte  notwendig  ist,  mit  der  nach  stattgefundener  Verdunkelung 
vergleichen,  so  sehen  wir,  dass  entweder  gar  kein  Keimverzug  (nach 
einem  Versuche  mit  Sinningia  Regina)  oder  ein  solcher  in  verschieden 
starkem  Ausmasse  eingetreten  ist.  Ausnahmsweise  (in  einem  einzigen 
Falle  bei  Naegelia  amabilis)  war  eine  Beschleunigung  der  Keimung 
zu  verzeichnen.  Naturgemäss  müssen  noch  zahlreiche  Versuche  nach 
gleicher  Richtung  hin  durchgeführt  werden,  um  diese  Verhältnisse 
genau  festzustellen. 

Auch  die  Lösung  einiger  anderer  naheliegender  Fragen,  z.  B.  ob 
die  Samen  der  übrigen  Gesnenaceen-A.riQn  sich  bezüglich  der  Keimung 
dem  Lichte  gegenüber  ebenso  verhalten  wie  die  obenerwähnten,  ob 
der  Einfluss  des  Lichtes  durch  den  anderer  Faktoren  (Temperatur, 
chemische  Agentien  usw.)  wettgemacht  werden  kann,  bleibt  weiteren 
Untersuchungen  vorbehalten. 


1)  Bezüglich  dieser  Gartenvarietät  vgl.  FlGDOR:  tlber  Restitutionserscheinungeii 
an  Blättern  einiger  Gesneriaceen.  Pringsheim's  Jahrb.  f.  wiss.  Botanik  Bd.  44 
(1907)  S.  45  Anm.  1. 

2)  Sämtliche  Samen  wurden  von  Haage  &  SCHMIDT  in  Erfurt  bezogen;  zu 
den  Versuchen  mit  St.  Rexii  und  St.  achimeniflorus  diente  auch  Samen  eigener 
Ernte  1906.  Der  Stammsamen  letzterer  Arten  sowie  von  St.  Wendlandi  rührte  auch 
von  oben  genannter  Firma  her. 

3)  Dasselbe  besitzt  ein  sog.  Satteldach:  die  Vergla.sung  ist  einfach. 


über  den  Eiufluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung  der  Sameu  einiger  Gesneriaceen.  585 


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S(reptocarpus  Wend-   ( 

18.  II. 

3.  III. 

i;'. 

19.  VI. 

5.  VII. 

16 

landi j 

15.  VII. 

25.  VII. 

10 

13.  IX. 

2.  X. 

19») 

SL  Kirkii { 

26.  III. 

14.  IV. 

19 

19.  VI. 

12.  VII. 

23 

27.  VII. 

11.  VIII. 

15 

18   IX. 

20.  X. 

37 

St.  polyanthus  .    .    . 

2(;  III. 

27.  VII. 

10.  IV. 
8.  VIII. 

15 
12 

19.  VI. 
13.  IX. 

9.  VII. 
30.  IX. 

20 
17 

St.  Rexii ' 

8.  III. 

19.  III. 

11 

19.  VI. 

9.  VII. 

20 

15.  VII. 

25.  VII. 

10 

13.  IX. 

30.  IX. 

17 

St.  achimeiüflorus  .    | 

8.  III. 
15.  VII. 

19.  III. 
25.  VII. 

11 
10 

19.  VI. 
13.  IX. 

5.  VII. 
3.  X. 

17 
20 

Naegelia  amahilis    . 

2G.  III. 
27.  VII. 

18.  IV. 
0.  VIII. 

2:] 
13 

19.  VI. 
13.  IX. 

4.  VII. 
10.  X. 

15 
27 

SaintpauUa  ionantha 

2G.  III. 

10.  IV. 

15 

19.  VI. 

(    nicht 
\  gekeimt 

— 

27.  VII 

14.  VIII. 

18 

13.  IX. 

10.  X. 

27 

Sinningia  Regina.    . 

26.  III. 

27.  VII. 

10.  IV. 
9.  VIII. 

15 
13 

19.  VI. 
13   IX. 

4.  VII. 
4.  X. 

15 
21 

Wien,  Biologische  Versuchsanstalt. 


1)  Bei  einem  weiteren  Versuclie  blieb  Samen  derselben  Species  vom  19.  I. 
bis  zum  10.  VII.  verdunkelt;  ans  Licht  gebracht  keimte  derselbe  am  27.  VII.  In 
zwei  anderen  Fällen  wurden  Samen  vom  26.  I.  bis  24.  III.  bzw.  vom  1.  III.  bis 
18.  VI.  dunkel  gehalten;    die  Keimung  trat  am  Lichte  den  7.  IV.  bzw.  5.  VII.  ein. 


41* 


586  P-  Gl  AUSSEN: 


84.   P.  Claussen:   Zur  Kenntnis  der  Kernverhältnisse  von 

Pyronema  confluens. 

Vorläufige    Mitteilung. 

(Mit  einer  Abbildung  im  Text.) 
(Eingegangen  am  23.  Dezember  19U7.) 


Durch  die  vortrefflichen  üntersucliungen  von  R.  A.  HARPER  über 
Pyronema  confluens  (1900)  war  festgestellt,  dass  die  aus  mehrkernigen 
Zellen  bestehenden  eigenartigen  Gebilde,  welche  TULASNE,  DE  Bary 
und  KiHLMANN  bereits  als  Sexualorgane  angesprochen  hatten  — 
ohne  indessen  einen  den  vergrösserten  Ansprüchen  der  Neuzeit  ge- 
nügenden Beweis  dafür  erbracht  zu  haben  — ,  als  solche  funktionieren. 
Nach  HARPER  (1900)  treten  die  Protoplasten  der  dem  weiblichen 
Sexualorgan  (Ascogon)  aufsitzenden  Trichogyne  und  des  männlichen 
Sexualorgans  (des  Antheridiums)  nach  Degeneration  der  Tricliogyn- 
kerne  miteinander  in  Verbindung,  die  Antheridiumkerne  wandern  in 
die  Trichogyne  ein  und  nach  Auflösung  der  Membran  zwischen 
Trichogyne  und  Ascogon  zum  Ascogon  weiter,  um  mit  den  dort 
liegenden  Kernen  paarweise  zu  Zygotenkernen  zu  verschmelzen. 
Die  Verschmelzung  soll  nach  HARPER's  Meinung  eine  vollständige 
sein. 

Kurz  nach  der  Verschmelzung  bildet  das  Ascogon  eine  beträcht- 
liche Zahl  von  ascogenen  Hyphen,  in  die  die  Zygotenkerne  ein- 
wandern. Die  Hyphen  verzweigen  sich  wiederholt  und  können  durch 
Querwände  zerlegt  werden.  Am  Ende  der  Äste  entstehen  die 
palissadenartig  in  einer  Ebene  angeordneten  Asci.  Die  Ascusanlage 
geht  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der  Autoren  in  der 
Weise  vor  sich,  dass  die  ascogene  Hyphe  sich  am  Ende  hakenförmig 
krümmt,  während  sich  zwei  im  krummen  Teile  liegende  Kerne 
simultan  teilen.  Je  einer  der  Abkömmlinge  der  Mutterkerne  wird 
durch  zwei  Wände  in  die  Krümmung  des  Hakens  eingeschlossen, 
von  den  beiden  anderen  wird  einer  dem  Hakenstiel,  der  andere  der 
Hakenspitze  zugeteilt.  Durch  Kopulation  der  Kerne  in  der  Zelle  au 
der  Hakenkrümmung  entsteht  der  primäre  Ascuskern,  welcher  durch 
wiederholte  Teilung  die  Ascosporenkerne  liefert. 

Im  Entwickelungsgange  der  Ascomyceten  gäbe  es  also  hiernach 
zwei  Kernverschmelzungen.  Es  entstand  die  Frage:  Welche  von 
beiden    ist    als  Sexualakt    zu    deuten?     Die  Vergleichung    der  Asco- 


Zur  Kenntnis  der  Kemverhältnisse  von  Pyronemaconfluens.  587 

iiiyceten  miteinaiuler  und  mit  deu  übrigen  Pilzen  und  den  Algen 
liess  keine  andere  Antwort  zu  als  die:  die  erste.  Die  Bedeutung 
der  zweiten  Kernverschmelzung  blieb  unklar.  DaNGEARD  (1896), 
der  das  Vorhandensein  von  Sexualorganen  bei  den  Ascomyceten  und 
damit  auch  der  ersten  Kernverschmelzung  leugnet,  kam  naturgemäss 
zu  der  Ansicht,  die  zweite  Verschmelzung  sei  der  Sexualakt.  Auf 
Grund  neuer  Untersuchungen  glaube  ich  die  Frage  endgültig  ent- 
scheiden und  zugleich  die  Schwierigkeiten  hinwegräumen  zu  können, 
die  beiden  Auffassungen  anhaften. 

Bereits  im  Winter  1904/05  hatte  ich  Pijronema  aufs  neue  zu  be- 
arbeiten begonnen  und  einen  kurzen  Bericht  über  meine  Ergebnisse 
in  mein  im  Jahre  1906  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  in 
Marburg  erstattetes  Sammelreferat  aufgenommen.  Ich  konnte  die 
Resultate  HARPER's,  die  schon  oben  kurz  erwähnt  sind,  bestätigen 
und  ein  wenig  erweitern.  Die  Angabe,  dass  die  Sexualkerne,  nach- 
dem sie  sich  aneinandergelegt  haben,  im  Ascogon  völlig  verschmelzen, 
hat  sich  nachträglich  bei  einer  eingehenden  Untersuchung  als  falsch 
erwiesen.  Zu  meiner  Überraschung  sah  ich  in  jungen  ascogeneu 
Hyphen  stets  zwei  Kerne  nahe  beisammen  liegen.  Das  führte 
mich  dazu,  der  Ursache  dieser  Erscheinung  nachzugehen  und  es  gelang 
mir,  sie  in  der  ausbleibenden  Verschmelzung  der  Sexualkerne  zu 
erkennen.  Die  Kerne  legen  sich  wohl  fest  aneinander  (Figur),  so 
dass  in  der  sich  stark  färbenden  Protoplasmamasse  des  Ascogons  ein 
Erkennen  der  Grenze  schwer  wird,  aber  sie  verschmelzen  nicht. 
Dasselbe  wird  bei  der  Mehrzahl  der  übrigen  Ascomyceten  der  Fall 
sein.  Nicht  bloss  HARPER  und  die  übrigen  Beobachter  haben  sich 
bei  den  von  ihnen  untersuchten  Species,  sondern  auch  ich  selbst 
habe  mich  bei  Boudiera  getäuscht,  wie  ich  glauben  möchte.  Eine 
Nachuntersuchung  bei  Boudiera  habe  ich  bisher  leider  nicht  vor- 
nehmen können. 

In  einiger  Entfernung  vom  Ascogon  sind  die  conjugierten  Kerne 
der  ascogenen  Hyphen  meist  deutlich  voneinander  getrennt  (Figur) 
und  stark  vergrössert,  aber  sie  liegen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
doch  so  nahe  aneinander,  dass  über  die  Zusammengehörigkeit  der 
Paare  nicht  allzu  oft  Zweifel  entstehen.  Gewöhnlich  liegt  der  eine 
Kern  eines  Paares  ein  wenig  hinter  dem  anderen,  oft  so,  dass  die 
optischen  Schnitte  sich  überschneiden.  Der  Durchmesser  der  Kerne 
kann  die  Hälfte  der  Breite  der  ascogenen  Hyphe  bisweilen  um  ein 
geringes  übertreffen.  Es  war  mir  daher  anfangs  nicht  klar,  wie 
die  aus  einem  Kernpaare  entstandeneu  vier  Tochterkerne  es  er- 
reichen, wieder  zu  Paaren  zusammen  zu  kommen.  Die  Beobachtung 
zeigte,  dass  durch  eine  starke  Verlängerung  der  Centralspindel  in 
den  Telophaseu  der  Kernteilung,    die  stets,    wie    bei    den  Uredineen^ 


588 


P.  ClAUSSEN: 


conjugiert  ist,    für    die  richtige  Anordnung  der  Tochterkerne  gesorgt 
wird. 

Manchmal  scheint  es,  als  seien  die  Kerne  der  ascogenen  Hyphen 
nicht  alle  paarweise  angeordnet.  Z.  B.  findet  man  etwa  zur  Zeit 
des  Beginns  der  Ascusanlage  öfter  in  gewissen  ascogenen  Hyphen 
an  der  Spitze  einen  Kern,  dem  sein  Partner  fehlt,  während  im 
übrigen  die  Kerne  regelmässig  conjugiert  sind.  Es  handelt  sich  in 
diesem  Falle,  wie  ich  nachweisen  konnte,    um    gekrümmte  ascogene 


(X  ®o      p 


Tangentialer  Schnitt  durch  ein  junges  Apothecium  von  Pyronema  confluens. 

Aus  dem  Ascogon  {ascg.)  sind  drei  ascogene  Hyphen  {asc(j.  h.)  hervorgesprosst, 
die  in  ihren  unteren  Teilen  angeschnitten  waren.  Der  Kern  e  ist  ein  Eiuzelkern. 
Der  zugehörige  war  durch  den  Schnitt  entfernt.  Die  Paraphysen  p  waren  teils 
längs-,  teils  quergeschuitten. 

Vergr.  1200 : 1. 


Hyphen,  deren  Krümmuugsebene  senkrecht  oder  nahezu  senkrecht 
zur  Schnittebene  steht.  Der  in  der  Hakenspitze  liegende  Kern  ist 
durch  den  Schnitt  entfernt  und  kann  im  vorhergehenden  oder 
folgenden  Schnitt  aufgefunden  werden  oder  wenigstens  man  kann 
an  den  nicht  ganz  glatten  Umrissen  am  Oberende  der  ascogenen 
Hyphen  erkennen,  dass  sie  angeschnitten  sind.  Bei  der  Bildung  von 
Seitenästen  an  ascogenen  Hyphen  pflegt  sich  der  eine  Kern  eines 
Paares  in  den  sich  entwickelnden  Ast  vorzuschieben.  Steht  die 
durch  ascogene  Hyphe  und  diesen  Seitenast  gelegte  Ebene  senkrecht 
oder  nahezu  senkrecht  zur  Schnittebene,  so  wird  wieder  oft  durch 
den  Schnitt  einer  der  Kerne  entfernt.      Die   meisten  Unregelmässig- 


Zur  Kenntnis  der  Kernverhältnisse  von  Pyronenia  confluens.  589 

keiten  zeigen  sich  an  der  Basis  cälterer  ascogener  Hyphen.  Diese 
sind  stellenweise  angeschwollen  und  haben  einen  unregelmässigen 
Verlauf,  so  dass  ein  Schnitt  einen  mehr  oder  minder  grossen 
Teil  einer  Hyphe  und  damit  unter  Umstcänden  den  einen  oder 
anderen  Kern  entfernen  kann.  Durch  Kombination  von  zwei  oder 
mehr  Schnitten  gelingt  es  aber  fast  immer,  zu  jedem  Einzelkern 
seinen  Partner  zu  finden. 

Hat  eine  ascogene  Hyphe  während  mehrmaliger  conjugierter 
Teilung  einzelner  ihrer  K'ernpaare  ihre  endgültige  Länge  erreicht, 
so  krümmt  sie  sich  hakenförmig.  Einer  der  beiden  conjugierten 
Kerne  in  der  Nähe  ihrer  Spitze  bleibt  im  Stiel  des  Hakens  liegen, 
während  der  andere  in  die  Hakenspitze  hineinrückt.  Durch  die 
conjugierle  Teilung  wird  je  ein  Abkömmling  jedes  Kernes,  d.  h. 
ein  männlicher  und  ein  weiblicher  Kern,  in  die  Hakenkrümmuno- 
befördert,  in  der  die  Verschmelzung  der  Sexualkerne  zum  primären 
Ascuskern  stattfindet.  Eine  zweimalige  Kernverschmelzung  existiert 
also  bei  Pijronema  confluens  und  wohl  auch  bei  den  übrigen  sexuellen 
Ascomyceten  nicht. 

Die  eben  geschilderten  Beobachtungen  stellen  im  Einklang  mit 
denen,  die  z.  B.  GUILLIERMOND  (1905)  von  Acetabula  leucoinelas  und 
MaiRE  (1905)  von  Galactinia  succosa  beschrieben  haben.  Beide  Ver- 
fasser fanden  bei  den  genannten  Pflanzen  in  den  Enden  der  ascogenen 
Hyphen  conjugierte  Kerne.  Keinem  von  beiden  gelang  es  indessen, 
ihren  Ursprung  klarzulegen. 

Wenigstens  teilweise  harmoniert  meine  Darstellung  mit  den  An- 
gaben Harper's  (1900),  der  häufig  Doppelkerne  in  seinen  Pyronemu- 
zeichnungen  abbildet.  Offenbar  der  Umstand,  dass  er  auf  die 
Untersuchung  der  Kernverhältnisse  der  ascogenen  Hyphen  keinen 
grossen  AVert  legte,  da  sie  durch  seine  Fragestellung  nicht  gefordert 
wurde,  vielleicht  auch  die  oben  besprochenen  Unregelmässigkeiten 
haben  ihn  an  der  Auffindung  der  conjugierten  Kerne  gehindert.' 

Die  sämtlichen  Typen  der  Ascusanlage  (bisher  sind  drei  sicher 
bekannt  [CLAUSSEN,  1906,  S.  '2Q  ff.])  finden  in  dem  mitgeteilten  ihre 
Erklärung.  Mag  der  Ascus  aus  einer  zweikernigen  Endzelle  einer 
ascogenen  Hyphe  (^Acetabula  leueomelas,  Phißlactinia  corylea)  oder  aus 
der  zweikernigen  vorletzten  geraden  (Peziza  Catinus)  oder  ge- 
krümmten Zelle  {Pijronema  confluens)  hervorgehen,  stets  vollziehen 
sich  die  Teilungen  der  conjugierten  Kerne  so,  dass  bei  der  Ver- 
schmelzung sich  ein  männlicher  und  ein  weiblicher  Kern  paaren. 

Die  Verzögerung  der  Kernverschmelzung  kommt  auch  bei 
anderen  Pflanzen  und  bei  Tieren  vor.  Ich  erinnere  hier  nur  an  die 
Oosporen  von  Saprolegnia  und  von  Peronospora-  und  Cystoims -  Axtew, 
deren  Kerne  oft  tage-,  ja  wochen-  und  monatelang  unverschmolzen 
bleiben,  au  die  Uredineen,    bei  denen  die  Verschmelzung  erst  in  der 


590  P-  ClaUSSEN:  Zur  Kenntnis  der  Kernverhältnisse  von  Pyronema  confluens. 

Teleutospore  eintritt,  ferner  —  um  auch  ein  Beispiel  aus  dem  Tier- 
reich anzuführen  —  an  die  von  HACKER  (1902)  festgestellten  Yer- 
hältnisse  bei  Cydops. 

Die  besonderen  Schwierigkeiten,  welche  die  angenommene 
doppelte  Kernverschmelzung  für  die  Lösung  der  Frage  nach  der 
Reduktionsteilung  bei  den  Ascomijceten  mit  sich  brachten  und  die 
HarPER  (1905)  durch  die  Hilfshypothese  von  der  Yierwertigkeit  der 
Chromosomen  des  primären  Ascuskernes  glaubte  heben  zu  können, 
bestehen  nicht  mehr.  Der  primäre  Ascuskern  und  nur  dieser 
ist  diploidisch.  Er  enthält,  wie  sich  nachweisen  Hess,  in 
der  Diakinese  Doppelchromosomen. 

Die  Meinungsverschiedenheiten  in  betreff  der  Homologien 
scheinen  mir  damit  endgültig  beseitigt  zu  sein.  Dass  der  junge 
Ascus,  in  dem  die  Verschmelzung  der  beiden  Sexualkerne  zum 
primären  Ascuskern  stattfindet,  nicht  als  Sexualorgan  aufzufassen  ist, 
wie  Dangeard  (1896  ff.)  will,  ist  nun  nicht  mehr  zu  bezweifeln. 

Auf  die  Folgerungen  für  die  Pilzsystematik,  vor  allen  Dingen 
für  die  Systematik  der  Ascomyceten^  wird  in  der  ausführlichen  Arbeit 
zurückzukommen  sein. 


Benutzte  Literatur. 


1906.  Claussen,  P.,  Über  neuere  Arbeiten  zur  Entwicklungsgeschichte  der 
Ascomyceten.  Ber.  der  Deutsch.  Bot.  Ges ,  24,  (11)-  (38).  Hier  die  übrige 
Literatur. 

1896.   Dangeard,  P.  A.,  Le  Botaniste,  5.  ser.  u.  ff. 

1905.  GuiLLlERMOND,  A.,  Remarques  sur  la  Karyokinese  des  Ascomycetes.  Anuales 
Mycologici,  3,  343—361.    3  Taf. 

1902.  HACKER,  V.,  Über  das  Schicksal  der  elterlichen  und  grosselterlichen  Kern- 
anteile. Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft,  37,  N.  F.  30,  297 
bis  400. 

1900.  Harper,  R.  A.,  Sexual  reproduction  in  Pyronema  confluens  and  the  morpho- 
logy  of  the  ascocarp.     Ann.  of  Bot.  14,  321-400.     3  Taf. 

1905.  Harper,  R.  A.,  Sexual  reproduction  and  the  Organisation  of  the  uucleus  in 
certain  Mildews.     Washington  DC. 

1905.  Maire,  R.,  Recherches  cytologiques  sur  quelques  Ascomycetes.  Annales 
Mycologici  3,  123-154.     3  Taf. 


Reclinungsablago  für  das  Jahr  190G. 


H) 


Rechnungsablage  des  Jahres  1906. 


Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellscb.    XXV,    Gen.-V.-H. 


Soll 

Haben 

Jt       ,    Pf. 

t4t 

Pf. 

I,  Beiträge -Konto. 

Im   Jahre    1905   vorauf  gezahlte   Beiträge    im 
Vortrage 272  50  JC 

• 

7  568 
390 

44 
50 

7  958 

Im  Jahre  1906  eingezahlte  Beiträge  7fi8(?.44  „ 

94 

Für  Rechnung  1906  gezahlte  Beiträge: 

78  Berliner  k20JC 1560,00  J^ 

385  Auswärtige  a.  IbJi    .    .    .    .  5775,»  H)  „ 

19  Ausserordentliche  ä  10  Jl    .     190,(«»  „ 

Mehrzahlungen 43,44  „ 

482  Mitglieder  zahlten 

Für  Rechnung  19(»7    vorauf  gezahlte   Beiträge 
im  Übertrage 

7  958 

94 

7  958 

94 

II.  Interessen -Konto. 

Zinsen  aus  dem  Depot  und  dem  Kouto-Korrent 
der  Darlehnskasse 

600 

43 

III.  Gewinn -Konto. 

Gebrüder  Borntr^GER  zahlten  als  Gewinn- 
Anteil  an  Band  XXIII     ....     .328,10  JC 
Fraglicher  Beitrag  aus  Wien    .    .    .       15,00  „ 

343 

10 

Band  XXIII,  Jahrgang  1905;  nachträglich  .    . 
Band  XXIV,  Jahrgang  1906: 

608  +  (100)  +  2  =  710  Seiten  Text:  24  Tafeln, 
1052,75  gern  +  694,52  gern    Holzschnitte    und 
Zinkätzungen.      Entnommen  490  Exemplare 
(482  für  Mitglieder,    7  füi-  Ehrenmitglieder, 
1  für  den  Schriftführer) 

• 

26 

5  309 
2165 

25 

23 

00    ' 

Generalregister    über    Band    I— XX:     6  +  306 
Seiten 

j 

• 

7  500 

48 

(1) 


(2) 


Rechnungsablage  des  Jahres  1906. 


Soll 

Hab( 

jn 

• 

Jl 

Pf. 

M 

Pf. 

V.  Kosten -Konto. 

Jahrgang  1905,  nachträglich 

. 

. 

18 

75 

Jahrgang  1906  betreffend: 

Porto  für  Korrespondenz  usw.    .     122,89  JC 
Porto  für  Vei'sendung  der  Hefte     534,20  ,. 
Spesen  und  Provisionen   ....       68,52  „ 
Formulare    .           97,85  „ 

• 

1550 
195 

Honorare  usw 717.40  „ 

Institutsdiener 10,00  .. 

86 

Geueralregister: 

Porto  für  Versendung 

35 

• 

1764 

96 

VI.  Kapital -Konto. 

Am  1.  Januar  1906  Vermögen  im  Vortrage: 

Fester  Bestand 5000,00  JL 

Lebenslängliche  Mitglieder    .    .       600,00  „ 
Flüssiges  Vermögen 6914,27  „ 

• 

12  514 

7  568 

27 

I.  Beiträge-Konto 

44 

11.  Interessen-Konto 

• 

600 
343 

43 

III.  Gewinn-Konto 

10 

IV.  Kassa-Konto: 

Lebenslängl.  Mitglied  (RÜBEL-Zürich)  .    . 

300 

00 

V.  Berichte-Konto 

7  500 
1764 

12  060 

48 
96 

80 

VI.  Kosten-Konto 

Am  31.  Dezember  1906  Vermögen  im  übertrage: 

Fester  Bestand 5000,00'' J^ 

Lebenslängliche  Mitglieder    .    .       900,00  „ 
Flüssiges  Vermögen 6160,80  „ 

21  326 

24 

21  326 

24 

Voranschlag  für  1907. 

(Durchschnitt  der  letzten  drei  Jahre). 

Vortrag  des  Vermögens  am  1.  Januar  1906  .    . 

Beiträge 

Zinsen  

• 

• 

12  060 

7  281 

553" 

318 

80 
(X) 
00 

Gewinn 

00 

Berichte 

5  062 

00 

Kosten 

1604 

00 

Festschrift 

6  000 

00 

Vermögen  am  31.  Dezember  1907 

7  546 

80 

20212 

80 

20  212 

80 

Reclmungsablage  des  Jahres  1906. 


(3) 


* 

Soll 

Haben 

M 

Pf. 

M 

Pf. 

Hans^irg-Eonto. 

1.  März  1906:  Professor  Hansgirg  zahlte  .    . 

1000  M    Lanclschaftl.    3V2Pi"ozentige    Zentral- 
Pfandbr.  99,10  M 

991 
5 
2 

30 
990 

00 
90 
40 

62 

15 

1000 

29 
991 

00 

Zinsen  davon  (61  Tage)  SVj  pCt 

Spesen:  Courtage,  Stempel,  Depotgeld  .... 
Zinsen-  299  Taee  3Vo  pCt 

07 

Anteil  an  3  Beilagen  (Hefte  3,  4,  8) 

31.  Dezember:     1000  M   Landschaftl.    SVaproz. 
Pfandbr   99,10  Ji 

00 

31.  Dezember:  Saldo-Übertrag 

2020 

07 

2020 

07 

Die  Eiiniahiiien  aus  den  Beiträgen  betragen  7568,44  Jt\  die 
laufenden  Ausgaben  betragen  6905,09  Jt.  Folglich  sind  663,35  Jt 
mehr  eingenommen  als  ausgegeben.  Bei  482  zahlenden  Mitgliedern 
kommt  auf  jedes  Mitglied  \dJO  iM  Beitrag  und  14,32  ti^  Ausgabe. 

Das  Generalregister  verursachte  eine  Extraausgabe  von  2360,35  t/Ä; 
für  jedes  Mitglied  noch  4,90  Jt.  Auf  jedes  Mitglied  kommen  daher 
19,22  Jt  Ausgabe. 


Berlin,  Mai  1907. 


OTTO  MÜLLER. 


(1*) 


(f4)i  Generalübersichten,  die  Jahre  1883—1906  betreffend. 


General-Übersichten,  die  Jahre  1883-1906  betreffend. 

Erläuterungen. 


Tabelle  I. 

Diese  Tabelle  zeis-t  das  Fortschreiten  der  Mitoliederzahl  seit 
der  Gründung  der  Gesellschaft  in  fünfjährigen  Zwischenräumen  bis 
1906  nach  Ländern.  Die  links  stehenden  Ziffern  bezeichnen  die 
ausserordentlichen,  die  rechts  stehenden  die  ordentlichen  Mit- 
glieder. Die  Ziffern  unter  den  Summen  der  sechs  Gruppen  sind 
die  Zunahme-Koeffizienten  der  ordentlichen  Mitglieder,  wenn  die 
Mitgliederzahl  des  Jahres  1883  gleich  1  gesetzt  wird. 

Aus  der  Gesamtsumme  der  sechs  Gruppen  am  Ende  der  Tabelle 
geht  hervor,  dass  die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  von  227 
auf  463,  oder  von  1  auf  2,04  gestiegen,  die  Zahl  der  ausser- 
ordentlichen Mitglieder  von  75  auf  19,  oder  von  1  auf  0,25  ge- 
sunken ist. 

Vergleicht  man  diese  Zahlen  mit  den  Koeffizienten  der 
einzelnen  Gruppen,  so  ergiebt  sich  für  die  ordentlichen  Mitglieder 
folgendes: 

Im  Deutschen  Reich  ist  die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder 
gegen  den  Durchschnitt  zurückgeblieben;  sie  stieg  nur  von  1  auf 
1,53,  in  Berlin  von  1  auf  1,63. 

In  Österreich-Ungarn  bleibt  die  Zunahme  ebenfalls  hinter 
dem  Durchschnitt  (2,04)  zurück,  sie  beträgt  1   auf  1,80. 

Die  anderweitigen  europäischen  Länder  übertreffen  den 
Durchschnitt  erheblich;  ihre  Mitgliederzahl  ist  von  1  auf  6,93  an- 
gewachsen. 

Noch  grösser  ist  die  Zunahme  in  Amerika,   1  auf  8,67. 

In  den  übrigen  Erdteilen  beträgt  die  Zunahme  1  auf  3,33. 

Diese  Zahlen  zeigen,  dass  im  Deutschen  Reiche  und  in  Öster- 
reich-Ungarn die  Mehrzahl  der  Botaniker  sich  von  vorn  herein  der 
neu  gegründeten  Gesellschaft  angeschlossen  hat,  während  in  den 
übrigen  Ländern  das  Interesse  für  die  Gesellschaft  in  einer  stetigen 
starken  Zunahme    begriffen    ist;    ganz  besonders  ist  dies  der  Fall  in 


Generalübersichten,  die  Jahre  1S83 — 190G  betreffend.  (5) 

England    mit    dem  Koeffizienten  9,5;    in  Italien  mit  8,    in  Schweden 
mit  5,    in  Russland  mit  5,5    und  in  den  Vereinigten  Staaten  mit  19. 

Die  ausserordentlichen  Mitglieder  haben  naturgemäss  stetig 
abgenommen,  nachdem  seit  1887  ausserordentliche  Mitglieder  nicht 
mehr  aufsenommen  wurden. 


'o^ 


Tabelle  II. 

Diese  Tabelle  gestattet  eine  Übersicht  der  gesamten  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  von  1883  bis  1906. 

Die  Summe  aller  Einnahmen  mit 160  370,98  Jfi^ 

abzüglich  der  Summe  aller  Ausgaben  mit     ....     148310,18  Ji^ 

ergiebt    den    für    1907    vorzutragenden    Vermögens- 
bestand von 12  060,80  Jft 

Derselbe  stimmt  mit  dem  Saldo  des  Kapital-Konto  vom  31.  De- 
zember 1906  der  vorstehenden  Rechnungsablage  des  Jahres  1906 
überein  und  verbürgt  damit  die  Richtigkeit  aller  Zahlenangaben  der 
Einzeljahre. 

Die  Beiträge  sind  scharf  für  das  laufende  Rechnungsjahr 
begrenzt;  alle  für  folgende  Jahre  vorauf  gezahlten  Beiträge  wurden 
ausgeschieden  und  gelangten  erst  in  denjenigen  Jahren  zur  Ver- 
rechnung, für  welche  sie  bestimmt  waren.  —  Dasselbe  gilt  für  die 
Kosten  der  Berichte  und  die  Verwaltungskosten;  dieselben  beziehen 
sich  lediglich  auf  den  laufenden  Jahrgang, 


Tabelle  III. 

Die  spezielle  Verwendung  der  einzelnen  Einnahmequellen  be- 
treffend, ging  der  unterzeichnete  Schatzmeister  von  dem  Gesichts- 
punkte aus,  dass  die  laufenden  Jahresbeiträge  die  Kosten  der 
Berichte,  die  Verwaltungskosten  und  die  anderweitigen  Ausgaben 
decken  müssen.  Überschritten  diese  Kosten  die  Einnahmen  aus  den 
Beiträgen,  dann  musste  eine  Verringerung  des  Umfanges  der  Be- 
richte erfolgen,  um  das  Gleichgewicht  zwischen  Einnahme  und  Aus- 
gabe herzustellen.  Hiernach  ist  stets  verfahren  worden  und  es 
gelang  eine  annähernd  genaue  Bilanzierung. 

Die  Gesamtsumme  der  Beiträge  ergiebt  148  413,34  Jt\  die 
Ausgaben  für  die  Berichte  und  die  Verwaltungskosten  betragen 
146  943,84  Jt\  Überschuss  mithin  1469,50  Jt\  im  Durchschnitt  der 
24  Jahre  war  der  Beitrag  des  einzelnen  Mitgliedes  15,14  Jt\  der 
Durchschnitt  der  Ausgaben  für  Berichte  und  Verwaltungskosten 
bezifferte  sich  auf  15,01  Jt. 


(•ß")  Generalübersichten,  die  Jahre  1883  —  1906  betreffend. 

Aus  dem  Überschuss  von  1469,50  Jt  blieben  dann  noch  die 
aus  Tabelle  II  ersichtlichen  anderweitigen  Ausgaben  in  Höhe  von 
1366,34  Jli  zu  decken;  aus  den  Beiträgen  verbleibt  daher  nur  ein 
Rest  von  103,16  Jt. 

Die  Einnahme  aus  Zinsen  betrug  It.  Tabelle  II  8150,68  t^,  aus 
Gewinnen  3806,96  t/^,  zusammen  11957,64  c/€.  Die  Zinsen  stammen 
aus  dem  Depot'  der  Kur-  und  Neumärkischen  Darlehnskasse;  die 
Gewinne  aus  dem  vertragsmässigen  Anteil  an  dem  buchhändlerischen 
.Vertrieb  der  Berichte  und  den  lebenslänglichen  Beiträgen. 

Der  Ertrag  dieser  Einnahmequellen  wurde  bestimmt 

1.  zur  Bildung  eines  Reservefonds  in  Höhe  von  5000  Jt-., 

2.  zu  einem  Kapital  in  Höhe  von  900  Jt.,  aus  dessen  Zinsen 
die  Beiträge  der  lebenslänglichen  Mitglieder  bestritten 
werden ; 

3.  zur  Herstellung  einer  Festschrift  oder  zur  Herausgabe 
umfangreicherer  Arbeiten    nach  Massgabe  der    Statuten    §  4. 

Für  die  Zwecke  zu  3  stehen  mit  Zuziehung  des  Restes  von 
103,16  Jt,  lt.  der  vorstehenden  Rechnungsablage,  am  31.  Dezember 
1906  6160,80  Jt  zur  Verfügung. 


Tabelle  IV. 

Die  Tabelle  bezweckt  eine  Übersicht  derjenigen  Leistungen  der 
Gesellschaft,  die  in  den  Berichten  niedergelegt  sind  und  die  Er- 
mittelung der  in  der  letzten  Rubrik  verzeichneten  Kosten  pro 
Einheit  und  Mitglied.  Letztere  erst  ergeben  den  absoluten 
Massstab  zur  Vergleichung  der  in  den  verschiedenen  Jahren  auf- 
gewendeten Kosten  für  die  Einheit,  die  innerhalb  der  Grenzen  von 
0,147—0,173  Jt  schwankten,  im  allgemeinen  aber  sich  zwischen 
0,15—0,16  Jt  bewegten  und  im  Gesamtdurchschnitt  0,158  Ji  be- 
trugen. 

Als  Einheit  gilt 

1.  je  1  Bogen  Text: 

2.  je  1  lithographische  Tafel  in  Schwarzdruck; 

3.  bei  Textabbildungen  der  Flächeninhalt  einer  Tafel  von 
210  qcm.  Der  Einheit  dieser  Abbildungen  wurde  aber  nicht  der 
Flächeninhalt  an  sich  zu  Grunde  gelegt;  dieser  vielmehr  je  nach  der 
Herstellung  der  Abbildung  als  Holzschnitt  oder  Zinkographie  in 
verschiedenen  Zeitabschnitten  verschieden  berechnet.  Gegenwärtig 
wird  der  Flächeninhalt  der  Holzschnitte  mit  4/3  multipliziert,  der 
Flächeninhalt  der  Zinkographien  durch  4  dividiert.     Die  so  gefundene 


üeneralübersichten,  die  Jahre  1883-1906  betreffend.  (7) 

Zift'or  wird  alsdaun  durch  Division  mit  der  Masszahl  210  auf  die  zu 
berechuende  Einheit  reduziert. 

""  Die  Tabelle  ergiebt  als  Inhalt  der  Berichte  in  den  24  Jahren 
1052,15  Druckbogen  Text,  582  Tafeln,  100,93  Einheiten  Text- 
abbildungen, zusammen  also  1735,08  Einheiten.  Hierzu  treten  noch 
16  von  Autoren  gelieferte  Tafeln.  Die  100,93  Einheiten  Text- 
abbildungen entsprachen  aber  tatsächlich  nur  dem  Kauminhalte  von 
68,29  Tafeln.  Die  Gesamtziffer  der  belieferten  Einheiten  beträot 
daher  netto  1718,44,  welche  einen  Kostenaufwand  von  113  651,99  Jli 
erforderten. 

Im  Gesamtdurchschnitt  enthielten  die  Berichte  die  beträchtliche 
Anzahl  von  43,84  Bogen  Text,  24,92  Tafeln,  2,84  Einheiten  Text- 
abbildungen =  71,60  Einheiten  netto  pro  Jahr. 

Berlin,  im  Juni  1906.  OTTO  MÜLLER. 


(8) 


Generalübersichten,  die  Jahre  1883 — 1906  betreffend. 


Tabelle  I.        Links  stehende  Ziffern  =  Ausserordentliche  Mitglieder. 
Rechts  stehende  Ziffern  =  Ordentliche  Mitglieder. 


Mitglieder 


1883 


1888 


1893 


1898 


1903 


190G 


Deutsches  Eeich: 

Prcussen  ex  kl.  Berlin  . 

Berlin 

Bayern  

Sachsen     

Württemberg 

Baden    

Hessen . 

Mecklenburg 

Sächsische  Herzogtümer 

Braunschweig 

Anhalt 

Oldenburg    

Reuss 

.Freie  Städte    ...... 

Reichslande 


Österreich-Ungarn  : 

Nieder-,  Ober-,  Salzburg.- 
Tirol,  Steierm.  usw.  .    . 

Böhmen,  Mähren,  Schlesien 

Galizien 

Dalmatien 

Bukowina 

Ungarn 

Kroatien 


Anderweitige 
Europäische  Länder: 

Grossbritaunien    u.   Irland 
Frankreich 


33 

70 

29 

18 

•48 

18 

3 

11 

3 

2 

13 

2 

1 

5 

2 

1 

6 

2 

1 

2 

2 

3 

10 

2 

67 


179 
1 


89 

52 

23 

20 

8 

10 

1 

6 

9 

1 
1 
1 
11 
9 


20     97 
14'    56 


22 

23 

12 

10 

1 

2 

10 

1 

1 

1 

1 

8 

3 


10 
7 
2 
2 
2 
2 

1 

1 


92 
58 
22 
17 
10 
10 
2 


2 
1 
1 
1 
11 
5 


98 

65 

21 

21 

11 

13 

2 

1 

7 

1 


5 
4 
1 
1 


14 

2 


61    241 

1,35 


45  i  248 
1  1,39 


27 


240 

1,34 


17 


256 

1,43 


14 


22 


20 
6 
1 

1 
4 


31 
1 


9i    32 

1,03 


23 
5 
1 

1 
5 
1 


36 

1,16 


Transport  . 


21 

5 
1 

1 

4 
9 


18 


1 


34 

1,10 


1      16 

-I      1 


48 

l,5ö 


91 

78 

23 

19 

10 

15 

5 

2 

9 

2 

1 

1 

15 

3 


274 

1,53 


29 

19 
3 


3.    56 

1,80 


20 


19 
o 


1      17     -      22    —     21 


Generalübersichten,  die  Jahre  1883—1906  betreffend.  (9) 

Tabelle  I  (Fortsetzung). 


''          Mitglieder 

i 

1883 

1888 

1893 

1898 

1903 

1906 

Transport  .    .    . 

_ 

3 

1 

1 

6 

i 

1 

1 

17 



i 

22 

.1 

1 

21 

Italien 

— 

2 

1 

6 

— 

12 

— 

12 

— 

13 

— 

16 

Belgien     .    .    . 

— 

— 

— 

1 

— 

2 

— 

2 

— 

2 

— 

1 

Niederlande     . 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

2 

— 

6 

— 

1     7 

Dänemark     .    . 

- 

— 

— 

— 

— 

1      1 

— 

2 

— 

4 

— 

5 

Schweden.    .    . 

— 

2 

— 

2 

— 

o 
O 

— 

4 

— 

8 

— 

10 

Norwegen     .    . 

— 

1    — 

— 

— 

— 

2 

— 

1 

— 

1 

— 

2 

Griechenland 

— 

1 

— 

1 

— 

1 

— 

1 

— 

1 

— 

1 

Schweiz    .    .    . 

— 

J 

— 

9 

1 

14 

1 

16 

1 

19 

1 

21 

Luxemburg  .    . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 



— 

1 

Russland  .    .    . 

1 

2 

l 

8 

1 

10 

— 

13 

— 

12 

— 

11 

Rumänien     .    .    . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

Serbien 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

1 

14 
1 

5 

30 

2,14 

3 

53 

3,79 

2 

71 

5  07 

1 

89 

6,3n 

1 

97 

6,93 

Amerika: 

• 

Vereinigte  Staaten     .    .    . 

— 

— 

— 

1 

— 

4 

— 

7 

— 

10 

— 

19 

Mittel-Amerika 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

• — 

1 

— 

2 

— 

1 

Süd-Amerika 

1 

8 

2 

6 

1 

9 

1       8 

— 

8 

— 

6 

1 

3 

2 

8 

1| 

14 

1 

16 

-     20 

-     26 

1 

2,67 

4,67 

5,33 

6,67 

8,67 

Andere  Erdteile: 

Afrika 

— 

— 

— 

2 

1 

1 

1 

2 

1 

4 

1 

3 

Ceylon 

.   .   . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

j 

1 

— 

— 

Japan    

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

2 

— 

5 

Java 

: 

: 

— 

1 

— 

2 

3 

— 

3 

— 

2 

Australien    .    .   . 

.   .   . 

— 

— 

1      3 

1      " 
1 

1 

ö 

1 

1 

6 

2 

1 

10 

3,33 

1 

10 

3,33 

Insgesamt: 

75 

227 

70, 

321 

57 

354 

37 

367 

22 

423 

19 

463 

1 

1 

1 

0,93, 

1,414 

0,76; 

1,56 

0,49 

1,62 

0,29 

1,86 

0,25 

2,04 

nO)  Generalübersichteu,  die  Jahre  1883—1906  betreffend. 

Tabelle  II. 


Si 

o 

Kosten 

Ver- 

Ander- 

.2 

Beiträge 

Zinsen 

Gewinne 

waltungs- 

weitige 

•1— 1 

u 

der  Berichte 

kosten 

Kosten 

Jt 

Pf. 

M   Pf. 

JC 

Pf. 

Jt      {Pf- 

M     |Pf. 

iM 

Pf. 

Gründung 

_ 

_ 

_ 

_ 

424 

34 

1883 

302 

4  396 

76 

39 

25 

— 

— 

3  046 

50 

1171 

14 

Flora  Conto 

1884 

343 

5  043 

53 

87 

20 



— 

2  982 

44 

1092 

67 

100 

— 

1885 

355 

5  229 

10 

127 

35 

— 

3  767 

05 

1143 

71 

300 

— 

1886 

373 

5  454 

20 

107 

65 

— 

— 

4  441 

75 

1244 

57 

— 

— 

1887 

383 

5  594 

97 

118 

75 

— 

— 

4  063 

75 

1228 

04 

— 

— 

1888 

391 

5  765 

61 

130 

20 

— 

— 

3  763 

65 

1198 

62 

300 

— 

1889 

403 

5  992 

03 

169 

25 

— 

— 

3  295 

45 

1130 

99 

Effekten 

1890 

405 

6  053 

57 

294 

70 

— 

— 

3  881 

70 

1350 

78 

242 

— 

1891 

416 

6  245 

60 

306 

40 

— 

— 

4  325 

25 

1283 

19 

— 

— 

1892 

414 

6  258 

07 

344 

70 

60 

31 

6  641 

30 

1341 

25 

— 

— 

1893 

411 

6180 

32 

347 

10 

— 

— 

5  212 

45 

1366 

52 

— 

— 

1894 

412 

6  218 

95 

296  30 

— 

— 

4  390 

65 

1274 

47 

— 

— 

1895 

410 

6  223 

08 

325, 20 

270 

00 

5  378 

25 

1366 

24 

— 

— 

1896 

410 

6  241 

65 

325 

00 

203 

15 

4  001 

55 

1  298 

28 

— 

— 

1897 

406 

6  200 

27 

372 

50 

259 

75 

4  674 

78 

1248 

26 

— 

— 

1898 

404 

6198 

07 

437 

30 

269 

95 

4126 

10 

1415 

11 

— 

- 

1899 

422 

6  494 

65 

510 

10 

2  0 

6(5 

5  441 

30 

1522 

93 

— 

— 

1900 

420 

6  487 

62 

567 

20 

283 

04 

5  006 

05 

1610 

87 

- 

— 

1901 

433 

6  694 

15 

518 

50 

241 

80 

6  364  '39 

1 

1692 

54 

— 

— 

1902 

430 

6  692 

66 

533  40 

237 

00 

6  312 

35 

1660 

21 

— 

— 

1)  (330 

00 

1903 

445 

6  906 

88 

539 

80 

/  1 

1138 

60 

5183 

35 

1644 

32 

— 

— 

1904 

454 

7  089 

62 

525 

80 

288 

60 

5  319  80 

1631 

54 

— 

— 

1905 

459 

7  183 

54 

531 

60 

321 

00 

4  531  65| 
26  25J 

1610 

64i 
75/ 

— 

— 

1)  (300 

00 

18 

_ 

1906 

482 

7  568 

44 

600  43 

/  1 

(343 

10 

5  309  23 

1550 

86 

— 

— 

General- 

General- 

register 

unkosten 

2 165  00 

195  85 

— 

— 

148  413 

34 

8150 

68 

3  806 

96 

113  651 

99 

33  291 

85 

1366 

34 

8150 

68 

33  291 

85 

3.806 

96 

1366 

34 

Einnahme 

160  370 

98 

148  310 

18 

Ausgabe  . 

L.1.07 

148  310 

18 

Vermögenl 

12  060 

80 

1)  Lebenslängliche  Beiträge. 


Generalübersichten,  die  Jahre  1883-1906  betreffend.  (U) 

Tabelle  III. 


^ 

Mit- 
glie- 

Beiträ, 

?e 

Beitrag  pro 
Mitglied 

Berichte  und 
Kosten 

Berichte  und 

Kosten 
pro  Mitglied 

der 

Jü 

Pf. 

Jl 

Pf. 

M 

Pf. 

Jit 

Pf. 

1883 

302 

4  396 

7(; 

14 

56 

4  217 

Ii4 

13 

97 

1884 

343 

5  043 

53 

14 

70 

4  075 

11 

11 

88 

1885 

355 

5  229 

10 

14 

73 

4  910 

76 

13 

83 

1886 

373 

5  454 

20 

14 

62 

5  686 

32 

15 

25 

1887 

5  594 

97 

14 

61 

5  291 

79 

13 

82 

1888 

391 

5  765 

61 

14 

75 

4  962 

27 

12 

70 

1889 

403 

5  992 

03 

14 

87 

4  426 

44 

10 

98 

1890 

405 

(5  053 

57 

14 

95 

5  232  . 

48 

12 

92 

1891 

416 

6  245 

6() 

15 

Ol 

5  608 

44 

13 

48 

189-2 

414 

G  258 

07 

15 

12 

7  982 

55 

19 

28 

1893 

411 

6180 

32 

15 

04 

6  578 

97 

16 

Ol 

1894 

412 

6  218 

95 

15 

09 

5  665 

12 

13 

75 

1895 

410 

6  223 

08 

15 

18 

6  744 

49 

16 

45 

1896 

410 

6  241 

65 

15 

22 

5  299 

83 

12 

93 

1897 

4U6 

(i  200 

27 

15 

27 

5  923 

04 

14 

59 

1898 

404 

6  198 

07 

15 

34 

5  541 

21 

13 

72 

1899 

422 

6  494 

65 

15 

39 

6  964 

23 

16 

50 

1900 

420 

(;487 

62 

15 

44 

6  616 

92 

15 

75 

1901 

433 

6  694 

15 

15 

46 

8  056 

93 

18 

60 

1902 

430 

6  692 

m 

15 

56 

7  972 

56 

18 

54 

1903 

445 

6  906 

88 

15 

52 

6  827 

67 

15 

34 

1904 

454 

7  089 

62 

15 

62 

6  951 

34 

15 

31 

1905 

459 

7  183 

54 

15 

65 

6142 

29 

15 

38 

1906 

482 

7  568 

44 

15 

70 

9-265') 

44 

19 

22 

Einnahme  . 

148  413 

34 

D.  15 

14 

146  943 

84 

D.  15 

Ol 

Ausgabe  .  . 

.  .  . 

146  943 

84 

Überschuss , 

•  ■  ■ 

1469 

50 

Anderweitige 
Kosten 

.  .  . 

1  366 

34 

_ 

Rest  .  .  .  . 

.  .  . 

103 

16 

1)  Inklusive  Generalregister. 


(12) 


Generalübersichten,  die  Jahre  1883—190(3  betreffend. 


Tabelle  IV. 


Einheiten 

o 

der 
t  pro 
ed 

Kosten 

Pf. 

a'^'r^ 

Text 

Tafeln 

Text- Ab- 
bildungen 

Zu- 
sammen 

J(       [Pf. 

Pf. 

1883 

38,25 

19 

6,07 

C)2,32 

3  046 

50 

48,1 

302 

0,159 

1884 

37,50 

IG 

5,50 

59,00 

2  982 

44 

50,5 

343 

0,147 

1885 

40,75 

21 

5,20 

66,95 

3  767 

05 

56,0 

:555 

0,158 

188(5 

48,12 

24 

3,61 

75,73 

4  441 

75 

58,6 

373 

0,158 

1887 

44,25 

24 

1,37 

69,62 

4  063 

75 

58,7 

383 

0,152 

1888 

41,25 

19 

3,78 

64,03 

3  7(53 

65 

58,8 

391 

0,150 

1889 

36,88 

15 

2  53 

54,41 

3  295 

45 

60,6 

403 

0,150 

1890 

40,75 

21 

2,03 

63,78 

3  881 

70 

60,8 

405 

0,150 

1891 

37,00 

24 

2,20 

63,20 

4  325 

25 

68,4 

416 

0,164 

1892 

55,50 

1)31 

5,96 

92,46 

6  641 

30 

71,8 

414 

0,173 

1893 

44,25 

30 

5,35 

79,60 

5  212 

45 

65,1 

411 

(»,158 

1894 

35,00 

24 

>s,74 

67,74 

4  390 

(55 

61,8 

412 

0,157 

1895 

41,00 

2)38 

3,10 

82,10 

5  378 

25 

65,5 

410 

0,160 

189G 

34,25 

•')  22 

5,80 

62,05 

4  001 

55 

64,4 

410 

0,157 

1897 

42,75 

27 

2,90 

72,65 

4  674 

78 

64,3 

406 

0,159 

1898 

32,50 

^)25 

6,40 

63,90 

4126 

10 

64,5 

404 

0,160 

1899 

47,25 

^)30 

1,92 

79,17 

5  441 

30 

68,7 

422 

0,163 

1900 

49,13 

19 

3,28 

71,41 

5  (106 

05 

70,1 

420 

0,167 

1901 

52,00 

34 

6,35 

92,35 

6  364 

39 

68,9 

4315 

0,159 

1902 

59,38 

«)27 

3,17 

89,55 

6  312 

35 

70,5 

430 

0,164 

1903 

4G,13 

')22 

3,58 

71,71 

5183 

35 

72,3 

445 

0,163 

1904 

45,88 

25 

4,41 

75,29 

5  319 

80 

70,6 

^54 

0,156 

1905 

38,50 

21 

4,50 

64,00 

4  531 

65 

70,8 

459 

0,155 

190G 

44,38 

24 

3,18 

71,56 

5  335 

48 

74,6 

482 

0,154 

Geueral- 
register 

General- 
register 

Gcneral- 
reg  ister 

General- 
register 

19,50 

19,50 

2 165  1  00 

111,00 

0,230 

1052,15 
1052,15 

43,84 

582 
+  16 

100,93 

=  68,29 
netto 

2,84 

1735,08 
1718,44 

71,60 

113  (551 

99 

3,797 
24 

Durch- 
schnitt 

598 
24,92 

=  0,158 

General- 
register 
=  0,230 

*)  Von  1891  an  wurde  der  für  die  Einheit  zu  zahlende  Preis  erhöht. 

1)  Plus  2    vom  Autor   bezahlte  Tafeln,    also    33  Tafeln      2)  Plus  2  Tafeln  vom 

Autor,  40  Tafeln.      3)  Plus  2  Tafeln  vom  Autor,    24  Tafeln.     4)  Plus  2  Tafeln  vom 

Autor,  27  Tafeln.     5)  Plus  1  Tafel   vom   Autor,    31  Tafeln.     6)  Plus    2  Tafeln    vom 

Autor,  29  Tafeln.     7)  Plus  5  Tafeln  vom  Autor,  27  Tafeln. 


Bericht 

über  die 
am   12.  und  13.  September  1907  in  Dresden  abgehaltene 

vierundzwanzigste  Generalversammlung 

und  die 

Feier  des  fünfundzwanzigjährigen  Bestehens 

der 

Deutschen  Botanischen  Gesellschaft. 


Der  im  6.  Heft  des  vorliegenden  XXY.  Bandes  dieser  Berichte 
veröffentlichten  Einladung  zur  Cleneralversammlung  und  zur  Feier 
-des  25jährigen  Bestehens  unserer  Gesellschaft  hatten  eine  grosse 
Anzahl  Fachgenossen  Folge  geleistet.  Die  Präsenzlisten  ergaben  die 
Anwesenheit  folgender  Herren: 


AMBRONN-Jena, 

BAUR-Berlin, 

BECKMANN-Berlin, 

BRICK-Hamburg. 

BÜSGEN-Münden, 

CLAUSSEN-Berlin, 

€ORRENS-Leipzig, 

DiELS-Berlin, 

Ding  LER- Aschaffenburg, 

DRUDE-Dresden, 

ENGLER-Berlin, 

A.  FiSCHER-Basel, 

H.  FiSCHER-Berlin, 

FÜNFSTÜCK-Stuttgart, 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesellsch.    XXV. 


GEISENHEYNER-Kreuznach, 

GiLG-Berlin, 

HAUPT-Bautzen, 

HINNEBERG-Altona, 

JOHNSON-Dublin, 

KNIEP-Freiburg, 

KNY-Berlin, 

KUMM-Danzig, 

LEHMANN-Bonn, 

LiNDEMUTH-Berlin, 

LiNDAU-Berlin, 

LiNDNER-Berlin, 

W.  MAGNUS-Berlin, 

MEZ-Halle, 


(1^) 


Bericht  über  die  vierunclzwanzigste  Generalversammlung. 


MiEHE-Leipzig, 

NEMEC-Prag, 

ORTH-Berlin, 

PAZSCHKE-Dresden, 

PiLGEß-Berlin, 

PRINGSHEIM-Breslau, 

KEINHARDT-Berlin, 

ROSS-Mflnchen, 

SCHERFFEL-Iglö, 

SCHWENDENER-Berliii, 

SiMON-Leipzig, 

SOLEREDER-Erlangen, 

ÖONDER-Oldesloe, 

THOMS-Berliu, 


THOST-B  erlin, 

ÜLE-Berliu 

1 

VOIGT-Hamburg, 
VOLKENS-Berlin, 
WÄCHTER-Berlin, 
WARBURG-Berlin, 

V.  Wettstein- Wien, 

WiELER-Aachen, 
Hans  WiNKLER-Tübingen, 
Hubert  WiNKLER-Breslau» 
•WITTMACK-Berlin, 
ZACHARIAS-Hamburg, 
ZÖRNIG-München. 


Als  Gäste  wohnten  den  Sitzungen  bei  die  Herren: 


PH.  Fischer, 

Fritzsche, 

Heinze, 

Jacobi, 

Kalkowski, 


Ledien, 
Schmidt, 
G.  Simon, 
Thiele, 
Wollenweber. 


Am  12.  September  fand  zunächst  die  Generalversammlung  in 
einem  Saale  des  Ausstellungsgebäudes  am  Stübelplatz  statt.  Um 
9  Uhr  15  Minuten  eröffnete  der  Präsident,  Herr  SCHWENDENER,  die 
Sitzung  und  begrüsste  die  im  Yergleich  zu  früheren  Versammlungen, 
ausserordentlich  zahlreich  erschienenen  Mitglieder  und  Gäste.  —  Da 
in  diesem  Jahre  der  Rechnungsabschluss  und  der  Voranschlag  für 
das  folgende  Jahr  den  Teilnehmern  an  der  Sitzung  als  „erstes 
Generalversammlungsheft"  gedruckt  vorlag,  konnte  nach  einer  kurzen 
Mitteiluno;  über  die  Mit^liederzahl  und  den  Vermögensstand  der 
Gesellschaft  seitens  des  Präsidenten  die  Verlesung  des  Rechnungs- 
abschlusses auf  einige  ganz  kurze  Mitteilungen  beschränkt  werden. 
In  Vertretung  des  durch  Krankheit  am  Erscheinen  verhinderten. 
Schatzmeisters,  Herrn  OTTO  MÜLLER,  verlas  der  stellvertretende 
Sekretär,  Herr  WÄCHTER,  diesen  kurzen  Bericht,  worauf  dem  Schatz-^ 
meister  unter  Anerkennung  seiner  Verdienste  um  die  Kassen- 
verwaltung Entlastung  erteilt  wurde. 

Als  dritter  Punkt  der  Tagesordnung  (vgl.  §  15  des  Reglements) 
erfolgten  die  nach  §  20  der  Statuten  vorzunehmenden  Neuwahlen. 
Herr  L.  WlTTMACK  schlug  vor,  unseren  bisherigen  Präsidenten 
wiederzuwählen;  der  Vorschlag  wurde  angenommen  und  Herr 
SCHWENDENER  einstimmig  wiedergewählt.  Zum  stellvertretenden 
Präsidenten  wurde  auf  Vorschlag  des  Herrn  Kny  Herr  DRUDE  gleich- 


Bericht  über  die  viorundzwanzigste  Generalversammlung.  (1^) 

falls  einstimmig  durch  Zuruf  gewcählt.  Beide  Herren  erklärten  sich 
bereit,  die  Wahl  anzunehmen.  —  Die  Ausschussmitglieder  für  das 
Jahr  1908  wurden  in  üblicher  Weise  durch  Stimmzettel  gewählt. 
Das  Ergebnis  der  Wahlen  war  folgendes: 

Präsident:  Herr  S.  SCHWENDENER, 

Stellvertreter  des  Präsidenten:      „  0.  DRUDE. 

Mitglieder  des  Ausschusses:      „  CORRENS-Leipzig, 

„  FÜNFSTÜCK-Stuttgart, 

„  HABERLANDT-Graz, 

„  HEINRICHER-Innsbruck, 

„  KLEBS-Halle  (jetzt  Heidelberg) 

„  MOLISOH-Prag, 

„  NOLL-Bonn  (jetzt  Halle), 

„  OLTMANNS-Freiburg  i.  B., 

„  SCHRÜTER-Zürich, 

„  Graf  zu  SOLMS-LAUBACH-Strass- 

burg  i.  E., 

„  STAHL-Jena, 

„  V.  TUBEUF-München, 

„  V.  YOCHTING-Tübingen, 

„     V.  Wettstein -Wien, 

„      ZACHARIAS-Hamburg. 

Es  folgten  die  Wahlen  der  anlässlich  der  Jubiläumsfeier  neu 
aufzunehmenden  Ehren-  und  korrespondierenden  Mitglieder,  ebenfalls 
durch  Zettelabstimmnng.  Die  Vorschläge  für  diese  Wahlen  waren 
ordnungsgemäss  in  drei  genügend  unterstützten  Anträgen  der  General- 
versammlung vorgelgt  worden.  Am  Zählen  der  Stimmzettel  be- 
teiligten sich  ausser  dem  Sekretär  die  Herren  BAUR,  SIMON  und 
Lehmann,  während  Herr  CLAUSSEN  während  dieser  Zeit  die  Protokoll- 
führung in  der  Sitzung  übernahm. 

Herr  SCHWENDENER  gedachte  sodann  der  seit  der  letzten 
Generalversammlung  verstorbenen  Mitglieder;  die  Anwesenden  ehrten 
das  Andenken  an  die  Verstorbenen  durch  Erheben  von  ihren  Plätzen. 
—  Im  Manuskript  lagen  nur  zwei  Nachrufe  vor,  auf  F.  HEGELMAIER 
von  K.  GOEBEL  und  auf  CARL  MÜLLER  von  L.  KNY  [vgl.  S.  (32) 
und  S.  (40)]. 

Des  weiteren  teilte  Herr  SCHWENDENER  mit,  dass  Herr  OTTO 
ÄIÜLLER  sein  Amt  als  Schatzmeister  unserer  Gesellschaft  mit  Ablauf 
dieses  Jahres  aus  Gesundheitsrücksichten  niederlegen  werde;  im 
Namen  der  Gesellschaft  dankte  der  Präsident  dem  Schatzmeister  für 
seine  langjährige  Mühewaltung  im  Interesse  der  Deutschen  Botanischen 
Gesellschaft  und  wies  auf  die  im  vorliegenden  ersten  General- 
versammlungsheft   niedergelegten    Übersichten    hin.  —  Auf    wenigen 

(2*) 


flG')  Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Generalversammlung. 

inhaltsreichen  Seiten  hat  Herr  OTTO  MÜLLER  hier  in  Tabellenform 
über  die  Entwickelung  unserer  Gesellschaft  in  den  25  Jahren  ihres 
Bestehens  berichtet.  —  Als  Nachfolger  des  Herrn  OTTO  MÜLLER  ist 
inzwischen  Herr  OTTO  APPEL  in  der  Sitzung  vom  25.  Oktober 
gewählt  worden,  und  zwar  unter  Zubilligung  einer  jährlichen  Ee- 
muneration  von  300  Älk.  für  einen  Hilfsarbeiter.  Das  Amt  des 
geschäftsführenden  Sekretärs  übernimmt  als  Nachfolger  unseres  so 
plötzlich  aus  dem  Leben  geschiedenen  langjährigen  Sekretärs  CARL 
MÜLLER  Herr  ^\.   WÄCHTER. 

Herr  SCHWENDENER  verliest  dann  einen  kurzen  von  Herrn 
GURKE  eingesandten 

Bericht  der  Kommission  für  die  Flora  von  Deutschland. 

^  „Tiie    Zusammenstellung    der    Beobachtungen    über    die 

Phanerogamen  aus  den  Jahren  1902 — 1903  ist  von  Herrn 
von  DaLLA  ToRRE  fertiggestellt  worden  und  soll  in  diesem 
bzw.  im  nächsten  Jahrgang  der  Berichte  erscheinen.  Für 
die  Kryptogamen  ist  die  Zusammenstellung  für  denselben 
Zeitraum  noch  in  Arbeit.  Es  ist  zu  hoffen,  dass  diese  im 
nächsten  Jahrgang  Abdruck  gebracht  w^erden  kann. 

Für  die  Jahre  1904—1905  hat  Herr  von  Dalla  ToRRE 
inzwischen  die  Arbeiten  über  die  Phanerogamen  so  weit 
gefördert,  dass  sich  vermutlich  der  Druck  unmittelbar  an 
den  der  Kryptogamen  anschliessen  kann." 

Seitens  des  neu  zu  gründenden  allgemeinen  „Unterrichtsaus- 
schusses", der  an  Stelle  der  bisherigen  Unterrichtskommission  der 
Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  ins  Leben  gerufen 
werden  soll,  ist  ana^efrao-t  worden,  ob  sich  unsere  Gesellsciiaft  an 
den  Bestrebungen  des  Ausschusses  (in  erster  Linie  Förderung  des 
biologischen  Unterrichtes  in  den  Oberklassen  der  höheren  Schulen) 
beteiligen  wolle.  Eine  definitive  Antwort  wurde  nicht  erteilt,  sondern 
auf  Vorschlag  des  Präsidenten  soll  die  Frage  dem  Vorstaude  in  Berlin 
zur  näheren  Besprechung  und  Beantwortung  übertragen  werden. 
(Inzwischen  ist  eine  Beteiligung  in  der  Vorstandssitzung  vom  27.  De- 
zember beschlossen  worden.) 

Als  nächster  Punkt  der  Tagesordnung  folgt  die  Wahl  des  Ortes 
und  der  Zeit  für  die  nächste  Generalversammlung.  Es  wird  be- 
schlossen, gemeinsam  mit  der  „Vereinigung  für  angewandte  Botanik" 
und  der  „Freien  Vereinigung  der  systematischen  Botaniker  und 
Pflanzengeographen"  anfangs  August  1908  in  Strassburg  i.  E.  zu 
tagen.  Durch  die  gemeinsame  Tagung  mit  den  beiden  anderen 
botanischen  Vereinigungen  scheint  endlich  ein  Weg  gefunden 
zu    sein,     die    früher    oft    so    unangenehm    empfundene    Beschluss- 


Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Generalversammlung.  (17) 

Unfähigkeit  der  Generalversammlung-  aus  der  Welt  zu  schaffen.  Die 
starke  Beteiligung  an  der  diesjährigen  Dresdener  Versammlung  ver- 
danken wir  ohne  Frage  grösstenteils  dem  Umstände,  dass  die  beiden 
genannten  Gesellschaften  bereits  in  Dresden  versammelt  waren,  als 
unsere  Generalversammlung  ihren  Anfang  nahm. 

Den  Schluss  der  geschäftlichen  Angelegenheiten  bildete  ein 
Antrag  LINDAU  auf  Statutenänderung.  Herr  LINDAU  begründete 
seinen  Antrag,  indem  er  ausführte,  dass  seiner  Meinung  nach  manche 
Bestimmungen  der  Statuten  nicht  mehr  zeitgemäss  seien;  verschiedene 
Paragraphen  müssten  dem  Bürgerlichen  Gesetzbuch  angepasst  werden; 
die  auswärtigen  Mitglieder  sollten  einen  grösseren  Einfluss  auf  die 
Geschäftsführung  erhalten;  die  statutengemäss  zu  den  Aufgaben  der 
Gesellschaft  gehörende  Unterstützuno-  besonderer  wissenschaftlicher 
Arbeiten  sei  wegen  der  schlechten  Finanzlage  bisher  nicht  genügend 
beachtet  worden,  und  die  Mitgliedsbeiträge  müssten  unbedingt  erhöht 
werden.  Es  entspinnt  sich  eine  lebhafte  Debatte,  an  der  die  Herren 
SCHWENDENER,    KNY,    WITTMACK,  VOLKENS,    DRUDE,    REINHARDT, 

Dingler,  Zacharias,   Gilg,  Warburg,  FCnfstCck  und  Brick 

teilnalnuen.  Im  allgemeinen  ist  wenig  Stimmung  für  den  Antrag  des 
Herrn  LINDAU  vorhanden,  aber  schliesslich  kommt  man  dahin  überein, 
eine  Kommission  zu  wählen,  die  vor  der  nächsten  Generalversammlung 
den  Mitgliedern  das  Resultat  ilirer  Beratungen  —  ob  und  in  welcher 
Weise  eine  Statutenänderunii-  wünschenswert  erscheint  —  bekannt 
geben  soll.    In  dieseKommission  werden  gewählt  die  Herren  DRUDE, 

Kny,  Lindau,  Yolkens  und  Zacharias. 

Nach  einer  dreiviertelstündigen  Pause  fand  unter  dem  Yorsitz 
des  Herrn  SCHWENDENER  um  12  Uhr  die  erste  wissenschaftliche 
Sitzung  statt.  Herr  WiNKLEß-Tübingen  hielt  seinen  angekündigten 
Vortrag  über  „Parthenogenesis  im  Pflanzenreich". 

„Dai)  der  Vortrag  in  erweiterter  Form  als  Monographie  der 
pflanzlichen  Parthenogenesis  und  Apogamie  demnächst  im  Progressus 
rei  botanicae  erscheinen  wird,  sei  hier  nur  eine  ganz  kurze  Inhalts- 
übersicht gegeben. 

Es  wurde  zunächst,  da  unter  den  Forschern,  die  sich  mit  dem 
Parthenogesis-Problem  beschäftigt  haben,  eine  Übereinstimmung 
über  die  anzuwendende  Nomenclatur  und  Begriffsumgrenzung  noch 
nicht  erzielt  worden  ist,  eine  Definition  der  wichtigsten  Begriffe  ge- 
geben, und  zwar  unterschieden:  1.  Amphimixis,  d.  i.  die  normale 
geschlechtliche  Fortpflanzung,  2.  Pseudomixis,  d.  i.  der  Ersatz  der 
echten  geschlechtlichen  Fortpflanzung  durch  einen  pseudosexuellen 
Kopulationsprozess  zweier  nicht  als  spezifische  ßefruchtungszellen 
differenzierter    Zellen    (Beispiel:    Lastrca    pseudojnas   polydactijla    und 


1)  Vom  Vortragenden  für  diesen  Bericht  eingesandt. 


ng)  Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Generalversammlung. 

vielleicht  die  üredinee.n\  und  3.  Apomixis,  d.  i.  der  Ersatz  dor 
verlorenen  geschlechtlichen  Fortpflanzung  durch  einen  anderen,  un- 
geschlechtlichen Yerniehrungsvorgang.  Als  Unterabteilungen  der 
Apomixis  wurden  dann  unterschieden:  a)  vegetative  Propagation,  d.  i. 
der  Ersatz  der  durch  Befruchtung  entstandenen  Keime  durch  Aus- 
läufer, Adventivsprosse,  Adventivembryonen  usw.,  b)  Apogamie, 
d.  i.  die  apomiktlscho  Entstehung  eines  Sporophyten  aus  vegetativen 
Zellen  des  Gametophyten,  und  c)  Parthenogenesis,  d.  i.  die  apomik- 
tische  Entstehung  eines  Sporophyten  aus  einem  Ei.  In  den  beiden 
letzten  Fällen,  also  sowohl  bei  der  Apogamie  wie  bei  der  Partheno- 
genesis, wurde  dann  noch  unterschieden  zwischen  somatischer  und 
generativer  Apogamie  resp.  Parthenogenesis,  je  nachdem  in  den 
Zellen,  die  als  Ausgangspunkt  der  apomiktischen  Keimentstehung 
dienen,  die  haploide  oder  die  diploide  Chromosomeuzahl  vorkommt. 
Wenn  also  die  Mutterzellen  des  Sporophyten  bei  Apogamie  nur  die 
haploide  Chromosomenzahl  führen,  so  liegt  generative  Apogamie  vor, 
besitzen  sie  von  vornherein  die  diploide  Chromosomenzahl,  so  ist  es 
somatische  Apogamie.     Und    entsprechend    bei    der    Parthenogenesis. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  wurden  nun  im  ersten  Teile  des 
Vortrages  die  bisher  mit  einiger  Sicherheit  bekannten  Fälle  kurz 
durchgesprochen,  und  zwar  zunächst  die  somatische  Apogamie 
(Beispiel:  Athijrium  fiiix-femina  var.  clavissima  Jones),  dann  die 
generative  Apogamie  (Beispiel:  Nephrodium  molle),  liierauf  die 
somatische  Parthenogenesis  (Beispiel:  Ante?maria  alpinci)  und  endlich 
die  generative  Parthenogenesis  (Beispiel:  Spirogi/ra). 

Im  zweiten  Teile  des  A^ortrages  kamen  dann  die  theoretischen 
Fragen,  die  das  Parthenogenesis-Problem  bietet,  zur  kurzen  Be- 
sprechung, so  die  Frage  nach  dem  Wesen,  der  Ursache  und  der 
Auslösung  von  Parthenogenesis  und  Apogamie,  die  Beziehungen 
beider  Apomixis-Arten  zur  geschlechtlichen  und  ungeschlechtlichen 
Fortpflanzung,  ihre  biologische  Bedeutung  und  ihr  Verhältnis  zur 
Vererbung,  Variabilität,  Mutation  und  Artbildung." 


Im  Anschluss  an  den  WiNKLER'scheu  Vortrag  bericlitete  Herr 
WiTTMACK  über  „Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern";  der  Aufsatz 
ist  bereits  im  8.  Heft  dieses  Jahrganges,  S.  479  fl^.,  zum  Abdruck  ge- 
langt. Schliesslich  demonstrierte  Herr  Kny  eine  Anzahl  seiner 
neuen,  bisher  noch  niclit  publizierten  Wandtafeln. 

Am  Nachmittage  folgte  eine  grosse  Zahl  der  Teilnehmer  der 
freundlichen  Einladuntr  des  Herrn  DRUDE  zur  Besichtigung  des 
botanischen  Gartens  und  abends  6  Uhr  versammelte  sich  die  3[ehr- 
zahl  der  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  und  der  Gäste  zu    dem    an- 


Bericht  über  die  vieruudzwuDzigste  GcnoralversammluD"'. 


(19) 


lässlich  des  Jubiläiinis  stattfindenden  Festessen  auf  dem  Könialicheii 
Belvedere.  Herr  SCHWENDENER  hiess  die  Mitglieder  und  Gäste 
willkommen  und  wies  auf  die  Bedeutung  des  Tages  hin,  Herr 
KaLKOWSKT  überbrachte  unserer  Gesellschaft  die  Glückwünsche  des 
Dresdener  naturwissenschaftlichen  Vereins  „Isis",  Herr  ENGLER  be- 
o'lückwünschte  die  Gesellschaft  im  Namen  der  „Freien  Vereinigung 
der  systematischen  Botaniker  und  Pflanzengeographen",  Herr 
ZaCHARIAS  sprach  im  Namen  der  „Vereinigung  für  angewandte 
Botanik"  und  Herr  V.  WETTSTEIN  toastete  auf  unseren  Präsideuten. 
Herr  SCHWENDENER  Hess  seinen  Dank  ausklingen  in  einem  Hoch 
auf  „die  schöne  Stadt  Dresden". 

Am  Freitag,  den  13.  September,  morgens  9  Uhr  50  Min.  eröffnete 
der  Präsident,  Herr  SCHWENDENER,  die  Festsitzung  mit  einer  Rede, 
die  im  vorliegenden  zweiten  Generalversammlungsheite,  S.  (21ff.),  ab- 
gedruckt ist.  —  Im  Anschluss  an  die  Festrede  verkündete  Herr 
SCHWENDENER  das  Ergebnis  der  am  Donnerstag  stattgefundenen 
Wahlen  der  Ehren-  und  korrespondierenden  Mitglieder. 


Zu  Ehrenmitgliedern  waren  gewählt  worden  die  Herren 

BOWER-Glasgow, 

PRAIN-Kew, 

YAN  TIEGHEM- Paris, 

THAXTER-  Cambridge  Mass., 

und  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  die  Herren: 


Th.  Fries -Uppsala, 

NATHORST-Stockholm, 
NAWASCHIN-Kiew, 
WINOGRADSKY-  St.  Petersburg. 


DE  WILDEMAN- Brüssel, 

Massart- Brüssel, 

JOHANNSEN  -  Kopenhagen, 
FLAHAULT  -  Montpellier. 

Stapf -Kew, 

HEMSLEY-Kew, 
BROTHERUS-Helsiugfors, 
ELFVING-Helsingfors, 
BEIJERINCK-Delft, 
CaVARA- Neapel, 
PeNZIG- Genua, 
Ml  YOSHI- Tokyo, 
IKENO  -  Tokyo, 


MATSUMURA-  Tokyo, 

Wille -Kristiania, 

ROBINSON- Cambridge,  Mass., 

TRELEASE-St.  Louis  (U.  S.  A.), 

HARPER-Madison  (ü.  S.  A.), 

V.  LaGERHEDI- Stockholm, 

BRIQUET-Genf, 

C.  DE   CANDOLLE-Genf, 

CHODAT-Genf, 

PALLADIN-St.  Petersburg, 

ROTHERT- Odessa, 

Willis -Peradeniya  (Ceylon), 

RlDLEY-Singapore. 


„Das  sind  die  Auszeichnungen,"  so  schloss  Herr  SCHWENDENER, 
„welche  die  Generalversammlung  aus  Anlass  des  25jährigen  Jubiläums 
beschlossen  hat.  Ich  bemerke  hierzu,  dass  nach  unseren  Satzungen 
nur  auswärtige  Fachgenossen,  d.  h.  solche,  welche  in  nicht-deutschen 
Ländern  tätig  sind,  für  die  genannten  Auszeichnungen  in  Frage 
kommen.     Deutsche,  die  im  Inlande  wohnen,  sind  ausgeschlossen. 


(20)  Bericht  über  die  vierundzwanzigste  Generalversammlun;^. 

Indem  wir  ausländische  Kolles-en  in  den  Verband  unserer 
Gesellschaft  aufnehmen,  sei  es  als  Ehren-  oder  als  korrespondierende 
Mitglieder,  beseelt  uns  dabei  der  aufrichtige  Wunsch,  ihnen  damit 
ein  Zeichen  der  Anerkennung  für  ihre  wissenschaftlichen  Leistungen 
darzubieten.  Es  ist  eine  Ehrung,  die  wir  den  genannten  Kollegen 
zugedacht  haben  und  als  solche  wird  die  Wahl  auch  von  ihnen  — 
so  hoffen  wir  —  aufgefasst  werden. 

Ich  sende  den  neugewählten  Mitgliedern  im  Namen  unserer 
Gesellschaft  kollegialen  Gruss  in  die  Ferne  und  drücke  ihnen  im 
Geiste  die  Hand." 

Glückwunschtelegramme  waren  eingetroffen  von  Herrn  EMIL 
Chr.  Hansen  aus  Kopenhagen  und  Herrn  OTTO  MÜLLER,  unserem 
Schatzmeister.  Herr  YOLKENS  beglückwünschte  die  Gesellschaft  im 
Namen  des  botanischen  Vereins  der  Provinz  Braudenburg  und  Herr 
Drude  drückte  seine  Freude  darüber  aus,  dass  unsere  Gesellschaft 
Dresden  als  Ort  ihrer  Jubiläumsfeier  gewählt  habe:  er  gab  eine 
kurze  historische  Übersicht  über  die  Dresdener  botanischen  Verhält- 
nisse seit  Anfang  des  neunzehnten  Jahrhunderts  und  wies  darauf 
hin,  dass  in  Dresden  schon  seit  vielen  Jahrzehnten  unsere  Wissen- 
schaft eine  Heimstätte  gefunden  habe.  —  Herr  SCHWENDENER 
dankte  dem  Herrn  Vorredner  für  seine  Ansprache  und  schloss  die 
Festsitzung. 

Es  fokte  unter  dem  Vorsitz  des  Herrn  DRUDE  noch  eine  kurze 
wissenschaftliche  Sitzung,  in  der  Herr  WiNKLER- Tübingen  einen 
Pfropfbastard  demonstrierte.  Herrn  WiNKLER's  Ausführungen,  die 
unter  dem  Titel  „Über  Pfropf  bastarde  und  pflanzliche  Chimären"  im 
Dezemberheft,  S.  508,  bereits  abgedruckt  wurden,  riefen  eine  leb- 
hafte Diskussion  hervor,    an    der    sich    die  Herren  BauR,  CORRENS, 

Drude,   Engler,  Kny,  v.  Wettstein  und  Zacharias  beteiligten. 

Damit  war  der  offizielle  Teil  der  Generalversammlung  und  der 
Jubiläumsfeier  beendigt  und  Herr  DRUDE  forderte  die  anwesenden 
Herren  zur  Teilnahme  an  einer  längeren  Exkursion  in  die  Sächsische 
Schweiz  auf. 

ßass  wir  mit  Befriedigung  auf  die  Dresdener  Versammlung 
zurückblicken,  verdanken  wir  —  abgesehen  von  der  grossen  Teil- 
nehmerzahl und  der  günstigen  Lage  Dresdens  als  Kongressstadt  — 
in  erster  Linie  der  Umsicht  und  dem  Entgegenkommen  des  Herrn 
Drude,  der  die  Aufgabe  mit  Glück  gelöst  hatte,  den  Mitgliedern 
dreier  Botanikervereinigungen,  dazu  noch  kurz  vor  der  Versammlung- 
Deutscher  Naturforscher  und  Arzte,  Dresden  zu  einem  angenehmen 
Aufenthaltsort  zu  gestalten. 

S.   SCHWENDENER  W.  WÄCHTER 

z.  Z.  Präsident.  als  Schriftführer. 


Rede, 


gehalten    in    der    Festsitzung    der    Deutschen    Botanischen    Gesellschaft    zur    Feier 
ihres  25jährigcn  Bestehens  am  13.  September  1907 

von  S.  Schweudeucr. 


Meine  Herren!  AVir  haben  uns  heute  hier  versammelt,  um  das 
'25  jährige  Bestehen  unserer  Gesellschaft  in  bescheidener  Weise  zu 
feiern  und  ihrer  bisherigen  Wirksamkeit  ein  freudiges,  wenn  auch 
von  Enttäuschungen  nicht  ganz  freies  Gedenken  zu  widmen.  Zu 
diesem  Behufe  sei  es  mir  gestattet,  zunächst  einen  flüchtigen  Blick 
auf  die  Gründungsgeschichte  der  Gesellschaft  zu  werfen  und  dann 
etwas  eingehender  bei  ihren  bisherigen  Leistungen,  bei  dem,  was- 
erreicht  und  was  nicht  erreicht  ist,  zu  verweilen. 

Die  Anregung  zur  Gründung  einer  „Deutschen  Botanischen  Ge- 
sellschaft" ging  bekanntlich  von  Frings  heim  aus,  der  die  neue 
Gesellschaft  durch  Erweiterung  des  botanischen  Vereins  der  Provinz, 
Brandenburg,  dem  er  als  Mitglied  angehörte,  ins  Leben  zu  rufen  ge- 
dachte und  demgemäss  einen  darauf  abzielenden  Antrag  einbrachte. 
Dieser  Gedanke  wurde  denn  auch,  als  er  zum  ersten  Mal  ausge- 
sprochen und  begründet  wurde,  im  Schosse  des  Vereins  vorwiegend 
beifällig  aufgenommen,  stioss  aber  doch  bei  einzelnen  Mitgliedern 
auf  lebhabten  Widerstand,  und  diese  Gegner  der  Umwandlung  stellten 
Gegenanträge.  Sie  gedachten  dabei  mit  warmen  Worten  der  mannig- 
fachen Anregungen,  die  der  Verein  in  seiner  bisherigen  Wirksamkeit 
geboten  habe,  und  gaben  zugleich  der  Befürchtung  Ausdruck,  dass 
die  geplante  Änderung  zahlreichen  Mitgliedern,  zumal  den  Floristen, 
nur  Enttäuschungen  bringen  werde.  Es  fiel  auch  wohl  gelegentlich, 
ein  hartes  Wort  über  die  anspruchsvolle  neuere  Richtung  in  der 
Botanik,  die  sich  einbilde,  alles  besser  zu  machen  und  höher  zu 
fliegen. 

Solche  Reden    und    Warnungen    blieben    nicht    ohne    Wirkung;. 


(22)  S.  SCHWENDENER: 

manche  Mitglieder  wurden  unschlüssig  oder  geradezu  umgestimmt. 
Und  als  dann  die  Angelegenheit  in  der  Oktoberversammlung  zur  Ab- 
stimmung gebracht  wurde,  ergab  sich  eine  Majorität  zu  Gunsten  der 
Erhaltung  des  Vereins.  Die  Erweiteruno-  desselben  war  also  ab- 
gelehnt;  doch  sollte  jede  Kollision  mit  der  neuen  Gesellschaft  ver- 
mieden werden.  Inzwischen  hatten  auch  bereits  zahlreiche  Mito-lieder 
des  Vereins  ihren  Beitritt  zur  Deutschen  Botanischen  ( Jesellschaft  zu- 
^■esagt,  und  eine  aus  16  Mitgliedern  bestehende  Kommission  war 
beauftragt  worden,  alle  Vorbereitungen  zu  treffen,  um  unter  allen 
Umständen  die  Gründung  dieser  Gesellschaft  unverzüglich  in  die 
Weffe  zu  leiten. 

In  den  Sitzungen  dieser  Kommission  -  und  mehr  noch  in  ver- 
traulichen Privatbesprechungen  —  kamen  gelegentlich  recht  weit- 
gehende Pläne  zur  Sprache,  welche  zwar  vorläufig  wenig  Beifall 
fanden,  aber  später  —  auf  der  1.  Generalversammlung  zu  Frei- 
burg i.  Br.  —  doch  zu  dem  formellen  Antras;  Buchenau-Uechtritz 
führten,  dahin  gehend:  „die  Gesellschaft  wolle  ein  Zentralherbarium 
der  deutschen  Flora  und  eine  dazu  gehörige  Bibliothek  anlegen", 
natürlich  mit  entsprechenden  Arbeitsräumen.  Zu  diesem  Zwecke 
sollte  nach  einem  weiteren  Antrao;  von  ANDREE  die  deutsche  Reichs- 
regierung  um  eine  angemessene  Subvention  ersucht  werden. 

Es  gehörte  nicht  viel  Phantasie  dazu,  um  solche  Anregungen  in 
Gedanken  weiter  zu  verfoloen  und  schliesslich  zu  einem  nur  bota- 
nischen  Zwecken  dienenden  Monumentalgebäude  auszugestalten.  Und 
wne  schön  wäre  es  gewesen,  welche  Genugtuung  für  uns  in  Berlin, 
wenn  wir  unsere  auswärtigen  Kollegen,  welche  zum  ersten  Mal  die 
Reiehshauptstadt  besuchen,  in  diesen  Neubau  hätten  einführen  können 
mit  dem  Bemerken:  Seht,  das  ist  das  Haus  der  Deutschen  Bota- 
nischen Gesellschaft: 

Auf  Säulen  ruht  sein  Dach, 

Es  glänzt  der  Saal,  es  schimmert  das  Gemach. 

Allein  so  ist  es  nicht  gekommen,  das  war  in  der  Tat  eitel 
Phantasie.  Alle  diese  weitausschauenden  Pläne  wurden  schon  in 
<ler  Diskussion  vielfach  beanstandet  und  dann  bei  der  Abstimmung 
so  put  wie  enduültio-  beo-raben,  nach  dem  Wortlaut  des  Protokolls 
allerdings  nur  vorläufig,  wie  es  im  Amendement  ÜECHTRITZ- 
ASCHEßSON-NüLDEKE  formuliert  war;  aber  in  den  abgelaufenen  25 
Jahren  hat  Niemand  daran  gedacht,  diese  Anregungen  wieder  wach 
zu  rufen.  Der  konstituierenden  Versammlung  in  Eisenach  (im 
September  1882)  sind  nur  solche  Ziele  zur  Prüfung  und  Beschluss- 
fassung vorgelegt  worden,  welche  damals  auch  ohne  Reichsmittel 
erreichbar  schienen,  und  auch  diese  sind  in  Wirklichkeit  nur  teil- 
weise erreicht  worden.     Ich  will  hier  bloss  daran  erinnern,    dass  die 


Festrede.  ('23) 

Herausgabe  von  Abhandlungen  neben  den  „Berichten"  (?;  4),  ebenso 
die  Unterstützung  monographischer  Bearbeitungen  einzelner  Genera 
(Autrag  ENGLER^)  unterbleiben  mussten,  weil  die  vorhandenen  Mittel 
nicht  ausreichten. 

Man  kann  über  den  Ausfall  der  Abstimmungen  und  über  die 
hierdurch  oezoiienen  Schranken  unserer  Tätigkeit  verschiedener 
Ansicht  sein.  Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  es  stets  als  eine  glück- 
liche Wendung  betrachtet,  dass  wir  von  all'  den  Sorgen  und  Mühen, 
welche  die  Verwaltung  eines  Herbars  und  einer  Bibliothek  verursacht 
haben  würde,  frei  geblieben  sind.  Wir  waren  nun  in  der  relativ 
o-ünstioen  Las-e,  unsere  Einnahmen  in  erster  Linie  für  die  Heraus- 
gäbe  der  „Berichte"  zu  verwenden  und  dieselben  nach  Inhalt  und 
Umfang,  sowie  namentlich  auch  durch  rasche  Veröffentlichung  der 
Einsenduno-en  so  zu  gestalten,  dass  sie  in  botanischen  Kreisen  an 
werbender  Kraft  mehr  und  mehr  gewannen  und  dadurch  auch  eine 
allmähliche  Erstarkung  der  Gesellschaft  bewirkten. 

Das  sind  die  zwei  Errungenschaften,  auf  die  wir  heute  mit  Be- 
friediouno'  hinweisen  können:  einmal  die  Leistungen  der  „Berichte" 
und  dann  der  erfreuliche  Stand  der  Mitgliederzahl.  Diese  betrug 
am  Schlüsse  des  Gründungsjahres  279,  im  zweiten  Jahre  302  und 
stieg  dann  langsam  auf  400  und  etwas  darüber;  das  war  in  den  90er 
Jahren  die  Xormalziffer.  Im  neuen  Jahrhundert  erfolgte  sodann  ein 
weiteres  Steigen  bis  zur  Höhe  von  459,  zuletzt  bis  482. 

Unser  Schatzmeister,  Herr  Dr.  OTTO  MÜLLER,  hat  über  diese 
Zahlenverhältnisse,  die  ich  im  Vorhergehenden  nur  kurz  berührt 
habe,  eine  eingehende  Statistik  ausgearbeitet,  in  welcher  auch  die 
verschiedenen  Kateoorien  der  Mitolieder,  ordentliche  und  ausser- 
ordentliche,  deutsche  und  niclitdeutsche  usw.  berücksichtigt  sind. 
Sie  enthält  manche  Einzelheiten,  die  Beachtung  verdienen.  Da  sie 
jedoch  bereits  gedruckt  vorliegt,  so  hebe  ich  daraus  nur  die  eine 
Tatsache  hervor,  dass  die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  von 
1882  bis  1906  von  227  auf  4G3  gestiegen  ist,  also  im  Verhältnis  von 
1  :  2,04.  Betrachten  wir  jedoch  die  verschiedenen  Länder  getrennt, 
jedes  für  sich  allein,  so  bleibt  das  Deutsche  Reich  mit  1,53,  Österreich- 
Ungarn  mit  1,8  hinter  der  Durchschnittsziffer  zurück,  während  England 
und  Italien  und  ebenso  Amerika  auf  ihren  Gebieten  mit  viel 
höheren  Ziffern,  z.  B.  7  bis  9  an  der  durchschnittlichen  Zunahme  be- 
teiligt sind.  Daraus  ergibt  sich  übrigens  nur,  dass  die  Leistungen 
unserer  Gesellschaft  im  Auslande  eine  mit  den  Jahren  steigende 
Beachtung  und  Anerkennung  gefunden  haben. 

Diese  Verhältuiszahlen  kommen  sehr  augenfällig  zum  Ausdruck, 
wenn    wir    die  Änderuno-en  im  Bestände  der  Gesellschaft  durch  drei 


1)  In  Freiburg  i.  Br.  mit  grosser  Majorität  augciiomnicn. 


(24)  S.  SCHWENDENER: 

Kurven  veraiischauliclieii,  deren  Ordinaten  den  angegebenen  Mit- 
gliederzahlen in  den  aufeinander  folgenden  Jahren  entsprechen,  so 
zwar,  dass  Kurve  I  sich  nur  auf  das  Deutsche  Reich,  Kurve  II  auf 
das  Deutsche  Reich  und  Österreich-Ungarn,  Kurve  III  auf  die  Ge- 
samtzahl der  Mitglieder  bezieht. 

Eine  ähnliche  Zusammenstellung  unseres  Schatzmeisters  betrifft 
die  Herstellungskosten  der  „Berichte"  im  Verhältnis  zum  Umfang 
derselben.  Das  Ergebnis  bestätigt  das  günstige  Urteil,  das  ich  vorhin 
auf  (jrund  eigener  Eindrücke  —  ich  hoffe  in  Übereinstimmung  mit 
der  Ansicht  der  Mitglieder  —  ausgesprochen  habe.  Es  muss  auch 
bei  genauester  Prüfung  anerkannt  werden:  Wir  dürfen  auf  die- 
Entwicklung  der  Gesellschaft  und  auf  die  Leistungen,  welche 
in  den  „Berichten"  niedergelegt  sind,  mit  Befriedigung 
zurückblicken. 

Weniger  günstig  —  ja  ich  darf  wohl  sagen  unbefriedigend  — 
sind  im  Durchschnitt  die  Erfahrungen  betreffend  die  Beteiligung  an 
den  Jahresversammlunoen.  Sehen  wir  ab  von  den  grossen  Städten 
wie  Berlin,  Wien,  Hamburg,  München  usw.,  welche  auch  sonst  eine- 
aussergewöhnliche  Anziehungskraft  besitzen,  so  war  der  Besuch  in 
den  meisten  Fällen  ein  recht  spärlicher.  Nicht  weniger  als  sieben 
Mal  waren  wir  beschlussunfähig.  Die  Teilnehmerzahl  sank  in 
Düsseldorf  auf  10,  in  Kassel  und  Meran  auf  13  herunter.  Die  Ein- 
führung der  Sammelreferate,  von  denen  man  sich  eine  Belebung  der 
Versammlungen  versprach,  hat  zwar  im  Allgemeinen  Anklang  ge- 
funden, jedoch  eine  fühlbare  Steigerung  der  Besucherzahl  nicht 
herbeigeführt.  Es  ist  leider  wahr:  Unseren  Jahresversammlungen 
fehlt  die  rechte  Lebensfähigkeit.  Das  Ziel,  das  uns  bei  der  Gründung 
der  Gesellschaft  vorschwebte:  „Durch  die  persönliche  Annäherung 
und  die  kollegialen  Beziehungen  der  Fachgenossen"  ein  gedeihliches 
Zusammenwirken  zu  fördern  und  somit  den  „Schwerpunkt  der  Ge- 
sellschaft" in  die  alloemeinen  Versammlungen  deutscher  Botaniker 
zu  verlegen  —  das  ist  tatsächlich  nicht  erreicht. 

Mit  diesem  Misserfok'  müssen  wir  uns  abfinden,  da  eine  wesent- 
liehe  Besserung  einstweilen  kaum  zu  erwarten,  auch  durch  kein 
Heilmittel  zu  erwirken  ist.  Im  schlimmsten  Falle  trösten  wir  uns 
mit  der  Hoffnung,  dass  unsere  Gesellschaft  auch  ohne  Generalver- 
Sammlungen  gedeihen  kann. 

Es  hätte  keinen  Zweck,  diesen  kurzen  Hinweis  auf  eine  schwache 
Seite  unserer  Betätigung  bei  diesem  Anlass  durch  Reformvorschläge 
zu  ergänzen.  Das  mag  dem  freien  Ermessen  der  Mitglieder  und  der 
Logik  der  Tatsachen  vorbehalten  bleiben  Dagegen  möchte  ich  nicht 
unterlassen,  Ihr  Augenmerk  noch  einmal,  aber  mit  neuen  Zielpunkten, 
unseren  „Berichten"  zuzuwenden,  welche  ja  nicht  bloss  eine  er- 
freuliche Wirksamkeit    der  Gesellschaft    im    allgemeinen    bekunden,. 


Festrede. 


(25) 


solidem  auch  einen  nicht  uninteressanten  Einblick  in  die  wissen- 
schaftlichen Strömungen  gewähren,  welche  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten auf  botanischem  Gebiet  hervorgetreten  sind. 

Zwar  dürfen  wir  nicht  erwarten,  dass  unsere  Veröffentlichuno-en, 
die  ja  nur  einen  kleinen  Bruchteil  der  fachwissenschaftlichen  Ge- 
samtliteratur bilden,  alT  die  Wandlungen  und  neuen  Bestrebungen, 
welche  die  Forschung  seit  der  Gründung  unserer  Gesellschaft  herbei- 
geführt und  gefördert  hat,  in  getreuem  Bilde  wiederspiegle.  Dazu  ist 
die  Spiegelfläche  viel  zu  klein,  aber  es  lässt  sich  doch  nicht  ver- 
kennen, dass  die  meisten  der  neu  aufgetauchten  Fragen,  welche  in 
letzter  Zeit  wiederholt  Gegenstand  der  Untersuchung  gewesen,  auch 
in  unsern  „Berichten"  zur  Sprache  gekommen  sind. 

Einige  Beispiele  mögen  hierfür  als  Belege  dienen.  Ich  erinnere 
zunächst  an  die  Arbeiten,  welche  das  Verhalten  des  Zellkerns  während 
der  Entwickluno-  der  Zellen  und  insbesondere  seine  Bedeutunof  für 
die  Wachstums-  und  Yererbungsvorgänge  beleuchten.  Hierüber 
liegen  Originalmitteilungen  von  HaBERLANDT  (Bd.  5),  BeLAJEFF 
(Bd.  7),  HüMPHREY  (Bd.  l'i),  ZaCHARIAS  (Bd.  5,  7,  20)  und  HARPER 
(Bd.  13)  vor,  ausserdem  ein  ausführliches  Sammelreferat  von 
KOERNICKE  (Bd.  21),  in  welchem  ganz  allgemein  der  gegenwärtige 
Stand  der  pflanzlichen  Zellforschung,  soweit  sie  sich  auf  Kern  und 
Plasma  in  morphologischer  Hinsicht  bezieht,  unter  Berücksichtigung 
der  einschlägigen  Literatur  dargelegt  wird. 

Die  W^ichtigkeit  dieser  Forschungen  liegt  auf  der  Hand,  und 
wenn  auch  die  Ansichten  der  Autoren  in  manchen  Punkten  noch  sehr 
divergieren,  auch  wohl  bei  demselben  Autor  öfter  gewechselt  haben, 
so  ist  doch  soviel  als  festgestellt  zu  erachten: 

1.  dass  die  Chromosomen  des  Zellkerns  die  hauptsächlichsten 
und  vielleicht  die  alleinioen  Trä^-er  der  erblichen  Merkmale  sind, 
und  2.  dass  dieselben  infolge  entsprechender  Teilungen  und  eigen-» 
artiger  Bewegungen  zu  gleichen  Hälften  in  die  Tochterkerne  über- 
gehen. Auch  das  Vorkommen  einer  Reduktionsteilung,  durch  welche 
die  Anzahl  der  Chromosomen  nach  Verschmelzung  der  Kerne 
konstant  erhalten  wird,  darf  in  vielen  Fällen  als  erwiesen  gelten, 
und  hierin  liegt  zugleich  ein  aufklärendes  Moment  für  die  merk- 
würdige Tatsache,  dass  die  Chromosomenzahl  in  den  Zellen  der 
Gametophyten  eine  andere  ist  als  bei  den  Sporophyten.  Das  sind 
zweifellos  Errungenschaften,  welche  eine  wesentliche  Vertiefung 
unserer  Kenntnisse  bedeuten. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Mitteilungen,  die  aber  in  unseren 
„Berichten"  erst  seit  1900  vertreten  ist,  handelt  von  Kreuzungs- 
oder Bastardierungserscheinungen,  worüber  bekanntlich  schon  etwa 
40  Jahre  früher  GREGOR  MENDEL  wichtige  Befunde  veröffentlicht 
hatte,    die    aber    wenig  Beachtung    fanden    und    dann    ganz    in  Ver- 


(26)  S.  SCHWENDENER: 

gesseuheit  gerieten.  Erst  vor  wenigen  Jahren  sind  sie  wieder  ans 
Licht  gezogen  und  durcli  selbständige  Forschungen  bestätigt  worden. 
Es  sind  nur  w^enige  Autoren  deutscher  Abstammung,  eigentlich  nur 
CORRENS  und  TSCHERMAK,  welche  auf  diesem  Gebiete  erfokn-eich" 
tätig  gewesen  sind  und  hierauf  bezügliche  Untersuchungen  auch  in 
den  „Berichten"  mitgeteilt  haben.  Eine  erheblich  stärkere  Be- 
teiligung ist  dagegen,  wie  aus  den  Zeitschriften  zu  entnehmen,  für 
England  und  Amerika  zu  konstatieren,  wo  in  betreff  der  vor- 
kommenden Spaltungen  in  den  hybriden  Generationen  —  ich  meine 
das  sogenannte  Mendeln  —  manches  Neue  festgestellt  werden  konnte. 
In  den  Darlegungen,  welche  hierüber  berichten,  begegnen  wir  oft 
Formeln,  welche  uns  wie  komplizierte  Übungsbeispiele  zur  Lehre 
von  den  Permutationen  und  Kombinationen  anmuten. 

Alle  diese  Forschungen  versprechen  lohnende  Erfolge  für  die 
Zukunft.  Yoraussichtlich  wird  die  Lehre  von  den  Bastarden  in  ab- 
sehbarer Zeit  ein  ganz  neues  und  im  Vergleich  zur  bisherigen  viel 
reicheres  Gepräge  erhalten.  Gegenwärtig  ist  jedoch  eine  kurze 
Zusamenfassung  der  wichtigeren  Resultate,  etwa  für  Vorlesungs-  oder 
Lehrbuchzwecke  noch  nicht  möglich. 

Eine  dritte  Gruppe  von  Mitteilungen,  welche  sich  über  ältere 
und  neuere  Jahrgänge  erstreckt,  liefert  Beiträge  zur  näheren 
Kenntnis  der  Kryptogamen,  insbesondere  der  Algen,  Pilze  und 
Bakterien.  Auf  diesem  Gebiete,  dem  so  manche  Spezialisten  ihre 
Kräfte  widmen,  werden  von  Zeit  zu  Zeit  neue  Fundgruben  er- 
schlossen, ohne  dass  die  alten  aufgehört  hätten,  bebauungsfähig  zu 
sein.  Ich  erinnere  beispielsweise  an  die  Arbeiten  über  Cyanopliyceen^ 
über  die  Apothecienentwicklung  bei  Flechten,  w^o  die  sexuelle  Be- 
fruchtung der  Carpogone  nun  schon  in  einer  ganzen  Reihe  von 
Fällen  wahrscheinlich  gemacht  ist,  dann  an  ähnliche  Vorkommnisse 
bei  den  Pilzen,  worüber  ein  gutes  Sammelreferat  von  CLAUSSEN 
vorliegt,     ferner     an    die    Studien     über    Uredineen    von    KLEBAHN, 

P.  Magnus    und  E.   Fischer,   über  M\j.wmyceien  von  Jahn,   über 

Bacterien  von  COHN,  HANSEN,  ARTHUR  MEYER  u.  a.,  über  Diatomeen 
von  Otto  Müller,  Schutt  und  Karsten.  Es  pulsiert  ein  überaus 
reges  Leben  auf  diesem  ganzen  Gebiet,  und  wenn  auch  manche  der 
neu  aufgedeckten  Einzelheiten  nur  für  den  speziellen  Fachmann  ein 
lebhafteres  Interesse  gewähren,  begegnen  wir  doch  auch  Arbeiten, 
die  von  wesentlich  neuen  Gesichtspunkten  ausgehen  und  neue  Per- 
spektiven eröffnen. 

Noch  wäre  der  zahlreichen  Einsendungen  zu  gedenken,  welche 
sich  auf  deskriptive  und  physiologische  Anatomie  beziehen.  In  dem 
vor  Kurzem  erschienenen  „Registerband"  unserer  Berichte  sind  nicht 
w^eniger    als    etwa    100  Autoren  verzeichnet,    welche  auf  diesem  Ge- 


Festrede.  (27) 

biete  durch  kleinere  oder  grössere  Mitteilungen  vertreten  sind.  Nach 
dem  Gegenstand  der  Untersuchung  geordnet,  würde  sich  eine  ganze 
Reihe  von  Gruppen  ergeben,  die  zum  Teil  auch  in  ausführlichen 
Abhandlungen  und  selbst.ändigen  Werken  der  nämlichen  Autoren 
eine  erwünschte  Ergänzung  gefunden  haben.  Ich  muss  leider  darauf 
verzichten,  alle  diese  Arbeiten  in  bezug  auf  ihre  Tragweite  hier 
näher  zu  beleuchten,  darf  aber  doch  nicht  unterlassen,  in  aller  Kürze 
auf  die  Untersuchungen  über  Siebröhren  von  A.  FISCHER,  über  das 
Assimilationssystem  von  HaBERLANDT,  über  Bau-  und  Funktion  der 
Hydathoden  von  demselben,  über  den  Ort  der  Harzbildung  von 
A.  TSCHIRCH,  über  neue  Mykorhizaformen  von  B.  FRANK,  über 
Lenticellen  von  H.  KLEBAHN  usw.  hinzuweisen.  Einige  dieser 
Untersuchungen  haben  bestimmend  auf  die  heutigen  Anschauungen 
in  der  Gewebelehre  eingewirkt:  andere  sind  bestritten:  die  Ansichten 
divergieren  oder  stehen  sich  sogar  diametral  gegenüber.  Es  fehlt 
auch  an  polemischen  Erwiderungen  nicht,  was  bei  der  grossen  Zahl 
der  Beteiligten  Niemanden  überraschen  wird;  doch  sind  im  All- 
gemeinen, wie  rühmend  anzuerkennen,  die  Grenzen  einer  ruhigen, 
rein  sachlichen  Kritik  nicht  überschritten  worden. 

Neben  der  Anatomie  beansprucht  die  Physiologie  einen  wohl 
noch  grösseren  Teil  des  Raumes.  Sie  erscheint  im  Registerband  mit 
über  200  Autornamen  und  etwa  480  Artikeln.  Von  diesen  beziehen 
sich  einige  wenige  auf  Theorien,  welche  erst  seit  Kurzem  aufgestellt 
sind,  so  z.  B.  auf  die  Statolithentheorie  des  Geotropismus,  auf  die 
Lichtsinnesorgane,  die  Cohäsionsmechanismen  der  Antheren  und 
Sporangieu.  Die  übrigen  behandeln  meist  altbekannte  Fragen,  wie 
z.  B.  die  Assimilation,  die  Transpiration,  das  Saftsteigen,  die  Reiz- 
erscheinungen u.  dgl.,  denen  sie  irgend  eine  neue  Seite  abzuge- 
winnen oder  durch  neue  Experimente  beizukommen  suchen.  Kein 
Zweifel,  es  ist  auch  hier  viel  redliche  Arbeit  geleistet,  zum  Teil  auch 
viel  Geschick  in  der  Erfindung  und  Anwendung  neuer  Methoden 
und  Apparate  bewiesen  worden.  Es  sind  auch  schöne  Erfolge  erzielt, 
manche  Fragen  entschieden  oder  wenigstens  gefördert  worden. 

Aber  unter  den  vielen  Einsendungen  finden  sich  hin  und  wieder 
auch  solche,  die  mehr  verwirrend  als  klärend  gewirkt  haben  Das 
ist  in  Zeitschriften,  deren  Spalten  für  die  wissenschaftliche  Dis- 
kussion, für  Rede  wie  Gegenrede  offen  sein  sollen,  nicht  zu  ver- 
meiden. Und  gerade  im  Punkte  des  Entgegenkommens  den  Ein- 
Sendern  giigenüber  war  die  Redaktion  stets  bestrebt,  dem  Vorwurf 
übertriebener  Strenge  oder  einseitiger  Vorein o-euommenheit  keinerlei 
Handhabe  zu  bieten. 

Die  verwirrenden  Einflüsse,  die  von  derartigen  Veröffentlichungen 
ausgehen,  finden  allerdings  auf  unserem  Gebiet  einen  viel  günstigeren 


^28)  S.  SCHWENDENEE: 

Nährboden,  als  z.  B.  auf  dem  der  Mathematik  oder  Astronomie. 
Man  ist  überhaupt  in  den  exakten  Wissenschaften  für  unhaltbare, 
phantastische  Vorstellungen  weniger  empfänglich  als  in  der  Biologie. 

Welchen  Irrungen  die  physiologische  Forschung  ausgesetzt  ist, 
Avenn  die  Phantasie  nicht  gezügelt  wird,  mag  an  einem  instruktiven 
Beispiel,  der  Lehre  vom  Saftsteigen,  dargelegt  werden.  Zu  Anfang 
der  80er  Jahre,  als  unsere  Gesellschaft  gegründet  wurde  —  und 
auch  noch  später  —  erfreute  sich  die  bekannte  Imbibitionstheorie 
von  Sachs  noch  mancher  Anhäno-er  und  Yerteidisrer.  Und  doch 
war  die  Annahme,  dass  sich  die  Wasserströmung  nur  in  den  Mem- 
branen der  Leitgewebe  beweo;e,  von  vornlierein  weni"-  einleuchtend 
und  empirisch  nicht  bewiesen.  Heute  ist  diese  Theorie  als  wider- 
legt zu  erachten;  es  war  ein  Fhantasiegebilde. 

Bald  darauf  suchte  BÖHM  seine  Saugwellentheorie  zu  begründen. 
Das  Phantastische  an  dieser  Lehre  war  nicht  die  Voraussetzung  von 
Saugwellen  an  und  für  sich,  sondern  nur  die  Annahme,  dass  ihre 
Tragweite  von  den  Zweigen  hoher  Baume  bis  zu  den  äussersten 
Wurzelspitzen  reiche.  Die  Entfernung  spielte  dabei  keine  Rolle. 
Als  ob  das  Maass  der  wirksamen  Kräfte  und  die  Grösse  der  zu 
überwindenden  Widerstände  bei  diesem  Problem  gar  nicht  in  Frage 
kämen. 

Derselbe  Autor  stellte  dann  —  es  war  auf  der  Versammlung  in 
Heidelberg  —  eine  neue  Theorie  auf,  die  er  Capillartheorie  nannte, 
obschon  die  dabei  hervorgehobenen  experimentellen  Befunde  nicht 
auf  Capillarität,  sondern  auf  Luftdruck  beruhen  und  mit  den 
normalen  Vorgängen  beim  Saftsteigen  wenig  zu  tun  haben. 

Ein  ähnlicher  Gedankenflug,  der  gleichfalls  jeder  empirischen 
Grundlage  entbehrt,  beansprucht  heute  noch  ernst  genommen  zu 
werden.  Es  ist  die  Vorstellung,  dass  in  der  JAMlN'schen  Kette 
zwischen  Luftblasen  und  Röhrenwand  eine  dünne  Flüssigkeitsschicht 
vorhanden  sei,  in  der  eine  Bewegung  von  einer  Wassersäule  zur 
nächstfolo-enden  stattfinde.  Diese  Vorstelluno-  findet  sich  schon  im 
Lehrbuch  von  SACHS,  der  sie  jedoch  später  fallen  liess.  Sie  kehrt 
sodann  wieder  bei  J.  VeSQUE  und  STRASBUEGER,  zuletzt  (1907)  bei 
EWART,  natürlich  immer  ohne  beweiskräftige  Belege.  Im  frischen 
Holz  unserer  Bäume  ist  nämlich  von  einer  solchen  Flüssigkeitsschicht 
auch  bei  starker  Vergrösserung  absolut  nichts  zu  sehen,  und  was 
diejenigen  Wasserteilchen  betrifft,  welche  an  der  Innenfläche  der 
Wand  durch  Molecularkräfte  festgehalten  werden,  so  sind  sie  unter 
den  gegebenen  Verhältnissen  offenbar  unbeweglich.  Ein  Überfliessen 
von  Tropfen  zu  Tropfen  ist  somit  ausgeschlossen. 

Ich  erwähne  diese  Blüten  der  Phantasie  nicht  etwa  in  der  Ab- 
sicht,   über    die  genannten  Autoren,    deren  Verdienste   ja    anerkannt 


Festrede.  (29) 

sind,  zu  Gericht  zu  sitzen,  sondern  um  auf  Gegensätze  hinzuweisen, 
die  in  unserer  Literatur,  unabhängig  von  bestimmteu  Entwicklungs- 
perioden, immer  wieder  hervortreten.  OSTWALD,  der  bekannte 
Chemiker,  kommt  in  einer  seiner  neueren  Veröffentlichungen  auf 
analoge  Gegensätze  in  den  exakten  Wissenschaften  zu  sprechen  und 
teilt  hiernach  die  Autoren  in  Klassiker  und  Romantiker,  ohne  jedoch 
zwischen  den  beiden  Gruppen  eine  scharfe  Grenze  ziehen  zu  wollen. 
Das  freiere  Walten  der  Phantasie  soll  die  Romantiker,  die  strengere 
Prüfung  der  Gedanken  und  Folgerungen  die  Klassiker  kennzeichnen. 
Nach  ihm  sind  GAUSS  und  HeLMHOLTZ  typische  Klassiker,  LlEBIG 
ein  echter  Romantiker.  Wollen  wir  diese  Gruppierung  auch  auf  die 
Botaniker  übertragen,  so  befinden  wir  uns,  wie  Sie  sehen,  immer  in 
guter  Gesellschaft,  gleichviel,  ob  wir  zur  einen  oder  zur  anderen 
Gruppe  gezählt  werden. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  ich  im  Anschluss  an  die 
Arbeiten  physikalisch-physiologischen  Inhalts  nun  auch  über  die  zur 
chemischen  Physiologie  gehörigen,  die  einen  ziemlich  breiten  Raum 
einnehmen,  in  ähnlicher  Weise  Umschau  halten  wollte.  Überdies 
liegt  mir  das  Gebiet  der  Chemie  ferner  als  das  physikalische,  und 
dieser  Umstand  fordert  eine  angemessene  Zurückhaltung.  Immerhin 
glaube  ich  hervorheben  zu  sollen,  dass  nicht  bloss  Botaniker  mit 
mehr  oder  weniger  weitgehenden  chemischen  Kenntnissen,  sondern 
auch  Chemiker  vom  Fache,  wie  z.  B.  HELLRIEGEL,  EDUARD 
Buchner  u.  a.,  daneben  Autoren  mit  guter  pharmazeutischer 
Schulung  an  den  hier  vorliegenden  Arbeiten  sich  beteiligt  haben. 
Trotzdem  wäre  in  manchen  Fragen,  wie  ich  glaube,  mehr  und 
Bedeutenderes  zu  erwarten,  wenn  auch  in  der  Botanik  Lehrstühle 
und  Institute  für  chemische  Physiologie  beständen,  wo  entsprechend 
Vorgebildete  ein  erwünschtes  Arbeitsfeld  finden  könnten.  So  weit 
sind  wir  aber  zur  Zeit  noch  nicht  gekommen. 

Die  übrigen  Forschungsrichtungen,  die  in  unseren  „Berichten" 
noch  vertreten  sind,  geben  zu  näherem  Eingehen  auf  einzelne  Mit- 
teilungen keine  Veranlassung.  Was  z.  B.  im  „Registerband"  unter 
„Allgemeine  Pflanzengeographie"  eingeordnet  ist,  hätte  zum  Teil 
auch  anderwärts  untei'gebracht  werden  können  und  enthält  nur 
wenige  Angaben  von  allgemein-geographischer  Bedeutung.  Und  was 
speziell  die  bekannten  Florenberichte  anbelangt,  so  bilden  sie  einen 
gänzlich  heterogenen  Teil  unserer  Veröffentlichungen,  eine  indigesta 
moles,  die  für  die  Mehrzahl  der  Mitglieder  wenig  Interesse  gewährt 
und  deshalb  schon  oft  abfälli»-  beurteilt  wurde. 

Andere  Mitteilungen,  welche  sich  auf  Gallen,  Krankheiten, 
Phytopaläontologie  und  Systematik  der  Phanerogamen  beziehen, 
mögen    im  Vorbeigehen    noch    kurz    erwähnt    werden,    weil    sie    die 

Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUsch.    XXV.  (3) 


(30) 


S.  SCHWENDENER: 


Mannigfaltigkeit  der  Einsendungen  illustrieren,  die  bei  uns  Aufnahme 
gefunden  haben.  Zu  vergleichend  historischen  Betrachtungen  geben 
sie  indess  keinen  Anlass.  Bezüglich  der  Phanerogaraen-Systematik 
ist  überdies  zu  berücksichtigen,  dass  grössere  Abhandlungen  mit 
Diagnosen  und  Einteilungen  schon  ihres  Umfanges  wo^en  für  die 
„Berichte"  nicht  geeignet  und  daher  auf  andere  Fachzeitschriften 
angewiesen  sind. 

Mit  diesen  kurzen  Hinweisen  auf  den  reichen  und  vielseitigen 
Inhalt  unserer  Veröffentlichungen  ist  indessen  die  Bedeutung  der- 
selben für  unsere  Mitglieder  und  Fachgenossen  noch  nicht  erschöpft. 
Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dass  unter  den  Einsendern  viele  sind, 
welche  auf  das  rasche  Erscheinen  ihrer  Mitteilungen  grossen  Wert 
legen,  sei  es  zur  Sicherung  der  Priorität  oder  aus  anderen  Gründen. 
Und  gerade  in  diesem  Punkte  hat  die  Redaktion  von  jeher  das 
Mögliche  zu  leisten  gesucht,  ^yie  oft  sind  Manuskripte,  die  erst  am 
Sitzungstage  oder  am  Vorabend  desselben  eingegangen,  sofort  vor- 
gelegt worden  und  im  folgenden  Heft  gedruckt  erschienen.  Für  den 
Vorsitzenden  wie  für  die  Referenten  war  die  dadurch  verursachte 
Eile  häufig  recht  unbequem,  für  die  Verfasser  aber  immer  erwünscht 
und  oft  dringend  erbeten.  Und  darauf  haben  wir  nach  Möglichkeit 
Rücksicht  genommen. 

So  ist  unsere  Zeitschrift  durch  das  Entgegenkommen  der 
Geschäftsleitung  zu  einem  gerne  benutzten  Organ  geworden,  welches 
neben  der  wissenschaftlichen  Forschung  als  solcher  von  jeher  auch 
die  persönlichen  Interessen  der  Einsender  zu  fördern  bestrebt  war. 

Damit  hängt  denn  auch  der  gesteigerte  Absatz  zusammen,  den 
unsere  „Berichte"  im  Buchhandel  erfahren  haben.  Und  da  der  hier- 
durch erzielte  Gewinn  nicht  allein  dem  Verleger,  sondern  mit  be- 
stimmten Prozenten  auch  unserer  Kasse  zugute  kommt,  so  bilden  die 
bezüglichen  Einnahmen  im  Gewinnkonto  schon  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  einen  nicht  unerheblichen  Posten. 

Nach  diesen  Erfolgen  dürfen  wir  uns,  w^ie  ich  glaube,  mit  aller 
Zuversicht  der  Hoff'nung  hingeben,  dass  unsere  Gesellschaft  sich 
auch  fernerhin  einer  gedeihlichen  Entwickluno'  erfreuen  werde.  Der 
langjährige  Bestand  und  die  immer  noch  zunehmende  Mitgliederzahl 
sind  zwei  Momente,  welche  einen  weiteren  Aufschwung  erwarten 
lassen  und  jedenfalls  für  die  nächste  Zukunft  die  Fortdauer  einer 
erspriesslichen  Wirksamkeit  sichern. 

Ich  schliesse  mit  dem  Wunsche,  dass  es  der  Redaktion  der 
„Berichte"  stets  gelingen  möge,  neben  den  wissenschaftlichen  An- 
sprüchen auch  eine  tunlichst  weitgehende  Berücksichtigung  persön- 
licher Interessen,  die  sich  bis  dahin  wolil  bewährt  hat,  zur  Geltung 
zu  bringen.     Dann   dürfen    wir    unsere  Blicke,    die    wir    im  Vorher- 


Festrede.  (31) 

gehenden  mit  Genugtuung  rückwärts  gerichtet  haben,  bei  diesem 
festlichen  Aulass  auch  vertrauensvoll  der  Zukunft  zuwenden. 

Auch  unsere  schwachen  Seiten  können  stärker,  die  vorhandenen 
Kräfte  durch  neue  Impulse  gesteigert  werden.  Die  Wege  zum  Fort- 
schritt sind  mannigfacher  Art.  Aber  wie  auch  die  Entwicklung  im 
Einzelnen  sich  gestalten  mag,  wir  halten  fest  an  dem  Vertrauen, 
dass  sie  nicht  ausbleiben  wird. 

Mögen  freundliche  Sterne  auch  in  Zukunft  über  unserer  Gesell- 
schaft walten. 


(3-) 


Nachrufe. 


Chr.  Friedrich  Hegelmaier. 

Von 
K.   GOEBEL. 


Am  26.  Mai  1906  starb  in  Tübingen,  der  langjährigen  Stätte 
seiner    akademischen  Tätigkeit,  CHRISTOF  FRIEDRICH  HEGELMAIER. 

Wie  viele  hervorragende  Schwaben  entstammte  er  einem 
Pfarrhause,  und  war  ursprünglich  auch  für  den  theologischen  Beruf 
bestimmt. 

Geboren  am  4.  September  1833,  bezog  er  im  Herbst  1846  eines 
der  vier  niederen  protestantisch-theologischen  Seminare,  welche  Herzog 
Christof  von  Württemberg  aus  früheren  Klöstern  nach  der  Re- 
formation errichtet  hatte.  In  diesen  Anstalten  wird  die  theologische 
Jugend  durch  eine  vortreffliche,  freilich  einseitig  humanistische 
Bildung  auf  die  Universität  vorbereitet. 

Hegelmaier  hatte  das  Glück,  nach  dem  schönst  gelegenen 
dieser  „Klöster",  (wie  sie  im  Volksmunde  immer  noch  heissen)  nach 
Urach  zu  kommen,  dessen  wunderbare  Umgebung  durch  einen 
anderen  Uracher  „Seminaristen"  EDUARD  MÜRIKE  dichterische  Ver- 
klärung gefunden  hat.  Für  HEGELMAIER  war  der  Aufenthalt  in 
Urach  von  entscheidender  Bedeutung.  Die  herrliche  Pflanzenwelt  der 
schwäbischen  Alp,  an  deren  Fuss  Urach  liegt,  steigerte  sein  bo- 
tanisches Interesse  um  so  mehr,  als  er  in  dem  damaligen  ihm  ver- 
wandten Oberamtsarzt  T)r.  FiNCKH  einen  vortrefflichen  kenntnis- 
reichen Floristen  antraf,  der  ihm  in  der  reichen  Flora  des  Gebietes 
ein  kundiger  Führer  war. 

Seine  botanischen  Neigungen  liaben  ihn  wohl  auch  bestimmt,  in 
Tübingen  statt  der  Theologie  Medizin  als  Studium  zu  wählen.  Er 
wurde  auf  Grund  einer  physiologischen,  auf  ViERORDT's  Veranlassung 


Chr.  Friedrich  Hegelmaier.  (;38) 

entstandenen  Arbeit  („Die  Atenibewegungen  beim  Hirndruck")  1857 
zum  Dr.  med.  promoviert.  Die  praktisch  medizinische  Tätigkeit  hat 
ihn  aber  offenbar  wenig  befriedigt.  Denn  nach  kurzer  Wirksamkeit 
als  Militärarzt  in  Ulm  entschloss  er  sich,  sich  ganz  der  Botanik  zu 
widmen. 

Da  ihn  die  Morphologie  vor  allem  anzog,  wandte  er  sich  nach 
Berlin,  wo  ALEXANDER  BRAUN  damals  eine  umfassende  Tätigkeit 
entfaltete.  Dort  widmete  sich  HEGELMAIER  im  Jahre  1862  und 
1863  speziell  botanisch-morphologischen  und  systematischen  Studien. 
Der  durch  A.  BRAUN  vertretenen  vergleichend  morphologischen 
Richtung  ist  er  auch  zeitlebens  treu  geblieben,  was  ihn,  wie  aus  der 
später  folgenden  Schilderung  seiner  Arbeiten  hervorgehen  wird,  aber 
nicht  abg-ehalten  hat,  eine  lange  Reihe  vortrefflicher  entwicldungs- 
geschichtlicher  Untersuchungen  auszuführen. 

Bleiben  wir  indes  zunächst  bei  seinen  äusseren  Lebensschick- 
salen, so  lassen  sich  diese  in  kurzen  Worten  darstellen. 

Er  habilitierte  sich  im  Frühjahr  1864  in  Tübingen  und  wurde 
nach  einigen  Jahren  ausserordentlicher  Professor.  Die  Verdienste, 
die  er  sich  in  seiner  Lehrtätigkeit  erworben  hatte,  wurden  von  der 
Regierung  und  der  Universität  später  durch  seine  Ernennung-  zum 
ordentlichen  Honorarprofessor  anerkannt. 

Wenn  die  Lehrtätigkeit,  die  er  neben  MOHL,  HOFMEISTER, 
SCHWENDENER,  PFEFFER  und  VÖCHTING  ausübte,  auch  naturgemäss 
nur  einem  kleineren  Kreise  vor  Studierenden  zugute  kommen  konnte, 
so  war  sie  doch  eine  sehr  mannigfaltige,  und  umfasste  sowohl  die 
reine  als  die  angewandte  Botanik,  später  speziell  Forstbotanik.  Er 
war  als  Lehrer  sehr  gewissenhaft  und  gab  eine  sorgfältig  ausge- 
arbeitete Übersicht  des  von  ihm  behandelten  Stoffes.  Namentlich  zu 
der  Zeit,  als  HOFMEISTER  in  Tübingen  wirkte,  waren  speziell  die 
Anfänger  für  das  von  HEGELMAIER  in  klarer  fasslicher  Form  Ge- 
botene um  so  dankbarer,  als  ihnen  die  (an  sich  vortrefflichen)  HOF- 
MEISTER'schen  Vorlesungen  schwer  verständlich  waren.  Ich  erinnere 
mich  speziell  mit  Vergnügen  einer  Vorlesung  über  Kryptogamenkunde, 
welche  HEGELMAIER  im  Winter  1873/4  vor  einem  verhältnismässig 
grossen  Kreise  von  Zuhörern  hielt.  Er  brachte  dazu  auch  reichlich 
Demonstrationsmaterial  mit,  was  damals  noch  keineswegs  allgemein 
üblich  war.  Dass  er  seinen  Zuhörern  für  die  von  ihm  behandelten 
Dinge  Literesse  einzuflössen  wusste,  dürfte  auch  daraus  hervorgehen, 
dass  er  im  Sommer  eine  Vorlesung  von  (5 — 7  Uhr  Morgens  ab- 
halten konnte,  ein  Versuch,  der  wohl  nicht  jedem  und  nicht  überall 
glücken  würde! 

Dass  er,  der  gründliche  Kenner  der  Flora  Mitteleuropas,  keine 
botanischen  Exkursionen  abhielt,  war  wohl  in  seiner  Scheu  vor 
allem    in    die    Öffentlichkeittreten    begründet.      Es    ist  dies   sehr    zu 


(34)  K-  GOEBEL: 

bedauern,  denn  gewiss  wären  ihm  viele  dafür  dankbar  gewesen.  Die 
Studierenden,  welche  ihn  aufsuchten,  suchte  er  aber  auf  alle  Weise 
durch  Rat  und  Tat  zu  fördern.  Botanische  Arbeiten  durch  Schüler 
ausführen  zu  lassen,  aber  war  ihm  schon  deshalb  nicht  möglich,  weil 
er  keine  Institutsräume  zur  Verfügung  hatte;  er  führte  alle  seine 
Arbeiten  zu  Hause  aus,  wo  er  auch  seine  umfangreichen  Sammlungen 
aufbewahrte,  die  er  durch  zahlreiche  Reisen,  namentlich  in  die 
Alpen  und  nach  Südeuropa  (Spanien,  die  Balearen,  usw.)  be- 
reicherte. Die  anwachsenden  Sammlungen  waren  wohl  auch  mit  ein 
Grund  dafür,  dass  er  sich  an  einem  schön  gelegenen  Platze  (am 
Osterberg)  ein  eigenes  Heim  errichtete,  über  dessen  Türe  ein  für 
seine  ganze  Lebensauffassung  charakteristischer  Spruch  „Bene  vixit^ 
qui  bene  latuit"  angebracht  ist.  Hier  gingen  verschönt  durch  ein 
sonniges  glückliches  Familienleben  und  unermüdliche  Arbeit  die 
Jahre  vorüber. 

Es  sei  versucht,  seine  Forschertätigkeit  hier  in  ihren  wesentlichen 
Zügen  kurz  zu  schildern. 

Als  Frucht  des  Berliner  Aufenthalts  ist  zunächst  die  „Mono- 
graphie der  Gattung  Callitriclie'-^  zu  bezeichnen.  Sie  hat  die  Kenntnis 
dieser  interessanten  Gattung  zweifellos  sehr  gefördert  und  enthält 
eine  Menge  anatomischer,  entwicklungsgeschichtlicher  und  syste- 
matischer Beobachtungen,  z.  B.  den  Nachweis  der  terminalen  Ent- 
stehung des  einzigen  Staubblattes  der  männlichen  Blüten,  die  Auf- 
klärung über  die  angeblichen  Zwitterblüten,  Betrachtungen  über 
Land-  und  AYasserformen  u.  A.  Ton  theoretischen  Erörterungen 
hält  sich  diese  Abliandlung  ferne. 

Mehr  treten  diese  hervor  in  der  grossen  Monographie  der 
Lemnaceen,  einer  Gruppe,  mit  welcher  sich  HEGELMAIER  auch  später 
noch  wiederholt  beschäftigt  hat. 

Die  Veranlassung  dazu  gab  die  durch  A.  BRAUN  gewünschte 
Bearbeitung  der  von  WelWITSGH  im  westlichen  Südafrika  ge- 
sammelten Lemnaceen. 

Wie  sehr  die  HEGELMAIER"sche  Monographie  als  grundlegend  zu  be- 
trachten ist,  zeigt  die  Tatsache,  dass  z  B.  ElCHLER  in  seinen  Blütendia- 
grammen sich  ganz  auf  sie  stützte.  Auch  inspäterenBearbeitungenkehren 
HEGELMAIER's  vortreffliche  Abbildungen  stets  wieder  und  man  kann 
wohl  sagen,  dass  in  den  fast  40  Jahren,  die  seit  dem  Erscheinen 
dieser  Monographie  vergangen  sind,  etwas  tatsächlich  Neues  von 
grösserer  Bedeutung  kaum  dem  von  HEGELMAIER  Beobachteten  hin- 
zugefügt worden  ist  —  ein  Beweis  dafür,  wie  sorgfältig  und  ein- 
gehend seine  Untersuchungen  gewesen  sind. 

Die  theoretischen  Auffassungen  über  den  Aufbau  der  Lem?iacee?iy 
zu  denen  HEGELMAIER  gelangte,  haben  nicht  allgemein  Anklang  ge- 
funden,   auch    der  Verfasser    dieser  Zeilen    konnte    sich    ihnen  nicht 


Chr.  Friedrich  Hegelm.ajer.  (35) 

anscliliessen.  HeGELMAIER  ging  von  der  Aiinalinio  aus,  dass  die 
vegetativen  Teile  von  Wolffia  und  Lemna  blattlose  sich  von  dem 
gewöhnlichen  radiären  Typus  ableitende  Axen  seien,  während  bei 
Spirodela  an  jeder  Axe  wahre  Blätter  auftreten.  Diese  Annahme  zu 
(Trunde  legend  suchte  er  hypothetisch  den  Aufbau  des  Yegetations- 
körpers  auf  das  gewöhnliche  Schema  der  Angiospermen  zurückzuführen, 
ganz  im  Geiste  der  BßAUN'schen  Morphologie.  Wenn  auch  seine  Dar- 
leguno-en  nicht  als  überzeugend  betrachtet  werden  können,  so  sind  sie 
doch  gewiss  ein  berechtigter  und  eingehend  durchgearbeiteter  Yersuch 
einer  theoretischen  Zurechtlegung  der  beobachteten  Tatsachen.  Ein 
so  hervorragender  Morphologe  wie  ElCHLER  hat  später,  gleichfalls  auf 
dem  Boden  der  idealistischen  Morphologie  stehend,  eine  andere 
Deutung  versucht,  sagt  aber  selbst:  „Indes  gestehe  ich,  dass  mir  die 
oanze  Deutung  immer  noch  zu  künstlich  und  verwickelt  erscheint 
und  dass  ich  «erne  eine  einfachere  annehmen  möchte,  nur  weiss  ich 
zurzeit  keine  solche  zu  finden".') 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  späteren  A^ersuche  einer  solchen 
einfachen  Deutung  zu  besprechen,  zu  denen  namentlich  die  Er- 
kenntnis geführt  hat,  dass  die  Organbildung  auch  der  Samenpflanzen 
weniger  starren  Rezepten  folgt,  als  die  idealistische  Morphologie  sie 
angenommen  hatte.  Jedenfalls  aber  war,  wie  nochmals  betont  sei, 
der  Yersuch,  auch  die  Gestaltung  der  Lemnnaceen  theoretisch  auf 
diese  Regeln  zurückzuführen,  ein  durchaus  berechtigter  und  von 
HEGELMAIER  scharfsinnig  durchgeführter.  Er  war  sich  des  hypo- 
thetischen Charakters  seiner  Deutung  übrigens  wohl  bewusst,  und 
hat  später  nicht  gezögert,  die  Änderung  seiner  Anschauungen,  nicht 
ohne  eine  »ewisse  Resignation  hervorzuheben. 

1895^)  sagt  er:  „Hiermit  ist  denn  auch  gewissermassen  schon 
ausgesprochen,  dass  die  Aufgabe,  die  gesamte  Art  und  Weise,  wie 
die  Sprossung  bei  den  verschiedenen  Gattungen  der  Lemnaceen  ge- 
regelt ist,  verständlich  zu  machen,  wesentlich  auf  dem  Gebiete  der 
Phylogenie  liegen  würde,  und  eben  aus  diesem  Grunde  der  feste 
Boden  für  ihre  befriedigende  Lösung  fehlt.  Diese  Entwicklungs- 
prozesse auf  bei  beblätterten  und  ])lurilatoral  gebauten  Mono- 
kotyledonen  verbreitete  Regeln  zurückzuführen,  kann  ja  mittelst 
gezwungener  Hypothesen  versucht  werden,  und  es  ist  ein  solcher 
A'ersuch  von  mir  früher  auf  der  Grundlage  damaliger  Anschauungen 
gemacht  worden,  ohne  dass  jetzt  noch  für  diese  Bestrebungen  eine 
reelle  Bedeutung  in  Anspruch  genommen  werden  könnte,  aber  auch 
ohne    dass,  so  weit  mir  bekannt,  erfolgreichere  Yersuche  in  gleicher 


1)  Eichler,  Blütcndiagiammc  I.  S.  78. 

■2)  Sjstcmat.  Übersicht  der  Lemnaceen  in  Enjjlcrs  Jahrb.  XXI  Bd.  S.  274  1895. 
S.  294, 


(36) 


K.  GOEBEL: 


Richtung  zu  Tage  getreten  wären,  sei  es  auf  der  Basis  älterer 
morphologischer  Methoden,  sei  es  auf  anderem  Wege."  In  diesen 
vor  einer  aufrichtigen  Selbstkritik  nicht  zurückscheuenden  Worten 
spiegelt  sich  die  Erkenntnis  der  Veränderungen,  welche  in  den  mor- 
phologischen Anschauungen  sich  vollzogen  haben.  Wenn  HEGEL- 
MÄIER  sich  nicht  entschliessen  konnte,  die  mit  anderen  Tatsachen 
harmonierende  Auffassung  der  Lenmaceen-^Yiederung,  welche  z.  B.  an 
dem  unten^)  angeführten  Orte  dargelegt  wurde,  zu  acceptieren,  so  ist 
dies  wohl  in  einer  Nachwirkung  der  früheren  Auffassung  begründet, 
welche  er  zwar  als  künstlich  erkannt  hatte,  aber  doch  nicht  gerne 
durch  eine  radikale  Änderung  ersetzen  wollte. 

Im  Anschluss  an  die  genannten  Untersuchungen  mögen  hier  zwei 
andere  entwicklungsgeschichtliche  Arbeiten  erwähnt  werden,  die 
gleichfalls  theoretisch  sehr  verschieden  aufgefasste  Gestaltungsver- 
hältuisse  betrafen:  die  über  die  Blütenentwicldung  von  Fota- 
mogeton  und  die  bei  den  Salicineen.  Sie  ergaben  eine  Anzahl  interessanter 
Tatsachen:  so  die  Beziehungen  zwischen  Perigon-  und  Staubblättern 
von  Potamogeton^  die  terminale  Entstehung  der  obersten  Braktee  der 
Kätzchen  von  >S.  viminalis^  blattbürtige  Bildung  der  Blüten,  dorsiven- 
trale  Ausbildung  derselben  bei  S.  pentandra  u.  A.  Für  die  syste- 
matische Gruppierung  der  Salicineen  Hessen  sich  dabei  zwar  keine 
sicheren  Anhaltspunkte  gewinnen,  aber  HegELMAIER's  Ansicht,  dass 
ihre  Verwandtschaft  mit  den  Cupuliferen^  Betulineen  usw.  eine  nur 
sehr  entfernte  sei,  ist  auch  durch  spätere  Untersuchungen  nahe  ge- 
legt worden. 

Eine  Reihe  von  Untersuchungen  HeGELMAIER's,  welche  in  der 
botanischen  Zeitung  veröffentlicht  sind,  beschäftigt  sich  mit  der 
Entwicklungsgeschichte  der  Lijcopodien.  Es  waren  diese  damals 
verhältnismässig  noch  wenig  untersucht;  fast  gleichzeitig  mit 
HegelMAIER's  erster  Arbeit  erschienen  dann  die  wertvollen  Unter- 
suchungen StRASBURGER's  in  dessen  grossem  Coniferenwerke. 

HegelMAIER's  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  die  Ana- 
tomie und  Morphologie  europäischer  Lycopodien.  Von  Interesse 
war  u.  a.  der  Nachweis,  dass  der  Zentralcylinder  der  niederliegenden 
Sprosse  von  L.  clavatum,  anotinum  u.  a.  eine  dorsiventrale  Struktur 
aufweist,  auch  dann,  wenn  diese  äusserlich  nicht  zur  Geltung  kommt. 
Es  wurde  sodann  das  damals  noch  weitverbreitete  Scheitelzellaxiom 
bekämpft,  Blattentwicklung  und  Verzweigung  eingehend  untersucht. 
HeGELMAIER  gelangte  dabei  zu  dem  Resultate,  dass  keine  axilläre 
Verzweigung  vorliege,  aber  auch  nicht  immer  eine  strenge  Dichotomie 
eintrete,     ein    prinzipieller    Gegensatz    zwischen    monopodialer    und 


1)  Goebel,  pflanzenbiülog.  Schilderungen  II,  2  (1893)  S.  274  ff. 


Chr.  Friedrich  Hegelmaier. 


(37) 


gabeliger  Verzweigung  (wie  er  damals  vielfach  angenommen  wurde) 
sei  überhaupt  nicht  vorhanden.  Auch  bei  Isoetes  wurden  in  einer 
späteren  Arbeit  die  Fragen  nach  der  Zellenanordnung  im  Scheitel,  der 
anatomischen  Gliederung  usw.  geprüft,  und  namentlich  auch  die 
Entstehung  der  Sporangien  untersucht,  wobei  HEGELMAIER  für 
Selaginclla  spinulosa  einen  blattbürtigeii  Ursprung  der  Sporangien 
nachzuweisen  suchte. 

In  demselben  Jahrgange  (1874)  der  botanischen  Zeitung  findet 
sich  eine  andere  ausführliche  Abhandlung  HeGELMAIER's,  die  zu 
einem  w^eiteren  Hauptgebiete  seiner  Tätigkeit  überleitet,  dem  der 
Embryo-  und  Samenentwicklung. 

HansTEIN's  Arbeiten  über  Embryoentwicklung  hatten  eine 
spezielle  Analyse  des  Zellenaufbaues,  der  Herkunft  der  Wurzel,  des 
Verhältnisses  der  Kotyledonar-  und  Stammknospenbildung  gebracht, 
und  namentlich  auch  die  Theorie  vom  Vorhandenensein  dreier 
gesonderter  Meristeme  im  Vegetationspunkt  durch  Untersuchung 
der  Embryobildung  zu  stützen  versucht.  HEGELMAIER  unterzog 
sich  der  Aufgabe,  alle  diese  Fragen  auf  einer  breiteren  Basis  zu 
prüfen.  Es  schwebte  ihm  dabei  die  Möglichkeit  vor,  dass  diese 
Untersuchungen  auch  der  Systematik  zu  Gute  kommen  und  namentlich 
für  die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  zwischen  Monokotylen  und 
Dikotylen  bedeutsam  werden  könnten.  Er  untersuchte  deshalb 
zunächst  die  Entwicklung  einer  grösseren  Anzahl  von  Monokotylen, 
später  auch  von  Dikotylen;  die  Resultate  der  letztgenannten  Unter- 
suchung legte  er  in  einem  besonderen  Werke  nieder.  Diese  Unter- 
suchungen waren  bei  dem  damaligen  Stande  der  mikroskopischen 
Technik  —  lange  vor  der  Einführuno;  des  Mikrotoms  und  der  neueren 
Färbemethoden  —  ausserordentlich  mühsam  und  zeitraubend.  Sie 
konnten  nur  von  jemand  ausgeführt  werden,  der  wie  HEGELMAIER 
der  Hauptsache  nach  Herr  seiner  Zeit  und  nicht  mit  der  Abhaltung 
von  Prüfungen,    praktischen  Übungen    und  dergleichen  belastet  war. 

Als  wichtigere  Resultate  seien  hier  folgende  angeführt.  Die 
Tatsache,  dass  bei  verschiedenen  Monokotylen  (Sparganium^  Triticum, 
Pistia  u.  a.)  auch  die  dem  Kotyledo  folgenden  Blätter  „relativ  terminal" 
sind,  d.  h.  ohne  dass  ein  gesonderter  Sprossvegatationspnnkt  vor- 
handen neue  angelegt  werden,  ist  mehrfach  (z.  B.  von  CelAKOWSKY) 
für  die  Erörterung  des  Verhaltens  von  Blattbildung  und  Sprossachse 
benutzt  worden.  Xamentlich  aber  ergab  sich,  dass  das  HANSTEIN'sche 
Schema  der  Embryoentwicklung  keineswegs  eine  allgemeine  Giltigkeit 
besitzt.  Ms  wird  bezüglich  des  Zellenaufbaues  des  Embryos  innerhalb 
eines  Verw^andtschaftskreises  keine  strenge  Regelmässigkeit  eingehalten, 
die  Verfolgung  des  Zellenaufbaus  des  Embryos  lässt  sich  also  nicht  zu 
systematischen  Schlüssen  verwenden.     Auch  die  Dikotylen   mit  einem 


(38) 


K.  GOEBEL: 


Kotyledo  ((Jarum  Bulbocastanum  u.  a.)  sind  nach  HegeLMAIER 
nur  pseudomonokotyl,  ihr  Verhalten  ist  auf  Verkümmerung  des  einen 
Kotyledone  zurückzuführen. 

An  diese  allo-emeinen  Ero-ebnisse  schlössen  sich  zahlreiche  andere 
Einzelforschungen  an,  so  die  Abhandlungen  über  Endospermbildung, 
partielle  Abschnürimg  und  Obliteratiou  des  Embryosackes,  über 
konvolutive  Kotyledonen,  Polyembryonie  von  Allium  odonim  und 
Euphorbia  dulcis  u.  a  Alle  diese  Abhandlungen  haben  auf  diesem 
schwierigen  Gebiete  eine  wesentliche  Bereicherung  unserer  Kennt- 
nisse gebracht;  mit  Recht  konnte  ENGLER  HEGELMAIER's  „ver- 
gleichende Untersuchungen  dikotyledoner  Keime"  neben  den  Arbeiten 
Strasburgers  über  Befruchtung  und  Zellteilung  als  die  wesentlichste 
Bereicherung,  welche  der  Embryologie  der  Phanerogamen  damals  zu 
Teil  wurde,  bezeichnen.  Als  allgemeines  Resultat  ergab  sich  auch 
eine  Bestätigung  der  Anschauung,  dass  die  spezielle  Gestaltung  des 
Zellengerüstes  eine  Folge,  nicht  eine  Ursache  des  Wachstums  sei. 

Schon  oben  wurde  erwähnt,  dass  HEGELMAIER  auch  floristische 
Studien  eifrig  betrieb. 

Für  die  Kenntnis  der  Moosflora  grundlegend  waren  seine  Unter- 
suchungen über  die  Moosvegetation  des  schwäbischen  Jura,  die  er  sowohl 
w^as  Laub-  als  auch  Lebermoose  anbelangt,  gründlichst  untersucht 
hatte. 

Noch  seine  letzte  Arbeit  über  die  Alchimillen  des  schwäbischen 
Jura  (1900)  zeigt,  wie  er,  vom  Alter  ungebeugt,  als  Forscher  wie 
als  Sammler  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  folgte  und  sie 
weiter  zu  fördern  suchte. 

Die  hier  aeoebene  kurze  Übersicht  über  die  wissenschaftliche 
Tätigkeit  HEGELMAIER's  kann  nur  im  allgemeinen  die  Gebiete  be- 
zeichnen, auf  denen  er  sich  mit  unermüdlichem  Eifer  und  rastlosem 
Fleisse  bewegte.  Suchen  wir  zum  Schluss  noch  das  Charakteristische 
seiner  Persönlichkeit  hervorzuheben. 

Im  Äussern  zeigte  er  echt  germanischen  Typus.  Er  war  ein 
unermüdlicher  Wanderer  und  vortrefflicher  Bergsteiger.  In  seinem 
Wesen  hatte  er  das  gegen  aussen  Zurückhaltende,  fast  Herbe,  das 
dem  schwäbischen  Stamme  nicht  selten  eigen  ist.  Allem  Sichvor- 
dräno-en  und  Sich2:eltendmachen  war  er  abhold.  Wer  ihn  näher 
kennen  lernte,  musste  von  der  Aufrichtigkeit,  Idealität  und  Liebens- 
würdigkeit seines  Wesens  sich  aufs  Stärkste  angezogen  fühlen. 
Diese  trat  namentlich  in  seinem  häuslichen  Kreise  hervor,  in  dem 
er  auch  als  vortrefflicher  Erzähler  seine  Reiseerlebnisse  zu  schildern 
wusste. 

Ein  schwerer  Schlag  war  für  ihn  der  Verlust  seiner  durch  Geist 
Avie  Gemüt  gleich  ausgezeichneten  Frau,  mit  der  er  fast  40  Jahre  in 
glücklichster    Ehe     verbunden    war.     Eine     treu    um     ihn    besorgte 


CHE,  Friedrich  Hegelmaier.  (39) 

Tochter  hat  ihm  die  letzten  Jahre  seines  Lebens  zur  Seite  gestanden, 
wie  er  auch  seinerseits  seinen  Kindern  ein  ungemein  liebevoller 
Vater  war. 

Äussere  Anerkennung  hat  er  nie  gesucht,  sie  ist  ihm  auch  nur 
spärlich  zuteil  geworden.  Eine  besondere  Freude  aber  war  ihm  die 
Feier  seines  70.  Geburtstages,  welche  die  deutsche  botanische  Ge- 
sellschaft veranstaltete.  Sie  zeigte  ihm,  wie  viele  seiner  Fach- 
o-enossen  seine  Lebensarbeit  im  Dienste  der  Wissenschaft  hoch- 
schätzten. 

Ein  stilles  und  anspruchsloses  aber  doch  ein  glückliches  und 
fruchtbares  Leben  ist  ihm  vergönnt  gewesen. 


Yerzeichnis  der  Verötfeutlichuugen. 


1.  Monographie  der  Gattung  CaUitriche  mit  4  Tafeln,  Stuttgart  ISlU. 

2.  Die  Lemiiacceii,  eine  monographische  Untersuclmng  mit  16  Tafeln.    Leipzig  1S65. 

3.  Über  androgyne  Blütenstände  von  Salix  ;\Yüi-ttPmbcrgische    naturwissenschaft- 

liche Jahreshefte.     22.  Jahrg.)  1866. 

4.  Über  die  Entwickelung  der  Blütenteile  von  Potamoyeton  (Bot.  Zeit.  1870). 

5.  Über  einige  Samenknospen.     Ebendaselbst. 

6.  Über  verschiedene  Entwickelungs-Erscheinungen  an  jugendlichen  Teilen  einiger 

Wassergewächse.     Bot.  Zeit.  1871. 

7.  Über  die  Fructifikationsteile  von  Spirodeln.     Ebendaselbst. 

8.  Zur  Morphologie  der  Gattung  Li/copodiitm.     Bot.  Zeit.  1872. 

9.  Zur  Kenntnis  einiger  Li/copodinen.    Bot.  Zeit.  1874. 

10.  Über   Bau    und  Entwickelung    einiger    Cuticulargebilde    (Jahrb.    für  wissensch. 

Botanik.     Bd.  IX). 

11.  Zur  Entwickelungsgeschichte  monokotyledoner  Keime  nebst  Bemerkungen  über 

die  Bildung  der  Samendeckel.     Bot.  Zeit  1874. 

12.  Über  die  Moosvegetalion  des  schwäbischen  Jura  (Württembergische  Jahreshefte 

1873). 

13.  Vergleichende   Untersuchungen    über  Entwickelung    dikotyledoner  Keime.     Mit 

9  Tafeln,  Stuttgart  1878. 

14.  Streifzüge  in  den  Alicantiner  Bergen.     Österr.  botan.  Zeitschrift  1879. 

15.  Lemnaceae  in  Flora  brasiliensis. 

16.  Zur  Embryologie  und  Endospermentwickelung  von  Liipinus.    Bot.  Zeit.  1880. 

17.  Über  aus  mehrkernigen  Zellen  aufgebaute  Dikotyledonen-Keimträger.    Ebendas. 

18.  Über    Blütenentwicklung   bei    den  Salicineen  mit  2  Tafeln  (Vv''ürttemb.  naturw. 

Jahreshefte  1880). 

19.  Über  den  jetzigen  Stand  der  Kenntnis  der  Moosvegetation  des  Vereinsgebietes. 

Ebendaselbst  1884. 

20.  Untersuchungen    über     die    Morphologie    des    Dikotyledonen-Endosperms     mit 

5  Tafeln  (Nova  acta  der  Ks.  Leop.-Carol.  deutschen  Akademie  der  Natur- 
forscher 1885). 

21.  Ifolffia  niio-oscop/ca.     Bot.  Zeit.  1885. 

22.  Zur  Eutwickeluugsgeschichte  endospermatischer  Gewebekörper.    Bot.  Zeit.  1886. 


(40)  L.  KNY: 

23.  Abnormitäten  einiger  einheimischen  diklinen  Pflanzen  mit  2  Tafeln.    Württemb. 

Jahreshefte  des  Vereins  für  vaterländ.  Naturkunde  1887). 

24.  Über  einige  neuere  Errungenschaften  der  Phytotomie.    Ebendas.  1887. 

25    Über  den  Keimsack  einiger  Compositcn  und  dessen  Umhüllung.     Bot.  Zeit  1891. 

26.  Über  partielle  Abschnürung  und  Obliteration  des  Keimsacks    (Ber.  der  d.  botau. 

Gesellschaft  1891. 

27.  Systematische  Übersicht  der  Lemnaeeen  (Englers  Jahrbuch.  1895). 

28.  Über  Orientierung  des  Keimes  im  Angiospermensamen.     Bot.  Zeit    1895. 

29.  Zur  Kenntnis  der  Polycrabryonie  von  Allium  odorum.     Bot.  Zeit  1897, 

30.  Über  convolutive  Kotyledonen  (Ber.  der  deutschen  batan.  Gesellschaft  1899). 

31.  Über  einen  neuen  Fall  von  habitueller  Polyembryonie,     Ebendas.  1901, 

32.  Zur  Kenntnis  der  Polyembryonie  von  Euphorbia  diilcis.     Ebendas    1903, 

33.  Alchimillen    des    schwäbischen   Juras    (Württemb.  Jahrcshefto    des  Vereins  für 

vaterl.  Naturkunde  1906). 


Carl  Müller. 

Von 
L.   KNY. 


Am  13.  Juni  dieses  Jahres  wurde  Professor  Dr.  CARL  MÜLLEE, 
Lehrer  der  Botanik  an  der  Kgl.  Gärtnerlehranstalt,  Dozent  an  der 
Kgl.  Technischen  Hochschule  und  Sekretär  der  Deutschen  Botanischen 
Oesellschaft  nach  kurzer  Krankheit  seiner  Familie,  seinen  zahlreichen 
Freunden  und  seinem  ausgedehnten  Wirkungskreise  entrissen. 

Der  Entschlafene  gehörte  nicht  zu  jenen  Bevorzugten,  denen  der 
Lebensweg  von  der  Wiege  an  geebnet  ist.  Was  er  erreicht  hat, 
musste  er  mit  zähem  Fleisse  erkämpfen. 

Am  20,  November  1855  in  Rudolstadt  geboren,  siedelte  er  als 
einjähriges  Kind  mit  seiner  Familie  nach  Berlin  über.  Sein  Vater, 
welcher  als  Gürtlermeister  dem  ehrsamen  Handwerk  angehörte,  er- 
möglichte es,  den  begabten  Knaben  studieren  zu  lassen,  obschon  die 
zahlreiche  Familie  von  drei  Knaben  und  vier  Mädchen  grosse  An- 
sprüche an  ihn  stellte.  CARL  MÜLLER  besuchte  die  Friedrich- 
Werdersche  Gewerbeschule  (jetzt  Oberrealschule),  wo  er  in  allen 
Klassen  den  ersten  Platz  einnahm.  Seine  ausgesprochene  Neigung 
zur  Naturbeobachtung  wurde  durch  seinen  ihn  überlebenden,  von 
ihm  hochverehrten  Lehrer,  Professor  LIEBE,  wirksam  gefördert. 

Auf  der  Universität  Berlin  konnte  er  sich  kaum  ein  Jahr  der 
Anregung  ALEXANDER  BrAUN's  erfreuen,  welchen  der  Tod  schon 
im  Frühjahr  1877  dahinraffte.     Neben  dem  Besuche  der  Yorlesungen 


Carl  Müller.  (41) 

musste  Carl  Müller  einen  grossen  Teil  seiner  Zeit  Privatstunclen 
widmen,  welche  ihm  die  Mittel  zum  Lebensunterhalte  verschafften. 
Vom  April  1878  bis  ebendahin  1879  genügte  er  im  Kaiser-Franz- 
Grenadier  -  Regiment  seiner  Militärpflicht.  Diese  Abhaltungen 
hinderten  ihn  nicht,  die  von  der  Berliner  Philosophischen  Fakultät 
gestellte  Preisaufgabe  „Über  die  Pflanzengallen  im  weitesten  Sinne 
rles  Wortes"  zu  lösen.  Seine  Bearbeitung  wurde  mit  dem  König- 
lichen Preise  gekrönt.  Den  Abschluss  der  Universitätsstudien 
bildete  die  im  Februar  1882  bestandene  Prüfung  pro  facultate 
docendi. 

Carl  Müller  hatte   die  Absicht,    sich    dem  Berufe    als  Lehrer 
an    einer  Realschule    zu    widmen.      Zu    diesem  Zwecke    trat    er    als. 


Probekandidat  in  die  Louisenstädtische  Realschule  ein.  Bald  darauf 
erwarb  er  an  der  Universität  Berlin  mit  der  Dissertation  „IS^eue 
Helminthocecidien  und  deren  Erreger"  den  philosophischen  Doktor- 
grad. Später  ist  diese  Abhandlung  in  erweiterter  Form  im  Jahr- 
o-ano-e     1884    der    Landwirtschaftlichen    Jahrbücher    zum    Abdrucke 


gelangt 


Zur  Zeit,  wo  CARL  MÜLLER  seine  Prüfung  bestanden  hatte^ 
waren  die  Aussichten  für  die  Kandidaten  des  höheren  Lehramtes 
oanz  besonders  unoünstio-e.  Vier  Jahre  hat  er  sich  redlich  bemüht, 
in  Berlin  oder  dessen  Vororten  eine  feste  Stellung  zu  gewinnen,  die 
es  ihm  ermöglicht  hätte,  die  wissenschaftlichen  Anregungen  der 
Reichshauptstadt  weiter  auf  sich  einwirken  zu  lassen.  Nachdem  sich 
alle  Versuche  als  vergeblich  erwiesen  hatten,  entschloss  er  sich^ 
seinen  Neigungen  entsprechend,  sich  ganz  der  wissenschaftlichen 
Tätigkeit    zu    widmen.      Schon     früher     hatte    er    Herrn    Professor 


(42)  I^-  KNY: 

PRINGSIIEIM  als  dessen  Privatassistent  hilfreichen  Beistand  bei  seinen 
Arbeiten  geleistet  und  mich  selbst  bei  der  Herstellung  einiger 
Wandtafeln  unterstützt.  Im  Oktober  1886  trat  er  in  die  Stellun«' 
als  Assistent  am  Pflauzenjjhysiologischen  Institute  der  Universität 
und  am  Botanischen  Institute  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule 
ein,  welche  er  neun  Jahre  hindurch  ohne  Unterbrechung  bekleidet 
hat.  Ich  hatte  während  dieser  langen  Zeit  Gelegenheit,  die  guten 
Eigenschaften  des  Verstorbenen  kennen  und  schätzen  zu  lernen. 
Mein  Verhältnis  zu  ihm  war  mehr  das  eines  Freundes  als  das  eines 
A^orgesetzten.  Er  hat  nicht  nur  seine  Pflichten  in  gewissenhafter 
Weise  erfüllt,  sondern  war  darüber  hinaus  jederzeit  bereit,  den 
Praktikanten  bei  ihren  Untersuchungen  behilflich  zu  sein.  So 
mancher  von  ihnen  wird  ihm  über  das  Grab  hinaus  dankbare 
Erinnerung  bewahren. 

In  die  Zeit  der  Assistentenschaft  fällt  die  Habilitation  als  Privat- 
dozent an  der  Landwirtschaftliehen  Hochschule:  —  eine  Stellung, 
welche  CARL  MÜLLER  erst  am  1.  April  1906  niederlegte.  Seine 
Lelirtätigkeit  beschränkte  sich  fast  ganz  auf  die  Bakteriologie,  für 
welche  ein  etatsmässiger  Lehrstuhl  damals  noch  nicht  bestand.  Mit 
Vorträgen  über  dieses  Gebiet  beteiligte  er  sich  auch  an  den  Vor- 
lesungen für  praktische  Landwirte,  welche  auch  jetzt  noch  alljährlich 
in  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule  gehalten  werden.  Seine 
erfolgreiche  Lehrtätigkeit  fand  im  Jahre  1896  durch  Verleihung  des 
Professortitels  die  offizielle  Anerkennung. 

Professor  MÜLLER  hatte  schon  während  seiner  Assistenteuzeit 
durch  Verheiratung  mit  Fräulein  MARIE  BOEBE  einen  eigenen  Haus- 
stand  gegründet,  der  am  30.  Juli  1890  durch  die  Geburt  des  einzigen 
Kindes,  seines  Sohnes  ALFRED  gesegnet  wurde.  Unter  den  ver- 
änderten Verhältnissen  waren  die  geringe  Remuneration  als  Assistent 
und  die  Erträge  litterarischer  Arbeiten  nicht  mehr  ausreichend,  den 
erhöhten  Bedürfnissen  zu  genügen.  Er  nahm  deshalb  im  Jahre 
1894  die  Stellung  als  Vorstand  der  biologischen  Abteilung  der 
Gesellschaft  Urania  an,  welche  er  bis  1905,  also  11  Jahre  hindurch, 
bekleidete.  Seine  Aufgabe  bestand  darin,  die  biologischen  Säle  zu 
überwachen  und  im  Winter  wöchentlich  einen  Vortrag  aus  dem 
Gebiete  der  Botanik  oder  Zoologie  zu  halten.  Allen,  welche  ihn 
dort  hörten,  wird  sein  freier,  fesselnder  Vortrag  in  angenehmster 
Erinnerung  sein.  Unzweifelhaft  hat  er  in  hervorragender  Weise 
dazu  beigetragen,  das  Interesse  für  die  belebte  Natur  in  weiten 
Kreisen  zu  fördern. 

Im  Jahre  1895  wurde  Professor  MÜLLER  als  remunerierter 
Dozent  für  Botanik  an  die  Technische  Hochschule  in  Charlottenburg 
berufen.  Es  war  ihm  die  Aufgabe  gestellt,  im  Wintersemester  eine 
zweistündige  Vorlesung  über  allgemeine  Botanik,  im  Sommersemester 


Carl  Müller.  C4H) 

eine  solche  über  spezielle  Botanik  zu  halten  und  seine  Zuhörer  im 
Gebrauche  des  Mikroskopes  zu  unterrichten.  Der  mikroskopische 
Sommerkursus  war  der  Untersuchung  der  Nahrungs-  und  Genuss- 
mittel gewidmet.  Für  die  praktischen  Übungen  stand  kein  wohl- 
eiuo-erichtetes  Institut,  sondern  nur  ein  langer  Korridor  zur  A^er- 
fügung,  in  welchem  Tische  und  Mikroskope  jeweils  aufgestellt  und 
wieder  fortgeräumt  werden  mussten.  Erst  im  letzten  Semester 
\s'urden  ihm  zwei  Zimmer  überwiesen.  Sein  Zuhörerkreis  bestand 
vorwiegend  aus  solchen  Studierenden,  welche  die  Prüfung  als 
Nahrungsmittelchemiker  ablegen  wollten;  er  konnte  also  nach  Lage 
der  Sache  kein  sehr  grosser  sein. 

Am  1.  Oktober  1903,  nachdem  Professor  MÜLLER  das  48.  Lebens- 
jahr überschritten  hatte,  ging  endlich  sein  seimlicher  Wunsch  in 
Erfüllung,  in  eine  feste,  etatsmässige  Stellung  einrücken  zu  können. 
Die  Königl.  Gärtner-Lehranstalt,  welcher  er,  so  lange  sie  sich  in 
Wildpark  bei  Potsdam  befand,  schon  seit  sieben  Jahren  als 
Hilfslehrer  für  Botanik  und  Mathematik  angehört  hatte,  wurde 
in  ihr  schönes,  neues  Gebäude  zu  Dahlem  verlegt.  ^lit  dieser 
räumlichen  Änderung  w^nr  eine  Neuorganisation  auf  breiterer 
Grundlage  verbunden.  Professor  MÜLLER  wurde  fortan  von  dem 
Unterrichte  in  der  Mathematik  entlastet,  und  es  w^urde  ihm 
die  Stellung  als  Vorsteher  der  pflanzenphysiologischen  Abteilung- 
übertragen.  Er  hatte  sich  von  jetzt  an  schöner,  zweckmässig  ein- 
gerichteter und  gut  ausgestatteter  Räume  und  der  Mitwirkung  eines 
Assistenten  zu  erfreuen.  Die  Erwartung,  dass  diesen  günstigen  Yor- 
bediniiungen  für  eine  rege  Forschertätigkeit  sich  baldige  Erfolge 
anschliessen  würden,  sollte  sich  nicht  erfüllen,  da  die  begonnenen 
Untersuchuno'en  durch  den  Tod  unterbrochen  wurden.  Wie  ich 
höre,  sind  die  vorgefundenen  Aufzeichnungen  nicht  derart,  dass  sie 
für  eine  Veröffentlichung  reif  sind.  Als  Lehrer  aber  hat  Professor 
MÜLLER  nach  dem  Zeugnis  des  Herrn  Direktor  ECHTERMEYER  in 
hohem  Maasse  anregend  gewirkt  und  seine  Zuhörer  über  das  Maass 
dessen,  w^as  das  offizielle  Programm  vorschreibt,  für  die  wissen- 
schaftlichen Fragen  der  Botanik  erwärmt. 

Um  das  Bild  unseres  heimgegangenen  Freundes  zu  vervoll- 
ständigen, müssen  wir  seiner  Tätigkeit  noch  nach  drei  llichtungen 
folgen:  als  Sekretär  der  Deutscheu  Botanischen  Gesellschaft,  als 
Mitglied  der  Deutschen  Pharmazeutischen  Gesellschaft  und  als  Vor- 
stand  der  Berliner  Turnerschaft 

Das  Sekretariat  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft,  das  er 
während  voller  17  Jahre  ohne  Unterbrechung  verwaltet  hat,  übernahm 
er  im  Jahre  1890  als  Nachfolger  des  nach  Bern  berufenen  Professors 
TSCHIRCH.  Das  Amt  ist  ein  sehr  arbeitsreiches  und  erfordert  einen 
hohen  Grad  von  Sachkenntnis  und  Sorgfalt.     Es  gilt  nicht    nur,    die 


(44) 


L.  Kny: 


Korrespondeuzeu  mit  deu  Mitgliedern  zu  erledigen,  sondern  vor 
allem  die  von  der  Gesellschaft  herausgegebenen  Berichte  zu 
redigieren,  welche  nach  dem  Reglement  vor  der  jeweilig  nächsten 
Sitzung  im  Druck  erscheinen  sollen.  Was  dies  bedeutet,  wird  jeder 
ermessen  können,  welcher  bei  Herausgabe  eines  Sammelwerkes 
genötigt  ist,  sich  auf  die  Zuverlässigkeit  zahlreicher  Mitarbeiter  zu 
verlassen.  Man  wird  dem  Verstorbenen  das  Lob  nicht  versagen 
können,  dass  er  seine  Aufgabe  in  musterhafter  Weise  gelöst  hat. 
Wenn  die  Generalversammlungshefte  weniger  pünktlich  erschienen, 
als  die  monatlichen  Sitzungsberichte,  so  liegt,  wie  ich  vermute,  die 
Schuld  weniger    an    ihm  als  an  der  Saumseligkeit  mancher  Autoren, 

Der  Deutschen  Pharmazeutischen  Gesellschaft  hat  Professor 
MÜLLER  seit  dem  Jahre  1891  ununterbrochen  als  Ausschussmitglied 
angehört  und  hat,  besonders  in  den  ersten  Jahren,  zahlreiche  Vor- 
träge in  ihren  Sitzungen  gehalten.  Wie  sehr  seine  Beziehungen  zur 
Pharmazie  ihm  am  Herzen  lagen,  zeigte  die  Ausarbeitung  seines 
Hauptwerkes,  der  „Medizinalflora",  welche  im  Jahre  1890  bei 
Julius  Springer  in  Berlin  erschien.  Sie  gibt  Zeugnis  von  seinem 
grossen  Fleisse  und  der  allseitigen  Beherrschung  des  reichen  Stoffes. 

In  wie  hohem  Maasse  Professor  MÜLLER  als  Vorsitzender  der 
Berliner  Turnerschaft  sich  die  Liebe  und  Anerkennung  seiner 
A^ereinsgenossen  erworben  hat,  ist  in  mehreren  ihm  gewidmeten 
Nachrufen  zum  Ausdrucke  gelangt.  Schon  als  Knabe  war  er  in  die 
Jugendabteilung  der  Berliner  Turnerschaft  eingetreten  und  hatte  es 
bald  zum  Vorturner  und  zum  Leiter  der  13.  Jugendabteiluug  ge- 
bracht. Als  reifer  Mann  fand  er  auf  dem  Turnboden  Erholung  von 
ano-estreno-ter  seistioer  Tätio-keit.  A^or  sechs  Jahren  wurde  er  zum 
Vorsitzenden  der  Berliner  Turnerschaft  erwählt  —  ein  Ehrenamt, 
das  er  bis  zu  seinem  Tode  verwaltete.  Wie  hoch  seine  Wirksam- 
keit eingeschätzt  und  wie  schmerzlich  sein  Verlust  empfunden  wurde, 
zeigte  sich  in  der  wahrhaft  grossartigen  Teilnahme  bei  seiner 
Beerdio;ung.  Die  Turnerschaft  hat  es  sich  nicht  nehmen  lassen,  ihre 
Kosten  zu  be'streiten. 

Von  äusseren  Anerkennungen,  welche  CARL  MÜLLER  zuteil 
wurden,  ist  die  wichtigste  die  im  Jahre  1892  erfolgte  Ernennung 
zum  Mitgliede  der  Kaiserlich  Leopoldinisch  -  Carolinisch  -  Deutschen 
Akademie  der  Naturforscher.  Schon  vorher  (1883)  war  er  zum 
Ehrenmitgliede  der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde  in  Berlin 
ernannt  worden.  Im  Jahre  1891  erfolgte  seine  Wahl  zum  Ehren- 
mitgliede des  Gartenbauvereins  in  Potsdam. 

Das  Maass  von  Zeit  und  Arbeit,  das  CARL  MÜLLER  der  Berliner 
Turnerschaft  widmete,  erklärt  vielleicht  zum  Teil  die  Tatsache,  dass 
er  auf  seinem  nächsten  Arbeitsgebiete  als  Forscher  in  deu  letzten 
Jahren  nicht  mehr  so  produktiv  war,  wie  man  nach  seiner  glücklichen 


Carl  Müller.  (45) 

Veranlagung  und  nach  seinen  reichen  Kenntnissen  hätte  erwarten 
sollen.  Eine  gerechte  Beurteilung  wird  aber  die  schwierigen  Ver- 
hcältnisse  nicht  unberücksichtigt  lassen,  unter  denen  der  frische, 
arbeitslustige  Jüngling  sich  zum  reifen  Manne  entwickelt  hatte. 
Erst  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  war  es  ihm  beschieden,  eine 
o-esicherte  Lebensstellung  zu  erreichen.  Manch'  Anderem  würden 
die  Kräfte  versagt  haben,  bis  dahin  auszuharren.  Er  aber  hat,  bis 
die  tückische  Krankheit  ihn  niederwarf,  seine  Freude  an  der  Arbeit 
voll  bewahrt,  hat,  mit  hervorragender  Lehrbegabung  ausgestattet, 
die  Liebe  zu  seiner  Fachwissenschaft  nicht  nur  bei  den  Studierenden 
dreier  Hochschulen  mächtig  gefördert,  sondern  auch  durch  seine  an- 
ziehenden populären  Vorträge  in  weitesten  Kreisen  verbreitet  und 
vertieft  und  war  stets  bereit,  wo  seine  Mitwirkung  erbeten  wurde, 
helfend  und  fördernd  einzutreten.  Wenn  der  Wert  eines  Menschen 
nicht  nach  blendenden  äusseren  Erfolgen,  sondern  nach  dem  be- 
messen wird,  was  er  seinen  Mitmenschen  war,  wird  der  Name 
unseres  CARL  MÜLLER  stets  mit  Hochachtung  genannt  werden. 


Verzeichnis  der  Arbeiten  von  Carl  Müller. 

(Zusammengestellt  von  W.  WÄCHTER.) 


1876.  Über  einige  Formen  von  Osmunda  regalis  L.  (B.  V.  Brdb.  1876.  S.  123-125). 

1877.  Monströse    Blütenbildung   von    Aqrostemma    Githayo    L.     (Ber.    d.    bot.    Ver. 

der  Provinz  Brandenburg,  S.  101  ) 

Über  die  Pflauzengalb'n  im  weitesten  Sinne  des  Wortes.  —  Preisarbeit. 

Fasciationserscheinung  und  Doppelblüte  an  einer  Gymnadenia  conopea  (L). 
(B.  Ber.  B    V.  Brdb.  1877.  S.  103—105) 

Über  eine  Phytoptiis-Galle  auf  Lysimac/iia  vulgaris  L.  und  das  sie  hervor- 
rufende Tier.    (Ber.  d.  bot.  Ver.  d.  Prov.  Brandenburg.  S.  105     113.) 

1880.  Einige    Bemerkungen    über    die    von    Anguillulen    auf    Achillaea    erzeugten 

Gallen.     (Bot.  Centralbl.  188'»,  S.  187.) 
Phytoptus  auf  Sedum  reflexum.    (Bot.  Centralbl.  1880,  S.  349.) 

1881.  Zwei  ungarische  Pflanzengallen.     (Rot.  Centralbl.  1881,  S  212.) 

Deutsche    Übersetzung    der   Botanischen    Mikrochemie    von  V.  A.  POULSEN 
(aus  dem  Dänischen). 

1883.  Meine  Stellung  zur  Frage  von  den  Spermamöben  der  Saprolegnien.    (Botan. 

Centralbl  1883,  S.  125  ff.) 
Neue  Helminthocecidien  und  deren  Erzeuger.     Doktordissertation. 
Mitteilungen    über    die    unseren  Kulturpflanzen    schädlichen,    das  Geschlecht 

Heterodera  bildenden  Würmer.     (liandw.  Jahrb.  1883  S.  1). 

1884.  Bemerkungen  zu  meiner  Dissertation  und  deren  Abdruck  in  Thiel's  Landw. 

Jahrb.     (Ber.  der  deutsch,  bot.  Ges.  1884  S.  221.) 
Über   Dimorphismus    der   Blüten   von    Sambucus   australis    Cham,  et  Schldl. 
(Ber.  der  deutsch   bot.  Ges.  1884  S.  452.) 
Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellsch.    XXV.  /4^ 


(46):  L-  Kny:  Carl  Müller, 

1884.  Übersicht  der  morphologischen  Verhältnisse  im  Aufbau  des  in  einem  grossen 
Teil  von  Südamerika  vorkommenden  Sainbucus  australis.  (Ber.  der  Ges. 
naturf.  Freunde  in  Berlin  1884  S.  189.) 

Über  den  Bau  der  Ausläufer  von  Saijittaria  sagittlfoUa  L.  (Ber.  der  Ges. 
naturf.  Freunde  in  Berlin  1884  S.  165). 

Caprifoliaceae,    Valerianaceae,    Calycerae   in    Flora   hrasiliensis,    S.  332 — 359. 

1887.  Nachruf  für  AUG.  WiLH.  ElCHLER.     (Bot.  Centralbl.,  Bd.  81  u.  32.) 

1888.  Über   phloemständige  Sekretkanäle    der  Umbelliferen  und  Araliaceen.     (Ber. 

der  deutsch,  bot.  Ges.  1888  S.  20). 
Über    den    Bau    der   Kommissuren    der  Equisetenscheiden.     (Pringsheevi's 
Jahrb.  für  wiss.  Bot.,  Bd.  XIX  (mit  5  Tafeln)  S.  497.) 

1889.  Der   Begriff    „Pflanzengalle"    in    der    modernen    Wissenschaft.     (Naturwiss. 

Wochenschrift,  Bd.  IV,  1889  S.  52  >. 
Euphorbiaceen    in    POTONIE's    illustrierter    Flora    von    Nord-    und    Mittel- 
deutschland 1889,  Berlin,  JUL.  SPRINGER. 

1890.  Medizinalflora.    Eine  Einführung  in  die  allgemeine  und  angewandte  Morpho- 

logie uud  Systematik  der  Pflanzen.     Berlin,  JuL.  SPRINGER. 
Ein  Beitrag    zur  Kenntnis   der  Formen  des  Collenchyms.     (Ber.  der  deutsch. 

bot.  Ges.  1890  S.  150.) 
Über   die    Balken   in    den  Holzelementen    der  Coniferen.     (Ber.  der  deutsch. 

bot.  Ges.  1890  S.  17.) 
Über  ein  fettes  Öl  aus  Lindensamen.    (Ber.  der  deutsch,  bot.  Ges.  1890  S.  372.) 
Das  Vorkommen    freier  Gefässbündel    in    den  Blattstielen  kräftiger  Umbelli- 
feren   sowie    Compositen.      (Ber.    der    Gesellsch.    naturf.    Freunde    zu 

Berlin  1S90  S.  131.) 
Das   Diagramm    der   Blüte    von   Aesculus  Hippocasianum  L,     (Bot.  V,  Brdb. 

1890  S.  IX.) 
Über    die    von    der  Lage    zum  Horizonte   beeinflusste  Stellung    zygomorpher 

Blüten.     (B.  V.  Brdb.  Ib90  S.  IX.) 

1891.  Albinismus  bei  Lathraea  squamaria.    (Deutsche  bot.  Monatsschrift  1891.) 
Über    die  Einführung    der    Begriffe    „Molekularwertigkeit"    und    „Molekular- 
koeffizient" und  ihre  Bedeutung  für  die  molekulare  Energie.    (Ber.  der 
Pharm    Ges.,  Berlin  1891  S.  1.) 

Zur    Praxis    der    Herstellung    kleiner    Mengen    von    Lösungen    bestimmten 

spezifi.schen  Gewichtes.     (Ber.  der  Pharm.  Ges.  1891  S.  247.) 
Über  Dammar  und  Dammar  liefernde  Pflanzen.   (Ber.  der  Pharm.  Ges.  1891S.  1.) 

1892.  Diskussion  über  Pharmakopöefragen,  a)  Oortex  und  Radix,  b)  Seeale  cornutum 

(Ber    der  deutsch.  Pharm.  Ges.  1892  S.  348). 

1893.  Zur    Kenntnis    der    Entwicklungsgeschichte    des    Polypodiaceensporangiums. 

(Ber.  der  deutsch,  bot.  Ges.  1893  S.  54.) 
C.  MÜLLER  und  H.  POTONIE,  Botanik.     Berlin, 

Kritische    Untersuchungen    über    den    Nachweis    maskierten    Eisens    in    der 
Pflanze  und  den  angeblichen  Eisengehalt  des  Kaliumhydroxyds.     (Ber, 
der  deutsch,  bot,  Ges.  1893  S.  252.) 
,  Über    das    Wachstum     der    Pollenschläuche     in     den    Narbenpapillen     der 

Silenaceen.     (Ber.  der  deutsch.  Pharm.  Ges.  1893  S    266.) 

1894.  Zur  Geschichte  der  Physiologie  und  der  Kupferfrage.   (Zeitschr.  für  Pflanzen- 

krankheiten 1894  S.  142.) 
Über  die  Unterscheidung  der  für  die  Nahrungsmittelbotanik    in    erster  Linie 

wichtigen    Stärkearten.     (Ber,   der  Vers,    deutscher   Naturforscher  und 

Ärzte  1894.) 
Die  wichtigsten  Verzweigungssysteme,     (Ber.  der  deutsch.  Pharm,  Ges.  1894 

S,  171.) 


J.  BEHRENS:  RUDOLF  AdERHOLD.  (47) 

Über   einige    neue   botanische  Modelle   als  Hilfsmittel   für    den   Unterricht. 

(Ber.  d.  deutsch.  Pharm.  Ges.  1894  S.  117.) 
Historisches    zur  Frage    nach    dem  Eisen    in    seiner    Beziehung    zur  Pflanze. 

(Hedwigia,  Bd.  XXXIII,  1894.) 
Wirken  und  Schaffen  der  Pflanzenwelt.     (Sammlung  populärer  Schriften  der 

Urania  1894.) 
Über  die  Methode  der  Untersuchung  von  Getreidefrüchten.    (Ber.  der  Pharm. 

Ges.  1894  S.  1  u.  2.) 
Erläuterung    BRENDEL'scher   Modelle:    Die  Reproduktionsorgane   von  Mar- 
chantia  polymorpha  L.     Berlin.  R.  BRENDEL,  Verlagsanstalt  für  Lehr- 
mittel. 
1895.     Die  Laubmoose.    ENGLER- Prantl,  Natürl.  Pflanzenfamilien    S.  142. 
189G.     Blitzschläge  in  Beziehung  zu  Boden  und  Baumbestand,    („Himmel  und  Erde", 
illustr.    naturw.    Monatsschrift,    herausgegeben    von    der    Ges.    Urania, 
S.  171.) 
Die  Entwicklung  des  Hühnchens  im  Ei.     (.,Himmel  und  Erde"  S.  403  ff.  (mit 
10  Abbildungen.) 
1897.     Die  Entwicklung  der  ßrutkörper  von  Aulacomnium  androgynum  (L.)  Schwägr. 
(Ber.  der  deutsch,  bot.  Ges.  1897  S.  279.) 
Über  die  Einlagerung  von  Cellulose  in  die  Cellulosewand  lebender  PÜanzen- 
zellen.     (Ber.  der  Pharm.  Ges.,  Berlin  1897  S.  11.) 
1901.    Die  elektrotechnische  Industrie.     („Himmel  und  Erde"  1901  S.  511—521.) 
190G.    Mitteilung   über  HjmpnophjUum    aus   Luxemburg.     (Verhandig.  des   botan. 

Vereins  der  Prov.  Brandenburg,  190G  S.  XXVII.) 
Referate   in  JuST's   botan.  Jahresbericht   über   die  Morphologie  der  Gewebe,    1883 
bis  1886;   über   die  Schädigung  der  Pflanzenwelt   durch  Tiere,    1883—1885; 
über  die  Morphologie  und  Physiologie  der  Zelle,  1887  —  1889, 


Rudolf  Aderhold. 

Von 
J.  BEHRENS. 


Am  Morgen  des  17.  März  1907  schied  unerwartet  in  den  besten 
Jahren  RUDOLF  AdeRHOLD,  Mitglied  der  Gesellschaft  seit  dem  Jahre 
1893,  aus  dem  Leben. 

Geboren  am  12.  Februar  1865  zu  Frankenhausen  in  Thüringen, 
besuchte  RUDOLF  FERDINAND  THEODOR  ADERHOLD  zunächst  das  Real- 
gymnasium seiner  Vaterstadt.  Ostern  1882  trat  er  in  die  Prima  des 
Realgymnasiums  zu  Nordhausen  ein  und  erlangte  an  diesem  zu 
Ostern  1884  unter  Befreiung  von  der  mündlichen  Prüfung  das  Reife- 
zeugnis.    An  der  Universität  Jena  widmete  er  sich  dann  dem  Studium 

(4*) 


(J:8) 


J.  Behrens  : 


der  Naturwissenschaften,  insbesondere  der  Botanik.  Seine  Lehrer  in 
diesem  Fache  waren  BÜSGEN,  DeTMER  und  insbesondere  STAHL. 
Das  Wintersemester  1885/86  brachte  ADERHOLD  an  der  Universität 
Berlin  zu,  wo  ElCHLER  und  SCHWENDENER  seine  botanischen  Lehrer 
waren,  und  wo  er  auch  in  SCHWENDENERs  Institut  arbeitete.  Zu 
Beginn  des  Sommersemesters  1886  kehrte  er  bereits  wieder  nach 
Jena,  dem  er  zeitlebens  treue  Anhänglichkeit  bewahrte,  zurück,  um  eine 
von  Stahl  ihm  angebotene  Assistentenstelle  am  botanischen  Institut 
zu  übernehmen.  Diese  bekleidete  er  bis  zum  Ende  des  Winter- 
semesters 1887/88.  Neben  der  Erfüllung  seiner  dienstlichen  Obliegen- 
heiten fand  er  noch  Zeit  zu  einer  eigenen  wissenschaftlichen  Arbeit, 
die  unter  dem  Titel:  Beitrag  zur  Kenntnis  richtender  Kräfte  bei  der 
Bewegung  niederer  Organismen,  in  der  Jenaischen  Zeitschrift  für  Natur- 
wissenschaften erschien,  und  auf  Grund  derer  er  am  9.  April  1888 
magna  cum  laude  zum  Doktor  der  Philosophie  promoviert  wurde.  Nach 
Niederlegung  der  Assistentenstelle  bereitete  sich  ADERHOLD  in  Jena 
auf  die  Prüfung  für  das  höhere  Lehramt  vor,  die  er  am  23.  Fe- 
bruar 1889  bestand.  Vom  1.  April  1889  bis  31.  März  1890  genügte 
er  seiner  Militärpflicht  als  Einjährig-Freiwilliger  im  7.  Königl.  Säch- 
sischen Infanterie-Regiment  Prinz  Georg  No.  106  in  Möckern  bei 
Leipzig  und  trat  dann  in  den  Preussischen  höheren  Schuldienst  ein. 
Ton  der  vorgeschriebenen  Yorbereitungszeit  w^urde  das  Seminarjahr 
am  Realgymnasium  Iserlohn  von  Ostern  1890  bis  Ostern  1891  zurück- 
gelegt und  das  Probejahr  zu  Ostern  1891  am  Realgymnasium  Dort- 
mund begonnen.  Da  trat  die  Einladung  WORTMANN s  an  ihn  heran, 
eine  Assistentenstelle  an  der  pflanzenphysiologischen  Versuchsanstalt 
der  Königl.  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und  Gartenbau  zu  Geisen- 
lieim  a.  Rh.  zu  übernehmen.  Seiner  alten  Vorliebe  für  die  Botanik 
folgend,  trat  er  am  12,  August  1891  diese  Stellung  an,  vollendete 
jedoch  den  Vorbereitungsdienst  für  das  höhere  Lehrfach  als  Probe- 
kandidat am  Realgymnasium  zu  Geisenheim  während  des  Sommers 
1892.  Bis  Ende  September  1893  blieb  er  in  Geisenheim  als  Assistent 
WORTMANNs  und  bewährte  schon  damals  in  vielseitiger  Tätigkeit 
seine  staunenswerte  Arbeitskraft.  Neben  seiner  eigentlichen  viel- 
seitigen und  arbeitsreichen  Tätigkeit  als  Assistent  leitete  er  auch, 
zum  grössten  Teile  selbständig,  das  mikroskopisch-anatomische  und 
phytopathologische  Praktikum  für  die  Eleven  der  Lehranstalt  und 
fand  noch  Zeit  zu  selbständigen  ausserdienstlichen  Arbeiten  auf  den 
Gebieten  der  Gärungsphysiologie  und  Phytopathologie.  Es  war  da- 
her nicht  zu  verwundern,  als  ihm  bereits  nach  zweijähriger  Tätig- 
keit in  Geisenheim  die  durch  SORAÜERs  Ausscheiden  frei  gewordene 
Stelle  des  Lehrers  der  Botanik  und  Leiters  der  botanischen  Ab- 
teilung der  Versuchsstation  am  Königl.  pomologischen  Institute  zu 
Proskau  zum  1.  Oktober  1893  übertragen  wurde.     Die    zunächst  nur 


EUDOLF  Adeehold.  (49) 

kommissarisch  verwaltete  Stelle  wurde  bereits  am  1.  April  1894  eine 
etatsmässige.     Im  Mai  des  Jahres  1895  verheiratete  sich  ADERHOLD 
dann    mit    einer  Jugendfreundin  CLEMENTINE  HaCCIUS.     Die  Über- 
siedelung nach  Proskau  leitete    eine    längere    Periode    ruhiger    und 
fruchtbarer  Arbeit  ein.     Neben    der    umfangreichen  Lehr-    und  Aus- 
kunftstätigkeit,  zu  der  sich  auch  eine  äusserst  rege  Mitarbeit  an  der 
monatlich  erscheinenden  Proskauer  Obstbauzeitung,  längere  Zeit  hin- 
durch sogar   die   Redaktion  derselben  gesellte,  fand  ADERHOLD  noch 
Zeit    und  Arbeitskraft    zu    intensivster    wissenschaftlicher  Forschung. 
Als  Frucht    der  Proskauer  Zeit    entstand    eine  Reihe    von  verdienst- 
vollen   Arbeiten,     die     sich     grösstenteils     auf     phytopathologischem 
Gebiete  bewegten.    Abgesehen  von  seiner  Tätigkeit  au  einem  pomo- 
logischen  Institut,  wurde  diese  Richtung  der  Forschung  ADERHOLD,  wie 
er    dem  Schreiber    dieses    bei    wiederholten   Gelegenheiten    erzählte, 
durch  die  besonderen  Verhältnisse  der  Gegend  nahegelegt,  die  gerade- 
zu ein  Eldorado  für  Pilzkrankheiten    der  Obstbäume    bilde.      Dank- 
bar gedachte  Aderhold  auchstetsderAnregungundUnterstützung  durch 
Litteratur,  deren  er  sich  bei    gelegentlichen   Besuchen    im    pflanzen- 
physiologischen   Institut    in  Breslau    durch  BREFELD    stets    erfreuen 
durfte.     Acht    glückliche  Jahre    eines    erfolgreichen  Schaffens  waren 
verflossen,    als    fast    gleichzeitig    zwei    verschiedene    Berufungen    an 
Aderhold  herantraten,  eine  als  Leiter*  der  Königl.  Bayerischen  Wein- 
bauschule   zu  Veitshöchheim    bei  Würzburg,    die  andere,  an  die  vor 
wenigen  Jahren  gegründete    biologische    Abteilung    des  Kaiserlichen 
Gesundheitsamtes  in  Berlin.    Diesem  Rufe  folgend,  trat  ADERHOLD  am 
1.  Oktober  1901  zunächst    als    kommissarischer  Hilfsarbeiter    in    die 
biologische  Abteilung  für  Land-  und  Forstwirtschaft  am  Kaiserlichen 
Gesundheitsamt    ein.     Am    1.  Januar    1902    zum  Mitgliede    und  Re- 
gierungsrat ernannt,  übernahm  er  als  Nachfolger  TUBEUFs,    der  zum 
Direktor   der  Abteilung    ernannt    war,    die  Leitung    des    botanischen 
Laboratoriums.      Nachdem     TUBEUF     einem     Rufe     als     Nachfolger 
HaRTIGs  nach  München    gefolgt  war,    wurde  AderHOLD  am    1.  De- 
zember 1902  sein  Nachfolger  als  Direktor    der  Abteilung    unter  Er- 
nennung   zum    Geheimen  Regierungsrat,    und    als    am  1.  April   1905 
die  biologische  Abteilung  vom  Gesundheitsamte  abgetrennt   und    als 
biologische  Anstalt    für    Land-    und    Forstwirtschaft    mit    dem    Sitze 
Dahlem  selbständig  gemacht  wurde,  wurde  ADERHOLD,  der  am  18.  Ja- 
nuar 1905    durch  Verleihung    des  roten  Adlerordens  IV.  Klasse  aus- 
gezeichnet war,  ihr  erster  Direktor.     Welche  Verdienste   er  sich  um 
den  Ausbau  und  die  Organisation    der  Anstalt  erworben  hat,    darauf 
einzugehen,     ist     hier     nicht     der     Ort.      Bewunderungswürdig     ist 
die  Energie,    die    Arbeitsfreudigkeit    und    die  Arbeitskraft,    mit    der 
Aderhold  neben  den  nicht  leichten,  zeitraubenden  und  umfangreichen 
Geschäften,    welche    die  Verwaltung  einer    in    der    Entwicklung    be- 


(50) 


J.  Behrens  ; 


griffenen  und  keineswegs  kleinen  Anstalt  unabweislich  mit  sich 
bringt,  auch  noch  Zeit  fand  für  die  Fortsetzung  seiner  wissenschaft- 
lichen Tätigkeit.  Als  reife  Früchte  nicht  nur  der  ersten  Zeit  seines 
Berliner  Aufenthaltes,  sondern  auch  gerade  noch  der  letzten  Jahre 
liegt  eine  ganze  Reihe  von  wertvollen  Arbeiten  vor,  und  manches 
Angefangene  und  Unvollendete  in  seinem  Nachlass  legt  von  seiner 
umfassenden  Tätigkeit,  seiner  seltenen  Arbeitsfähigkeit  und  nicht 
erlahmendem  wissenschaftlichen  Interesse  Zeugnis  ab. 

ADERHOLD's  Arbeiten  fanden  natürlich  auch  im  Auslande  reiche 
Anerkennung.  So  ernannte  ihn  die  Königl.  Schwedische  Akademie 
der  Landwirtschaft  am  20.  März  1905  zu  ihrem  auswärtigen  Mitgliede. 

Was  die  wissenschaftliche  Tätigkeit  ADERHOLD's  angeht,  so  be- 
wegt sich  dieselbe,  abgesehen  von  der  unter  STAHL 's  Leitung  und 
Anregung  entstandenen  Dissertation,  ausschliesslich  teils  auf  dem 
gärungsphysiologischen,  teils  auf  dem  pflanzenpathologischen  Gebiete. 
Auf  das  erstere  war  er  durch  seine  Tätigkeit  in  Geisenheim  hin- 
gelenkt, wo  WOETMANN  damals  gerade  die  Übertragung  der  von 
E.  Chr.  Hansen  bereits  mit  so  grossem  Erfolg  in  das  Brauerei- 
gewerbe eingeführten  Verwendung  rein  gezüchteter  Heferassen  auf 
die  Weinbereitung  in  Angriff  genommen  hatte.  An  diesen  Arbeiten 
war  Aderhold  als  Assistent  WORTMANN's  lebhaft  beteiligt.  Hatte 
Wortmann  die  für  die  Praxis  besonders  wichtigen  physiologischen 
Beobachtungen  der  zahlreichen,  im  Institut  rein  gezüchteten  Wein- 
hefen eingehend  bearbeitet,  so  ist  es  ADERHOLD's  Verdienst,  gezeigt  zu 
haben,  dass  den  physiologischen  Unterschieden  auch  morphologische 
und  biologische  Unterschiede  der  verschiedenen  Rassen  parallel 
gehen.  Zwei  kleinere  Abhandlungen  halfen  durch  den  Nachweis, 
dass  die  gärungskräftigen  Hefen  gegen  Kohlensäure  und  Sauerstoff- 
mangel sehr  viel  widerstandsfähiger  sind  als  gewisse  gärschwachen 
Hefen  oder  Schädlinge  der  alkoholischen  Gärung,  die  Grundlage  für 
die  Methodik  der  Anwendung  der  Reinhefe  bei  der  Weinbereitung 
schaffen.  In  Proskau,  fern  von  den  Produktionsstätteu  des  Trauben- 
weins, erregten  die  im  Haushalt  angewendeten  Säuerungen  der 
Gurken  und  anderer  Gemüsearten  das  Interesse  ADERHOLD's. 
Leider  sind  der  wertvollen  Arbeit  über  die  Säuerung  der  Gurken, 
einer  Milchsäuregärung,  bei  der  Bakterien  von  verschiedener  Gär- 
kraft aus  der  Verwandschaft  des  Bacterium  lactis  acidi  Leichm.  ge- 
funden wurden,  die  beabsichtigten  Fortsetzungen,  die  über  andere 
Säuerungen  handeln  sollten,  nicht  gefolgt.  Eine  zusammenfassende 
Darstellung  unseres  Wissens  über  Gemüse-  und  Futtereinsäuerung,  in- 
die  auch  die  Ergebnisse  der  eigenen  nicht  ausführlich  veröffentlichten 
Untersuchungen  verarbeitet  sind,  hat  ADERHOLD  indessen  noch  für 
LAPAR's  Handbuch  der  technischen  Mykologie  bearbeitet.     Auch  das 


Rudolf  Aderhold. 


(51) 


Verderben  der  Konserven  machte    er  s-eleo-entlich    zum   Gegenstände 
einer  kleinen  Untersuchung. 

Weit  zahlreicher  nicht  nur,  sondern  auch  bedeutsamer  sind 
AderHOLD's  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Phytopathologie.  Zum 
ersten  Male  betätigte  er  sich  auf  demselben  während  seines  Geisen- 
heimer  Aufenthalts,  indem  er  eine  in  einer  Gemarkung  Rheinhessens 
auftretende  Blattranddürre  der  Aprikosen  studierte.  Nach  seinen 
Untersuchungen  handelte  es  sich  nicht  um  eine  parasitische  Krank- 
heit, sondern  wahrscheiulich  um  die  Folge  einer  Ernährungsstörung, 
eines  Stickstoffmangels  im  Boden,  was  allerdings  neuerdings  durch 
Zurückführung  der  Krankheit  auf  Windwirkungen  bestritten  wird. 
In  Proskau  wendete  sich  AderHOLD  dann,  durch  die  lokalen  Ver- 
hältnisse veranlasst,  ganz  besonders  energisch  und  intensiv  phyto- 
pathologischen  Fragen  zu.  Insbesondere  die  FtisicladieTikYSinklieiten 
der  Apfel-  und  Birnbäume  wurden  eingehend  und  mustergültig  be- 
arbeitet. Nebenbei  reiften  als  Frucht  dieser  Studien  seine  wert- 
vollen Beiträge  zur  Systematik  der  Fusicladium-  und  Venturiadirieiü.. 
Weiter  seien  genannt  die  Studien  über  -die  Blattpilze  und  den 
Gummifluss  des  Steinobstes,  über  den  Vermehrungspilz, ^)  die  An- 
wendung und  Wirkungsweise  der  Kupferkalkbrühe.  Auch  nach 
seiner  Übersiedelung  nach  Berlin  war  seine  Tätigkeit  zunächst  noch 
wesentlich  den  Krankheiten  der  Obstbäume  gewidmet.  Besonders 
hervorzuheben  sind  aus  dieser  Zeit  seine  Untersuchungen  über  die 
Mouilien  der  Obstbäume,  deren  Zugehörigkeit  zu  drei  verschiedenen 
Sclerotiniaaxien  er  in  Gemeinschaft  mit  RUHLAND  nachwies,  ferner  die 
Studien  über  ein  durch  Valsa  oxyüoma  verursachtes  Kirschbaum- 
sterben sowie  über  eine  Rindenbakteriose  der  Kirschbäume  (mit 
RUHLAND).  Ein  anderes  Arbeitsfeld  betrat  ADERHOLD  mit  den  Ver- 
suchen über  Überwinterung  und  Regeneration  der  C7aw^ps-Sclerotien. 
Untersuchungen  über  die  Getreideroste,  über  das  Lagern  des  Ge- 
treides usw.  wurden  in  Angriff  genommen,  sind  leider  aber  nicht  zu 
einem  gewissen  Abschluss  gediehen.  Dasselbe  Schicksal  haben  leider 
auch  die  breit  angelegten  Versuche  und  Untersuchungen  über  die 
Wirkung  des  Carbolineums  als  Pflanzenschutzmittel  gehabt.  Die 
Untersuchungen  über  den  Gummifluss  der  Amygdaleen  wurden  ge- 
meinsam mit  Ruhland  weitergeführt,  und  die  Veröffentlichung 
ihrer  Ergebnisse  ist  nach  der  notwendigen  Durchführung  und  Er- 
gänzung der  Untersuchungen  zu  erwarten. 

AdeRHOLD's  phytopathologische  Arbeiten  waren  von  jeher  grössten- 
teils dadurch  vor  der  Mehrzahl  derartiger  Arbeiten  ausgezeichnet, 
dass  sie  sich  nicht    auf   eine  Beschreibung  des  Krankheitsbildes  und 


1)    Von  Ruhland  eben  als  Moniliopsis  Aderholdi  näher  beschrieben. 


(52)  J-  Beheens  : 

des  Krankheitserregers  beschränkten,  sondern  dass  sie  auf  die  phy- 
siologische Seite,  auf  das  Studium  der  kranken  Pflanze  und  auf  die 
allgemeine  Biologie  des  Paiasiten  eingehen  und  besonderes  Gewicht 
legen.  Dem  Studium  der  Infektionsbedingungen  bei  den  Fusicladien- 
Krankheiten  ist  ADERHOLD  besonders  eingehend  und  sorgfältig  nach- 
gegangen. Er  versuchte  später,  nachdem  für  sie  der  Einfluss  des 
Wetters  und  des  damit  im  Zusammenhang  stehenden  Entwicklungs- 
zustandes der  Pflanzen  auf  das  Zustandekommen  der  Infektion  er- 
kannt war,  leider  mit  wenig  Glück,  den  Einfluss  einzelner  Faktoren 
der  Witterung  (Kegen)  auf  das  Zustandekommen  verschiedener  Pilz- 
krankheiten zu  studieren.  Der  Wechselwirkung  von  Parasit  und 
Wirt  ging  er  bei  den  Blattflecken  erzeugenden  und  dem  in  gummi- 
flüssigen Wunden  gefundenen  pilzlichen  Feinden  der  Ämygdaleen 
nach.  Dasselbe  Ziel,  das  er  experimentell,  nicht  mit  dem  erwarteten 
Erfolg,  in  der  Regenzelle  bearbeitet  hatte,  den  Zusammenhang  des 
Auftretens  von  Epidemien  mit  dem  Wetter,  hatte  er  schon  vorher 
wiederholt  mit  mehr  Glück,  allerdings  auch  natürlich  mit  weniger 
Beweiskraft,  auf  dem  statistischen  Wege  verfolgt,  indem  er  den 
Grad  des  Auftretens  von  Fusicladium  mit  dem  Gang  der  Frühjahrs- 
witterung zur  kritischen  Zeit  verglich,  und  er  erhoffte  von  der  Ver- 
wirklichung seines  Lieblingsgedankens,  der  Organisation  eines  phyto- 
pathologischen  Beobachtungsdienstes  in  grösseren  Gebieten,  eine 
weitere  Aufhellung  der  angedeuteten  Wechselbeziehungen  sowie 
anderer  Möglichkeiten  einer  allgemein  verbreiteten  „Disposition  zu 
Erkrankungen"  auch  für  andere  Pflanzenkrankheiten,  wenn  er  sich 
auch  nicht  verhehlen  konnte,  dass  dieses  Ziel  an  die  Exaktheit  der 
Lokalbeobachtungen  und  damit  an  die  Qualität  der  zahlreichen,  im 
Land  zerstreuten  Einzelbeobachter  ausserordentlich  hohe  An- 
forderungen stellt,  deren  Verwirklichung  keineswegs  überall  wahr- 
scheinlich ist.  Von  dem  Studium  der  Angriffswaffen  der  parasitischen 
Pilze  einerseits,  der  Verteidigungswaffen  der  Wirtspflanzen  anderer- 
seits versprach  sich  ADERHOLD  reichen  Gewinn  für  die  wissenschaft- 
liche Pathologie  nicht  nur,  sondern  auch  für  die  Bekämpfung  der 
Krankheiten  in  der  Praxis.  Durch  wissenschaftliche  Bearbeitung  der 
Wechselwirkung  zwischen  Wirt  und  Parasit  hoffte  er  allmählich  zu 
den  Fundamenten  einer  exakten  Therapie  der  Pflanzen  zu  gelangen. 
Dabei  schwebten  ihm  die  Erfolo^e  der  Medizinischen  Wissenschaft 
auf  dem  Gebiete  der  Immunitätslehre  und  Serumtherapie  vor,  wo- 
bei er  indes  keineswegs  übersah,  dass  bei  den  Pflanzen  infolge  des 
Mangels  einer  Blutbahn  die  Verhältnisse  weit  schwieriger  liegen, 
dem  Experiment  weit  weniger  leicht  zugänglich  und  weit  weniger 
durchsichtig  sind  als  beim  tierischen  Organismus. 

Neben  seiner  Verwaltungs-  und  wissenschaftlichen  Tätigkeit  be- 
tätigte sich  Aderhold  von  jeher  auch  rege  durch  Veröffentlichung  all- 


Rudolf  Aderhold.  (53) 

gemein  verständlicher,  belehrender  Aufsätze  in  landwirtschaftlichen 
und  gärtnerischen  Zeitschriften.  Die  Proskauer  Obstbauzeitung  hat 
er  eine  Zeit  lans;  o-rösstenteils  mit  Artikeln  aus  der  eigenen  Feder 
gefüllt  und  ihre  Redaktion  geführt.  Eine  sehr  praktische  umfang- 
reiche Bestimmungstabelle  der  Obstbaumkrankheiten  mit  kurzer  Be- 
schreibung und  Angabe  der  geeigneten  Gegenmittel,  die  in  der 
Proskauer  Obstbauzeitung  zuerst  veröffentlicht  wurde,  ist  später 
separat  im  Selbstverlage  erschienen  und  in  das  Schriftenverzeichnis 
aufgenommen,  während  die  weit  zahlreicheren  anderen  populären  Auf- 
sätze ebenso  wie  die  von  ihm  bearbeiteten  Flugblätter  aus  der 
Biologischen  Anstalt,  diese  mit  einer  Ausnahme,  dort  nicht  besonders 
erwähnt  sind. 

Zu  dieser  Art  von  belehrender  Tätigkeit  gesellen  sich  zahl- 
reiche belehrende  Vorträs;e  in  den  verschiedensten  Vereinen. 
ADERHOLDhatte  ein  ausgezeichnetes  Lehrtalent  und  eine  ausgesprochene 
Neigung,  dieses  Talent  zu  entfalten.  In  seiner  Proskauer  Zeit,  wo 
der  Unterricht  ihm  zugleich  Pflicht  war,  hatte  er  dazu  natürlich  die 
meiste  Gelegenheit  und  übte  sie  mit  dem  Erfolge,  dass  ihm  die  An- 
hänglichkeit und  Liebe  seiner  Proskauer  Schüler  nach  Berlin  folgte 
und  treu  blieb.  Ausser  in  gelegentlichen  Vorträgen,  die  sich  durch 
Klarheit  und  präzise  Fassung  auszeichnen,  betätigte  sich  seine 
Neisuno;  zur  lehrenden  Tätigkeit  bis  zuletzt  auch  darin,  dass  er  ver- 
schiedene  jüngere  Botaniker  zu  wissenschaftlichen  Arbeiten  in  seinem 
Laboratoratorium  anregte  und  anleitete.  So  entstanden  Untersuchungen 
über  den  Kleekrebs,  die  Obstfäule  u.  a.  Das  Erscheinen  eines  von 
Aderhold  ano-ereo-ten  Werkes  über  die  Grundlagen  und  Methoden  der 
Phytopathologie,  in  dem  ein  Abschnitt  aus  seiner  eigenen  Feder  her- 
rührt, ist  noch  zu  erwarten. 

Als  Mensch  war  ADERHOLD  ein  gerader,  schlichter  und  offener 
Charakter;  Treue  und  Güte  leuchteten  aus  seinen  Augen.  Kein 
Falsch  war  an  ihm.  Den  Pflichten  seines  Amtes  widmete  sich 
Aderhold  mit  vorbildlicher  Pflichttreue  und  Hingebung. 

Viel  zu  früh  endete  in  der  Frühe  des  17.  März  1907  ein  Schlag- 
fluss  jäh  und  unerwartet  das  reiche  und  hoffnungsvolle  Leben  und 
das  unermüdliche  Schaffen  des  im  rüstigsten  Mannesalter  ste- 
henden Forschers.  Auf  dem  traulichen  Dahlemer  Friedhof  ward  ihm 
die  letzte  Ruhestätte  bereitet.  Mit  der  liebenden  Gattin  und  dem 
einzigen  Sohne  aber  betrauern  den  so  früh  von  uns  Geschiedenen  alle, 
die  dem  Verstorbenen  zu  Lebzeiten  näher  zu  treten  Gelegenheit 
hatten,    was    gleichbedeutend    damit    war,    sein    Freund    zu  werden. 


(54)  J-  Behrens  : 

Terzeichnis  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  Aderhold's.i) 


1.  Beitrag  zur  Kenntnis  richtender  Kräfte  bei  der  Bewegung  niederer  Osganismen. 

Jenaische  Zeitschr.  f.  Naturwiss.  1888.  No.  22  N.  F.  15  (auch  sep.  als 
Dissertation). 

2.  Über  das  Wesen,   den  Wert  und  die  Verwendung  der  Biologie    im    botanischen 

Unterrichte.     Pädagogische  Warte.     1891,  No.  11. 

3.  Über  den  Einfluss  der  Kohlensäure    auf  das  Wachstum    der  Weinhefe    (Saccha- 

roinyces    ellipsoideus).     Mitteilungen    über    Weinbau   und    Kellerwirtschaft. 
V      1892,  Bd.  4,  S.  118. 

4.  Über  den  Einfluss  der  Kohlensäure  auf  die  normale  Gärung  störende  Organismen 

mit  Bemerkungen  über  die  Konservierung    des  Weines.     Ebenda.     S.  132. 

5.  Studien    über  eine  gegenwärtig  in  Mombach    bei  Mainz    herrschende  Krankheit 

der  Aprikosenbäume  und  über  die  Erscheinungen  der  Blattranddürre. 
Landw.  Jahrb.  1893,  Bd.  22,  S.  435. 

6.  Untersuchungen  über  reine  Hefen.     III.     Die  Morphologie    der    deutschen  Sac- 

charonn/ces  e//«^;so?f?eMs-Rassen.     Landw.  Jahrb.  1894,  Bd.  23,  S.  587. 

7.  Die  Perithecienform  von    Fiisiciadiian   dendriticum  Wal.    (Venturia  chlorospora 

f.  mali).     Ber.  d.  Deutschen  bot,  Ges.  1894,  Bd.  12,  S.  338. 

8.  Generalregister  der  ersten  50  Jahrgänge  der  Botanischen  Zeitung.    Leipzig  1895- 

9.  Notizen  über  einige  im  vorigen  Sommer    beobachtete  Pflanzenkrankheiten,  Zeit- 

schrift f.  Pflanzenkrankheiten  1895,  Bd.  5,  S.  8,  86. 

10.  Literarische  Berichtigung  zu  dem  Aufsatze  über  die  Perithecienform  von   Fusi- 

cladiuni  dendnticuni  Wallr.    Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges.  1895,  Bd.  13,  S.  54. 

11.  Fusicladium  betulae  spec.  nov.    auf  den   Blättern  der  Birke.     Centralbl.  f.  Bakt. 

und  Parasitenkunde.     II.  Abt.  1896,  Bd.  2,  S.  57. 

12.  Cladosporiiim  und  Sporidesmhim  auf  Gurke  und  Kürbis.     Zeitschr.  f.  Pflanzen- 

krankheiten 1896,  Bd.  6,  S.  72. 

13.  Die  Fusicladien  uuserer  Obstbäume.    I.  Teil,  Landw.  Jahrb.  1897,  Bd.  25,  S.  875. 

14.  Revision  der  Species  Venturia  chlorospora,  inaequalis  und  düricha  autorum.  Hed- 

wigia  1897,  Bd.  36,  S.  67. 

15.  Über   den   Vermehrungspilz,    sein  Leben   und   seine  Bekämpfung.     Gartenflora 

1897,  S.  114. 

16.  Zur  Moniliaepidemie  der  Kirschbäume.     Ebenda  S.  429. 

17.  Über  die  in  den  letzten  Jahren  in  Schlesien  besonders  hervorgetretenen  Schäden 

und  Krankheiten  unserer  Obstbäume  und  ihre  Beziehungen  zum  Wetter. 
Schles.  Gesellsch.  f.  vaterländ.  Kultur.  Sektion  f.  Obst-  und  Gartenbau. 
Dezember  1897. 

18.  Über  die  Bakterien  in  ihrer  Beziehung  zur  Gärtnerei.    Ebenda.     1896.     Garten- 

bauverein f.  Hamburg,  Altena  und  Umgegend  1898,99. 

19.  Über  einen  FEHLiNG'sche  Lösung   reducierenden  Körper  in  Fruchtsäften.    (Mit 

Heinze).     Chem.  Ztg.  1898,  Bd.  22,  S.  632. 

20.  Notiz   über   die   Verderber   von   Gemüsekonserven.     Centralbl.  f.  Bakteriologie, 

II.  Abt.  1899,  Bd.  5,  S.  17. 


1)  Vgl.  auch  das  Verzeichnis  bei  Appel,  RUDOLF  ADERHOLD.  Ein  Nachruf. 
Arbeiten  aus  der  Kais.  Biol.  Anstalt  f.  Land-  und  Forstwirtschaft  1907,  Bd.  5.  Die 
überaus  zahlreichen  populären  Aufsätze,  die  in  den  verschiedensten  landwirtschaft- 
lichen und  gärtnerischen  Organen  erschienen,  sind  hier  nicht  aufgezählt,  soweit  sie 
nicht  einen  gewissen  wissenschaftlichen  Wert  besitzen. 


Rudolf  Aderhold.  (55) 

21.  Über  die  Wii-kungsweise  der  sog.  Bordeauxbrühe.  Ebenda.    1898.  Bd.  5,  S.  217 

22.  Arbeiten  der  botanischen  Abteilung  der  Versuchsstation  des  Königl.  Poniologisch. 

Instituts  zu  Proskau.     I.  Bericht.     Ebenda      1808,  ßd.  ö,  S.  511. 

23.  Untersuchungen  üher  das  Einsäuern    von  Früchten  und  Gemüsen.     I.    Das  Ein- 

säuern der  Gurken.     Landw.  Jahrb.  1899,  Bd.  27,  S.  69. 

24.  Auf  welche  Weise  können  wir  dem    immer   weiteren  Umsichgreifen    des  Fusi- 

cladiums  in  unseren  Apfelkulturen  begegnen,  und  welche  Sorten  haben 
sich  bisher  dem  Pilze  gegenüber  am  widerstandsfähigsten  gezeigt?  Pomo- 
logische  Monatshefte  1899.    Heft  11/12. 

25.  Unserer  Obstbäume  Hausarzt.     Eine    Anleitung   für    den    Obstzüchter   zum   Er- 

kennen und  zur  Behandlung  der  Krankheiten  unserer  Obstbäume.  Proskau 
(Selbstverlag)  19U0. 

26.  Mycosphaerella  cerasella  nov.  spec,  die  Perithecienform    von    Cercospora   cera- 

sella  Sacc.  und  ihre  Entwicklung.  Berichte  d.  Deutsch,  bot.  Ges.  1900, 
Bd.  18,  S.  24G. 

27.  Arbeiten    der   botanischen    Abteilung    der   Versuchsstation    des    Königl.    Pomo- 

logischen  Instituts  zu  Proskau.  II.  Bericht.  Centralbl.  f.  Bakteriolog.  u. 
Parasiteukunde.     II.  Abt.  1900,  Bd.  6,  S  593. 

28.  Die   Fusicladien    unserer    Obstbäume.     II.  Teil.     Landw.    Jahrb.    1900,    Bd.  29, 

Seite  541. 

29.  Ein  der  Moniliakrankheit    ähnlicher  Krankheitsfall    an    einem  Sauerkirschbaum. 

Zeischr.  f.  Pflanzenkrankheit  1901,  Bd.  11,  S.  65. 

30.  Arbeiten    der    botanischen    Abteilung    der   Versuclisstation    am    Königl.    Pomo- 

logischen  Institut  zu  Proskau.  III.  Bericht.  Centralbl.  f.  Bakteriol.  u. 
Parasitenkunde.    II.  Abt.     1901,  Bd.  7,  S.  654. 

31.  Über   die   Sprüh-   und   Dürrfleckenkrankbeiten   (sog.  Schrotschusslöcher -Krank- 

heiten) des  Steinobstes.     Landw.  Jahrb.  1901,  Bd.  30,  S.  771. 

32.  Über  Clasferosporium  carjyophüum    (Lev.)    Aderh.    und    Beziehungen    desselben 

zum  Gummifluss  des  Steinobstes.  Arbeiten  a.  d.  Biol.  Abt.  f.  Land-  u. 
Forstwirtschaft  am  Kaiserl.  Ges.-Amte.  1902,  Bd.  2,  S.  515. 

33.  Ein  Beitrag  zur  Frage    der  Empfänglichkeit    der   Apfelsorten    für   Fusicladiuvi 

dendriticum  (Wallr.)  Fuck.  und  deren  Beziehungen  zum  Wetter.  Ebenda. 
S.  560. 

34.  Über   Venturia   crataegi   n.    spec.     Bericht  d.  Deutsch,  bot.    Ges.  1902,   Bd.  20, 

S.  195. 

35.  Beitrag   zur   Pilztlora   Proskau's.   11.^)    Schles,   Ges.   f.  Vaterländische   Kultur. 

Sitzungsber.  d.  zooL-bot.  Sektion,  1902,  S.  9. 

36.  Über  das  Kirschbaumsterben  am  Rhein,   seine  Ursachen  und  seine  Behandlung. 

Arb.  a.  d.  Biol.  Abt.  f.  Land-  und  Forstwirtschaft  am  Kais.  Ges.-Amte, 
1903,  Bd.  3,  S.  309. 

37.  Weitere  Einrichtungen  auf  dem  Versuchsfelde  d.    Biol.   Abt.    Ebenda.    S.   433. 

38.  Kann  das  Fusicladium   von  Crataegus-    und   von    Sorbus&riQ-a.    auf   den   Apfel- 

baum übergehen?     Ebenda.    S.  436. 

39.  Über   eine   bisher   nicht   beobachtete  Krankheit   der  Schwarzwurzeln.    Ebenda. 

S.  439. 

40.  Impfversuche    mit  Nectria  ditissima  Tul.    Vorl.  Mitteilung.     Centralbl.    f.    Bakt. 

und  Parasitenkunde.    II.  Abt.    1903,  Bd.  10,  S  7G3. 

41.  Der  heutige  Stand  unserer  Kenntnisse  über   die  Wirkung   und  Verwertung   der 

Bordeauxbrühe  als  Pflanzenschutzmittel.  Jahresber.  der  Vereinigung  der 
Vertreter  d.  angewandten  Bot.   I.    1903,  Berlin  1904,  S.  12. 


1)   I  1900,  von  JACKY  herrührend. 


^56)  J-  BEHRENS:  Rudolf  Aderhold. 

42.  Über  Clasterosporium   carpophilum    (Lev.)    Aderh.    und   Beziehungen    desselben 

zum  Gummifluss    des  Steinobstes.     Naturwissenschaft!.   Zeitschr.    f.  Land- 
u.  Forstwirtsch.  1903,  Bd.  1,  S.  120. 

43.  Über    eine    vermutlich    zu  Monilla  fnictigena  Pers.  gehörige  Sclerotinia.    Vorl. 

Mitteilung.     Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges.  1904,  Bd.  22,  S.  262. 

44.  Erwiderung.     Centralblatt   für  Bakteriol.    und    Parasitenkunde.    11.    Abt.    1904, 

Bd.  12,  S.  639. 

45.  Zur  Kenntnis  der  Ohsthawai-Sclerotinien   (mit  RUHLAND).    Arb.  a.  d.  biol.  Abt. 

f.  Land-  u.  Forstwirtsch.  am  K.  Ges.  Amte  1905,  Bd.  4,  S.  427. 

46.  Einige  neue  Pilze.    Ebenda.     S.  461. 

47.  Impfversuche  mit  Thillavia  basicola  Zopf.     Ebenda.    S.  463. 

48.  Zur   Biologie   und   zur  Bekämpfung    des    Mutterkorns.     Ebenda.     1905,   Bd.  5, 

Seite  31. 

49.  Zur  Frage  der  Vernichtung  der  Pilze  durch  Eingraben.     Ebenda.     S.  35. 

50.  Über    den    durch   teilweise    Zerstörung    des    Blattwerks    der  Pflanze  zugefügten 

Schaden.    Prakt.  Blätter  f.  Pflanzenbau  und  Pflanzenschutz    1905,   Bd.  3, 
Seite  13. 

51.  Der  amerikanische  Meltau  des  Stachelbeerstrauches,   eine  für  Deutschland  neue 

Pflanzenkrankheit.    Flugblatt  No.  35    der  Kais.  Biol.  Anst.  für  Land-  und 
Forstwirtschaft. 

52.  Die  Kaiserliche  Biologische  Anstalt   für  Land-   und   Forstwirtschaft.    Deutsche 

landw.  Presse  1905,  No.  80. 

53.  Über   ein    durch  Bakterien  hervorgerufenes  Kirschensterben.    Vorl.    Mitteilung. 

(Mit  Ruhland)      Ceutralbl.    f.  Bakteriol.    und  Parasitenkunde.    II.    Abt. 
1905,  Bd.  15,  S.  376. 

54.  Zur  Frage  der  Wirkung  des  Kupfers    auf   die  Pflanze.    Ber.    d.  Deutschen  bot. 

Ges.  1906,  Bd.  24,  S.  112. 

55.  Die   Beobachtung    der    Pflanzenkrankheiten.     Fühling's    landw.   Zeitung,    1906, 

Bd.  55,  S.  758. 

56.  Die  Kaiserliche  Biologische  Anstalt   für  Land-    und  Forstwirtschaft  in  Dahlem. 

Mitteilungen  a.  d.  Kais.  Biol.  Anstalt.     Heft  1.    Berlin  (Parey)  1906. 

57.  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  Kais.  Biolog.  Anstalt   für  Land-   und  Forstwirt- 

schaft im  Jahre  1905.     I.  Jahresbericht.     Ebenda.     Heft  2,  1906. 

58.  Karbolineum    als   Baumschutzmittel.    Deutsche  Obstbau-Zeitung  1906,   Heft  22. 

59.  Der  Bakterienbrand  der  Kirschbäume.     (Mit  RUHLAND.)     Arb.  a.  d.  Kais.  Biol. 

Anst   f.  Land-  u.  Forstwirtsch.  1907,  Bd  5,  S.  293 

60.  Versuche  über  den  Einfluss  häufigen  Regens   auf   die  Neigung  zur  Erkrankung 

von  Kulturpflanzen.    Ebenda.     S.  354. 

61.  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  Kais.  Biol.  Anstalt  f.  Land-  und  Forstwirtschaft 

im  Jahre  1906.     2.  Jahresbericht.     Mitteilungen  aus  der  Kais.  Biol.  Anst. 
Heft  4.    Berlin  1907. 

62.  Die  Haltbarmachung  von    Gemüse   und   Tierfutter   durch   Eiusäuern.    LAFAR, 

Handbuch  der  techn.  Mykologie,    Bd.  2,    S.  310  ff 

63.  Die  Fnsicladien  (Venturien)    unserer   Obstbäume.     Pflanzenpathologische  Wand- 

tafeln.   Herausgegeben  von  Dr.  C.  Freiherr  VON  TUBEUF.     No.  2  (eben 
erschienen). 


Otto  Müller:  Johann  Diedrich  Möller.  (57) 


Johann  Diedrich  Möller. 

Von 

Otto  Müller. 

Nach  Mitteilungen  eines  Sohnes. 


MÖLLER  wurde  als  zweiter  Sohn  eines  Leinwebers  am  16.  März 
1844  in  Wedel,  Holstein,  geboren;  er  besuchte  die  Volksschule  in 
Wedel  bis  zur  Konfirmation.  Seinem  Vater  war  er  schon  während 
der  Schulzeit  bei  der  Herstellung  von  Malerarbeiten,  die  der  A^ater 
neben  der  Weberei  betrieb,  behilflich.  Siebzehnjährig  kam  MÖLLER 
nach  Hamburg  zu  einem  Malermeister  in  die  Lehre;  die  gute  Be- 
gabung des  Lehrlings  veranlasste  den  Meister,  ihn  in  die  Zeicheu- 
schule  der  „Patriotischen  Gesellschaft"  zu  schicken. 

Schon  frühzeitig  zeigte  MÖLLER,  angeregt  durch  ein  zufällig  er- 
haltenes Buch,  besonderes  Interesse  für  optische  Einrichtungen;  er 
versuchte  auf  einem  ausgehöhlten  Schleifstein  eine  Linse  herzustellen, 
zunächst  mit  wenig  Erfolg.  In  der  Bibliothek  der  „Patriotischen 
Gesellschaft"  fand  er  ein  Buch  von  PreCHTL  über  optische  Instru- 
mente; die  aus  diesem  Buche  gesammelten  Kenntnisse  befähigten  ihn, 
eine  Schleifmascliine  zu  bauen,  mit  der  er  einige  Linsen  schliff  und 
mit  Hilfe  von  Papierröhren  ein  Mikroskop  herstellte.  Die  Linsen 
aus  gewöhnlichem  Glas  befriedigten  ihn  nicht;  er  ging  daher  zu  dem 
bekannten  Optiker  Dr.  HüGO  SCHRÖDER  in  Hamburg,  um  ein  Stück 
optisches  Glas  zu  erbitten.  SCHRÖDER  war  über  den  Wunsch  des 
Malerlehrliugs  sehr  erstaunt;  die  an  MÖLLER  gerichteten  Fragen 
beantwortete  er  indessen  so  sachgemäss,  dass  SCHROEDER  ihm  nicht 
nur  eins  seiner  vorzüglichen  Mikroskope  zeigte,  sondern  ihm  auch 
den  ungehinderten  Zutritt  in  seine  Werkstatt  gestattete.  Mcht  lange 
darauf  hatte  MÖLLER  selbst  ein  brauchbares  Mikroskop  hergestellt. 

Nach  dem  Tode  seines  Lehrherru  und  beendeter  Lehrzeit,  ver- 
anlasste Dr.  H.  Schröder  den  jungen  MÖLLER  einstweilen  einige 
Linsenarbeiten  zu  übernehmen;  diese  Beschäftigung  führte  ihn  zu 
dem  Entschluss,  die  Malerei  aufzugeben  und  sich  selbständig  zu 
machen. 

MÖLLER  errichtete  1864  in  seiner  Vaterstadt  Wedel  eine  optische 
Werkstatt  und  lieferte  in  den  ersten  Jahren  Linsen,  Kalkspath- 
arbeiten  und  Bilder  für  die  Laterna  magica.  Ihm  gelang  es,  Kalk- 
spath  mittels  einer  Kupferscheibe  und  Schmirgel  zu  sägen;  ein  Ver- 


(58) 


Otto  Müller: 


fahren,  das  in  anderen  Werkstätten  erst  viele  Jahre  später  eingeführt 
wurde.  Neben  diesen  Arbeiten  fertigte  er  einige  mikroskopische 
Präparate  an;  sie  fanden  Beifall  und  er  brachte  bald  derartige 
Präparate  von  Insekten,  Schnecken,  Seeigeln  usw.  in  den  Handel; 
das  Material  lieferte  grossenteils  das  Museum  „Godefroy"  in 
Hamburg. 

Einen  entscheidenden  Einfluss  auf  MÖLLER's  Entwicklung  übte 
das  Buch  von  Dr.  L.  RABENHORST  „Süsswasser-Diatomaceen"  aus; 
er  fertigte  Diatomaceen-Präparate  an,  die  bald  in  grösseren  Mengen 
Absatz  fanden.  MÖLLER  suchte  nun  nach  Methoden,  die  winzigen 
Organismen  einzeln  auf  ein  Deckglas  zu  übertragen  und  dort  zu 
befestigen;  nach  vielfachen  Versuchen  gelang  es  ihm,  zierliche 
Sternchen  zu  legen,  die  das  Auge  des  Liebhabers  erfreuten.  Ein 
besonders  gelungenes  derartiges  Präparat  zeigte  er  1867  dem  be- 
freundeten Arzte  Dr.  SCHLÜTER  in  Pinneberg.  Der  Herr  lobte  die 
Kunstfertigkeit  MÖLLER's,  wies  ihn  aber  auf  die  Wertlosigkeit  solcher 
Spielereien  hin;  ein  ungleich  grösseres  Verdienst  würde  er  sich  er- 
werben, wenn  er  die  einzelnen  Individuen  in  Reihen  anordnete  und 
die  Art  durch  einen  Fachmann  bestimmen  Hesse,  damit  würde  ein 
unmittelbarer  A'^ergleich  zur  Bestimmung  der  Arten  ermöglicht. 
MÖLLER  war  enttäuscht  über  die  kühle  Aufnahme  seines  Kunst- 
werkes und  wendete  ein,  es  sei  nur  möglich,  grössere  Formen  zu 
legen  und  in  Reihen  zu  ordnen,  die  kleineren  müssten  fortfallen, 
dadurch  würde  eine  solche  Platte  entwertet.  Dr.  SCHLÜTER's  Urteil 
aber  liess  ihm  keine  Ruhe;  immer  wieder  versuchte  er  eine  Platte 
nach  dessen  Angaben  herzustellen,  bis  endlich  der  Versuch  gelang. 
Zur  Bestimmung  der  A^-ten  sandte  er  dieselbe  an  RABENHORST; 
dieser  war  ganz  erstaunt,  beauftragte  sogleich  eine  ähnliche,  möglichst 
vollständige  Platte  für  sich  und  stellte  dazu  sein  reichhaltiges 
Material  zur  Verfügung.  Inzwischen  hatte  auch  A.  GRÜNüW  in 
Wien  von  MÖLLER's  Arbeiten  erfahren  und  bestellte  für  die  K.  K. 
Zoologisch-Botanische  Gesellschaft  in  Wien  eine  möglichst  voll- 
ständige Platte,  sein  bestes  Material  beifügend.  Diese  Platte  enthielt 
in  vier  Abteilungen  24  Reihen  mit  400  Diatomaceen,  die  GRUNOW 
als  Typen  bezeichnet  hatte.  Das  Aufsehen,  welches  diese  Leistung 
machte,  war  ausserordentlich  gross,  aus  allen  Weltteilen  liefen  Be- 
stellungen ein,  die  MÖLLER  nur  in  längeren  Fristen  bewältigen 
konnte.  Die  Schönheit  dieser  Platten  wurde  im  Laufe  der  Zeit 
immer  vollkommener,  aber  die  Typen  und  deren  Anordnung  nach 
A.  GrUNOW  blieben  bis  auf  den  heutigen  Tag  dieselben.  Von  diesen 
sogenannten  grossen  Typenplatten  mit  400  Arten  setzte  MÖLLER 
597  Exemplare  ab.  Daneben  wurde  eine  kleinere  Typenplatte  mit 
100  Arten  hergestellt,  von  der  1009  Exemplare  verbreitet  sind.    Zur 


Johann  Diedrich  Möller.  (59) 

Prüfung  der  Mikroskop-Objektive  fertigte  MÖLLER  eine  Probeplatte 
mit  20  dazu  geeigneten  Arten,  von  der  2162  Exemplare  verkauft 
wurden  und  eine  grössere  mit  60  Arten.  Noch  zwei  andere  Typen- 
platten mit  photographischen  Namen,  eine  kleinere  mit  80  Arten 
und  eine  grössere  mit  335  Arten  brachte  er  in  den  Handel,  Für 
das  Army  Medical  Museum  in  Washington  stellte  er  eine  Platte  mit 
720,  für  das  Columbia  College  in  New  York  eine  solche  mit  860  und 
im  Jahre  1880  eine  noch  umfangreichere  mit  1715  Arten,  die  für 
den  Kaiser  von  Brasilien  bestimmt  war,  her. 

Diese  grosse  Arbeitslast  konnte  MÜLLER  nicht  allein  bewältigen, 
er  lernte  einen  Bruder  zu  seiner  Unterstützung  an,  dem  er  später 
das  Legen  der  Typenplatten  allein  überlassen  konnte;  er  selbst  aber 
behielt  sich  eine  letzte  und  bedeutsamste  Arbeit  vor,  mit  der  er 
seine  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Diatomaceen  abzuschliessen 
gedachte.  Zu  diesem  Zweck  ordnete,  reinigte  und  durchsuchte  er 
sein  gesamtes  wertvolles  Material  behufs  Herstellung  eines  Meister- 
werkes, das  in  Hinsicht  auf  Vollständigkeit  und  Schönheit  unerreicht 
dasteht.  An  dieser  Aufgabe  arbeitete  er  fünf  Jahre;  nach  Über- 
windung grosser  Schwierigkeiten  und  Mühen,  die  ihm  zeitweise  den 
Erfolg  unmöglich  erscheinen  Hessen,  gelang  ihm  endlich  1890  die 
Herstellung  einer  sprossen  und  einer  Anzahl  kleinerer  Platten.  Die 
grosse  bezeichnete  er  als  „Universum  Diatomacearum  Moellerianum". 
Dieselbe  enthält  auf  einem  Räume  6  :  6,7  mm  in  neun  Abteilungen 
133  Reihen  mit  4026  einzelnen  Formen.  Weitere  24  Platten  ent- 
halten in  Reihen  angeordnet  die  Diatomeen  verschiedener  Erdteile 
und  Meere,  sowie  der  bekannteren  Erden.  29  Platten  von  denselben 
Erden  sind  nicht  in  Reihen  angeordnet.  Von  diesen  54  Platten 
wurden  vergrösserte  photographische  Aufnahmen  gemacht  und  als 
„Lichtdrucktafeln  MÖLLER'scher  Diatomaceen-Präparate"  mit  einem 
Katalog  in  den  Handel  gebracht. 

Nach  Vollendung  dieser  grossen  Arbeit  wandte  MÖLLER  sich 
anderen  Geschäftszweigen  zu;  zunächst  der  Herstellung  mikro- 
photographischer  Skalen,  Ocular-,  Objektiv -Mikrometer  (2  mm  in 
200  Teile)  Fadenkreuze  usw.  —  Ende  der  neunziger  Jahre  arbeitete 
MÖLLER  ein  neues  Versilberungsverfahren  aus,  welches  jetzt  für 
optische  Gläser  in  ausgedehntem  Masse  angewendet  wird.  Die  Ver- 
silberung steht  in  Bezug  auf  Helligkeit  (96  pCt.  Reflexion)  und 
Haltbarkeit  sehr  hoch. 

Die  ausserordentliche  Geschicklichkeit  und  der  unermüdliche 
Erfindungsdrang  dieses  schaffensfreudigen  Mannes,  fand  auf  allen  seit 
1869  von  ihm  beschickten  Ausstellungen  Anerkennung  durch  erste 
Preise;  aus  Anlass  der  Weltausstellung  in  St.  Louis  1904,  wurde 
ihm  der    „Grand  Prix"    zuerkannt.    —    Grosse  Verdienste  erwarb  er 


/ßO)  Otto  Müller:  Johann  Dledrich  Möller. 

sich  um  die  Diatomeen-Forschung  durch  die  Herstellung  der  Typen- 
platten und  der  ausgezeichneten  Sammelpräparate  aus  allen  Ländern 
und  Meeren.  Die  Präparate  der  jetzt  ausserordentlich  seltenen 
Kollektionen  von  P.  T.  CLEVE  und  VAN  HeURCK,  mit  den  wichtigen 
Bestimmungen  von  A.  GEUNOW,  sind  sein  Werk.  —  MÖLLER  starb 
am  29.  Oktober  1907  an  Lungenentzündung. 


Verzeichnis  der  Pflanzennamen. 


Ahies  Nordinanniana  198. 

—  yectinata  106. 

Ährothalliis  Smithii  2o3. 

Abutilon  411,  412. 

•  ■   Thompsoni  410. 

Acacia  309. 

Acer  497. 

Aceraceen  496. 

Acetahula  leucumelas  589. 

Acliilka  (45). 

Actinoiiiyces  t/iermophilus  510,  511,  514. 

Actinotrichia  riijida  102. 

Adonis  vernalis  289,  292. 

Aesculus  IJippocastunuin  (46). 

Agardhia  adhaerens  101. 

Agaricus  campestris    179,    183,    184.  185, 

186.  187,  188,  189,  190,  348. 
J(^at;e  203. 

Agropyrum  repens  348. 
Agrosiemina  Githago  (33). 
Agrostis  stolonifera  583. 

—  vulgaris  348. 
Alchiinilla  (38). 
Alchornea  495. 

^/ye/i  74,  497,  498,  500,  506. 
Alisina  Flantago  109,  156. 
^///um  273,  364,  365,  366. 

—  ascalonicum  273,  275,  361. 

—  Ce/)«  39,  273,  359  -  362,  364,  365-367. 

—  Moly  275. 

—  niyrum  275. 

—  orfor«/«  (38),  (50). 

—  Porrum  273. 

—  Schoenoprasum  275. 

—  suaoeolens  275. 

—  ursinum  143,  275. 

—  Victoriaiis  275. 
Aiitansia  glomerata  104. 
Ainarantaceae  346. 
Ainarantus  albus  346. 
Amaurochaete  24. 

Ber.  der  deutschen  Bot.  Gesell  seh.    XXV. 


Ambrosia  artemisiaefolia  345. 
Anientaceen  496,  497. 
Ampincarpaea  165,  166,  173,  175. 

—  Edgewortltii  173. 

—  monoica  173. 
Ampliiroa  fragilissima  107. 
Amphora  ovalis  241. 
Amygdaleen  302,  (51),  (52). 
Anacardiaceae  :>43,  496. 
Anemone  caroliniana  342. 
Angiospermen  496,  497. 
Anoplophora  435. 
Antennaria  nlpina  (18). 
Anthemis  arvensis  207. 
Anthericum  Liliago  275. 
Antirrhinum  454. 

—  w/a/(/s  442,  450,  451. 

—  —  „.4urea- Varietäten"  4.J4. 

—  —  luteum  rubrostriaium  443,  448. 

—  —  pumilum  fol.  aureis    „Eklipse^^  451. 

—  —  —  —   —  „Sonnengold-''  451. 
Aphanizomenon  flos  aquae  240. 
Apiculatus-Hefe  484. 

Apium  275. 
Apocynaceen  495. 
Aquitegia  275. 
Araliaceen  (46). 
Arcyria  26. 

Arrltenatheruin  elatius  245. 
Arundo  phragmites  156. 
Asclepiadaceae  345. 
Asclepias  Cornuti  345. 

—  verticillnta  345. 
Ascomyceten  492,  590. 
Ascop/iyllum  98. 

—  nodosum  98. 

—  —  forma  scorpioides  98. 
Askomycsten  510. 
Asparagus  207. 

Asparagopsis  Sandfordiana  103. 
Aspergillus  181,  514. 

(5) 


(6-2) 


Verzeichnis  der  Pflanzennamen. 


Aspergillus  flavus  514. 

—  fumigatus  514. 

—  niger  44-46,  48,    50,    178,    180,    182, 
210,  212,  263,  265,  266,  514. 

Asphodelus  albus  275,  294. 

—  luteus  205,  208. 

—  ramosus  273,  274. 
Aspidistra  395. 

—  elatior  144. 

Asplenium  dimorptmm  85,  86. 
Astragalus  309,  340,  343 

—  caryocarpus  343. 

—  Cooperi  343 

—  exscapus  292,  340. 

—  glycyphyllos  340. 

—  missouriensis  343 

—  monspessulanus  294. 

—  pattensis  343. 

—  villosus  343. 

Athyriuin  filix-femina  var.  clarissima  (18). 
Aucella  Geinitzü  336,  435. 
Aulacomnium  androgynuni  (47). 
Aurainvillea  No.  5  101. 

—  coinosa  101. 

—  papuana  lOl. 
.4yena  saliva  245. 
Azotobacter  2,  3 — 7. 

—  chroococcum  4,  6. 

Bacillariaceen  217. 

Bacillaria  paradoxa  240. 

Bacillus  prvdigiosus  109. 

Bacterien,  Bakterien  1,  109,  129,  241. 

Bacterium  lactis  actdi  (50). 

Badhaiitia  24. 

Balanops  496. 

Balaiiopidaceen  496. 

Balsamia  375. 

Äananß  383. 

Baptisia  leucophaea  343. 

Basidiobolus  niyxophilus  582. 

—  ra7iar«/n  261,  265,  581,  582. 
Beggiatoa  238-241. 

—  arachnoidea  238. 
Beggiatoaceae  242. 
Begonia  68,  70,  401. 
Begonia  metallica  67. 

—  Schinidtiana  401. 

—  seinperflorens  399  —  402. 
Bennettitaceen  497. 
Betula  nana  544,  545,  549. 
Betuleen  496. 


Betulineen  (36). 
Bidens  bipinnata  345. 
Boodlea  coacta  102. 
Boraginaceae  345. 
Botryococcus  248. 
Botrytis  368-371. 

—  cinerea  368,  371. 
Boudiera  587. 
Bouteloua  oligostachya  348. 
Brasenia  purpurea  156. 
Brassica  arvensis  342. 
Bromus  Kalmii  318. 
Brunelliaceen  496. 
Bryopsis  Uarveyana  100. 
Buchloe  dactyloides  348. 
Bulbochaete  231,  504. 
Burseraceen  496. 
Butomus  umbellatus  156. 

Cactaceae  ,344. 

Cacteen  207. 

Calamagrostis  canadensis  348. 

Callisia  69. 

—  repens  68,  69. 
CalUtriche  (34),  (39'. 
Calluna  vulgaris  544. 
Calothrix  504. 

Caltha  palustris  342,  444. 

Calycerae  (46). 

Camelina  sativa  342. 

Cannabis  sativa  347. 

Capparidaceen  570,  576. 

Capparideen  205. 

Caprifoiiaceae  (46). 

Capsella  bursa  pastoris  481,  482. 

Capsicuni  annuuin  566. 

Car-jca  485,  486,  490,  492,  494,  495. 

—  Papoi/a  272,  485,  487,  489,  495. 

—  —  forma  Correae  487 — 491,  494. 
forma  Ernsiii  486—490. 

—  —  forma  Forbesii  488  -  490. 
Caricaceen  494,  495. 

Carlina  acaulis  56. 

—  longifolia  5(5,  58. 

—  vulgaris  56,  58. 
Carpopeltis  rigida  104. 
Car^erm  231,  232. 

—  f/aA/a  230-232. 
Carum  Bulbocastanum  (,38). 
Casuarina  207,  497. 
Casuarineen  496. 
Caulerpa  clauifera  100. 


Verzeiclinis  der  Pflanzennamen. 


(63) 


Caulerpa  crassifolia  forma  Harveyana  100. 

—  cupressoideK  1(>0. 

—  Freycinetii  1(KJ. 

—  peltaia  101. 

—  Webbiana  101. 
€ellis  occülentalis  347. 
Cenc/irus  (ribuloidts  ol.S. 
Centradenia  rubra  (j9. 
Centrosema  173. 
Cephalotaxus  11)8. 
Ceratiowyxa  24—26. 
deratophylluiii  demersum  15(). 
Cercospora  578. 

—  cerasella    55}. 
{Jliaetopeltis  504. 
Cliaetophora  5(X),  501.  501. 
Chalazogaiiieii  49(5. 
Chaniaesiphon  232. 

—  /^!/rt/(V/(/s  231,  232. 
■Champignon  242,  245. 
Characeen  238,  241. 
C/ieilüsporum  cultratum  107. 
Chenopodiaceae  34G. 
Ckenopodiuin  albuin  34() 
{Jhimonnnthus  fragrana  70. 
Clilaiiiijdomonadineen  230,  231. 
€hlainydomonns  229,  232,  317. 

—  s<f//«te  232. 
Chlorodesmis  coinusa  101. 

—  papuanum  101. 
€ldoropltora  exce'sa  579,  580. 
{Jhloropliyceae  100,  527. 
■Cldorolylluin  503,  504. 

—  cataractarum  501. 

—  incrustans  501 . 
•Clioironiyces  373. 
Chrysanthemum  424,  426,  427. 
■Chrysantheinumforni  „  Wnban''^  276,  425. 
Chrysanthemum  indiciun  299  —  301. 

—  ,,Admira!  Seymonds^^  433. 

—  ^,Alberic  Lunder'-'-  433, 

—  „Avalanche"''  433. 

—  „Beauty  of  Truro"-  433. 

—  „Cesare  Costa''  433. 

—  ,,/iöZ/oM;  ß.  Em."  438. 

—  „hmael''  433. 

—  „Julia  Lagrariere'"'  433. 

—  „Lady  Salborne''  433. 

—  „La  negresse"  433. 

—  Leucanthemum  300,  345. 

—  „L'tVe  f/e  plaisir''  433. 

—  „  LoMJS  Böhmer '  433. 


Chrysanthemum  „Mad.  Carnoi'^  433. 

—  „Margot''  433. 

—  „Mary  Anderson"  426. 

~  „.liofls.    C///-/CÄ  lirunner"  425,  433. 

—  „^Fafia«"  276,  425. 
Chrysopogon  nutans  348. 
Chythridium  vorax  319. 

Cladophora  320,  498,  499,  501,  502,  528. 

—  aegagropila  100. 

—  coacta  102. 

—  herpestica  100. 

—  membranacea  100. 

—  iVarburgii  499. 
Cladosporium  (54\ 
C/adotkrix  510. 

Clafterosporium  carpophilum  (55;,  (56). 

Cldthraceen  375,  376. 

Clathrognster  375,  376. 

Ciavaria  25 

Claviceps  (51,. 

C7/<oWa  165-168,  172,  173,  175. 

—  cajanifulia  167,  170,  171,  176. 

—  densiflura  172. 

—  glycinoides  165-167,  169,  173,  175. 

—  —  var.  ecostata  167. 

—  guianensis  171—173,  176. 

—  laurifolia  170. 

—  mariana  167,  173. 

—  rubiginosa  167. 
Clostridium  Pai-teurianum  3,  5. 
Cnicus  lanceolatus  345. 

Cocos  nucifera  245. 
Codiaeum  variegatum  413. 
Codium  adhaerens  101. 

—  tomentosum  101. 

Coleochaete  26,  497,  501,  502,  504—506. 

—  irregularis  500,  504. 

—  orbicularis  504. 

—  scutata  504—506. 

—  —  forma  lobata  504. 
Cologania  168,  173-175. 

—  affinis  174. 

—  biflora  174 

—  Lemmonii  174. 

—  longifolia  174. 

—  Martia  174. 

—  ovalifolia  174. 

—  pu  Ichella  174. 

—  racemosa  174. 
Columniferen  496. 
Comatricha  nigra  23. 
Commelinaceae  348. 

(5*) 


(64) 


Verzeichnis  der  Pflanzennamen. 


Compositae  345. 
Conferva  herpestica  100. 
Coniferen  198,  440,  497.. 
Convolvulaceae  345. 
Corallina  adhaerens  107. 

—  fragilissiina  107. 
Coryleen  -190. 
Coryneum  302. 
Crataegomespilus  568,  519. 
Crataegus  570,  (55). 

—  coccinea  var.  macracant/ia  344. 
Cruciferae  342. 

Cryptica  374. 
(Jryptomonas  231. 

—  c/«i/a  230. 
Cryptomonadineen  231. 
Cryptonemia  rigida  104. 
Cucurbitaceen  492,  494,  495. 
Cupuli ferae  347,  (36j. 
Caragua-Mais  480. 
Cyanophyceen  74,  240,  298,  (26). 
Cyclotella  bodanica  241. 
Cypripedium  554,  555,  560,  562,  563,  565, 

567. 

—  acaule  555,  562,  565,  567. 

—  Calceolus  555,  564,  567. 

—  macrantltuin  555,  563,  565. 

—  montanum  555,  563. 

—  parviflorum  554,  555,  562,  565,  566. 

—  puhescens  554,  555,  559,  562  -  567. 

—  spectabile  554,  555,  559  -  562,  564  bis 
567. 

Cystopus  589. 
Cytisus  570 

—  Adami  568  -  570,  574,  576. 

—  /lirsutus  411. 

—  lahurnum  569. 

—  purpurtus  412,  569. 

i)flÄ/ta  362. 

—  -Knollen  364,  366,  367. 

—  variabilis  364,  367. 
Daplinipbylluin  496. 
L>a;;«ra  131,  134,  136. 

—  arborea  137. 

—  we/e/  137. 

-^  quercifvlia  137. 

—  Slrainonium  131  —  133.  137. 
De/esseriaceen  103. 
Delpliiniuin  21ö. 

—  azureuin  342. 
Dematiuin  pullulans  303. 


Desinanthus  hrachylobus  343. 

Desmia  pulvinata  104. 

Diatomeen  238,  240,  241,  247,  248,  (,26). 

Dictyosphaeria  favulosa  101. 

Dictyota  dichotoma  102. 

—  spinulosa  102. 
Dictyotaceae  102. 
Didinium  nasutuin  25,  26. 
Didymium  24. 

Didymosphaeria  pulposi  233. 
Dipsacus  Silvester  torsus  443,  447,  450. 
Drosera  capensis  583. 

Dulichium  spat/iaceum  156. 
Dumortiera  455  -  457,  459,  463. 

—  liirsuta  456. 

—  irrig ua  456. 

—  trichucep/tala  456—459,  461—464. 

—  velutina  457-459,  462,  463. 
Duvaua  dependens  579. 

Echeveria  203. 

Echinosperinum  floribundum  345. 

—  lappula  345. 

—  Redowskii  345. 
Ectocarpus  248, 
Aye«  484. 
Elaeagnaceae  346. 
Eleutherospora  106. 
Elodea  395. 
Elymus  arenarius  245. 

—  canadensis  348. 
Englisches  Ray  gras  245. 
Enteromorpha  Fascia  100. 
Epithemia  turgida  232. 
E(juisetaceae  348. 
Equisetuni  arvense  348. 
^risf  243     245. 
Erigeron  annuus  345. 
Eriubotrya  japonica  200. 
Erioptuirum  angustij'olium  156. 
Ervuni  Lens  251. 

Esparto  245. 

Euchlaena  mexicana  245. 

Euphorbia  205. 

—  cyparissias  251, 

—  rfw/c-ts  (38\  (40). 

—  splendens  205. 
Euphurbiaceen  494—496. 
Euryale  154,  155,  157. 

—  europaea  150,  155-157. 

—  /erox  150,  152—155,  157 
Eutuberineen  375. 


Verzeichnis  der  Pllanzennamen. 


(65) 


„euer  sporting  varietles^^  443. 
Evonyinus  Japonicus  lOS,  200. 

Fqgus  silvatica  lö6 
Farne  85,  383. 
Favuspilze  246 
Festuca  ovina  348. 
Ficus  repens  145,  147,  226. 
Pittonia  68,  69,  405,  406. 

—  argijroneura  67,  68. 

—  (jüjantea  67,  (i^. 

—  leuconeura  67. 

—  Verschaffdtii  68,  402. 
Flacourtinceen  496. 
Fontinnlis  473. 
Forsythia  europaea  155. 
Framdsisckes  Rai/yras  245. 
Fraxinus  410,  412,  451. 

—  americana  345. 

—  excebior  412. 

—  pubescens  412. 

—  —  aucuhifolin  412,  413. 
/'«CHS  SS,  90,  94-97. 

—  ceramioidts  9(). 

—  clavifer  100. 

—  corneus  103. 

—  cupressoides  1(X). 

—  fraxinifoUus  101. 

—  inuscaeformis  103. 

—  serralus  87,  90,  91. 

—  tomentosus  101. 

—  vesiculosus  86  -  88,  90  -  92,  94  -  97. 

—  —  var.  angustifolia  91. 

—  —  forma  baltica  91. 

—  —  forma  7jana  91. 
Fun^rj  348. 

Fusarium  purpureum  484. 
Fusicladium  (51),  (52),  (55). 

—  hetulae  (54). 

—  dendriticum  (54),  ;55). 
Futterwicke  245. 

Galactia  166,  173. 
Galactinia  succosa  589. 
Galaxaura  103. 

—  frutescens  103. 

—  rigida  102. 

—  robusta  KZ. 
Qammarus  329. 
Gaura  coccinea  344. 
Gelidium  corneum  103. 

—  variabile  103. 


Gelidiopsis  varinbilis  103. 
Genabea  373. 
öewea  373. 

—  verrucosa  372. 
Gentiana  nivalis  275. 
Geopora  375. 
Geraninceae  543. 
öers^e  245. 

Gervilleia  Murchisonii  435,  436. 
Gesneriaceen  582—584. 
Gloeocapsa  alpina  498. 
Gloeocystis  506. 
Glyceria  aquatica  105, 
Glycine  165,  173. 
Gnetaceen  497. 
Gongrosira  497,  501-504. 

—  De  Baryana  501,  503. 

—  incrustans  501,  503. 

—  lacustris  502,  506. 

—  Pygmaea  502. 

—  Schmidtei  501,  503. 
Grainineae  348. 
Grossulariaceae  344. 
Gymnadenia  conopea  (45). 
Gymnogramme  piriniftra  86. 
Gymnospermen  497. 

Haematococcus  316,  319,  320. 

—  Bütschlii  316,  319-321. 

—  droebakensis  320,  321. 

—  pluvinlis  316 — 321. 
//fl/er  245. 

Halimeda  Reiischii  101. 
Haliseris  sp.  102. 

—  undulata  102. 

—  zonarioides  102. 
Halymenia  Durvillaei  104. 
Hamainelidaceen  496. 
Hamamelidalen  496. 
Hedeoma  hispida  346. 
£/e/e  242,  245. 

Helianthemum  salicifolium  294. 
Uelianthus  annuus  35,  345. 

—  grosse  serratus  345. 

—  Maximiliani  345. 

—  orgyalis  345. 

—  subcanescens  345. 
Hieracien  383 
Hippuris  vulgaris  109. 
Holcus  lanatus  245. 
Homalieen  496. 
Homoeocladia  247—249. 


(66) 


Verzeichnis  der  Pflanzennameu. 


Homoeocladia  filiforinis  248. 

—  Martiana  247. 
Hordeuni  sativum  245. 
Hottonia  276. 

Humulus  lupulus  347,  401. 
Hyacinthus  candicans  275. 
Hydnobolites  374. 
Hydnocystis  375. 

—  arenaria  375 
Hydnotrya  375. 
Hydrocoleum  240. 
IJynienop/iyllum  (47). 
Hyoscydmus  131. 

—  «(ger  137. 
Hypliomycettn  511. 
Hypnea  muscaeformis  103. 
Hypogaeen  372,  376. 
Hysteramjiuvi  375. 

—  clathroides  375. 

—  Ourdneri  376. 

—  siculum  375. 

iflnm  adhaerens  107. 
latropheen  495 
liiipatiens  405,  406. 

—  Mariannae  402. 

—  parviflora  200. 
linplicaria  reticulata  103. 
Ipomoea  leptophylla  315. 

—  purpurea  345. 
Iridaceae  347. 
y^/s  Maackii  156. 
hanthus  caeruleus  346. 
Jsoetacecn  440. 

isoeto  438,  439,  441,  442,  (37). 

Juglans  496. 
Juglandaceen  496. 
Juliania  496,  497. 
■Julianiaceen  496. 
Juncaceae  348. 
Juncus  effusus  348. 
Juniperus  virginiana  347. 

Kartoffelknollen  362. 
Kickxia  elastica  580. 
Kolbenhirse  245. 
Krigia  virginica  345. 

Labiatae  346. 
Laburnum  411,  451. 

—  alpinum  411. 


Laburnum-,,  Varietät"  411. 

—  vulgare  410,  451. 

—  —  chrysop/iylluin  410,  411. 

—  —  /b/t's  aureis  411. 
Lactoris  496. 
Lacistemaceen  496. 

Lnstrea  pseudomas  polydactyla  (18j. 
Latkraea  spuamaria  (36\ 
Lathyrus  pratensis  252. 
Laurentia  concinna  104. 
Leguminosae  165,  166,  343. 
Leitner a  496,  497. 
Leitneraceen  496. 
Lenina  (35). 
Lemna  minor  155. 

—  polyrrhiza  156. 

—  trisulca  155. 

Le/nnr/cecH  (34,  (35,\  (36),  (89),  (39). 
Lens  csculenta  251,  252,  254. 
Lepidium  intermedium  342. 
Lepidophyten  438,  440,  441. 
Leptothrix  504. 
Leptouroniyces  252. 
Levkoyen  443,  447. 
Liagora  Clieyneana  102. 

—  /■rö',9t7j,-  102, 

—  Orientalis  102. 

—  viscida  102. 
Ligustrum  410,  412,  451. 

—  vulgare  410. 

—  —  /b/.  ««reo  variegatis  410. 
Liliaceae  347. 

Linaceae  343. 

Linrfe  200. 

Linum  sulcatum  343. 

Lithospermum  angustifolium  345. 

—  hirtum  345. 
Loasaceae  344. 
Lobelia  inflata  345. 
Lobeliaceae  345. 
Lolium  perenne  245 
Lonicera  etrusca  294. 
Loranthaceen  497. 
Loranthus  583. 

—  europaeus  583. 
Lorbeer  484. 

Lwp<«Ms  245,  349,  350,  356,  (39). 

—  a/6«s  32,  214. 

—  angustifolius  213,  473. 

—  /uteMS  213  -  215,  245. 
Lycoperdon  giganteum  348. 
Lycopodiales  440. 


Verzeichnis  der  Pflanzennameu. 


(67) 


Lycopodium  (36),  (39). 

—  annotiiiuin  (3G\ 

—  clavatum    36). 
Lijgeuin  Spartum  245. 
Lysimachia  vulgaris  (45) 

Magnoliaceen  496,  497. 
Mais  245,  480,  481. 
Malvaceae  343. 
Maloaslrum  coccineum  343. 
Manviiillaria  missnuriensis  344 

—  vivipara  344. 
Mangifera  indica  579. 
Marcliantia  polymorpha  (47). 
Marchantiaceae  455,  456,  458. 
Marchantioideae-Compositae      455,      458, 

462. 
Martia  16.5,  1(56. 

—  mexicana  168,  174. 

—  physalodes  165,  166. 
Martins! a  166. 
Martiusia  16(j. 

Mastopitora  inacrocarpa  105,  107. 
Mathiola  glabra  220, 

—  incana  22ll. 
Matricaria  Chamomilla  2(>7. 
Medicngo  saliva  2öö. 
Mentha  canadensis  346 
Mentzelia  nada  344. 

—  ornata  344. 
Meseinbryanthemum  203. 
Mesocarpnceen  499. 
Mespilus  570. 

—  Asnieresii  574. 

—  Dardari  574. 
Mierocoleus  240. 
Microuromyces  252. 
Mirabilis  376. 
Mirabilisbastarde  220. 
Mirabilis  Jalapa  377. 

—  Jalapa  X  longiflora  377. 

—  Jalapa  X  tubiflora  376. 

—  longiflora  377. 
Monarda  punctata  346. 
Monilia  368. 

—  fructigena  (56). 
Moniliopsis  Aderholdi  (51). 
Monospora  cuspidata  484 
Mougeotia  527,  528. 
ÜMcoT-  255,  256. 

—  corymhifer  514. 

—  pusillus  510,  514. 


i^i«cor  racemosus  245,  255,  256,  258,  260, 
263  -  266. 

—  spinosus  258 — 266. 
Mucoraceen  255. 
Mucorineen  510,  514. 
Mycosphaerella  cerasella  (.j5). 
%r(ca  496,  497. 
Myriceen  496. 
Myrmecocystis  373. 
Myrothainnus  496. 

iUi/r^e  484. 
Myxomyceten  (26). 

Naegelia  amahilis  584,  585. 
Najas  major  156. 
Nectria  dilissima  (55). 
Neger hirse  245. 
Negundo  aceroides  343. 
Nelunibo  speciosuin  155. 
Neocracca  175. 
Nepeta  cataria  346. 
Nephrodiuin  molle  (18). 
Neurocarpum  166,  169. 

—  cajanifolium  170. 

—  ellipticum  165. 
Neuryinenia  fraxinifolia  104. 
Nicotiana  275. 

—  affinis  133,  137. 

—  macrophylla  583. 

—  rustica  137. 

—  Tabacum  133,  137,  275,  583. 
A'/^e//a  270,  272,  273. 

—  damaacena  272,  275. 

—  sativa  270,  272. 
Nitzschia  248,  249. 

—  dissipata  var.  medica  248. 

—  siymoidea  241. 
Nothoscordum  striatum  347. 
Notochlaena  85. 

—  Eckloniana  85. 

—  flavens  86. 

—  n/uea  85. 
Nuphar  luteum  109. 

—  pumilum  156. 
Nymphaea  1.54 

—  a//!<a  109. 

—  tetragona  156. 
Nymphaeaceen  154. 

Oedogoniacee  229. 
Oedogonium  528. 
Oenothera  191. 


(68) 


Verzeichnis  der  Pflanzeunaineu. 


OmotKera  alliuauhs  344. 

—  biennis  344. 

—  coronopifoUa  3J4. 

—  Lamarckiana  191,  192,  195. 
hyhriba  191,  192,  195. 

—  lata  191,  192,  195. 

—  longiflora  191. 
-^  parviflora  344. 

—  pinnatifida  344. 
Oidium  Chrysanthemi  301. 
Oleaceae  345,  412. 
Oleander  484. 
Onagraceae  344. 

Oiionis  175. 

Opuntia  Rafinesguii  344 
Orobus  atropurpureus  343 
Oryza  sativa  245. 
Oscillarien  240,  241. 
Oscillatoria  240. 

—  chlorina  241. 
Osmunda  regalis  (45). 
Osir-j/a  402. 

—  carpinifolia  401. 

—  vulgaris  401. 
Oxalis  corniculata  343. 

Pachyphloeus  374. 
Falaquium  580. 
Pandorina  228,  229. 

—  7«orMm  228,  231. 

Panicum    iialicuni    var.    germanicuin   245. 
Papilionaceen  250  —252,  340. 
Papilionatae  165,  167,  175. 
Parochetus  175. 
Pediastrum  248. 
Pelargonium  454. 

—  zonale  453. 

„  PVoM«'"  453,  454. 

Pellaea  nivea  85. 

—  tenera  85. 
Pelomyxa  25,  26. 

—  palustris  26. 

Penicilliuin   glaucum    178,    179,    181    — 

183,  210. 
Pennisetum  spicatuni  245. 
Peronospera  589. 
Peucedanuin  foeniculaceum  345. 

—  villosuni  345. 
Peyssonnelia  105. 

—  caulifera  104,  107. 
Peziza  Catinus  589. 
Pezizaceen  375. 


Phneop,hyceae  102,  229. 
Phalaris  arundinacea  254. 
Pliallogaster  375,  376. 
Phaseoleae  165,  167. 
Phaseoleae-Glycininae  173 
P/iaseolus  vulgaris  384,  388. 
Phyllactidium  505 

—  pulcliellum  504. 

—  tropicum  505. 
Phyllactinia  corylea  589. 
Phyllosticta  Persicae  303. 
Physarum  23,  24. 

—  leucophaeum  23. 
Phytolynta  lata  579. 
P/cea  oniorika  155. 

—  oinorikoides  155. 
Piersonia  373. 
Pinaceae  347. 
Pinnularia  viridis  241. 
Pinus  Banksiana  347. 

—  pewce  155. 

—  ponderosa  347. 
Piperalen  496. 
Pistacia  496,  497. 
Pistia  (37). 

P/^sMw  sativum  35,  245,  252—254,  527. 

Pitcairnia  tnaidifolia  583. 

Plantayinaceae  346. 

Plantago  major  346. 

Plantanaceae  496. 

Plectascineen  374. 

Pleuromeia  434  —  442. 

—  Sternbergii  434-436,  438. 
Pleurosigma  attenuatum  241. 
Plocainiuin  botryoides  10;'). 
Plowrightia  492. 

Po«  270,  272,  273,  275. 

—  nemoralis  583. 

—  pratensis  272,  583. 

—  tcnuifolia  348. 
Podocarpus  206. 

—  elongata  206. 

—  /a</^//a  206,  208. 
Polygonaceae  346. 
Polygonatum  giganteuin  348. 
Polygonum  amphibium  109,  156,  204. 
Polysiphonia  248. 

Polytaenia  Nuttallii  345. 
Poniaceen  161 
Populus  570. 

—  euphratica  580. 

—  heterophylla  ;>47. 


Verzeichnis  der  Pllanzcnnainen. 


(69) 


Fopulus  monilifera  317. 
Portulaceae  342. 
Porlulaca  pilosa  342. 

—  tetusn  342. 
Putamogeton  (36),  (^39). 

—  crispus  15G. 

—  lucens  lOD. 

—  natans  lU!),  15G,  206,  208. 

—  pectinatus  109. 
Potentilla  378. 

—  ruhens  378,  379. 

—  Tahernaeinontani  378,  379. 

—  —  X  rubens  37G.  378. 
Preissia  commiilata  461. 
Primula  ohconica  554,  556,  567. 

—  sinensis  554. 
Prionitis  elata  104. 
Prusopis  480,  481. 

—  siliquastruiii  481. 
Protococcus  pluüiahs  320. 
Protabera  375 

P/-unws  309,  310,  343. 

—  avium  309,  314. 

—  Cerösus  30;5,  305,  308,  314,  315. 

—  chicasa  313. 

—  domcstica  314. 

—  Malialeb  314 

—  PcT-s/ca  313,  314. 

—  rosehudii  343. 

—  vir(jiniana  344. 
Psalliota  campestris  179,  188. 
Pseudobahamia  374. 

—  Setchelli  374. 
Pneudohydnolria  375. 

—  Uarknessi  375. 
Pseudoyenea  373. 

—  californica  372,  373. 

—  Valliiuinhrosae  372. 
Psoraka  argopliyka  313. 

—  esculenta  343. 

—  ienuiflora  343. 
P<e/ea  410,  412,  413,  451 

—  txifuliata  aurea  413. 

—  —  /ü/.  variegatis  413. 
Puccinia  56 

—  Carlinae  56,  57. 

—  Chrysanthemi  301. 

—  divergens  57,  58. 

—  sessilis  254. 
Pyronema  587,  589. 

—  confluens  586,  588—590, 


Quercineen  496. 

Quercus  inacrocarpa  347. 

—  —  var.  depressa  347. 

—  ohtusilvba  347. 

—  peduntulata  542. 

Rawalina  233,  235. 

—  cuspidata  236,  237. 

—  —  var.  crasKa  236,  237. 

—  kullensis  233,  235,  236,  237. 

—  scopulorum  236,  237. 

—  —  var.  incrasata  236.  237. 
Rauunculaceae  342. 
Rauuncvtus  graiuineus  294. 
Äe/s  245. 

Reticularia  24. 

Rltizocloniuum  499. 

Rhizopus  nigricans  265. 

Rkodoleia  A\)(\. 

Rhodopliyccae  102. 

Rhodymenia  palmetta  f.  fdiforinis  103. 

Rhoiie''.n  496. 

ie/;us  496,  497,  555. 

—  canadcnsis  var.  irilobata  34?. 

—  copa/iina  343. 

—  glahra  ?>\'.\. 

—  toxitodtndron  348 

—  trilobata  343 
Ät/^es  aureum  143,  344. 

—  floridain  344. 

—  oxygacantlioides  344. 
Roggen  245. 

ßosa  arkansana  344. 

—  hinnilis  314. 

—  rubigino<a  344. 

—  viridiflora  219,  221,  223 

—  PFoorfsü'  344. 
Rosnceae  343. 

Rudicularia  penicillata  101. 
Rumex  acctusella  3-l(j. 

—  altissiintis  346. 

—  crispus  346 

—  venosus  346. 

—  verticillatus  346 

Sabiaceen  496. 

Saccharomyces  cerevisiae  75,  84. 

—  ellipsoideus  (53). 
Sagittaria  118,  119. 

—  plaUjphylla  109,  111,  120. 

—  sagittifolia    108,    110,    112,    113,   118, 
120,  121,  156,  (46). 


(70) 


Verzeichnis  der  Pflanzennamen. 


Saintpaulia  ionantha  584,  585. 
Salicaceae  347,  496. 
Salicineen  (Sii;. 
Salix  amygdaloides  347. 

—  longifoUa  347. 

—  peiitandra  (36;. 

—  rostrala  347. 

—  viminalis  (36). 
Saloia  lanceolata  346. 
Salvinia  natans  155. 
Sambucus  9,  l'J— 16,  297. 

—  australis  (45),  (46). 

—  w^ra  8,  14  -  16,  297,  299. 
Santalaleii  497. 
Sapindaceae  343. 
Saproleynia  589. 
Sauromatum  spec.  245. 
Saxifragaceen  496,  497. 
Scenedesinus  248. 

Schinus  dependens  579. 
Schizomyceten  232. 
Schizoneina  247  -  2.50. 

—  Grevillei  248,  250. 
Schizop/iycetn  232. 
Schrankia  uncinata  343. 
Schwefelbakterien  238,  240. 
Scirpus  lacustris  109. 

—  maritimus  109,  156. 

—  paluster  155. 

—  Tabernaemontani  155. 
Sclerotinia  369,  371,  (51),  (56). 

—  ^eü«/ae  368,  370,  371. 

—  Cor^/j  372. 

—  Fuckeliana  370. 
(Seca/e  cerenle  245,  338. 
-SerfM/ft  204 

—  acre  203. 

—  Maxiinowiczi  204,  208. 

—  reflexum  (45). 
Selaginella  440,  412. 

—  spinulosa  (37  . 
Sempervivuin  203. 
Septoria  299. 

—  chrysantemdla  299,  301. 

—  Clirysanthemi  2dd- 301. 
jrtrfict  299,  300. 

—  Rostrupii  300. 
Setaria  ylauca  348 
Shepherdia  346. 

—  argentea  346. 

—  canadensis  346. 
Sibiraea  croatica  155. 


Sicyos  angulatus  344. 
Sigillaria  434,  441. 

—  Sternbergii  442. 
Siinarubaceen  496. 
Sinningia  Regina  584,  585. 
Siphonocladia  100. 
Sisymbrium  481,  482. 

—  AlUaria  482. 

—  officinale  482. 

—  ÄopA/a  482. 

—  Tlialianum  482. 
Sisyrinchium  anceps  347. 

—  angustifolium  347. 
Smilacina  stellata  348. 
Solanaceae  346,  570,  576. 
Solanain  570  -  572. 

—  lycopersicuin  570,  573  —  576. 

—  —  „Gloire  de  Citarpennes'"''  bl2. 

—  nigro-lycopersicum  575. 

—  nigruni  572 — 576. 

—  rostralum  346. 

—  tuberosum  132,  134. 

Solidago  nemoralis  var.  incana  345. 

Sonneratia  87. 

6'or6Ms  410,  412,  451,  55. 

—  aucuparia  412,  413. 

—  —  Dirkenii  aurea  412. 

—  —  /b/.  luteovariegatis  412,  413. 
Sparganiuin  (37). 

Sparganiuin  raiuosuin  109. 

—  Simplex  109. 
Sphaerella  lacustris  316,  320. 
Spliaerococcus  denticulatus  103. 
Spiridia  filamentosa  101. 
Spirobacillus  241. 

—  Buetschlii  241. 

—  ^«(/as  241. 
Spirochaete  26,  241. 
Spirodela  (35,  (39). 

Spirogyra    322,  325-327,  329,  331—335, 
527-529,  a8). 

—  arcto  324. 

—  /aa:«  528. 

—  setiformis  529. 
Spirulina  subsalsa  248. 
Sporidesmium  (54;. 
Sporotithon  105. 
Stemonitis  24. 

—  flaccida  26. 
Stichogloea  lacustris  498. 
Stictyosiphon  248. 
Sligeoclonium  500,  501. 


Verzeichnis  der  Pflanzennamen. 


(71) 


Stigmaria  441. 
Stipa  480. 

—  viridula  348. 
Stratiotes  aloides  15(). 
Slreptocarpus  583. 

—  aclumeniflorus  584,  585. 

—  Kirkü  583,  585. 

—  polyanthus  584,  585. 

—  Rexü  584,  585. 

—  WendlancU  583-585. 
Surirella  biseriata  241. 

—  calcarata  241. 
üjjinplocos  jaj  onicus  147. 
kiyringa  chinensis  37(j,  379. 

—  persica  380. 

—  vulgaris  380,  412. 

—  vulgaris  x  persica  37G. 

Taxus  141. 

—  baccata  138. 
Tectonu  grandis  l.j. 
Teosinte  245. 
Tephrosia  oio. 

—  viryiniana  343 
Terebintliaceen,  496,  497. 
Tetracentrum  49G. 
Teucriuin  occidentale  34G 
Thermoascus  aurantiacus  510,  513,  514. 
Tliermoidium  515. 

—  sulfureum  510,  511,  514,  515. 
Theriiioinyces  lanuginosus  510,  514. 
Thillavia  basicola  (56). 
Thioploca  239-242. 

~   Schmidlei  238,  239,  242. 
Tradescantia  68. 

—  virginica  348. 
Tradescantia  zehrina  67. 
Trapa  nalans  156. 
Trentepotdia  b^)^),  502. 

—  aure«  500. 

—  lolithus  500. 

—  Negeri  500. 

—  umbrina  500. 
rrjcÄm  24,  26. 

—  /a//oa;  23. 
Trichophytenpilze  246. 
Trichomanes  Kraussii  85. 
Trifolium  arvense  255. 

—  pratense  quinquefolium    443,  444,  446, 
450,  466,  469. 

Trigonella  167. 

—  monspeliaca  294. 


Triloeularia  496. 
Triticum  (38). 
Triticum  sativum  245. 
Trochodendrum  496. 
Tropaeolum  399-401. 

—  /«o>s  402,  403,  405. 

—  minus  403. 
r/-«//e/  242. 
Trypanosoma  25,  26. 
Tuber  374 
Tuberineen  374. 
Turbinaria  ornata  102. 
Typha  latifoUa  156,  348. 
Typtiaceae  348. 

C/"/»«««  496. 

—  americana  347. 

—  /"«/üa  347. 
Ulotrichaceeii  499. 
Ulothrix  501. 

C/'/ca  dichotoma  102. 

—  Lnctuca  100. 

U mbelliferae  345,  (46). 

Uredineen  251,  340,  589  (18;,  (26). 

üromyces  250—254,  840. 

—  Astragali  340. 

—  Euphorbiae  Astragali  340. 

—  —  corniculatae  251. 

—  Fabae  254. 

—  Pisc/ieri  Eduardi  340. 

—  Heimerlianus  253—255. 

—  Jordianus  252  -  255,  340. 

—  P/st  252-254,  340. 

—  str intus  251,  255. 

—  F/c/ae  Craccae  251,  252,  254. 
Urtlcaceae  347. 

Urticalen  496,  497. 
üstilago  Jensenii  245. 

Vaccinium  priscum  155. 

Vaginariee  501. 

V alerianaceae  (46). 

Valonia  confervoides  101.  • 

—  favulosa  101. 

—  utricularis  forma  aegagropila  101. 
Fa/sa  oxystoma  (39). 

Vaucheria  501. 
Fen^wria  (51). 

—  chlorospora  (54). 

—  —  /".  ma/t  (54). 

—  crataegi  (55). 

—  ditricha  (54). 


(72) 


Verzeichnis  der  Pflanzennamen. 


Venturia  inaequalis  (42). 
Veratrum  275. 
Verbena  bracteosa  346. 

—  hastata  34G. 
Verbenaceae  346. 
Veronica  464,  467,  469. 

—  austriaca  467. 

—  ayrestis  464,  469,  470. 

—  —  forma  ylabreacens  465. 

—  —  var.  rosea  465. 

—  —  forma  typica  465, 
bastarde  220. 

—  Buxbaumü  467. 

—  opaca  464,  465. 

—  —  forma  pluricarpellata  469. 

—  pereyrina  583. 

—  po//te  464,  465,  467,  469,  470. 
var.  caerulea  465. 

—  Teuer i um  4(i7. 

—  Tournefurtii  464,  465,  467. 

—  —  var.  hrachypoda  465. 

—  —  forma  penlasepala  469. 
Vicia  175,  254. 

—  Cracca  251  -  255,  340. 

—  Faba  51—54,  188,  247,  350,  352-356, 
358,  477,  478,  507. 

mndsor  350,  358. 

—  Idrsuta  252—255. 
~  sativa  245 

—  tenuifolia  250—252,  254. 
Vicieen  250. 


Victoria  cruziana  154. 

—  reyia-löi. 
Viola  cucullata  342. 

—  delpldnifolia  342. 

—  rotundifolia  342, 

—  sayittala  342. 
Violaceae  312. 
Viscum  583 

—  album  583. 
Vitaceae  343. 
T7/«.s  569. 

—  aestivalis  343. 

—  -bastarde  220. 
FoZüoa;  229. 

„H'aian"  286. 
Wasseralyen  528. 
W'ei2m  243  -  245,  509. 
Witsnerella  javanica  463. 
fFo//yAa  ^35). 

—  microscopica  (39 j. 
Wurdemannia  setacea  103. 

Xaiithium  strumarium  345. 

3'«cca  anyustifolia  347. 

Zaniedeschia  aethiopica  245. 
Zea  Ji«(s  220,  245,  527. 

—  ..lia^s  peruviana  480. 
Zuckerrohr  383 


Mitgliederliste. 

(Abgeschlossen  am  20.  Februar  1908. 


Ehrenmitglieder. 


Bornet,  Dr.  E.,  Mitglied  des  Institut  de  France  in  Paris,    Quai  de  la 

Tournelle  27.     Erwählt  am  17.  September  1884. 
Bower,    F.  0.,    Professor    der  Botanik    an    der  Universität  in  Glasgow, 

1.  llillhead,  St.  Johns  Terrace.    Erwählt  am  12.  September  1907. 
Famintzin,  A.,    emer.  Professor  der  Botanik,   Mitglied  der  kaiserlichen 

Akademie    der   Wissenschaften    in    St.    Petersburg.     Erwählt    am 

1.  Dezember  1903. 
Fries,  Dr.  Th.  M.,  emer.  Professor  der  Botanik   an   der  Universität  in 

Uppsala.     Erwählt  am  12.  September  1907. 
Hansen,  Dr.  Emil  Christian,  Professor  und  Direktor  der  physiologischen 

Abteilung  des  Carlsberg  Laboratoriums  in  Kopenhagen.     Erwählt 

am  24.  September  1901. 
Hooker,    Sir  Jos.,    in  The  Camp,    Sunningdale,    Berkshire.     Erwählt  am 

17.  September  1883. 
Nathorst,    Dr.  Alfred  G.,    Professor   und    Direktor    des    phytopaläonto- 

logischen    Museums,    Mitglied    der    kgl.    schwed.   Akademie    der 

Wissenschaften,    in  Stockholm.     Erwählt  am  12.  September  1907. 
Nawashin,  Dr.  S.,  Professor  der  Botanik  in  Kiew.    Erwählt  am  12.  Sep- 
tember 1907. 
Prain,  Dr.  David,  Direktor  der  botanischen  Gärten  in  Kew  bei  London. 

Erwwählt  am  12.  September  1907. 
Thaxter,  Dr.  Roland,  Professor  der  Botanik  an  der  Harvard-Universität 

in  Cambridge,    Mass.    (Vereinigte  Staaten),    7  Scott  Str.    Erwählt 

am  12.  September  1907. 
Van  Tieghem,    Ph.,    Professor    der    Botanik,    Mitglied    des   Institut    de 

France  in  Paris,  16  rue  Vauquelin.  Erwählt  am  12.  September  1907. 
Treub,    Dr.  Melchior,    Direktor    des    botanischen  Gartens    in  Buitenzorg 

(Java).     Erwählt  am  24.  September  1891. 
de  Vries,    Dr.    Hugo,     Professor    der    Botanik    an    der    Universität    in 

Amsterdam,  Parklaan  9.     Erwählt  am  24.  September  1891. 


('J^')  Mitgliederliste. 

Warming,  Dr.  Eugen,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  bo- 
tanischen Museums,  Mitglied  der  könig].  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Kopenhagen.     Erwählt  am  24.  September  1891. 

Winogradsky,  Dr.  Sergius,  Kaiserl.  Institut  für  experimentelle  Medizin 
in  St.  Petersburg.     Erwählt  am  12.  September  1907. 


Korrespondierende  Mitglieder. 


Balfour,  J.  Bailey,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Edinburg. 
Beccarl,  Odoardo,  vordem  Direktor  des  botanischen  Gartens  und  botan. 

Museums  in  Florenz,  z.  Z.  in  Baudino  bei  Florenz,  Yilla  Beccari. 
Beijerinck,  Dr.  M.  W.,  Professor  am  Polytechnikum  in  Delfl  (Holland). 
Bonnier,  Dr.  Gaston,    Mitglied    des  Institut  de  France,   Professor    der 

Botanik  an  der  Universität  in  Paris. 
Briquet,  Dr.  John,  Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Genf. 
Brotherus,  Dr.  Viktor  Ferdinand,  Professor  in  Helsingfors. 
de  Candolle,  Casimir,  in  Genf. 
Cavara,  Dr.  Fr.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 

Gartens  in  Neapel. 
Chodat,  Dr.  Robert,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Genf. 
Christ,  Dr.  Hermann,  Oberlandesgerichtsrat  in  Basel,  St.  Jacobstr.  9. 
Darwin,    Francis,   M.  B.,  F.  E.  S.,  F.  L.  S.,    in    Cambridge    (England), 

13  Madingley  Read. 
EIfvIng,  Dr.  Fredrik,    Professor    an    der  Universität    und  Direktor    des 

Botanischen  Gartens  in  Helsingfors. 
Farlow,  Dr.  W.  G.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  Cambridge, 

Mass.  (Vereinigte  Staaten). 
Flahault,    Dr.    Charles,    Professor    an    der    Universität,    Direktor    des 

Botanischen  Instituts  in  Montpellier. 
Guignard,  Dr.  Leon,  Professor  der  Botanik  an  der  Ecole  superieure  de 

pharmacie,    Mitglied  des  Institut  de  France,    in  Paris,    1  rue  des 

Feuillantines. 
Harper,  R.  A.,    Professor  an  der  Universität  in  IVIadison  Wis.  (IJ.  S.  A  ). 
Hemsley,  W.  B.,  F.  P  S.,  F.  L.  S.  in  Kew  bei  London. 
Henriques,    Dr.    J.  A.,    Professor    der    Botanik    und  Direktor    des    bo- 
tanischen Gartens  in  Coimbra  (Portugal). 
Ikeno,  Dr.  S ,  Professor  an  der  Universität  in  Tokio. 
Johannssen,  Dr.  W.,  Professor  der  Pflanzephysiologie  an  der  Universität 

in  Kopenhagen. 
King,  Sir  George,  vordem  Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Calcutta, 

in  London. 


Mitgliederliste.  (75) 

V.  Lagerheim,  Dr.  G.,  Professor  an  der  Universität,  Direktor  des 
Botanischen  Instituts  in  Stockholm. 

Massart,  Dr.  J„  Professor  an  der  Universität  in  Brüssel. 

Matsumura,  Dr.  J.,  Professor  an  der  Universität,  Direktor  des  Bota- 
nischen Gartens  in  Tokio. 

IVliyoshi,  Dr.  Manabu,  Professor  an  der  Universität  in  Tokio. 

Oliver.  Daniel.  Professor  der  Botanik,  Mitglied  der  Royal  Society,  in 
Kew  bei  London. 

Palladin,  Dr.  Wl.  J.,  Professor  an  der  Universität  in  St,  Petersburg. 

Penzig,  Dr.  Otto,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  Botanischen 
Gartens  in  Genua. 

Ridley,  H.  N.,  M.  A.,  Direktor    des    Botanischen  Gartens    in  Singapore. 

Robinson,  Dr.  B.  L.,  Professor  au  der  Universität  und  Kurator  des 
Gray-Herbariums  in  Cambridge  Mass. 

Rothert,  Dr.  Wl.,  Professor  an  der  Universität  in  Odessa, 

Saccardo,  Dr.  P.  A..  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens  in  Padua. 

Stapf,  Dr.  Otto,  Principal  Assistant  am  Herbarium  in  Kew  bei  London. 

Trelease,  William,  Professor  an  der  Universität,  Direktor  des  Missouri 
Botanischen  Gartens  in  St.  Louis. 

de  Wildeman,  Dr.  Em..  Professor  in  Brüssel. 

Wille,  Dr.  J.  N.  F.,  Professor  an  der  Universität,  Direktor  des  Bota- 
nischen Gartens  in  Kristiania. 

Willis,  John  Chr.,  M.  A.  Direktor  des  Botanischen  Garten  in  Paradeniya 
(Ceylon). 

Wittrock,  Dr.  V.  B..  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Museums,  Mits^lied  der  köniol.  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Stockholm. 


Mitglieder'). 


Abromeit,    Dr.  Johannes,    Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität, 

Assistent  am  botan.  Garten  in  Königsberg  i.  Pr.,  Tragheimer  Kirchen- 

strasse  30. 
Allen.  Dr.  Charles  E.,  Assistant  Professor  of  Botany  in  the  University  of 

Wisconsin  in  Madison  Wis.,  (U.  S.  A.),  810  St.  Johns  street. 
Ambronn,  Dr.  H.,    Professor  an  der  Universität  und  wissenschaftlicher 

Mitarbeiter  an  der  optischen  Werkstätte  von  CARL  ZeiSS  in  Jena, 

Engelstr.  18. 


1)  Die  ausserordentlichen  Mitglieder  sind  mit  einem  *  bezeichnet. 


(76) 


Mitgliederliste. 


Anderson,    Dr.    Alexander    P.,    Railway    Exchange   Building,    American 

Cereal  Co.,  in  Chicago,  IlL,   (U.  S.  A.). 
Andree.  Ad.,  Apotliekenbesitzer  in  Hannover,  Scliiffgraben  36. 
Anisits,  Daniel,  Professor  an  der  Nationaluniversität  in  Asuncion  (Para- 
guay), z.  Z.  in  Budapest,  Narosmajorutiena  40. 
Appel,  Dr.  Otto,    Regierungsrat    Biologische    Anstalt    für    Land-    und 

Forstwirtschaft    in  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin,    Königin  Luise-Str. 
Arcangeli.  Dr.  6iov.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 

Gartens  in  Pisa. 
Areschoug,    Dr.  F.  W.  C,    ehemaliger  Professor    der  Botanik    an    der 

Universität   Lund,    Mitglied    der  Akademie    der  Wissenschaften 

in  Stockholm,  in  Lund  (Schweden). 
Arnim-Schlagenthin,  Graf  von,  auf  Nassenheide  in  Pommern,  Station  der 

Kleinbahn  Stoeven-Stolzenburg. 
Arnoldi,    Dr.  Wladimir,    Professor    der  Botanik    an    der  Universität  in 

Charkow,  Botanischer  Uuiversitätsgarten,  Klotschkowskaja  52. 
Ascherson,  Dr.  Paul,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik  an. 

der  Universität  in   Berlin  W.,  Bülowstr.  50,  pt. 


Baccarini,  Dr.  Pasquale,  Professor  und  Direktor  des  Botanischen  Gartens 

in  Florenz,  Reale  Orto  botanico,  Yia  Lamarmora  Nr.  6'''^ 
Bachmann,  Dr.  E.,  Professor,  Konrektor  am  Realgymnasium  in  Plauen 

im  Yoigtlande,  Leissnerstr.  ] . 
Bachmann,  Dr.  Hans,  Professor  in  Luzern. 
Ball,  Dr.  0.  Melville,  Professor  in  charge,  Botanist  to  the  Department 

of  Botauy    and  Mycology,    in  College  Station,    Texas  (U.  S.  A.). 
Bally,  Dr.  Walter  in  München,  botanisches  Institut  der  Universisät. 
Baesecke,  P.,  Apotheker  in  Marburg  a.  d.  Lahn,  Am  Rudolfsplatz  3. 
Barnewitz,  A.,    Professor    am  A'ON  SALDERN'schen  Realgymnasium    in 

Brandenburg  a.  H.,  Havelstr.  14,  II. 
Bartke,  R.,   Prof.,   Oberlehrer  an  der  städtischen  Realschule  in  Cottbus^. 

Turnstrasse  7,  pt. 
Baur,    Dr.  Erwin,  Privatdozent  für  Botanik,   Assistent   am  botanischen 

Institut  der  Universität  in  Berlin  NW.,  Dorotheeustr.  5. 
Beck,    Dr.  Günther,    Ritter  von  Mannagetta,  Professor  der  Botanik  und 

Direktor    des  botanischen  Gartens  der  deutschen  Universität,    in 

Prag  II,  Weinberggasse  1965. 
Becker,  H.,  Dr.  med.  in  Grahamstown  (Südafrika),  Die  Duveneck. 
Beckmann,  Dr.  Paul,  Assistent  am  ])finnzenphysiologischen  Institut  der 

Kgl.  Gärtner-Lehranstalt    in    Dahlem-Steglitz    bei  Berlin,    Miquel- 

strasse  6,  III. 

Behrens,  Dr.  Joh.,  Professor,  Direktor  der  Kaiserl.  biologischen  Anstalt 
für  Land-  und  Forstwirtschaft  in  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 


Mitsrliederliste. 


"■o 


(77) 


Belajeff,  Dr.  W.,  Kurator  der  Volksaufklärung  in  Warschau,  Krakauer 

Vorstadt  28   (Russland). 
ßenecke,    Dr.  W.,    Professor    der  Botanik    an    der    Univertät    in    Kiel, 

Bartelsallee  7. 
Berthold,    Dr.  G,,    Professor    der  Botanik    und  Direktor  des  pflanzen- 
physiologischen Institutes  in  Göttingen. 
Bessey,  Dr.  Ernst  A.,   B.  Sc,   M.  A.,    Pathologist  in  charge,    in  Miami 

(Florida),  Subtropical  Laboratorj. 
*  Beyer,  R.,  Professor,  Oberlehrer  in  Berlin  0.,  Eaupachstr.  13,  I. 
Bitter,  Dr.  Georg,  Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Bremen. 
Blasius,  Dr.  Wilhelm,    Geh.  Hofrat,    Professor  und  Direktor    des  bota- 
nischen Gartens  und  des  naturhistorischen  Museums  in  Braunschweig, 

Gaussstr.  17. 
Blumentritt,  Fritz,  Gymnasialprofessor  in  Budweis. 
Bode,    Dr.,    Assistent    am    Institut    für    Gäruugsgewerbe    in    Berlin  N., 

Seestr.  61. 
Boergesen,    Fr.,    Dr.  pliil.,    Bibliothekar    am    botanischen    Museum    in 

Kopenhagen,  östbanegade  7. 
Bohlin,  Dr.  Knut,  Lektor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität, 

in  Stockholm,  Asögatan  81. 
Boresch,   Karl,    Denionstrator    am  pflanzenphysiologischen  Institut  der 

Deutschen  Universität  in  Prag  III,  Brückengasse  55. 
Borzl,  A.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen  Gartens 

und     des    pflanzenphysiologischen    Instituts    der    Universität    in 

Palermo. 
Brand,  Dr.  Friedrich,  in  München,  Liebigstr.  3. 
Brandes,  W.,  Apotheker  in  Hannover,  Prinzensti-.  12  a. 
Braungart,  Dr.  R.,  Professor  in  München,  Fürstenstr.  18,  I. 
Brendel,  R.,    Fabrikant    botanischer  Modelle    in  Grunewald    bei  Berlin, 

Bismarck-Allee  37. 
Brick,    Dr.  C,    Assistent  am  Botanischen  Museum,  Leiter  der  Station 

für  Pflanzenschutz  in  Hamburg  V,  St.  Georgskirchhof  6,  I. 
Briosi,    Dr.  Giovanni,    Professor    der  Botanik    an    der  Universität   und 

Direktor  des  Laboratorio  crittogamico  in  Pavia.     (Italien.) 
Brück,  Dr.  Werner,  Privatdozent  in  Giessen,  Roonstr.  201. 
Brunn,  Julius,  Dr.  phil,  in  Sonderburg,  Kirchenallee  9. 
Brunnthaler,  Josef,  in  Wien  IV.  2,  Johann-Straussgasse  IL 
Bruns,  Dr.  E.,  Apothekenbesitzer  in  Barmen-Wichlinghausen. 
Bubäk,  Dr.  Franz,  Professor  der  Botanik  und  der  Pflanzenkrankheiten 

an  der  landwirtschaftlichen  Akademie  in  Täbor  (Böhmen). 
Bücher,    Dr.   Hermann,    Versuchsanstalt    für    Landeskultur    in    Victoria 

(Kamerun). 
Bucherer,  Dr.  Emil,  in  Basel,  Jurastr.  54. 

Ber.  der  deutschen  bot.  GeseUsch.    XXV.  (Q\ 


/"jrg>  Mitgliederliste. 

Buchwald.  Dr.  Johannes,  Abteilimgsvoisteher  an  der  Versuchsanstalt 
für  Getreideverarbeitung  in  Berlin  W.,  Würzburger  Strasse  14. 

Buder,  Dr.  Johannes,  in  Charlottenburg,  Giesebrechtstr,  17. 

Burchard,  Dr.  0.,  Vorstand  der  agrikulturbotanischen  Versuchsstation 
und   Samenprüfungsanstalt    in   Hamburg,    24.,    Immenberg  15  B. 

Burgerstein,  Dr.  Alfred,  ausserordentliclier  Professor  der  Botanik  an 
der  Universität  in  Wien  II,  Taborstr.  75. 

Buscalioni,  Dr.  Luigi,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  Bo- 
tanischen Gartens  in  Catania  (Sicilien). 

BUsgen,  Dr.  M.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstakademie  in  Hann. 
Münden,  Bismarckstr.  606a. 

Busse,  Dr.  Walter,  Regierungsrat,  Privatdozeut  der  Botanik  an  der 
Universität  Berlin,  in  Friedenau  bei  Berlin,  Kaiser-Allee  65. 

Campbell,  Dr.  Douglas  H.,  Professor  der  Botanik  an  der  Leland  Stan- 
ford Junior  University  in  Palo  Alto,  Kalifornien  (U.  S.  A.). 

Cavara,  Dr.  Fridiano,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens  in  Neapel,  Reale  Orto  botanico. 

Cavet,  Dr.  Louis,  Königlicher  Garteninspektor  in  Wiesbaden,  Parkstr.  42. 

Celakovsky,  Dr.  Ladislav,  honor.  Dozent  der  Botanik  an  der  böhmischen 
technischen  Hochschule  in  Prag,  Kgl.  Weinberge,  Puchmajuva 
ulice  1319. 

Chamberlain,  Dr.  Charles,  Associate  in  Botany,  in  Chicago,  HL,  (ü.  S.  A.), 
University. 

Chodat,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Genf. 

Christensen,  Carl,  mag.  scient.  in  Kopenhagen. 

Claussen,    Dr.  Peter,    Privatdozent  in  Berlin  NW.  7,    Dorotheeustr.  5,  I. 

Colling,  Dr.  J.  F.,  in  Bonn,  Weberstr.  26,  I. 

Conwentz,  Dr.  H.,  Professor,  Direktor  des  Westpreussischen  Provinzial- 
Museums,  Staats-Unterkommissar  für  Naturdenkmalpflege  in  Danzig. 

Correns,    Dr.  Carl  E.,    Professor  der  Botanik  in  Leipzig,    Talstr.  6,  III. 

Cuboni,  Dr.,  Professor,  Direktor  der  Stazione  di  Patologia  vegetele  in 
Rom,  V.  S.  Susanna. 

Czapek,  Dr.  Friedrich,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in 
Czernowitz  (Österreich),  Botanisches  Institut  der  Universität. 

*Dalla    Torre,    Dr.    von,    Professor    an    der    Universität    in    Innsbruck, 

Claudiastr.  6,  IL 
Dalmer,  Dr.  Moritz,    Gymnasialoberlehrer  in  Tannenfeld  bei  Möbdenitz 

(Sachsen-Altenburg). 
Damm,  Dr.  Otto,    ordentlicher  Lehrer    an    der  höheren  Mädchenschule 

in  Charlottenburg  5,  Windscheidstr.  34. 


Mitgliederliste.  (79) 

Darbishire,  Dr.  0.  V.,  in  Manchester  (England),  Owens  College. 

Davis,  Dr.  Bradley  Moore,  in  Cambridge,  Mass.  (U.  S.  A.)  17  Feiton 
Hall. 

Dennert,  Dr.  E.,  in  Godesberg  a.  Rhein, 

Detmer,  Dr.  W.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Jena, 
Gartenstr.  '2. 

Derschau,  Dr.  Max  von,  in  Auerbach  an  der  Bergstrasse  (Hessen). 

Diels,  Dr.  L,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik;  z.  Zt.  in  Marburg 
i.  Hessen. 

*Dietel,  Dr.  P.,  Oberlehrer  in  Zwickau,  Carolastr.  19. 

Dingler,  Dr.  Hermann,  Professor  der  Botanik  an  der  forstlichen  Hoch- 
schule in  Aschaffenburg  (Bayern). 

Dohrn,  Dr.  A.,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor  und  Direktor  der 
zoologischen  Station  in  Neapel. 

Drude,  Dr.  Oskar,  Geh.  Hofrat,  Professor  der  Botanik  au  der  Techni- 
schen Hochschule  und  Direktor  des  botanischen  Gartens  in 
Dresden,  Botanischer  Garten. 

Duggar,  Dr.  M.  Benjamin,  Professor  der  Pflanzeuphysiologie  an  der 
Cornell-Universität  in  Ithaca,  Xew  York  (U.  S.  A.). 

Düsen,   Dr.  P.,   in  Berg   bei  Yreta  Kloster,   Östergotland  in  Schweden. 

Eberdt,  Dr.  Oskar,  Kustos  und  Bibliotheksvorstand  an  der  Geologischen 
Landesanstalt  zu  Berlin,  Grunewald  bei  Berlin,  Lynarstr.  10. 

*  Ebermayer,  Dr.  E.,  Geh.  Hofrat,  Professor  in  München. 

Engler,  Dr.  A.,  Geheimer  Oberregierungsrat,  Professor  der  Botanik  und 
Direktor  des  botanischen  Gartens  und  Museums,  Mitglied  der 
Akademie  der  Wissenschaften,  in  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin,  Neuer 
botanischer  Garten,  Altensteinstr.  4. 

Engler,  Victor,  cand.  rer.  nat.  in  Breslau,  Botan.  Garten. 

Ernst,  Dr.  Alfred,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanisch- 
physiologischen Laboratoriums  der  Universität  in  Zürich,  IV, 
Huttenstrasse  9. 

Escombe,  Fergusson,   in  Shawford,  Winchester,  England. 

Esser,  P.  HJ.  (S.  V.  D.),  Lehrer  der  Anatomie  und  Physiologie  der 
Pflanzen  in  St.  Gabriel  bei  Mödling-Wien. 

Esser,  Dr.  P.,  Direktor  des  Botanischen  Gartens  in  Cöln. 

Ewert,  Dr.,  Lehrer  der  Botanik  und  Leiter  der  botanischen  Abteilung 
der  Versuchsstation  des  pomologischen  Instituts  in  Proskau  (Ober- 
schlesien). 

Faber,  Dr.  F.  C.  von,  Hilfsarbeiter  an  der  Biologischen  Anstalt  für 
Land-  und  Forstwirtschaft  in  Dahlem-Steglitz,  Wilmersdorf  bei 
Berlin,  Kaiserallee  171. 

Falkenberg,  Dr.  Paul,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botan. 
Gartens  in  Rostock. 

(6*) 


(g(y)  Mitgliederliste. 

Farlow,    Dr.    W.    G.,     Professor     der     Botanik     an     der     Universität 

Cambrigde  Mass.  (U.  S.  A.) 
Farmer,   J.  B.,    M.  A.,  Professor  der  Botanik  in  London  W.,  Claremont 

House,  Wimbledon  Common. 
Fedde,  Dr.  Friedrich,    Oberlehrer  in  Wilmersdorf  bei  Berlin,  Weimarsche 

Strasse  3. 
Fedtschenko,    Boris   von,    Oberbotaniker     am     botanischen    Garten     in 

St.  Petersburg. 
Figdor,    Dr.  W.,  Privatdozent  an  der  Universität  in  Wien  HI,  Beatrix- 

D-asse  27. 
Fischer,    Dr.    Alfred,     Professor    der    Botanik    in    Basel,    Botanischer 

Garten. 
Fischer,  Dr.  Ed.,  Professor  der  Botanik  in  Bern,  Rabbenthalstr.  79. 
Fischer,  Dr.  Hugo,  Privatdozent   der  Botanik,  Vorsteher  der  bakterio- 
logischen Abteilung  an  der  agrikultur-chemischen  Versuchsstation 

in  Berlin,  in  Charlottenburg,  Marchstr.  15. 
Fischer   von  Waldheim,    Dr.  Alexander,    kais.    russischer  Geheimer  Rat, 

Exzellenz,    emerit.  ordentl.  Professor  der  Botanik,    Direktor  des 

kaiserlichen  botanischen  Gartens  in  St.  Petersburg. 
Fitting,    Dr.  Hans,    Privatdozent  und  Assistent  am  botanischen  Institut 

in  Tübingen,  Lisztstrasse  14,  IE. 
Flahault,    Dr.  Charles,  Professeur  de  l'Universite,  Directeur  de  l'Institut 

de  Botanique  in  Montpellier. 
Pocke,  Dr.  W.  0.,    Medizinalrat    in  Bremen,    Beim  Steinernen  Kreuz  5. 
Forti,  Dr    Achille,  in  Verona,  Via  S.  Eufeniia. 
Foslie,    M.,    Direktor    der    botanischen    Abteiljing    des    Museums    in 

Trondhjem  in  Norwegen. 
Fries,  Dr.  Rob.  E.,  Privatdozont  an  der  Universiät  in  Uppsala. 
Fritsch,  Dr.  Karl,  Professor  der  Botanik  und  Vorstand  des  botanischen 

Laboratoriums  an  der  Universität  in  Graz  (Steiermark),  Alberstr.  19. 
Fritsch,  Dr.  E.  F.,  Assistant  Professor   der  Botanik  an  der  Universität 

London  (University  College)  in  London  NW.,  Prout  Grove,  Neasden. 
Fuchs,  Dr.  Coelestin  Anton,  Professor,  Pater  am  Gymnasium  in  Komotau 

(Böhmen). 
Fünfstück,  Dr.  Moritz,    Professor  der  Botanik  an  der  Technischen  Hoch- 
schule in  Stuttgart,  Ameisenbergstr.  7. 
Furlani,  Dr.  Hans,  Gymnasiallehrer  in  Nikolsburg. 
Fürnrohr,    Dr.  Heinrich,    Hofrat,  Vorstand  der  botanischen  Gesellschaft 

in  Regensburg. 
Fujii,  Dr    K.,  Professor  der  Botanik  in  Tokio,   Botanisches  Institut  der 

Universität.     Botanischer  Garten. 
Fynn,    Dr.    Enrique,    Professor    der    Chemie    an    der    Universität    und 

Direktor    der    landwirtschaftlichen  Abteilung  des   argentinischen 

Ministeriums  in  Buenos  Aires,  Grauja  Bianca,  Cangaelo  3270/80  y 

Laprida. 


Mitgliederliste.  (81) 

Gaidukov,  N.,  z.  Z.  in  Jena,  Jahnstr.  14, 1. 

Gardiner,    Walter,    M.    A.,    Cliaue    College    in    Cambridge    (England), 

St.  Andrews,  Hill  Road. 
Gassner,  Dr.  Gustav.  Professor  der  Botanik  an  der  Facultad  de  Agronomia, 

Montevideo-Sayago,  Uruguay. 
Gatin,  Dr.  C.  L,  Preparateur  de  botanique  ä  la  Sorbonne  in  Fontenay 

aux  Roses  (Seine),  rue  La  Boissiere  15. 
*Geheeb,  A.,  in  Freiburg  i.  Br.,  Dreikönigstr.  20. 
Geisenheyner,  L,  Gymnasialoberlehrer  in  Kreuznach. 
Gibson,  Dr.  R.  J.  Harvey,  Professor  der  Botanik  in  Liverpool,  Botanisches 

Institut,  üuiversitv  College. 
Giesenhagen,  Dr.  Karl,  Professor  d.  Botanik,  in  München,  Yeterinärstr.  6. 
Giessler,  Dr.  Rudolf,  Kustos  am  botan.  Institut  in  Leipzig,  Sidonienstr.  19. 
Gilg,  Dr.  Ernst,    Professor  der  Botanik  an  der  Universität,  Kustos  am 

botan.  Museum,  in  Steglitz  bei  Berlin,  Arndtstr.  34. 
Gjurasin,  Dr.  Stjepan,  Prof.  a.  Mädchenlyceum  i.  Agram  (Croatien).  Zagreh. 
Glück,  Dr.  Hugo,  Professor  der  Botanik  in  Heidelberg,  Brückenstr.  18, 1. 
Gobi,  Dr.  Chr.,  Exzellenz,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in 

St.  Petersburg,  Wassilii  Ostrow,  9.  Linie,  46,  Qu.  34. 
Goebel,  Dr.  K.,  Geh.  Hof  rat,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des 

botanischen  Gartens,  sowie  des  pflanzenphysiologischen  Institutes 

in  München,  Luisenstr.  27,  IL 
Goethart,    Dr.  J.  W.  Chr.,    Konservator    am  Reichsherbarium   in  Leiden 

(Niederlande),  Rijn-Schickade  78. 
Goodale,    Dr.  George  Lincoln,    Professor    der  Botanik  au  der  Harvard- 
Universität  in  Cambridge,  Mass.  (U.  S.  A.). 
Graebner,  Dr.  P.,  Kustos  am  botanischen  Garten  in  Dahlem,  in  Gross- 

Lichterfelde-West  bei  Berlin,  Yictoriastr.  8. 
Gräfe,  Dr.  Victor,  Dozeut  der  Botanik  an  der  Universität  iu  Wien,  VIII, 

Hamerlingplatz  9. 
Gran,  Dr.  H.,    Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Christiania, 

Botanisches  Institut. 
Grosser,    Dr.    Wilhelm,    Direktor    der    agrikulturbotanischen  Versuchs- 
station in  Breslau  X,  Matthiasplatz  1. 
Grüss,    Dr.  J,,    Professor,    Oberlehrer,    in   Friedrichshagen    bei  Berlin, 

Königstr.  5. 
Gurke,  Dr.  M.,  Professor,  Kustos  am  botan.  Museum,  Herausgeber  der 

Monatsschrift  für  Kakteenkunde,    in  Steglitz  bei  Berlin,    Rothen- 

bm-gstr.  30,  H. 
Gürtler,  Dr.  Friedrich,  in  Fraustadt,  Provinz  Posen. 
Guttenberg,  Dr.  Hermann  Ritter  von,  Privatdozent    an  der  K.  K.  Hoch- 
schule   für    Bodenkultur    in    Wien  II,    K.  K.  Samenkontrollstation 

(Landw.  bot.  Vers. -Anstalt),  Lagerhausgasse. 
Gutzeit,  Dr.  E.,  Professor  in  Königsberg  i.  Pr. 


(^2")  Mitgliederliste. 

Haacke,  Dr.  Otto,  Kealgymnasialoberlehrer  in  Plauen  i.  V.,  Streits  Berg. 
Haberlandt,  Dr.  G.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 

Gartens  in  Graz,  Elisabethstr.  18. 
Hallier,  Dr.  Hans,    wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter  an  den  Botanischen 

Staatsinstituten,  Hamburg,  36. 
Hämmerle,    Dr.  J,,    Oberlehrer    an    der  höheren  Staatsschule    in    Döse 

bei  Cuxhaven,  Strichweg  29b. 
Hanausek,  Dr.  T.  F.,  Professor,  Gymnasialdirektor  in  Krems  an  der  Donau. 
Hannig,  Dr.  E.,  Prof.  der  Botanik,  Assistent  am  botanischen  Institut  der 

Universität  in  Strassburg  i.  Eis.,    Botanisches  Institut. 
Hanser\>    Dr.  Adolf,  Geh.  Hofrat,  Professor  der  Botanik,    Direktor  des 

botanischen  Gartens  in  Giessen. 
Harms,  Dr.  H.,  Professor,    wissenschaftlicher  Beamter  der  königlichen 

Akademie   der  Wissenschaften,    in    Friedenau    bei    Berlin,    Ring- 
strasse 44. 
Harper,  R.  A.,  Professor  an  der  Universität  in  Madison,  Wis.  (U.  S.  A.), 

423  N.  Carroll  Street. 
Hartwich,    Dr.  C,    Professor    der  Pharmakognosie    am  Polytechnikum 

in  Zürich. 
Haupt,  Dr.  Hugo,  in  Bautzen,  Georgstr.  13. 
Hausrath,     Dr.    Hans,     Professor    an    der    Technischen    Hochschule    in 

Karlsruhe,  Kaiserstr.  12. 
Hecke,    Dr.    Ludwig,    Professor    an    der    Hochschule    für   Bodenkultur 

in  Wien  XIX,  Hochschulstr.  17. 
Heering,  Dr.  W.,  in  Altona,  Waterloostr.  14,  I. 
Hegi,  Dr.  Gustav,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität,  Kustos 

am  Botanischen  Garten  in  München. 
Heiden,  Dr.  H.,  in  Rostock,  Prinz  Friedrich  Karlstr.  2. 
Heimann,  Emmy,  in  Braunschweig,  Wolfenbüttelerstr.  9. 
Heinricher,  Dr.  E.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 

Gartens  der  Universität  in  Innsbruck. 
Heinsius,  Dr.  H.  W.,  in  Amsterdam,  Yondelkerkstraat  10. 
Hering,  Dr.  Georg,  Lehrer  an  der  Oberrealschule  in  Chemnitz. 
Herpell,  Gustav,  in  St.  Goar. 
Herrmann,  E.,  König!.  Regierungs-  und  Forstrat  in  Langfuhr  bei  Danzig, 

Kastanienweg  8. 
Hesse,    Dr.  Rud.,    Direktor    der    landwirtschaftlichen  Winterschule    in 

Marburg  i.  H.,  Barfüsserthor  26. 
Hesselmann,  Dr.  H.,  Dozent  an  der  Universität  in  Stockholm,  Högskola. 
Heukels,  H.,  Lehrer  an  der  Realschule  in  Amsterdam,  Weesperzijde  81. 
Heydrich,  F.,  Rentner  in  Wiesbaden,  Lortzingstr.  4. 
Hieronymus,  Dr.  Georg,  Professor,    Kustos  am  botanischen  Museum  zu 

Dahlem,  in  Steglitz,  Grunewaldstr.  27. 


Mitgliederliste.  (83) 

Hildebrand,    Dr.  F.,  Geh.  Hofrat,    Professor  der  Botanik  und  Direktor 

des  botanischen  Gartens  in  Freiburg  in  Baden. 
Hiilmann,    Dr.    P.,    Vorstand    der    Saatzuehtabteilung    der    Deutschen 

Landwirtschafts-Gesellschaft  in  Berlin  SW.  11,  Dessauer  Strasse  14. 
Miltner,  Dr.,    Regierungsrat,  Direktor    der  agrikulturbotanischeu  Yer- 

suchsanstalt  München -Schwabing,  Osterwaidstrasse.  9. 
Hinneberg,  Dr.  P.,  in  Altona-Ottensen,  Flottbeker  Chaussee  29. 
Hinze,  Dr.  G.,  in  Zerbst,  Markt  15. 

Hobein,  Dr.  M.,  Chemiker  in  München,  Gabelsbergerstr.  76  a. 
Hock,  Dr.  Fernando,  Professor  am  Realgymnasium  in  Perleberg,  Pritz- 

walker  Strasse  22. 
*  Hoffmann,  Dr.  Ferd.,  Prof.,  Oberlehrer  in  Charlottenburg,  Spandauer  Str.  6. 
Hoffmeister,  Dr.  Camill,  Leiter  der  Versuchsstation  für  Flachsindustrie 

in  Trautenau. 
Höhnel,  Dr.  Fr.,  Ritter  von,    Professor  an  der  technischen  Hochschule 

in  Wien,  IV,  Karlsplatz  13. 
Höstermann,    Dr.  G.,    Yorst.  d.  pflanzenphysiologischen  Abteilung    und 

Lehrer  an  der  K.  Gärtner  Lehranstalt  in  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 
Holtermann,  Dr.  Carl,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  in  Berlin  NW., 

Dorotheenstr.  5. 
*Horn,  Paul,  Apotheker  in  Waren  (Mecklenburg). 
Hunger,  Dr.  F.  W.  T.,  Direktor  der  Algemeen  Proefstation,  Jalatiga  (Java). 


Iltis,  Dr.  Hugo,  in  Brunn,  Franz  Josephstr.  30. 

Jaap,  0.,  Lehrer  in  Hamburg,  25,  Burgstr.  52. 

Jahn,  Dr.  Eduard,  Oberlehrer  in  Charlottenburg  5,  Witzlebenstr.  40. 

Japp,   R.  H.,  Professor  am  University   College  of  Wales  in  Aberystwyth 

(England). 
Jensen,  Hjalmar,  in  Buitenzorg  auf  Java,  's  Lands  Planteutuin. 
Johannsen,  Dr.  W.,  Professor  der  Pflanzenphysiologie  au  der  Universität 

in  Kopenhagen,  Botanischer  Garten. 
ohnson,    Dr.  T.,    F.  L.  S.,    Professor  der  Botanik    am  Royal  College 

of  Science  und  Kustos  der  botanischen  Sammlungen  des  l!sational- 

museums  in  Dublin. 
Jongmans,  Dr.  Wilhelm,  in  Leiden  (Holland),  Breetstraat  137.   BotaniscTies 

Institut. 
Jönsson,  Dr.  Bengt,    Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  morpho- 
logisch-biologischen Museums  in  Lund  (Schweden). 
Jost,  Dr.  Ludwig,   Professor  der  Botanik  in  Bonn,   HohenzoUerustr.  33 
Issatschenko,  Boris,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität,  Vorsteher 

der  Samenprüfungsstation  in  St.  Petersburg,    Kaiserl.  Botanischer 

Garten. 


(S4)  Mitgliederliste. 

*lstvänffi,  Dr.  Gyula  von  (Schaarschmid,  J.),  Direktor  der  ungarischen 
ampelologischen  Centralanstalt,  in  Budapest  II,  Törökvesz,  Debröi 
lit  13. 

Junk,  W.,  in  Charlottenburg,  Kurfürstendamm  201. 

Iwanowski,  Dr.  Dimitri,  Professor  der  Pflanzenphysiologie  an  der  Uni- 
versität in  Warschau. 

Kabät,  Jos.  Em.,  emeritierter  Zuckerfabrikdirektor  in  Turnau  544 
(Böhmen). 

Kamerling,  Dr.  Z.,  in  Weltevreden  bei  Batavia  (Java). 

Kambersky,  Dr.  0.,  Vorstand  der  landwirtschaftlichen  Versuchs-  und 
Samenkontrollstation  in  Troppau. 

Karsten,  Dr.  George,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Bonn, 
Arndtstr.  20. 

Katitsh,  Dr.  Danilo,  Professor,  Gymnasialoberlehrer  in  Belgrad  (Serbien). 

Kegel,  Dr.  Werner,  in  Bremen,  Mendestr.  22. 

Keller,  Dr.  Robert,  Kektor  in  WInterthur,  Trollstr.  32. 

Kienitz-Gerloff,  Dr.  F.,  Professor  in  Weilburg,  Keg.-Bez.  Wiesbaden. 

Kirchner,  Dr.  0.,  Professor  der  Botanik  an  der  landwirtschaftlichen 
Hochschule  in  Hohenheim  bei  Stutto-art. 

Klebahn.  Dr.  H.,  Professor,  in  Hamburg  30,  Hoheluftchaussee  124. 

Klebs,    Dr.  Georg,    Geh.  Hofrat,    Professor    der  Botanik  und  Direktor 

des  botanischen  Gartens  in  Heidelberg. 
)  i  n,  Dr.  Edmund,  Professor  in  Luxemburg,  Äusserer  Ring  20. 

Klein,  Dr.  Jul.,  Professor  am  Josephs-Polytechnikum  in  Budapest. 

Klein,  Dr.  Ludwig,  Geh.  Hofrat,  Professor  der  Botanik  und  Direktor 
des  botanischen  Gartens  an  der  Technischen  Hochschule  in 
Karlsruhe  in  Baden,  Kaiserstr.  2  (Botanisches  Institut). 

Klemm,  Dr.  P.,  in  Gautzsch  bei  Leipzig,  Bauverein. 

Klemt,  Dr.  F.,  in  Berlin,  Spandauerbrücke. 

Kneucker,  A.,  Redakteur  der  Allgemeinen  botanischen  Zeitschrift  in 
Karlsruhe  i.  B.,  Werderplatz  48. 

Kniep,  Dr.  Hans,  Privatdozent  in  Freiburg  i.  B.,  Bot.  Institut  d.  Universität. 

Knischewsky,  Dr.  Olga,   in  Charlottenburg-Westend,  Spandauerstr.  17. 

Knuth,  Dr.  Reinhard,  Oberlehrer  in  Wilmersdorf  bei  Berlin,  Wilhelms- 
aue 12,  IV. 

Kny,  Dr.  L.,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik,  Direktor 
des  pflanzenphysiologischen  Institutes  der  Universität  und  des 
botanischen  Institutes  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule  zu 
Berlin,  Wilmersdorf-Berlin,  Kaiser-Allee  186/187. 

Koch,  Dr.  Alfred,  Professor,  Direktor  des  landwirtschaftlich -bakterio- 
logischen Institutes  an  der  Universität  Göttingen,  Herausgeber 
des  Jahresberichtes  über  die  Fortschritte  in  der  Lehre  von  den 
Gärungsorganismen,  in  Göltingen,  Schildweg  13. 


Mitgliederliste.  (8^) 

Koch,  Dr.  L,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Heidelberg, 
Sophienstr.  25. 

Koehne,  Dr.  E.,  Professor,  in  Friedenau  bei  Berlin,  Kirchstr.  5. 

Kohl,  Dr.  F.  G.,  Professor  in  Marburg  a.  L,  Eenthofstr.  12. 

Kolkwitz,  Dr.  Richard,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der 
Universität  und  an  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule  zu 
Berlin,  wissenschaftliches  Mitglied  der  Versuchs-  und  Prüfungs- 
anstalt für  Wasserversorgung  und  Abwässerbeseitigung,  in 
Steglitz  bei  Berlin,  Hohenzollernstr.  2. 

Koernicke,  Dr.  Max,  Privatdozent  der  Botanik  und  Assistent  am  botan. 
Institut  der  Universität  in  Bonn,  Bonner  Talweg  45. 

Koorders,  Dr.  S.  H.,  in  Leiden  (Holland). 

Korschelt,  Dr.  P.,  Oberlehrer  am  königl.  Kealgymnasium  in  Zittau  i.  S., 
Königsstr.  21. 

Kränzlin,  Dr.  Fr.,  Professor  in  Berlin  C ,  Klosterst.  73. 

Krasser,  Dr.  Fridolin,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  in  Kloster- 
neuburg bei  Wien,  Wiener  Str.  54. 

Kraus,  Dr.  C,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  München, 
Luisenstr.  45,  I. 

Kraus,  Dr.  Gregor,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens  in  Würzburg,  Klinikstr.  12. 

Krause,  Dr.  Kurt,  Assistent  am  Königl.  Botanischen  Museum  in  Dahlem- 
Steglitz  bei  Berlin. 

Kroemer,  Dr.  Karl,  Dirigent  der  pflanzenphysiologischen  Versuchs- 
station der  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und  Gartenbau  in  Geisen- 
heim  a.  Rh. 

Krüger,  Dr.  Friedrich,  Professor,  Hilfsarbeiter  an  der  Biologischen 
Anstalt  zu  Dahlem,  in  Gross -Lichterfelde -Ost  bei  Berlin,  Hobrecht- 
strasse 10. 

Krull,  Rudolph,  Apotheker  in  Breslau,  Kosenthalerstr.  45. 

Kuckuck,  Dr.  Paul,  Professor,  Kustos  für  Botanik  an  der  Biologischen 
Anstalt  auf  Helgoland. 

Kuegler,  Dr.,  Marine-Oberstabsarzt  L  Kl.  a.  D.  in  Charlottenburg,  Knese- 
beckstrasse  85. 

Kühn,  Dr.  Jul.,  Exzellenz,  Wirklicher  Geheimer  Rat,  Professor  der 
Landwirtschaft  und  Direktor  des  landwirtschaftlichen  Institutes 
der  Universität  in  Halle  a.  S. 

Kumm,  Dr.,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  und  Kustos  am 
Westpreussischen  Provinzial-Museum  in  Danzig-Langfuhr,  Haupt- 
strasse 89. 

*  Kündig,  Dr.  J.,  Dozent  an  der  Universität,  in  Mikasa,  Zollikon  bei 
Zürich. 

Kurtz,    Dr.  Fritz,    Professor    der   Botanik,    Direktor    des    botanischen 


(S6)  Mitgliederliste. 

Museums  an  der  Universität  und  Mitglied  der  Academia  nacional 
de  ciencias  in  Cördoba  (Argentinische  Republik). 
Küster,    Dr.  Ernst,    Privatdozent    der  Botanik    an    der    Universität    in 
Halle   a.  S.,    Botan.    Institut    im    Botanischen    Garten,    Bismarck- 

strasse  2. 

Lagerheim,  Dr.  6.  von,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und 

Direktor    des  botanischen  Institutes  in  Stockholm  N.,    Stockholms 

Högskola. 
Laibach,  Dr.  Fr.,  in  Limburg  a.  L. 
Lakon,  Dr.  G.,  in  Athen,  Botanisches  Institut. 

Lakowitz,  Dr.  C,  Professor,  Oberlehrer  in  Danzig,  Frauengasse  26. 
Lande.  Max,  cand.  phil.  in  Berlin  NW.  23,  Händelstr.  3,  z.  Zt.  in  Zürich. 
Laubert,  Dr.  R.,    Botaniker  an  der  Biologischen  Anstalt  für  Land-  und 

Forstwirtschaft  zu  Dahlem,  in  Steglitz  bei  Berlin,  Düppelstr.  39,  IIL 
Lauterbach,  Dr.  C,  Rittergutsbesitzer  auf  Stabelwitz  bei  Deutsch- Lissa. 
Laux,  Dr.  Walther,  Apothekenbesitzer  in  Berlin  C,  Prenzlauer  Str.  45  a. 
Lehmann,  Dr.  Ernst,  in  Bonn-Poppelsdorf,  Bot.  Institut  d.  landw.  Akademie. 
Leisering,  Dr.  Bruno,  in  Berlin  0.  26,  Kottbuserstr.  8. 
Lemcke,    Dr.  Alfred,  Yorsteher  der  Pflanzenschutzstelle  der  Landwirt- 

schaftskammmer  für  die  Provinz  Ostpreussen  in  Königsberg  i.  Pr., 

Köttelstr.  11. 
Lemmermann,    E.,    Seminarlehrer,    wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter    am 

Städtischen  Museum  in  Bremen,  Celler  Str.  41. 
Lepeschkin,   Dr.  Wlad.,    Privatdozent   in  St.  Petersburg,   Botan.  Institut 

der  Universität. 
Leschnitzer,  Dr.  0.,  Apothekenbesitzer  in  Posen,  Wilhelmplatz  13. 
Liebenberg,    Dr.  Ad.  Ritter  von,    Hofrat,  Professor  an  der  Hochschule 

für  Bodenkultur  in  Wien  XIX,  Hochschulstr.  24. 
Lindau,    Dr.  Gustav,    Professor,    Privatdozent  der  Botanik,    Kustos  am 

botanischen    Museum    zu    Dahlem.     Privatadresse:    Gross-Lichter- 

felde  W.,  Roonstr.  5,  I. 
Lindemuth,  H.,  kgl.  Gartenbaudirektor  und  Dozent  an  der  Landwirtschaft- 
lichen Hochschule  in  Berlin  NW.  7,  Dorotheenstr.,  Universitätsgarten. 
Lindner,  Dr.  Paul,  Professor  in  Berlin  N.  65,  See-  und  Torfstrassen-Ecke, 

Institut  für  Gärungsgewerbe. 
Linhard,   Dr.  Georg,  Professor  an  der  ungarischen  landwirtschaftlichen 

Akademie  in  Ungarisch-Altenburg  (Magyar  Ovar). 
Linsbauer,  Dr.  Karl,  Assistent  am  pflanzenphysiologischen  Institute  der 

Universität  in  Wien  XIX,  Hartäckerstr.  26. 
Lloyd,  L  G.,    The  Lloyd  Library,    CIncinnati,  0.,  (U.  S.  A.),  224  West 

Court  Street. 
Loesener,  Dr.  Th.,    Kustos    am    botanischen  Museum    zu    Dahlem,    in 

Steglitz  bei  Berlin,  Humboldtstr.  28. 


Mitgliederliste.  (^87) 

Loew,  Dr.  E.,  Professor  in  Berlin  SW.,  Grossbeerenstr.  67,  III. 
Lorch,  Dr.  W.,  Oberlehrer  in  Schöneberg  bei  Berlin,  Hähnelstr.  4. 
Lopriore,  Dr.  Giuseppe,    Privatdozent    der    Botanik  an  der  Universität 

und  Professor    an    der  Scuola   di  Enologia    in    Catania  (Sicilien), 

Piazza  Cavour  8. 
Ludwig,  Dr.  Alfred,  Oberlehrer  in  Forbach  (Lothr.). 
Luerssen,  Dr.  Chr.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 

Gartens  in  Königsberg  i.  Pr. 
Luxburg,  Dr.  Hermann,  Graf  zu,  in  Würzburg,  Sanderglacisstr.  25. 

Mac  Kenney,  Dr.  Randolph  E.  B.,  Professor,  Pflanzenphysiologe  am 
Department  of  Agriculture  und  Assistant-Professor  an  der  Colum- 
bian  University  in  Washington  DC,  Adresse:  Philadelphia,  Pa. 
(U.  S.  A.),  3320  N.,  löth  Street. 

Mac-Leod,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botan.  Gartens  in 
Gent  (Belgien). 

Magnus,  Dr.  P.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Berlin  W., 
Blumes  Hof  15. 

Magnus,  Dr.  Werner,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität  und 
an  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule,  Assistent  am  pflanzen- 
physiologischen Institut  der  Universität  und  am  botanischen 
Institut  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule  in  Berlin  W.,  Am 
Karlsbad  3. 

Maire,  R.,  Preparateur  de  la  Faculte  des  sciences  de  l'Universite  de  Nancy. 

Marloth,  Dr.  Rudolf,  in  Kapstadt  (Süd-Afrika),  P.  0.  box  359. 

Marsson,  Dr.  Maximilian,  Professor,  in  Berlin  W.  30,  Landshuter  Str.  28. 

Mattirolo,  Dr.  0.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens  in  Turin,    Valentine. 

Mäule,  Dr.  C,  Professor  am  Gymnasium  in  Cannstatt-Stuttgart,  Ludwig- 
strasse 17. 

Maurizio,  Dr.  A.,  Professor  am  Polytechnikum  in  Lemberg. 

Meyer,  Dr.  Arthur,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens  in  Marburg  a.  L,  Biegenstr.  38. 

Mez,  Dr.  C,  Professor  der  Botanik  in  Halle  a.  S.,  Botanisches  Institut. 

Miehe,  Dr.  Hugo,  Privatdozent  der  Botanik,  Assistent  am  botan.  Institute 
in  Leipzig-Reudnitz,  Oststr.  8,  I. 

*Mlgula,  Dr.  W.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstlehranstalt  in 
Eisenach,  Sophienstr.  7. 

Mikosch,  Dr.  C,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Brunn. 

Mildbraed,  Dr.  K.,  Assistent  am  botanischen  Museum  in  Dahlem  bei 
Berlin,  Charlottenburg,  Berliner  Str.  106. 

Mlliarakis,  Dr.  S.,  Professor  an  der  Universität  in  Athen,  Rue  Didot  12A. 

Minks,  Dr.  Arthur,  Arzt  in  Stettin,  Deutsche  Strasse  58,  IL 

Miyake,  Dr.  Kiichl,  in  Kioto  (Japan),  Doshisha  College. 


(^S)  Mitgliederliste. 

Miyoshi,  Dr.  Manabu,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  zu 
Tokio,  Botanisches  Institut  der  Universität. 

Möbius,  Dr.  M.,  Professor,  Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Frank- 
furt a.  M.,  Königsteiner  Str.  52. 

Möllerj  Dr.  Alfred,  Professor,  Oberforstmeister,  Direktor  der  Forst- 
akademie in  Eberswalde,  Douopstr.  16. 

Moeller,  Dr.  Herrn,,  Professor  der  Botanik  in  Greifswald,  Brink- 
strasse  75. 

Moewes,  Dr.  Franz,  in  Berlin  S.,  Schleiermacherstr.  24. 

Molisch,  Dr.  Hans,  Professor  der  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen 
und  Vorstand  des  pflanzenphysiologischen  Institutes  an  der  deut- 
schen Universität  in  Prag,  II,  Weinberggasse  3  a. 

IVIrazek,  August,  stud.  phil.  in  Prag,  III,  Wendische  Gasse  Nr.  346. 

Mücke,  Dr.  Manfred,  in  Berlin  W.  30,  Sollend orfstr.  21a,  IL 

Müller,   Dr.  Julius,    in  Ziegenhals,  O.-S.,  Promeuadenstr.  24,  IL 

Müller,  Dr.  Otto,    Professor    in  Tempelhof  bei  Berlin,  Blumenthalstr.  1. 

Müller-Thurgau,  Dr.  Herrn.,  Professor  und  Direktor  der  deutsch-schweize- 
rischen Versuchsstation  für  Obst-,  Wein-  und  Gartenbau  in  Wädens- 
weil  bei  Zürich. 

Müller,  Dr.  Rudolf,  Professor  für  Pharmakognosie  an  der  Universität 
in  Graz  (Steiermark),  Universitätsplatz  4. 

Murinoff,  A.,  Assistent  am  agronomischen  Laboratorium  der  Universität 
in  St.  Petersburg,  Fontauka  162. 

Muth,  Dr.  F.,  in  Oppenheim  a.  Rh. 

Nabokich,  Dr.  A.  J.,  Professor  an  der  Universität  in  Odessa  (Russland), 
Agronomisches  Laboratorium. 

Neger,  Dr.  F.  W.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstakademie  Tharand 
in  Sachsen. 

Nemec,  Dr.  Bohumil,  Professor  der  Botanik  an  der  böhmischen  Uni- 
versität in  Prag,  Slupy  433. 

Nestler,  Dr.  A.,  Professor  der  Botanik,  Oberinspektor  der  Unter- 
suchungsanstalt für  Lebensmittel  an  der  deutschen  Universität 
in  Prag,  Kgl.  Weinberge. 

Neumann,  M.  P.,  Vorstand  der  chemischen  Abteilung  der  Versuchs- 
station für  Getreideverwertung  in  Berlin  N.  65,  Seestr.  4  a. 

Nevinny,  Dr.  Joseph,  Professor  in  Innsbruck. 

Niedenzu,  Dr.  F.,  Professor  am  Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  (Ost- 
preussen). 

Niemann,  G..  Lehrer  in  Magdeburg. 

Nienburg,  Dr.  Wilhelm,  in  Friedenau  bei  Berlin,  Kaiserallee  140. 

Nilsson,  Professor  in  Svalöf  (Schweden). 

Nobbe,  Dr.  F.,  Geheimer  Hofrat,  emerit.  Professor  der  Botanik  und 
Direktor  des  forstakademischen  Gartens  in  Tharand. 


Mitgliederliste.  (89) 

Noil,    Dr.  F.,    Professor    der  Botanik  an  der  Universität  in  Halle  a.  S., 

Botanisches  Institut. 
Nordhausen,    Dr.    Max,    Professor,    Privatdozent    der    Botanik   in  Kiel, 

Botanisches  Institut,  Feldstr.  4. 

Oliver,  Francis  Wall,  Professor  der  Botanik  an  dem  University  College 

in  London,  2  the  Vale,  Chelsea,  S.  W. 
Oltmanns,  Dr.  Friedrich,    Professor  der  Botanik,  Redakteur  der  Botan. 

Zeitung  II,  in  Freiburg  i.  B.,  Belfortstr.  26. 
Orth,    Dr.  A.,    Geheimer  Regierungsrat,    Professor    und    Direktor    des 

agronomisch-pedologischen     Institutes     der    Landwirtschaftlichen 

Hochschule  in  Berlin  W.,  Ziethenstr.  6  b. 
Ostenfeld,  Dr.  C,  Inspektor  des  Botanischen  Museums  in  Kopenhagen,  0. 

Sortedams  Dossering  63  A. 
*Osterwald,   Carl,    Professor    am    Lessinggymnasium    in    Berlin  NW.  52, 

Spenerstr.  35. 
Oven,  Dr.  E.  von,  in  Berlin,  W.  57,  Yorkstr.  48,  L 
Overton,  Dr.  J.  B.,  Professor  am  Botanical  Department  der  Universität 

von  Wisconsin  in  Madison,  Wisc,  (U.  S.  A.),  Science  Building. 

Paeckelmann,    Wolfgang,     wissenschaftlicher     Hilfslehrer    in     Elberfeld, 

Brünino-str.  16. 
Palla,  Dr.  Eduard,  Professor  an  der  Universität  in  Graz,  Schubertstr.  21. 

Botanisches  Institut. 
Pammel,    L.  H.,    M.  S.,    B.  Agr.,    Professor    der  Botanik  an  dem  Iowa 

College  of  Agriculture  in  Arnes,  Iowa  (U.  S.  A.). 
Pantanelli,    Dr.   Enrico,    Privatdozent    der    Pflanzenphysiologie    an    der 

Universität    und  Assistent  an  der  Stazione  di  Patologia  vegetale 

in  Rom,  Via  St.  Susanna  l. 
Paul,  Dr.  Hermann,  Assistent  an  der  bayerischen  Moorkulturanstalt  in 

München,  Kellerstr.  22a. 
Pax,  Dr.  Ferdinand,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und  Direk- 
tor des  botanischen  Gartens  in  Breslau. 
Pazschke,  Dr.  0.,  in  Dresden-N.,  Forststr.  29, 1. 
Peirce,    Dr.  George  James,    Assistant    Professor    of   Botany    and  Plant 

Physiology  an  der  Leland  Stanford  Junior  University  in  Palo  Alto 

bei  San  Francisco  in  Kalifornien  (U.  S.  A.). 
Perkins,   Frl.  Dr.  Janet,  in  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin,  Königin  Luise- 

Strasse  6/8.     Botanisches  Museum. 
Peter,  Dr.  A.,    Professor    der  Botanik  an  der  Universität  und  Direktor 

des  botanischen  Gartens  in  Göttingen,  Untere  Karspüle  2. 
Peters,  Dr.,  Leo,    Botaniker   an    der    Biologischen  Anstalt    für    Land- 

und  Forstwirtschaft  zu  Dahlem,  in  Steglitz,  Schlossstr.  41. 
Pfeffer,  Dr.  W.,  Geh.  Rat,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und 

Direktor  des  botanischen  Institutes  und  Botan.  Gartens  in  Leipzig. 


(20)  Mitgliederliste. 

Philippi,  Federico,  Professor  der  Botanik,  Director  del  Museo  Nacional 
in  Santiago  (Chile). 

Philipps,  W.  Reginald,  M.  A.,  D.  Sc,  Professor  am  University  College 
in  Bangor  (Wales),  England. 

Pilger,  Dr.  R.,  Prof.,  Assistent  am  botan.  Garten  u.  Dozent  f.  Botanik 
an    der  Techn.  Hochschule    in   Charlottenburg,    Hardenbergstr.  37. 

Pirotta,  Dr.  R.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und  Direktor 
des  botanischen  Institutes  in  Rom,  Tia  Panisperna  89 B. 

Polowzow,  Fr.  Warwara  von,  in  St.  Petersburg. 

Pomorski,  J.,  Professor  der  Agrikulturchemie,  Direktor  der  landwirt- 
schaftlichen Versuchsstation  in  Dublany  bei  Lemberg. 

Porsild,    Morton,    mag.  sc,    Direktor  d.  dän.  Arkt.  Station  in  Grönland. 

Portheim,  Leopold  Ritter  von,  Leiter  der  Biologischen  Versuchsanstalt  in 
Wien  VII,  Burggasse  100a. 

Potonie,  Dr.  H.,  Professor,  Landesgeologe,  Kedakteur  der  „Naturwissen- 
schaftlichen Wochenschrift"  in  Gross-Lichterfelde-West  bei  Berlin, 
Potsdamer  Strasse  35. 

Potter,  M.  C,  M.  A.,  Professor  der  Botanik  am  Durham  College  of  Science 
in  Newcastle  upon  Tyne,  14  Highbury,  West  Jesmond. 

Poulsen,  Dr.  Viggo  A.,  Professor  für  pharmazeutische  Botanik  an  der 
Universitcät  in  Kopenhagen,  V.,'Rosenv£engets  hovedvej  29. 

Preuss,  Hans,  Lehrer  in  Danzig,  Gartengasse  1. 

Pringsheim,  Dr.  Ernst,  in  Breslau,  IX,  Göppertstr.  6/8. 

Puriewitsch,  Dr.  Konstantin,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität 
Kiew,  Botanisches  Institut. 


Raatz,  Dr.  Wilhelm,  an  der  Zuckerfabrik  Klein-Wanzleben  bei  Magdeburg. 

Raciborski ,  Dr.  M.  von,  Professor  der  Botanik  an  der  landwirtschaft- 
lichen Akademie  und  Direktor  des  botanischen  Gartens  in 
Dublany  bei  Lemberg  (Osterreich). 

Radlkofer,  Dr.  L.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität,  Vorstand 
des  botanischen  Museums  (Herbariums),  Mitglied  der  Akademie 
der  Wissenschaften  in  München,  Sonnenstr.  7,  I. 

Rehder,  Alfred,  in  Jamaica  Piain,  Mass.  U.  S.  A. 

Rehsteiner,  Dr.  Hugo,  Apotheker  in  St.  Gallen. 

Reiche,  Dr.  Carlos,  Chef  der  botanischen  Section  des  Museo  Nacional 
in  Santiago  (Chile),  cas.  2105. 

Reinhardt,  Dr.  M.  Otto,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  in  Berlin  N., 
Elsasser  Strasse  31,  Portal  II. 

*Reinitzer,  Friedrich,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  in  Graz 
(Steiermark). 

Reinke,  Dr.  Joh.,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik  und 
Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Kiel,  Düsternbrook  17. 


Mitgliederliste.  (91) 

Reinsch,  Dr.  P.  F.,  Professor  in  Erlangen. 

Remer,  Dr.  Wilhelm,  in  München,  Prinzenstr.  13. 

Renner,  Dr. Otto,  Kustos  am  k.  pflanzenphysiologischen  Institut  in  München. 

*  Richter,  Dr.  P.,  Oberlehrer  in  Lübben  in  der  Lausitz. 

Richter,  Paul,  Oberlehrer  in  Leipzig,  Talstr.  12  b. 

Richter,  Dr.  Oswald,  Privatdozent  der  Botanik  und  Assistent  am  pflanzen- 
physiologischen Institut  der  Deutschen  Universität  in  Prag,  II, 
Weinberggasse  3a. 

Riehm,  Dr.  Eduard,  wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter  an  der  Biologischen 
Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft  zu  Dahlem,  in  Steglitz  bei 
Berlin,  Albrechtstr.   13. 

Riemerschmid,  Anton,  Guts-  und  Fabrikbesitzer  in  Pasing  bei  München. 

Rikli,  Dr.  Martin,  Privatdozent  und  Konservator  der  botanischen  Samm- 
lungen am  eidgenössischen  Polytechnikum  in  Zürich,  II,  Piano- 
gasse 12. 

Rimbach,  Dr.  A.,  per  Adr.  Rickert  y  Ca,,  in  Guayaquil  (Ecuador). 

Rodewald,  Dr.  Herrn.,  Professor  und  Direktor  des  landwirtschaftlichen 
Institutes  in  Kiel,  Bartels-Allee  20. 

Rompel,  Dr.  Josef,  S.  J.,  Professor  der  Naturgeschichte  am  Jesuiten- 
gymnasium zu  Feldkirch  (Vorarlberg). 

Rosen,  Dr.  Felix,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Breslau, 
Marienstr.  4. 

Rosenberg,  Dr.  0.,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität  in 
Stockholm,  Tegnerlunden  4. 

Ross,  Dr.  H.,  Kustos  am  botanischen  Museum  in  München,  Richard- 
Wagner-Strasse  18,  IV, 

Rössler,  Dr.  Wilhelm,  Prof.,    Oberlehrer  in  Charlottenburg,  Cauerstr.  30. 

*Roth,  Dr.  Ernst,  Oberbibliothekar  der  Universitätsbibliothek  in  Halle  a.S,, 
Lafontainestr.  32. 

Rothert,  Dr.  Wladislaw,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Odessa. 

Rubel,  Dr.  E.,  in  Zürich,  Zürichbergstr.  45. 

Ruhland,  Dr.  W.,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität  und 
wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter  an  der  Biologischen  Anstalt  in 
Dahlem,  in  Berlin  W.  30,  Gossowstr.  9. 

Rumm,  Dr.  C,  in  Stuttgart,  Moserstr.  8. 

Ruttner,  Dr.,  Franz,  Assistent  an  der  Biologischen  Station  in  Lunz 
(Nieder-Österreich). 

Saccardo,  Dr.  P.  A.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Padua. 

Saida,  Dr.  Kotaro,  Professor  der  Botanik  in  Tokio  (Japan),  Koisnikawa 
Doshinmashi  Nr.  1. 

Saupe,  Dr.  A.,  in  Dresden,  Kyffhäuserstr.  17. 

Schander,  R.,  Vorstand  des  botanischen  Laboratoriums  der  Landwirt- 
schaftlichen Versuchs-  und  Forschungsanstalt  in  Bromberg. 


/92")  Mitgliederliste. 

Schellenberg,  Gustav,  Assistent  am  botan.  Laboratorium  der  Universität 
in  München,  Karlstr.  42. 

Schellenberg,  Dr    H.  C,  in  Zürich,  Hofstr.  40. 

Schenck,  Dr.  Heinrich,  Professor  der  Botanik  an  der  Technischen  Hoch- 
schule und  Direktor  des  botan.  Gartens  in  Darmsiadt,  Nikolaiweg  6. 

Scherffel,  Aladär,  in  Iglö,  Zips,  Ober-Ungarn. 

Schikorra,  Dr.  Georg,  Assistent  am  städtischen  Untersuchungsamt  für 
hygienische  und  gewerbliche  Zwecke  in  Berlin  0.,  Weidenweg  81. 

Schiller,  Dr.  Jos.,  Assistent  an  der  zoologischen  Station  in  Triest. 

Schilling,  Dr.  Aug.  Jg.,  Privatdozent  an  der  Technischen  Hochschule  in 
Darmstadt,  wolmhaft  in  Grossgerau. 

Schinz,  Dr.  Hans,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und  Direktor 
des  botanischen  Gartens  und  des  botanischen  Museums  der  Uni- 
versität in  Zürich  V,  Seefeldstr.  12. 

Schlechter,  Dr.  Rudolf,  in  Berlin  S.,  Gräfestr.  33. 

Schmidle.  W.,  Professor,  Direktor  des  Lehrerseminars  in  Karls- 
ruhe i.  B. 

Schober,  Dr.  Alfred,  Professor  und  Schulinspektor  in  Hamburg -Eilbeck, 
Papenstr.  50. 

*Schönland,  Dr.  S.,  Curator  of  the  Albany  Museum  in  Grahamstown, 
Südafrika  (Kapkolonie). 

Schorler,  Dr.  Bernhard,  Institutslehrer  und  Kustos  am  Herbarium  der 
Technischen  Hochschule  in  Dresden-Striesen,  Krenkelstr.  34. 

Schottländer,  Dr.  Paul,  Kittergutsbesitzer,  in  Breslau,    Yictoriastr.  109. 

Schrenk,  Hermann  von,  B.  S.,  A.  M.,  Ph.  D.,  Botanical  Garden  in  St.  Louis, 
Mo.  (U.  S.  A.) 

Schröder,  Dr.  Bruno,  Lehrer  in  Breslau,  Sadowastr.  88,  H. 

Schröder,  Dr.  Henry,  Privatdozent  an  der  Universität  in  Bonn  a.  Rh., 
Meckenheimer  Str.  150. 

Schrodt,  Dr.  Jul.,  Professor,  Direktor  der  YIL  Realschule  in  Berlin  SO.  26, 
Mariannenstr.  47,  IL 

Schröter,  Dr.  C,  Professor  der  Botanik  am  Polytechnikum  in  Zürich, 
Hottingen-Zürich,  Merkurstr.  70. 

Schübe,  Dr.  Theodor,  Professor,  Oberlehrer  in  Breslau,  Forckenbeck- 
strasse  10. 

Schultz,  Richard,  Oberlehrer  in  Sommerfeld,  Reg.-Bez.  Frankfurt  a.  0., 
Pförtnerstr.  13. 

Schulz,  Dr.  A.,  Privatdozent  der  Botanik  in  Halle  a.  S.,  Albrecht- 
strasse 10. 

Schulze,  Dr.  Hilmar,  in  Bad  Oeynhausen. 

Schulze,  Max,  in  Jena,  Marienstr.  3. 

Schuster,  Dr   Walther,  in  Frankfurt  a.  M. 

Schutt,  Dr.  Franz,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und  Direk- 
tor des  botanischen  Gartens  und  Museums  in  Greifswald. 


Mitgliederliste.  (93) 

Schwarz,  Dr.  Frank,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstakademie  in 
Eberswalde. 

Schweinfurth,  Dr.  Georg,  Professor  in  Berlin  W..  Potsdamer  Strasse  75a. 

Schwendener,  Dr.  S.,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik 
und  Direktor  des  botanischen  Institutes  der  Universität,  Mitsdied  der 
Akademie  der  Wissenschaften,  in  Berlin  W.  10,  Matthäikirchstr.  28. 

Scott,  Dr.  D.  H.,  F.  R.  S.,  ehedem  Honorary  Keeper  of  the  Jodrell  La- 
boratory,  Royal  Gardens,  Kew,  one  of  the  Editors  of  the  Annais 
of  Botany,  East  Oakley  House,  Oakley,  Hants  (England). 

Seckt,  Dr.  Hans,  in  Buenos  Aires  (Argentinien).  Belgrano.  Mendoza  2977. 

Seemen,  0.  von,  Rittmeister  a.  D.,  in  Berlin  NW.  40,  Scharnhorststr.  42. 

Semadeni,  Dr.  0.,  in  Poschiavo  (Graubünden). 

Senn,  Dr.  Gustav,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität  in  Basel. 

Sernander,  Dr.  Rutger,  Privatdozent  der  Botanik  in  Uppsala. 

Shibata,  Dr.  K.,  in  Tokio  (Japan),  Botanisches  Institut  der  Universität. 

Shull,  Dr.  6eo.  H.,  Leiter  der  botanischen  Arbeiten  an  der  Station 
für  experimentelle  Entwickelungslehre,  Carnegie  Institution  of 
Washington.  Gold  Spring  Harbour,  Long  Island,  N.  Y.  (U.  St.  A.). 

Simon.  Dr.  Friedrich,  in  Frankfurt  a.  M.,  Schwarzburgstr.  86. 

Simon,  Dr.  Siegfried,  Assistent  am  Botanischen  Institut  in  Leipzig, 
Grassistr.  23. 

Singer,  Dr.  Max,  Professor  am  Deutschen  Gymnasium  in  Prag,  König- 
liche Weinberoe. 

Solereder,  Dr.  Hans,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und  Direk- 
tor des  botanischen  Institutes  in  Erlangen,  Botanischer  Garten. 

Solms-Laubach,  Dr.  H.  Graf  zu,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität 
und  Direktor  des  botanischen  Gartens,  Redakteur  der  „Botan. 
Zeitung"  in  Strassburg  1.  Eis.,  Botanischer  Garten. 

Sonder,  Dr.  Chr.,  in  Oldesloe  (Holstein). 

Sonntag,  Dr.  P.,  Oberlehrer  an  der  Oberrealschule  St.  Petri  und  Pauli, 
in  Saspe-Neufahrwasser  bei  Danzig,  Yilla  Mövenblick. 

Sorauer,  Dr.  Paul,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der 
Universität,  Redakteur  der  „Zeitschrift  für  Pflanzenkrankheiten", 
in  Berlin-Schöneberg,  Martin  Luther-Strasse  50. 

Spieckermann,  Dr.  A.,  Vorsteher  der  bakteriologischen  Abteilung  der 
Versuchsstation  in  Münster  i.  W.,  Plöniesstr.  5,  I. 

Sperlich,  Dr.  Adolf,  Professor,  suppl.  Lehrer  an  der  Lehrerbildungs- 
anstalt in  Innsbruck,  Maximilianstr.  17. 

Spiessen,  Freiherr  von,  königl.  Forstmeister  in  Winkel  im  Rheingau. 

Stahl,  Dr.  med.  A.,  iu  Bayamon  (Portorico). 

Stahl,  Dr.  Ernst,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und  Direktor 
des  botanischen  Gartens  in  Jena. 

Stameroff,  Kyriak,  Dozent  der  Botanik  an  der  Universität  zu  Odessa,  Pusch- 
kinskaja  Strasse  8,  Wohnung  15. 

Ber.  der  deutschen  bot.  Gesellscli.    XXV.  (7^ 


(■94)  Mitgliederliste. 

Steinbrinck,  Dr.  C,  Professor  am  Realgymnasium  in  Lippstadt. 
Steiner,    Rudolf,    Lehramtskandidat    in    Prag,    Königliche    AVeinberge, 

Puchmajorgasse  1299. 
Steyer,    Dr.    Karl,    Oberlehrer    an    der    Ernestinenschule    in    Lübeck, 

Huextertor-AUee  23. 
Stoklasa,  Dr.  Julius,  Professor  und  Direktor  der  chemisch-physiologischen 

Versuchsstation  der  böhmischen  technischen  Hochschule  in  Prag, 

Karlsplatz  3. 
Stoppel,  Frl.  Rose,  in  Freiburg  i.  B.,  Rotlaubstr.  13. 
Strasburger,    Dr.  Ed.,    Geh.  Regierungsrat,   Professor    der  Botaniic    an 

der  Universität  und  Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Bonn. 
*Strauss,  H.  C,    Obergärtner  am  botanischen  Garten  in  Dahlem-Steglitz 

bei  Berlin. 
Suringar,  Dr.  J.  Valckenier,  in  Wageningen  (Holland). 
Svedelius,  Dr.  Nils  Eberhard,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität 

in  Upsala. 

Tansley,  A.  G.,  Assistant  in  the  Botanical  Department  at  the  University 
College,  in  Translay  Grantchester  Cambridge. 

Ternetz,  Frl.  Dr.  Charlotte,  in  Basel,  Feldbergstr.  118. 

Thomas,     Dr.    Fr.,     Professor,     emerit.    Oberlehrer     am     Gymnasium 
Gleichense  in  Ohrdruf,  Hohenlohestr.  14. 

Thoms,  Dr.  Hermann.  Professor  der  pharmazeutischen  Chemie  an  der 
Universität  in  Berlin,  Steglitz  bei  Berlin,  Hohenzollernstr.  3. 

Thost,  Dr.  R.,  in  Gross-Lichterfelde-Ost  bei  Berlin,  Wilhelmstr.  27. 

Timpe,  Dr.  H.,  Oberlehrer  in  Hamburg -Eimsbüttel,  Am  Weiher  29. 

Tischler,  Dr.  Georg,  Privatdozent  der  Botanik  und  Assistent  am  bo- 
tanischen Institut,  in  Heidelberg -Neuenheim,  Laclenburger  Str.  6. 

Tobler,  Dr.  Friedrich,  Privatdozeut  der  Botanik  und  Assistent  am 
botanischen  Institut  der  Universität  in  Münster  i.  W.,  Schulstr.  ]  7. 

Toni,  Dr.  G.  B.  de,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botanischen 
Gartens,  Laureat  de  l'Institut  de  France,  Herausgeber  der  „Nuova 
Notarisia",  in  Modena. 

Trail,  Dr.  James  W.  H.,  F.  R.  S.,  Professor  der  Botanik  an  der  Uni- 
versität Aberdeen  in  Old  Aberdeen,    High  Street  71    (Schottland). 

Trow,  Dr.  A.  H.,  Lecturer  in  Botany  am  University  College  of  South- 
Wales  and  Monmouthshire  in  Cardiff  (England),  Penarth  50. 

Tschermak,  Dr.  Erich,  Edler  v.  Seysenegg,  Professor  an  der  Hochschule 
für  Bodenkultur,  in  Wien  XVIII,  Anastasius  Grün-Gasse  52. 

Tschirch,  Dr.  Alexander,  Professor  der  Pharmakognosie,  pharmazeutischen 
und  gerichtlichen  Chemie,  Direktor  des  pharmazeutischen  Insti- 
tutes der  Universität  in  Bern. 

Tswett,  Dr.  Michael,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität  in 
Warschau.  Krakowskie  Predmiescie  26. 


Mitgliederliste.  (95) 

Tubeuf,  Dr.  Carl,  Freiherr  von,  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik, 
in  München,  Habsburger  Str.  1. 

Uhlworm,  Dr.  Oskar,  Professor,  Oberbibliothekar,  Redakteur  des  „Zen- 
tralblattes für  Bakteriologie  und  Parasiteukunde"  in  Berlin  W., 
Schaperstr.  2/3,  I. 

Ulbrich,  Dr.  E.,  Hilfsassistent  am  Kgl.  Botanischen  Musem  zu  Dahlem- 
Steglitz,  Botaniseher  Garteu,  Potsdamer  Chaussee. 

Ule,  Ernst,  Botanischer  Forschungsreisender.  Adresse:  Manäos,  Consulado 
allemäo,  Brasilien,  zurzeit  Dahlem -Steglitz  bei  Berlin,  Königin 
Luisestr.  6  8. 

Urban,  Dr.  Ign.,  Geh.  Regierungsrat,  Professor,  Unterdirektor  des  botan. 
Gartens    und    botan.    Museums    zu  Berlin,    in  Dahlem-Steglitz    bei 
Berlin,  Altensteinstr.  4. 
Ursprung,    Dr.  Alfred,    Professor    der    Botanik    an    der  Universität    in 
Freiburg   (Schweiz),  Botanisches  Institut. 

Vöchting,  Dr.  H.  von,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  und 
Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Tübingen. 

VogI,  Dr.  August  E.,  Ritter  von  Fernheim,  Hofrat  und  Universitäts- 
professor in  Wien  YH,  Josefstätter  Str.  35. 

Voigt,  Dr.  Alfred,  Professor,  Assistent  am  botanischen  Museum  in  Ham- 
burg YH,  Wandsbeckerstieg  13. 

Volkart,  Dr.  A.,  Assistent  an  der  eidgenössischen  Samenkontrollstation 
in  Zürich  V,  Hochstr.  99. 

Volkens,  Dr.  Georg,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität 
und  Kustos  am  botanischen  Museum  in  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin, 
Königin  Luise-Str.  6/S. 

Voss,  Dr.  W..  Oberlehrer  in  Itzehoe  (Holstein). 

Votsch,  Dr.  Wilhelm,  Oberlehrer  in  Delitzsch,  Eilenburger  Str.  58. 

Wächter,  Dr.  Wilhelm,  Sekretär  der  Deutschen  botan.  Gesellschaft, 
Assistent  am  pflanzenphysiologischen  Institut  der  Universität 
und  am  botan.  Institut  der  Landw.  Hochschule  Berlin,  in  Steglitz, 
Florastr.  2  B. 

Wager,  Harold,  Inspector  of  Science  Schools  for  the  Science  and  Art 
Department  in  London,  in  Leeds,  England,  Horsforth  Lane,  Far 
Headingley. 

Wagner,  Dr.  Adolf,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität  und 
Assistent  am  botan.  Institut  in  Innsbruck,  Mühlau,  Yilla  KLOTZ. 

Warburg,  Dr.  0.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität, 
Lehrer  am  orientalischen  Seminar  in  Berlin  W.,  Uhlaudstr.  175. 

*Weber,  Dr.  C.  A.,  in  Bremen,  Friedrich- Wilhelmstrasse  24. 

Weberbauer,  Dr.  A.,  Professor,  Leiter  der  Yersuchsanstalt  für  Landes- 
kultur in  Victoria  (Kamerun). 

(7*) 


/■gß)  Mitgliederliste. 

Wehmer,  Dr.  C,  Professor,  Dozent  an  der  Technischen  Hochschule 
in  Hannover,  Callinstr.  12. 

Wehrhahn,  W.,  Lehrer  in  Hannover,  Asternstr.  29. 

Weis,  Fr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Landwirtschaft!.  Hochschule 
in  Kopenhagen. 

Weiss,  Dr.  Fr.  E.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  Botanical 
Laboratory  of  the  Owens  College  in  Manchester. 

Weisse,  Dr.  Arth.,  Professor,  Gyninasialoberlehrer  in  Zehlendorf  (Wannsee- 
bahn) bei  Berlin,  Annastrasse  11. 

Went,  Dr.  F.  A.  H.  C,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  botan. 
Gartens  in  Utrecht  (Holland). 

Wettstein,  Dr.  Richard,  Eitter  von  Westerheim,  Professor  und  Direktor  des 
botan.  Gartens  und  Museums  der  LTniversität  Wien,  Mitglied  der 
Akademie  der  Wissenschaften,  Herausgeber  der  Osterreichischen 
botan.  Zeitschrift,  in  Wien  HI,  Kennweg  14. 

Wredersheim,  Dr.  Walter,  in  Schachen  bei  Lindau  (Bodensee). 

Wieler,  Dr.  A.,  Professor,  Dozent  für  Botanik  an  der  Technischen 
Hochschule  in  Aachen,  Nizza- Allee  71. 

Wiesner,  Dr.  Jul.,  Hofrat,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des 
pflanzenphysiologischen  Institutes  der  Universität,  Mitglied  der 
Akademie  der  Wissenschaften,    in  Wien  IX,  Liechtensteinstr.  12. 

Wilhelm,  Dr.  K.,  Professor  der  Botanik  an  der  Hochschule  für  Boden- 
kultur in  Wien  XYHI,  Hochschulstr.  17  (Türkenschanze). 

Willis,  John  C,  Direktor  d.  Botan.  Gartens  in  Paradeniya  (Ceylon). 

Wilson,  William  Powell,  Direktor  of  the  Philadelphia  Commercial  Museum 
in  Philadelphia  (ü.  S.  A.) 

Winkelmann,  Dr.  J.,  Professor,  in  Stettin,  Politzer  Str.  85,  III. 

Winkler,  Dr.  Hans,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  in  Tübingen, 
Waldhäuserstr.  13. 

Winkler,  Dr.  Hubert,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Universität, 
Assistent  am  botanischen  Garten  in  Breslau. 

Wirtgen,  Ferd.,  Rentner  in  Bonn,  Niebuhrstr.  55. 

Wittmack,  Dr.  L.,  Geheimer  Regierungsrat,  Professor  an  der  Land- 
wirtschaftlichen Hochschule  und  an  der  Universität,  Berlin  N., 
Platz  am  Neuen  Tor  1. 

Wollenweber,  W.  in  Berlin  NW.,  Scharnhorststr.  8. 

Wortmann,  Dr.  J.,  Geh.  Reg. -Rat,  Professor,  Direktor  der  Versuchs- 
und Lehranstalt  für  Obst-  und  Weinbau  zu  Geisenheim  a.  Rh. 

Zacharias,    Dr.  E.,    Professor  der  Botanik,    Direktor    des    botanischen 

Gartens  in  Hamburg,  Sophienterrasse  15  a. 
Zahlbruckner,    Dr.    A.,    Leiter    der    botanischen  Abteilung    des  uatur- 

histor.  Hofmuseums  in  Wien  1,  Burgring  7. 
Zander,  A.,  Oberlehrer  am  Bismarck-Gymnasium  in  Haiensee  bei  Berlin, 

Westfälische  Strasse  59,  III. 


Mitgliederliste.  (97) 

Zenetti.  Dr.  Paul,  Professor  am  Lyceimi  in  Dillingen  a.  D. 
Zimmermann,    Dr.  Albrecht,    Professor,   Botaniker    an  der  Biologischen 

Station  Amani,  Poststation  Tanga  (Deutsch-Ostafrika). 
Zopf,    Dr.   W.,    Geh.    Regierungsrat,    Professor    der    Botanik    an    der 

Universität  und  Direktor  des  botanischen  Gartens  in  Münster  i.  W., 

Gerichtstr.  8. 
Zornig,  Dr.,  Assistent  am  pflanzenphysiologischen  Institut  in  München, 

Josefplatz  9. 


Verstorben. 


Moeller,  J.  D.,  Präparator  für  Mikroskopie  in  Wedel  (Holstein).  Verstarb 
am   29.  Oktober   1907. 

Müller,  Dr.  Carl,  Professor,  Dozent  für  Botanik  an  der  Technischen 
Hochschule  und  Vorstand  der  pflanzenphysiologischen  Abteilung 
der  Gärtnerlehranstalt  zu  Dahlem,  Sekretär  der  Deutscheu 
Botanischen  Gesellschaft  in  Steglitz  bei  Berlin.  Verstarb  am 
13.  Juni  1907. 

Perring,  W.,  Inspektor  des  botanischen  Gartens  in  Dahlem-Steglitz  bei 
Berlin.     Verstarb  am  23.  August  1907. 

Schwabach,  Frau  Elise,  in  Berlin.     Verstarb  am  3.  Oktober  1907. 


Register  zu  Band  XXV. 


1.  Geschäftliche  Mitteilungen. 

Seite 

Sitzung  vom  25.  Januar  190G 1 

Sitzung  vom  22.  Februar  1906 4S 

Sitzung  vom  28.  IMärz  1906 99 

Sitzung  vom  26.  April  1906 177 

Sitzung  vom  31.  Mai  1906 217 

Sitzung  vom  28.  Juni  1906 267 

Sitzung  vom  26.  Juli  1906 341 

Sitzung  vom  25.  Oktober  1906 415 

Sitzung  vom  29.  November  1906 483 

Sitzung  vom  27.  Dezember  1906 535 

Eechnungsablage  des  Jahres  1906  (Generalversammlungsheft  1) (1) 

Generalübersichten,  die  Jahre  1883 — 1906  betreuend  (Geueralversammlungsheft  I)  (41 
Bericht   über   die   am    12.  und  13.  September   1907    in   Dresden   abgehaltene 
vierundzwanzigstc  Generalversammlung  und  die  Feier  des  25jährigen 

Bestehens  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft (13) 

Verzeichnis  der  Pflanzenuamen (61) 

Mitgliederliste (73) 


2.  Festrede 


Gehalten    zur   Feier    des    25jährigen    Bestehens    der    Deutschen    Botanischen 

Gesellschaft  am  13.  September  1907  von  S.  SCHWENDENER ....    (21) 


3.  Nachrufe. 

Chr.  Friedrich  Hegelmaier  von  K.  Goebel (32) 

Carl  Müller  von  L.  Kny (40) 

Rudolf  Aderhold  von  J.  Beheens (47) 

J.  D.  Möller  von  0.  MÜLLER (57) 


Register.  (1)9) 

4.  Wissenschaftliche  Mitteilungen, 
a)  In  der  Reihenfolge  der  Yeröffentlichung  geordnet. 

■^  Seite 

1.  W.  Beuecke,  Über  stickstoffbindende  Bakterien  aus  dem  Golf  von  Neapel  1 

2.  H,  C.  Schelleuberg',    Über  das  primäre  Dickenwachstum    des  Markes  von 
Sainbucus  nigra  L 8 

3.  Peter  Tliomsen,    Über    das  Vorkommen    von   Nitrobakterien   im   Meere. 
Vorläufige  Mitteilung  aus  dem  botanischen  Institut  der  Universität  Kiel  .  16 

4.  Alfred  Fischer,  Erklärung 22 

5.  E.  Jahn,  Myxomycetenstudien 23 

(j.    (irustav  Gassuer,    Zur    Frage    der   Elektrokultur.     (Mit  zwei  Figuren  im 

Text.) 26 

7.  Julius  Stoklasa,  Adolf  Eruest  und  Karl  Chocensky,  Über  die  anaerobe 
Atmung  der  Samenpflanzen  und  über  die  Isolierung    der  Atmungsenzyme      38 

8.  S.  Kostytschew,  Über  die  Alkoholgärung  von  Aspergillus  niyer 44 

y.   W.  Palladin  und  S.  Kostytschew,   Über   anaerobe  Atmung   der   Samen- 
pflanzen ohne  Alkoholbildung 51 

10.  Fr.  liuhilk,  Über  Puccinia  Carlinae  E.  Jackj  in  bisheriger  Begrenzung  .       56 

11.  Vi.  Zilleski,    Über    den  Umsatz    der   Phosphorverbind&ngeu    in    reitenden 
Samen 58 

12.  M.    Möbius,     Die    Erkältung    der    Pflanzen.      (12     Mitteilung    aus    dem 
Botanischen  Garton  zu  Frankfurt  a.  M.) 67 

li).    M.  Tswett,  Zur  Geschichte  der  Chlorophyllforschung.     Antwort  an  Herrn 

MARCHLEW.SKI 71 

14.  F.  (J.  Kolli,  über  das  Glykogen  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporu- 
lation  der  Hefe.     (Mit  Tafel  I  und  2  Textfiguren.) 74 

15.  Helene    Wesselowska,    Apogamie    und    Aposporic    bei    einigen    Farnen. 
(Vorläufige  Mitteilung.) 85 

16.  Haus  Kuiep,   Über    das  spezifische  Gewicht   von  Fucus  vesiculosus.    (Mit 

drei  Textfiguren.l 86 

17.  F.  Heydrich,  Einige  Algen  von  den  Loochoo-  oder  Riu-Kiu-Inseln  (Japan). 
(Mit  Tafel  IL) 100 

18.  Alfred  Fischer,  Wasserstoö'-  und  Hydroxylionen  als  Keimungsreize .    .    .     108 
l'J.    Julius  Stoklasi),  Adolf  Ernest  und  Karl  Chocensky,  Über  die  anaerobe 

Atmung  der  Samenpflanzen    und  über  die  Isolierung  der  Atmungsenzyme     122 

20.  Arthur  Meyer    und    Erust  Schmidt,    Die  Wanderung  der  Alkaloide  aus 
dem  Pfropfreise  in  die  Unterlage 131 

21.  M.  Tswett,    Spektralanalytische  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline 

und  deren  nächste  Säurederivate  (Chlorophyllane).     (Mit  Tafel  III.)   .    .    .  137 

22.  C.  A.  Weber.  Euryale  europaea  nov.  sp.     (Mit  Tafel  IV.) 150 

23.  P.  Sorauer,  Blitzspuren  und  Fro&tspuren.     (Mit  2  Figuren  im  Tfxt.)   .    .  157 

24.  H.  Harms,    Über  Kleistogamie    bei   der  Gattung  Clitoria.    (Mit  Tafel  V.)  165 

25.  S.  Kostytschew,    Zur  Frage  der  Wasscrstofl'bildung  bei  der  Atmung  der 
Pilze 178 

26.  S.  Kostytschew,  Über  anaerobe  Atmung  ohne  Alkoholbildung 188 

27.  J.  M.  Geerts,  Über  die  Zahl  der  Chromosomen  von  Oenotliera  Lamarckiana. 
(Mit  Tafel  VI.) 191 

28.  S.  Rywosch,  Über  Pallisadcnzellen.    (Mit  Tafel  VII.) 1% 

29.  N.  Junitzky,  Über  Zymase  aus  Aspergillus  niger 210 

30.  E.    Schulze,     Zur    Frage     der    Bildungsweise    des    Asparagins    und    des 
Glutamins  in  den  Keimpflanzen 213 


(100) 


Register. 


Seite 

31.  W.  Voss,  über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten   ....     219 

32.  L.  Marchlewski,  Ülier  Herrn  TsWETT's  historische  Chlorophyll- 
forschungen und  seine  Chlorophylline 225 

33.  A.  Scherfifel,  Algologlsche  Notizen.     (Mit  einer  Abbildung  im  Text)    .    ,     228 

34.  W.  Zopf,    Biologische    und    morphologische  Beobachtungen    an  Flechten. 

35.  Robert  Lauterboru,  Eine  neue  (lattung  der  Schwefelbakterien  {Thioploca 
Schmidlei  nov.  gen.  nov.  spec.)     (Mit  einer  Abbildung.) 238 

3G  Werner  Magnus  und  Haus  Friedeutlial,  Über  die  Speciticität  der  Ver- 
wandtschaftsreaktion der  Pllauzen 242 

37.  M.  Möbiiis,  Notiz  über  schlauchbildende  Diatomeen  mit  zwei  verschiedenen 
Arten.     (Mit  einer  Abbildung.) 247 

38.  P.  Magnus,  Beitrag  zur  morphologischen  Unterscheidung  einiger  Uromyces- 
Arten  der  Fapilionaceen.     (Mit  Tafel  IX.) 250 

39.  G.  Ritter,  Über  Kugelhefe  und  Riesenzellen  bei  einigen  Mucoraceen. 
(Mit  Tafel  X  und  einer  Textfignr) 255 

40.  Wilhelm  Kiuzcl,  Über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.  „Licht- 
harte"'  Samen 269 

41.  W.  Voss,  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten  ....     276 

42.  A.  Schulz,  Über  Briquets  xerothermische  Periode  II 286 

43.  A.  Ursprung,  Weitere  Beobachtungen  über  das  Dickenwachstuni  des 
Markes  von  Sambucus  nigra  L 297 

44.  P,  Magnus,  Über  die  Benennung  der  Stptoria  auf  Chrysanthemum  indicum 

und  deren  Auftreten  im  mittleren  Europa 299 

45.  W.  Rulilaud,  Zur  Physiologie  der  Gummibilduug  bei  den  Amygdaleen 
(mit  drei  Abbildungen  im  Text) 302 

46.  Wilhelm  Wollenueber,  Uus  Stigma  von  Haeniatococcus.   (Mit  Tafel  XI)     316 

47.  W.  Benecke,    Über    die   Giftwirkung    verschiedener    Salze    auf  iSpirogyra 

und  ihre  Entgiftung  durch  Calciumsalze 322 

4S.    Werner  Maguus    und    Hans  Friedenthal,    Über   die  Artspecificität   der 

Pflanzenzelle 337 

49.  P.  Magnus,  Nachschrift  zu  meinem  Beitrag  zur  morphologischen  Unter- 
scheidung einiger  Üroniyces-Aitcn  der  Popilionaceen,  S.  250—255  d    Jahrg. 

d.  Berichte 340 

50.  Albert  ß.  Reagan,  Beobachtungen  aus  der  Flora  der  Kosebud-Indian- 
Reservation  in  South- Dakota 342 

51.  W.  Zaieski,  Über  den  Umsatz  der  Nucleinsäure  in  keimenden  Samen .    .     349 

52.  W.  Zeleski,  Über  die  autolytische  Ammoniakbildung  in  den  Pflanzen. 
(Vorläufige  Mitteilung.) 357 

53  W.  Zaieski,  Über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  in  den  Pflanzen  ....  360 
54.  F.  W.  Neger,  Eine  Krankheit  der  Birkenkätzchen.  (Mit  einer  Textfigur)  368 
55    Ed.  Fischer,  Über  einige  kalifornische  Hypogaeen.     (Mit  einer  'i'extfigur) 

(Vorläufige  Mitteilung) .     372 

56.  (x.  Tischler,  Weitere  Untersuchungen  über  Sterilitätsursachen  bei  Bastard- 
pflanzeu.     (Vorläufige  Mitteilung) 376 

57.  R.  Kraus,  L.  von  Portheim  und  T.  Yanianouchi,  Biologische  Studien 
über  Immunität  bei  Pflanzen.  I.  Untersuchungen  über  die  Aufnahme 
präcipitierbarer  Substanz  durch  höhere  Pflanzen.     (Vorläufige  Mitteilung.)     383 

58.  M.  Tswett,  Über  die  Spektrophotometrie  der  Chlorophylliue  und  die 
Energetik  des  Chlorophylls 388 

59.  M.  Nordhausen,  Über  die  Bedeutung  der  papillösen  Epidermis  als  Organ 

lur  die  Lichtperception  des  Laubblattes 398 


Register.  (101) 

Seite 

60.  Erwin  Baur,  Über  infektiöse  Chlorosen  bei  Ligustrum,  Laburnum, 
Fraxinus,  Soi'bus  und  Ptelea 410 

61.  1).  Iwauowski,  Über  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptions- 
bäuder  im  Bhitt.    (Mit. Tafel  XU.) 410 

62.  W.  Voss,  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten  ....     425 

63.  Hans  Fitting,  Sporen  im  Buntsandstein  —  die  Makiosporen  von  Pleuromäa?    434 

64.  Erwin  Baur,  Untersuchungen  über  die  Erblichkeitsverhältnisse  einer  nur 

in  Bastardform  lebensfähigen  Sippe  von  Antirrhinum  majus 442 

65.  A.  Ernst,  Über  androgyne  Infloreszenzen  bei  Dumortiera.  (Mit  Tafel  XIII)    455 

66.  Ernst  Lehmauu,  Vorläufige  Mitteilung  über  Aussaatversuche  mit  Veronicis 

der  Gruppe  agrestis 464 

67.  W.  J.  Uocters  van  Leeuweu-Reijuvaan,  Über  das  Färben  der  jüngsten 
Zellwände  in  Vegetationspunkten 470 

68.  J.  Kovoholt',  Enzjmatische  Eiweisszersetzung  in  erfrorenen  Pflanzen.    .    .     473 
6i}.    L.  Wittmack,  Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern 479 

70.  A.  Usteri,  Studien  über  Carica  Papaya  L.  (Mit  einer  Abbildung  im  Text)    485 

71.  Haus  Hallier,  Zur  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Angiospermen.  (Vor- 
läufige Mitteilung.) 496 

72.  F.  Brand,  Über  charakteristische  Algen-Tinktionen,  sowie  über  eine 
Gongrosira  und  eine  Coleoc/iaete  aus  dem  Würmsee 497 

73.  A.  Marinoff,  Eiuüu:;s  des  Lichtes  und  der  Feuchtigkeit  auf  die  Zu- 
sammensetzung der  Pflanzen.     (Vorläufige  Mitteilung.) 507 

74.  H.  Miehe,  T/iermo'idium  sulfureum  n.  g.  n.  sp ,  ein  neuer  Wärmepilz. 
(Mit  (•>  Textfiguren.) 510 

75     A.  Schulz,    Über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanero- 

gamen  Flora  und  Pflanzendecke  des  norddeutschen  Tieflandes 515 

76.  Z.  Woycicki,  Über  pathologische  Wachstumserscheinungen  bei  Spirogi/ra- 

und  .17o«^eo/ia-Artcn  in  Laboratoriumskultureu.     (Vorläufige  Mitteilung.)  .  527 

77.  E.  Stahl,  Über  das  Vergilben  des  Laubes.     (Vorläufige  Mitteilung.).    .    .  530 

78.  A.  Schulz,  Über  die  Entwicklungsgeschichte  der  gegenwärtigen  phanero- 
gamen  Flora  und  PÜanzendecke  des  norddeutschen  Tieflandes 536 

79    A.  Nestler,    Das  Sekret    der  Drüseuhaare    der  Gattung  Cgpripedium    mit 

besonderer  Berücksichtigung  seiner  hautreizenden  Wirkung.  (Mit  Tafel  XIV.)     554 

80.    Haus  Wink  1er,    TJljer    Pfropf  bastarde    und    pflanzliche    Chimären.      (Mit 

drei  Textfigiiren.) 568 

Sl.  F.  C.  von  Faber,  Über  Verlaubung  von  Cacaoblüten.  (Mit  einer  Ab- 
bildung im  Text.) 577 


-"o 


82.  Zygmuut  Woycicki,  Einige  erklärende  Worte  zur  Kritik  meiner  Ab- 
handlung: „Neue  Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte  von  BasicUobolus 
Ranarmn  Eid."  in  den  „Vorlesungen  über  botanische  Stammesgeschichte" 

von  Professor  LOTSY 581 

83.  Wilhelm  Figdor,  Über  den  Eifluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung  der 
Samen  einiger  Gesneriaceen 582 

84.  P«  Claussen,  Zur  Kenntnis  der  Kernverhältnisse  von  Pyronema  confluens, 
(Vorläufige  Mitteilung.)     (Mit  einer  Abbildung  im  Text.)  .   .' 586 


b)  Alphabetisch  nach  den  Autoren  geordnet. 

Baur,  Erwin,    Über  infektiöse  Chlorosen  bei  Ligustrum,  Laburnum,  P^axinus, 

Sorbus  und  Pcelea 410 


(102)  Register. 

Seite 

Banr,  Erwlu,    Untersuchungen    über  die  Erblichkeitsverhältnisse  einer  nur  in 

Bastardform  lebensfähigen  Sippe  von  Antirrhinum  majus 442 

Benecke,  W.,  Über  stickstoif  bindende  Bakterien  aus  dem  Golf  von  Neapel    .         1 
— ,    Über    die  Giftwirkung   verschiedener  Salze    auf  Spirogi/ra   und   ihre  Ent- 
giftung durch  Calciumsalze 322 

Brand,     F.,      Über     charakteristische     Algen-Tinktionen,      sowie     über     eine 

Gongrosira  und  eine   Coleochaete  aus  dem  Würmsee 497 

Bubäk,  Fr.,  Über  Fuccinia  Carlinae  E.  Jacky  in  bisheriger  Begrenzung  ...       56 

Chocensky,  Karl,  s.  Stoklasa. 

Clausseii,    P.,    Zur    Keuntnis    der    Kernverhältnisse    von    Pi/ronema  confluens. 

(Vorläufige  Mitteilung.)     (Mit  einer  Abbildung  im  Text.) 586 

Eruest,  A.,  s.  Stoklasa. 

Ernst,  A.,  Über  androgyne  Inflorescenzen  bei  Ditmortiera.  (Mit  Tafel  XIII.)  .  455 
Faber,  F.  C.  v.,  Über  Verlaubung  von  Cacaoblüten.  (Mit  einer  Textfigur.)  .  577 
Figdor,  'Wilhelm,  Über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung  der  Samen 

einiger  Gesneriaceen 582 

Fischer,  Alfred,«Erklärung 22 

— ,  Wasserstoff-  und  Hydroxylionen  als  Keimungsreize 108 

Fischer,    Ed.,    Über   einige   kalifornische   Hypogäen.     (Mit  einer  Textfigur.) 

(Vorläufige  Mitteilung) 372 

Fltting',  Uans,  Sporen  im  Buutsandstein  —  die  Makrosporen  von  P/euroineia?  434 
Friedenthai,  Hans.  s.  W.  Magnus. 

tJassner,  Gustav,  Zur  Frage  der  Elektrokultur.  (Mit  2  Textfiguren.)  ....  26 
Gecrts,  J.  M.,   Über  die  Zahl  der  Chromosomen  von   Oenothera  Lainarckiana. 

(Mit  Tafel  VI.) 191 

Hallier,  Haus,    Zur  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Angiosporen.    (Vorläufige 

Mitteilung) 496 

Harms,  H.,  Über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  CUtoria.     (Mit  Tafel  V.)    .    .     165 
\/  Heydrich,  F.,    Einige  Algen    von  den  Loochoo-  oder  Riu-Kiu-Inseln  (Japan). 

(Mit  Tafel  II) 100 

Inanowski,   1>.,    Über  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptionsbänder 

im  Blatt.     (Mit  Tafel  XII.) 416 

Jahn,  E.,  Myxomycetenstudien 23 

Junitzky,  N.,  Über  Zymase  aus  Aspergillus  nie/er 210 

Kiuzel,  Wilhelm,    Über   den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung.     „Licht- 
harte"  Samen 269 

Euiep,  Haus,   Über  das  spezifische  Gewicht  von  Fucus  vesiculosus.    (Mit  drei 

Textfiguren.) 86 

Kohl,  F.  Gr..  Über  das  Glykogen  und  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulation 

der  Hefe.     (Mit  Tafel  I  und  2  Textfiguren.) 74 

Kostytschew,  S.,  Über  die  Alkoholgärung  von  Aspergillus  niger 44 

— ,  Zur  Frage  der  Wasserstoffbilduug  bei  der  Atmung  der  Pilze    ......     178 

— ,  Über  anaerobe  Almung  ohne  Alkoholbildung 188 

— ,  s.  auch  W.  PALLADIN. 

Kovchoff,  J.,  Enzymatische  Eiweisszersetzung  in  erfrorenen  Pflanzen    ....     473 
Kraus,  R.,  L.  von  Portheim  und  T.  Yamauouchi,  Biologische  Studien  über 
Immunität    bei    Pflanzen.     I.    Untersuchungen    über    die    Aufnahme 
präcipitierbarer  Substanz  durch  höherePflanzen.  (Vorläufige Mitteilung.)     383 
Lauterboru,   Robert,    Eine    neue  Gattung    der    Schwefelbakterien    (Ttiioploca 

Schmidlei  nov.  gen.  nov.  spec.)     (Mit  einer  Abbildung  im  Text.)    .    .     238 


Register.  (103) 

Seite 

LeeuTcn-Reijevaaii,  Docters,  W.  und  J.  vau,  Über  das  Färben  der  jüngsten 

Zellwände  in  Vegetationspunkten 470 

'Lehmaun  Ernst,    Vorläufij^e  Mitteilung   über   Aussaatversuche   mit   Veronicis 

der  Grupi)e  agrestis 464 

Marchlewski,  L.,    Über  Herrn  Tswett's   historische  Chlorophjllforschungen 

und  seine  Chlorophylline 225 

Magnus,  P.,    Beitrag  zur  morphologischen  Unterscheidung   einiger   Uromi/ces- 

Arten  der  Papiiionaceen.     (Mit  Tafel  IX.) 250 

— ,    Über    die  Benennung    der  Septoria    auf  Ckri/santliemum  indicum  und  deren 

Auftreten  im  mittleren  Europa 299 

— ,  Nachschrift  zu  meinem  Beitrag  zur  morphologischen  Unterscheidung 
einiger  Uroniyces-Arten  der  Papiiionaceen.  S.  250—255  d.  Jahrg.  d. 
Berichte 340 

Magnus,  Werner,  und  Hans  Friedenthal,  Über  die  Specificität  der  Ver- 
wandtschaftsreaktion der  Pllauzen 242 

— ,  und  Hans  Friedenthal,  Über  die  Avtspecilicität  der  PÜanzenzelle  .    .    .    .     337 

Meyer,  Arthur,  und  Ernst  Schmidt,  Die  Wanderung  der  Alkaloide  aus  dem 

Pfropfreise  in  die  Unterlage 131 

Miehe,  H.,  Therinu'idium  sulfureum  n.  g.  n.  spec,  ein  neuer  Wärmepilz.    (Mit 

G  Textfiguren.) 510 

Möbins,  M.,  Die  Erkältung  der  Pflanzen.  (12.  Mitteilung  aus  dem  Botanischen 

Garten  zu  Frankfurt  a.  M.) 67 

— ,    Notiz    über    schlauchbildende    Diatomeen   mit    zwei   verschiedenen  Arten. 

(Mit  einer  Abbildung  im  Text.) 247 

Murinoff,  A.,  Einfluss  des  Lichtes  und  der  Feuchtigkeit  auf  die  Zusammen- 
setzung der  Pflanzen.     (Vorläufige  Mitteilung.) 507 

Neger,  F.  W.,  Eine  Krankheit  der  Birkenkätzchen.    (Mit  einer  Abbildung  im 

Text.) 368 

Nestler,  A.,  Das  Sekret  der  Drüsenhaare  der  Gattung  Cypripedium  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  seiner  hautreizenden  Wirkung.  (Mit 
Tafel  XIV.) 554 

Nordhauseu,  M,,   Über  die  Bedeutung   der   papillösen   Epidermis   als   Organ 

für  die  Lichtperception  des  Laubblattes 398 

Falladin,  W.,  und  S.  Kostytsehew,  Über  anaerobe  Atmung  der  Samen- 
pflanzen ohne  Alkoholbildung 51 

Porthelm,  L.  v.,  s.  E.  Kraus. 

Reagan,    Albert    B.,    Beobachtungen    aus    der   Flora    der    Rosebud-Iudian- 

Reservation  in  South-Dakota 342 

Ritter,  G.,    Über  Kugelhefe    und  Riesenzellen    bei  einigen  Mucoraceen.     (Mit 

Tafel  X  und  einer  Textfigur.) 255 

Rnhland,  W.,    Zur  Physiologie  der  Gummibildung  bei  den  Amijydaleen.     (Mit 

3  Abbildungen  im  Text.) 302 

Rywosch,  L.,  Über  Palissadenzellen.    (Mit  Tafel  VII.) 196 

Schellenberg,  H.  C,   Über   das   primäre   Dickenwachstum   des   Markes   von 

Sambucus  nigra  L 8 

Scherlfel,  A.,  Algologische  Notizen.    (Mit  einer  Abbildung  im  Text.)  ....     228 

Schmidt,  Ernst,  s.  A.  Meyer. 

Schulz,  A.,  Über  Briquet's  xerothermische  Periode  II 286 

— ,  Über  die  Entwicklungsgeschichte  der    gegenwärtigen  phanerogamen  Flora 

und  Pflanzendecke  des  norddeutschen  Tieflandes 515 


(104)  Eegister. 

Seite 

SchnlZ;  A.,  Über  die  Entwicklungsgescliichte  der  gegenwärtigen  phanerogamen 

Flora  und  Pflanzendecke  des  norddeutschen  Tieflandes 536 

Schnlze,  E.,  Zur  Frage  der  Bildungsweise  des  Asparagiiis  und  des  Glutamins 

in  den  Keimpflanzen 213 

Soraner,  P.,  Blitzspuren  und  Frostspuren.    (Mit  2  Textfigaren.) 157 

Stahl,  E.,  Über  das  Vergilben  des  Laubes.     (Vorläufige  Mitteilung) 530 

Stoklasa,  Jiilins,  Adolf  Eriiest  und  Karl  Cboceiisky,  Über  die  anaerobe 
Atmung  der  Samenpflanzen  und  über  die  Isolierung  der  Atmungs- 
enzyme            38 

— ,  Adolf  Eruest   und    Karl   Chocensky,    Über    die    anaerobe    Atmung    der 

Samenpflanzen  und  über  die  Isolierung  der  Atmungsenzyme   ....     122 
Tischler,  G.,   Weitere  Untersuchungen    über  Sterilitätsursachen    bei   Bastard- 

pflauzen.     (Vorläufige  Mitteilung.) 372 

Thomsen,  Peter,    Über  das  Vorkommen  von  Nitrobakterien  im  Meere.     Vor- 
läufige Mitteilung  aus  dem  botanischen  Institut  der  Universität  Kiel       16 
TsTvett,  M,    Zur    (leschichte    der    Chloroi)hyllforschung.      Antwort    an    Herrn 

Marchlewski 71 

— ,  Spektralanalytische  Untersuchungen    über    die    Chlorophylline    und    deren 

nächste  Säurederivate  (Chlorophyllane).     (Mit  Tafel  III.) 137 

— ,  Über    die  Spektrophotometrie    der  Chlorophyllinc    und    die   Energetik    des 

Chlorophylls 388 

Ursprung,  Ä.,  Weitere  Beobachtungen  über  das  Dickenwachstum  des  Markes 

von  Sanibucus  nigra  L 297 

Usteri,  A.,  Studien  über  Carica  Pnpaya  L.     (Mit  einer  Abbildung  im  Text.).     485 
Voss,  W.,  Über  Merkmale  normaler  Organe  in  monströsen  Blüten      219.  276.     425 

Weber,  C.  A.,  Euryale  europaea  nov.  sp.  foss.     (Mit  Tafel  IV ) 150 

Wesselowska,  H^-lene,  Apogamie  und  Aposporie  bei  einigen  Farnen.  (Vor- 
läufige Mitteilung.) 85 

Winkler,  Hans,   Über  Pfi-opfbastarde    und   pflanzliche  Chimären.     (Mit  drei 

Textfiguren.) 568 

Wittmack,  L.,  Funde  in  alten  chilenischen  Gräbern 479 

Wollenweber,  Wilhelm,  Das  Stigma  von  Haematococcus.     (Mit  Tafel  XI).    .     316 
Woycicki,   Z.,    Über   pathologische    Wachstumserscheinungen    bei    Spirogyra- 

und  AJougeotia-Artun  in  Laboratoriumskulturen.  (Vorläufige  Mitteilung.)    530 
— ,  Einige  erklärende  Worte  zur  Kritik   meiner  Abhandlung:    „Neue  Beiträge 
zur  Entwicklungsgeschichte   von  liasidiobolas   Ranaruvi  Eid."    in  den 
„Vorlesungen  über  botanische  Stammesgeschichte"  von  Prof.  LOTSY    581 
Yamanouchi,  T.,  s.  R.  Kraus. 
Zaleski,  W.,  Über  den  Umsatz  der  Phosphorverbindungeii  in  reifenden  Samen      58 

— ,  Über  den  Umsatz  der  Nucleinsäure  in  keimenden  Samen 349 

— ,  Über    die    autolytische    Ammoniakbildung    in    den    Pflanzen.      (Vorläufige 

Mitteilung.) .     357 

— ,  Über  den  Aufbau  der  Eiweissstoffe  in  den  Pflanzen 360 

Zopf,  W.,  Biologische  und  morphologische  Beobachtungen  an  Flechten.     (Mit 

Tafel  VIII.) 233 


Verzeichnis  der  Tafeln. 

Tafel  I    zu  F.  G,  Kohl,    Über    das    Glykogen    und    einige    Erscheinungen    bei    der 
Sporulation  der  Hefe.     Erklärung  auf  S.  84. 


Keffister. 


-o 


(105) 


Tafel  II  zu  F.  Heydrich,    Einige    Algen   von    den   Loochoo-    oder   Riu-Kiii-Tnseln 

(Jajian).     Erklärung  auf  S.  107. 
Tafel  III  zu  M.  Tswett,  Spektralanalytische  Untersuchungen  über  die  Chlorophylline 

und  deren  nächste  Säurederivate  (Chlorophyllane).  Erklärung  auf  S.  150. 
Tafel  IV  zu  C.  A.  Weber,  Euri/ale  europaea  nov.  sp.  foss.  Erklärung  auf  8.  157. 
Tafel  V  zu  H.  Hanns,  Über  Kleistogamie  bei  der  Gattung  CUtoria.    Erklärung  auf 

S.  175. 
Tafel   VI    zu    J.  M.  Geerts,    Über    die    Zahl    der    Chromosomen    von    Oenothera 

Lamarckiana.     Erklärung  auf  S.  195. 
Tafel  VII  zu  S.  Rywosch,  Über  die  Pallisadcnzellen.     Erklärung  auf  S.  208. 
Tafel    VIII    zu    W.    Zopf,     Biologische    und    morphologische    Beobachtungen    an 

Flechten.     Erklärung  auf  S.  237. 
Tafel  IX    zu    P.   M.agnus,    Beitrag    zur    morphologischen    Unterscheidung    einiger 

üroiii//ces- Arien  der  Papilionaceen.     Erklärung  auf  S.  254. 
Tafel  X   zu    U.  Ritter,    Über  Kugelhefe   und  Riesenzellen  bei  einigen  Mucoraceen. 

Erklärung  auf  S.  265. 
Tafel  XI  zu  Wilüelm  Wolleuweber,   Das  Stigma   von  llaematococcus.     Erklärung 

auf  S.  321. 
Tafel  XII  zu  I>.  Ivraiiowski,  Über  die  Ursachen  der  Verschiebung  der  Absorptions- 
bänder im  Blatt.     Erklärung  im  Text. 
Tafel  XIII  zu  A.  Ernst,  Über  androgyne  Inflorescenzen  bei  Dumortiera.    Erklärung 

auf  S.  464. 
Tafel  XIV  zu  A.  Nestler,   Das  Sekret   der  Drüsenhaare    der  Gattung  Cypripedium 

mit  besonderer  Berücksichtigung  seiner  hautreizenden  Wirkung.  Erklärung 

auf  S.  5(J7. 


Verzeichnis  der  Textabbildungen. 

Seite 
Gustav  Gassner,  Zur  Frage  der  Elektrokultur: 

Fig.  1 29 

Fig.  2 29 

F.  G.  Kohl,  Über  das  Glykogen  uud  einige  Erscheinungen  bei  der  Sporulation 
der  Hefe: 

Fig.  1.     Kernteilung  ohne  restierenden  Mutterzellenkern 82 

Fig.  2.  „  mit  „  „  83 

Hiins  Eniep,  Über  das  spezifische  Gewicht  von  Fuciis  vesiculosus. 

Fig.  1-3 93 

P.  Sorauer,  Blitzspuren  und  Frostspuren: 

Fig.  1.     Kiefer,  künstlicher  Frost 160 

Fig.  2.    Fichte,  künstliche  Blitzspur 162 

A.  Seherffel,  Algologische  Notizen 

Fig.  1.     Pandorina  morum 231 

Fig.  2.     ^M^6ocÄae^e-Schwärmer 231 

Fig.  3.     Carteria  dubia 231 

Fig.  4.     Chamaesip/ion  hyalinus 231 

Robert  Lauterbom,    Eine   neue    Gattung    der   Schwefelbakterien    {TIdoplüca 
Schmidlei)  nov.  gen.  nov.  spec): 
Fig.  1.     Thioploca  Sclimidlei  Lauterb 239 

M.  Möbius,    Notiz    über    schlauchbiidende  Diatomeen   mit  zwei  verschiedenen 
Arten : 
Fig.  1-4 249 


(106)  Register. 

Seite 

0.  Ritter,  Über  Kugelhefe  und  Riesenzellen  bei  einigen  Mucoraeeen: 

Fig.  1  a 257 

W.  Ruhland,  Zur  Physiologie  der  Gummibildung  bei  den  Amygdaleen: 

Fig.  1.     Schnitte  durch  das  gummibildende  Gewebe 305 

Fig.  2-3 312 

F.  W.  Neger,  Eine  Krankheit  der  Birkenkätzchen: 

Fig.  1.     Hirkenkätzchen  mit  gebräunter  Spitze 369 

Ed.  Fischer,  Über  einige  kalifornische  Hi/poyaeen: 

Fig.  1 di-i 

A.  üsteri,  Stndien  über  Carica  Papaya: 

Fig.  1.     Carica    Papaya    f.    Ernesti,    Fruchtknoten.      Übergang    von 
StanbLlättcrn  in  Carpelle 488 

H.  Miehe,  Theriiio'idium  svlfureum  n.  g.  n.  sp.,  ein  neuer  Wärmepilz. 

Fig.  1.     Keimende  Sporen 512 

Fig.  2.     Junges,  bei  43'^  in  24  Stunden  herangewachsenes  Mycel  .    .     512 

Fig.  3.     Einige  sporogene  Hyphen .    .        .    .     513 

Fig.  4.     Reife  Sporen 514 

Fig.  5.     Verschiedene  Sporenlbrmen 514 

Fig.  6.     Knotige  Hyphen 514 

Hans  Winliler,  Über  Pfropf bastarde  und  pflanzliche  Chimären: 

Fig.  1.     Schematische  Darstellung  der  regenerierenden  Schnittflächen     571 

Fig.  2.     Habitusbild  der  Chimäre 573 

Fig.  3.     Blattformen 574 

F.  C.  von  Faber,  Über  Verlaubung  von  Cacaoblüten: 

Fig.  1.     Normale  und  deformierte  Blüten 578 

P.  Claussen,  Zur  Kenntnis  der  Kernverhältnisse  von  Pyronema  confluens: 

Fig.  1.     Tantrentialer  Schnitt  durch  ein  junges  Apothecium     ....     588 

L.  Kny,  Nacliruf  auf  C.  Müller,    Porträt  C.  Müllers (41) 

Übersicht  der  Hefte. 

Heft  1  fS.  1-42)  ausgegeben  am  21.  Februar  1907. 

Heft  2  (S.  43-98)  ausgegeben  am  25.  März  1907. 

Heft  3  (S.  99-176)  ausgegeben  am  23.  April  1907. 

Heft  4  (S.  177—216)  ausgegeben  am  28.  Mai  1907. 

Heft  5  (S.  217—266)  ausgegeben  am  26.  Juni  1907. 

Heft  6  (S.  267—340)  ausgegeben  am  24.  Juli  1907. 

Heft  7  (S.  341—414)  ausgegeben  am  28.  August  1907. 

Heft  8  (S.  415-482)  ausgegeben  am  27.  November  1907. 

Heft  9  (S.  483-534)  ausgegeben  am  24.  Dezember  1907. 

Heft  10  (S.  535-590)  ausgegeben  am  27.  Januar  1908. 

Generalversammlungsheft  I.  Teil,  S.  (1) — (12),  ausgegeben  am  1.  September 

1907. 
Generalversammlungsheft  II.  Teil  (Schlussheft),  S.  (13)— (107),  ausgegeben 

am  27.  Februar  1908. 

Berichtigungen. 

Seite  138,  Zeile  15  von  oben  lies  „Somit"  statt  „Sonst". 

„      138,      „        3  von  unten  lies  „gemeinen"  statt  ..gewöhnlichen". 
„      138,      „        8  von  unten  lies  „später"  statt  „sptäer". 


Register.  (107) 

8  von  unten  lies  J— V"  statt  „I-IV«. 
13  von  oben  lies  „Göö-GGT"  statt  „605—662*. 
21  von  oben  lies  „alkoholischer"  statt  „allkalischer". 
23  von  oben  lies  „nach  660-670"  statt  „nach  660^ 

8  von  unten  lies  „Preyer"  statt  „PIEPER". 

1  von  oben 
lies  ^VI  >  I  >  III  ^-  V  >  TI  =  IV"  statt  „VI  >  I  >  III  >  II  =  IV. 

2  von  oben  lies  „erscheinen"  statt  „erschienen". 

9  von  oben  lies  „gelbere"  statt  „gelbe''. 
10  von  oben  lies  „Lösung  benennen"  statt  „Farbe  bemessen". 
20  von  oben  lies  ., genuinen''  statt  „Gemeinen". 
19  von  unten  lies  „mich'"  statt  „noch". 

7  von  unten  lies  ,, genug"  statt  „ganz". 

2  von  unten  lies  „genuinen"  statt  „gemeinen". 

4  von  oben  lies  „Chlorophjllin  a"  statt  „Chlorophjllin". 

17  von  oben  lies  „zerriebenen"  statt  „geriebenen". 

18  von  oben  lies    ,passenfier"  statt  „fallender". 
1  von  oben    lies    „Phylloxanthin    in    Phyllocyanin"    statt   „Phyllo- 

cyanin  in  Phylloxanthin". 
147,  Tabelle,  lies  „Intensitätsskala''  statt  „Inscositätsskala-'. 
149,    Zeile    8    von    oben    lies    „des    V.   Chlorophyllan-a-Bandes"    statt    „des 

V.  Chlorophyllin-a-ßandes". 
204,  Zeile  16  von  oben  lies  „kürzere"  statt  „längere". 
437,      „      17  von  oben,  ist  hinter  „Schieferletten"  einzuschieben:  „vorkommen, 

haben  die  Sporen  bisher  nur  in  Schieferletten". 


Seite 

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